Ein Zuhause für das Wir - Geschäftsbericht 2020 - HANSA Baugenossenschaft eG
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Kennzahlen Inhalt 9.774 2020 2019 4–9 30–37 Bilanzsumme 477,5 Mio. € 450,4 Mio. € Die Zukunft städtischen Zuhause in Quartier Jahresüberschuss 7,7 Mio. € 5,4 Mio. € Wohnens ist auch die Zu- und Nachbarschaft. kunft der Genossenschaften. Engagement, Initiativen, Wohnungen Eigenkapital 171,7 Mio. € 164,7 Mio. € Die Vorstände im Gespräch. Aktionen. 10–17 38–47 26,8 Noch nie haben wir so viel Wir geben Menschen 2019 2020 Zeit in unseren Wohnungen ein Zuhause. Wohnungen 9.774 9.761 Mio. € verbracht. Neubauten, Sanierungen, Instandhaltungen. Modernisierung Neubautätigkeiten 25,9 Mio. € 32,3 Mio. € Das Zuhause in der Pandemie. Modernisierung und 48–51 & Instandhaltung Instandhaltung 26,8 Mio. € 28,9 Mio. € 18–21 Bericht des Aufsichtsrats Nah an den Mitgliedern, auch aus der Distanz. 52–61 13.547 2020 2019 Kundenbetreuung unter Corona-Bedingungen. Lagebericht Mitglieder 13.547 13.492 Geschäftsguthaben 33,1 Mio. € 32,5 Mio. € 22–23 62–72 Zusammenarbeit Jahresabschluss 2020 Eigenkapitalquote 36,0 % 36,6 % Mitglieder Umsatzerlöse aus der 72,1 Mio. € 69,5 Mio. € in Corona-Zeiten. 73 Hausbewirtschaftung Ganz schnell musste sich die HANSA Wohnungsbestand neu organisieren. Was passierte genau? 74–75 24–29 31,0 Impressum Ein Zuhause für die 2019 2020 Wir-Kultur. Anzahl der Sparer 1.375 1.379 Mio. € Trendforscher Dr. Daniel Dettling über Spareinlagen Spareinlagen 31,0 Mio. € 30,2 Mio. € die Zukunft von Wohnen, Stadt und 2 Genossenschaft. 3
Die Zukunft Vor einem Jahr leiteten wir dieses Gespräch ein mit den ______Jana Kilian Zum einen hat der vielzitierte Digi- talisierungsschub auch bei uns stattgefunden. Zwar waren wir städtischen schon vor der Pandemie technisch Auswirkungen gut ausgerüstet. Dennoch ist es er- der Pandemie auf die staunlich, wie schnell sich alle auf das Homeoffice umstellen konnten. HANSA. Wie steht die Wohnens ist HANSA heute da? Diesen Schwung wollen wir mit in die Zukunft nehmen und unsere Prozesse weiter verbessern. Bereits auch die ______Jana Kilian umgesetzt haben wir die digitale Keiner hätte sich wirklich vorstellen Rechnungsbearbeitung, für immer- können, dass wir Mitte dieses Jahres hin rund 12.000 Rechnungen jedes dieser Pandemie immer noch so viel Jahr. Nächste Projekte betreffen die Aufmerksamkeit schenken müssen. Mitglieder- und Interessentenkom- Zukunft der Aber wir dürfen nicht müde werden munikation, die wir noch einfacher bei unseren Bemühungen, Corona und nutzerfreundlicher gestalten so gut wie möglich einzudämmen. wollen. Genossen- Zwischenzeitlich ist die Organi- Für die Zusammenarbeit gilt, dass sation, sind die Mitarbeiter*innen der kollegiale Umgang bei der HANSA daran gewöhnt, in und mit dieser sicher geholfen hat, die neuen Ausnahmesituation zu arbeiten. Herausforderungen anzunehmen. Unseren Service für die Mitglieder Dazu gehört auch die Mitarbeiter- schaften. konnten wir in vielerlei Hinsicht in führung aus der Distanz. Wenn die gewohnter Weise aufrechterhalten. persönliche Begegnung durch Tele- Unsere Erreichbarkeit zum Beispiel fonie und Videokonferenzen ersetzt lag trotz überwiegender Arbeit im wird, sind Vertrauen, Transparenz Homeoffice bei rund 95 Prozent. und Empathie umso wichtiger. Die Hier konnten wir uns zum vergan- einzelnen Arbeitsteams haben vieles genen Jahr sogar noch verbessern. selbstständig organisiert und ent- schieden, ohne unsere bestehenden Organisationsregeln auszuhebeln. Corona stellt die HANSA vor kurzfristige Was hat sich Hier haben wir alle dazugelernt. Herausforderungen und macht langfristige verändert, in den Trends stärker sichtbar. Was bedeutet das für Abläufen, in der unsere Genossenschaft? Fragen an das Vor- Zusammenarbeit? 4 standsteam Jana Kilian und Dirk Hinzpeter. 5
Inwieweit bewährt coronabedingten Zahlungsschwierig- Unser Bestand mit vielen Wohnun- keiten haben wir vielfach Hilfe- gen aus den 60er und 70er Jahren sich genossenschaft- stellung angeboten, zum Beispiel ist nicht dafür aufgestellt, auf die liches Wohnen und kostenlose Ratenzahlungen. Tat- Bedürfnisse der Zukunft einzuge- sächlich verzeichnen wir für das hen, denn in der damaligen Zeit lag Leben gerade in Geschäftsjahr 2020 weniger Forde- der Fokus relativ klar auf der Familie dieser Zeit? rungsausfälle als in den Vorjahren. mit vielleicht zwei Kindern. Die vielen staatlichen Hilfen haben Wir müssen also den Wohnungs- sicher auch dazu beigetragen. bestand und unsere Quartiere lang- ______Jana Kilian sam fit machen für auch andere Die Orientierung am Gemeinwohl Diese Sicherheit wiederum führt zu Wohn- und Lebensbedürfnisse. Das gewinnt besonders dann an Bedeu- langjährigen Mietverhältnissen. Die Wohnen in WGs, Alters-WGs, in so- tung, wenn sich die „äußeren“ Ver- Bewohnerstrukturen sind dadurch genannten Cluster-Wohnungen, ist hältnisse verschlechtern – so wie in vielerorts sehr stabil und wirken dabei ein wichtiger Baustein. den vergangenen Monaten. positiv auf die Nachbarschaften und Und wir können Themen verbinden: Das Wichtigste ist sicher die Gewiss- Quartiere. Man kennt sich und hilft Auf der einen Seite haben wir die heit der Mitglieder darüber, dass einander. Die zahlreichen positiven Notwendigkeit, unseren Wohnungs- sie dauerhaft, sicher und finanziell Rückmeldungen unserer Mitglieder bestand in eine CO2-Neutralität zu kalkulierbar in ihrer Wohnung leben motivieren uns, auch in Zukunft bringen. Auf der anderen Seite brau- können. Im Zusammenhang mit Nachbarschaften weiter durch akti- chen wir moderne Nutzungskon- vierende Maßnahmen zu stärken zepte entsprechend den sozialen und ein Gemeinschaftsgefühl zu er- Bedürfnissen. stärker ausgeprägt, ist der Schlüssel zeugen. für die Quartiere der Zukunft. Es reicht nicht mehr aus, 150 ein- _____Dirk Hinzpeter Was sind das für zelne Wohnungen zu bauen. Wohn- konzepte wie sie zum Beispiel durch Das wird auch immer wichtiger, konkrete Bedürfnis- Cluster-Wohnungen für Wohnge- denn – das zeigt die Pandemie eben- falls – Einsamkeit wird zu einer se? Was bedeuten meinschaften entstehen, können einen positiven Beitrag gegen Ver- enormen gesellschaftlichen Heraus- sie für Planung und einsamung leisten. Die Bewoh- forderung. Die Frage ist: Haben wir Rezepte nicht nur für die 50-, 60- Quartiersentwick- ner*innen sind quasi eingebunden in eine WG-Landschaft, diese ist und 70-Jährigen, sondern auch für lung? aber modern und qualitativ weiter- die 30-Jährigen? Und wie wollen die gedacht. Es gibt Gemeinschafts- zukünftig Älteren wohnen? Über 50 flächen zum Kochen, Essen und Prozent der Haushalte in Hamburg _____Dirk Hinzpeter Wohnen, aber auch individuel- sind Einpersonenhaushalte und Das Pergolenviertel in Baufeld 5 und le Rückzugsmöglichkeiten in Form nicht alle sind, gerade in dieser Zeit, 6 ist ja der Versuch, zwei Gebäude einer kleinen Wohnung mit Bad, mit dem Single-Leben glücklich. mit vielen Facetten darzustellen, einer kleinen Pantry, in reduzierter mit Vernetzungen, mit Synergien für Fläche. In Wien und Zürich etwa mehr Nachbarschaft. Das, aber noch funktioniert das wunderbar. 6 7
