EINE WELT - SICHERHEIT IN OSTEUROPA LAOS - admin.ch
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
EINE WELT NR. 1 / MÄRZ 2020 Das DEZA-Magazin für Entwicklung und Zusammenarbeit www.eine-welt.ch SICHERHEIT IN OSTEUROPA Wichtig für Europa, wichtig für die Schweiz LAOS Ein Land im Ausverkauf MIGRATION UND ENTWICKLUNG Eine kontroverse Beziehung
INHALT DOSSIER HORIZONTE FORUM SICHERHEIT IN OSTEUROPA LAOS 8 Sicherheit in Europa bedeutet 20 Ein Land im Ausverkauf 32 Migration und Entwicklung: Sicherheit für die Schweiz Laos ist eines der ärmsten Länder in eine kontroverse Beziehung Terrorismus, irreguläre Migration oder Südostasien – dessen Regierung will Vermag internationale Zusammenarbeit Menschenhandel – das Thema öffentliche das Land im Eilzugstempo zur Batterie den Migrationsdruck tatsächlich zu Sicherheit hat in Europa an Bedeutung Asiens machen senken? Eine Kontroverse gewonnen 24 35 13 Aus dem Alltag von … Soziale Sicherheit – ein Menschen «Die Unterstützung ist von Michal Harari, Verantwortliche für recht unter Beschuss strategischer Bedeutung» Gouvernanz-Programme im Immer wieder gerät der Schutz der Interview mit dem Sicherheitsexperten Kooperationsbüro Vientiane Ärmsten durch Sozialhilfe unter politi- Roderick Ackermann schen Beschuss – zu Unrecht 25 15 Bleibt beharrlich, hört nicht auf 38 Positives Fazit trotz schwieriger zu lernen! Die Kunst des Lebens! Umstände Trotz schwieriger Kindheit in extremer Carte blanche: Die Bosnierin Aida Begić Die Projekte der Schweiz im Rahmen des Armut besitzt Ms Baimoua heute über die Rolle der Künstlerinnen und Erweiterungsbeitrags wurden in Rumänien einen Hochschulabschluss und eine Künstler sowie den Wert der Kultur in und Bulgarien abgeschlossen Anstellung als IT-Assistentin Krisenzeiten 17 Mit Wissensaustausch zu mehr Sicherheit DEZA KULTUR Gefragte Schweizer Expertise beim Wissensaustausch zwischen Institutionen in der Schweiz und den EU-Mitgliedsstaaten 19 26 39 Facts & Figures Mit Lowtech gegen Indiens Hitzekollaps Der Sound der 20 Millionen Schweizer Ingenieure beraten indische Mahraganat gehört aktuell zur populärsten Baufachleute, Ministerien und Investoren Musik Kairos – ein Basler DJ versucht, den im energieeffizienten Bauen Musikstil auch ausserhalb Ägyptens als eigenes Genre zu etablieren 29 Möglichst schnell weg über die Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit Grenze – und dann? (DEZA), die Agentur der internationalen Zusam- Tag für Tag verlassen tausende menarbeit im Eidgenössischen Departement für 3 Editorial Venezolanerinnen und Venezolaner auswärtige Angelegenheiten (EDA), ist Herausgeberin 4 Periskop von «Eine Welt». Die Zeitschrift ist aber keine offizi- in der Hoffnung auf bessere Lebens- 31 Einblick DEZA elle Publikation im engeren Sinn; in ihr sollen auch bedingungen ihr desolates Land andere Meinungen zu Wort kommen. Deshalb geben 41 Service nicht alle Beiträge notwendigerweise den Standpunkt 43 Fernsucht mit Mario Casella der DEZA und der Bundesbehörden wieder. 43 Impressum 2 EINE WELT 01/2020
EDITORIAL GEFAHREN KENNEN KEINE GRENZEN sprach bei der Schaffung des Erweiterungsbeitrags dem erklärten Ziel des Bundesrats. Polen, Bulgarien und Rumänien überwachen insge samt mehr als 3000 Kilometer der EU-Aussengrenze, was etwa der Luftdistanz von Bern ans Kaspische Meer entspricht. Das machte diese Länder in den Bereichen des grenzüberschreitenden organisierten © DEZA Verbrechens, des Menschenhandels oder der irregu lären Migration zu Schlüsselakteuren. Die Zusammen Vor gut vierzig Jahren sah ich in einem Zeughaus ein arbeit der Schweiz im Rahmen des Erweiterungsbei Poster mit dem Slogan: «Jedes Land hat eine Armee, trags setzte deshalb einen Schwerpunkt auf eben entweder die eigene oder eine fremde». Das stimmte diese Bedrohungsformen, die direkt oder indirekt Aus zwar schon damals nicht ganz, da zum Beispiel Costa wirkungen auf unser Land haben. 116 Millionen Franken Rica seit 1948 weder über eine eigene Armee verfügte, flossen in Massnahmen zur Stärkung der öffentlichen noch seither je besetzt worden war. Im Übrigen ent Sicherheit der Partnerländer. In Polen unterstützte die sprach die Aussage dem Zeitgeist des Kalten Krieges Schweiz die Verbesserung der Ausstattung von mobi und den damals vorherrschenden Szenarien inter len Grenzkontrolleinheiten, in Estland die Errichtung nationaler bewaffneter Konflikte. Solche Szenarien eines Systems zur automatischen Erkennung von kann man auch heute nicht ausschliessen; sie sind Nummernschildern und in Bulgarien den Kampf gegen jedoch in den letzten Jahrzehnten glücklicherweise den Menschenhandel, zum Beispiel durch Mitfinanzie seltener geworden. rung einer Präventionskampagne, welche die bulgari sche Bevölkerung vor fiktiven Jobangeboten warnt. Dafür sind in der Zwischenzeit andere globale Be drohungen entstanden, deren komplexe Ursachen Eine externe Evaluation stellt den Schweizer Projekten höchstens noch von Experten verstanden werden im Bereich Sicherheit insgesamt ein positives Zeugnis und deren weitreichende Auswirkungen auf kei aus. Die Unterstützung sei relevant und qualitativ gut nem Poster mehr Platz hätten. Zu nennen sind etwa gewesen, auch wenn (noch) nicht überall die erwarte Klimawandel, Wasserknappheit und Pandemien. Ich ten Veränderungen eingetreten seien. denke aber auch an das organisierte Verbrechen, Cyberangriffe und Terrorismus. Kein Land kann sich Der Erweiterungsbeitrag zugunsten der 13 EU-Mit allein gegen diese Gefahren schützen, weil diese gliedsstaaten entsprang zwar einer anderen Logik, selber keine Grenzen kennen. Das heisst, die Frage, als die Internationale Zusammenarbeit der Schweiz gegen welche Staaten wir uns allenfalls wehren in den ärmsten Ländern der Welt; aber sie haben ein müssten, ist heute nur noch eine unter vielen. Zen wichtiges Element gemeinsam: Solidarität mit Men traler ist die Frage: Mit welchen Staaten können wir schen, die unsere Unterstützung brauchen, und die angesichts der genannten Risiken zusammenarbei längerfristigen Sicherheitsinteressen unseres Lan ten? des sind keine Gegensätze; sie ergänzen sich. Dieses Heft behandelt als Hauptthema die Zusam Manuel Sager menarbeit der Schweiz im Bereich der Sicherheit Direktor der DEZA mit den 13 Staaten, die seit 2004 der EU beigetreten sind und bis Ende 2019 vom Erweiterungsbeitrag der Schweiz in der Höhe von rund 1.3 Milliarden Franken profitierten (die Umsetzungsphase in Kroatien dau ert noch bis 2024). Die «Förderung von Stabilität und Sicherheit auf dem europäischen Kontinent …» ent EINE WELT 01/2020 3
