ELAN LUKAS macht den Sack zu! - Landeskirche Schaumburg-Lippe
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AUSGABE 4 / 2019 WINTER ELAN Evangelisch-Lutherische Ansichten und Nachrichten Magazin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe LUKAS macht den Sack zu! Geschichten zur Weihnachtszeit
Vorwort Liebe Leserinnen und Leser! An den Tagen um den Nikolaustag herum halten Sie das neue ELAN-Magazin in den Händen. Ge- wöhnlich füllen wir zu diesem Tag Schuhe und Stie- fel der Kinder mit Geschenken und erinnern damit an die Güte des bekannten Heiligen. Doch auch Erwachsene lassen sich gerne beschenken. Des- halb haben wir einige Menschen darum gebeten, uns für diese ELAN-Ausgabe ihren persönlichen Blick auf die Advents- und Weihnachtszeit in Form einer Geschichte, eines Gedichts oder eines Bildes zu verfassen bzw. zu gestalten und diese unserer Leserschaft zu schenken. Dadurch ist dieser ELAN so etwas wie ein Geschen- kesack geworden. Vor dem Zuschnüren haben wir noch die „Geschichte“ des Evangelisten Lukas von der Geburt Jesu in zweifacher Ausführung dazu gepackt. Kurz vor dem Jahresende berichten wir zudem über besondere Veranstaltungen in unserer Landes- kirche, blicken auf die engagierten Arbeitsfelder der Flüchtlingsarbeit und der Synodenarbeit der Landeskirche. Natürlich fehlen auch Informationen über perso- nelle Veränderungen in unserer Landeskirche so- wie Ankündigungen von Konzerten und Veranstal- tungen in der Advents- und Weihnachtzeit nicht. Wir bedanken uns bei unseren Autorinnen und Autoren ganz herzlich dafür, dass sie diesen ELAN mit ihren Beiträgen angefüllt und unseren Leserin- nen und Lesern damit etwas schenken, was zum Schmunzeln, sich Erinnern und sich Freuen, zum Staunen und Nachdenken anregen mag. Ihnen und Euch allen wünschen wir eine wunder- bare Adventszeit, ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein friedvolles neues Jahr 2020! Ihre ELAN-Redaktion Karin Droste Beate Ney-Janßen Ulrich Hinz Foto: ©kd Ulrich Hinz, Karin Droste – Redaktion ELAN LKSL.de
Adventsgesicht Liebe ELAN Leserinnen und Leser, eine beeindruckende Szene spielte sich auf einem Bahnhof ab: „Bitte warten Sie hier!, sagte er zu dem Blinden auf dem Hauptbahnhof und ließ ihn an einer verkehrsgeschützten Ecke des Großstadtbahnhof allein. Er wollte ihm das Gewühle ersparen auf dem Wege zum Schalter, zur Auskunft, Inhalt zur Fahrplantafel und zur Post. Als er 2 Vorwort 3 Adventsgesicht zurückkehrte, sah er ihn schon von 4 TelefonSeelsorge weitem stehen, während die Men- 5 Dat Wichtigste schen an ihm vorbeihetzten, ein Kind 6 Erhole dich hier in Belum! ihn anstarrte, ein Gepäckkarren einen 7 Nix gibt´s nicht Bogen um ihn fuhr und ein Zeitungs- 8 Das Geschenkpapier 9 Kurzschluss an der Krippe verkäufer nach einem irrtümlichen 10 Weltgeschichte im Notquartier und vergeblichen Angebot fast scheu ich bin Gott wichtig. Er liebt mich. Er 11 Sensibel ineinanderfügt wieder von ihm wegging. Der Blinde meint es gut mit mir. Er ist mit meinen 12 Wann sind die Gottesdienste? stand ganz still. Er blieb 10 Meter von 14 Alle sind in der Kirche! Dunkelheiten nicht überfordert. Er hat ihm entfernt auch stehen. die Kompetenz in meinem Leben seine 16 Das Krippenspiel 18 Das nimmt kein gutes Ende Ein paar Augenblicke. Er musste sein Impulse zu setzen. Darauf verlasse ich 20 Alles anders… Gesicht ansehen. Er hatte den Ein- mich jetzt einfach mal ganz entspannt. 