Eigentümlich frei - Roland Baader
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2 0 Kino: Die vierte Macht ef 120: Roland Baader. Erst Waffenregister, dann Raub? E10 und Korruption. Zukunft der FDP. Revolte in Italien. März 2012 15. Jg. Nr. 120 EUR 8,50 ISSN 1617-5336 Stil: Langsame Lektüre www.ef-magazin.de 4 1 9 5473 5 0850 7 eigentümlich frei Erinnerungen an Roland Baader Über Geld, Gold, Gottspieler – und einen Menschen Zukunft der FDP Die totgeschwiegene Revolte Die unterschätzte Bedeutung der Basis Forconi: Steuerzahler in Italien machen mobil Erst erfasst, dann beraubt? Treibstoff wie geschmiert Schusswaffenregistrierung nach EU-Richtlinie Klüngel und Korruption bei der E10-Einführung ef März 2012 1
LICHTSCHLAG BUCHVERLAG Vorbote einer neuen Epoche präsentiert: David Schah: Ayn Rand Dieses Buch bietet einen anregenden Einblick in den spannenden Lebens- lauf der Philosophin Ayn Rand. 180 Seiten, 19,90 Euro. 2 eigentümlich frei Nr. 120
und Roland groß. Ende der 80er muss Diese frühe Erkenntnis nahm in den Editorial das Unternehmen abgewickelt werden. Roland kann sich nun ganz seiner schrift- letzten Jahren seines Lebens einen immer größeren Stellenwert ein. Einer von André F. Lichtschlag stellerischen Passion widmen. Dann seiner letzten Aphorismen lautete: „Das wird Uta schwer krank. Kurz nach dem größte Unglück in der Menschheitsge- Keiner in Deutschland hat mehr für die Tod der über alles geliebten Ehefrau schichte? Das Staatsmonopol für das Ideenwelt getan, der auch diese Zeit- ergreift der Krebs auch ihn. Er schreibt Geldangebot. Alle anderen Desaster schrift verpflichtet ist. Roland Baader in den letzten 13, zeitweise von Schmer- sind Folgen davon.“ war der wichtigste Freiheitsautor in zen und Chemotherapien geprägten, In ef Nr. 2 beantwortete ich vor Deutschland. Am 8. Januar ist er mit Jahren noch zehn Bücher und unzähli- 14 Jahren einmal selbst den hauseige- 71 Jahren nach langer, schwerer Krank- ge Aufsätze. Aus dem wilden Jimmy nen Fragebogen und nannte meinen heit verstorben. Zehntausenden, und später dem von Uta kultivierten Lieblingsautor: Roland Baader. Er ist es vielleicht Hunderttausend Menschen hat Unternehmer war am Ende der „Re- bis heute geblieben. Deshalb sei mir die er die Augen geöffnet, hat lange und voluzzer in Hosenträgern“ geworden, Anmerkung erlaubt: Wer einen breiter unermüdlich vor der Wirtschafts- und der schwer kranke und doch immer hei- aufgestellten, optimistischeren, humor- Finanzkrise gewarnt, die gerade erst tere Sultan des Swings von Kirrlach. vollen Roland Baader lesen möchte, begonnen hat. Nur wenigen seiner oft Möglich wurde dieses Heft durch dem seien seine frühen Bücher empfoh- begeisterten Leser war es vergönnt, die Unterstützung von vielen Verwand- len: „Kreide für den Wolf“ und „Fau- Roland Baader auch persönlich kennen- ten und Freunden. Insbesondere seine ler Zauber“ schrieb Roland in einem an- zulernen. Die, die wie ich dieses Glück Kinder halfen auch in Details. So erin- deren Haus, einer anderen Bibliothek, hatten, waren sich immer einig in ihrem nerte sich Sohn Rio an den Lieblings- gesund, zu einer Zeit, als seine Frau Uta Urteil, dass man diesen bescheidenen, film seines Vaters, den wir für die Kri- noch lebte. Man spürt das. nachdenklichen und doch lebensfrohen tik auswählten. Und selbst die letzte Seite Deutlich „schwerer“ klingt sein letz- Menschen nur lieben kann. Wer vom dieses Heftes haben wir einem Ab- tes Interview, das wir ebenfalls in die- Autor Baader spricht, kann vom Men- schiedsgruß von Roland Baader zu ver- sem Heft exklusiv publizieren dürfen, schen Roland gar nicht schweigen. danken, der seinem Sohn Daniel mit auf weil der eigentliche Auftraggeber „die- Er war von Beginn an ein beson- den Weg gab, „André Lichtschlag vor- se Apokalypse“ lieber nicht drucken derer Freund und Förderer dieser Zeit- zuschlagen, doch einmal die hübsche wollte. Im Internet sind noch zwei ganz schrift. Keinen Hinweis über die vielen, Kolumnistin des ‚Schweizer Monats’ besondere Fundstücke aufgetaucht; ein oft verschlungenen Wege zu ef haben um Antworten für den ef-Fragebogen älteres sechsteiliges Radiointerview – wir häufiger gehört als: „Ich bin durch zu bitten“. „Streiflichter des Lebens“ – sowie auf Roland Baaders Bücher auf Sie auf- Aufgrund des außerordentlichen Youtube ein neueres Video mit dem merksam geworden.“ Bereits in der al- Schwerpunkts fallen in diesem Monat von Krankheit schon schwer gezeich- lerersten Ausgabe im Frühjahr 1998 einige Kolumnen aus. Dafür bitte ich neten Roland Baader unter dem Titel wies unser späterer Redaktionsbeirat auch jene Leser um Verständnis, die auf „Schlussendlich werden sie alle fallen“. darauf hin, wie wichtig eine christlich- den ersten Blick wenig mit Roland Baa- Und schließlich: Wir selbst arbeiten mit konservative Erdung für libertäre Frei- der anfangen können. Ich hoffe, dass Hochdruck an einer erweiterten Neu- heitsträume ist. Auch für die weitere wir gerade sie mit dem tieferen Einblick auflage des Aphorismenbandes „Frei- Entwicklung dieser seiner Lieblingszeit- in ein ungewöhnliches Menschenleben heitsfunken“, das auch ein kurz vor sei- schrift erwies sich Roland Baader da- neugierig machen können. nem Tod eigens vom Autor selbst zu- mit als „Prophet“. Am Ende bleibt uns allen Baaders sammengestelltes Gesamtwerkverzeich- Mit der vor Ihnen liegenden Aus- Schaffen, vor allem die Bücher im nis enthalten soll. Mehr hierzu hoffentlich gabe nehmen wir Abschied von einem Resch-Verlag. Viele Autoren verweisen bereits in der nächsten Ausgabe. Titanen. Nervös wie zuletzt 120 Hefte auf Baaders Spätwerk, insbesondere Bis dahin, Sie wissen schon ... zuvor ist mir bewusst, dass wir Roland auf die Titel „Geld, Gold und Gott- Baader doch allenfalls im Ansatz gerecht spieler“ sowie „Geldsozialismus“. Be- werden können. Schauen wir auf die reist 1987 hatte Baader die Leser seines Stationen seines Lebens: Zunächst die heute längst vergriffenen Erstlingswerks Kindheit in Kirrlach und Westfalen, die „Anlage 2000“ auf die Bedeutung von Jugend und das Studium bei Friedrich Hayeks Idee der „Entnationalisierung August von Hayek in Freiburg. Roland des Geldes“ hingewiesen und geraten, gilt als verwegener „Draufgänger“. In „wo immer es möglich ist zur Verbrei- den 60er Jahren, die seine 20er sind, lernt tung und politischen Durchsetzung die- er seine Frau kennen und wechselt in ser Idee beizutragen. Eine bessere oder den elterlichen Betrieb, den er später auch nur andere zum Erhalt unserer frei- übernimmt. Drei Kinder ziehen Uta heitlichen Ordnung kenne ich nicht.“ R.I.P.: Roland Baader (1940-2012) ef März 2012 3
