Diplomarbeit Shiatsu Hara

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Diplomarbeit Shiatsu Hara
Diplomarbeit Shiatsu
Hara

Ari Byland

        Wer Hara hat, …, kann warten. Er stemmt sich nicht gegen das Rad des rollenden Schicksals,
       sondern wartet gelassen die Zeit ab. Vom Hara her sieht die Welt anders aus. Sie ist so, wie sie
           ist, immer anders, als man sie sich wünscht, - aber in allem doch wieder im Einklang.
                         Karlfried Graf Dürckheim: Hara - Erdmitte des Menschen

      Betreut von Alex Fischer • Eingereicht im Winter 2011 • ISS Schweiz, Kiental
Diplomarbeit Shiatsu Hara
Dank
Die Formulierung dieser Arbeit ist letztendlich ein Resultat jahrelanger Vorarbeit. In diesem Sinne danke ich
allen, die mich bewusst oder unbewusst in dieser Zeit begleitet haben.

Insbesondere danke ich meiner Tochter für ihr Da-sein; meiner Familie für die kritischen aber immer auch
wohlwollenden Inputs; meinen Aikido-Lehrern für die unerschütterliche und herzliche Beharrlichkeit; mei-
nen Shiatsu-Lehrern dafür, mir eine neue Welt gezeigt zu haben, insbesondere Claudia Berretta für ihre vielen
Inspirationen (im Shiatsu und sonstigen Leben) und Alex Fischer für die sehr direkte und nahe Unterstützung
während der ganzen Ausbildung; meinen Shiatsu-Freunden und -Freundinnen für den gemeinsamen Weg,
insbesondere Dominik Berger und Miriam Heinrich für ihre Herzlichkeit und Wärme; Liz Huber, dafür, mir
eine grosse Chance gegeben zu haben; Sigrid Eigl für die Ermunterung und Unterstützung, meinen Weg zu
gehen; Nicola Bludau für all die Gelegenheiten, mich wieder im Hara einzufinden; dem Gossip für die köstli-
chen Espressos und dafür, mir in der Stadt ein Zuhause zu sein; der Deutschen Bahn, für die vielen Gelegen-
heiten mich auf Ungeplantes einzustellen.

Über den Autor
Nach einem Fachhochschul-Studium in Wirtschaftsinformatik hat Ari Byland (*1979) 2006 mit seiner Shiatsu-
Ausbildung an der Internat. Shiatsu-Schule in Kiental (CH) begonnen. Parallel zur Shiatsu-Ausbildung befasste
er sich intensiv mit Ernährungslehre und ist zur Zeit als Koch und Shiatsu-Praktizierender tätig.

Anmerkung zur vorliegenden Version:
Die vorliegende Version der Arbeit wurde um einige Passagen gekürzt. Die Kürzungen sind mit […] markiert.
Diplomarbeit Shiatsu Hara
Inhaltsverzeichnis

Einleitung!                                                3

    Motivation                                             3

Hara!                                                      5

    Anatomische Definition                                 5

        Atmung!                                            6

        Beckenboden!                                       6

        Hüftgelenke!                                       6

        Hüftgelenke und Hara!                              7

    Funktionen aus Perspektive des Zen Shiatsu             7

        Hara-Diagnosezonen!                                7

    Philosophische Bedeutung                               8

        Bei sich sein!                                    10

        Vom neutralen Stand zum Neutral state!            12

    Erfahrungsbericht                                     14

Übungen!                                                  15

    Einzelübungen                                         15

    Partnerübungen                                        17

Hara und Shiatsu!                                         19

    Bedeutung vom Hara des Therapeuten, der Therapeutin   19

    Techniken zur Haraarbeit am Klienten                  20

        Allgemeine Techniken!                             21

        Punktuelle Techniken!                             22
Diplomarbeit Shiatsu Hara
Strukturelle Techniken!                                  23

    Erfahrungsbericht als Shiatsu-Praktizierender               24

    Zusammenfassung                                             25

Anhang!                                                         26

    Literaturverzeichnis                                        26

    Abbildungsverzeichnis                                       26

    Literaturempfehlungen                                       26

       Hara!                                                    26

       Haraarbeit im Shiatsu bzw. der Körperarbeit allgemein!   26

       Körperübungen!                                           27

       Zen, Qigong & Kampfkunst!                                27

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                  2
Diplomarbeit Shiatsu Hara
Einleitung
Motivation und persönliches Umfeld

MOTIVATION
Klarheit, Gelassenheit, Offenheit

Menschen wünschen sich immer wieder, Klarheit zu haben. Sie wünschen sich, gelassen zu sein, besonders in
schwierigen Situationen und sie wünschen sich Kraft und Ausdauer. Über Arbeit am Hara, Präsenz im Hara
können wir zu dieser Klarheit kommen, gelassen bleiben und mit Kraft und Ausdauer in unserem Leben da-sein.

Meine eigene Erfahrung mit Körperarbeit, insbesondere die Arbeit am eigenen Hara im Laufe des letzten Jahres
haben mich sehr fasziniert an diesem, anfangs doch recht abstrakten Begriff ,Hara‘. Im Rahmen dieser Diplom-
arbeit will ich der Bedeutung von Hara nachgehen:

    • Was bedeutet Hara und weshalb hat es eine solch grosse Bedeutung für unser Leben?

    • Wieso ist Hara im Shiatsu von so zentraler Wichtigkeit?

    • Wie können wir am Hara-Bewusstsein arbeiten, sowohl unserem eigenen wie auch jenem unserer Klien-
      ten?

Die Arbeit ist entsprechend in drei Teile gegliedert. Im ersten Kapitel versuche ich Hara näher zu definieren
und der allgemeinen Bedeutung nachzugehen. Das zweite Kapitel befasst sich dann mit praktischen Übungen
zur Stärkung der Präsenz im Hara. Im dritten Kapitel gehe ich tiefer auf den Einfluss von Hara im Shiatsu ein
und skizziere verschiedene Techniken, welche in Shiatsubehandlungen angewandt werden können.

Während der Vorbereitungen für die Diplomarbeit fiel mir bei der Suche nach entsprechender Literatur beson-
ders eines auf: Es gibt sehr wenig Bücher, insbesondere aus unserem Kulturkreis, die sich mit Hara befassen.
Tausende Bücher gibt es zur Entwicklung des Herzens, Herzchakras oder Herzzentrums. Unzählige zu Geist,
Verstand oder Denken (wobei sich hier natürlich die Frage stellt, ob sich Bücher nicht per se mit Geist bzw.
Verstand befassen). Bücher, die sich dezidiert oder zumindest intensiv mit dem Hara auseinandersetzen gibt es
nur wenige (jene mit Titeln wie „Der Bauch muss weg!“ oder „Nie mehr dick“ oder „Waschbrettbauch for
Dummies“ nicht mit gezählt).

Dies widerspiegelt meines Erachtens recht gut die Stellung, die Hara in unserer Kultur hat. In einem Gespräch
mit einer Kollegin, die als Köchin arbeitet (und dadurch ja eigentlich einen recht direkten Bezug zum Bauch
bzw. Hara hat), vertrat sie die Meinung, der Bauch müsse eingezogen, angespannt sein. Dies fördere die Musku-
latur und trage zu guter Haltung bei. Der Bauch ist gewissermassen „notwendiges Übel“ und soll, bitte, nicht
allzu sehr in Erscheinung treten, weder optisch, noch olfaktorisch, noch akustisch. Erläuterungen der Zusam-
menhänge z.B. zwischen verspannten Schultern und angespanntem Bauch oder aber zwischen oberflächlicher
Atmung und hohem Stressempfinden sind dann fast schon revolutionär, zumindest aber recht ungewohnt. Dass
die Bedeutung des Bauches (oder eben Haras) dann zudem noch weit über diese körperlichen Zusammenhänge
ausgehen kann, als Hara unser Zentrum ist und insofern auch gewisse Aufmerksamkeit ihm gegenüber ange-
bracht wäre, ist im Prinzip gänzlich unbekannt.