21 Mein Weihnachtsgedicht druck: Die Schritte um ihn her und 22 Perspektive die unbekannten Stimmen und all die 24 Hirzeböcke So kommt Gott zu uns: oft ganz an- Geräusche eines lebhaften Verkehrs, ders, als wir ihn uns vorstellen. In 26 Das Projekt „Kaleidoskop“ 28 Ende der 19. Landessynode die schienen für ihn keine Bedeutung seinem Wort, durch einen anderen 30 Regio-lokale Kirchenentwicklung zu haben. Er wartete. Es war ein ganz Menschen. Durch ein Lied. Er ist da. 32 Handwerkstag geduldiges, vertrauendes, ja... gesam- Er ist hier. Er ist bei Ihnen, egal wo sie 33 Landeskirchlicher Frauentag meltes Warten. Es war kein Zweifel 34 Am Vorabend des Reformationstages sich jetzt gerade bei der Lektüre des auf dem Gesicht, dass er etwa nicht ELAN befinden. Und er geht dann auch 36 Aus der Landeskirche 37 Termine und Veranstaltungen wiederkommen könnte. Es war ein mit, wenn uns manche alten Sorgen 41 Freud und Leid einzigartiger Schein der Gewissheit, drücken. Das hat er uns versprochen. ja Vorfreude darin: Er würde bestimmt Daran denken wir in der Adventszeit. wieder bei der Hand genommen werden. Er kam nur langsam los vom Ich wünsche uns allen so ein „Advents- Anblick dieses eindrucksvoll warten- gesicht“ wie es der Blinde auf dem den Gesichtes mit den geschlossenen Hauptbahnhof hatte: Ein ganz gedul- Lidern. Dabei dachte er: So müsste diges, vertrauendes und entspanntes eigentlich das Adventsgesicht der Warten, gerade dann, wenn wir Christen aussehen! - Nichts sehend, Manches in unserem Leben nicht ver- EL AN dennoch erwartungsfroh.“ stehen, oder wenn Manches passiert, Magazin der Evangelisch-Lutherischen was unser Glaube nicht fassen kann. Landeskirche Schaumburg-Lippe Der Monatsspruch Dezember sagt -Landeskirchenamt- Pressestelle es so: „Wer im Dunkel lebt und wem Eine gesegnete Adventszeit wünscht Bahnhofstraße 6 | 31675 Bückeburg kein Licht leuchtet, der vertraue auf Ihnen Internet: www.LKSL.de den Namen des Herrn und verlasse E-Mail: kontakt@lksl.de sich auf seinen Gott“ (Jesaja 50,10) Martin Runnebaum Adventszeit ist eine „Trainingszeit“ für Verantwortlich: Ulrich Hinz (uh) unseren Glauben. Ich übe mit Gott zu Layout/Design, etc.: Karin Droste (kd) Einband: 2019 © Karin Droste rechnen. Ich lasse den Gedanken zu, Mitarbeit: Beate Ney-Janßen (ade) *) Name von der Reaktion geändert! Geistliches Wort 3
Weihnachten in der Fot o: ©P .H enn ing TelefonSeelsorge E insamkeit, Enttäuschung und Traurigkeit: Für manche Menschen werden die Festtage schnell zur Belastungsprobe. Die TelefonSeelsorge Ostwestfalen, zuständig auch für den Bereich der Landeskirche Schaumburg, ist auch an den Feierta- emotional aufgeladen. Auch Familienkrisen sind an Weihnachten häufig Thema. Pauschallösungen kennt Julia nicht. "Das Wichtigste ist, erst einmal da zu sein und zuzuhören", sagt sie. Vor der Schicht stimmt Julia sich auf die Gespräche gen erreichbar. Etwa 75 Ehrenamtliche engagieren ein. Sie