Eg? - Lehren aus dem Bildungswesen für den außerschulischen Bereich - r k - Landesjugendring Hamburg
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Zeitschrift für verbandliche Jugendarbeit in Hamburg Kom p e t e nz o s d da e rk Ist ann das we g ? Lehren aus dem Bildungs wesen für den außerschulischen Bereic h 1/21
HausTicker Inhalt Aus Blau wird Vintage. Der »Blaue Saal«, der Kommentar seit Jahrzehnten bei Jugendverbänden beliebte Tagungssaal auf dem Stintfang, firmiert nunmehr 3 Hamburg braucht ein Beteiligungsgesetz unter dem Namen Vintage-Saal. Die weit wichti- Von Fatih Ayanoğlu, LJR-Vorsitzender gere Nachricht ist jedoch : Diesen 170 qm großen Saal können Jugendverbände nun zu vergünstig- Titelthema ten Konditionen mieten. Nachdem wir an dieser Ist das Kompetenz oder kann das weg? Stelle in der vorletzten punktum-Ausgabe über Lehren aus dem Bildungswesen für den das Ende der kostenfreien Saalnutzung für Ju- außerschulischen Bereich gendverbände und die hohen Mietpreise (500 € pro Tag / 150 € pro Stunde) berichteten, haben das Landesjugendamt und der LJR den Kontakt zum 4 Ist das Kompetenz oder kann das weg? Vermieter, der Stintfang gUG, aufgenommen und Oder : Vor welchem Irrsinn aus dem auf eine Sonderregelung für Jugendverbände ge- Bildungswesen die Reform der Juleica drungen. Mit Erfolg : Auf 100 € beläuft sich nun die zu bewahren wäre Saalmiete für einen Tag, pro Stunde werden 30 € Von Hans Peter Klein, Frankfurt a. M. fällig, ab der zweiten Mietstunde fällt der Satz auf 20 €, ab der vierten auf 10 €. Eine sehr erfreuliche Entwicklung, die es Jugendverbänden erlaubt, Vielfalt! Jugendarbeit den Saal weiterhin zu nutzen. Gänzlich kosten- freie Räumlichkeiten – allerdings kleiner als der 10 Was läuft? Was nicht? Was anders? Saal auf dem Stintfang – bietet weiterhin der Lan- Jugendverbandsarbeit in Hamburg unter desjugendring im Haus für Jugendverbände in der Pandemiebedingungen – Ergebnisse einer Güntherstraße an. Ebenfalls kostenfrei können LJR-Umfrage Jugendverbände einen großen Hörsaal und einen Von Fatih Ayanoğlu und Jürgen Garbers, Seminarraum im neu geschaffenen Haus des En- Landesjugendring Hamburg gagements nutzen, das im Museum für Hambur- gische Geschichte untergebracht ist. Die Nutzung 14 Dächer, die die Welt bedeuten aller Räumlichkeiten ist während der Pandemie Serie WirkungsStätten : Skaten und mehr zum Teil nur eingeschränkt oder gar nicht mög- bei der Sportjugend der TSG Bergedorf lich. Bitte direkt erfragen. Die Kontaktadressen : Von Oliver Trier, Hamburg • Haus des Engagements im Museum für Hamburgische Geschichte | Holstenwall 24 | Nachrichten 20355 Hamburg | T. : (040) 428 132 507 | sabrina.twele@mhg.shmh.de 19 U18-Bundestagswahl Jungen Menschen am 17. September 2021 eine Stimme geben 19 Erinnerungskultur in Hamburg : Wird das denk.mal Hannoverscher Bahnhof zum internationalen Skandal? • Vintage-Saal im Jukz | Alfred-Wegener-Weg 3 Impressum | 20459 Hamburg | www.jukz-am-stintfang.de/ punktum ist die vierteljährliche Publikation des Landesjugendringes Hamburg e. V. Die Redaktion behält es sich vor, Beiträge zu kürzen. raumvermietung Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Autors, aber nicht unbedingt die Meinung des Vorstandes wieder. Redaktion : Jürgen Garbers (jg) Layout und Gestaltung: Rebekka Posselt Fotos : (soweit nicht namentlich angegeben) Jürgen Garbers (LJR). V.i.S.d.P. : Fatih Ayanoğlu c/o LJR, Güntherstraße 34, 22087 Hamburg. Preis im Mitgliedsbeitrag inbegriffen. Verlag: Landesjugendring Hamburg e.V.; Güntherstr. 34, 22087 Hamburg; Tel.: (040) 31 79 61 14; Fax: (040) 31 79 61 80; info@ljr-hh.de; www.ljr-hh.de. Auflage : 2.200 Exemplare punktum wird gefördert mit Mitteln der Freien und Hansestadt Hamburg, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration. Druck : eurodruck, Schnackenburgallee 158, 22525 Hamburg; gedruckt auf umweltfreundlichem Papier. punktum. 1/21 2
Kommentar Hamburg braucht ein Beteiligungsgesetz Die Corona-Pandemie und die notwendigen Maßnahmen zu ihrer Eindäm- Beteiligung und Repräsentation von Kindern und Jugendlichen in politi- mung haben massive Auswirkungen auf den Alltag von Kindern und Jugendli- schen Entscheidungsprozessen ein bedeutender und dringender Schritt. Wir chen. Die Belastungen durch die Kontaktbeschränkungen, den Lockdown und brauchen vielfältige und krisenfeste Wege, in denen Kinder und Jugendli- das Homeschooling sind mittlerweile in mehreren Studien eindeutig nachge- che direkt oder über Schulen, die Offene Kinder- und Jugendarbeit oder die wiesen. Von den politischen Entscheider*innen wurde diese besondere Last Jugendverbände ihre Interessen artikulieren und politische Entscheidungen für Kinder und Jugendliche zwar frühzeitig erkannt und wiederholt betont, beeinflussen können. dass ihre Belange mit besonderer Rücksicht behandelt würden. Jedoch ha- In unseren Wahlprüfsteinen zur letzten Bürgerschaftswahl (punktum 1/2020) ben sie junge Menschen dabei in erster Linie als Schüler*innen und Kita- haben wir den Parteien die Frage gestellt, wie sie die Beteiligung von jun- Kinder in den Blick genommen. Ihre Bedürfnisse, die über die Beschulung gen Menschen in Hamburg stärken und ausbauen wollen. Ob Jugendbeteili- und Betreuung hinausgehen, werden selten wahrgenommen und diskutiert. gungsgesetz, Jugendmitwirkungsgesetz, ein Jugend-Panel oder eine Ände- Vor allem aber werden junge Menschen kaum in die Entscheidungsfindung rung des Bezirksverwaltungsgesetzes – die Parteien haben unterschiedliche eingebunden : Es wird über sie gesprochen – aber nicht mit ihnen. Seit Beginn Ideen dafür. Auch auf Bundesebene gibt es mit der geplanten Verankerung der Pandemie wird es in Hamburg als nicht relevant bewertet, ob Kinder und der Kinderrechte im Grundgesetz, der Stärkung des Jugend-Checks oder ei- Jugendliche die Möglichkeit haben, die Gestaltung der Krisenpolitik mitzu- ner möglichen Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre verschiedene politische bestimmen. Als Landesjugendring fordern wir daher weiterhin die Schaffung Initiativen in diesem Feld. Jetzt, wo die Coronapandemie die bisherigen Leer- eines Expertengremiums, dem junge Menschen angehören und in dem die stellen unübersehbar freigelegt hat, muss es darum gehen, aus diesen Ideen Eindämmungsmaßnahmen beraten werden. gemeinsam mit jungen Menschen praxistaugliche Lösungen zu entwickeln, Die Pandemie hat deutlich gezeigt, wie schwach das erklärte Ziel einer ei- die die Jugendbeteiligung nachhaltig stärken. Als Landesjugendring wer- genständigen Jugendpolitik – in der die Lebensphase Jugend als Ganzes im den wir die Entwicklungen – gerade Mittelpunkt steht, an deren Gestaltung junge Menschen beteiligt werden und auch mit Blick auf die anstehende die ressortübergreifend formuliert wird – strukturell verankert ist. Die kom- Bundestagswahl im September – menden Monaten, in denen ein Ende der Pandemie in Sicht kommen wird, aufmerksam verfolgen und fordern, sollten wir daher nicht nur dafür nutzen, um über kurzfristige Maßnahmen dass aus den Ideen endlich Gesetze zu sprechen, mit denen die Entbehrungen von Kindern und Jugendlichen werden. aufgefangen werden könnten. Wir sollten sie ebenso zum Anlass nehmen, um darüber zu sprechen, wie wir die Mitwirkung der jüngeren Generationen an politischen Entscheidungen besser als bisher strukturell verankern kön- nen. Angesichts der offensichtlichen politischen Unterrepräsentation junger Menschen und einer zunehmend alternden Gesellschaft wäre die verbindliche Von Fatih Ayanoğlu, LJR-Vorsitzender punktum. 1/21 3