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                                 3
Diplomarbeit Shiatsu Hara
In dieser Arbeit möchte ich die wichtigsten dieser Zusammenhänge erläutern und dabei besonders auf die Be-
deutung als „Zentrum des Menschen“ eingehen. Dabei bringe ich meine sehr persönliche Erfahrung mit Kör-
perarbeit, speziell mit Haraarbeit mit ein und gehe im Abschluss auf Haraarbeit im Shiatsu ein.

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                              4
Diplomarbeit Shiatsu Hara
Hara
Anatomische Definition und die Bedeutung nach Masunaga und philosophisch

                                 Die verschiedenen Perspektiven auf Hara 1

ANATOMISCHE DEFINITION
Der Bauch ist die Mitte unseres Körpers, in ihm liegt unser Schwerpunkt, wenn wir uns aufrecht bewegen. Die-
ses Schwerpunktes müssen wir uns jedoch nicht bewusst sein, um uns aufrecht halten zu können. Physisch für
die Aufrichtung zuständig ist das propriozeptive System, 2 ein Teil des autonomen Nervensystems. Dieses pro-
priozeptive System ist ständig damit beschäftigt, unsere Aus-und Aufrichtung zu prüfen und den Muskeln des
Bewegungsapparates entsprechende Korrektursignale zu senden.

In der Körpermitte befinden sich ein Grossteil unserer Organe: Magen und Milz/Pankreas, Leber und Gallen-
blase und die (Neben-)Nieren im oberen Bauchraum; Dünndarm und Dickdarm im Zentrum bzw. am Rand;
Blase und die weiblichen Geschlechtsorgane im unteren Bauchraum. Die obere Begrenzung des Bauchraumes
bildet das Zwerchfell, welches ihn gegenüber dem Oberkörper bzw. den Lungen und dem Herz abgrenzt. Unten
ruht der Bauch im Becken, welches, unterstützt durch den Beckenboden, ein effektives Becken bildet, in wel-
chem diese inneren Organe ruhen.

                                              Bauchhöhle einer Frau3

1 Maligner, URL; Lieske.com, URL; Innenwelten, URL; Dürckheim: Hara
2 Das propriozeptive System kontrolliert im Körper, wie die einzelnen Körperteile in Relation zueinander stehen. (siehe

auch http://en.wikipedia.org/wiki/Proprioception)
3 Maligner, URL

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                                           5
Viele unserer lebenswichtigen Körperfunktionen finden also im Hara statt:

    • Verdauung von physischer Nahrung (Magen)

    • Aufnahme von Nährstoffen (Dünndarm, teilweise Dickdarm)

    • Reinigung und teilweise Bildung von Blut (Leber, Niere, Milz)

    • Bildung von Hormonen (Pankreas, (Neben-)Nieren, Geschlechtsorgane)

    • Ausscheiden von Abfallstoffen (Dickdarm, Blase)

Diese Funktionen finden ohne unser Bewusstsein statt und setzen keine besondere Präsenz im Hara voraus.
Sicher ist jedoch dass sie unterstützt werden durch eine aktive, ausgebildete Muskulatur des Beckenbodens und
der Atmung.

Atmung
Durch eine aktive Atmung, welche ihren Ausgangspunkt im Bauch hat und über das Zwerchfell in den Oberkör-
per sich fortsetzt, werden die Organe im Bauchraum bewegt. Durch den Atemrythmus ergibt sich eine ständige
Komprimierung/Dekomprimierung der Organe, was zum Beispiel die Verdauungsperistaltik erleichtert. Wei-
ter ergeben sich durch diese Bewegungen weniger Möglichkeiten für Verklebungen der Organe: Was sich be-
wegt, kann nicht kleben. Verklebungen wiederum erschweren die Eigenbewegungen der Organe, schränken
dadurch ihren Raum ein, was ihre Funktion beeinträchtigen kann.

Beckenboden
Der Beckenboden wiederum ermöglicht eine aktive, anatomisch korrekte Aufrichtung, da er über Muskelketten
Verbindungen zur gesamten Haltungsmuskulatur der Körpers herstellt. Anatomisch korrekt bedeutet verein-
facht formuliert, dass sich der Körper weder in einer überdehnten Rücklage noch in einer kollabierten, in sich
zusammengefallenen Haltung befindet. Dadurch erhalten die Organe, primär des Bauchraumes, aber (in-)direkt
auch die Lungen und das Herz, genügend Raum um ihre Funktionen wahrzunehmen.

                      Illustration überdehnte Rückenlage vs. neutrale Haltung4

Hüftgelenke
Die Hüftgelenke stellen die Verbindung zwischen dem Becken bzw. dem Oberkörper und den Beinen her. Sie
ermöglichen es, uns fort zu bewegen und unsere Richtung zu wählen oder uns zum Boden hin zu beugen. Ist die
Beweglichkeit der Hüftgelenke eingeschränkt, sind wir dadurch recht massiv in unserer ganzen Beweglichkeit

4 hubpages.com: URL

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                              6
eingeschränkt. Diese Blockaden äussern sich dabei oft in Problemen im unteren Rücken, welcher die mangelnde
Beweglichkeit kompensieren muss.

Hüftgelenke und Hara
Den Hüftgelenken kommt für unseren Stand und unsere Bewegung in der Welt eine besondere Rolle zu: Sie
verbinden unseren Oberkörper und unseren Geist mit den Beinen und den Füssen. Bestehen also Blockaden in
den Hüftgelenken, werden wir Mühe haben, unseren Stand zu wahren und uns zu bewegen, sei es Schritt für
Schritt oder in der Welt ganz allgemein: Unser Stand ist ein Ausdruck unserer Präsenz im Hara.

Gelingt es uns, unseren Schwerpunkt tief, also im unteren Hara, zu halten und unsere Aufrichtung sich aus dem
Beckenboden entfaltet sowie die Verbindung zu den Beinen und Füssen offen und entspannt ist, stehen wir mit
beiden Beinen im Leben. Die Hüftgelenke sind in einem gewissen Sinne der bewegliche Teil des Haras. Sie
verfügen über die kräftigsten Muskeln des Körpers - das Hara selbst könnte als stärkster Teil des Körpers be-
zeichnet werden. Weiter wird auch der Einfluss der Wasserenergie deutlich: Der M. Psoas verbindet die Beine
mit der Wirbelsäule, dabei setzt er auf Höhe der Nieren an, welche wesentlichen Einfluss auf den Hormonhaus-
halt des Körpers haben.

Die schulmedizinische bzw. streng anatomische Perspektive setzt keine besondere Präsenz im Hara bzw. kein
«Harabewusstsein» voraus. Alle Funktionen finden aus dieser Sicht auch ohne diese statt und kaum ein Arzt
würde einem Patienten Übungen zur Stärkung des Haras empfehlen. Dabei lässt aber unsere Schulmedizin eini-
ge weitere mögliche Aspekte ausser Betracht, welche als Ganzes für einen Menschen doch recht zentral sein
können.

FUNKTIONEN AUS PERSPEKTIVE DES ZEN SHIATSU
In diesem Abschnitt gehe ich kurz auf die theoretische Bedeutung von Hara im Sinne der Diagnosezonen und
der Wandlungsphasen ein. Den konkreten Bezug zu Shiatsu-Techniken mache ich im dritten Kapitel.

Hara-Diagnosezonen
Von zentraler Bedeutung sind in diesem Zusammenhang natürlich die Hara-Diagnosezonen (siehe folgende
Grafik). Sie zeigen den mehr akuten Zustand der Energie des Klienten, während die Rücken-Diagnosezonen
eher den chronischen Zustand widerspiegeln. Die Entstehung der Diagnosezonen liegt in der Entwicklung des
Menschen von der Zeugung über den Embryo zum ausgewachsenen Menschen begründet. In der asiatischen
Medizin werden mehrere verschiedene Hara-Diagnosezonen benutzt. Im Shiatsu sind primär jene von Shizuto
Masunaga wichtig, daneben gibt es andere Definitionen in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM),
aber auch in der traditionellen japanischen Bauchmassage (Ampuku).