EFFefF I ef-AKTUELL Inhalt 3 Editorial André F. Lichtschlag 4 Inhalt 6 Das ef-Tagebuch: Übergeschnappt André F. Lichtschlag 7 Vorbörse: Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit Karikatur von Götz Wiedenroth 8 Make love not law: Roland Baader und die Sprache Carlos A. Gebauer 10 Sonderkorrespondenz: DeutschlandBrief Bruno Bandulet 12 Konkret: Korrektur Redaktion ef 13 Forconi: Die totgeschwiegene Revolte Jörg Janssen 16 Zukunft des politischen Liberalismus: Die Basis ist alles Gérard Bökenkamp 18 Das Beispiel der E10-Einführung: Treibstoff wie geschmiert Henning Lindhoff 22 Aus dem Bundestag: Christen und Liberale Frank Schäffler Schwerpunkt 22 Impressum Roland Baader TIef I ef-SCHWERPUNKT 23 ef-Schwerpunkt, Heft 120: Roland Baader Redaktion ef 24 Roland Baader und die Wissenschaft: Die Poesie des Schwerts Robert Nef 27 „Übersetzer“ Baader: Der liberale Luther Gerd Habermann 28 Roland Baaders Glaube: Die Botschaft Jesu als Weg zur Freiheit Ingo Resch 32 Der Humor von Roland Baader: Pointe auf Umwegen Rio Baader 36 Roland Baader und das Gold: Materialisierte Freiheit Peter Boehringer 38 Roland und die russische Realität: Geldsozialismus im Praxistest Christopher Beyer Baaders Freund: Redaktionsbeirat 42 Rotwein mit Roland: Lacht kaputt, was euch kaputt macht Gerard Radnitzky (1921-2006) Hans-Hermann Hoppe 4 eigentümlich frei Nr. 120
43 Roland Baader und die Schweiz: Der Zufall führte uns zusammen efFEKT I ef-DISKUSSION Johannes Müller 67 Veranstaltungen 44 Lehrer Baader: Einer, der junge Menschen begeisterte 67 Leserbriefe Gregor Hochreiter LESefREUDE I ef-BÜCHERSCHAU 48 Baader, der Verhandlungspartner: Wertvollster Freund 69 Sackgasse Sozialstaat Fredo Lange Rezension von Luis Pazos 49 Aus dem Nähkästchen: Mäxchen und die Mühle 69 Frauenquoten – Quotenfrauen Gabriele Baader-Hoffmann Rezension von Andreas Tögel 56 Baader, Kumpel aus Kirrlach: Revoluzzer mit Hosenträgern 69 Der Euro plündert Deutschland Jürgen Dicker Rezension von Luis Pazos 57 Roland, der Kirrlacher Kneipengast: Sultan des Swings 70 Jesus war kein Vegetarier Rezension von Luis Pazos Anita Strakl 70 Geld, Gold und Gottspieler 58 Baader, der Familienunternehmer: Eine Institution Rezension von Andreas Tögel Siegfried Baader 59 Letzte Worte: Frieden und persönliche Freiheit Interview mit Roland Baader TRefFER I ef-MEDIENKRITIK 63 Aus der Welt von Werbung und Medien: Aufgeschnappt Richard P. Statler RELIef I ef-KULTUR 64 Die vierte Macht: Panzer, Politik und Prekäres in Moskau Ulrich Wille 66 Schusswaffenregistrierung: Erst erfasst, dann beraubt? Andreas Tögel CHefSACHE I ef-LIFESTYLE 71 Joschka und Herr Fischer: Frieden Martin Lichtmesz 71 White Nights: Freiheit Ulrich Wille 72 Bürgerliches Leben: Lob des Lehnsessels Benno Ohm 73 Eilige Falschmeldungen: Aus dem ef-Ticker Pierre Durbance 73 Christlich fundiert: Die Narzissmus-Falle Peter Ruch 74 Fragebogen: Bio-Lachs in Uggs auf der Wall Street Xenia Tchoumitcheva Cover-Fotos (2 mal Baader): Privat Cover-Abbildung (ef 61) links: ef ef März 2012 5
Das ef-Tagebuch Übergeschnappt Der monatliche Überblick von André F. Lichtschlag Böser Wulff für oder gegen eine bestimmt Politik, sondern gegen die Berlin, 19.01.2012: Die Abwahlkampagne der Medien Lügen der Medien richtet. „No Media Lies!“. Und: „Schluss gegen Bundespräsident Christian Wulff geht in die sechste mit den Medienlügen!“ So lauten immer wieder die Parolen Woche. Immer noch verweigert dieser den von nahezu al- auf Laken und Pappkartons in Budapest – geschrieben auch len Journalisten geforderten Rücktritt. und gerade in englischer und deutscher Sprache. Seit Mo- Lichtschlag: Die herrschenden Klassen der Welt amü- naten waren Orban und seine Regierung die Hassobjekte sieren sich gerade fürstlich über Deutschland. In diesen Krei- der Medien. Demonstrationen von ein paar Hundert Men- sen lachen bereits jene, die Milliarden erbeuteten, über die schen gegen ihn landeten stets in der Tagesschau, die größte kleineren Strolche, die nur Millionen aus den Ämtern mit- Kundgebung des Landes nach dem Fall des Kommunis- nahmen. Man schaue sich um in Paris, Peking, Rom, Mos- mus aber wird systematisch totgeschwiegen. 400.000 Demo- kau, Washington, von der Dritten Welt ganz zu schweigen. Teilnehmer im kleinen Ungarn, hochgerechnet auf die deut- Und nun mokieren sich deutsche Journalisten über einen sche Bevölkerungszahl wären das hierzulande 3,2 Millionen Bundespräsi, der sich ein Handy spendieren lässt. Oder der Demonstranten. Da wird selbst der Aufstand der Anstän- ein paar Cent Zinsen mit einem privaten Kredit für ein Haus digen neidisch. Wie schnell kann bei solchen Zahlen ein sparen will, das andere Staatsoberhäupter nicht einmal als Kartell aus Politik und Medien kippen? Der Aufruhr gegen Pension für ihre Maitressen „geschenkt“ nehmen würden. die Macht der linken Mainstreammedien wäre nicht die ers- te europäische Revolution, die von Ungarn ausgeht. Prophet Diekmann Berlin, 20.01.2012: „Bild“-Chef Kai Diekmann vergießt Wahrsager aus Deutschland Krokodilstränen darüber, wie „unser Staat“ vom Präsiden- Paris, 23.01.2012: Wer in Frankreich den Völkermord ten „nachhaltig beschädigt“ wird. der Türken an den Armeniern zu Beginn des 20. Jahrhun- Lichtschlag: Diekmann hatte kunstfertig-genüsslich die derts anzweifelt, landet zukünftig aufgrund unbotmäßiger Weihnachtstage und den Jahreswechsel abgewartet, und erst Geschichtsauffassung für ein Jahr im Gefängnis. dann gelangte der berüchtigte Wulff-Anruf auf seinem Lichtschlag: „Vorbild“ sind die Gesetze gegen „Holo- Handy „wie durch ein Wunder“ in die Redaktionsstuben caustleugnung“ in Deutschland. In einigen osteuropäischen von Kollegen. Niederträchtig unter normalen Menschen. Von Staaten ist jüngst die Infragestellung kommunistischer Ver- Diekmann aber hat niemand auch nur etwas anderes er- brechen unter Strafe gestellt worden. Die Dominosteine wartet. Journalisten stehen nicht ganz ohne Grund auf der fallen. Und mit ihnen das Recht auf Irrtum, auf freie Mei- nach unten offenen Beliebtheitsskala weit abgeschlagen hin- nungsäußerung und ungehinderte Geschichtsforschung. Es ter den Gebrauchtwagenverkäufern und selbst noch unter waren mal wieder deutsche Politiker und Juristen, die den den von ihnen hochgeschriebenen oder niedergemachten Anfang machten. Politikern. Der Treppenwitz unter der Empore von Schloss Bellevue ist, dass Vorgänger Host Köhler ging, weil „die Heiliges Klima Presse den nötigen Respekt gegenüber ihm und dem Amt Hamburg, 10.02.2012: Im „Spiegel“ und anderen Leit- vermissen ließ“. Keiner hat das damals verstanden. Ist Köhler medien wird erstmals der „teure Kult um die Solarenergie“ am Ende einfach ein Komiker mit Hellseherfähigkeiten? scharf kritisiert und kurz darauf die These von der men- schengemachten Erderwärmung, Grundlage der noch mil- Luzifer Orban liardenschwereren Weltklimapolitik, infragegestellt. Perest- Budapest, 21.01.2012: Von den deutschen Medien weit- roika und Glasnost im Anbeginn des Ökototalitarismus? gehend totgeschwiegen, demonstrieren eine halbe Million Lichtschlag: Erst wenn die letzte Glühbirne verloschen Ungarn in der Hauptstadt für ihren Regierungschef Viktor ist, stirbt die Hoffnung auf Vernunft. Orban und gegen die Einmischung der EU und westlicher Medien in die inneren Angelegenheiten des Landes. Sündenbock Sauerland Lichtschlag: Es ist vermutlich die erste Großdemons- Duisburg, 12.02.2012: Nach mehr als einem Jahr inten- tration in der Geschichte Europas, die sich im Kern nicht siver Medienkampagne wird Duisburgs Oberbürgermeis- 6 eigentümlich frei Nr. 120