Titel Ist das Kompetenz oder kann das weg? Ist das Kompetenz oder kann das weg? Oder : Vor welchem Irrsinn aus dem Bildungswesen die Reform der Juleica zu bewahren wäre Von Hans Peter Klein, Frankfurt a. M. Kompetenzbegriffes im Bildungswesen – auch des Begriffes mache die Schüler in allen ausgewie- als Mahnung, seiner modischen Verwendung in senen Kompetenzbereichen kompetenter. Auf den Seit Beginn des Bolognaprozesses im Jahre außerschulischen Bildungsbereichen entgegen berechtigten Einwand der Lehrerinnen und Lehrer 1999 und der ersten PISA-Studie von 2000 zu treten. hin, dass die neuen Kerncurricula ausschließlich hat ein Begriff im deutschen Bildungswesen Kompetenzbeschreibungen enthielten, mit denen einen fulminanten Aufstieg zu verzeichnen Schon bei diagonalem Lesen der heute in allen 16 man fachlich nicht unterrichten könne, behielten wie kaum ein anderer vor ihm : Kompetenz. In Bundesländern geltenden Kerncurricula für die die bisherigen fachstrukturierten Lehrpläne zu- den Lehrplänen der Schulen und Hochschulen Schulen ist nicht zu übersehen, dass fast auf al- mindest in Hessen nach wie vor ihre Gültigkeit. nimmt die sogenannte Kompetenzorientierung len Seiten dem Kompetenzbegriff in nahezu allen In Nordrhein-Westfalen wurden die Lehrerkonfe- eine Schlüsselstelle ein. Doch was bedeutet die beliebigen Zusammenhängen eine große Bedeu- renzen dazu verdonnert, zur neuen Kerncurricula Wende vom bisherigen »Input« der fachstruk- tung beigemessen wird (vgl. Hessisches Kerncur- in jeder Schule selbst einen schulinternen fachli- turierten Lehrpläne hin zum messbaren »Out- riculum 2011). Die Autoren dieser Schriften in chen Begleitplan zu erstellen, was diesen natür- put« von Schülerleistungen in Form von Kompe- den Kultusministerien scheinen der festen Über- lich große Freude bereitete. Als hätten sie nichts tenzen? Ein kritischer Blick auf die Karriere des zeugung zu sein, allein die vielfältige Benutzung Besseres zu tun … punktum. 1/21 4
Alter Wein in neuen Schläuchen? Demnach scheint allein die Benutzung des Wortes Auch die Hochschulen ließen sich in der Nachfolge »Kompetenz« dem Nutzer eine gewisse Professio- Über den Autor der Bologna-Vorgaben nicht lumpen und verfass- nalität zukommen zu lassen, wie dies auch in den ten alle Studiengänge nach dem gleichen Schema fast täglichen politischen Talkshows leicht nach- (vgl. Modulhandbuch Biologie 2011). Interessant zuvollziehen ist. Widersprüche oder Nachfragen dabei ist, dass selbst für die meisten Hochschul- sind dabei nicht zu erwarten, da der Begriff nun lehrer die Entstehung, die Herleitung, die Be- mal vielfältig interpretiert werden kann. Wie soll deutung und das pädagogische Ziel dieses Para- man auch einen Pudding an die Wand nageln! Au- digmenwechsels hin zur Kompetenzorientierung gust Gloi-Hänsle stellt in seinem kompetenzana- mehr als nebulös war und ist – und das nicht nur in lytischen Diskurs gleich mehrere Gemeinsamkei- den Naturwissenschaften. Das Wort »Kompetenz« ten des Begriffes der Kompetenz fest (Gloi-Hänsle klingt halt gut und man hat halt ganz pragmatisch 2016, 318f) : entsprechend der Vorgaben diese durch professi- »1. Kompetenzen breiten sich ungehindert und onell klingende Kompetenzformulierungen in rasend schnell aus. den Modulbeschreibungen erfüllt. Dabei handelt 2. Kompetenzen sind einseitig und vielseitig Hans Peter Klein war bis 2018 Lehrstuhlinha- es sich um nichts Anderes als das, was die Studie- zugleich. ber für Didaktik der Biowissenschaften an der renden am Ende der Veranstaltungen wissen und 3. Sie können alles oder nichts, Inkompetenz oder Goethe Universität Frankfurt, ist Mitbegrün- können sollten. Für viele an der Basis Beteiligte etwas Anderes bedeuten. der der Gesellschaft für Bildung und Wissen ist es daher nichts Anderes als alter Wein in neuen Daraus folgt : und Präsident der Gesellschaft für Didaktik der Schläuchen. 1. Sie können nie falsch sein. Biowissenschaften. 2. Jeder kann sie jederzeit und überall einsetzen. Letzte Buchpublikationen : Abitur und Bache- Was versteht man nun konkret unter 3. Deshalb liegt man mit ihnen immer richtig, hat lor für alle – wie ein Land seine Zukunft ver- Kompetenz im Bildungswesen? sich nach vorn gebracht und ist gut aufgestellt.« spielt, Springe 2019 | Vom Streifenhörnchen Beschäftigt man sich näher mit der Thematik, zum Nadelstreifen. Das deutsche Bildungswe- erkennt man schnell, dass eigentlich etwas ganz Die Vermessung des Bildungswesens und seine sen im Kompetenztaumel; Springe 2016 Anderes mit diesem Paradigmenwechsel bewirkt Folgen Info : www.prof-klein.eu werden sollte. Dazu ist es zuerst einmal wichtig Was haben nun die PISA-Studien (Programme for zu klären, was man denn überhaupt unter dem International Student Assessment) – beginnend Begriff der »Kompetenz« versteht. Beim Blick in 2000 – und der Bologna-Prozess (1999) für in Wikipedia erfährt man, dass der Begriff vom die Hochschulen damit zu tun und warum wird Schon in den 90er Jahren schloss man sich den lateinischen Wort »competentia« abzuleiten ist, dem Begriff der Kompetenzorientierung von sei- Machern der damals noch wenig beachteten was nach Wikipedia so viel wie »Eignung« heißt. nen Protagonisten eine derart herausragende TIMS-Studien (Trends in International Mathema- (Wikipedia, Kompetenz) Im Folgenden wird man Bedeutung im Bildungswesen beigemessen? Bis tics and Science Study) aus dem angloamerika- darüber belehrt, dass der Begriff in jeweils an- ungefähr zur Jahrtausendwende waren die Er- nischen Raum an, die sich mit Schülerleistungen deren Zusammenhängen durchaus unterschied- ziehungswissenschaften