die demografischen Prognosen für Darin liegt ja auch nur in Wohnungen zu denken, son- Wie meinen unsere Stadt bis zum Jahr 2040 dern ein bisschen diverser. die Herausforderung, Sie das? von weiter wachsenden Einwohner- zahlen aus. dass die wirkungs- _____Dirk Hinzpeter volle Entwicklung nur Um allen zu verdeut- Durch mehr Freiraum entsteht ja Auf beides müssen und wollen wir nicht unbedingt mehr Gefahr. Es reagieren. Da sehen wir uns nicht mit den Neubauten lichen, dass Genos- gibt auch eine große Chance. Eigen- nur unseren Mitgliedern gegenüber passieren kann. senschaft ein soziales verantwortlich Ziele erreichen zu verpflichtet, sondern auch der Stadt. können, setzt in der Regel viel posi- Allerdings bleiben wir bei unserer Oder lässt sich auch Projekt ist, und zwar tive Energie frei. Heute gibt es ein Entscheidung, uns mehr auf unsere Altbestand flexibel ein unglaublich fast nicht zu überblickendes Regel- Bestandsquartiere zu fokussieren, werk, das uns bei Neubauten stark da städtische Grundstücke weiter- nutzen? modernes, braucht limitiert, auch angesichts der CO2- hin überwiegend nur im Erbbau- es also Leuchttürme, Themen. Ein Beispiel: Dass wir Dä- recht vergeben werden. Hier werden cher mit einer Photovoltaikanlage wir unseren Bestand kontinuierlich _____Dirk Hinzpeter Pilotprojekte ...? versehen und die Mitglieder diesen an die veränderten Anforderungen Langfristig kommen wir nicht um- günstigen Solarstrom nutzen kön- anpassen und neue Wohnungen hin, Altbestand teilweise auch ab- nen, ist durch viele lähmende Re- und Wohnformen durch behutsame zubrechen. Das braucht Mut. Aber _____Dirk Hinzpeter geln gebremst, die wie ein Korsett Nachverdichtung schaffen. es ist für die Quartiere auch die Ja, und das hätte auch den posi- die Möglichkeit grünen Stroms ein- Chance, mehr möglich zu machen tiven Effekt der Integration: Wir schnüren. Wir brauchen mehr Spiel- Abschließend können wir feststel- als in den 50er oder 60er Jahren. müssen nicht immer alles perfekt raum, und das nicht nur hier. len, dass wir uns weiterhin in einem Vielleicht ist eine Fläche mit Pflege- hinstellen, sondern Räume für ge- stabilen Marktumfeld bewegen. Die bad als Stützpunkt einer Pflegeein- meinsame Gestaltung schaffen. Wir ______Jana Kilian Zukunft städtischen Wohnens und richtung im Quartier sinnvoll? Das könnten zum Beispiel sagen: Die Tatsächlich stoßen wir bei der Um- Lebens ist auch die Zukunft der Ge- könnte vielen Menschen helfen, Außenanlagen werden nicht fer- setzung von Ideen häufig an regula- nossenschaften. Beides wollen wir die jetzt in dem Alter sind und dort tig geliefert, sondern wir machen torische Grenzen, sei es im Bau-, gestalten. weiter wohnen möchten. Vielleicht eine Aktion daraus, damit sie so Miet- oder Handelsrecht. Gerade im ist es aber auch der Nachbarschafts- werden, wie die Mitglieder sich das Neubau mussten wir in den letzten treff als Raum für viele Aktivitäten wünschen. Jahren einen langen Atem mitbrin- oder es wird ein Kindergarten in der gen. Von der Planung bis zur Fertig- Nachbarschaft benötigt. Wir können Das ist vielleicht etwas weniger stellung von neuen Bauvorhaben einfach mehr anbieten. perfekt, ganz sicher aber schafft es vergingen nicht selten fünf bis zehn mehr Gemeinschaft und über das Jahre. In Hohenfelde haben wir eine Flä- gemeinsame Erlebnis verbinden che für eine Dementen-Tagespflege sich alteingesessene Bewohner*in- Dabei hat die Schaffung neuen und eine Dementen-WG eingerich- nen mit neu hinzugezogenen. Wir Wohnraums gesellschaftlich weiter- tet. Das bietet den Betroffenen und brauchen diese dadurch entstehen- hin hohe Priorität. Allein die Ent- den Angehörigen eine unglaubliche de Eigenverantwortung und -ini- wicklung zum Single-Dasein – ins- Sicherheit und Entlastung. Das ist tiative in der Genossenschaft – und besondere auch in Hamburg – führt für mich ein Beispiel dafür, nicht vielleicht auch in der Gesellschaft. zu mehr Haushalten. Dazu gehen 8 9
Mittags ein Kuss von Kira. Noch nie ______Schule, Arbeit, Freizeit, Kultur, menschliche Die Lehmanns aus der Begegnungen. Die Pandemie stellt viele Bereiche unseres Lebens auf den Kopf. HafenCity. haben wir so Wie verändert sich das Wohnen, wenn das Wohn- ______Der Autor sieht sich selbst auf dem Screen. zimmer zum Büro wird und die Küche zum Klas- Jetzt kommt ein Gesicht dazu. Es gehört Janine senzimmer, wenn sich der Aktionsradius für viele Lehmann. Die 34-Jährige, die im Online-Marke- auf wenige Räume beschränkt? Wie gehen HAN- ting tätig ist, verfügt über gesammelte Video- SA-Mitglieder damit um? konferenzroutine. Das spürt man. viel Zeit in Diese Geschichte handelt nicht nur von Corona, Zur dreiköpfigen Familie gehören auch Partner sondern sie entsteht auch unter den Bedingungen Maik (35) und die kleine Kira (2). Seit dem ers- der Pandemie. Die persönlichste Begegnung ist ten Lockdown, also seit März 2020, arbeiten der Video-Chat, immerhin, solange die Datenrate die beiden fast durchgängig zuhause. Konkret unseren der Internetverbindung das hergibt. heißt das, am Küchentisch, denn über ein extra Arbeitszimmer verfügen die Lehmanns wie die Erster Lockdown ab März 2020, Lockerungen, meisten nicht. „Am Anfang war noch gar keinem halbwegs unbeschwerter Sommer, rasant stei- gende Fallzahlen, Lockdown light ab Novem- Wohnungen ber, Lockdown im Dezember. Das Jahr verlief in Wellenform. Dieser Bericht kann nur eine Moment- aufnahme sein. verbracht. so richtig klar, was das bedeutet, das Kind zu be- treuen und parallel zu arbeiten.“ Das Zuhause in der Pandemie. 10 Eine Spurensuche aus dem Homeoffice. 11