ter Adolf Sauerland per Volksabstimmung abgewählt, nach- Lichtschlag: Die Ketzer vergangener Zeiten sind die dem die rot-grüne Minderheitsregierung im Land eigens Heiligen von morgen. Wahrscheinlich wird eines Tages Horst dafür ein Gesetz geschaffen hatte. Mahler von Stadträten und Ausschüssen rehabilitiert. Wenn Lichtschlag: Ein Sündenbock für die Katastrophe bei es schlechter läuft, womöglich auch dessen großes Vorbild. der Love Parade wurde gesucht, gefunden und nun auftragsgemäß abgeschossen. Dabei war es nicht Adolf Clowns in der CDU Sauerland, der mit Drogen vollgepumpt in einer Horde von Berlin, 14.02.2012: Eine Gruppe jüngerer CDU-Bun- Menschen johlend immer weiter gegen die Absperrung destagsabgeordneter plant eine Strafsteuer für Kinderlose. drängte und damit die Opfer in den ersten Reihen zer- Lichtschlag: Sie hätten auch einen Steuernachlass für quetschte und tottrampeln ließ. Das waren andere. Über Familien mit Kindern fordern können. Dass sie dies nicht die keiner spricht. Egal, der „Spiegel“ zum Beispiel ist’s zu- tun, zeigt, um wen und was sie sich wirklich sorgen. frieden: „Duisburg wählt sich frei!“ Ach ja: Einer der ers- ten, die im Rudel der Medien gegen Sündenbock Sauerland Feuerteufel in Athen aufheulten, war der damals frisch gewählte Bundespräsi- Athen, 15.02.2012: Seit drei Nächten brennt die Haupt- dent Christian Wulff. „Ganz unabhängig von konkreter per- stadt Griechenlands. Der Grund: Ihr Staat muss alleine in sönlicher Schuld“ legte der Präsident des Landes dem ers- diesem Jahr nach EU-Vorgaben 3,3 Milliarden Euro durch ten Bürger der Stadt den Rücktritt nahe. Haushaltskürzungen einsparen. Lichtschlag: Und zwar, um mit vor allem deutschen Hexe Mahler Steuergeldern alleine am 20. März eine griechische Staatsan- Köln, 13.02.2012: Ein Ausschuss des Kölner Stadtrats leihe in Höhe von 14 Milliarden Euro zurückzahlen zu kön- verurteilt die Hexenprozesse der Stadt vor 400 Jahren. Ein- nen. Bis zum 14. März soll ein neues EU-Hilfsprogramm in stimmig regt man eine offizielle Erklärung des Stadtrats an, Höhe von insgesamt 130 Milliarden Euro an Griechenland in der sich dieser vom Unrecht der Hexenverfolgung im freigegeben werden. Könnte es also sein, dass die 3,3 Milli- 15. und 16. Jahrhundert nachträglich distanzieren soll. In arden Euro Haushaltskürzungen, die nun fast zum Bürger- Deutschland haben bereits 13 Kommunen die Opfer von krieg führen, nicht mehr als der traurige Benzintropfen auf Hexenprozessen „rehabilitiert“. dem akropolisgroßen, brennend heißen Pflasterstein sind? Vorbörse Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit Aktuelle Karikatur von Götz Wiedenroth ef März 2012 7
Make love not law Roland Baader und die Sprache Freiheit oder Marketing? von Carlos A. Gebauer Der Autor, Jg. 1964, ist Rechtsanwalt in Duisburg. Seine Homepage: www.make-love-not-law.com. An dieser Stelle schreibt Carlos A. Gebauer jeden Monat über Liebe und Gesetze. Foto (Bücher) von Kristof Berking Das erste Buch, das ich von Roland finsteren Einsichten vielleicht doch Kurvenzeichnereien suggeriert worden Baader las, fiel mir 2003 ungeplant in wieder einstellen zu sollen. Spätestens war. die Hände. Michael Wey von der Ärz- aber als ich den Abschnitt über die Nachdem ich Baaders 2002er teinitiative „Frischer Wind“ hatte es Kinderarbeit erreicht hatte, wusste ich: Werk „Totgedacht“ durchgearbeitet gekauft und nach Berlin geschickt, wo Hier wird mir offenbar tatsächlich ein hatte, nahm ich im April 2004 persön- er sich für sein Projekt eines freiheitli- ganz neuer Horizont eröffnet. Denn lich Kontakt zu ihm auf. In den dar- chen Gesundheitswesens Unterstüt- woher wusste dieser Roland Baader, auffolgenden Monaten versorgten wir zung von der Stiftung Liberales Netz- was in meinen Schulbüchern zu die- uns wechselseitig mit diversen Hinwei- werk erhoffte. Von dort war es – un- sem Thema gestanden hatte? Sollte am sen auf dieses und jenes Lesens- und gelesen und originalverschweißt – zu Ende auch ich Adressat ideologischer Wissenswerte. Im Dezember schrieb mir weitergeleitet worden, da ich, so Bearbeitung geworden sein, ohne es er mir anlässlich eines Weihnachtsgru- der Begleitzettel, doch tief im Gesund- bemerkt zu haben? ßes sehr Freundliches über meine Texte heitsthema steckte. An meinen Randnotizen in dem und endete mit der Hoffnung, dass Originalverschweißt legte ich es in Büchlein kann ich bis heute erkennen, immer mehr Menschen so liberal meinem Büro, wie stets ordentlich ein- wie mich die Aneinanderreihung von schrieben, „dann wäre der Kampf für gereiht, zu anderen Unterlagen auf den Fakten und der Argumentationsgang die Freiheit nicht ganz so aussichtslos“. Boden, dorthin, wo üblicherweise Baaders beeindruckten. Am Ende war Indem ich nun in diesen Tagen, Unerledigtes ohne Dringlichkeitsstatus klar: Es mussten mehr Bücher dieses anlässlich seines Todes, die seinerzeiti- warten muss, wenn Vorrangiges auf Autors her! Ich bestellte eins nach dem ge Korrespondenz wieder zur Hand Schreibtisch oder Fensterbank zur anderen und las und las und las. Der nahm, wurde mir klar, dass eines un- schnelleren Bearbeitung mahnt. Wo- Gewinn war natürlich beträchtlich. Wie serer anschließend häufigsten Ge- chen, wenn nicht Monate, gingen so ungezählten Lesern zuvor wurde er sprächsthemen damit schon feststand: ins Land. Erste Andeutungen einer auch mir in vielerlei Hinsicht jener Die Frage nämlich, wie der aufkläre- Staubschicht legten sich schon auf die „Augenöffner“, als der er immer rische Streit für die individuelle Frei- Folie, als ich endlich eine Gelegenheit wieder beschrieben wird. Über seine heit und für mehr Respekt des Staates nahm, das