die Königsdisziplin an in Mathematik befassten. Schon damals belegte liche Bedeutung haben kann. In der Psychologie deutschen Universitäten, die sich mit Bildung in Deutschland nur unterdurchschnittliche Plätze verstehe man unter Kompetenz »Fähigkeiten all ihren Facetten beschäftigten. Diskussionen um in den aufgestellten Rankings. Höhepunkt der und Fertigkeiten allgemein«, in der Pädago- die Wahrheitsfindung stellten aber auch hier den Entwicklung war die PISA-Studie von 2000, de- gik kämen noch Problemlösungen hinzu. In der Kern der Wissenschaft dar. Dies sollte sich ab dem ren Ergebnisse ähnlich denen eines Tsunami die Linguistik bedeute er »Sprachwissen, im Unter- Millennium nun ganz entscheidend ändern. deutsche Bildungslandschaft überrollten. Charak- schied zum Sprachkönnen«, was allerdings mit Der OECD war immer schon das nicht ökonomisch teristisch für alle derartigen Studien ist das Auf- der heutzutage gängigen Fachdidaktik sicher- ausgerichtete Bildungswesen im deutschspra- stellen von abschließenden Rankings, aus denen lich kaum in Einklang steht. In der Organisati- chigen Raum ein Dorn im Auge. »Furthermore, in Analogie zur Bundesligatabelle man dann den on sind nach Wikipedia eher die »Berechtigun- the traditional German non-economic guiding jeweiligen Platz im Vergleich zu den beteiligten gen und Pflichten einer bestimmten Stelle oder principle of education stands in contrast to the Ländern erkennen kann. In den USA hat diese Art Person« gemeint. Bei Behörden, Gerichten und orientational framework of the OECD« (Niemann von Bildungsmonitoring eine lange Tradition, im anderen Organisationen bedeute »Kompetenz« 2010 : 3). Von dieser Entwicklung profitierte eine deutschsprachigen Raum war sie bis zur Jahrtau- schlichtweg »Zuständigkeit«, sicherlich die am Disziplin, die sich vorher eher im Dornröschen- sendwende weitgehend unbekannt. häufigsten dem Begriff zugewiesene Bedeutung schaf befand und geradezu von der OECD wach- Aufgrund des schlechten Abschneidens von in der Öffentlichkeit. »Kompetenz« in der Natur- geküsst wurde. Die empirische Bildungsforschung Deutschland sowohl in Mathematik, den Natur- wissenschaft sei auf Bakterien anzuwenden und unterscheidet sich dabei fundamental von den wissenschaften und der Lesekompetenz brach in bedeute »die Fähigkeit von Zellen, außerhalb klassischen Erziehungswissenschaften. Die in ihr den zuständigen deutschen Bildungsinstitutio- der Zelle vorliegende DNA aufzunehmen« (ebd.). tätigen Wissenschaftler, allesamt Pädagogische nen eine wahre Panik aus. Man beauftragte ein Weiterhin weist Wikipedia auf eine Anzahl wei- Psychologen, glauben nämlich, dass nur mathe- Konsortium aus Wissenschaftlern, um geeignete terer kaum zu überblickender und keineswegs matisch exakte psychometrische Vermessungen Maßnahmen zu ergreifen mit dem Ziel, diesem vollständiger »Links« hin, mit denen man zu den die Bildungsleistungen erfassen und defizitäre Frevel entgegen zu treten und bei weiteren Studi- unterschiedlichsten Kompetenzzentren gelangt. Entwicklungen aufzeigen könne. Ein kontinuierli- en einen besseren Platz im Ranking zu erreichen. Zur Kompetenz findet man in Alfred Schirlbaues ches Bildungsmonitoring sei daher unerlässlich. Interessanterweise saßen in diesem Gremium Ultimativem Wörterbuch der Pädagogik die lapi- Diskussionen dazu seien überflüssig, denn nur in erster Linie die Vertreter derjenigen empiri- dare Erklärung : »Das ist praktisch alles«. (Schirl- aufgrund konkreter Daten könne man das Bil- schen Bildungsforschung, die schon führend an bauer 2016 : 61) dungswesen in die gewünschte Richtung steuern. den TIMS-Studien und der ersten PISA-Studie punktum. 1/21 5
Titel Ist das Kompetenz oder kann das weg? maßgeblich beteiligt waren. Man war also bezüg- Länder in ganz Deutschland einfließen sollte. Be- Individuen verfügbaren oder durch sie erlernba- lich der Neukonzeption des deutschen Bildungs- wusst hatte man sich für diesen Weg der Top down- ren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um wesens sozusagen unter sich. Verordnung entschieden, um eine breit angelegte bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit 2003 erschien dann die nach einem ihrer zent- und zeitraubende Diskussion aller Beteiligten von verbundenen motivationalen, volitionalen und ralen Beteiligten benannte »Klieme-Expertise« vornherein auszuschließen. sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die (Klieme et al. 2003). Auf knapp dreihundert Sei- Problemlösungen in variablen Situationen erfolg- ten wurde hier ein neues Konzept vorgestellt, Bildungsstandards und reich und verantwortungsvoll nutzen zu können.« das ein Jahr später in den Bildungsstandards der Kompetenzorientierung In welchem Verhältnis stehen nun Bildungs- Das zentrale Element der Bildungsstandards ist standards und Kompetenzen zueinander? In der die Kompetenzorientierung, welche die bisherige Klieme-Expertise lesen wir dazu (Klieme et al. Zentrierung des Unterrichts auf die Vermittlung 2003 : 19) : »Bildungsstandards legen fest, welche von Fachwissen ablösen sollte. In Deutschland Kompetenzen die Kinder oder Jugendlichen bis zu würde zu viel Bedeutung auf das Wissen gelegt, einer bestimmten Jahrgangsstufe erreicht haben die Schüler könnten es aber nicht anwenden, wie müssen. Die Kompetenzen werden so konkret be- die PISA-Studie 2000 eindeutig gezeigt habe. In- schrieben, dass sie in Aufgabenstellungen umge- sofern brachte man auch einen Teil der Reform- setzt und prinzipiell mit Hilfe von Testverfahren pädagogik hinter sich, die eine Vermittlung von erfasst werden können […].« Fachwissen schon immer für die Ursache allen Insofern ist auch der Unterschied zwischen Kern- Übels hielt. Wohl der vielen unterschiedlichen curricula und den bisherigen Lehrplänen leicht Definitionen von »Kompetenz« bewusst, ent- zu verstehen. Bildungsstandards beschreiben in schied man sich für die Definition von Weinert Form outputorientierter Kompetenzbeschreibun- als Grundlage der neuen Offensive. Demnach gen die zu erwartenden Schülerleistungen. Die sind Kompetenzen (Weinert 2001 : 27f.) »die bei bisherigen inputorientierten Lehrpläne hingegen beschrieben die fachstrukturierten Lerninhalte. Schon allein die Weinertsche Definition von Kompetenz stieß besonders innerhalb der Erzie- hungswissenschaften auf breite Kritik. Roland Reichenbach von der ETH Zürich stellte fest, dass die Grundlage der Kompetenzorientierung eine wissenschaftliche nicht akzeptable Definition sei (Reichenbach 2012 : 10) : »Doch eine solche offensichtliche Überfrachtung eines Konzeptes kann theoretisch nicht überzeugen – wiewohl sie offensichtlich politisch (immer noch) überzeugt. Es bleibt erstaunlich, wie die Weinertsche Defini- tion, die sozusagen sämtliche Aspekte menschli- chen Handelns, Denkens und Fühlens verbinden will, aus irgend einer wissenschaftlichen, theo- retischen und/oder empirischen Perspektive hat ernst genommen werden können!« Der Erziehungswis- senschaftler Volker Ladenthin bezeich- nete die Kompetenz- orientierung als Indiz pädagogischer Orien- tierungslosigkeit (vgl. Ladenthin 2012). An- dreas Gruschka stellte auch deren Herkunft klar : »Kompetenzorien- tierung ist nicht eine Er- findung von Pädagogen, sondern von der OECD in Paris.« (Gruschka 2018 : 28) Ökonomisierung der Bildung Ein weiteres zentrales Argu- ment gegen die Kompeten- zorientierung und die neuen punktum. 1/21 6