PERISKOP HOHES PANDEMIERISIKO (sch) Die Weltgemeinde riskiere, in eine globale Krise zu schlafwandeln, die noch schlimmer ausfallen könnte, als die Spanische Grippe von 1918 mit 50 Millionen Todesopfern. Davor warnen die Verfasser des Berichts «A world at risk» des «Global Preparedness Monitoring Board». Alleine zwi- schen 2011 und 2018 registrierte die WHO 1483 Epidemien in © UNHCR/Georgina Goodwin 172 Staaten, darunter Grippe, SARS, Ebola, die Pest, Zika und Gelbfieber. Damit Pandemien nicht ausser Kontrolle gera- ten, seien deutlich höhere Investitionen ins Risikomanage- ment notwendig. Dies wäre auch ökonomisch sinnvoll: Die Ebola-Epidemie von 2013 bis 2016 kostete die Weltgemeinde STAATENLOSIGKEIT: 53 Milliarden US Dollar. Der Bericht fordert die Ernennung MEILENSTEIN ERREICHT eines nationalen Koordinators für Gesundheitskrisen auf höchster politischer Stufe, mehr Investitionen in neue (cz) Zusammen mit Hunderten internationalen und regio- Impfungen und Therapien sowie ein forcierter Wissensaus- nalen Organisationen haben sich mehr als 85 Regierungen tausch bezüglich neu auftauchender Pathogene. Gleichzeitig dazu verpflichtet, die Staatenlosigkeit von Menschen zu müssten von Pandemien betroffene Regionen und Gemein- beenden. An einem vom UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR den besser in die Bewältigung der Krisen involviert werden. organisierten Treffen in Genf verpflichteten sich zudem über 50 Staaten dazu, die UN-Konventionen zur Staa- tenlosigkeit zu ratifizieren. So soll etwa die Einbürgerung von Staatenlosen erleichtert, Staatenlosigkeit verhin- GRÜNE ALTERNATIVE ZU DIESELGENERATOREN dert, Staatenlosen Schutz geboten und eine universelle (sch) 25 Millionen Diesel- und Benzingeneratoren sind in Geburtsregistrierung sichergestellt werden. Die Anzahl 167 Entwicklungsländern (ohne China) heute in Betrieb. Sie der Zusagen zu einem einzigen Zeitpunkt sei beispiellos, haben eine Gesamtkapazität von 350 bis 500 Gigawatt, was hiess es vonseiten des UNHCR. «Das Engagement zeigt, etwa 700 bis 1000 grossen Kohlekraftwerken entspricht. dass es einen beispiellosen politischen Willen gibt, die- Diese Zahlen finden sich im neuen Bericht «The Dirty ses Problem zu lösen», sagte der UNO-Hochkommissar für Footprint of the Broken Grid» der Weltbank-Gruppe, welcher Flüchtlinge Filippo Grandi. Laut UNHCR ist Staatenlosigkeit die negativen sozioökonomischen Auswirkungen einer eine der Hauptursachen für Menschenrechtsverletzun- Stromversorgung analysiert, die mangels eines verlässli- gen an Millionen von Menschen weltweit. chen Elektrizitätsnetzes auf Generatoren angewiesen ist. In Westafrika zum Beispiel wird über 40 Prozent des Elektri- zitätskonsums mit Generatoren abgedeckt. 40 Milliarden US Dollar werden in den untersuchten Ländern jährlich für Benzin und Diesel für den Betrieb von Generatoren aus- GESUNDHEIT: HISTORISCHER ERFOLG gegeben. Das führt zu durchschnittlich doppelt so hohen (cz) Das wilde Poliovirus Typ 3 gilt seit Kurzem als ausge- Stromkosten wie für Netzstrom. Die Autoren plädieren dafür, rottet. Das gab eine unabhängige Expertenkommission am die Generatoren durch Sonnenenergie und neue, intelligente letztjährigen Welt-Polio-Tag bekannt. Nach der Ausrottung Stromverteilnetze zu ersetzen. Damit würden nicht nur der Pocken und des wilden Poliovirus Typ 2 stelle dieser hohe Stromkosten für arme Haushalte reduziert, sondern Erfolg einen weiteren Meilenstein dar, sagte der Generaldi- auch negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt. rektor der Weltgesundheitsorganisation Tedros Adhanom Ghebreyesus. «Dank der Kombination von Innovation und Engagement bleibt nur noch einer von drei Typen des wilden Poliovirus übrig», so Ghebreyesus. Man wolle nicht den Eindruck vermitteln, dass die Arbeit beendet sei, sagte ein © Wu Wei/Xinhua/Gamma/Eyedea Presse/laif Sprecher der WHO. «Wir machen Fortschritte, aber Selbst- zufriedenheit ist jetzt eine der grössten Gefahren.» Denn der Typ 1 des Poliovirus steckt immer noch Menschen an – und kommt etwa in Afghanistan oder Pakistan vor. Ausserhalb des menschlichen Körpers kann das wilde Poliovirus aber nicht über längere Zeit überleben. Das heisst: Wenn das Virus keine ungeimpfte Person zur Infektion findet, stirbt es aus. 4 EINE WELT 01/2020
PERISKOP © Zeichnung von Ilian Savkov, Bulgarien Khadga Prasad Sharma Oli. Das Problem ist Ursache vieler WENIGER DISKRIMINIERENDE GESETZE Infektionskrankheiten in ärmeren Ländern. 2009 war es in (zs) Während sich die Lebensbedingungen der Frauen in Nepal zu einer katastrophalen Cholera-Epidemie gekom- rund 60 Ländern verbesserten, haben sie sich in von Kon- men, die als Weckruf für die Regierung diente. Der Erfolg flikten heimgesuchten Staaten verschlechtert. Norwegen, die ist auf eine gross angelegte Kampagne in Kooperation mit Schweiz und Dänemark stehen an der Spitze des «Women, der UNO zurückzuführen, bei der sanitäre Anlagen aus- Peace, and Security Index 2019/2020»; Jemen, Afghanistan, gebaut und die Menschen für das Thema sensibilisiert Syrien, Pakistan und Südsudan sind die Schlusslichter. wurden. In über 5,6 Millionen Haushalten sei laut Regierung Die Forscher des Georgetown Institute for Women, Peace mindestens eine Toilette installiert worden. Ob das Prob- and Security erhoben in 167 Ländern Variablen wie Bil- lem allerdings tatsächlich der Vergangenheit angehört, ist dung, Beschäftigungsverhältnis, Justiz oder Zugang zu umstritten: Mehrere Quellen berichten, dass längst nicht Bankdienstleistungen. Im letztgenannten Bereich wurden alle Haushalte Zugang zu einer Toilette hätten. Klar ist grosse Fortschritte erzielt, sowohl bei mobilen als auch bei jedoch: Die Fortschritte, die Nepal erzielt hat, sind gross. herkömmlichen Banken. Aufwärts geht es auch anderswo: Diskriminierende Gesetze sind auf dem Rückzug und in den Parlamenten sind die Frauen besser vertreten. Die für die Lebensbedingungen der Frauen zentrale Sicherheits- lage hingegen hat sich in fast 50 Ländern verschlechtert. SIEG DER TOILETTEN (cz) Nepal hat nach eigenen Angaben geschafft, wovon viele arme Staaten nur träumen können. In allen 77 Distrikten des Landes gehört die Defäkation im Freien der Vergan- © DEZA genheit an, verkündete der nepalesische Premierminister EINE WELT 01/2020 5
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA SICHERHEIT IN EUROPA BEDEUTET SICHERHEIT FÜR DIE SCHWEIZ SEITE 8 «DIE UNTERSTÜTZUNG IST VON STRATEGISCHER BEDEUTUNG» SEITE 13 POSITIVES FAZIT TROTZ SCHWIERIGER UMSTÄNDE SEITE 15 MIT WISSENSAUSTAUSCH ZU MEHR SICHERHEIT SEITE 17 FACTS & FIGURES SEITE 19
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA Bulgarische Polizeiaspiranten werden mit Schweizer Unterstützung in den neusten forensischen Technologien in einem modernen Labor ausgebildet. © Ivo Danchev