Buch zu ergreifen und die Verweise und Zitate fand ich zur Ös- vor dem Einzelnen rhetorisch beschaf- Hülle zu öffnen. Die seit Wochen terreichischen Schule der Nationalö- fen sein muss, um der machtvoll ob- schlechtgelaunt aus dem Buchdeckel konomie, zu Mises und Hayek, zu waltenden Propaganda mit Aussicht vom Boden zu mir aufblickenden Rothbard, Hoppe, Habermann und auf Erfolg entgegengehalten werden Menschen hatten mich bei einigen Hülsmann – und natürlich auch zu zu können. Anläufen mehrfach veranlasst, zuerst André Lichtschlag. In wenigen Mona- Es ist für Baader-Kenner kein noch Anderweitiges zu betrachten. ten änderte sich mein Bild Geheimnis, dass er immer wieder be- Nun aber war es schließlich soweit. insbesondere von der Wirtschaft. Die tonte, der Kampf gegen Leviathan sei Ich begann die Lektüre. typische (und auch akademisch nicht zu gewinnen. Zu mächtig erschie- In der Einführung las ich, dass bei durchaus anerzogene) Überheblichkeit nen in seiner Darstellung die organi- der heute erwachsenen Generation in der Juristen und Philosophen gegen die sierten Kräfte der staatlichen Durch- wirtschafts- und gesellschaftspoliti- Wirtschaftswissenschaften wich zügig setzungsinteressen. Die wahren und schen Fragen „Hopfen und Malz ver- dem Respekt vor dieser Disziplin, konsequenten Freunde der Freiheit loren“ seien und das erste Kapitel hob zumal sie offenbar durchaus intellek- wähnte er dort in aussichtsloser Un- an mit der These, niemand sage die tueller und weitgreifender verstanden terzahl. Das Gehirnwäschepotential Wahrheit. Es dauerte mindestens drei- werden konnte als uns dies an der der staatlichen Medien und die Indok- ßig Seiten weiteren Lesens, bis ich den Universität von keynesianischen Ne- trinationen ab frühester Schulkinder- Gedanken verwarf, die Lektüre jener benfachlehrern mit ihren notorischen zeit stimmten ihn hoffungslos. Und 8 eigentümlich frei Nr. 120
weil er die all dies rücksichtslos be- örterungen auf Roland Baa- treibende Politik als rundweg unmo- ders spätere Buchtitel gehabt ralisch erkannte, schrie er bisweilen haben. Der „Faule Zauber“ immer wieder mit bulliger Wucht und und die „Wohlfahrtsdiktatur“ Sprachgewaltig: Roland Baaders Werk in robustesten Tönen gegen jenes Trei- waren – ebenso wie das „Tot- ben an. gedacht“ und die mürrischen Men- hascherei fremd war und die vielmehr Bei aller Skepsis im Hinblick auf schen auf der „Belogenen Generation“ durch konsequente Bescheidenheit den möglichen eigenen Erfolg und bei – längst in der Welt. „Geld, Gold und gekennzeichnet war, passten eben kei- aller Empörung über das ruchlose Gottspieler“ hatte schon etwas milder ne PR-optimierten Buchtitel oder ein Vorgehen der Staatsgläubigen dürfe geklungen, der Einworttitel „Geldso- Anprangern der Unmoralität in allzu aber, so hielt ich ihm entgegen, der zialismus“ kam schließlich ganz ohne diplomatischen Tönen. Reiz zur Beschäftigung mit der Frei- expliziten Vorwurf aus. Wer aber Es ist nun folglich an uns, die wir heit nicht auf der Strecke bleiben. könnte sagen, wie viele Leser Roland die Fackel der Aufklärung weiter bren- Genau diese Gefahr sah (und sehe) ich Baader bis heute schon mehr gefun- nen lassen wollen, die Inhalte der Ar- aber immer, wenn das publizistische den hätten, würde er seinen Büchern beit Roland Baaders zu verbreiten. Eintreten für das Individuum und den optimistischer klingende Namen ge- Und ich denke, wir sollten es mit der Bürger in Tönen geführt wird, die dem geben haben? Ein definitiv greifbares inneren Haltung tun, der Welt etwas Leser nicht einmal mehr die Chance Ergebnis unserer Diskussionen zu Positives und Hoffnungsvolles weiter- auf ein Wohlgefühl und auf Freude eben diesem Thema war jedenfalls, zureichen. Denn wir werden Roland vermitteln. dass ich meinem eigenen Büchlein zum Baader am ehesten gerecht, wenn wir Muss nicht, fragte ich Roland Baa- allgemeinen Reichseinkönnen Ende seinen Satz widerlegen, der Kampf für der, der Titel eines Buches dem mög- 2007 ganz bewusst seinen zwar sper- die Freiheit sei aussichtslos. Tief in sei- lichen Leser zumindest die Aussicht rigen, aber doch bewusst Hoffnung nem Herzen hat er genau das näm- eröffnen, aus seiner Lektüre emotio- verheißenden Titel gab. lich, davon bin ich überzeugt, auch nal als Gewinner hervorzugehen? So hat uns Roland Baader am nicht wirklich geglaubt. Hätte er sich Nicht ohne Grund zieren doch auch Ende in Gestalt seiner Schriften eine sonst über all die langen Jahre den die Bilder dezidiert ansehnlicher Men- Vielzahl von intellektuellen Schatzkis- Mühen unterzogen, seinem schwächer schen die Titelblätter einschlägiger ten hinterlassen, deren innerer Reich- werdenden Körper dieses Opus ab- Magazine, statt durch die Abbildung tum sich aus ihrer Verpackung nicht zuringen? des unerfreulich Vorhandenen abzu- sogleich erschließt. Seine Fähigkeit zur Mit Zuversicht, Beharrlichkeit und schrecken. Auflagenstarke Bücher und treffenden Prophezeihung resultierte Konsequenz können die Kräfte der Zeitschriften kommen nicht mit nicht aus geheimnisvoll esoterischen individuellen Freiheit und des Respek- schlechtgelaunten und mürrischen Quellen, sondern schlicht aus der kon- tes vor dem anderen, mithin die En- Gesichtern auf Seite eins daher. Unter sequenten Bereitschaft, die Welt illusi- ergien eines richtig verstandenen pu- den lebensbedrohlichen Rettungsschir- onslos zu betrachten. Seine Genialität ristischen Liberalismus, die Unmora- men der atomaren Supermächte am bestand darin, die jahrhundertelange lität des Herrschenwollens besiegen. Kulminationspunkt der sogenannten Arbeit am Projekt der Aufklärung in Bei meinem letzten Telefonat mit Ro- Nachrüstungsdebatte blühte doch ge- allem Ernst und aller Emsigkeit zu land Baader waren wir uns einig: Wer gen den NATO-Doppelbeschluss just erfassen, sie fortzuführen und sie in sich bei alledem stets streng an die eine Buchpflanze am stärksten, die hieß allgemeinverständliche, aber dann eben Wahrheit hält, der hat in ihr die mäch- „Friede ist möglich“. bisweilen auch traurige und wenig tigste Verbündete für sein Tun. Des- Ich habe nicht die leiseste Vorstel- hoffnungsfrohe Worte zu kleiden. Zu wegen kann er – bei aller Bescheiden- lung davon, welchen Einfluss diese Er- seiner Persönlichkeit, der jede Effekt- heit – auch gar nicht verlieren. ef März 2012 9