Bildungsstandards ist daher ihr offensichtlicher Nach dem »scientific literacy«-Konzept liegt dann geworden zu sein. Und die deutsche Bildungspo- Utilitarismus im Rahmen einer neoliberalen Öko- folgerichtig der Schwerpunkt – wie übrigens bei litik feiert diese entpersonalisierte Unbildung als nomisierung. Seit der Jahrtausendwende tauch- PISA, TIMSS und anderen Studien auch – auf Le- das digitalisierte Bildungsmodell der Zukunft! Na ten in unmittelbarem Zusammenhang Schlag- sekompetenz, Mathematik und den Naturwissen- dann, gute Nacht! worte auf, die bisher im Bereich der Bildung im schaften. Alle anderen Fächer, insbesondere geis- Festzuhalten bleibt : Google weiß gar nichts! In deutschsprachigen Raum nahezu unbekannt teswissenschaftliche, musische und künstlerische Google findet man lediglich vielfältige Informati- waren und dem neoliberalen Gedankengut ent- Fächer, haben seither mit mehr oder weniger gro- onen, von denen man oftmals nicht einmal weiß, stammen : Wissensgesellschaft, lebenslanges ßen Berechtigungsproblemen zu kämpfen. wer denn ihre Autoren sind. Hinzu kommt die Un- Lernen, Humankapital, Effizienz, Output-Orien- Schon im Vorwort zu seinem Buch Philosophie gewissheit über die Richtigkeit der sich oftmals tierung, Bildungsstandards, Kompetenzorien- einer humanen Bildung kritisiert der Philosoph widersprechenden Angaben. Um daraus Wissen zu tierung, Schlüsselqualifikationen, Autonomie, Nida-Rümelin, dass »employability« keine kul- generieren und die kaum zu überblickende Anzahl Wettbewerb, Entstaatlichung, Privatisierung, turelle Leitidee sei – sondern nicht mehr als ein von unterschiedlichsten Informationen zu filtern, Ausschöpfen der Begabungsressourcen und »em- Notanker (vgl. Nida-Rümelin 2013 : 12). Schon benötigt man erst einmal ein grundlegendes Vor- ployability« u.a. (vgl. Krautz 2007 : 112ff). Dabei die Inhaltsbeschreibung des Buches von Ver- wissen. Ansonsten wird man zum Spielball der ist der Outcome entscheidend. Die Vorgaben dazu lagsseite aus fasst die Kritik an den neuen Kon- selbst in Wikipedia keineswegs immer neutralen stammen von der Weltbank und der OECD : »An ori- zepten pointiert zusammen : »Aber eine Bildung, Informationen. Auch hier toben nicht zu unter- entation toward outcomes means that priorities die den Menschen nur ›fit für‹ etwas machen will, schätzende Grabenkämpfe um die Meinungsho- in education are determined through economic die nicht nach seinen Interessen und Talenten heit zwischen den Autoren für Wikipedia. Gegen analysis, standard setting, and measurement of fragt, wird nicht einmal den gewünschten Markt- Zahlung von vierstelligen Summen bieten einige the attainment of standards« (World Bank 1995 : erfolg bringen« (ebd.). Der Philosoph Konrad ihre Tätigkeit feil und versprechen, die inhalt- 94). Letzteres bedeutet nun nichts anderes, als Liessmann kritisierte in seinem Buch Theorie der liche Füllung entsprechend den Wünschen der die nachwachsende Generation für den Arbeits- Unbildung insbesondere die vermeintliche Be- Auftraggeber zu gestalten. Gerade heutzutage markt in einer globalisierten Welt fit zu machen. deutungslosigkeit von Wissen seitens der OECD kommt dem Erkennen von Fake-News daher eine Diese Form der Ökonomisierung ist mittlerweile (Liessmann 2006). Es lohne sich in der heutigen enorm große Bedeutung zu. Aktuell wird dies in in viele Lebens- und Arbeitsbereiche eingezogen Zeit nicht mehr, veraltetes Wissen sich anzueig- der Corona-Pandemie mehr als deutlich. Das ak- und längst nicht nur das Bildungswesen unter- nen, da es sich ständig ändere, hört man aus der tuelle Impfchaos und der Streit um die richtige liegt derzeit diesem ökonomischen Druck. Dabei OECD-Bildungszentrale in Paris immer wieder Strategie – letzterer wissenschaftlich durchaus wird die Bildung selbst einer ökonomischen Logik aufs Neue. »Google weiß alles« ist ein bekannter normal – zeigen, wie sehr man eine Bevölkerung unterworfen. Spruch des OECD-Managers Andreas Schleicher durch sich widersprechende Informationen verun- Gegen diese Ökonomisierung der Bildung gab (Welt am Sonntag 2014). Vielmehr komme es auf sichern kann. Wie sagte doch ein Kollege damals es schon frühzeitig vehemente Kritik. Der Er- die »21st century skills« an, so der PISA-Chef auf schon in Zusammenhang mit der Kompetenzein- ziehungswissenschaftler Andreas Gruschka rief der Tagung des Nationalen Bildungsforums in führung und der Entsachlichung der Kerncurricu- schon 2005 zu den viel beachteten »Frankfurter Wittenberg (Tagesspiegel 2020). Aber selbst dort la : »Bürger mit ›gefühltem Wissen‹ sind wesent- Einsprüchen gegen die Ökonomisierung der Bil- stieß er innerhalb des Forums auf Widerstand. lich leichter mit Worthülsen manipulierbar« (Klein dung« auf, in denen über dreihundert Wissen- Der Bildungswissenschaftler Olaf Köller hält nur 2016 : 139). schaftler ihre deutliche Kritik an den beschlosse- wenig von den OECD-Vorgaben. Es gebe genü- Auch in der Wirtschaft selbst gab es keine un- nen Maßnahmen in einer Art Manifest äußerten. gend bestehende Konzepte, um die Anforderun- eingeschränkte Unterstützung der bildungsöko- Die zentrale Aussage »Das Bildungswesen ist kein gen des 21. Jahrhunderts bewältigen zu können, nomischen Ausrichtung des neuen kompetenz- Wirtschaftsbetrieb« hat bis heute an seiner Gül- und Köller verwies in diesem Zusammenhang auf orientierten Konzepts. Eberhard von Kuenheim, tigkeit nichts eingebüßt (vgl. Frost 2006). Die Wilhelm von Humboldt (ebd.). Allerdings hat ehemaliger BMW-Vorsitzender und Vorstand der 2010 in Köln gegründete Gesellschaft für Bildung kein Land der Erde sich jedoch freiwillig so weit gleichnamigen Stiftung, betonte in seinem be- und Wissen setzt die Tradition der Frankfurter Ein- von den