Kinder von eins bis vier und ich habe auf fast alle schon aufgepasst. Und andersherum funk- tioniert das auch. Da entstehen Netzwerke. Das ist wirklich einzigartig.“ Diese sehr enge Art des nachbarschaftlichen Verbundes sei in Eilbek, wo die Lehmanns zuvor wohnten, nicht möglich gewesen, da die Bewohner*innenstruktur dort viel gemischter ist. „Diese Community ist so Das Netzwerk am Grasbrookpark hatte schon vor zusammengeschweißt, dass Ausbruch der Pandemie Wurzeln geschlagen. Im Nachbarschaftstreff hatten sich von Beginn an man sich jetzt gegenseitig viele Gruppen gebildet. Janine Lehmann selbst hilft.“ hat mit einer Nachbarin die Eltern-Kind-Gruppe ins Leben gerufen. Eingezogen im Dezember 2017 gehören die Leh- manns zu den ersten Mieter*innen des HANSA- Wie hat die gegenseitige Hilfe unter Corona- Quartiers am Grasbrookpark. Typisch für viele Bedingungen funktioniert? Im Sommer war es neu errichtete Anlagen ist auch diese gekenn- auf jeden Fall einfacher. „Ich habe mir mit an- zeichnet durch eine gewisse Homogenität: Viele deren Eltern die Kinder aufgeteilt und bin dann sind in einem ähnlichen Alter, viele haben Kinder. immer rausgegangen, als es warm war. Wir „Allein in unserem Hausstrang gibt es sechs haben hier den Spielplatz vor der Tür.“ Im Wechsel also wurden die Kinder betreut, so- fehlen die Räume, draußen ist es kalt. „Ich kann dass die Eltern immerhin einige Stunden hatten, keine drei Kinder mehr nehmen und auf den um im Homeoffice produktiv sein zu können. Spielplatz gehen, angesichts der Witterung.“ „Mein Mann und ich können nicht parallel ar- beiten mit einem Kind von eineinhalb Jahren. Da Nur ab und zu ist Kira in der Notbetreuung der musst du immer aufpassen.“ Kita „Elbkinder“. Für die restliche Zeit teilen sich die Eltern die Betreuung auf. Für die Kleine Auch am Grasbrookpark gab es den HANSA- ist es natürlich nicht nachvollziehbar, dass die Aufruf zu Nachbarschaftshilfe. „Bei uns war das Mutter im selben Raum am Tisch sitzt, aber ihr gar nicht nötig“, berichtet Lehmann. Die gegen- während der Arbeit nicht die volle Aufmerk- seitige Unterstützung erfolgt über direkte Be- samkeit schenken kann. Im Grunde können gegnungen sowie über WhatsApp-Gruppen ein- gerade viele Eltern weder ihren Kindern noch zelner Stränge. Eine Gruppe erstreckt sich sogar der Arbeit vollumfänglich gerecht werden. über das gesamte Quartier. Jetzt im Herbst und im Winter ist vieles schwie- 12 riger. Nachbarschaftstreffs sind geschlossen. Es 13
Ein kleines Elternzeit. „Die hatten wir uns natürlich ganz anders vorgestellt: Familie besuchen, durch Arbeits- Deutschland reisen, Österreich, Schweiz, je nach Wetter, Lust und Laune.“ zimmer und Mit der langen Zeit zuhause geriet auch bei den Böckermanns die Wohnung mehr in den Fokus. große „Wir haben ein bisschen renoviert und ein Arbeitszimmer eingerichtet. Eigentlich hatten wir überlegt, dass das halbe Zimmer ein zweites Flexibilität. für die Jungs werden könnte. Aber wir brauch- ten jetzt ein richtiges Arbeitszimmer – die Tür, die man zumacht und hinter der man seine Ruhe hat.“ Wie funktioniert das mit der Arbeit? Das Ge- schäft in Poppenbüttel schloss das erste Mal Familie Böckermann im März 2020. Es gibt dort sonst viel Kunden- in Hasselbrook. kontakt, oft finden hier Kindergeburtstage statt. Das alles ist ausgefallen, auch das wichtige Ostergeschäft. Kurzarbeit. Öffnung mit To-go- ______„Hören Sie mich?“ Verzweifelte Mimik auf Verkauf. Starke Einschränkung des Weihnachts- beiden Seiten. Doch lieber telefonieren? Nein, geschäfts. Schließung mit dem Dezember-Lock- denn plötzlich steht die Verbindung zum Video- down. So ungefähr war das Jahr. Call. Vorläufig. „Meine Mitarbeiterin war zwei Tage im Geschäft, Juliane Böckermann sitzt in ihrem Arbeitszim- ich fahre an einem Tag hin. Ich kann aber nicht mer, das eigentlich ein weiteres Kinderzimmer beide Kinder mitnehmen und ich kann auch nicht sein sollte. Sohn Karl ist dreieinhalb, der kleine zuhause arbeiten“, beschreibt die Geschäftsfrau Jakob gerade mal zehn Monate alt. einen Teil der coronabedingten Herausforde- rungen. Spontan können wir sprechen, denn das Baby schläft und Karl ist in der Kita. Das wiederum Zurück ins Arbeitszimmer der Genossenschafts- ist seit einigen Tagen möglich, weil Vater Markus wohnung. Das nutzte vor allem Markus Böcker- Was macht das mit der Kollegen sind. Insgesamt aber stärkt uns das (34) systemrelevant im Energiesektor arbeitet. mann nach Ablauf der Elternzeit. Dennoch: auch, wir haben so viel Kontakt wie nie.“ Eltern-Kind-Beziehung? Wie hat die Familie das vergangene Jahr erlebt? „Man schafft einfach nicht so viel, der Kleine will natürlich mal Hallo sagen und im Meeting hat Während ich mit Janine Lehmann spreche, gefühlt jeder mal ein Kind auf dem Schoß“, be- wandert Ehemann Maik immer wieder durch obachtet Ehefrau Juliane. „Da muss man eine gute Balance finden. Und den Hintergrund, die Kleine auf dem Arm. Jetzt „Die Elternzeit hatten wir natürlich tut mir das manchmal weh, wenn ich stehen sie am Fenster und schauen auf die sage: ‚Nein, ich kann jetzt nicht‘, weil ich zum Norderelbe. Doch Kira möchte auch wieder zur uns anders vorgestellt.“ Sie selbst ist froh über das Arbeitszimmer, auch wenn es natürlich nicht alle Probleme löst. E- Beispiel in einem wichtigen Gespräch bin mit Mutter. Mails checken, die monatlichen Steuerunterlagen externen Partnern, auf Englisch. Zum Glück ist „Bis zum siebten März 2020 waren wir noch auf aufbereiten, Mitarbeiter*innen managen, Unter- mein Mann da. Alleine würde ich das gar nicht Der Gedanke, dass Janine und Maik Lehmann Fuerteventura. Wir waren noch zu dritt. Es war stützung beantragen – oft gibt es dafür nicht die packen. Aber es gibt natürlich auch Situationen, demnächst wieder ins Büro gehen und Kira total schön. Aber klar, Corona war schon Thema. nötige Ruhe. da gebe ich nach und dann wird gespielt. Das in die Kita – nach einem Jahr Homeoffice und Mein Mann sagte: ‚Du musst jetzt bestellen für weiß der Arbeitgeber. Im Moment schafft man Lockdown, nach einem Jahr permanentem den Laden.‘ Viel Ware kommt aus China und den Seit Herbst ist Markus Böckermann wieder bei einfach nicht immer die einhundert Prozent.“ Zusammenseins – scheint fast unwirklich. USA.“ seinem Arbeitgeber vor Ort. „Es ist gut, dass er mal ins Büro kommt und etwas anderes sieht. Und Kira? Spielt immer öfter Homeoffice, mit „Ich kann mir nicht vorstellen, meine Tochter Es geht um das Geschäft der 34-Jährigen. Im Und wenn ich in den Laden muss, ist er im Ho- Spielzeug-Handy und -Laptop. Sagt, sie müsse nicht jeden Tag um mich zu haben, wie jetzt im „Malzimmer“ in Poppenbüttel können Kund*in- meoffice und betreut nebenbei ein oder zwei jetzt arbeiten. Moment, sie morgens mit Papa aufwachen zu nen Geschirr-Rohlinge aussuchen und vor Ort Kinder.“ Aktuell arbeitet der Kundenservice- sehen, mittags einen Kuss zu bekommen. Das eigenhändig bemalen. berater in Elternteilzeit 20 Stunden, das lässt Die Partnerschaft hat sich darauf ausgerichtet, ist sehr wertvoll.“ Spielraum für Flexibilität. Und die ist unersetz- sich gegenseitig den Rücken zu stärken, alles Zurück aus dem Urlaub war die Kita schon ge- lich, seit einem Jahr bei Familie Böckermann und zu organisieren und zu planen. „Wir sind ein schlossen. Sechs Wochen später kam Jakob zur fast überall. bisschen wie Büro-Mates, obgleich wir ja keine 14 Welt. Markus Böckermann ging vier Monate in 15