Sonderkorrespondenz DeutschlandBrief Der monatliche Hintergrunddienst von Bruno Bandulet Der Verleger, Journalist und Buchautor Bruno Bandulet war unter anderem Chef vom Dienst bei der „Welt“ und Mitglied der Chefredaktion der „Quick“. Er ist Herausgeber des Informationsdienstes „Gold & Money Intelligence (G&M)“. Von 1995 bis Ende 2008 war er Herausgeber des Hintergrunddienstes „DeutschlandBrief“, der seit Anfang 2009 als Kolumne in eigentümlich frei weitergeführt wird. Wie Roland Baader den Euro auseinandernahm, als wahr das ist, können wir heute fast täglich aus der Zeitung er noch ECU hieß und warum er die Währungsunion erfahren, wenn die Achse Paris-Rom-IWF penetrant for- schon 1993 für eine Lastengemeinschaft hielt dert, den Euro-Rettungsschirm von 500 auf 1.000 Milliar- Dass ich den Tod von Roland Baader als großen Ver- den aufzustocken. lust empfinde, hat auch damit zu tun, dass es in unserer Kenner des gescheiterten Euro-Experiments wissen, dass publizistischen Tätigkeit zwei wichtige Berührungspunkte wir es keineswegs nur mit einer Staatsschuldenkrise, son- gab: das Gold und den Euro. Zum ersten Kontakt kam es dern ebenso mit einem Zahlungsbilanzproblem zu tun ha- in den 80er Jahren. Ich gab damals den Branchendienst ben. Denn hinter dem Leistungsbilanzüberschuss Deutsch- „Gold & Money Intelligence“ in der Schweiz heraus, und lands verbirgt sich auch der Umstand, dass die Bundesre- ebenfalls in einem Schweizer Verlag erschien 1988 Baaders publik in den maroden Teil der Eurozone Waren ausführt Buch: „Gold – letzte Rettung oder Katastrophe?“, in dem und gleich noch die Kredite mitliefert, mit denen sie bezahlt er Gold als Metall der Freiheit porträtierte. Er war Abon- werden. So findet ein realer Gütertransfer aus Deutschland nent von „G&M“, so lange ich zurückdenken kann, und hat heraus statt. Dass zum Beispiel Irland und Spanien auf eine den Dienst auch seinen Lesern empfohlen – ein Lob, das Katastrophe zusteuerten, ließ sich lange Zeit nicht aus der ich besonders schätzte, weil es von ihm kam. Meines Wis- Staatsverschuldung herauslesen, die war erheblich geringer sens hat er nicht aktiv mit Gold gehandelt, ebenso wenig als die deutsche, sondern aus der defizitären Außenbilanz mit Aktien. In seinem Goldbuch findet sich der Satz: „Wer dieser Länder. spekulativ ans Gold herangeht, handelt im streng puristisch- Baader war einer der ersten, die diesen Zusammenhang moralischen Sinne unmoralisch und wird deshalb auf Dau- erkannten. In der „Euro-Katastrophe“ schrieb er, dass es in er verlieren.“ einer Währungsunion keine länderspezifischen Zahlungsbi- Das andere gemeinsame Interesse ergab sich aus dem lanzen und keine nationalen Währungsreserven mehr gebe, Beschluss der europäischen Regierungschefs in Maastricht „welche als Indikatoren für krasse Ungleichgewichte und im Dezember 1991, eine gemeinsame Währung einzufüh- Fehlentwicklungen dienen können“. So kam es, dass ren. Um das Einheitsgeld zu verhindern, gründete sich der Deutschland um die Früchte langjähriger Exporterfolge Bund Freier Bürger als politische Partei. Baader begleitete betrogen wurde und dass die fremden Schulden – jedenfalls unsere Aktivitäten mit viel Sympathie, er trat aber nicht bei. zu einem Teil – de facto zu seinen eigenen wurden. Was sich als vernünftig herausstellte, denn der BFB scheiter- Sehr oft hat sich Roland Baader später zum Euro nicht te bei den Wahlen. Baader zog es vor, eine intellektuelle Ge- mehr geäußert. Er sah in ihm zurecht nur einen Bestandteil meinde um sich zu scharen, ein philosophisches Gebäude des ungedeckten staatlichen Papiergeldsystems, vor dem er gegen den Zeitgeist zu errichten, eine Denkschule zu grün- nicht müde wurde zu warnen – so in seinem wohl reifsten den. und eindrücklichsten Buch, dem 2004 erschienenen „Geld, 1993 erschien von ihm „Die Euro-Katastrophe“. Ge- Gold und Gottspieler – Am Vorabend der neuen Welt- meint war nicht die Währung als solche, denn die sollte wirtschaftskrise“. 2007 brach die Krise in den USA aus, 2010 damals noch ECU heißen. Gemeint war das zentralistische, setzte sie sich in der Eurozone fort. gleichgeschaltete, freiheitsfeindliche Europa der Funktionä- Bleibt zu erwähnen, dass Roland Baader, der als Natio- re, dem er die Krise vorhersagte, in der es heute steckt. nalökonom die Österreichische Schule vielen seiner Leser Aber das Buch behandelte auch die in Maastricht ausge- überhaupt erst näher brachte, immer auch ein politischer heckte Einheitswährung, nannte die Aufgabe der D-Mark Mensch war und sich mit Lust und Vergnügen dem Zeit- einen „stillen Staatsstreich“ und stellte fest, dass eine Wäh- geist entgegenstellte. Zu meinem 60. Geburtstag brachte er rungsgemeinschaft zugleich eine Lastengemeinschaft sei. Wie ein Messingschild mit, das seitdem den Eingang zu meinem 10 eigentümlich frei Nr. 120
Kenner des gescheiterten Euro-Experiments wissen, dass wir es keineswegs nur mit einer Staatsschuldenkrise, sondern ebenso mit einem Zahlungsbilanzproblem zu tun haben. Büro ziert. Darauf steht: CHECKPOINT BRUNO / le des Kapo in einem KZ vor. Ein britischer Abgeordneter WARNUNG! / BEI EINTRITT VERLASSEN SIE DIE unterbrach seine Suada einmal mit dem unschönen Ruf „Ein POLITISCH KORREKTE ZONE. Volk, ein Reich, ein Führer“. Schulz wiederum fiel damit auf, dass er einen niederländischen Parlamentarier als „Fa- Von Pommern nach Ammerland: Erinnerung an schisten“ beschimpfte und Václav Klaus, den tschechischen Regina Freifrau von Schrenck-Notzing Euroskeptiker, als „unsäglichen Staatspräsidenten“. Am Dreikönigstag verstarb drei Jahre nach dem Tod Hinter dem lautsprecherischen Gehabe verbirgt sich eine ihres Mannes Regina Freifrau von Schrenck-Notzing, nach- sehr konsequente Europapolitik der SPD, die zwar keine dem sie Weihnachten noch zu Hause in Ammerland am Mehrheit im deutschen Volk hat, was aber ohne Belang ist, Starnberger See hatte feiern können. Sie engagierte sich beim wenn es um europäische Dinge geht: um Eurobonds, um Aufbau von „Criticón“, der damals führenden konservati- die Vergemeinschaftung der Staatsschulden, um die Gleich- ven Zeitschrift in Deutschland. In den 90er Jahren stieß sie schaltung (pardon: Harmonisierung) der Steuern und Sozi- zum Bund Freier Bürger und kämpfte gegen die Einfüh- alleistungen in der EU. Genau das ist es, was der Berufseu- rung des Euro. Und sie gründete und leitete die Münchner ropäer Schulz und mehrheitlich seine SPD beharrlich an- Winterakademie, auf der die besten Köpfe des konservati- streben. Auch Sigmar Gabriel will, wie er mitteilte, ein „an- ven und liberalen Deutschlands – immer vor überfülltem deres Europa“, nämlich ein „soziales Europa“. Wenn es Saal – referierten, unter ihnen auch Roland Baader. Sie war darum geht, den Untertanen in die Tasche zu langen und eine kluge, energische und furchtlose Frau. Aufgewachsen Geld zu verteilen, fühlen sie sich richtig wohl. Über die auf Gütern in Pommern und