allgemeinbildenden Gedanken eines merkenswerten FAZ-Artikel Wider die Ökonomi- sprüche fort. In einem Interview mit Axel Göhring Wilhelm von Humboldt entfernt wie Deutsch- sierung der Bildung ausdrücklich, dass ein enger von der WirtschaftsWoche zog Jochen Krautz ei- land, so der niederschmetternde Kommentar der Utilitarismus in Bildungsfragen nur von geringem nen offensichtlichen Vergleich : »Junge Menschen beiden britischen und amerikanischen Kollegen Nutzen sei : »Die – vorgeblich durch Zwänge der werden wie Maschinen betrachtet, die ein Investi- Christopher Young und Hans Ulrich Gumbrecht im Wirtschaft erforderliche – Ökonomisierung der tionsgut sind und deren Bildung Kapital abwerfen Artikel Eine deutsche akademische Königsklasse? Bildung ist der falsche Weg. Indizien belegen, soll. Schulen sind dann Fabriken zur Herstellung (FAZ, 2012). Auch die deutschen Hochschu- dass eben sie die Schäden verursacht, die man solchen Humankapitals und Lehrer haben dies len sind von der Entwicklung betroffen. Gerade beklagt« (v. Kuenheim 2011). Er spricht sich in nach festgesetzten Standards zu produzieren. Das durch die Bachelorisierung ist ein Bulimielernen diesem Beitrag ausdrücklich gegen den »Wahn ist antihumanistisch und undemokratisch« (Wirt- in einem nie für möglich gehaltenen Ausmaß der Kennzahlen« aus (ebd.) : »Eine der Wurzeln schaftsWoche 2016). in Mode gekommen, das sich durch die digitali- der Ökonomisierung aller Lebensbereiche liegt Nur Wissen, das anwendbar und ökonomisch sierten Online-Angebote für zuhause in Corona- in dem Messbarkeitswahn, der sich allgemein und verwertbar ist, macht nach diesem neoliberalen Zeiten noch weiter verschärft hat. Denn diese auf breiter Ebene durchgesetzt hat und der auch Konzept Sinn. Da im Rahmen der Ökonomisierung bestehen nicht nur in den Naturwissenschaften unser Bildungswesen beherrscht. Fatalerweise der Bildung den Naturwissenschaften und der teils aus nichts anderem als aus überstellten und fälschlicherweise sieht man Wirtschaft als Mathematik – den MINT-Fächern – eine beson- Foliensätzen in vierstelliger Anzahl pro Modul Synonym für Quantifizierbarkeit […] Der Wahn, ders tragende Rolle bezüglich ihres Nutzens in (Klein 2018 : 127ff.). Diese müssen dann von den alles und jedes in Kennzahlen pressen zu wollen, der Entwicklung neuer Produkte in einer globali- Studierenden für die Modulabschlussklausuren verkennt die Wirklichkeit und kann trügerische sierten Welt zugestanden wird, stehen sie neben völlig sinnfrei auswendig gelernt werden. Ein Sicherheit verleihen mit der Folge gravierender der Lesekompetenz im Zentrum der Vermessung. tiefes Verständnis für die Inhalte scheint obsolet Fehlentwicklungen.« punktum. 1/21 7
Titel Ist das Kompetenz oder kann das weg? Kompetenzmodelle – der heilige Gral der erfassen. Die Frage ist auch, wie vermessen es enthalten sich aber der Diskussion um dessen Be- empirischen Bildungsforschung ist zu glauben, man könne alle Gedankengänge deutung. So als sei die Form neutral, so als sei es Wie bereits erwähnt wurde, ist die exakte Ver- in den entsprechenden Gehirnregionen mathe- eine Frage der richtigen Operationalisierung, dass messung von Schülerleistungen durch statisti- matisch exakt erfassen. Was will man mit dieser mittels Kompetenztests Bildung gemessen werde. sche und mathematisch abgesicherte Verfahren ständigen Vermessung eigentlich bezwecken? Schaut man sich den Unterricht in den verschie- die Grundlage des neuen Bildungsmonitorings. Vom vielen Wiegen wird die Sau nicht fetter, densten Klassenstufen einmal näher an, fällt Oberstes Ziel der empirischen Bildungsforschung heißt es zurecht im Volksmund. Ein Grund ist einem sofort auf, dass häufig die oben erwähn- ist es nämlich, das Gelernte zu vermessen und das zweifelsfrei, dass die unterschiedlichsten Bil- ten fachunabhängigen Schlüsselkompetenzen, Ganze auf einer Zahlenskala abzubilden, um ein dungsstudien Geld in die Kassen der empirischen wie vor allem die Präsentation, im Mittelpunkt Ranking erstellen zu können. Dazu sind Kompe- Bildungsforschung spülen. Dies ist im Rahmen stehen. Andreas Gruschka spricht daher vom tenzmodelle unabdingbare Voraussetzung. Der der Drittmitteleinwerbung für Professorinnen Präsentieren als neuer Unterrichtsform (Grusch- Mathematikdidaktiker Wolfram Meyerhöfer bringt und Professoren heutzutage von grundlegender ka 2008). Es komme nicht mehr auf die Inhalte, es allgemein verständlich auf den Punkt (Meyer- Bedeutung. sondern auf die adressatengerechte Präsentation höfer 2013 : 7) : »Bei Kompetenzstufenmodellen Der Versuch, Bildung zu standardisieren, gilt an. In vielen Bundesländern ist sie mittlerweile handelt es sich um Versuche, die Resultate der zudem in den USA als längst gescheitert. Diane Teil der Abiturprüfung. Vor allem der Siegeszug Empirischen Bildungsforschung als relevant er- Ravitch, die große Dame des US-amerikanischen der Power-Point-Präsentation zeigt, dass deren scheinen zu lassen : Wenn deutsche Schüler bei Bildungswesens, die schon die Bush-Administra- multifunktionale Beherrschung als oberstes einem internationalen Schultest 63% der Auf- tionen beraten hatte, kommt in ihrem Urteil über Lernziel ausgewiesen wird. Die Inhalte kommen gaben korrekt ankreuzen, finnische Schüler aber die zahlreichen Tests auf Landes- und Bundesstaa- dabei oft unter die Räder oder sind nur von se- 66%, dann sieht man, dass der Unterschied gering tenebene zu einem vernichtenden Urteil. Ihren kundärem Interesse. Gruschka kritisiert die Ent- ist. Deshalb werden diese Tests mit Skalen verse- Buchtitel »The death and life of the great Ameri- sachlichung durch Kompetenzorientierung gene- hen, die kleine Unterschiede groß erscheinen can School System. How tests and Choice are un- rell (Gruschka 2016). Konrad Liessmann spricht lässt. Deutschland hat dann vielleicht 495 Punkte dermining education« muss man nicht übersetzen in diesem Zusammenhang von »Geisterstunden« (leider nur ›Mittelmaß‹!), Finnland hingegen 533 (Ravitch 2010). Selbst das sicherlich gut gemein- und von der »Praxis der Unbildung« (Liessmann Punkte (olala, ›Spitzengruppe‹!).« te Gesetz No Child left behind gilt mittlerweile als 2014). Klein konnte dazu in einer Untersuchung Wie Meyerhöfer fortfährt, bedeuten diese Zahlen komplett gescheitert. Lehrer griffen zum Chea- zeigen, dass bei den nach den Prinzipien der rein gar nichts. Niemand außer den Beteiligten ting, um die schlechten Leistungen ihrer Schüler Kompetenzorientierung erstellten Zentralab- weiß, wie viele Aufgaben denn die finnischen in den standardisierten Tests zu frisieren. Nur da- iturprüfungen im Fach Biologie in erster Linie Schülerinnen und Schüler gegenüber den deut- durch ließen sich Bildungserfolge vermelden. Der Lesekompetenz ausreicht, um selbst Leistungs- schen mehr richtig beantwortet haben. Außerdem im Ranking erreichte Platz entschied nämlich über kursaufgaben problemlos lösen zu können. Fach- kann man die Skalen beliebig strecken, um kleine die Vergabe von Fördermitteln. 