Olympiavorbereitung wohnlicher werden.“ So entstand ein Blumen- beet auf dem Balkon. Pflanzen, „die sonst einge- im Wohnzimmer. hen würden“, fanden in die Wohnung, genauso wie „Deko-Accessoires“ und eine Dartscheibe. Mehr Zeit zuhause bedeutet auch mehr Zeit in der Nachbarschaft. Er habe wirklich „gute Nach- barn“, sagt Clemens. Gegenseitige Hilfe wurde angeboten und insgesamt hat Corona dazu ge- führt, dass die „Hausgemeinschaft näher zu- sammengerückt“ ist. Das buchstäbliche „Zusam- menrücken“ muss noch etwas warten, bis wir das Virus im Griff haben. Aber schon jetzt gibt es die Vorfreude auf ein Grillfest und es stehen Verabredungen zum Dart. World Tour.“ Im März jedoch war der gebürtige Clemens Wickler Starnberger nicht ganz fit, hatte eine Verletzung in Barmbek. hinter sich. „Die Verschiebung hat mir sogar ein bisschen geholfen.“ ______In Hamburg scheint gerade der Frühling Als dann erstmal alles geschlossen war, auch die zu erwachen. Doch auf der „anderen Seite“ des Trainingsanlagen am Olympiastützpunkt, wurde Video-Calls ist es noch mal zehn Grad wärmer. die HANSA-Wohnung zum Kraftraum. Wir erreichen Clemens Wickler auf Fuerteven- tura. Er geht dort seiner Arbeit nach und die heißt „trainieren, trainieren, trainieren“. Zu- In der Regel 250 Tage pro sammen mit Julius Thole bildet er eines der Jahr unterwegs. Beachvolleyball Nationalteams und die beiden bereiten sich hier mit Trainer und Physiothera- peutin auf die Saison vor. Wickler gehört zu den Zwei Zimmer, 55 qm in Barmbek-Nord. Clemens erfolgreichsten Sportlern Deutschlands. Viermal Wickler mag seine Wohnung, hier hat er mehr Deutscher Meister, zweimal Beachvolleyballer Platz als in der WG zuvor. Dieser Platz erfuhr des Jahres. nun eine neue Nutzung. „Man musste ein biss- chen kreativ werden. Ein Rack aufstellen mit vie- Ach ja, Clemens ist HANSA-Mitglied, Julius Thole len Gewichten, Langhanteln, das geht hier einfach auch, ebenso die Physiotherapeutin – und viele nicht. Wir haben dann das Stabilisierungstraining weitere Athlet*innen. Seit über 30 Jahren unter- angepasst.“ Yogamatte, Kurzhanteln, Übungen stützt die Genossenschaft den Olympia-Stütz- mit dem Eigengewicht. Hinzu kamen Koordina- punkt Hamburg/Schleswig-Holstein, indem sie tionsübungen, einarmig, in verschiedenen Ab- den Aktiven Wohnraum zur Verfügung stellt. Im folgen mit dem Ball an der Wand. „Das ist viel- Zuge der Kooperation entstand auch ein Sport- leicht auch meinen Nachbarn ein bisschen auf internat. Im August 2018 erhielt die HANSA die die Nerven gegangen.“ Beschwert hat sich jedoch Auszeichnung „Offizieller Förderer des Olympia- niemand, genutzt wurde eine Außenwand. Es ist Stützpunktes“. natürlich etwas anderes, als in der Gruppe zu trainieren. „Im Kraftraum siehst du auch, wie die Fuerteventura kann also stattfinden, im vergan- anderen sich schinden. Zuhause steht immer die genen Jahr gab es auch einige Wettbewerbe und Couch direkt daneben.“ der Trainingsbetrieb in der Beachhalle in Duls- berg läuft auch, mit entsprechendem Hygiene- Wie hat sich durch die Pandemie die Wahrneh- konzept. Heute eigentlich ein „Privileg“, weiß mung und die Bedeutung der Wohnung verän- Clemens die Situation durchaus zu schätzen. dert? Vor einem Jahr war das anders. „Kaum jemand In einem „normalen“ Jahr, mit allen Turnieren, ist konnte sich vorstellen, dass Corona solche Clemens rund 250 Tage unterwegs, ist Zuhause- Wellen schlägt. Dann ging alles ganz schnell, die Sein also die Ausnahme. Das war jetzt definitiv Olympiaverschiebung und die Aussetzung der anders – und die Räume sollten „einen Ticken 16 17
„Dass wir im Homeoffice sitzen, bemerken die Mitglieder kaum.“ Sarah Stille, HANSA-Mieterservice Nah an den ______Wie gelingt es dem Mieterservice und dem Verfügung gestellt. Auch die Prozesse mussten der „Mein HANSA-Service“ auch unter Corona-Bedin- Situation angepasst werden. Der Gesundheits- gungen für fast 13.500 Mitglieder da zu sein? Er- schutz hat Vorrang. Im Zuge eines Wohnungs- staunlich gut. wechsels werden persönliche Kontakte auf ein Mitgliedern, Minimum beschränkt – im Zweifelsfall nimmt Die Verabredung zum Video-Call mit Sarah Stille bei einer Wohnungsrückgabe der Hauswart die steht. Dann die Absage. Sie kann heute doch nicht Schlüssel entgegen. Die telefonische Beratung ist ins HANSA-Büro – dort hätte sie mehr Ruhe als stark in den Vordergrund gerückt – manchmal zuhause. Ihr Mann ist krank, sie muss sich um mit Unterstützung durch eine Videokonferenz. auch aus der die Kinder kümmern. „Können wir verschieben?“ Das funktioniert für die Mitglieder ganz einfach Dieser Text jedoch muss zeitnah geschrieben per Smartphone. werden. Und am Ende geht es dann doch, spontan aus dem Homeoffice, nach der Hausaufgabenbe- „Mittlerweile haben sich alle an die Pandemie ge- sprechung mit dem 7-jährigen Aaron. wöhnt und die Arbeitsprozesse sind abgestimmt, das klappt ganz gut“, so Stille. „Aus dem Home- Damit sind wir beim Thema: Homeoffice, Kinder- office können wir auf alle Dokumente zugreifen, betreuung und Home-Schooling prägen nicht nur haben Telefon- und Videokonferenzen. Hilfreich den Alltag vieler Mitglieder, sondern auch den der ist auch, dass die HANSA schon vor Corona in Mitarbeiter*innen unserer Genossenschaft. Den- Distanz. noch funktionieren die Abläufe bei der HANSA grundsätzlich gut, berichten Sarah Stille (35), im Mieterservice für alle Themen rund um die Ver- mietung zuständig, sowie Ozan Mutlu (26), Team- leiter des „Mein HANSA-Service“. Die Präsenz in der HANSA-Zentrale ist stark limi- tiert, zum Schutz der Mitarbeiter*innen, aber auch der Mitglieder. Rund 20 Personen arbeiten im Mieterservice, normalerweise sitzen zwei in einem Büro. Derzeit wird im Schichtbetrieb ge- arbeitet und im Büro soll sich nur aufhalten, wer dringend vor Ort etwas zu erledigen hat. An man- chen Tagen sind nur vier bis fünf Mitarbeiter*in- nen im Mieterservice anwesend. Ihre Aufgabe ist es vor allem, die Post an die Mitglieder versand- fertig zu machen. Im Team von Ozan Mutlu arbeiten fünf Kolleg*in- nen, seit März 2020 überwiegend zuhause. Mutlu selbst ist etwa jede zweite Woche am Lämmer- Mieterservice und Kundenbetreuung sieth, ebenfalls wegen der Post. Die meisten Un- terlagen jedoch werden gescannt und digital zur 18 aus dem Homeoffice. 19