Schlesien, floh sie als Kind Homepage von Martin Schulz kann man sich detailliert über mit der Familie vor der anrückenden Roten Armee in das EU-Förderprogramme informieren und nachlesen, wie man Vogtland und später von dort in den freien Westen, zunächst am besten an wie viele Subventionen kommt. In den 50er nach Aachen, wo sie sich als Sekretärin durchschlug. Es folgte Jahren startete die europäische Einigung in Gestalt der EWG eine Anstellung am Max-Planck-Institut in München, wo sie als idealistisches und marktwirtschaftliches Projekt, von dem Caspar von Schrenck-Notzing kennenlernte. „Freiheit alle profitierten. Inzwischen ist sie als EU zu einer sozialisti- braucht Mut“ war der Titel eines von ihr herausgegebenen schen Veranstaltung degeneriert, und jetzt kann sich die SPD Buches. Ein Motto, nach dem sie gelebt hat. – noch vor der CDU – als wahre Europapartei verkaufen. Martin Schulz: Der neue König von Europa und sein Vizekanzler in spe: Jetzt hofieren die surreales Parlament Wirtschaftsbosse auch schon Jürgen Trittin Laut Bild.de vom 17. Januar haben wir einen „neuen Lange ist es her, dass der frühere Bundeswirtschaftsmi- König von Europa“, und der heißt Martin Schulz. Er sitzt nister Michael Glos Jürgen Trittin einen „Öko-Stalinisten“ seit 1994 im Europäischen Parlament, wurde im Januar zu nannte oder dass der damalige CSU-Generalsekretär Söder dessen Präsident gewählt, fühlt sich aber zu noch Höherem ihn als „Salon-Bolschewisten“ titulierte. Jetzt gilt er als etab- berufen. Angesprochen auf den Chef der Brüsseler Kom- liert, gar als potenzieller Vizekanzler, und wird gerne und mission, den Portugiesen Barroso, meinte er einmal: „Den häufig von den Spitzen der deutschen Wirtschaft zu Vorträ- Job könnte ich auch.“ gen eingeladen. Fragt sich nur, was sie von ihm lernen kön- Vorerst aber steht er einem Parlament von 736 Abge- nen. Die Herren hängen eben ihr Fähnchen in den Wind. ordneten aus 27 Ländern vor, von denen niemand genau Nur RWE-Chef Jürgen Großmann wagte es kürzlich, ihn weiß, wen sie eigentlich vertreten. Angeblich und laut EU- einen „Wolf im Schafspelz“ zu nennen, nachdem er einen Recht: die „Unionsbürger“. Nur existiert leider kein euro- Trittin-Vortrag genossen hatte. Ein früheres Mitglied des päisches Volk und keine europäische Öffentlichkeit. Und Kommunistischen Bundes, hat Trittin längst Kreide gefres- so kommt es, dass dieses mit außerordentlichen Privilegien sen und die Energieplanwirtschaft, die er als Bundesminis- ausgestattete und ständig zwischen Straßburg und Brüssel ter auf den Weg bringen durfte, als Ersatz für den diskredi- pendelnde Hohe Haus etwas Surreales an sich hat. Dort tierten Steinzeitsozialismus entdeckt. Einen klaren Bruch mit spielte Schulz bisher die Rolle des hässlichen Deutschen. Als seiner ideologischen Vergangenheit hat Trittin nie vollzo- er Silvio Berlusconi beleidigte, schlug ihn dieser für die Rol- gen. Er hat sich als hochbegabter Taktiker aber sehr wohl ef März 2012 11
den Erfordernissen des politischen Machtbetriebes ange- Konkret passt. Biokraftstoff verbraucht mehr Energie, als er liefert Korrektur Zum letzten DeutschlandBrief: ef-Leser B. glaubt nicht, Und Richtigstellung dass die Herstellung von Biosprit mehr Energie verbraucht, als bei der Verbrennung im Motor wieder herauskommt. von Redaktion ef Antwort: Genau das haben Forscher der Cornell University in Ithaca im Staat New York nachgewiesen. Beispiel Mais: Cover-Abbildung (Konkret) von „konkret Nr. 1/2011“ Die Produktion eines Liters Ethanol einschließlich Anbau auf dem Feld verschlingt 7.474 Kilokalorien an Energie. Der so produzierte Liter Ethanol enthält aber nur 5.130 Kilokalorien. Bei Diesel aus Soja resultiert sogar ein Minus In der Ausgabe eigentümlich frei Nr. 118 (Dez. 2011) haben in der Energiebilanz von 63 Prozent, bei Raps ein solches wir in dem Beitrag „Zuerst Cicero, dann Compact, aber von 58 Prozent und selbst bei Palmöl noch ein Minus von konkret“ über die Monatszeitschrift „konkret“ beziehungs- acht Prozent. Eine Art von Kapitalvernichtung also – ty- weise Hermann L. Gremliza berichtet. Dazu erklären wir: pisch für Regierungseingriffe in die Marktwirtschaft und auch für die von Trittin angestoßene Energieplanwirtschaft 1. Die Behauptung, das Magazin „konkret“ sei mindestens in Deutschland. bis 1989 mit Geldern aus Ostberlin finanziert worden, wird Ein anderes Beispiel für energiepolitischen Irrsinn: Dank widerrufen. der sogenannten Energiewende sind die Versorgungssicher- heit und die Stabilität des deutschen Stromnetzes derart ge- 2. Es wird des weiteren richtiggestellt, dass die Darstellung, fährdet, dass energieintensive Betriebe wie Aluminiumhüt- Hermann L. Gremliza werde heute von Auslandsgeheim- ten mit Zwangsabschaltungen rechnen müssen. Dafür sol- diensten aus Tel Aviv unterstützt, ausschließlich auf frag- len sie laut einer neuen „Abschaltverordnung“ des Bundes- würdigen Gerüchten („böse Zungen“) beruht, die auch der wirtschaftsministeriums finanziell entschädigt werden. Mit Verlag Lichtschlag Medien und Werbung KG und der Au- anderen Worten: Strom wird nicht nur zugeteilt, die Regie- tor André F. Lichtschlag als haltlos einschätzen. rung zahlt auch noch für eine Verringerung des Sozialpro- dukts! So weit ging nicht einmal die Planwirtschaft in der Sowjetunion. Zyklen, Gold und Schulden: Die Welt nach François Mouté Er ist seit 35 Jahren im Geschäft, hat den Großteil sei- ner Karriere in den USA verbracht und gilt als einer der erfolgreichsten Investmentmanager der westlichen Welt: der Franzose François Mouté. Wie sieht er die Welt der Finan- zen heute? Zunächst einmal identifiziert Mouté die großen Zyklen: die Aktienhausse von 1944 bis 1966, die vom Wie- deraufbau nach dem Krieg angetrieben wurde; die frustrie- rende Übergangsperiode von 1966 bis 1982; und dann die Hausse von 1982 bis 2000, die er „ungesund“ nennt, weil sie von einer beispiellosen Kreditexpansion genährt wurde, „für die wir jetzt den Preis bezahlen müssen“. Er meint, es brauche vielleicht vier weitere Jahre, bis die gegenwärtige Übergangsperiode endet und der Zyklus abgeschlossen ist. Konsequenz: Mouté setzt auf Gold und auch auf Erdöl. „Das einzige, was die Goldhausse beenden könnte, wäre eine Rückkehr zu positiven Realzinsen.“ Und die seien noch lange nicht in Sicht. Zum Euro meint er: „Ich denke, dass es extrem schwierig sein wird, seinen Zusammenbruch zu ver- meiden, aber ich hoffe, dass ich mich irre.“ 12 eigentümlich frei Nr. 120