In dieser Arbeit gehe ich nicht vertieft auf die Diagnosezonen (Entstehung, Unterschiede in den Systemen,
etc.), wichtig scheint mir aber, dass der Zustand des energetischen Systems eines Menschen allein aus dem Hara
„abgelesen“ werden kann. Dem Hara kommt hier also eine besondere Bedeutung zu (wobei in der TCM neben
der Haradiagnose auch weitere ähnliche Diagnosesysteme existieren, bspw. jenes der Zungendiagnose oder der
Pulsdiagnose), es ist eine Art Spiegel, in dem sich der energetische Zustand eines Menschen reflektiert.

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                                 7
Hara-Diagnosezonen nach Masunaga5

[…]

PHILOSOPHISCHE BEDEUTUNG
Der Begriff «Hara» umfasst in den asiatischen Kulturen viel mehr als nur die einigermassen wörtliche Überset-
zung «Bauch». Hara nur als den physischen Bauch zu verstehen, greift zu kurz, Hara umfasst neben der Physio-
logie im Prinzip alles, was einen Menschen ausmacht. Es ist das Zentrum eines Menschen, der Kern und Ur-
sprung. Gemäss der chinesischen Medizin entspringt das Ur-Qi eines Menschen im Hara und wird erst danach
weiter über die zwölf Meridiane im Körper verteilt 6 (siehe auch unten). Vor allem in Japan ist der Begriff Hara
auch in der Alltagssprache viel präsenter, so dass sich aus dessen Nutzung ableiten lässt, dass Hara bzw. ,im Ha-
ra sein‘ bzw. ,zentriert‘ sein in dieser Kultur eine viel grössere Bedeutung hat als in westlichen Kulturen7. In der
Folge führe ich einige Beispiele an, die diese Bedeutung widerspiegeln:

      • Hara ga ookii (lit. ,grosses Hara‘): Einen grossen Geist haben.
        Leitet sich daraus ab, dass Übung in Meditation und Atmung eine öffnende Wirkung auf den Geist einer
        Person, wie auch auf dessen Bauch (oder eben Hara) haben (siehe Übungen). Dementsprechend meint
        Hara ga chiisai das Gegenteil: ,Kleines Hara‘ im Sinne von enger Wahrnehmung, kleinem Geist.

      • Hara ga tatsu (lit. ,das Hara steht auf‘): Verärgert sein.
        Leitet sich daraus ab, dass Ärger sich in aufsteigender Leber- bzw. Holz-Energie zeigt. Dadurch entsteht
        eine Qi-Fülle im Oberkörper während im Unterkörper bzw. eben im Hara ein Mangel an Qi entsteht. Das
        Gegenteil (Hara ga suwaru, ,das Hara ist gesetzt‘) deutet auf einen von den Umwelteinflüssen unverän-
        derten Fokus und unveränderte Zielstrebigkeit einer Person hin.

      • Hara no chiisai hito (lit. ,Mensch mit kleinem Bauch‘) und Hara no dekite inai hito (lit. Mensch, der mit
        seinem Bauch nicht fertig ist‘):

5 Lieske.com: URL
6 vgl. Matsumoto, S. 69ff
7 vgl. Matsumoto, S. 11 und Dürckheim, S. 42ff

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                                     8
Ein unreifer Mensch, der eng ist im Umgang mit anderen und auch leicht irritiert wird (bzw. zu irritieren
        ist).

     • Hara-goe (lit. ,Stimme, die aus dem Bauch kommt‘):
       Die Reife eines Schülers wurde von japanischen Meistern immer auch nach der Stimme des Schülers
        beurteilt. Einer ,Stimme, die aus dem Bauch kommt‘ kann man trauen, während eine Stimme aus dem
        Kehlkopf einen verlogenen Menschen bedeutet.

     • Haragei (lit. ,Bauchkunst‘):
       Das Tun, das aus dem Hara kommt bedeutet ,vollendete Kunst‘ und ist in allen Weg-Künsten von beson-
        derer Bedeutung. Gleichzeitig aber können auch alltägliche Beziehungen von Haragei geprägt sein und
        erfolgen dann sozusagen von Bauch zu Bauch, nicht von Kopf zu Kopf und die beteiligten Organe sind
        nur Organe, nicht Eigenkräfte.

     • Hara no naka wo watte misemasu (lit. ,den Bauch öffnen‘):
       In ebendiesem Sinne ist ein Mensch, der ,den Bauch öffnet‘ aufrichtig und hat nicht ,ein Stück im Bauch
       stecken‘ (Hara ni ichimotsu aru hito), ist also nicht hinterlistig.

     • Hara kiri (lit. ,den Bauch schneiden‘):
       Der rituelle Selbstmord eines Japaners bestand traditionell darin, dass er sich den Bauch öffnete. Da-
        durch kappte er die Verbindung zur Erde, was es der Seele ermöglichte, nach oben, aus dem Körper zum
        Himmel zu entfliehen.

Aus all diesen Redewendungen lässt sich leicht ableiten, dass im japanischen der Bauch im Sinne von Hara eine
                                              markant grössere Bedeutung hat als in westlichen Kulturen. Hara
Die Erfahrungen bei meiner Arbeit als         durchdringt in östlichen Kulturen das ganze Leben und wird
Koch bestätigen die Wirkung von Hara im        kultiviert, sei es in der Musik, im Tanz, Kampf- oder anderen
Alltag. Die Arbeit ist teilweise körperlich    Künsten, aber auch im Alltag.
anstrengend und oft unter Zeitdruck zu
                                               Hara ist das Lebenszentrum des Menschen, da wo „das Qi ent-
erledigen.
                                               springt“ (siehe unten) und die Nabelschnur zum universalen Qi.
Gelingt es mir, in solchen Momenten „ins       Es zeigt die Balance unseres physischen, mentalen, emotionalen
Hara zu gehen“, fällt die Spannung von         und spirituellen Lebens. Ist also jemand „ausgegeglichen“,
den Schultern und Armen ab, der Stress         „zentriert“ oder „fokussiert“ ist diese Person in Kontakt mit
weicht, die Atmung geht tief, meine Beine      ihrem Hara.8 Liegt unser physischer Schwerpunkt im unteren
stellen sich gerade, mein Bauch richtet        Hara sind wir in gutem Kontakt zum Boden und unsere Hand-
sich auf das Geschehen aus, meine Auf-         lungen geschehen mühelos, klar und gelassen. Steht aber das
merksamkeit fokussiert sich auf das, was       Hara auf, sind wir „upset“, also aufgeregt, verschiebt sich unser
ich gerade tue.                                Schwerpunkt nach oben, das Qi steigt hoch, wir verlieren den

Ich bin überzeugt, dass diese innere Hal-      Kontakt zum Boden, zu unseren Wurzeln, zu unserer Gelassen-
                                               und Klarheit: Das Handeln wird mühevoll und wir ermüden
tung über den äusseren Ausdruck auch für
den Gast einen Unterschied macht.              schnell. (siehe Kasten links)

In der chinesischen Medizin liegt der Ursprung des Qi eines Menschen ,zwischen den Nieren‘ also im Hara.
Daraus folgt, dass die Qualität, der Zustand, des Hara im wahrsten Sinne zentral für die Gesundheit bzw. das
Wohlbefinden eines Menschen ist. und macht deutlich, dass die Behandlung des Hara elementar ist im Shiatsu

8 vgl. Ohashi, S. 111

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                                    9
(bzw. elementar sein sollte, siehe unten). Dürckheim 9 skizziert dies, indem er bspw. einen Zusammenhang her-
stellt zwischen z.B. Schmerzen im Nacken (die in der „Mehrzahl der Fälle darauf beruhen, dass die Wirbelsäule
geknickt ist.“10 ) und Spannungen in den Schultern und der Weise und dem Mass der Verwurzelung im Becken.
Er sieht darin auch einen Hinweis, wie der Mensch in die Welt blickt und sich auf sie einlässt (bzw. einlassen
kann). Er interpretiert die Verspannungen und die daraus folgenden Schmerzen im Nacken dahingehend, dass
„der Mensch sich nicht richtig trägt, weil er unten nicht richtig da, nicht recht verwurzelt ist, also mehr oder
weniger bodenlos lebt.“11

Hara ist unser zu Hause in uns. Es gibt uns einen Ort, an den wir zurückkehren können in Situationen von
Veränderung, Unruhe und Stress. Es ist die Verbindung zur Erde, diese sorgt für unsere Bodenhaftung und
macht uns, sofern das Fundament stabil genug ist, möglich, aus gesichertem Grund zum Himmel zu streben.