Aus der Küche von Sarah Stille zum HANSA-„Außenposten“ nach Hasselbrook. Sachen Digitalisierung vorangeschritten ist, so zugreifen. Auch hier erfolgte die Umstellung zu Sarah Stille vermisst den direkten Kontakt zu den liegen schon länger alle Mieterakten in digitaler Beginn der Pandemie fast nahtlos. „Anfänglich Mieter*innen. Kommunikation von Angesicht zu Form vor. Die Umstellung im März 2020 erfolgte kam es zu minimalen technischen Störungen, Angesicht funktioniert eben ganz anders und zügig. Wo nötig, wurden Smartphones, Headsets, die wir aber mit der Zeit mithilfe des IT-Supports besser – zumal wenn es um wichtige Dinge geht, Notebooks zur Verfügung gestellt. beseitigen konnten.“ wie Verträge oder Beschwerden. Dasselbe gilt für den Austausch unter den Teammitgliedern: „Im Für die HANSA-Mitglieder gibt es im Mieter- Manchmal müssen Dokumente für Mieter*innen Büro, in einer Abteilungsbesprechung hat man service kaum Einschränkungen, außer dass statt ausgedruckt werden. Das geschieht vom Esstisch noch einmal einen ganz anderen Austausch, da der direkten Durchwahl zu den Mitarbeiter*in- aus, aktiv wird dann der Drucker in der HANSA- gibt es Nachfragen, da hört man anders zu.“ nen ab und zu Telefontermine per E-Mail vorab Zentrale. Vor Ort werden die Unterlagen dann koordiniert werden. konfektioniert und versendet. Wie geht es Ihnen persönlich? „Die größte Heraus- forderung ist definitiv der Spagat zwischen „Dass wir im Homeoffice sitzen, bemerken die Kinderbetreuung und Arbeiten. Da kann sich ein Mitglieder, wenn überhaupt, durch die Geräu- Tag im Büro, in dem wir uns natürlich besser sche im Hintergrund.“ Und selbstverständlich Was bleibt länger? konzentrieren können, wie Urlaub anfühlen.“ und völlig zu Recht sind Aaron und seine klei- ne Schwester Ida immer wieder hörbar präsent Gemeinsam überlegen wir noch, ob wir alles Der HANSA ist es gelungen, den Gesundheits- in dieser Familienwohnung ohne eigenes Büro- haben für diesen Bericht. Dann erklingen Rufe schutz konsequent nach vorne zu stellen und zimmer, egal, ob das Telefon klingelt und ganz aus dem Hintergrund. auf die neuen Herausforderungen so zu reagie- gleich, wer da dran ist. „Das wird eigentlich total ren, dass weiterhin alles gut funktioniert. Zu- positiv aufgenommen, die meisten freuen sich Ida braucht ihre Mutter. gleich steht der flexible Arbeitsplatz für mehr Be- darüber und haben Verständnis.“ Ozan Mutlu weglichkeit in der Organisation, einen weiteren sitzt am Esstisch im Wohnzimmer. Er ist gerade Wir haben alles. Digitalisierungsschub und mehr Effizienz in den allein, muss sich den Platz nicht teilen, denn Prozessen – und davon können die HANSA und seine Partnerin übt einen systemrelevanten Be- ihre Mitglieder langfristig nur profitieren. ruf aus und arbeitet in einer Praxis. „Grundsätzlich haben wir im „Mein HANSA- Service“ nicht viel anders gemacht als sonst Was fehlt jetzt? auch. Die telefonische Erreichbarkeit war stets gewährleistet, sodass wir unseren Service auf- rechterhalten konnten.“ „Ich bin ein sehr geselliger Typ“, sagt Ozan Mutlu, „habe einen großen Freundes- und Familien- Mutlu und Team fungieren als erste Anlaufstelle kreis. Mir fehlen einfach die sozialen Kontakte. für Mitglieder mit allen möglichen Anliegen. Am Auch das Arbeiten alleine zuhause über acht, Telefon werden diese aufgenommen und bei Be- neun, manchmal zehn Stunden fällt mir nicht darf an die entsprechenden Kolleg*innen, wie immer ganz leicht. Wir hatten immer ein beleb- z. B. Sarah Stille, weitergeleitet. tes Büro, viel Kommunikation. Davon lebt das Team auch. Ich habe tatsächlich etwas Zeit ge- Das Ganze geschieht effizient mittels einer Work- braucht, um mich mit den neuen Gegebenheiten flow-Management-Software. Vom Homeoffice anzufreunden.“ aus können die Mitarbeitenden auf das System 20 21
Das Krisenmanagement wurde der aktuellen Situation laufend angepasst. Ein Pandemieplan wurde aufgestellt, das IT-Sicherheitskonzept überarbeitet und veröffentlicht. Qualitätsmanagement. Insgesamt hat sich gezeigt, dass die Leistungs- fähigkeit unter dem hohen Grad der mobilen Ar- beit nicht gelitten hat. Unsere Erreichbarkeit lag durchschnittlich bei 95 %, was sogar eine Stei- gerung gegenüber den Vorjahren bedeutet. Auch Fort- und Weiterbildungen wurden durchgeführt – meist digital. Die Quote ist 2020 mit 52,41 % zwar Zusammen- insgesamt niedriger ausgefallen als in den Vor- jahren. Das lag jedoch größtenteils daran, dass ______Durch Corona standen wir vor der Heraus- Angebote abgesagt wurden und erst zu einem forderung, unsere Arbeit von heute auf morgen späteren Zeitpunkt eine digitale Durchführung neu strukturieren zu müssen. Wo immer es ging, möglich war. Anspruchsvoll war das Jahr auch sollten Kolleg*innen die Möglichkeit haben, zu- arbeit in für die Ausbildungsbetreuung. Hier hieß es, die hause zu arbeiten – noch bevor dies durch die Auszubildenden trotz Abstand und Homeoffice Bundesregierung angeraten wurde. Der Umbruch in die Arbeitsabläufe einzubeziehen und Lehr- kam plötzlich, aber die HANSA war bereits digital pläne zu erfüllen. Dass das gelungen ist, zeigen gut aufgestellt. Innerhalb weniger Tage waren alle die herausragenden Abschlusszeugnisse unserer mit Hard- und Software für das mobile Arbeiten Corona-Zeiten. Auszubildenden. ausgerüstet. Auch für die Mitarbeitenden, die nicht im Büro tätig sind, wurden sichere Lösungen gefunden. Wie arbeiten wir zukünftig? Die HANSA hat für sich eine neue Arbeitswelt Arbeitsorganisation und etabliert: remote, flexibel, digital. Wir haben eine Führung. Vielzahl neuer Medien und Techniken wie Video- konferenzen oder auch hybride Veranstaltungen Damit aber war es nicht getan. Denn der Wechsel kennengelernt. Und wir haben gelernt, welche Me- zwischen Homeoffice und Büropräsenz musste thoden für welche Anwendungsfälle geeignet sind. auch koordiniert werden. Hier waren insbeson- Der persönliche Kontakt ist nicht komplett durch dere die Führungskräfte gefragt. Abteilungs- Telefon oder Video zu ersetzen. Vieles aber wer- pläne machten transparent, wer an welchen Ta- den wir mit in die Zukunft nehmen. Jetzt gilt es, gen wo arbeitet. Es wurden regelmäßige Team- das Gelernte zu reflektieren und Regeln und Pro- besprechungen über Video abgehalten. Einer- zesse weiter anzupassen. Entscheidend ist, dass seits war eine engere Abstimmung, an anderer wir unsere Unternehmenskultur aktiv und kolle- Stelle für die Führungskräfte auch ein Loslassen gial gestalten. erforderlich. Denn Vertrauen ist die Basis für das Funktionieren virtueller Teams. Die Führungs- kraft war nun mehr denn je als Coach gefragt. Krisenmanagement. Gleich zu Beginn der Pandemie hatte sich ein Krisenstab unter Leitung des Vorstandes gebil- det. Zunächst täglich, später wöchentlich er- wog das Gremium per Telefonkonferenz, wie die Arbeit vor allem hinsichtlich der notwendigen März 2020. Ganz schnell musste sich die Kontaktbeschränkungen zu organisieren sei. HANSA neu organisieren. Was passierte Darüber hinaus galt es zu informieren: über das Verhalten bei möglichen Corona-Kontakten und genau? Ein Bericht von Ina Ordemann, über arbeitsmedizinische Vorsorge. 22 HANSA-Vorstandsassistenz. 23