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA SICHERHEIT IN EUROPA BEDEUTET SICHERHEIT FÜR DIE SCHWEIZ Terrorismus, irreguläre Migration oder Menschenhandel – das Thema öffentliche Sicherheit hat in Europa an Bedeutung gewonnen. Mit ihren Sicherheitsprojekten im Rahmen des Erweiterungsbeitrags hat die Schweiz diese Entwicklung ein Stück weit vorweggenommen. Und profitiert davon auch selbst. Text: Christian Zeier Für Europäerinnen und Europäer war menhalt gefährden. «Durch die zuneh- oder irreguläre Migration zu zentralen das Thema Sicherheit seit einer ganzen mende Unsicherheit im Umfeld hat die Akteuren. Bulgarien etwa gilt als eines Generation nicht mehr so wichtig wie in Sicherheitspolitik auch für die Schweiz der Hauptursprungsländer des Men- den letzten Jahren. Das hat eine Unter- an Bedeutung gewonnen», schreibt der schenhandels innerhalb der EU – und suchung der EU-Kommission von 2017 Nachrichtendienst des Bundes im Lage- in geringerem Masse als Transitland. ergeben. Zwar hätten die Menschen an bericht 2019. Rumänien wiederum ist laut Frontex ihren Wohnorten nach wie vor ein star- eines der wichtigsten Herkunftsländer kes Gefühl der Sicherheit, doch bewaff- von Vermittlern im Bereich Menschen- nete Konflikte vor der Haustüre der EU, Zentrale Akteure im Osten schmuggel. Und die geographische Lage die Rückkehr radikalisierter Europäer Polens nennt Interpol «attraktiv für aus Konfliktgebieten sowie eine Reihe Welche konkreten Themen für die in- regionale Gruppen der organisierten von Terroranschlägen hätten die innere nere Sicherheit Europas bedeutend Kriminalität, die Drogen-, Waffen- und Sicherheit zu einem der wichtigsten An- sind, zeigen Berichte europäischer Ins- Menschenschmuggel betreiben wollen». liegen der Bevölkerung gemacht. titutionen. Laut Sicherheitsagenda der EU-Kommission stehen Terrorismus, Kein Wunder also besteht auch im west- Auch der Schweizer Nachrichtendienst grenzüberschreitendes organisiertes lichen Europa ein Interesse an der ver- hält fest, dass die Sicherheitspufferzone Verbrechen und Cyberkriminalität ganz besserten Sicherheitslage der östlichen aus Rechtsstaaten rund um die Schweiz oben auf der Prioritätenliste. Europol Mitgliedsstaaten. Einen Beitrag dazu in den letzten Jahren schwächer gewor- identifiziert in einem Bericht von 2017 leisten sowohl der Kohäsionsfonds der den sei. Sowohl die politische Stabilität folgende Schwerpunkte krimineller Ak- EU als auch der von der Schweiz auto- als auch die wirtschaftliche Robustheit tivität: Cyberkriminalität, organisierte nom umgesetzte Erweiterungsbeitrag. in Gesamteuropa hätten abgenommen. Einbrüche, illegale Drogen, Schleusen Innereuropäische Migrationsbewegun- von Migrantinnen und Migranten sowie gen und die hohe Anzahl Asylgesuche Menschenhandel und Ausbeutung von Grenzsicherung in Polen, würden die politische Polarisierung Arbeitskräften. Hochwasser in Ungarn in der EU verstärken und den Zusam- Die Länder an der östlichen Grenze der Im Rahmen des Erweiterungsbeitrags EU nehmen bei der Bekämpfung dieser hat die Schweiz in den vergangenen Jah- Aktivitäten eine wichtige Rolle ein. Polen, ren hunderte Projekte unterstützt, die Eine verbesserte Polizeiausbildung und verkehrsberuhigende Bulgarien und Rumänien überwachen in den neuen Mitgliedsstaaten der EU Massnahmen führten in Polen – hier gemeinsam mehr als 3000 Kilometer der die wirtschaftlichen und sozialen Un- die Hauptstadt Warschau – zu rund EU-Aussengrenze. Das macht sie im Be- gleichheiten verringern sollten (siehe einem Fünftel weniger Verkehrstoter seit 2012. reich der grenzüberschreitenden Krimi- Randspalte S. 10). Als eines von fünf Un- © Andrzei Mitura, Nationale Polizei Warschau nalität wie Schmuggel, Menschenhandel terzielen wurde dabei die Förderung der EINE WELT 01/2020 9
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA öffentlichen Sicherheit definiert. 116 Mil- Rumänien hat die Schweizerische Ret- ERWEITERUNGSBEITRAG lionen Franken flossen in diesen Bereich tungsflugwacht (Rega) Weiterbildungen Im November 2006 genehmigte – die Projekte reichten von der Grenzsi- für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Schweizer Stimmvolk den cherung über die Modernisierung des der Luftrettungsdienste organisiert; in Erweiterungsbeitrag. Die Schweiz Gerichtswesens und die Bewältigung von Estland entstand mit Unterstützung der beschloss, mit insgesamt 1.3 Milliarden Franken zur Verringe- Naturkatastrophen bis hin zum Kampf Schweiz ein System zur automatischen rung der wirtschaftlichen und gegen Korruption und grenzüberschrei- Nummernschilderkennung für die bes- sozialen Ungleichheiten in der EU tende Kriminalität. sere Bekämpfung von Schmuggel und beizutragen. Die übergeordneten Steuerbetrug an der Grenze; und in Bul- Ziele des Erweiterungsbeitrags In Polen etwa hat die Schweiz die Aus- garien wurde unter anderem der Kampf sind der Umweltschutz, die Stärkung der Zivilgesellschaft, stattung von Grenzposten und mobilen gegen Menschenhandel unterstützt. Wie die Förderung des Wirtschafts- Grenzkontrolleinheiten unterstützt und von diesen Projekten nicht nur das Part- wachstums sowie die Erhöhung zur Verbesserung eines Empfangszent- nerland, sondern auch die Schweiz pro- der sozialen und öffentlichen rums für Migrantinnen und Migranten fitierte, zeigt ein Beispiel aus der Praxis. Sicherheit. Laut dem Eidgenös- beigetragen; in Lettland förderten neue sischen Departement für aus- Videokonferenzanlagen und Audioauf- wärtige Angelegenheiten gehört die Unterstützung der mittel- nahmeanlagen in Gefängnissen sowie Gezwungen, in die und osteuropäischen Staaten Gerichtssälen die Modernisierung des Schweiz zu reisen seit den 1990er-Jahren zu den Justizwesens; in Ungarn konnte die Re- zentralen Pfeilern der Schweizer aktion auf Hochwasser dank Schwei- Ein Mann aus Bulgarien zwingt eine Frau Interessenpolitik in der Region. zer Technologie mit aufblasbaren und dazu, in die Schweiz zu reisen und hier In den zehn Mitgliedsstaaten der ersten Osterweiterung (Estland, mobilen Dämmen sowie der Schulung für ihn zu arbeiten. Er sorgt dafür, dass Lettland, Litauen, Malta, Polen, von Fachpersonen verkürzt werden; in sie sich offiziell anmeldet, überlässt ihr Slowenien, Slowakei, Tschechi- sche Republik, Ungarn, Zypern) gingen die Projekte 2017 zu Ende, in Rumänien und Bulgarien Ende 2019. Das Programm im jüngsten EU-Staat Kroatien läuft noch bis 2024. Auf Patrouille per Schiff auf der Donau: Ein bulgarischer Grenzpolizist hält Ausschau nach Schmugglern. © Daniel Rosenthal/laif 10 EINE WELT 01/2020