Neues entsteht im Hara. Natürlich im körperlichen Sinne: das Kind im Bauch, im Hara der Mutter. Aber auch
neue Ideen und Projekte brauchen fruchtbaren Boden, wollen sie wachsen und gedeihen. Gleichzeitig muss aber
alles was entsteht auch wieder vergehen und Hara macht uns gelassen genug, Abschied nehmen zu können ohne
die Angst, uns selbst zu verlieren, indem es uns bei jedem Atemzug zeigt, dass wir im Hara gehalten werden,
sofern wir dies auch bei jedem Atemzug zulassen können.

Bei sich sein
Kennt man seine Position (seinen Standpunkt) ist man sich seiner sicher, weil sich dadurch ableitet, wo und was
man ist und wo und was nicht. Man weiss, wo man beispielsweise Kompromisse zu machen bereit ist und welche
Aspekte einem dafür zu wichtig sind, also auch, wofür man zu kämpfen bereit ist und wo man ,den Fünfer gerade
sein‘ lassen will.

[…]

Bei all dem ist aber immer auch eine gute Verbindung zum Herzen, den Emotionen und dem Geist, dem
Verstand notwendig. In diesem Sinne ist eine gute Präsenz im Hara zwar sehr wichtig, trotzdem aber nicht
alleine das Ende aller Weisheit. Jedoch ist es in unserer Kultur das von diesen drei Elementen das am wenigsten
präsente oder geschulte, weshalb die Arbeit am Hara umso wichtiger wird, um ein Gleichgewicht herstellen zu
können:

          «Kopf, Herz, Nabel - das sind die drei Zentren. Das Nabelzentrum ist mitgegeben, ist ursprünglich. Das
          Herz kann sich entwickeln; und es ist gut, wenn das geschieht […]. Auch der Verstand muss entwickelt
          werden, aber das darf nicht auf Kosten des Herzens geschehen, denn sonst fehlt euch das Bindeglied
          und ihr könnt nicht wider zum Nabel zurückkommen. Die Entwicklung geht vom Verstand über die
          Existenz zum Sein. […] Das Wissen ist am weitesten vom Sein entfernt, das Fühlen ist ihm näher. Wenn
          dir das Gefühlszentrum fehlt, dann ist es schwierig, eine Brücke zwischen Verstand und Sein herzustel-
          len, wirklich sehr schwierig. Darum kann ein Mensch, der liebt, leichter erkennen, dass er in der Welt zu
          Hause ist, als ein Mensch, der durch den Intellekt lebt.»12

Dürckheim sieht die Verbindung der drei Zentren Hara, Herz und Geist eher dahingehend, dass nur durch ein
„sich niederlassen“ im Hara, welches damit ein sicheres Zuhause bietet, die Entwicklung des Herzens möglich

9 Anmerkungen zur Person Dürckheim siehe Anhang
10 Dürckheim, S. 121
11 ebd.
12 Osho S. 285

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                                    10
wird. Die Entwicklung von Hara wiederum bedingt ein Loslassen des Geistes bzw. des Ichs, welches sonst den
Weg zum Hara verstellt. 13

Osho und Dürckheim sind sich also nicht einig über die Reihenfolge der Aktivierung der drei Zentren. Wichtig
im Zusammenhang dieser Arbeit dünkt mich aber, dass für beide die Entwicklung von Hara elementar für die
Entwicklung des Menschseins und den Kontakt zum Sein ist.

13 vgl. Dürckheim, S. 190

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Vom neutralen Stand zum Neutral state
Aus diesen theoretischen Ansätzen möchte ich nun eine erste Brücke zu praktischer Arbeit schlagen. Die Arbeit
am Hara wird erst durch die eigene Erfahrung, also das konkrete Tun wertvoll. Dabei ist diese Arbeit meist sehr
subtil und unspektakulär, bedingt aber auch grosse Ausdauer und Aufmerksamkeit. In der Folge gehe ich nun
tiefer auf den „Neutral state“ bzw. den neutralen Stand ein. Dieser bietet uns eine gute Übungsmöglichkeit und
vieles von den theoretischen Ansätzen oben kann ganz konkret nachvollzogen und an unserem eigenen Körper
erlebt werden.

Im normalen bzw. neutralen Stand trägt die Struktur des Körpers unser Gewicht. Jegliche Muskeln können sich
entspannen bzw. in einer ,gesunden‘ Anspannung verharren. Diese ,gesunde Anspannung‘ nennt Dürckheim
„Tiefenelastizität“, dank derer „der Mensch sich mit grösster Selbstverständlichkeit und Ruhe der jeweiligen
Lage entsprechend ,verfasst‘ und verhält.“ Der Mensch weiss in jedem Augenblick, was er zu tun hat und han-
delt „ohne Stockungen, selbstverständlich, der Lage entsprechend und klar.“14

        Einzelübung - Neutraler Stand
        Die Füsse sind ca. Schulterbreit positioniert und stehen parallel zueinander. Die Knie (bzw. Knie-
        scheiben) weisen ebenso nach vorne und sind leicht gebeugt. Das Becken ist leicht nach hinten ge-
        neigt, so dass sich der untere Rücken leicht aus der Lordose bewegt. Der Rücken ist gerade, der
        Scheitel zieht die Wirbelsäule leicht nach oben.
        Die Arme können entweder seitlich herunter hängen oder aber auf Hüfthöhe einen Kreis bilden, die
        Hände etwa eine Unterarmlänge auseinander. Alternativ können die Hände auch seitlich des Be-
        ckens gehalten werden, die Ellenbogen weisen dabei nach aussen, die Fingerspitzen auf der Kör-
        permittellinie zum Körper hin.
        In dieser Position verharren, die Zeitspanne kann beliebig ausgedehnt werden. Wichtig ist, dass der
        Körper (und Geist) entspannt bleiben kann.

Dieser neutrale Stand zeichnet sich dadurch aus, dass er in jegliche Ausrichtung des Körpers ausgedehnt wer-
den kann. Es gibt also einen ,neutralen Status‘ (neutral state) in jeder Körperhaltung. Dieser zeichnet sich da-
durch aus, das der Körper sich in strukturell optimaler Position und Ausrichtung befindet. Dabei ist wesentlich,
dass sich gleichzeitig die Muskeln in einer adäquaten (Ent-)spannung befinden: Erst dadurch sind in diesem
Neutral State alle Möglichkeiten enthalten. Auf physischer Ebene kann man dementsprechend mit gleichem
Energieaufwand und Leichtigkeit einen Schritt vor-, seit- oder rückwärts tun. Die Kraft und Präsenz ist im
Hara und gibt uns alle Freiheiten.

Hier wird dann der physische neutrale Stand zu einem allgemeineren „Neutral state“, weitet sich also über unse-
ren körperlichen Zustand aus auf unser ganzes Leben und schlägt die Brücke zum Sein. Haben wir die Kraft
und Präsenz im Hara, stehen uns alle Möglichkeiten offen, wohin wir den nächsten Schritt tun wollen.
Wir sind also nicht Gefangene unserer Vergangenheit oder unserer (Zukunfts-)Ängste, sondern können frei
handeln nach dem, was sich uns in der aktuellen Situation präsentiert.

14 Dürckheim, S. 42

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Partnerübung - Neutraler Stand
       Beide Partner stehen in neutralem Stand (siehe oben), einer der Partner (,Uke‘) hält die Arme ca.
       auf Brusthöhe nach vorne gestreckt, die Handflächen weisen nach vorne. Der andere Partner (,To-
       ri‘) gibt nun langsam steigenden Druck über die Fingerspitzen/Knöchel auf die Handflächen des
       Uke. Dieser versucht, den Druck an sein Zentrum weiterzuleiten und den Körper entspannt zu
       halten.
       Sobald der Uke an die Grenze seines Raumes gelangt, d.h. den Druck nicht mehr zum Zentrum/
       Boden weiterleiten kann und aus dem Gleichgewicht zu gelangen droht, stehen ihm folgende Mög-
       lichkeiten offen:
       • Aufgabe: Er lässt sich nach hinten zurückfallen.
       • Ausweichen: Er dreht sich zu einer Seite hin weg und lässt den Tori so ins Leere fallen.
       • Angriff: Er gibt die im Zentrum gesammelte Energie über die Hände wieder an den Tori zurück.
       Bei dieser Übung ist primär wichtig, dass der Uke seinen inneren Raum ausloten kann. Dazu darf
       der Druck des Tori nur langsam zunehmen, um dem Uke genügend Zeit zu geben. Eine mögliche
       Frage in der Übung kann sein, in welcher Stellung der Arme der neutrale Stand des Uke beginnt
       bzw. endet.