Forconi Die totgeschwiegene Revolte Der italienische Steuerzahler begehrt auf, und keiner guckt hin von Jörg Janssen Der ef-Redakteur, Jahrgang 1966, ist Chemiker und lebt seit einigen Jahren glücklich im inneren Exil. Foto (Demonstration) von Movimento dei Forconi „Castelli, geh mir nicht auf die Eier!“ Endgültig hat der gierungschef vor. Napolitano kennt ihn als ehemaligen EU- sardische Arbeiter die Geduld mit Roberto Castelli verlo- Wettbewerbskommissar und Goldman-Sachs-Beiratsmit- ren. Der so angesprochene, der im Studio der Sendung glied aus gemeinsamen Brüsseler Tagen. Zwei Stunden nach „Servizio Pubblico“ sitzt, ist nicht irgendjemand: Derzeit Montis Ernennung erklärten EU-Ratspräsident Herman Van im italienischen Senat führender Vertreter der Lega Nord, Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Bar- leitete Castelli einst unter Silvio Berlusconi das Justizministe- roso dies für ein „ermutigendes Signal zur Krisenüberwin- rium und verantwortete später als Vizeminister die Infra- dung“. Sie machten aber auch deutlich, dass die Ernennung struktur. Was hat es mit dem Ausbruch des Arbeiters, der Montis nichts an der vereinbarten wirtschaftspolitischen zusammen mit anderen Sarden durch einen Reporter des Überwachung Italiens durch die Europäische Union ände- Privatsenders „La7“ zugeschaltet wurde, auf sich? re. Kurz darauf wurde Monti vom Abgeordnetenhaus mit Die italienische Politik hat sich ihren Platz unter den 90 Prozent und vom Senat mit 92 Prozent der Stimmen PIIGS redlich verdient: Sie gibt etwa die Hälfte des Brutto- bestätigt. Als eine seiner ersten Amtshandlungen stellte der inlandsprodukts (BIP) aus und häufte Staatsschulden in Höhe neue Ministerpräsident Ende November sein Spar- und von 120 Prozent des BIP an. Das ist, nebenbei, doppelt so Wachstumsprogramm der EU-Kommission in Brüssel vor. viel wie nach dem europäischen Stabilitätspakt erlaubt. Die Schlagzeilen machte das Programm beispielsweise durch von italienischen Politikern über Jahre geliehene Summe – die Abschaffung von Gildenprivilegien für Apotheker, Ta- 1,9 Billionen Euro – ist größer als die kombinierten Schul- xifahrer, Notare und Tankstellenpächter. Deren hohe Preise den ihrer griechischen, spanischen, portugiesischen und iri- sind vielen Italienern schon lange ein Dorn im Auge. Die schen Kollegen. Gehalten werden solche Schulden haupt- Betroffenen jedoch fürchten gar nicht den Wettbewerb, son- sächlich durch italienische Banken, Versicherungen und Pen- dern den Steuereintreiber: „Bei einer Rechnung von 6.000 sionsfonds und auch durch ausländische Banken wie die fran- Euro sind lediglich 1.600 Euro Honorarkosten, der Rest zösische BNP Paribas. Sobald die italienische Politik diese sind Steuern“, bemerkt Notarin Giovannella Condò gegen- Darlehen nicht mehr bedienen kann, müssen diese Institute über der „Welt“. Ähnlich sehen es die Tankstellenpächter: die Papiere im Wert berichtigen. Was harmlos klingt, würde Sie wenden sich nicht gegen die Liberalisierung, sondern für einige den Bankrott bedeuten. Die offiziellen Schulden gegen die ungebrochene Gier der Politik. „Bei einer Tank- bilden zudem nur die Spitze eines noch gewaltigeren Eis- füllung von 50 Euro wandern mehr als 30 Euro in die Ta- bergs; unter der Oberfläche lauern künftige Zahlungsver- schen des Fiskus“, so ein Pächter aus Mailand. Der Kern pflichtungen beispielsweise für Beamtenpensionen, Sozial- der Reformen, mit denen die italienische Politik unter Mon- ausgaben oder Bürgschaften in Billionenhöhe: Auf 360 Pro- ti in Brüssel um Hilfe bei der Refinanzierung ihrer Schulden zent des BIP schätzt das amerikanische National Center For wirbt, sind nicht solche Liberalisierungen. „Sparen“ heißt Policy Analysis die Summe aller Zahlungsverpflichtungen, auch für Italiens Politik eine Erhöhung der Einnahmen. Die welche die Politik künftigen italienischen Steuerzahlern auf- Ausgaben werden dagegen kaum angetastet. Zwar ist von bürdet – wenn diese zahlungsfähig blieben. Kürzungen in Höhe von 20 Milliarden Euro die Rede; gleich- zeitig soll jedoch ein schuldenfinanziertes Konjunkturpaket Politik dort oben in Höhe von 10 Milliarden Euro die Wirtschaft ankurbeln. Anfang November letzten Jahres spitzte sich die Krise Die Neuverschuldung wird auch in diesem Jahr um zu: Auf sieben Prozent kletterten die Zinsen für italienische mindestens zwei Prozent steigen. Pfandbriefe. Damit erreichten sie die Grenze, ab der ein Und so öffnet sich in Italien die Schere zwischen politi- Kreditausfall droht. Kaum war Ministerpräsident Silvio scher und produktiver Klasse immer weiter: Ein Stenograph Berlusconi unter dem Druck seiner Kollegen zurückgetre- im italienischen Senat, so errechnete der „Corriere Della Ser- ten, stellte Italiens kommunistischer Staatspräsident Gior- ra“, konnte im vergangenen Jahr auf ein Bruttogehalt von gio Napolitano am gleichen Tag Mario Monti als neuen Re- knapp 290.000 Euro kommen. Wer vor 1998 in den Staats- ef März 2012 13
Auch in Italien sind es die Kleinunternehmer, Mittelständler und deren Beschäftigte, die den größten Anteil dessen erarbeiten, was sich die Politik als Steuern holt oder als Staatsschulden verpfändet. coni“, die Heugabeln. Es sind keine staatlichen Hilfen, die sie fordern: Martino Morsello, ihr Anführer, stellt klar, dass solche Hilfen in der Vergangenheit ohnehin nur in die Ta- schen der Politik flossen. Ihre Forderungen lauten, die Pro- vinzbürokratie aus dem Weg zu räumen, die Zahl, Besol- dung und Privilegien der Abgeordneten zu verringern und ihre Amtszeiten zu verkürzen – und korrupte Politiker zu verhaften. Die Revolte breitet sich innerhalb von Tagen aus: Dem Beispiel der Sizilianer folgen in der gleichen Woche sardi- sche Landwirte, Fischer und Fernfahrer. Nachdem die Me- dien zunächst kaum darüber berichten, entschließt sich „La7“, die Revolte der Forconi zum Thema einer Sendung zu ma- chen. Als Gast kommt Ex-Minister und Senator Castelli ins Studio. Schon während der Zuschaltung der sizilianischen Forconi wird es zwischen protestierenden Bürgern und dem Politiker laut: „Es ist Sizilien, das zu viel ausgibt“, wirft Cas- Von deutschen Medien verschwiegen: Der telli den von der Bürokratie Gebeutelten entgegen. „Sie ha- Steuerprotest der Heugabel-Bewegung in Italien ben 23.000 Beamte, während es in der Lombardei nur drei- tausend gibt.