Ein Zuhause ______Dr. Daniel Dettling ist Trend- in den nächsten Jahren um drei bis forscher und Politikberater sowie fünf Grad ansteigen. Alles, was zu Gründer des Thinktanks Institut niedrigeren Temperaturen führt, für Zukunftspolitik. Darüber hinaus Parks, Grünflächen, aber auch neue für die leitet er das Berliner Büro des Zu- Baumaterialien, intelligente Klima- kunftsinstitutes. Kernthema des anlagen etc., wird einen Boom er- Juristen und Verwaltungswissen- leben. schaftlers ist die „Balance von Poli- tik, Wirtschaft und Gesellschaft“. Zur Neo-Ökologie gehört Wir-Kultur. Sein aktuelles Buch trägt den Titel „Zukunftsintelligenz. Der Corona- Effekt auf unser Leben“. sicherlich auch, Mobilität neu zu denken. Wie wird das die Stadt verändern? Welche Entwicklungen prägen die Stadt der Die autofreie Innenstadt wird kom- Zukunft? men. In den nächsten zehn bis 15 Jahren werden sich Radfahrer und Fußgänger die Innenstädte zurück- ______Dr. Daniel Dettling erobern. Das Ideal der autogerech- Für die großen Städte sehen wir ten Stadt wird abgelöst durch die vor allem drei Aspekte. Da ist ein- Vision der 15-Minuten-Stadt. Be- mal der Trend der Einsamkeit. Die dürfnisse wie Arbeit, Freizeit, Kul- großen Städte werden Hotspots der tur, Einkaufen oder der Arztbesuch Singles. Und wir beobachten, nicht sollen innerhalb einer „Entfernung“ nur durch die Corona-Krise, eine von 15 Minuten befriedigt werden neue Einsamkeit auch bei den 16- können – und zwar per Rad oder zu bis 30-Jährigen. Fuß. Die Pariser Oberbürgermeiste- rin hat das Ziel als eine der ersten Zweitens spielt der demografische ausgerufen. Wandel eine Rolle. Gerade viele äl- tere Single-Haushalte sind doppelt betroffen. Durch das Alleinsein in der Pandemie, aber auch durch die Was bedeutet es, Einsamkeit, die es vorher schon gab. wenn durch weniger Den dritten Trend nennen wir Neo- Trendforscher Dr. Daniel Dettling Ökologie. Aufgrund des Klimawan- Autos mehr Raum über die Zukunft von Wohnen, Stadt dels wird die durchschnittliche zur Verfügung steht, Temperatur in den großen Städten 24 und Genossenschaft. 25
genauso durch das bislang eigentlich immer in der ei- Leben im Quartier Dazu gibt es Ansätze. genen Wohnung befriedigt haben, Homeoffice oder den in gemeinschaftlich genutzten Pro- nachhaltig zu gestal- Mit dem Pergolenviertel Wandel vom Statio- jekten und Räumen verwirklichen ten. gestaltet die HANSA ein können. Es ist eine spannende Sa- närhandel zum On- che für Baugenossenschaften, die hochintegratives Quartier. diesen gemeinschaftlichen Gedan- Die Notsituation ist heute die zu- Neben den Wohnungen line-Shopping? ken in der DNA haben, hier stärker nehmende Vereinzelung. Eine Bau- aktiv zu werden. genossenschaft müsste zur Nach- sind dort eine Behinderten- bargenossenschaft werden. Denn tagesbetreuung, ein In der Neuverteilung des öffent- wir werden nicht mehr wohnen, lichen Raumes liegt eine riesige Ist es nicht eher wie wir es gewohnt sind. Sondern Schwimmbad, eine Kita, Chance. Die Menschen erobern den öffentlichen Raum neu, treffen sich so, dass viele wir werden uns zunehmend nach- ein Hofladen, eine Fahrrad- barisieren. Die Engländer sagen zunehmend draußen. Das wissen gerade jetzt sagen: Co-Living. Wir gehen mehr in Inter- werkstatt vorgesehen. wir auch von Städten in anderen Regionen. All das werden wir durch „Ich brauche mehr aktion mit Nachbarn, weil wir Kon- takte suchen, weil wir Familie ge- den Klimawandel auch in Deutsch- Platz“? stalten. Auch der Nachbar kann zur Das geht genau in die Richtung. land haben. Familie gehören. Der kümmert sich Dann haben Sie hier das Kind und um die Blumen, passt auf die Woh- da die Oma und da die junge Mutter In der Konsequenz braucht man Absolut, das gibt es auch. Es gibt nung auf, wenn man im Urlaub ist, und da den mittelalten Mann. weniger Wohnfläche. Da sind wir Umfragen, nach denen 20 bis 30 aber wird zunehmend auch zur Be- in Deutschland relativ verwöhnt, Prozent der Befragten überlegen zugsperson im nahen Umfeld. Das Für diese Entwicklung sind die Ge- mit rund 45 Quadratmetern pro umzuziehen, wenn sich das Ho- Nachbarisieren als Trend zeigt sich nossenschaften mit ihrem ökolo- Einwohner. Wir werden diesen meoffice durchsetzt. Die sagen: vom Mehrgenerationenwohnen bis gischen und sozioökonomischen Raum aber gar nicht mehr in die- „Mehr Platz kann ich mir in Ham- zu intelligenten Pflege- und Alten- Eigeninteresse die besten Absender. ser Dimension brauchen, aus kli- burg nicht leisten, dann gehe ich projekten, in Fahr- und Urlaubsge- Ich sehe da ein großes Potenzial. matischen, aber auch aus sozialen eben 30, 40, 50 Kilometer weiter.“ meinschaften. Gründen. Aber eigentlich wollen sie doch in Hamburg bleiben. Zur politischen Was sind die sozialen Wenn man das jetzt intelligent um- Inwieweit ist das Dimension: Ist die setzt und sagt: Wir haben hier eine Gründe? Co-Working-Möglichkeit, die könnt eine Chance für Vorstellung naiv, ihr nutzen gegen eine Aufwands- Genossenschaften? dass mehr Leute in entschädigung, dann müsst ihr Alles was mit einer Co-Kultur zu tun nicht umziehen, braucht auch kei- Was müssen die um- der Stadt wohnen hat, wird wichtiger: Co-Working, ne größere Wohnung. Dann ist das stellen? Wo können können, wenn etwa Co-Living, Co-Mobility, bis hin zum natürlich sehr attraktiv für beide Thema Parenting, also Erziehung. Seiten. die besser werden? Kaufhäuser schließen Sie sehen es bei den Anzeigen überall, dass das gesucht wird. Die- Diese neue Stadtflucht ist übrigens werden und neue Genossenschaften sind ja die Platt- se Co-Kultur wird sich durchsetzen. nicht immer nur freiwillig. Die Leute formen, die Anbieter von intelligen- Flächen entstehen? Die Wohnung als „mein Castle, werden auch rausgedrängt aus den ten modernen Nachbarschafts- und mein Reich“, in dem ich alles erle- großen Städten durch eine mieter- Wohnkonzepten. Und da könnte ben will – hier kommt der Fernse- und eigentumsfeindliche, letztend- Das sehe ich gelassen bis optimis- man die gesamte Wertschöpfungs- her rein, da kommt das Büro rein, lich zukunftsfeindliche Politik. tisch, was den Einzelhandel angeht. bzw. Wohnschöpfungskette anbie- da das Bett, die Küche – das wird Für die Menschen sind es eher die ten – vom Einkaufen, über soziale sich überholen. Von daher braucht Geschäfte in ihrem Quartier, zu und andere Dienstleistungen, bis es auch solche privat-öffentlichen denen sie eine emotionale Bindung hin zum Thema Wohnen im Alter. Räume, wo man gemeinsam arbei- Die Entstehung der Bauge- Das ganze Paket drum herum. Das aufbauen. Wenn zunehmend Ge- ten, kochen, spielen kann. werbeflächen in den Zentren um- nossenschaften zielte darauf muss man nicht alles alleine ma- gewidmet würden, könnten dann chen. Da kann man sich auch Part- Die Einzelnen sparen dadurch Geld, ab, in einer Notsituation Raum ner reinholen. Das wäre eigentlich unten Kitas entstehen und in der weil sie kleinere Wohnungen haben, Mitte Wohnungen und oben ein aber sie haben einen sozialen und zur Verfügung zu stellen. eine neue Aufgabe für Genossen- Freizeitprojekt. Das ist eine neue schaften: Partner für das Wohnen lebensqualitativen Mehrgewinn, Heute geht es darum, das und Leben der Zukunft. Mischkultur, die sich nach Corona weil sie ihre Bedürfnisse, die sie entwickeln könnte. 26 27