kocht sich einen Tee, redet ein paar Worte sich am Telefon und im Chat, dazu zwei Hauptamtli- mit dem Vorgänger. Jedes Jahr freut sie sich auf den che. Über 9500 Gespräche führten sie im Jahr 2018, kleinen, schön geschmückten Weihnachtsbaum im jedes davon im Schnitt 22 Minuten lang. Wer anruft, Dienstzimmer. Auch ein „süßer Teller“ steht für die bekommt ein offenes Ohr, kann seine Sorgen tei- Mitarbeitenden bereit. Es ist eine besondere Atmos- len – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Auch an phäre an Heiligabend – auch in der TelefonSeelsorge. Weihnachten. Was kommt, weiß Julia nie. Drei Stunden dauert eine Julia übernimmt gern an Weihnachten eine Schicht. Schicht, in der Nacht sind es neun – früh am Morgen Auch im letzten Jahr. "Ein Mann hat angerufen, so wird es manchmal ruhiger. Im Dienstzimmer steht Ende 50 vielleicht", erinnert sie sich, "er hatte so deshalb eine Couch, so dass sie auch mal die Füße darauf gehofft, dass sein Sohn mit dem kleinen Enkel hochlegen kann. Wenn Julia die TS verlässt, lässt sie ihn wenigstens an Weihnachten besuchen kommt. auch die Anrufe hinter sich – so gut es geht. Manch- Daraus wurde nichts, am Morgen kam die Absage.“ mal gehen die Gespräche ihr auch nach. „Vor einigen Julia hat versucht, die Gefühle von Trauer und Ent- Jahren“, erinnert sie sich, „hat ein Mann angerufen, täuschung mit auszuhalten. An den Feiertagen der sein Geschäft nicht mehr halten konnte. Zum brauchen das viele. Die Zahl der Anrufe steigt zwar Jahresende musste er schließen. Schon Vater und nicht, aber bestimmte Themen rücken besonders Großvater hatten den Laden geführt und er kam sich in den Vordergrund. Besonders in der Advents- und vor wie ein Versager.“ Dieser Anrufer hat Julia noch Weihnachtszeit werden sich viele Ratsuchende ihrer eine Weile beschäftigt. Wie es für den Mann wei- eigenen Einsamkeit bewusst. Schon Wochen vorher, tergegangen ist, weiß sie nicht. Die Anrufer bleiben ab Ende Oktober, rufen Menschen an, die sich fürch- anonym. Auch dieses Jahr wird Julia an Weihnachten ten vor den Feiertagen. „Wie soll ich die Feiertage eine Schicht übernehmen. Aufgeregt ist sie nach fünf bloß überstehen?“, fragen sie. Die gewohnte Struktur Jahren Dienst nicht mehr. Zwei-, dreimal lässt sie es des Alltags fällt in dieser Zeit weg, die Sehnsucht nach klingeln, sammelt sich – dann hebt sie ab: „Hier ist die Harmonie und Zugehörigkeit ist groß. Nicht immer TelefonSeelsorge. Gesegnete Weihnachten.“ kann sie gestillt werden. Keine Zeit im Jahr ist so Petra Ottensmeyer 4
1. Advent, Advent! O selig Tied! Nu singt dat füdder wiet un breet! Un jümmer klingt van Ort te Ort dat ole leiwe Gnadenwurt. Dat Wichtigste 2. De König kummt, hei is nich fern. Maakt wiet de Dür! Hei will man jiern van bi jück in’n Hachten König sien. Hei kloppt all an. Nu laat’t ühn rin. Wiehnachten 3. Ach leiwe Herr, wie sind’t nich wiert, dat du üsch wunnerbar hest ihrt. Du kummst ut’n hoogen Himmelriek Foto: ©kd un werst üsch armen Minschen gliek. A n den Abend ver Wiehnachten was anse up annern Stiens ook dreimal Kerken. Nahmdages erst fer te Kinner, denn Klocke sessen. Un nu harren sick de, de sick ut der warmen Staaben