Nun ist es naheliegend, dass dieser Neutral State nicht oder nur bedingt über längere Zeit gehalten werden kann
und wir ihn auch immer wieder verlieren. Wir sind in unserem Leben ständig wechselnden Anforderungen aus-
gesetzt, seien sie innerer oder äusserer Natur. Genau das ist ja das Leben: stetiger Wandel. Es kann also nicht
darum gehen, einen ,Zustand‘ zu erlangen, und ihn unter keinen Umständen mehr verlieren bzw. unter allen
Umständen bewahren zu wollen. Dazu sind wir aber versucht. Es ist für uns ungewohnt, uns nicht festzuhalten
an etwas Erreichtem. Wir haben oft eine insofern statische Sicht auf Dinge: Habe ich einmal etwas erreicht, ge-
be ich es nicht mehr her. Genau darin besteht aber eine der Bedeutungen von Hara: Es zeigt uns ständig den
stetigen Zyklus von Entstehen - Vergehen. Insofern können wir nur immer wieder von neuem Versuchen, uns
im Hara einzufinden und uns in einer dynamischen Umwelt und einer dynamischen inneren Welt stetig von
neuem zu zentrieren.

In der folgenden Übung geht es genau darum: Einerseits sich der Dynamik bzw. der Bewegung, welche vom
Partner initiiert wird zu stellen und hinzugeben. Andererseits aber in dieser Dynamik immer auch wieder den
Blick auf sich selbst zu wenden und sich neu im Hara zu zentrieren.

       Partnerübung - Takatori
       jap.: Tintenfischtanz. Beide Partner stehen in neutralem Stand (siehe oben), die Arme auf Hüfthöhe
       nach vorne ausgestreckt, die Handflächen berühren sich, jene der führenden Person (,Tori‘) weisen
       nach oben.
       Der Tori bewegt nun seine Hände, Uke (,übende Person‘) folgt dieser vorgegebenen Bewegung.
       Folgende Muster können z.B. versucht werden:
       • Die Bewegung erfolgt langsam und regelmässig.
       • Der Tori bringt den Uke in eine Grenzposition (am Rande des Gleichgewichts des Uke) und gibt
         dem Uke an diesem Punkt genügend Zeit, sich neu zu zentrieren.
       Dabei erfolgt die Übung erst im neutralen Stand, also ohne Schritte. In einer späteren Phase kann
       der Uke auch zu Schritten geleitet werden.

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ERFAHRUNGSBERICHT
[…]

      «Dieses Gefühl: „Ich stehe jetzt anders da,
      fester, breiter und gelassener“ leitet, wenn die
      Übung sich richtig fortsetzt, eine ganze Ent-
      wicklung ein, die mehr bedeutet, als eine neue
      Haltung des alten Menschen. Bald steht der
      Mensch nicht nur anders, sondern als ein an-
      derer da. Die fortschreitende Verankerung in
      einer tieferen und breiteren Basis bedeutet,
      dass er sich selbst ändert. Dieses wird dann
      immer mehr an der veränderten Weise, die
      Welt zu sehen und zu nehmen, ihre Nöte zu
      ertragen und in ihr zu bestehen offenbar.»

      Karlfried Graf Dürckheim: Hara (S. 119)

[…]

Die Arbeit an meinem Hara hat mein Leben auf tiefgreifende Weise vereinfacht, im Sinne von unkomplizierter
gemacht. Es ist nicht so, dass keine Sorgen, Ängste oder Probleme mehr da wären. Aber es gelingt mir viel
schneller, mich wieder zu zentrieren und mich davon auch zu lösen. Wieder und wieder. Für mich ist das die
Essenz an der Haraarbeit: Das Leben wird nicht besser, aber anders.

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Übungen
Einzel- und Partnerübungen zur Hara-Pflege

Hara ist also im wahrsten Sinne des Wortes zentral für unser Leben, unsere Mitte, unser Zuhause, gibt uns
Klarheit und Gelassenheit, verwurzelt uns im Leben und ist die Nabelschnur zum universellen Qi (siehe oben).
Wie aber kann nun dieses Hara gestärkt werden? Einerseits kann es hier um rein physische Stärkung gehen, also
dem Training der Muskulatur des Bauches und Becken(-boden)s bzw. der Hüften. Andererseits geht es aber,
eben, um viel mehr als nur diese physische Kraft (sonst wären wir ja bei den eingangs erwähnten Ratgebern).
Vielmehr geht es auch um die Schulung der Aufmerksamkeit. Dies wiederum kann in einfacher Beobachtung
des Atems geschehen, oder aber durch andere Körperübungen, die sich mit dem Hara befassen. Insbesondere
Dürckheim vertritt dabei den Ansatz der stillen Meditation, worüber das Loslassen der „Ich-Verhaftung“ erst
möglich werde, an dessen Stelle dann das Niederlassen im Hara erfolgen könne. Durch die stille Meditation und
dem Beobachten des Atems folgt die Aufmerksamkeit vom Zentrum in die Peripherie des Körpers und kehrt
zum Zentrum zurück. Das Zentrum ist Ausgangs- und Endpunkt der Bewegung. Spannungen im Körper kön-
nen durch das Folgen der Atembewegung aufgespürt und nach und nach losgelassen werden, dabei ist die At-
mung aber immer im Zentrum verankert.

In der Folge nun einige Übungen (welche teilweise schon früher im Text aufgeführt wurden) zur Schulung der
Aufmerksamkeit. Dabei ist zu beachten, dass die Übungen erst recht unspektakulär, fast langweilig erscheinen
(gemessen an der Bedeutung, die Hara für unser Leben hat). Genau darin liegt aber auch die besondere Quali-
tät: Sie setzen ein aufmerksames In-sich-hineinhorchen voraus, ein still werden, gleichzeitig lassen sie einem
auch still werden und in sich Hineinhorchen und in diesem sich dann öffnenden Raum vermag sich in der Folge
die Haraqualität zu entfalten.

Insofern ist auch verständlich, dass Haraarbeit (mehr noch als andere Körperübungen) Ausdauer erfordern. Es
ist nicht mit spektakulären Ergebnissen innert Tagen zu rechnen, die Entwicklung erfolgt recht subtil. Eine
Möglichkeit wäre beispielsweise, zu Beginn eine Liste der Sachen zu erstellen, die einem wichtig bzw. unwichtig
sind im Leben. Diese Liste kann dann Monate später, nach regelmässiger Haraarbeit, neu erstellt und verglichen
werden.

EINZELÜBUNGEN

       Einzelübung - Atmung
       Die einfachste und beständigste Übung zur Förderung der Präsenz im Hara ist die Atmung. Man
       setzt sich in den Lotussitz, in Seiza oder auf einen Stuhl. Wichtig ist, dass die Knie tiefer sind als
       das Becken, wodurch sich die Hüften etwas öffnen können und genügend Raum im Bauch entsteht.
       Dann lenkt man die Atmung auf den unteren Bauchraum, erweitert die Atmung vom Brustraum
       bis tief in den Bauch. Dabei nimmt man einfach wahr, was sich einem präsentiert.