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA einen Teil des Einkommens, die Schwei- Animus unterstützt. Zudem kam es zum Sicherheit und Stabilität auf dem euro- zer Behörden können ihm keine Straftat Austausch zwischen Polizei und Justiz – päischen Kontinent und in den Staaten nachweisen. Doch dann macht ihm die Institutionen beider Länder konnten ihr des ehemaligen Ostblocks». bulgarische NGO Animus, die sich für Wissen und ihre Erfahrungen ausbauen. Opfer von Menschenhandel einsetzt, ei- Laut Siroco Messerli habe man bereits nen Strich durch die Rechnung. Die Or- bei der Abstimmung zum Erweite- ganisation hat den Landsmann schon Interessen der Schweiz rungsbeitrag 2006 damit argumentiert, länger auf dem Radar – sie weiss, dass er dass die Herausforderungen der neuen die Frau manipuliert, dass er sie zur Reise «Von mehr Sicherheit in den neuen EU-Mitgliedsstaaten im Bereich öffent- in die Schweiz gezwungen und sie mehr- Mitgliedsstaaten profitiert auch die liche Sicherheit auch die Schweiz be- fach körperlich misshandelt hat. Schweiz», sagt Siroco Messerli, Leiter der treffen. Damals jedoch sei das Thema Abteilung Neue EU-Mitgliedsstaaten bei Sicherheit noch weit weniger präsent Anhand dieser Information können die der DEZA. Die Schweiz hat als Mitglied gewesen als heute. Durch die Krise der Schweizer Behörden eingreifen und den des Schengen-Raums ein Interesse an EU, die zunehmende Migration sowie Mann festnehmen. «Dank der Koopera- verlässlich gesicherten Aussengrenzen, eine Veränderung der innenpolitischen tion zwischen den Ländern konnten wir an einer funktionierenden Verbrechens- Sichtweisen habe in der Schweiz ein die Frau aus den Fängen des Mannes be- und Korruptionsbekämpfung sowie an Paradigmenwechsel stattgefunden. freien», sagt Animus-Mitarbeiterin Na- einem effizienten Justizwesen in den «Früher fusste die Zusammenarbeit der dia Kozhouharova. «Aus Schweizer Sicht Partnerländern. Schon 2004 schrieb der Schweiz mit den Partnerländern ganz konnte man nur ein Teil der Geschichte Bundesrat in seiner Botschaft zum Er- klar auf der Idee der Solidarität», sagt erkennen.» Mit Geldern des Schweizer weiterungsbeitrag: «Das Ziel der Zusam- Messerli. Heute seien es eher vier Säulen: Erweiterungsbeitrags wurden in den menarbeit mit den Staaten Osteuropas Solidarität, Wohlstand, Stabilität – und letzten Jahren mehrere Projekte der NGO ist im Wesentlichen die Förderung von eben das Sicherheitsbedürfnis. Diese Entwicklung haben die von der Schweiz unterstützten Projekte zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit ein Stück weit vorweggenommen. Doch nicht nur die Erhöhung der inne- ren Sicherheit ist für die Schweiz von Interesse. Durch die Projekte des Erwei- terungsbeitrags konnte sie ihre Bezie- hungen zu den neuen Mitgliedsstaaten verbessern – und Schweizer Institutio- nen profitierten vom internationalen Austausch (siehe Artikel S. 17). So sam- melten etwa mehrere Kantonspolizeien Erfahrungen, die ihnen bei der täglichen Arbeit von Nutzen sind. Die Zusam- menarbeit zwischen den bulgarischen Polizeibehörden und dem Schweizer Bundesamt für Polizei half sogar mit, die Verhandlung des bilateralen Polizeiab- kommens zwischen den beiden Ländern zum Abschluss zu bringen. «Die Schweiz hat davon profitiert, dass sie vor Ort bes- seren Zugang zu Regierungsstellen auf höchster Ebene erhielt», sagt DEZA-Mit- arbeiter Siroco Messerli. In der Slowakei oder in Kroatien zum Beispiel hätten die Botschaften durch die Projekte mehr Gewicht erhalten und der zwischen- staatliche Dialog konnte verstärkt wer- den. EINE WELT 01/2020 11
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA In Zukunft strategischer tifizierung, Schutz und Unterstützung von Opfern von Menschenhandel erar- UNTERSCHIEDLICHE Die bisherigen Evaluationen und Prü- beitet. Zudem hat Animus ein speziell HERANGEHENSWEISEN Der Erweiterungsbeitrag teilt fungen der Eidgenössischen Finanzkon- auf die Unterstützung von Opfern von grundsätzlich die Ziele des trolle stellen den Schweizer Projekten Menschenhandel zugeschnittenes Pro- EU-Kohäsionsfonds, der zum ein grundsätzlich positives Zeugnis aus: gramm entwickelt, eine Hotline einge- Abbau der wirtschaftlichen und Mehrheitlich wurden die Ziele erreicht richtet und Präventionskampagnen re- sozialen Ungleichheiten in der EU oder gar übertroffen. Trotz vieler konkre- alisiert, um die bulgarische Bevölkerung beitragen soll. Die Schweiz hat aber eine eigene Herangehens- ter Erfolge sei es in manchen Bereichen vor unrealistischen Jobangeboten und weise gewählt: Die Projekte wur- aber schwer, eine nachhaltige Wirkung den Machenschaften von Menschen- den von den Partnerländern vor- auf der Systemebene zu erkennen, sagt händlern zu warnen. geschlagen, mit diesen bilateral Debora Kern, Programmbeauftragte bei vereinbart und von der Schweiz der Abteilung Neue EU-Mitgliedsstaaten «Die Schweizer Unterstützung hat uns mittels Finanzierungsentscheid der DEZA. Ein Ziel für einen allfälligen geholfen, die Qualität unserer Arbeit zu abgesegnet. Die Partnerländer setzten die Projekte eigenständig zweiten Schweizer Beitrag an ausge- verbessern», sagt Nadia Kozhouharova um und mussten sie in der Regel wählte EU-Mitgliedsstaaten sei es daher, von Animus. Besonders sei dabei gewe- vorfinanzieren sowie mindestens vermehrt grössere Programme mit stra- sen, dass man nicht einfach ein einzel- 15 Prozent der Projektkosten tegischen Zielen zu realisieren. «Wir nes Projekt unterstützt habe, sondern selber tragen. Die Schweiz wollen uns weniger verzetteln und uns auf mehreren Ebenen Veränderungen führte vor der Rückerstattung der Kosten Kontrollen durch und noch stärker auf die Nischen konzentrie- anstrebte. «Und wir arbeiteten auf Au- unterstützte die Länder punktuell ren, in denen die Schweiz einen klaren genhöhe zusammen», ergänzt die bul- bei der Umsetzung. Dadurch Mehrwert leisten kann», so Debora Kern. garische NGO-Mitarbeiterin. Neben den war die Schweiz näher an den Ein gutes Beispiel dafür sind die Projekte Projekten sei so auch ein Verständnis für Projekten dran und hat intensiver im Bereich Menschenhandel in Bulga- das andere Land entstanden. ■ kontrolliert als etwa die EU. rien. Neben der Kooperation mit der Schwei- zer Justiz hat die bulgarische NGO Ani- mus zusammen mit der Schweizer In Ungarn schützen präzisere Fachstelle Frauenhandel und Frauen- Prognosen sowie mobile Dämme, welche ein Schweizer migration (FIZ) einen Leitfaden für Iden- Unternehmen lieferte, 350 000 Personen vor Hochwasser. © DEZA