herut etruet harren, noch eis up den Pad doch schön, dür den Schnei un dür de Külle achtern Dörpe lang in de lüttge warme Kerken. Un weil sei dat mit der„Middernachtskerken“ irnst enahmen harren, würnse eben upMiddernacht losegahn un wunnern sick dat in Probsthagen de Kerken mit den emaaket unwürn up Klocke ölm noch eis na Kerken Segen anfong. egahn. De Kerken was noch eis benah vull ewurn. Un weil einige doa in den Bänken doch en bieten en Et duer nich lange, bet sei mie kriegen, dat se en meuen Indruck maaken, was de Predigt nich ganz Stunne telaate würn. Erst tüegen se en komischet sau lang. Gesichte, awer telest können se doa wier ower lachen. Wi hewwet denn noch en tiedlang tehoope Kort ver Middernacht gung de Kerken te Enne. Eier eseten, bet de Feute un de Neesens wier warme dat de Orgelspieler „O du fröhliche“ anstimme, würn. Un denn hewwet se sick up den Trüggewech kam jo noch de Segen. Wi ek de poar Strie na den na Stadt emaaket. Eier dat se wier in de Düster Altar gung, hüre ek Trampen achtern in der Kerken. nis rutjüngen, säen se noch: Dat Wichtigste van Wi ek denn an den Altar anekuamen was un mi Wiehnachten heeren se jo mie ekriegen: Den Segen. ümmedrahe, do sach ek, dat doa veier Lüe dicke in Winterjackens, Müssens un Schals inepaket in Wenn et denn in der Adventstied wier sau hille werd der Kerkendür stönnen un sick den Schnei van den un dütt un datt mott noch emaaket un bedacht wiern, Feuten trampen. un hier un doa is noch en Wiehnachtsfier, denn mott ek en hanten an düsse Begiebenhaat denken, un Wi denn de leste Strophe van „O du fröhliche“ esun- an düssen Satz: „Dat Wichtigste van Wiehnachten gen was, hewwe ek der Gemeinde noch fröhliche hewwe wi jo mie ekriegen: Den Segen.“ Wiehnachten ewünschet un sin na Kerkendür egahn. Ek was doch niee, wat dat up sick harre mit den veier Hartmut Ahrens Lüen, de doa ut der Külle keimen. Et stelle sick herut, dat se ut Stadthagen stammen un tehope Wiehnachten efiert harren. Un denn harren se sick owerlecht, se können doch na „Mid- dernachtskerken“ na Probsthagen gahn. Dat würe 5
„Erhole dich hier in Belum!“ Foto: ©ade R ia, meine Schwiegermutter, habe ich nicht gut kennenlernen können. 2008, drei Wochen nachdem mein Mann und ich geheiratet hat- ten, ist sie gestorben. In den Tagen nach ihrem Tod habe ich mich an eine schöne Episode erinnert, die Zum Weihnachtsfest treffen wir uns in Hemmoor, in dem Haus in dem ich groß geworden bin: mein Sohn Hannes, mein Bruder Lars und ich, mein Mann Ulli und dessen Mutter Ria. wir gemeinsam erlebt haben, und die zu meinen Es gibt Tannenbaum und Lichterglanz, gutes Essen liebsten Weihnachtsgeschichten gehört. und Geschichten über das, was war. Beim zweiten Glas Wein erzählt Ria von damals, als sie rund 60 „Erhole dich hier in Belum!