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Einzelübung - Neutraler Stand
     Die Füsse sind ca. schulterbreit positioniert und stehen parallel zueinander. Die Knie (bzw. Knie-
     scheiben) weisen ebenso nach vorne und sind leicht gebeugt. Das Becken ist leicht nach hinten ge-
     neigt, so dass sich der untere Rücken leicht aus der Lordose bewegt. Der Rücken ist gerade, der
     Scheitel zieht die Wirbelsäule leicht nach oben.
     Die Arme können entweder seitlich hinunter hängen oder aber auf Hüfthöhe einen Kreis bilden, die
     Hände etwa eine Unterarmlänge auseinander. Alternativ können die Hände auch seitlich des Be-
     ckens gehalten werden, die Ellenbogen weisen dabei nach aussen, die Fingerspitzen auf der Kör-
     permittellinie zum Körper hin.
     In dieser Position verharren, die Zeitspanne kann beliebig ausgedehnt werden. Wichtig ist, dass der
     Körper (und Geist) entspannt bleiben kann.

     Einzelübung - Harakreisen
     Eine Übung die fast immer Teil unseres Aikido-Practice war und die auch Carola Beresford-Cooke
     in ihrem Buch beschreibt (siehe Literaturverzeichnis):
     In neutralem Stand stehen und die Hüften kreisen lassen. Dabei die Kreise zunehmend grösser
     werden lassen. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:
         • Der Oberkörper kreist mit, die Kreisbewegung wird also über die Wirbelsäule fortgesetzt.
         • Der Kopf bleibt am Ort, die Bewegung findet also zwischen den Fixpunkten der Füsse und
           des Kopfes statt.
     Die Übung erhöht die Beweglichkeit der Hüften und der Wirbelsäule und schult die Aufmerksam-
     keit im Hara.
     Weiter kann die Übung z.B. auch im Vierfüsslerstand ausgeführt werden.

     Einzelübung - Hüftgelenke/Flanken
     Auf der Seite liegend wird das oben liegende Bein angehoben. Dabei kann das Bein normal gestreckt
     gehalten werden (Fuss geflext) oder aber leicht nach hinten (ca. 30 - 45°) gestreckt werden (Fuss
     ebenfalls in flex). (Wirkung auf den Gluteus maximus)
     Weiter kann das oben liegende Bein etwas unterhalb der Hüfte abgestellt und nun das unten lie-
     gende Bein angehoben werden. (Wirkung auf den Gluteus medius und minimus)
     Als dritte Möglichkeit werden beide Beine gestreckt und der Oberkörper angehoben. (Wirkung auf
     seitliche Rumpfmuskulatur)
     Sind die Übungen zu leicht auszuführen, können die Beine mit Gewichten beschwert werden.

     Einzelübung - Haramassage
     Man setzt sich in Seiza oder auch im Lotussitz hin. Nach einigen ruhigen Atemzügen (siehe oben)
     beginnt man mit der Massage: Mit den Fingerspitzen geht man mit der Ausatmung tief in den
     Bauchraum rein und beugt sich gleichzeitig nach vorne. Dabei beginnt man links und rechts des
     Solarplexus und beschreibt mit den Händen einen Kreis bis sich die Hände oberhalb des Schambeins
     treffen. Der Abschluss bildet das Tantien, zwei Fingerbreit unterhalb des Bauchnabels.
     Diese Abfolge kann man verschieden gestalten: Zum Beispiel eher schnell (Ausatmen/Beugen -
     Einatmen/Aufrichten) was aktivierend wirkt, oder aber eher langsam (Ausatmen/Beugen - Massie-
     ren & normal atmen - Einatmen/Aufrichten).

     Einzelübung - Meditation
     Über Meditation kann die Präsenz und das Bewusstsein im Hara gut gefördert werden. Dies kann
     stille Meditation sein, Meditation, die dem Atem folgt, oder auch mit Hilfe von Visualisierungen.
     So kann man beispielsweise die Sonne ins Hara nehmen und da scheinen lassen. Dabei könnte man
     sich weiter auf Bereiche konzentrieren, die angespannt oder verhärtet, oder aber auch besonders
     angenehm und wohlig sind.

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PARTNERÜBUNGEN
Die Partnerübungen eignen sich gut, um immer wieder auch mit einer äusseren Realität konfrontiert zu werden.
Dadurch erhalten wir die Möglichkeit, bewusster und präziser unsere Innenwelt von der äusseren Welt zu diffe-
renzieren. Wir werden also in der Übung, wie auch im Leben sonst, immer wieder von neuem von aussen he-
rausgefordert und können unsere Empfindungen und Reaktionen überprüfen.

       Partnerübung - Takatori
       jap.: Tintenfischtanz. Beide Partner stehen in neutralem Stand (siehe oben), die Arme auf Hüfthöhe
       nach vorne ausgestreckt, die Handflächen berühren sich, jene der führenden Person (,Tori‘) weisen
       nach oben.
       Der Tori bewegt nun seine Hände, Uke (,übende Person‘) folgt dieser vorgegebenen Bewegung.
       Folgende Muster können z.B. versucht werden:
       • Die Bewegung erfolgt langsam und regelmässig.
       • Der Tori bringt den Uke in eine Grenzposition (am Rande des Gleichgewichts des Uke) und gibt
         dem Uke an diesem Punkt genügend Zeit, sich neu zu zentrieren.
       Dabei erfolgt die Übung erst im neutralen Stand, also ohne Schritte. In einer späteren Phase kann
       der Uke dann auch zu Schritten geleitet werden.

       Partnerübung - Sich fallen lassen
       Die Übung eignet sich am besten zu dritt. Eine Person steht in der Mitte, schliesst die Augen und
       lässt sich nach hinten bzw. vorne fallen. Die anderen zwei fangen die fallende Person auf und geben
       einen Impuls in die andere Richtung. Die Person in der Mitte schwingt also wie ein Pendel hin und
       her.
       Diese Übung fördert das Vertrauen, gehalten zu werden. Präsenz im Hara erleichtert dieses Ver-
       trauen zu haben bzw. die Erfahrung des gehalten werden fördert die Harapräsenz.

       Partnerübung - Armdrücken
       Die „klassische“ Übung, die Wirkung von Hara zu spüren. Die eine Person („Uke“) streckt den
       Arm seitwärts aus, der Partner („Tori“) drückt den Arm nach unten, während der Uke versucht,
       ihn ausgestreckt zu halten.
       Dieser Ablauf wird wiederholt, nur dass der Uke sich beim zweiten Mal explizit auf sein Hara kon-
       zentriert und versucht den Arm „aus dem Hara“ zu halten.

       Partnerübung - Neutraler Stand
       Beide Partner stehen in neutralem Stand (siehe oben), einer der Partner (,Uke‘) hält die Arme ca.
       auf Brusthöhe nach vorne gestreckt, die Handflächen weisen nach vorne. Der andere Partner (,To-
       ri‘) gibt nun langsam steigenden Druck über die Fingerspitzen/Knöchel auf die Handflächen des
       Uke. Dieser versucht, den Druck an sein Zentrum weiterzuleiten und den Körper entspannt zu
       halten.
       Sobald der Uke an die Grenze seines Raumes gelangt, d.h. den Druck nicht mehr zum Zentrum/
       Boden weiterleiten kann und aus dem Gleichgewicht zu fallen droht, stehen ihm folgende Möglich-
       keiten offen:
       • Aufgabe: Er lässt sich nach hinten zurückfallen.
       • Ausweichen: Er dreht sich zu einer Seite hin weg und lässt den Tori so ins Leere fallen.
       • Angriff: Er gibt die im Zentrum gesammelte Energie über die Hände wieder an den Tori zurück.
       Bei dieser Übung ist primär wichtig, dass der Uke seinen inneren Raum ausloten kann. Dazu darf
       der Druck des Tori nur langsam zunehmen, um dem Uke genügen Zeit zu geben. Eine mögliche
       Frage in der Übung kann sein, in welcher Stellung der Arme der neutrale Stand des Uke beginnt
       bzw. endet.

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                              17
Neben der reinen Schulung der Aufmerksamkeit ist auch wichtig, dass das Hara körperlich fit und gestärkt ist.
Dazu eignen sich ganz einfache Übungen wie z.B. Sit-Ups, aber insbesondere auch Pilates und Beckenboden-
Training (siehe Literaturempfehlungen im Anhang).