“ Dann wird Sardinien zugeschaltet. Der Re- dienst eintrat, kann sich mit 53 Jahren in den Ruhestand ver- porter bemerkt, dass sich auf der Insel niemals zuvor so abschieden – mit bis zu 85 Prozent des letzten Gehalts. Die viele verschiedene Berufsgruppen zusammengetan hätten. übrige Bevölkerung sieht in den höheren Mehrwert-, Im- Die wirtschaftliche Situation beträfe sie alle, erwidern die mobilien- und Treibstoff-Steuern eine einseitige Belastung. Einheimischen: Bauern, denen von der Steuerbehörde die Doch an ihren Zahlungen hängt die Solidität der Gläubiger Höfe beschlagnahmt würden ebenso wie Schäfer, Obst- der italienischen Politik – und in einigen Fällen deren Über- und Gemüsebauern et cetera. „Bevor wir Steuern bezahlen, leben. obwohl wir nichts verdienen, müssen wir erst unsere Fami- lien ernähren“, beschwert sich ein Arbeiter. „Jegliche Indus- Revolte dort unten trie, die wenigstens ein paar Menschen noch Arbeit auf der Am 15. Januar zeigt sich der Himmel über Sizilien be- Insel bot, musste in den letzten Jahren die Pforten schlie- deckt. Irgendwo bellen Hunde, als Onofrio Carruba Tos- ßen. Und da kommt der Staat und haut uns innerhalb von cano sich mit einer Heugabel in der Hand vor die Kamera einem Jahr 100 Prozent Strafe drauf, wenn wir die Steuern neben die Felder stellt. Der 51jährige Landwirt gehört zu auf unsere Grundstücke und Ländereien nicht bezahlen kön- jenen Kleinunternehmern der Insel, die mit ihren Betrieben nen.“ Castelli versucht, den Zorn der Anwesenden allein gerade noch ihre Kosten decken konnten. Jetzt droht Rom, auf den neuen Ministerpräsidenten zu lenken. Doch das geht sie durch die Erhöhung der Benzinpreise und der Auto- nach hinten los: „Die Steuereinnahmebehörde habt ihr ge- bahngebühren endgültig zugrundezurichten. Nachdem er schaffen, nicht Monti“, erzürnt sich der Arbeiter. Und dann sich vorgestellt hat, kündigt Toscano an, dass ab dem nächsten der Ausspruch, der ihn für kurze Zeit in Italien sehr bekannt Tag, dem 16. Januar 2012, in Sizilien „Ereignisse stattfin- macht: Castelli solle ihm mit seinem Unsinn nicht mehr auf den“ würden. die E... gehen. Der Lega-Politiker steht auf und verlässt das Und „Ereignisse“ finden statt: eine tagelange Blockade Studio. der Insel durch protestierende Landwirte, Fischer, Hirten Am Tag der Sendung ist die Revolte längst auf dem und Spediteure. Autobahnen, Brücken und Fähren aufs Fest- Festland angelangt: Ab Montag legen Fernfahrer den Ver- land werden gesperrt. Transporte mit Nahrung kommen kehr in großen Teilen des Landes lahm – und überraschen nicht mehr auf das Eiland. Treibstoff wird knapp. Wo es damit die Fernfahrerverbände, deren Funktionäre offenbar noch Benzin gibt, steigt der Preis auf bis zu drei Euro pro keine Ahnung hatten, was in ihren angeblichen Klienten vor- Liter. Die Anzahl der aktiv Beteiligten wird später mit bis geht. Viele Tankstellen bleiben infolge der Blockaden ohne zu 150.000 Menschen angegeben. Sie nennen sich die „For- Benzin, der Autokonzern Fiat verkündet die Einstellung der 14 eigentümlich frei Nr. 120
Friedrich A. von Hayek- Gesellschaft e.V Hayek-Gesellschaft e.V.. in Verbindung mit der Verbindung Friedrich A ugust von Hayek-Stiftung August Arbeit an vier Produktionsstätten. Mittwochs demonstrie- für eine freie Gesellschaft ren in Rom Fischer aus ganz Italien, welche die Steuererhö- hung auf Treibstoff in den Ruin zu treiben droht. Es kommt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. In www.hayek.de www.hayek.de mehreren italienischen Städten kommt es zu Panikkäufen, die Versorgung mit Obst und Gemüse funktioniert bald so Die Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft gut wie nicht mehr. Der italienische Landwirtschaftsverband ist eine Vereinigung zur Förderung von Ideen meldet Preissteigerungen um bis zu 200 Prozent – wenn es im Sinne von Hayeks. Im Mittelpunkt steht noch etwas gebe. Der Lebensmittelverband Coldiretti gibt die Idee einer „Verfassung der Freiheit“. an, den Händlern sei ein Schaden von 100 Millionen Euro entstanden. In den Hayek-Einrichtungen wird im beson- deren die Tradition der Österreichischen Politische Reflexe Schule und eines entschiedenen Liberalismus Auch in Italien sind es die Kleinunternehmer, Mittel- weitergeführt. Wir ständler und deren Beschäftigte, die den größten Anteil des- sen erarbeiten, was sich die Politik als Steuern holt oder als ... geben (mit dem Walter-Eucken-Institut) Staatsschulden verpfändet. Nur solange sie zahlen, kann die ... die Werke des Meisters heraus, italienische Politik ihre Zahlungsunfähigkeit verhindern – und ... veranstalten die Hayek-Tage (nächster damit den Bankrott zahlreicher italienischer aber auch aus- ... Termin: Sommer 2012), ländischer Finanzinstitute. Hunderttausende von Kleinunter- ... verleihen die Hayek-Medaille, nehmern und Mittelständlern sehen ihre Existenz bedroht ... veranstalten einen Essay-Wettbewerb an und rufen laut nach Erleichterung ihrer Last. Und endlich, kurz vor dem angekündigten Ende der Proteste Ende Ja- ... deutschen Universitäten, nuar nimmt die italienische Politik Notiz von ihren Steuer- ... bauen ein Netz von freiheitsbewußten zahlern. Beispielsweise die italienische Innenministerin An- ... jüngeren Leuten in bisher vier Junioren namaria Cancellieri: Diese erklärt, dass man in Sizilien „die ... kreisen (Wirtschaft, Publizistik, Politik, Anwesenheit verschiedener Mitglieder des organisierten Ver- ... Wissenschaft) auf, brechens“ festgestellt habe. Sie sehe allerdings „keine reale ... veranstalten Gesprächsabende in bisher Gefahr von Terrorismus“, beruhigte sie die Bürger in ei- ... zwanzig regionalen Hayek-Clubs, nem Fernsehinterview „sondern nur die Möglichkeit, dass ... geben eine Brevierreihe „Meisterdenker ein Einzelgänger sich einschleusen und Dinge außer Kon- ... der Freiheitsphilosophie“ heraus, trolle bringen könnte.“ ... stellen die Verbindung zur Mont-Pélerin- Wenn das Verhältnis von Zinszahlungen zu Steuerein- ... Society und anderen internationalen nahmen zu hoch wird, hat eine Regierung drei Alternativen: ... Freiheitsorganisationen her. Entweder sie kürzt spürbar ihre Ausgaben. Oder sie be- raubt ihre Kreditoren durch Zahlungsausfall. Oder sie ent- eignet Sparer, Lohnverdiener und Rentner – sei es durch Inflation oder durch Steuern. Derzeit bekommt die italieni- Schneller Kontakt zu sche Mittelschicht zu spüren, dass die Politik an diesem Punkt uns über angelangt ist und sich für letztere Option entschieden hat. www.hayek.de Einigen raubt man dabei die Existenzgrundlage – zwei oder noch Wochen lang breitet sich ihre weitgehend friedliche Revolte schneller: über das Land aus. Was können sie nun vorzeigen? Die ita- habermann@ lienische Politik behandelt sie nach dem Prinzip, das der eins- hayek.de tige US-Verteidigungsminister Alexander Haig aussprach, als einmal Hunderttausende nach New York zur „No-Nukes- Demonstration“ kamen: „Sollen sie marschieren so viel sie wollen, solange sie ihre Steuern zahlen.“ ef März 2012 15
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