2009 erschütterte wissen ist dazu weitgehend nicht erforderlich Unterschiede ganz groß erscheinen zu lassen, be- der von Atlanta ausgehende Betrugsskandal die (Klein 2016 : 15ff). Klein hatte Neuntklässler an tont Meyerhöfer (ebd.). Der Ausweg aus dem Di- ganze USA (Severson 2011). Dennoch wird auch eine Leistungskursarbeit zum Thema : Wie wirken lemma sind eben Kompetenzmodelle, die immer hier weiter getestet. Der Einfluss der Testindus- sich Mastjahre und Parasiten auf Nagetierpopula- auch Kompetenzstufenmodelle sein müssen, um trie mit Milliardenumsätzen pro Jahr ist nicht zu tionen aus? gesetzt und fast alle waren imstande, exakt nachzuweisen, auf welcher Kompetenzstufe unterschätzen. Bei den kompetenzorientierten den Erwartungshorizont angemessen zu erfüllen, denn die Schülerinnen und Schüler stehen. Diese PISA-Testverfahren sind Tricksereien ebenfalls ohne dass die Inhalte zuvor unterrichtet worden werden mit Zahlen versehen und die Ergebnisse in längst bekannt. Länder lassen lernschwache waren. Grund ist die Gestaltung der umfangrei- Skalen zusammengefasst. Die Kompetenzstufen- Schüler erst gar nicht teilnehmen, andere steigern chen Textaufgaben, die nahezu alle Antworten modelle sollen ›die Skala zum Sprechen bringen‹, mit verschiedenen Anreizen die nicht gerade gro- bereits enthalten. Lesekomptenz reicht nicht nur d. h. sie sollen die Illusion erwecken, dass man ße Motivation, sich bei Ausfüllung der Testbögen bei dieser Zentralabituraufgabe weitgehend aus, aus Testpunktwerten inhaltliche Aussagen ab- mehr Mühe zu geben. um den Erwartungshorizont zu erfüllen. Auch leiten kann. Dazu macht man eine Liste, auf der die beigestellten Grafiken waren aus den bei- die Aufgaben nach Lösungshäufigkeit geordnet Kompetenzorientierung und Entsachlichung gestellten Texten selbst für Neuntklässler leicht sind. Diese Liste unterteilt man nun in gleich gro- Im bildungsökonomischen Zusammenhang auszuwerten (ebd.). Aber auch die Fachmathe- ße Abschnitte. Wenn die leichteste Aufgabe von spielen die von der OECD und der EU den Mit- matiker an den Hochschulen beschwerten sich 85% der Schüler gelöst wird, die schwerste aber gliedsstaaten empfohlenen Förderungen der zunehmend über derartige Kompetenz-Aufgaben nur von 10% der Schüler, dann kann man 5 Stu- fachunabhängigen Schlüsselkompetenzen und beklagten unisono große Wissenslücken bei fen festlegen, die jeweils 15 Prozentpunkte ›breit‹ ebenfalls eine zentrale Rolle. Diese oft auch den Studienanfängern. Mit Mathematik hätten sind (ebd.). als Soft Skills bezeichneten fachunabhängigen die nach dem gleichen Muster gestrickten Aufga- Die Auffüllung der Kompetenzstufen mit ent- Kompetenzen werden nun nach diesem Konzept ben kaum etwas zu tun, die Anwendungsbezüge sprechenden Aufgaben, die eben eine konkrete für die Wirtschaft für weitaus wichtiger ange- seien zudem teilweise irreal und an den Haaren Kompetenzstufe nachweisen sollen, ist nur durch sehen als eine Allgemeinbildung oder ein fun- herbeigezogen (Jahnke et al. 2014 : 115 ff). Die Aufgaben zu erreichen, die nur eine Lösung er- diertes Fachwissen. Die Vermessung von Kom- Mathematiker Bandelt und Wiechmann sprechen möglichen. Daher sind auch rund 70% der PISA- petenzen fördert diese unheilvolle Entwicklung in dem Zusammenhang auch von »Mathematik- Aufgaben Multiple-Choice-Testaufgaben. Diese (Pollmann 2016 : 3). outsourcing durch Kompetenzorientierung« weisen in erster Linie dann auch Lesekompetenz Das Modell psychometrischer Bildungsforschung (Bandelt und Wiechmann 2017). Statt mathe- und keinesfalls Fachwissen nach, wie oben schon als Messung von Kompetenzen beruht dagegen matisches Verständnis nachzuweisen, denke hier erwähnt. Fragen, die mehrere oder unvorherge- auf der Trennung von Form und Inhalt : Die be- nur noch der Taschenrechner (Bandelt und Mat- sehene kreative Lösungen ermöglichen, sind treffenden Forscher erklären sich nur zuständig schull 2016 : 11). Als »von allen guten Geistern jedenfalls mit Kompetenzstufenodellen nicht zu für die Messbarmachung von Vorgegebenem, verlassen« bezeichnete der Fachdidaktiker Erich punktum. 1/21 8
Wittmann die Fehlentwicklung des Bildungssys- und Lehrer ebenso mit Erfolg praktiziert). Es für Bildung und Forschung : Zur Entwicklung nationaler Bildungsstan- tems in einem Beitrag in Profil am Beispiel der liegen genügend aktuelle und gut durchdachte dards. Eine Expertise. Bonn, Berlin : BMBF 2003, 224 S. - (Bildungsfor- Mathematik (Wittmann 2014). Die von ihren Be- inhaltliche Füllungen der entsprechenden Aus- schung; 1) - URN : urn :nbn :de :0111-pedocs-209019. fürwortern als alternativlos ausgewiesene Kom- bildungsziele vor. Zum Schluss sei noch die Krautz, J. (2007) : Ware Bildung. Schule und Universität unter dem petenzorientierung springt als Tiger und landet Einschätzung der Lage von Christoph Türcke Diktat der Bildungsökonomie. München : Diederichs. als Bettvorleger. empfohlen, der in einem viel beachteten Artikel von Kuehnheim, Eberhard (2011) : Wider die Ökonomisierung der Wie das Lernen sein Gewicht verliert in der Süd- Bildung. FAZ 87, S N5, 13.04. Frankfurt. Kompetenzorientierung in der Ausbildung der deutschen Zeitung schrieb : »Bildung ist nicht Ladenthin, V. (2011) : Kompetenzorientierung als Indiz pädagogischer Jugendleiterinnen und Jugendleiter? nur etwas anderes als Kompetenz, sondern de- Orientierungslosigkeit. In : Profil Nr. 9, 1-6. Die seit nunmehr knapp 20 Jahren praktizierte ren Gegenteil. Denn wer gebildet ist, der kann Meyerhöfer, Wolfram (2013) Empirische Gewissheit gibt es nicht. In. Kompetenzorientierung im gesamten Bildungs- etwas, wer aber Kompetenzen zu besitzen be- FAZ v. 27.09.2013, Frankfurt. wesen hat bisher niemanden tatsächlich »kom- hauptet, der verfügt nur über leere Hüllen« Michler, Inga : »Strebsamkeit allein reicht nicht«. In : Welt am petenter« werden lassen. Ganz im Gegenteil hat (Türcke 2012 : 12). Sonntag, Nr. 14, 6. April 2014, S. 37 (Online [abgerufen am 7. Februar sie zu einer kontinuierlichen Abwärtsspirale ins- 2018]). www.welt.de/wirtschaft/karriere/bildung/article126665460/ besondere in den fachlichen Leistungen geführt. Nur-Strebsamkeit-reicht-nicht-fuer-Spitzenleistungen.html. Darüber