“ Das Schild, am Orts- Jahren zuvor als Mädchen – fast schon als Frau – eingang von Belum, das wohl Touristen darauf aus dem zerbombten Hildesheim zu Verwandten hinweisen sollte, nicht weiter nach Cuxhaven zu nach Belum geschickt wurde. Ob das Schild damals fahren, sondern dort zu verweilen, ist die einzige bereits am Ortseingang stand, daran kann Ria sich Kindheitserinnerung, die ich an den kleinen Ort nicht erinnern, wohl aber, dass sie tatsächlich zur habe, der von der vielbefahrenen Bundesstraße 73 Erholung dorthin kam. durchschnitten wird. Ria gerät ins Schwärmen. Schön waren die Tage in Wir haben uns nie dort erholt, sind immer nur wei- Belum. Insbesondere, weil es zu jener Zeit nicht viel tergefahren. Zum Einkaufen in Cuxhaven, um einen Schönes in Hildesheim gab. Besonders deutlich ist sonnigen Tag am Strand zu verbringen oder – wenn ihr der kleine Schlachterladen in Erinnerung geblie- es ein besonderer Tag war – hoch oben auf einem ben. Nicht wegen der guten Wurst oder anderer Wattwagen sitzend nach Neuwerk zu kommen. Leckereien. Der Schlachterjunge Otto war es, der Wenig anziehend war dieser Ort Belum für uns. es ihr angetan hatte. Einer, den wir schnell vergaßen und über den wir uns höchstens amüsierten, weil doch wohl keiner Lust Kichernd erzählt sie, wie dieser Junge stets vor dem hatte, sich ausgerechnet dort zu erholen. Laden stand und immer freundlich zu ihr war. Ria, mit ihren 78 Jahren, blüht auf wie ein Teenager, während Wenn ich meine Schwiegermutter Ria nicht kennen sie Otto, den Schlachterjungen, mit ihren Erzählun- gelernt hätte, dann würde ich wohl heute noch so gen vor uns auferstehen lässt. Sie muss wohl in ihn denken und Belum mit nicht mehr als einem Schul- verliebt gewesen sein. Ob es einen heimlichen Kuss terzucken passieren. Ria hat meiner Erinnerung aber hinter dem Schlachterladen gegeben hat – womög- eine neue hinzugefügt: lich den ersten für die junge Frau? 6
Das Weihnachtsfest ist lang. An einem dieser Tage fahren wir durch norddeutsche Landschaften. Ent- Nix gibt ´ s nicht lang der Oste – gesprochen mit einem langen „O“ – kommen wir schließlich nach Belum. Schon zuvor hatten wir – wiederum kichernd – im Telefonbuch nachgesehen, ob Otto wohl noch in Belum lebt. Ein Eintrag passte. Da der Schlachterjunge von einst allerdings einen Allerweltsnamen hat, sind wir uns nicht sicher, ob er es wirklich ist. In Belum wollen wir zuerst wissen, wo denn nun der Schlachterladen war, an dem Otto tagaus, tagein der jungen Ria schöne Augen machte. Doch die Erinne- rung kann trügerisch sein. Rund um die Kirche fahren wir, die als unverrückbarer Anhaltspunkt in der Mitte Belums steht. Wo der Laden war – Ria kann sich auch nach der zweiten Umkreisung nicht erinnern. Dann ist da noch die Adresse aus dem Telefonbuch. Foto: ©kd Das zugehörige Haus ist schnell gefunden, wir parken den Wagen davor – und trauen uns nicht auszustei- J gen. Ob es der bewusste Otto ist? Ob da eine Frau ist, die zu ihm gehört? Ob er sich noch an Ria erinnern edes Jahr zur Weihnachtszeit werden viele kann? Was, wenn es nicht so ist? Wenn der Schlach- Geschenke verteilt. Mal etwas Nützliches, mal terjunge als alter Mann die Tür öffnet, Ria sich ihm etwas Gewöhnliches, mal etwas Liebes und vorstellt und sie in seinen Erinnerungen nicht mehr manchmal auch gar nichts. vorkommt? Ist es dann nicht besser, unverrichteter Ich beschenke jedes Jahr eine andere Person, die Dinge den Wagen wieder zu starten? es meiner Meinung nach verdient hat, mir wichtig Wir ziehen Ria noch ein wenig mit Otto auf und war, auch mal eine