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Hara und Shiatsu
Die Bedeutung von Hara im Shiatsu und Techniken zur Haraarbeit

  «Ein starkes Hara verleiht körperliche Ausdauer und die Fähigkeit Ki wahrzunehmen.» 15

BEDEUTUNG VOM HARA DES THERAPEUTEN, DER THERAPEUTIN
Die Präsenz im Hara ermöglicht einem Menschen ein gelassenes, offenes, ausgerichtetes Da-sein. Durch stetige
Übung weichen die ,überflüssigen‘ Spannungen im Körper und machen Raum für eine adäquate, situationsge-
rechte Körperspannung. Insbesondere nehmen (Ver-)spannungen in den Schultern ab: die Schultern müssen
nicht mehr ,die Welt tragen‘, viel mehr kann sich der Mensch im Hara bzw. im Becken niederlassen und dadurch
getragen werden.

Die abnehmende Spannung öffnet den Menschen für die gerade in diesem Moment aktuelle Situation, macht
eine grössere Wahrnehmung des Momentes möglich. Gleichzeitig ergibt sich eine elastische Körperspannung,
welche sich durch die gelassene, neutrale Spannung in jede Richtung entfalten, ausrichten bzw. zur Geltung
kommen kann.

Genau diese Eigenschaften sind für einen Shiatsu-Therapeuten wichtig:

     • Gelassenheit, neutrales Da-Sein

     • Offenheit (dem Moment und der Klientin gegenüber)

     • Adäquate Körperspannung, welche sich in alle Richtungen entfalten kann

Oder negativ formuliert: Ist sich der Therapeut seines eigenen Zentrum nicht bewusst - wie will, wie kann er
dann einem Klienten offen gegenübertreten? Wie kann die Therapeutin ohne Körperspannung, die aus dem
Hara kommt, einen massigen Klienten behandeln, ohne sich dabei nur an der Oberfläche zu bewegen oder sich
zu verausgaben? Wie können wir als Shiatsu-Therapeuten ohne innere Gelassenheit und neutrales Da-Sein für
unsere Klienten da sein, ohne uns ihre Welt auf unsere Schultern zu laden und dadurch dann Verantwortung
übernehmen, die wir nicht übernehmen sollen oder können? Ist dann nicht das Behandeln mit Kraft, aus den
Schultern absehbar?

15 vgl. Beresford-Cooke: Shiatsu, S. 19

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                                19
Abgesehen von diesen Aspekten arbeiten wir mit einem trainierten Hara auch viel mehr aus dem Hara heraus
und können zum Beispiel die hohe Position einfacher halten und daraus entspannter arbeiten.

Um in unseren Klienten wirklich Bewegung auszulösen (was wir ja im Shiatsu tun, sei es nur durch Lösen einer
Stagnation), müssen wir dazu nicht selbst auch kontinuierlich in (innerer) Bewegung sein? Wie können wir un-
seren Klientinnen glaubwürdig von der Wichtigkeit von Hara erzählen, ohne stetig selbst an unserem Zentrum
zu arbeiten, stetig unser eigenes Hara zu pflegen? Dass das für uns auch unbequem sein kann liegt in der Natur
der Sache. Schon nur die Regelmässigkeit macht uns Mühe: Uns jeden Tag Zeit zu nehmen für uns. Dann das
Wissen, oder zumindest die Ahnung, dass die Arbeit am Hara unser Leben immer wieder verändern kann und
wird, wo wir doch eigentlich nur ein angenehmes Leben führen wollten. Gleichzeitig aber auch die scheinbare
Banalität: Was soll es schon für einen Unterschied machen, ob ich nun meinen Bauch massiere oder nicht?

          „Der Mensch, der sich endgültig in einer wohlgefügten Ordnung seines Welt-Ichs niederge-
          lassen hat, […], hat seinem Leben enge Grenzen gesetzt. […] der eigentliche Nerv des Lebens,
          sein Verwandlungscharakter, ist getötet. […] denn ,Ruhe‘ bedeutet dann, dass sich nichts mehr
          bewegt ... Alles, was lebt jedoch, findet seine Ruhe dort, wo nichts die Bewegung der Verwand-
          lung aufhält.“16

TECHNIKEN ZUR HARAARBEIT AM KLIENTEN
Bei all diesem Wunsch nach Gelassen- und Klarheit und nach Kraft und Ausdauer ist im Menschen auch eine
tiefe Angst vor Veränderung da. Menschen, die zu uns ins Shiatsu kommen, sind meist auf der Suche nach etwas,
was ihnen im bisherigen Leben gefehlt hat. Es kann da eine tief innere Stimme sein, die eine Person ermuntert,
sich sich selbst zu stellen. Oder es kann sich ein offensichtlicherer Mangel an Tiefe und Verbundenheit zeigen.
Dieser Stimme zu folgen, dieses sich stellen, dieses dem Mangel nachgehen zieht aber häufig auch mehr oder
weniger starke Veränderungen im Leben nach sich und davor möchten viele ausweichen, weil Veränderung
unbequem ist und Angst macht und immer auch mit Schmerz durch Abschied nehmen verbunden ist.

Gerade auch hier ist Haraarbeit sehr wertvoll. Einerseits natürlich, um gerade diese Bewegung in Gang zu brin-
gen, zumindest aber zu unterstützen. Andererseits aber auch, um dem Menschen Vertrauen und Zutrauen zu
geben, ins Leben und in sich selbst. Auch Mut zu geben, Schritte zu wagen grosse und kleine.

Nun können und sollten wir unseren Klienten nicht zwangsläufig die Bedeutung von Hara und die Notwendig-
keit von Haraarbeit beschreiben. Jedoch kann gute Arbeit am Hara den Klienten zu gewissen Fragen hinführen
oder auch einen ,Schleier‘ im Leben lüften.

Für Saul Goodman, Begründer von Shintai, ist die Arbeit am Hara eine der „grössten Möglichkeiten, zu helfen
eine Veränderung zu machen.“17 Restriktionen im Hara bedeuten für ihn immer auch Einschränkungen der Be-
wegungsfähigkeit des Körpers und im Kreislauf, aber auch gebundene Lebensenergie. Diese in Bewegung zu
bringen ist, meinem Verständnis nach, unsere Aufgabe als Shiatsu-Therapeuten.

In diesem Kapitel werde ich nun erst eher allgemeine Techniken beschreiben, gehe dann mehr auf punktbezo-
gene Arbeit ein, um mich dann zum Abschluss den strukturellen Techniken zuzuwenden.

16 Dürckheim, S. 108
17 im Gespräch mit dem Verfasser

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                              20
Allgemeine Techniken

Sammeltechnik
     • Die Technik kann mit Handfläche, Fingerspitzen oder Daumen ausgeführt werden.

     • Ausgangsposition linke Hand (Mutterhand): unterhalb rechtem Rippenbogen des Klienten

     • Die rechte Hand sinkt entlang dem Hararand an verschiedenen Positionen ein und bewegt sich dabei
       Richtung linkem Beckenkamm.

     • Da angekommen bleibt die rechte Hand stationär (wird also zur Mutterhand) und die linke Hand bewegt
       sich analog Richtung rechtem Rippenbogen.

Wellen- und/oder Kreistechnik
     • Beide Hände bewegen sich Wellenförmig (Welle = vom Handgelenk zu den Fingerspitzen) quer zum
       Hara (von rechts nach links und zurück) und bewegen dabei das Hara mit.

     • Analog kann auch eine kreisförmige Bewegung gemacht werden.

Nabel-Kreisen
     • Die Hände bilden einen Halbkugel über dem Nabel und werden relativ schnell kreisförmig um den Nabel
       bewegt (die Hände bleiben dabei an einem Ort, der Kreis beschreibt sich durch den Punkt des Druckes).

Pumpen des unteren Haras
Dabei wird die eine Hand gleich cranial des Schambeines platziert (Handballen; die Fingerspitzen weisen zum
Kopf), die zweite Hand kann als Mutterhand positioniert werden.

Für die Ausführung dieser Technik gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

     • Ausatmen - Einsinken - Druck ruckartig nachlassen - Einatmen

     • Einatmen - Atem anhalten, mehrere Male mit der Hand ,pumpen‘ - Ausatmen

     • Wirkung: 18
       Bewusstsein unteres Hara, Atmung, Kreislauf

Hüftrotation
     • Ein Bein bzw. beide Beine gleichzeitig werden rotiert

     • Wirkung:
       Zeigt Kyo-/Jitsu-Bereiche der Hüfte bzw. des unteren Haras

SIAS-Rocking
     • Über dem Klienten stehend werden die Hände auf den SIAS positioniert und abwechslungsweise rechts-
       links Druck geben. Dabei auf den Slack achten, sowie den Rhythmus des Klienten.