Es ist ja vor allem eine politische Gibt es Beispiele? Zurück zur Genossenschaft. Frage, was sich hier durchsetzen wird. Sind genossenschaftliche oder Möglicherweise können viele der Paris greift massiv in den Markt gemeinnützige Träger willkommen ein und kauft viele Geschäfte auf. 20- bis 30-Jährigen mit dem Be- und werden auch entsprechend bei der Entwicklung beteiligt? Der Amsterdam gestaltet auch. Das griff wenig anfangen. Zugleich ist Stichwort lautet „Kommunalisie- Trend geht in diese Richtung. rung“. Aber gefragt ist intelligente diese Form der Organisation zeit- Es gibt gerade eine große Müdigkeit Kommunalisierung, nicht im Sinne gemäß und auch im Kommen. von „Wir zeigen es denen mal“ und oder Ernüchterung, was den real machen es dann staatlich genauso existierenden Einzelhandel angeht. fantasielos. Hier brauchen wir über Stimmt. In der Genossenschaft zeigt Gemeinschaft. Genossenschaften Viele Leute haben gemerkt, worauf Ausschreibungen intelligente Kon- sich das, was man auch Wir-Kultur sollten sich deshalb selbstbewusst es ankommt. Parkbänke und Grün- zepte etwa von Genossenschaften nennt. Auch der Gedanke der so- aufstellen und vermitteln: Wir er- flächen sind wichtiger geworden als oder Baugemeinschaften. genannten Sharing Economy spielt füllen euch diesen Traum, aber Kaufhäuser. eine Rolle: Teilen ist das neue Be- im Rahmen unserer Philosophie – In einem Drittel der Innenstadt sitzen. Das sehen Menschen aus Wohnen ist mehr als Eigentum. Von Und das Kleine wird wichtiger, das müssen in Zukunft Kinder eine grö- vielen Generationen so, aber gerade den Mitgliedern wird auch etwas Nachbarschaftliche, das Regionale. ßere Rolle spielen. Ein Drittel macht bei den Jungen ist das noch stärker erwartet. Sie können sich einbrin- Das Hyperschnelle, das Globalisier- Angebote für ältere Menschen und verankert. gen, sie sind Teil dieser Bewegung te, Kapitalistische wird unwichtiger. das weitere Drittel wird kreativ und „Sicherheit plus Solidarität“. Da frei genutzt – damit wir einfach die Laut Umfragen wollen 90 Prozent spielen Genossenschaften auch in Innenstadt auch wieder mit Leben gerne Wohneigentum. Aber sie Zukunft eine große Rolle. Wer entscheidet füllen. wollen auch Resonanz, Sinn und darüber, in welche Richtung sich Städte Würden Sie zustimmen, entwickeln? Das dass die Pandemie deutlich sind ja nicht nur wir gemacht hat, wie viel jetzt als Konsumenten. auch politisch möglich ist? Sind das Investoren? Sind das bestimmte Corona hat als tiefe Krise gezeigt, was alles möglich ist, wenn wir es Alterskohorten? wirklich wollen. Die Pop-up-Rad- wege in Berlin sind ein gutes Bei- spiel. Die Stadt hat das einfach Letztendlich wir alle über die Poli- gemacht, mit wechselnden recht- tik, als Bürgerinnen und Bürger. lichen Begründungen. Aber ge- Städte müssten wesentlich mehr blieben sind eben die neuen Rad- Möglichkeiten haben, auch abzu- wege. Ohne Corona hätte man das weichen im Bau- oder im Mietrecht. nicht gemacht, jedenfalls nicht so Und dann kann Hamburg entscheiden: schnell. Ich glaube, dass wir jetzt Wollen wir kommerzielle und pri- offener sind für eine radikal prag- vate Mieter gleichbehandeln oder matische Politik. nicht? Oder soll es gar gemeinnüt- zige Mieter in der Innenstadt ge- ben wie Kitas, Wohnprojekte und Schulen? Und Berlin macht es viel- leicht wieder anders. So entsteht ein Wettbewerb der Ideen und den brauchen wir. 28 29
Zuhause ______Genossenschaft ist Zusammenhalt und lebendiger Austausch. Deswegen gibt es bei der „Eine Genossenschaft ist HANSA viele Initiativen, Gruppen und Aktionen. auch eine Gemeinschaft.“ Corona hat diese Gemeinschaft herausgefordert in Quartier und auch eingeschränkt. Aber es gibt auch ganz neue Impulse. Insgesamt sechs ältere Bewohner*innen aus die- sem Umfeld hat Monika Bippart immer wieder unterstützt und tut das auch heute noch, ein Jahr später. Nachbarschaftshilfe – und Nachbar- Solidarität, die berührt. „Viele waren damals sehr unsicher zu Beginn der Pandemie: ‚Was darf ich? Kann ich mich über- haupt vor die Tür trauen?‘“ ______Zu Beginn des ersten Lockdowns im März schaft. 2020 hat die HANSA sämtliche Treppenhäuser in Diese Menschen hat Frau Bippart beim Arztbe- allen Liegenschaften mit großen Plakaten ver- such begleitet, zum Notariat gefahren. Sie hat sehen. Gesucht waren Menschen, die bereit sind, für sie eingekauft oder auch mal eine Vollmacht andere zu unterstützen – beim Einkauf, bei Erle- bei der Bank abgegeben. Kleine große Dinge, die digungen und Besorgungen. Dazu konnte jeder auch Vertrauen voraussetzen. seinen Namen und seine Telefonnummer auf dem Plakat für alle sichtbar hinterlassen. Warum macht sie das? „Eine Genossenschaft ist auch eine Gemeinschaft. Das ist etwas anderes, Bereits in kürzester Zeit waren viele Aushänge als wenn man in einer herkömmlichen Wohnung mit zahlreichen Telefonnummern gefüllt. In grö- lebt.“ ßeren Wohnanlagen haben Bewohnerinnen und Bewohner ihre Hilfe gleich in mehreren Treppen- Monika Bippart hat das Gefühl, viel zu bekom- häusern angeboten. men und möchte daher auch viel geben. Seit ihrer Rückkehr ist sie vielfältig engagiert, bei HANSA- Über einen ganz anderen Weg ergab sich das En- Ausfahrten, für die Kinder auf dem Bauspielplatz gagement von Monika Bippart (63). Die pensio- „Die Kuhle“ oder bei brotZeit e.V., einem Projekt, nierte Projektmanagerin ist in Kaltenbergen auf- das das Schulfrühstück für Grundschulkinder gewachsen, mit 18 ausgezogen und vor etwa 10 sicherstellen möchte. Jahren in das Quartier zurückgekehrt. Ihre Mutter hat hier über 50 Jahre gelebt, bevor sie 2019 in ein Seniorenheim umzog. Die Tochter schrieb damals eine Karte an die Nachbar*innen, zur Information und als Dank für die gemeinsame Zeit. „An diese Karte haben sich im ersten Lock- down einige erinnert und die Telefonnummer Engagement, Initiativen, angerufen.“ Die Nummer von Monika Bippart. 30 Aktionen. 31