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA «DIE UNTERSTÜTZUNG IST VON STRATEGISCHER BEDEUTUNG» Laut Sicherheitsexperte Roderick Ackermann werden in Rumänien und Bulgarien seit 20 Jahren Projekte in ähnlichen Bereichen unterstützt. Um einen echten Wandel herbeizuführen, müssten die EU und die Schweiz vermehrt Verantwortung abgeben und lokale Institutionen stärken. Interview: Christian Zeier Herr Ackermann, wo sehen Sie die Jahre grosse Summen von der EU erhal- grössten Herausforderungen für die ten, um etwa das Justizsystem oder die Innere Sicherheit Europas? Grenzkontrollen zu reformieren. Trotz- Da ist einerseits die organisierte und dem ähneln viele heutige Projekte denje- grenzüberschreitende Kriminalität: nigen, die während der letzten 20 Jahren Drogen- oder Waffenschmuggel, Men- unterstützt wurden. Ich will damit nicht schenhandel sowie zunehmend Online- sagen, dass es in Rumänien und Bulga- kriminalität. Dann ist davon auszuge- rien zum Stillstand gekommen ist – das hen, dass die Migration weit oben auf ist sicher nicht der Fall. Aber es fällt auf, der Agenda bleibt, weil das Thema einen dass immer noch dieselben Arten von riesigen Einfluss auf die Stabilität Euro- Institutionen unterstützt werden wie pas hat. Darüber hinaus gibt es einen damals. Trend zum Populismus, der die Rolle der evidenzbasierten Politik untergräbt. Die Themen Fake News, Wahlbeeinflussung oder die bewusste politische Destabilisie- «VIELLEICHT SOLLTE RODERICK ACKERMANN führt rung werden zunehmend wichtiger. Und MAN KÜNFTIG LOKALEN als Direktor der Beratungsfirma nicht zuletzt haben wir das ungelöste ORGANISATIONEN MEHR Evalutility GmbH mit Sitz in Eng- Problem der radikalisierten Europäer in VERANTWORTUNG GEBEN.» land Forschungen und Evaluatio- Konfliktgebieten wie Syrien: Lässt man nen für europäische Institutionen sie zurückkehren? Wie können diese sowie NGOs durch. Seine the- Menschen reintegriert werden? matischen Schwerpunkte sind Sicherheit, Justiz, Transparenz und Rechenschaftspflicht, lokale Weshalb? Verwaltung, die Einbeziehung Unterscheiden sich die Herausforde- Die fehlenden institutionellen Kapazi- marginalisierter Gruppen sowie rungen in Rumänien oder Bulgarien von täten lassen sich etwa auf die politische soziale Sicherheit. Er hat sich denen westlicher EU-Staaten? Instabilität, die vielen Regierungswech- intensiv mit Ländern in Mittel- und Osteuropa, der Türkei sowie Die externen Risiken ähneln sich: Migra- sel und den damit verbundenen Aus- dem Kaukasus auseinanderge- tion, Menschenhandel oder Drogen- tausch von Führungspersonal zurück- setzt. Seit 2007 hat er 18 Studien schmuggel zum Beispiel. In Rumänien zuführen. Als Bulgarien und Rumänien des Europäischen Parlaments ist zudem Dokumentenfälschung oder der EU beigetreten sind, hatten sie die sowie zahleiche Evaluationen Onlinebetrug ein grosses Thema. Was Vorgaben in den Bereichen Justizreform des Europarats geleitet oder die beiden Länder besonders macht, sowie Bekämpfung von Korruption und unterstützt. Für die DEZA leitete Roderick Ackermann 2018 die ist, dass sie am Rand der EU liegen aber organisierter Kriminalität noch nicht Evaluation der Schweizer Unter- nicht Teil des Schengen-Abkommens erreicht. Man war in Brüssel besorgt, stützung im Bereich Sicherheit an sind. Das macht sie weniger attraktiv für dass die staatlichen Institutionen durch Rumänien und Bulgarien. Migranten als zum Beispiel Griechen- die organisierte Kriminalität unterwan- land. Es sind daher eher Transitländer. dert würden. Aktuelle Berichte des Ko- operations- und Kontrollverfahrens für Bulgarien und Rumänien zeichnen kein Und die internen Risiken? rosiges Bild: Zivilgesellschaft und Justiz Hier geht es vor allem um fehlende in- stehen unter starkem Druck. stitutionelle Kapazitäten. Bulgarien und Rumänien haben seit Ende der 90er- EINE WELT 01/2020 13
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA Unter Leitung von Experten der Schweizerischen Rettungsflugwacht (Rega) findet in Rumänien eine Grundlagenausbildung zum Thema Sicherheit sowie eine Weiterbildung für Helikopterpiloten statt. © DEZA Können Sie dafür ein Beispiel nennen? Statt Sicherheitspersonal direkt auszu- bilden, könnte man sich vermehrt auf den Ausbau der nationalen Ausbildungs- strukturen konzentrieren. Dazu braucht es aber einen langen Planungshorizont, Was bedeutet das für die Schweizer Die Abhängigkeit von externer Unter- was wiederum schwierig ist, wenn es zu Projekte in diesen Ländern? stützung dürfte also bestehen bleiben? vielen Wechseln in entscheidenden Posi- Das Umfeld macht es schwerer, Pro- Ich sehe nicht, wie sich die politische tionen kommt. Gleichzeitig ist es wichtig bleme systematisch anzugehen. Die Situation oder die institutionellen Ka- zu bedenken, dass für einige Schweizer rechtstaatliche Situation bereitet auch pazitäten in nächster Zeit so stark ver- Institutionen und deren Partner in Ru- den Schweizer Institutionen Unbehagen. ändern könnten, dass die Unterstützung mänien und Bulgarien eine direkte Zu- Gleichzeitig haben die DEZA-Projekte, überflüssig wird. Es geht ja auch nicht sammenarbeit sehr nützlich ist. die wir in Rumänien und Bulgarien an- nur darum, konkrete Probleme zu lö- geschaut haben, einen guten Eindruck sen. Die Unterstützung der neuen Mit- auf uns gemacht. Es scheint, als würden gliedsstaaten ist auch von strategischer Einerseits möchte man lokale Institu- sie von sehr kompetenten Leuten ge- Bedeutung. Die Schweiz hat ein Interesse tionen stärken, andererseits hat man führt. Allerdings stellt sich die Frage, wie an guten Beziehungen zur EU sowie an Angst, dass Gelder missbraucht werden. sie sich entwickeln, wenn die Schweiz der Zusammenarbeit mit Ländern, de- Das tönt nach einer heiklen Gratwande- nicht mehr hinschaut. ren Herausforderungen im Sicherheits- rung? bereich sie selbst betreffen. Man kann Die Schweiz hat das Projektmanage- sich also fragen, wem es mehr weh tut, ment und die Umsetzung in Bulgarien Die Nachhaltigkeit als grosses wenn die Projekte beendet werden – der und Rumänien relativ stark unterstützt. Fragezeichen? Schweiz oder den Partnerländern. Das Das ist gut für das Projekt, kann aber Ja, dafür gibt es zahlreiche Gründe. Der heisst nicht, dass die einzelnen Projekte die Nachhaltigkeit gefährden. Vielleicht erwähnte Wechsel von Personal und po- nicht nützlich sind. Das sind sie. sollte man künftig lokalen Organisatio- litischer Führung ist einer davon. Wenn nen mehr Verantwortung geben. Dann plötzlich neue Leute mit einer komplett bestünde zwar die Gefahr, dass sie von anderen Vision kommen, erschwert das Was kann künftig verbessert werden? der Regierung beeinflusst werden, aber die langfristige Planung – nicht nur bei Es gab Befürchtungen, dass bei einigen es schafft auch institutionelle Kapazitä- Schweizer Projekten und auch nicht nur Projekten die strategischen Ziele fehl- ten. Bekommt man das nicht hin, blei- im Bereich Sicherheit. ten. Wenn man die Probleme nicht bei ben die Probleme noch lange bestehen. ■ der Wurzel packt, wirkt sich das negativ auf die Nachhaltigkeit aus. Das könnte verbessert werden, indem man weniger isolierte Projekte umsetzt und systemi- scher arbeitet. 14 EINE WELT 01/2020