können auch immer mehr und immer Quellen Modulhandbuch Bachelor Biowissenschaften (2011) : Fachbereich bessere Abschlüsse selbst im Abitur nicht hin- Bandelt, Hans Jürgen und Matschull, Hans Jürgen (2016) : Denken Biowissenschaften, Goethe Universität Frankfurt. wegtäuschen. Dies sollte für außerschulische Bil- darf hier nur der Taschenrechner. In : FAZ, 28.05 Nr. 122. Nida-Rümelin, Julian (2013) : Philosophie einer humanen Bildung. dungsbereiche Mahnung genug sein. Zumal wenn Bandelt, Hans-Jürgen / Wiechnmann, Ralf (2017) : Mathematikout- Edition Körber-Stiftung, Hamburg. entsprechende Curricula dort gut aufgestellt sind. sourcing durch Kompetenzorientierung. Journal für Didaktik der Niemann, D. (2010) : Changing Patterns in German Education Policy Dies gilt für die Juleica (Jugendleiterinnen- und Naturwissenschaften und der Mathematik (P/S), Vol.1, pp. 35-48. Making – The Impact of International Organizations. TranState Working Jugendleitercard), die jungen Menschen in den Begegnung (2018) : »Kompetenzorientierung ist nicht eine Erfindung Papers No. 99. Sfb 597 »Staatlichkeit im Wandel« − »Transformations Jugendverbänden sowohl Ausbildung als auch von Pädagogen, sondern von der OECD in Paris. Andreas Gruschka im of the State«, Bremen. ehrenamtliches Engagement bescheinigt. Eine Interview mit Stefany Krath, – Deutsche schulische Arbeit im Ausland, Pollmann, Marion (2016) : Marion Pollmanns Zur Kritik der Kompeten- bundeseinheitliche Vereinbarung regelt den Rah- Heft 1. zorientierung. men u.a. von Ausbildungsinhalten und Ausgabe- Burchardt, Amory (2020) : »Erst kommt die Kür, dann die Pflicht«. Manuskript des Eröffnungsreferats des 4. Zukunftsforum Lehrer_in- kriterien der Card, länderspezifische Regelungen Warum setzt Deutschland die für den Erfolg bei Pisa maßgeblichen nenbildung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft »Kompetenz beschreiben die Mindeststandards für die Inhalte 21st Century Skills nicht um? Darüber diskutierte das Nationale ohne Erkenntnis? Lernen und Lehren im Referendariat in Zeiten der der Ausbildung von Jugendleiterinnen und Ju- Bildungsforum in Wittenberg. www.tagesspiegel.de/wissen/ Standardorientierung« Bremen / 29.09. www.gew.de/index.php?eID= gendleitern eingehender. Zudem haben die Lan- diskussion-ueber-bildungsideale-der-oecd-erst-kommt-die-pflicht- dumpFile&t=f&f=49472&token=469664e656b0ad95be4e6973319f6ac desjugendringe vielfach Handbücher aufgelegt, dann-die-kuer/26196812.html. 1b0c0e383&sdownload=&n=Prof._Marion_Pollmanns_Kritik_an_der_ die bis ins Detail für eine inhaltliche Füllung der Frost, Ursula (Hrsg.) (2006) : Unternehmen Bildung. Die Frankfurter Kompetenzorientierung_29_09_2016.pdf. Ausbildungsstandards sorgen. Das Feld erscheint Einsprüche und kontroverse Positionen zur aktuellen Bildungsreform. Ravitch, D. (2010) : The Death and Life of the Great American School also gut aufgestellt. Gleichwohl stehen im laufen- Vierteljahreszeitschrift für wissenschaftliche Pädagogik. Sonderheft System : How Tests and Choice are Undermining Education. Basic den Reformprozess der Juleica auch deren Quali- 2006, 82, Paderborn u.a. : Schöningh, 212 S. Books, New York. tätsstandards auf dem Prüfstand, und die Ver- Gloi-Hänsle, August : Was bringt und der Komeptenzbegriff? In : Klein, Reichenbach, Roland : Editorial. Bildungsreform und Reformkritik suchung besteht, diese nach modischem Muster Hans Peter (2016) Vom Streifenhörnchen zum Nadelstreifen. Das - Einleitende Bemerkungen - In : Schweizerische Zeitschrift für anderer Bildungsbereiche als Kompetenzorientie- deutsche Bildungswesen im Kompetenztaumel. ZuKlampen, Springe. Bildungswissenschaften 34 (2012) 1, S. 5-12. rung umzuschreiben. Dafür steht ein kursierender Gruschka, Andreas (2016) : Entsachlichung. Wie man die Sache der Severson, Kim (2011) : Systematic cheating is found in Atlanta´s Vorschlag zur »Kompetenzorientierung Juleica«, Pädagogik zum Verschwinden bringt zum Zweck ihrer Kolonisierung. School System. In : New York Times, 05.07.2011, New York. der sich u.a. auf den oben erwähnten Weinert- In : Pädagogische Korrespondenz, Heft 53, S. 47-57. Schirlbauer, Alfred (2015) : Ultimatives Wörterbuch der Pädagogik. schen Begriff der Kompetenz stützt. Entsprechend Gruschka, A. (2008) : Präsentieren als neue Unterrichtsform. Die Diabolische Betrachtungen. (2. Aufl.) Wien. lauten die Vorgaben für die Umsetzung der Kom- pädagogische Eigenlogik einer Methode. Opladen/Farmington Hills : Türcke, C. (2012) : Wie das Lernen sein Gewicht verliert. In : Süddeut- petenzorientierung in der Juleica-Schulung u.a. : Budrich. sche Zeitung Nr. 176. • »Die einzelnen Kompetenzen müssen für die Hessisches Kultusministerium : Bildungsstandards und Inhaltsfelder Weinert, F. (2002). Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – Eine Juleica-Schulung mit geeigneten Methoden Das neue Kerncurriculum für Hessen Sekundarstufe I – Gymnasium umstrittene Selbstverständlichkeit. In : Weinert, F. (Hrsg.) : Leistungs- vermittelt werden.« 1-58 2011. messung in Schulen. 2., unveränderte Auflage, Beltz : Weinheim, • »Klärung der Kompetenztiefe, die erforderlich Jahnke, Thomas / Klein, Hans Peter / Kühnel,Wolfgang / Sonar, Basel, 17-31. ist.« Thomas / Spindler, Markus : Die Hamburger Abituraufgaben im Fach Wikipedia : Kompetenz, https ://de.wikipedia.org/wiki/Kompetenz. • »Gestaltung der Juleica-Schulung als in sich Mathematik – Entwicklung von 2005 bis 2013, Mitteilungen der Wirtschaftswoche vom 16. Februar 2016 : Ökonomisierung der Bildung abgestimmte Schulung, in der sich die Kompe- Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV) 22 (2014), 115–121. »Junge Menschen werden wie Maschinen behandelt«. Jochen Krautz tenzen ergänzen und nicht aneinandergereiht Klein, Hans Peter (2010) : Die neue Kompetenzorientierung. In : im Interview mit Axel Göhring. www.wiwo.de/erfolg/hochschule/ werden.« Journal für Didaktik der Biowissenschaften (F) 1, 1-8. oekonomisierung-der-bildung-junge-menschen-werden-wie-maschinen- Hier scheint man immer noch nichts von der Klein, Hans Peter (2016) : Vom Streifenhörnchen zum Nadelstreifen. behandelt/12965326.html. grundlegenden Kritik an der Kompetenzorien- Das deutsche Bildungswesen im Kompetenztaumel. Zu Klampen, Wittmann, Erich Ch. (2014) : Von allen guten Geistern verlassen. tierung gehört zu haben oder ignoriert sie ein- Springe. Fehlentwicklungen des Bildungssystems am Beispiel der Mathematik. fach. Sollte es zu dieser unsinnigen und völlig Klein, Hans Peter (2018) : Abitur und Bachelor für alle. Wie ein Land Profil, Nr. 6, Düsseldorf. überflüssigen Umsetzung kommen, kann man seine Zukunft verspielt. Zu Klampen, Springe. World Bank Review (1995) : Priorities and Strategies for Education. den Verantwortlichen an der Basis nur raten, Klieme, Eckhard; Avenarius, Hermann; Blum, Werner; Döbrich, Peter; Published by Washington, DC : the World Bank. die drohenden kompetenzorientierten Vorga- Gruber, Hans; Prenzel, Manfred; Reiss, Kristina; Riquarts, Kurt; Rost, Young, C. / Gumbrecht, H. U. (2012) : Eine deutsche »akademische ben zu ignorieren (das haben viele Lehrerinnen Jürgen; Tenorth, Heinz-Elmar; Vollmer, Helmut J.; Bundesministerium Königsklasse«? In : Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 153, N5. punktum. 1/21 9