Masken fand kontaktlos an der Haustür statt. 40 weitere Masken folgten nur eine Woche spä- ter. Insgesamt waren es 300 für die Tafel. Hinzu kommen noch einmal 300, die frei und natürlich kostenlos verteilt wurden. „Es macht mich auch ein bisschen stolz, helfen zu können, und es hat mir eine unglaubliche Befriedigung gegeben, etwas zurückzugeben“, beschreibt Karin Krause ihre Motivation und macht dabei auch deutlich, dass sie nach krank- heitsbedingten Einschränkungen mit dem eh- renamtlichen Engagement ein neues, positives Wirkungsfeld für sich entdeckt hat. ______Ein weiteres Beispiel: Karin Krause (64) aus Steilshoop hatte früh die Idee, Masken als Mund-Nasen-Schutz zu nähen. „Der Anfang der Pandemie, das waren Tage der Lähmung. Wir Balkonkonzerte im Quartier haben uns gefragt, was müssen wir tun, um uns zu schützen. Mir war schnell klar, bei einer Dudenweg – eine Bühne für Tröpfcheninfektion kann Händewaschen nicht gemeinsamen Musikgenuss. ausreichen.“ Aus der Besorgnis, die wir alle gespürt haben, ______Gerade im Kultursektor geht nichts mehr. fenster am Klavier und lässt sich dann immer auch angesichts der „Unsichtbarkeit“ von Coro- Und dann geht doch ein bisschen etwas, weil wieder blicken für charmante Moderationen. na, kam der erste Impuls für Frau Krause. sich außergewöhnlich engagierte Menschen mit Sänger Timotheus Maas agiert auf dem Balkon. Ideenreichtum und Spontaneität eine besondere Als Expert*innen in Talkshows wochenlang dis- Bühne suchen und dem Publikum für einen un- „Es mussten extra Leute kommen und helfen, kutierten, ob das Tragen einer Maske etwas endlichen Moment das geben, was sich niemand das schwere Klavier ans Fenster zu bringen, bringt und woher wir Masken bekommen, hat sie kaufen kann: Freude, Inspiration und Unbe- und man muss alles genau planen, auch weil gehandelt. Die ersten Masken entstanden für sie schwertheit in Zeiten großer Verunsicherung. ich ohne Verstärkung spielen wollte“, berichtet selbst, für ihren Mann Herbert, für Freundinnen Hrubaru, die damals schwanger war und Weih- oder Bekannte. Drei Balkonkonzerte konnten die Bewohner*in- nachten ihren Sohn zur Welt brachte. nen des Quartiers Dudenweg im August und September genießen – unterstützt durch den Was treibt sie an? „Musizieren ist Beruf und Hilfsfonds „Kunst kennt keinen Shutdown“ der Berufung“, das eigene Programm konnte seit Kontaktlose Maskenüber- Hamburgischen Kulturstiftung. Monaten nicht aufgeführt werden. Es geht ihr gabe an der Haustür. nicht in erster Linie um den finanziellen Aspekt Auf der Rasenfläche hinter dem Haus am Tabu- und sie möchte auch nicht nur für sich, sondern latorweg befanden sich so viele Menschen wie für alle Künstler und Künstlerinnen sprechen: Dann hat sie sich gefragt: Wer noch könnte eine noch nie, selbstverständlich in gebührendem „Die meisten arbeiten Monate lang für ein Pro- Maske ganz besonders gebrauchen? „Die Kassie- Abstand. In diesem Haus lebt Pianistin Catalina jekt und dann fällt das aus und das wiederholt rerin im Supermarkt, Polizistinnen und Polizis- Hrubaru, erst seit dem Sommer, sie ist neu in der sich – und das ist psychologisch unglaublich ten, der Postbote, die Menschen bei der Stadt- Nachbarschaft. hart.“ reinigung. Eben diejenigen, die jetzt rausmüssen, um ihre Arbeit zu machen“, in einer Zeit der ge- Mit Blick auf die Balkonkonzerte sagt sie: „Ich botenen Kontaktvermeidung. hätte das gerne häufiger gemacht, wenn ich nicht Das Publikum ist begeistert hochschwanger gewesen wäre.“ Eine Recherche im Internet ergab: Die ehrenamt- und will mehr. lichen Helfer*innen der Hamburger Tafel haben Bedarf. Zusammen mit dem Posaunisten Tocha und Mit einer kleinen unbürokratischen Unterstüt- Bassbariton Timotheus Maas präsentierte sie zung durch den HANSA-Nachbarschaftsfonds Stücke von Telemann, Scarlatti, Bohm und Cho- wurden Stoffe erworben und die Produkti- pin. Hrubaru selbst sitzt für das Publikum un- on konnte starten. Die erste Übergabe von 43 sichtbar hinter dem geöffneten Wohnzimmer- 32 33
Kultur vor der Haustür – Weitere Wildblumenwiesen – musikalische Überraschun- zusammen draußen aktiv. gen von Rahlstedt bis nach Ottensen. ______Corona hat vieles eingeschränkt, aber mit seine Frau freuen sich über zwei Wiesen in der Abstand draußen sein – das war eine ganze Zeit Nachbarschaft und beobachten die deutliche Zu- lang möglich. Mit der Blumenwiesen-Aussaat- nahme etwa von Hummeln und Bienen. „Ich fin- ______Weil geplante Veranstaltungen und auch Aktion haben wir alle das Beste daraus gemacht. de es toll, dass die HANSA das macht. Das stärkt gesellige nachbarschaftliche Initiativen ausfal- die Gemeinschaft und die Insekten sind einfach len mussten, hat sich die HANSA überlegt: Was Acht Wildblumenwiesen haben HANSA-Mitglie- lebenswichtig“, so der 52-Jährige. können wir tun, um für einen positiven Moment der bereits 2019 angelegt. Ein Jahr später konnten zu sorgen und das Gemeinschaftsgefühl zu stär- sie sich erfreuen an einer bunten Blütenpracht Gemeinsam säen, gemeinsam staunen und Gu- ken? Die Idee: ein kleines Geschenk als klingen- aus Margerite, Klee, Mohn, Wiesenflockenblu- tes tun. Das sind drei gute Gründe, diese Aktion de Überraschung in den Innenhöfen verschiede- me und noch viel mehr. Insekten haben dieses fortzusetzen und die Flächen aufzustocken. Die ner Wohnanlagen. neue Nahrungsangebot dankbar angenommen. HANSA hatte für das Jahr 2020 zwei weitere ge- Das berichtet auch Oliver Pegelow, begeisterter eignete Areale ausgemacht: in Horn, am Letzten Immer mal wieder gab es in den vergangenen Anwohner am Martin-Mark-Weg. Pegelow und Heller, und in Barmbek, am Turnierstieg. Dort Jahren Aktionen unter dem Motto „Kultur vor der Haustür“. In 2020 haben sich Ute Bockel- mann und Sophia Schlamp vom Quartiers- und Freiwilligenmanagement ein buntes, aber vor al- lem musikalisches Konzept überlegt: „Kultur ist ein gutes Mittel, um Menschen zu erreichen, und gerade Musik spricht Emotionen direkt an.“ Von Ende Mai bis Anfang Juni gab es Darbie- tungen von sechs Künstlerinnen und Künstlern. Mitglieder in 18 Wohnanlagen freuten sich über Rock, Blues und Pop, Coversongs von Elvis oder Johnny Cash sowie leidenschaftlichen Poetry- Slam. Dabei fiel die Wahl bewusst auf Quartiere, die nicht über einen Nachbarschaftstreff verfü- gen. „Denn dort gibt es in der Regel bereits ein starkes Netzwerk“, sagt Ute Bockelmann. 34 35
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