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA POSITIVES FAZIT TROTZ SCHWIERIGER UMSTÄNDE Weil Rumänien und Bulgarien später zur EU gestossen sind, wurden die dortigen Projekte des Erweiterungsbeitrags erst Ende 2019 abgeschlossen. Ein Überblick zeigt, wie vielfältig die Unterstützung der Schweiz war. (cz) Die Polizei soll nicht nur bestrafen, besuchten Sprachkurse, um die Kom- nur an unserer Unterstützung. Aber die sie soll auch gemeinsam mit der Bevöl- munikation mit der Minderheit der Schweiz hat einen Teil dazu beigetra- kerung Probleme erkennen und früh- Roma zu verbessern. Das Ziel: mehr Si- gen.» zeitig verhindern. Dieses Konzept der cherheit durch eine bessere Polizei, die bürgernahen Polizei gilt in der Schweiz näher an der Bevölkerung arbeitet und Die Polizeireform ging im Septem- seit längerem als selbstverständlich – deren Vertrauen gewinnt. ber 2018 zu Ende. Bis Ende 2019 wurden in vielen anderen Ländern jedoch ist es auch alle anderen Projekte im Rahmen nur schwer vorstellbar. Deshalb hat die des Erweiterungsbeitrags an Rumänien Schweiz im Rahmen des Erweiterungs- Von Wirtschaftsförderung und Bulgarien abgeschlossen. Insge- beitrags ein Projekt zur Polizeireform im bis Umweltschutz samt hat Bulgarien 32 und Rumänien ländlichen Rumänien unterstützt. 61 Projekte zur Verminderung der wirt- Für Roland Python, Leiter des Büros In knapp hundert Gemeinden nahmen Erweiterungsbeitrag in Bulgarien und 2500 rumänische Polizistinnen und Po- Rumänien, war das Projekt eines der lizisten an Schulungen zu Kommunika- Highlights der Zusammenarbeit mit Ein bulgarisch-schweizerisches tion und Mediation teil. Polizeioffiziere Rumänien. «Weil die Polizei vermehrt Projekt zielt darauf ab, die wurden im Konzept der bürgernahen auf Prävention und Dialog setzt, konnte Kompetenzen bulgarischer Polizeibeamter im Hinblick auf die Polizei weitergebildet, tauschten sich sie ihr Image in den Gemeinden verbes- Achtung der Menschenrechte beim mit Schweizer Berufskollegen aus und sern», sagt er. «Das liegt natürlich nicht Ausüben ihres Jobs zu erhöhen. © Ivo Danchev
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA schaftlichen und sozialen Ungleichhei- positiven Systemänderungen beitragen ten umgesetzt. Einige davon waren in konnte - ein systematisches Monitoring Thematischen Fonds gruppiert: Sicher- durch die Schweiz werde es jedoch nicht heit, Zivilgesellschaft, Partnerschaf- geben. Anders als bei der klassischen ten, Integration von Roma und anderer Entwicklungszusammenarbeit hätten benachteiligten Gruppen, Gesundheit die Partnerländer die Verantwortung sowie Forschung und Stipendien. Zur für die Projekte. «Wir haben sie lediglich Stärkung der rumänischen Wirtschaft unterstützt», so der DEZA-Mitarbeiter. wurde etwa die Berufswahlorientierung «Die Länder haben die Projekte vorge- von Schülerinnen und Schülern ver- schlagen und umgesetzt. Sie müssen sie bessert, während KMUs erleichterten nun weiterführen.» Zugang zu Krediten erhielten. In Bulga- rien unterstützte die Schweiz nicht nur die umweltgerechte Entsorgung giftiger Eng begleitete Umsetzung Pflanzenschutzmittel, sondern auch die Einführung des Spitexsystems zur Be- Dass das Erreichte nicht selbstverständ- treuung älterer Menschen und Personen lich ist, zeigt die schwierige rechtsstaat- mit chronischen Erkrankungen. liche Lage in den beiden Ländern (siehe Randspalte). «Natürlich ist es heikel, «Wir können zufrieden sein mit dem, einem Land Millionen Franken Steuer- was wir erreicht haben», sagt Büroleiter gelder anzuvertrauen, wenn wir nicht Roland Python. Einen grossen Anteil am sicher sein können, dass die staatlichen guten Abschneiden haben für ihn die Strukturen funktionieren», sagt dazu Partnerschaften mit Schweizer Institu- Debora Kern, Programmbeauftragte bei tionen. In zahlreichen Projekten hätten der Abteilung Neue Mitgliedsstaaten staatliche und private Organisationen der DEZA. Offene Grenzen und schlecht ihr Wissen eingebracht und so einen funktionierende Institutionen im Osten grossen Mehrwert für Rumänien und der EU beträfen aber auch die Schweiz. Bulgarien geschaffen. Zudem profitier- Der Erweiterungsbeitrag sei daher ein ten sie selbst vom Austausch (siehe Ar- Mittel gewesen, um in dieser Hinsicht et- tikel S. 17). was zu verbessern, so Debora Kern. «Wir waren uns der Risiken bewusst und ha- Auch eine externe Evaluation der Sicher- ben Vorkehrungen getroffen». heitsprojekte kommt zu einem grund- VON ORDENTLICH BIS sätzlich positiven Fazit. Die Schweizer Die Schweiz war während der gesamten BESORGNISERREGEND Unterstützung sei relevant und qualita- Zeit vor Ort präsent, hat die Umsetzung Sowohl in Bulgarien als auch in Rumänien sind Zivilgesell- tiv gut gewesen, da sie den europäischen eng begleitet und die Gelder verwaltet. schaft und Rechtsstaat unter Sicherheitsprioritäten entspreche und Diese Nähe habe einerseits die Kontrolle Druck. Beide Länder hatten bei Bedürfnisse der Empfängerländer adres- erleichtert und Korruption verhindert, ihrem EU-Beitritt notwendige siert habe. In Rumänien etwa hätten die sagt Roland Python, der die Büros für Reformen, etwa im Justizbereich, Projekte zu Verbesserungen in den Berei- den Erweiterungsbeitrag in Bulgarien noch nicht abgeschlossen. Bulgarien ist zudem nicht nur das chen Polizei, Asyl, Justiz und investiga- und Rumänien geleitet hat. Andererseits ärmste Land der EU, sondern laut tiver Journalismus geführt – in einigen sei man auf die Bedürfnisse der Partner- Korruptionsindex von Transpa- Bereichen sind die erwarteten Verände- länder eingegangen und habe Vertrauen rency International auch eines rungen laut Evaluation aber auch aus- aufbauen können. So entstanden gute der korruptesten. Das Land habe geblieben. Insgesamt wird die Flexibilität Beziehungen, die über das Ende des Er- deutliche Fortschritte erzielt der Schweiz bei der Umsetzung gelobt. weiterungsbeitrags hinaus bestehen und arbeite an der Umsetzung der Empfehlungen, heisst es Kritik gibt es vor allem an der sehr brei- bleiben. ■ im jüngsten EU-Bericht zur ten Ausrichtung der Projekte. Justizreform und zur Korrupti- onsbekämpfung. Gegenüber Welche langfristigen Folgen die Schwei- Rumänien hingegen hat die EU zer Unterstützung haben wird, lasse sich erneut «Bedenken hinsicht- lich der Rechtsstaatlichkeit» laut Roland Python nur schwer abschät- angemeldet. Die Entwicklung sei zen. Bei einigen Reformen sei bereits besorgniserregend. jetzt ersichtlich, dass das Engagement zu 16 EINE WELT 01/2020