Vielfalt! Jugendarbeit Was läuft? Was nicht? Was anders? Jugendverbandsarbeit in Hamburg unter Pandemiebedingungen – Ergebnisse einer LJR-Umfrage Von Fatih Ayanoğlu und Jürgen Garbers, Hamburg auf die Pandemiebedingungen einge- die befragten Delegierten der Jugendverbände Landesjugendring Hamburg stellt haben. Und zur Erinnerung : Die letzten überaus zuversichtlich : 47 % stimmen dem voll- Eindämmungsverordnungen des Hamburger ends zu, 43 % weitgehend, nur 10 % zweifeln, ob Der Landesjugendring Hamburg bietet seinen Senates aus 2020 und 2021 haben Jugendver- die Angebote der Jugendverbandsarbeit helfen Mitgliedern während der Coronapandemie die bandsarbeit ausdrücklich vom in weiten Teilen könnten. Doch wie sehen diese Angebote zur Zeit Möglichkeit zum Austausch über aktuelle Ent- geltenden Lockdown ausgenommen und unter aus? wicklungen und deren Herausforderungen für dem Vorbehalt strenger Hygieneregeln für mög- die Jugendverbandsarbeit. In digitalen Mee- lich erklärt. Wie sind die Hamburger Jugend- Was läuft? Was Jugendverbände unter Pandemie- tings werden Erfahrungen ausgetauscht, Pro- verbände damit umgegangen? Die wichtigsten bedingungen aktuell in Hamburg anbieten, zeigt bleme diskutiert, Lösungen gesucht und konst- Ergebnisse der Umfrage werden nachfolgend das Schaubild 1. Dabei sind interessante Ver- ruktive Forderungen an Politik und Verwaltung dokumentiert. schiebungen zum »normalen« Jugendverband- formuliert. Damit nicht genug. Eine Umfrage salltag bemerkenswert. Die beliebtesten und für zum letzten Treffen im Februar gibt Einblick Nicht überraschend. Die nun schon lange wäh- Mitglieder erfahrungsreichsten Aktivitäten wie über die laufenden Aktivitäten trotz und mit rende Pandemie lastet auf den Gemütern nicht Freizeiten oder Wochenendfahrten sind weit- der Pandemie. nur junger Menschen. Bei der Umfrage erklären gehend zum Erliegen gekommen oder finden im 67 % der Befragten, dass die Coronopandemie geringen Umfang nur vereinzelt statt. Immerhin Eins vorweg. Die nachfolgenden Umfrageer- als sehr belastend und 33 % als belastend von finden Gruppentreffen zu 13 % »wie immer« und gebnisse sind nicht repräsentativ für die Akti- Kindern und Jugendlichen empfunden wird. Vor zu 47 % »vereinzelt« statt. Ebenfalls bemerkens- vitäten Hamburger Jugendverbände unter Pan- allem fehle der soziale Kontakt mit Freunden und wert ist, dass Ausbildungen zum/r Jugendleiter/ demiebedingungen. Die Online-Umfrage mit Gleichaltrigen, die Gemeinschaft und das Mitein- in und Bildungsseminare mit zusammengerech- 13 Fragen richtete sich an Delegierte der Mit- ander. Darunter leiden Zuversicht und Zukunfts- net 68 % resp. 86 % »wie immer« resp. »verein- gliedsverbände im Landesjugendring und wurde perspektiven. Beklagt wird, dass durch das Fehlen zelt« stattfinden. Dies zeigt, dass die Hamburger von 30 Akteuren beantwortet. Da die im LJR zu- von Freiräumen und elternfreier Zeit Jugendliche Jugendverbände auch in der Pandemie ihrem sammengeschlossenen Jugendverbände (ein- und Kinder das Gefühl haben, weniger »gehört außerschulischen Bildungsauftrag nachkom- schließlich ihrer eigenen Untergliederungen) und gesehen« zu werden. Zudem fehlen vielen ru- men. Und sie funktionieren auch weiterhin als die großen und wirkungsmächtigen Akteure in hige Orte zum Lernen beim Homeschooling. Auf demokratische Organisationen trotz der Krise : der Szene abbilden, sind die Ergebnisse der Um- die Frage, ob Jugendverbände einen wertvollen Vorstandsitzungen finden größtenteils regulär frage aber zumindest als deutlicher Fingerzeig Beitrag leisten können, die Folgen der Pandemie und Mitgliederversammlungen immerhin zu 50 % dafür zu verstehen, wie sich Jugendverbände in für junge Menschen abzumildern, zeigen sich »wie immer« statt. Schaubild 1 : Folgende Aktivitäten finden bei uns im Jugendverband zurzeit statt … Gruppentreffen 13 % 47 % 40 % Wie immer 14 % 54 % 32 % Vereinzelt Juleica-Schulungen Gar nicht Wochenendfahrten 7% 90 % Freizeiten 7% 17 % 76 % Bildungsseminare 17 % 69 % 14 % Vorstandssitzungen 75 % 21 % – 4% Mitgliederversammlungen 50 % 13 % 19 % Sonstige 19 % 62 % 19 % 0 20 40 60 80 100 Häufigkeit in % punktum. 1/21 10
Schaubild 2 : Unsere Aktivitäten finden überwiegend in folgender Form statt … 100 97 % 80 Häufigkeit in % 60 40 20 0% 3% 0 Online in Präsenz Hybrid Aber wie findet das trotz Pandemie vielfältige Andererseits zeigt dieser verantwortungsvolle zu erhalten und damit Mitgliedern den Raum Jugendverbandsleben statt? Schaubild 2 gibt Umgang zur Kontaktminimierung unter Pande- zur Begegnung oder zur Ausbildung zu erhalten, eine eindeutige Antwort. Zu 97 % sind alle oben miebedingungen auch, dass eben »wirkliche« sind bemerkenswert. Schaubild 3 gibt dazu einen genannten Aktivitäten in den virtuellen Raum Freiräume für junge Menschen jenseits von Schule Überblick. eingewandert, nur 3 % finden als hybride Ver- und Elternhaus weggefallen sind. Ein digitales Al- anstaltungen statt. Das zeigt zum einen, dass es ternativangebot ist freilich besser als nichts. Und Was fehlt? Trotz aller Bemühungen um die Fort- den Hamburger Jugendverbänden weitgehend ge- die kreativen Lösungen, von denen die befragten setzung der Aktivitäten sind Jugendverbände lungen ist, notgedrungen ihre Angebote und das Delegierten berichten, um eben Juleica-Schulun- von der Pandemie in ihrer Organisationsent- demokratische Verbandsleben zu »digitalisieren«. gen oder Gruppenstunden am virtuellen Leben wicklung negativ betroffen. Schaubild 4 zeigt Schaubild 3 : Wir haben folgende Alternativangebote erfolgreich umgesetzt : Angebote per Post Angebote im Freien Vielfältige Online-Formate Gruppenstunden, Schulungen, Freizeiten, Podcasts, Vollversammlungen, Videos, Filme Spieleabende, Weihnachtsfeiern Gruppentreffen mit Hygienekonzept punktum. 1/21 11
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