     • Wirkung:
       Aktivieren des unteren Haras sowie der Hüften

18 Hier wird in erster Linie die Wirkung auf den physischen Körper beschrieben, gleichzeitig haben die Techniken natürlich

auch eine Wirkung nach den Wandlungsphasen, also energetisch.

Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                                        21
Dickdarm-Massage
    • Der Dickdarm wird in seinem Verlauf, beginnen auf der absteigenden Seite (links) massiert

    • Dabei kann der Dickdarm selbst bewegt werden (transversal) oder auch punktuell bzw. mit streichenden
       Techniken gearbeitet werden.

    • Wirkung:
       regt die Peristaltik an, fördert die Verdauung

Kreislauf
    • In Seitenlage jeweils Leber bzw. Milz wie ein Schwamm zusammenpressen und Druck dann ruckartig
       lösen

    • Wirkung:
      Aktiviert Kreislauf, fördert Funktion der Leber bzw. Milz

Punktuelle Techniken
Grundsätzlich können drei Arten unterschieden werden, wie Punkte behandelt werden können:

    • Halten: Einsinken in den Punkt bis zum Widerstand, warten bis die Spannung sich löst (Switch)

    • Halten & massieren: Der Punkt wird am Widerstand sanft massiert

    • Blockiertes Ki entfernen: Mit kleinen Kreisen in den Punkt einsinken, am tiefsten Punkt schwungvoll die
       Finger bzw. den Daumen entfernen mit der Vorstellung, das stagnierte Ki wegzuschleudern

Die folgenden Techniken können nach diesen drei Methoden angewandt werden:

Vier-Linien-Technik
Entlang vier Linien einsinken, jeweils parallel

Wirkung:
Löst Stagnationen, tonisiert Kyo-Zonen, fördert Hara-Bewusstsein

Rippenbogen
Entlang Rippenbogen mit Daumen einsinken, für mehrere Atemzyklen halten

Wirkung:
Löst Stagnationen im Zwerchfell, verbessert tiefe Atmung, verbessert Verbindung zwischen Oberkörper und
Hara/Unterkörper

Lumbalregion
Punkte im Lumbalbereich werden behandelt:

    • Jeweils 3, 4 bzw. 5 cun lateral der Wirbelsäule

    • Beginnend kaudal der 12. Rippe in ca. 45° Winkel

    • Wirkung:
       tonisiert bzw. sediert die Punkte bzw. die Lumbalzone

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Hüftgelenk
    • Entlang dem Hüftgelenk einsinken

    • Evt. kann dabei das Bein leicht rotiert werden (Schmerz ist weniger dominant und gewisse Punkte kön-
         nen tiefer berührt werden)

    • Wirkung:
         tonisiert bzw. sediert die Punkte, löst (muskuläre) Spannungen

Leiste
Knie des Klienten anwinkeln und mit der anderen Hand tief in die Leiste einsinken.

Wirkung:
ermöglicht, die Leistengegend tief zu berühren, was bei gestrecktem Bein nur schwer möglich ist.

Strukturelle Techniken
Die Faszien sind das Gewebe, in dem sich, nach aktuellem Stand der Forschung, die Meridiane fortbewegen. Sie
umspannen den ganzen Körper eines Menschen und bilden eine Netzartige Einheit. Insofern kann eine Behand-
lung viel Bewegung im Klienten auslösen. Dabei kann schon durch die bewusste Lagerung der Klientin Raum
geschaffen und eine gewisse Ausrichtung unterstützt werden.

Rippenkasten
    • Beim Kopf des Klienten sitzend wird mit den Fingerspitzen beider Hände unter den Rippenbogen ,ge-
      griffen‘ und dieser ganz leicht angehoben (Faszienberührung). Dabei die Vorstellung gehalten, Raum zu
         schaffen.

    • Wirkung:
         Angebracht bei Klienten, die sagen ,nicht genährt zu sein‘ bzw. sich weigern genährt zu werden

Psoas-Unwinding
Hierbei handelt es sich nicht um eine ,reine‘ Faszientechnik, da mit einem Muskel gearbeitet wird. Jedoch ist die
Berührungsqualität die selbe wie bei der Faszienarbeit.

    • Test: Armlänge in Rückenlage: Kürzere Seite ist von Interesse

    • Das Bein der kürzeren Seite (Armlänge) wird angewinkelt, mit der Hand lateral-kaudal des Bauchnabels
      (3 - 4 cun lateral, 3 cun kaudal) einsinken.

    • Das Bein blockieren und den Klienten auffordern, das Bein Richtung Brust zu ziehen. Dabei sollte unter
         der Hand am Hara Spannung spürbar werden, da diese Bewegung vom M. Psoas ausgeführt wird.Ist dies
         nicht der Fall, muss die Hand anders positioniert werden.

    • Das Bein der Klientin entspannen lassen und auf ein Kissen oder das eigene Knie ablegen. Die zweite
      Hand kann evt. die erste Hand in der Berührung unterstützen.

    • Den Kontakt mit leichtem Druck für mehrere Atemzyklen halten und allfällig spürbaren Bewegungen
         folgen.

    • Wirkung:
         Löst Spannung im M. Psoas

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Schambeinausrichtung
      • Evt. Test: Höhe der beiden Schambeinkannten prüfen

      • Die Füsse des Klienten bei aufgestellten Beinen zusammenbringen und mit den eigenen Knien blockie-
        ren.

      • Den Unterarm zwischen die Knie bringen, so dass die Knie blockiert sind durch den Ellenbogen bzw. die
        Hand.

      • Zwei Möglichkeiten:

          a) Einatmen - Atem anhalten, mit 100% Kraft die Knie 3 - 4 Sekunden zusammendrücken - Ausatmen

          b) Einatmen - Atem anhalten, mit 20% Kraft die Knie zusammendrücken - Ausatmen - Wiederholen

      • Wirkung:
        Gleicht die Spannung der zusammenarbeitenden Beckenmuskeln aus.

SIAS-Ausrichtung (Torsion)
Bei einer Torsion des Beckens, welche zu einem höheren SIAS und einem ,längeren‘ Bein auf der gleichen Seite
(posteriore Torsion der Hüfte) führt kann folgende Technik ausgeführt werden:

      • Das Bein der entsprechenden Seite wird angewinkelt und beim Knöchel auf bzw. leicht über das andere
        Knie gelegt (evt. mit einem dünnen Kissen als Polster)

      • Die eine Hand wird als Mutterhand am Hara positioniert, die andere mit leichtem Druck auf das Knie
        gelegt.

Bringt die Technik keine Verbesserung liegt eine anteriore Torsion der anderen Hüfte vor, welche mit folgen-
der Technik behandelt werden kann:

      • Das Bein wird angewinkelt und mit der Hand wird der Fuss leicht nach lateral ,gezogen‘, mit der Intenti-
        on das Hüftgelenk zu rotieren. Der Klient sollte dabei eine leichte Spannung auf der lateralen Seite des
        Beines spüren.

SIAS-Ausrichtung (Beinlänge)
Ist das Bein auf der Seite des höheren SIAS kürzer, liegt die Spannung nicht im Hüftgelenk vor, sondern weiter
oben im Körper. Hier ist eher eine Dehnung der Körperseite angebracht:

      • In Seitenlage (höheres SIAS liegt oben) werden die Hände mit leichtem Druck (Faszienkontakt) auf den
        Brustkasten bzw. das SIAS gelegt. Diese Position wird über mehrere Atemzyklen gehalten und allfälligen
        Bewegungen kann gefolgt werden.

Neben den Wirkungen dieser konkreten Techniken eignet sich Haraarbeit insbesondere auch für die Integrati-
on, da das Hara die Verbindung zur Erde darstellt.

ERFAHRUNGSBERICHT ALS SHIATSU-PRAKTIZIERENDER
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Ari Byland • ari@aarau-shiatsu.ch • ISS Schweiz                                                                24
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