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA MIT WISSENSAUSTAUSCH ZU MEHR SICHERHEIT Ein wichtiger Teil des Erweiterungsbeitrags waren Partnerschaften zwischen Institutionen in der Schweiz und in den EU-Mitgliedsstaaten. Die Schweizer Expertise war gefragt, vom Wissensaustausch profitierten aber meist beide Seiten. (cz) An diesem Mittwoch im Frühling Expertise ist gefragt Im Sicherheitsbereich haben interna- 2019 schliesst sich in Basel ein Kreis. An tional renommierte Institutionen wie der Bundesstrasse, im zweiten Stock der In den 13 neuen EU-Mitgliedsstaaten sind die Schweizerische Rettungsflugwacht Villa Crescenda, geben Mitarbeiter des im Rahmen des Erweiterungsbeitrags (Rega) oder das Basel Institute on Go- rumänischen Investigativ-Teams RISE zwischen 2012 und Ende 2019 mehrere vernance ihr Wissen weitergegeben. Project einem Schweizer Fachpublikum hundert solcher Partnerschaften ent- Besonders hervorheben möchte Siroco Einblick in ihre Arbeit. Es ist der letzte standen. Private oder staatliche Institu- Messerli zudem den Austausch zwischen von sechs Workshops, den die Journalis- tionen aus der Schweiz gaben ihr Wissen den Sicherheitskräften im Bereich Men- tinnen und Journalisten aus Rumänien weiter, stärkten die Vernetzung in Eu- schenhandel. So nahmen etwa Schwei- zusammen mit dem Basel Institute on ropa und förderten den Erfahrungsaus- zer Kantonspolizisten an Weiterbildun- Governance organisieren. Sie sind Teil tausch in Bereichen wie Umwelt- und gen in Rumänien teil, schärften ihr eines Projekts, das den investigativen Klimaschutz, Berufsbildung, Forschung, Verständnis für den dortigen Kontext Journalismus in Rumänien gestärkt hat, Gesundheits- und Sozialwesen oder Si- und sahen, woher die Opfer von Men- um die Öffentlichkeit besser über orga- cherheit. «Die Partnerschaftsprojekte nisierte Kriminalität und Korruption waren ein grosser Mehrwert des Schwei- aufzuklären. Was 2014 als Weiterbildung zer Erweiterungsbeitrags», sagt Siroco der rumänischen Partner durch das Ba- Messerli, Leiter der Abteilung Neue sel Institute begonnen hat, endet nun EU-Mitgliedsstaaten bei der DEZA. Ein Opfer von Menschenhandel in mit einer Weiterbildung von Schweizer einem bulgarischen Transitzentrum. Kollegen. © Ivo Danchev EINE WELT 01/2020 17
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA Rumänische und Schweizer Journalistinnen und Journalisten tauschen sich während einem Workshop über Recherchen im Finanzbereich und zu grenzüberschreitender Kriminalität aus. © Basel Institute on Governance schenhandel stammen. Ihre rumäni- schen Kolleginnen und Kollegen besuch- ten derweil die Schweiz und erfuhren unter anderem von Landsleuten, wie diese in die Schweiz gelangt sind. «Es war eine klassische Win-Win-Situation», sagt die selbstständige Beraterin Magali Bernard, die Sicherheitsprojekte und Partnerschaften in Rumänien und Bul- garien evaluiert hat. Beide Seiten hät- ten von der Partnerschaft profitiert und voneinander gelernt. Opferhilfe in Polen Laut Magali Bernard haben die Part- nerländer die Zusammenarbeit mit den kehrstoten zwischen 2012 und 2015 um Aufgrund dieser positiven Erfahrun- Schweizer Institutionen sehr positiv 17 Prozent zu senken. gen ist es naheliegend, dass die Schweiz wahrgenommen. Besonders hervorgeho- bei einem allfälligen zweiten Beitrag ben hätten sie etwa das föderale System noch stärker auf Partnerschaften und der Schweiz, das Kooperationen durch Vorteile für die Schweiz Schweizer Interessen setzen würde. Aus seine zahlreichen Ansprechpartner he- diesem Grund wurde bereits eine Abklä- rausfordernder gestaltet, gleichzeitig Doch nicht nur die EU-Mitgliedsstaa- rung durchgeführt, um herauszufinden, aber auch zu flexiblen und vielfältigen ten haben von den Partnerschaften was die Prioritäten von Schweizer Ins- Lösungsansätzen führt. Zudem seien die profitiert, sondern auch die Schweizer titutionen bei der Zusammenarbeit im Schweizer Partner praxisorientiert ge- Institutionen. Diese wurden internatio- Bereich Sicherheit sind. wesen und hätten den Projekten durch nal positiv wahrgenommen und konn- ihre international anerkannte Expertise ten ihr Netzwerk ausbauen. Besonders Dabei zeigte sich, dass sich die Themen eine positive Visibilität verliehen. «Die hilfreich seien zudem die praktischen weitgehend mit denjenigen decken, Projekte kamen auch deshalb gut an, Erfahrungen in den Partnerländern ge- die bereits im Erweiterungsbeitrag be- weil die Schweiz in den entsprechenden wesen, so Magali Bernard. Die Schweizer handelt wurden: Menschenhandel, Bereichen einen guten Ruf geniesst», Polizistinnen und Polizisten konnten in Grenzmanagement, Korruption, Moder- sagt die Expertin. So etwa beim Thema Rumänien nicht nur ihr Netzwerk ver- nisierung des Gerichtswesens oder po- Verkehrssicherheit. bessern und mehr über die Umstände lizeiliche Zusammenarbeit. Neu hinzu vor Ort erfahren – einige der Beamten kommen Cybersicherheit und Cyber- Um die Anzahl der Verkehrstoten in nahmen sogar an Sprachkursen teil, kriminalität. Ziel sei es nun, mögliche Polen zu reduzieren, kam es zwischen um zurück in der Schweiz einen besse- Partnerinstitutionen frühzeitig zu iden- 2012 und 2016 zum Erfahrungsaustausch ren Draht zu betroffenen Menschen zu tifizieren und vorzubereiten, sagt Magali zwischen schweizerischen und polni- haben. «Die Realität in den Ursprungs- Bernard. So könne man die richtigen schen Polizeikadern. Zudem führte das ländern des Menschenhandels zu ver- Partner von Beginn weg einbinden. ■ Land eine Opferhilfe nach Schweizer stehen, ist ein wichtiger Aspekt für die Vorbild ein. Zusammen mit anderen Polizei», sagt die selbstständige Exper- Verkehrssicherheitsinitiativen trug das tin. «An solch praxisnahe Erfahrungen Engagement dazu bei, die Zahl der Ver- kommen die Beamten sonst kaum.» 18 EINE WELT 01/2020
DOSSIER SICHERHEIT IN OSTEUROPA FACTS & FIGURES Schweizer Investitionen Schlüsselzahlen So viel hat die Schweiz seit 2012 in die öffentliche Sicherheit der neuen EU-Mitgliedsstaaten (ohne – In den 13 neuen Mitgliedsstaaten, die seit 2004 Malta, Slowenien, und Zypern) investiert: der EU beigetreten sind, leben über 100 Millionen Menschen. Das ist ein Fünftel der gesamten 6 5 Estland EU-Bevölkerung. Lettland – In den Partnerstaaten ist jeder vierte Jugendliche 10.4 2 zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos. 1.8 1 – Die durchschnittliche Kaufkraft der 13 Länder Litauen beträgt etwas mehr als 40% der Schweizer Kaufkraft. – Der Schweizer Erweiterungsbeitrag fördert Polen rund 300 Projekte in den 13 Staaten. 32 7 – Die Partnerstaaten tragen in der Regel mindestens 15% der Projektkosten selbst. 15.1 13 – Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat 2018 Slowakei 9.9 3 150 000 illegale Grenzübertritte registriert. Tschechische Republik Rumänien – In den Jahren 2015/16 zählte die EU-Kommission Ungarn 8.8 7 17.5 22 mehr als 20 000 Betroffene von Menschenhan- del in der EU. Die Dunkelziffer dürfte sehr hoch sein. 3 1 Kroatien – 56% Prozent des Menschenhandels zielt auf Bulgarien sexuelle Ausbeutung, 26% auf die Ausbeutung 7.4 9 von Arbeitskräften. Betrag in Mio. CHF Anzahl Projekte – 2017 haben EU-Zollbehörden 409 Tonnen Drogen und 3,3 Milliarden Zigaretten beschlagnahmt. «Kein Land kann seine Bürgerinnen und Bürger alleine vor internationaler und Quellen und Links organisierter Kriminalität schützen.» www.erweiterungsbeitrag.admin.ch Auf der eigens dafür eingerichteten Seite publiziert der Bund Neuigkeiten Fabrice Leggeri, Direktor der EU-Grenzschutzagentur Frontex und Hintergründe zum Schweizer Erweiterungsbeitrag. www.europol.europa.eu Die EU-Polizeibehörde Europol publiziert regelmässig Berichte zu Trends Schwerpunkte des Erweiterungsbeitrags (in Mio. CHF) und Schwerpunkten der europäischen Verbrechensbekämpfung. Darunter etwa das Serious and Organised Crime Threat Assessment, die bislang 112 344 umfassendste Studie zu schwerer und organisierter Kriminalität in der EU. Zivil- Wirtschafts- www.ndb.admin.ch gesellschaft wachstum Der Nachrichtendienst des Bundes publiziert jährlich einen Lagebericht zur Sicherheit der Schweiz www.frontex.europa.eu Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache publiziert 479 regelmässig Analysen und Berichte zum Thema Migration und Grenzschutz Umwelt in der EU. 163 https://ec.europa.eu (The reports on progress in Bulgaria and Romania) Soziale Weil Bulgarien und Rumänien bei ihrem EU-Beitritt die Vorgaben in den 116 Sicherheit Bereichen Justizreform sowie Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität (Bulgarien) noch nicht erreicht hatten, publiziert Öffentliche Sicherheit die EU im Rahmen eines Kontrollverfahrens regelmässig einen Lagebericht. EINE WELT 01/2020 19
HORIZONTE LAOS
HORIZONTE LAOS EIN LAND IM AUSVERKAUF Laos ist eines der ärmsten Länder in Südostasien. Doch die laotische Regierung hat grosse Ambitionen. Sie will Laos zur Batterie Asiens machen. Ein chinesischer Hochgeschwindigkeitszug soll das arme Land zudem mit Tempo in die Zukunft katapultieren. Doch all das hat einen hohen Preis für die Bevölkerung. Text: Karin Wenger Entlang der Ufer des beschaulichen ren holt das autokratische Regime des Städtchens Luang Prabang steuert Fi- Landes ausländische Investoren nach LAOS’ VERKAUFTE FRAUEN scher Pön sein kleines Boot über den Laos, um Dämme und Flusskraftwerke Viele Chinesen suchten in den letzten Jahren in Laos nicht schlammig braun verfärbten Mekong. zu bauen. Mehr als 150 Staudämme und nur Einkommen und Arbeit, Der Fluss ist die Lebensader von rund Flusskraftwerke sind geplant, Dutzende sondern auch eine Frau. Mithilfe 60 Millionen Menschen in Südostasien. wurden bereits gebaut. von Mittelsmännern besuchen Letzten Sommer war er auf einen histo- sie Dörfer, wo arme Eltern ihre rischen Tiefstand gesunken – denn der Das Xayaburi-Flusskraftwerk, ein 1285- Töchter für bis zu 5000 Franken Monsunregen hatte ungewöhnlich spät Megawatt-Projekt am Unterlauf des verkaufen. Niemand weiss, wie viele laotische Frauen in den eingesetzt und das Klimaphänomen Mekong, wurde letzten Oktober fertig- vergangenen Jahren nach China El Niño hatte zu hohen Temperaturen gestellt. Die finnisch-schweizerische In- verkauft wurden, doch das Pro- in vielen südostasiatischen Ländern genieurs-Firma Pöyry hatte die Bauar- blem sei gross und werde immer und damit zu Trockenheit und Was- beiten überwacht. Seit Baubeginn ist das grösser, sagt Jürgen Thomas, serknappheit in der Mekong-Region ge- Flusskraftwerk umstritten, genauso wie der Direktor der NGO Alliance Anti viele andere Projekte am Mekong und Trafic, die gegen Menschenhan- führt. Doch das sind nicht die einzigen del kämpft: «Sind die Frauen ein- Gründe für den tiefen Wasserstand. Un- seinen Nebenflüssen. mal in China, nehmen ihnen ihre berechenbar sei der Fluss geworden, sagt Männer die Pässe weg, werden Fischer Pön: «Der Wasserstand verän- Bei vielen Projekten würden Sicherheits- sie oft geschlagen, müssen bis dert sich oft schnell. Schuld daran sind und Umweltstandards entweder nicht zu 18 Stunden im Familienbetrieb die Dämme! Erst kürzlich wurden alle eingehalten oder ungenügend überprüft, arbeiten und Kinder kriegen. Wird eine Frau nicht schwanger, unsere Gemüsegärten am Ufer überflu- warnen Umweltaktivisten schon lange. wird sie weiterverkauft, andere tet, weil sie die Schleusen geöffnet hat- So kritisiert Witoon Permpongsacha- werden für alle anderen Männer ten. Und früher habe ich hier zehn Kilo roen, Direktor des Mekong Energy and in der Familie als Sexsklavin- Fisch pro Tag gefangen, jetzt muss ich Ecology Networks, einer Organisation, nen gehalten.» Die laotische froh sein, wenn ich ein oder zwei Kilo im die den Energiesektor in Asien kritisch Regierung ist sich des wachsen- Netz finde.» beobachtet: «Der Fluss gibt den Men- den Problems bewusst, hat ihre Grenzkontrollen verschärft, ihre schen Fische und führt nährstoffrei- Aufklärungskampagnen ausge- che Sedimente, die wichtig sind für die weitet und jenen hohe Strafen Batterie Asiens Landwirtschaft. Das Xayaburi-Kraft- angedroht, die ihre Töchter werk und die anderen Kraftwerke, die verkaufen. Von China bis nach Vietnam entste- am unteren Flusslauf geplant sind, wer- hen Dämme und Wasserkraftwerke am den die Fischwanderung blockieren, die Mekong und seinen Nebenflüssen. Die Sedimente zurückhalten und den Fluss- kommunistische Regierung von Laos verlauf verändern.» Die Betreiber von hat sich dabei vor rund zehn Jahren ein Xayaburi jedoch kontern, ihre Fischlei- Ziel gesetzt: Laos soll die Batterie Asiens tern würden die Migration von Fischen Nahe des Städtchens Luang werden. Das südostasiatische Land hat ermöglichen, und Sedimente könnten Prabang entsteht eine keinen Meereszugang und gehört zu ungehindert durchfliessen. Brücke über den Mekong. den ärmsten der Region. Doch seit Jah- © Liu Ailun Xinhua/eyevine/laif EINE WELT 01/2020 21
Sie können auch lesen