Überraschung zu bekommen. starten. Ganz einfach so. Das mache ich schon seit vielen Jahren. Manch Im darauffolgenden Sommer ist mir Rias Geschichte ein Beschenkter weiß bis heute nicht, von wem er wieder begegnet. In dem kleinen Hafen des winzigen bedacht wurde. Ortes Neuhaus an der Oste. Ganz in der Nähe von Es sind ganz unterschiedliche Menschen, die mich Belum. durch das Jahr begleiten. Und irgendwann ent- An einem schönen Sommertag bin ich an den vie- scheide ich ganz spontan, wem ich dieses Jahr eine len kleinen Booten, Kuttern und Schiffen vorbei Freude machen möchte. Und dabei spielt mir der geschlendert, die dort an der Mole träge dümpeln. Wert des Geschenkes absolut keine Rolle. Nicht groß, nicht neu und auch nicht luxuriös ist das Wichtig ist mir dabei die Geste, einfach mal Danke Boot, das mir ins Auge fällt. Weiß ist der Schriftzug zu sagen und zu zeigen, dass man an die Person auf den grünen Planken am Bug, „Ria“ steht darauf. gedacht hat. (kd) Ob Otto doch noch manchmal an sie denkt? (ade) 7
Das Geschenkpapier Foto: ©kd W eihnachten, es ist ja vor allem auch das Fest der Geschenke. Nie werde ich Weih- nachten 1983 vergessen. Bescherung am Heiligen Abend, zwischen Christvesper um 18 Uhr und Christmette um 23 Uhr, wie das eben immer so Meistens wird Gott ganz leise war. Unsere 5-jährige Tochter packt ihre Geschenke Mensch aus und fängt mit einigen von ihnen an zu spielen. die Engel Die kleine Tochter – gerade 1 Jahr alt – knistert nur singen nicht strahlend mit dem Geschenkpapier und ruft immer die Könige gehen vorbei wieder mit fast ausflippender Stimme: „Baby, baby die Hirten bleiben da!“ Größer ist ihr Wortschatz noch nicht. Das so bei ihren Herden schön knisternde und im Kerzenschein flimmernde meistens wird Gott Geschenkpapier versetzt sie in helle Aufregung, wäh- ganz leise rend der Inhalt des Paketes nur mäßig beeindruckt. Ich Mensch lächle. Ich weiß ja: Das Geschenkpapier ist ja nur die von der Öffentlichkeit Hülle. Das Wichtige ist doch der Inhalt, das Geschenk unbemerkt selber! Und ich denke: Ob Gott vielleicht manchmal von den Menschen traurig ist, das mir nicht selten die Hülle wichtiger nicht zur Kenntnis genommen ist als sein Geschenk? Da fasziniert uns die alte in einer kleinen Zweizimmerwohnung Geschichte vom Stall von Bethlehem immer wieder. in einem Asylantenwohnheim in einem Krankenzimmer Da rühren uns die vertrauten Lieder von der „Stillen in nächtlicher Verzweiflung Nacht“ und der „gnadenbringenden Weihnachtszeit“. in der Stunde der Einsamkeit Und Gott murmelt: „Ja, ja, ist ja gut. Das Papier ist in der Freude am Geliebten wichtig und gut. Aber packt`s doch `mal aus, was ich meistens für euch eingewickelt habe!“ „Ich komme als Kind, als wird Gott Mensch euch ganz nahe!“ Und mir fällt Psalm 73,28 ganz leise ein: „Gott nahe zu sein ist mein Glück!“ Gott kommt Mensch mir ganz nahe, begleitet und behütet mich, in Freude wenn Menschen und auch in dunklen Tagen. Das ist für mich der Inhalt. zu Menschen werden Heute erlebe ich Ähnliches mit den Enkeln. Ob sie wohl einmal in der Nähe Gottes ihr Glück finden werden? (Quelle: Andrea Schwarz, „Wenn ich meinem Dunkel traue“, S. 81f.) Wilhelm Thürnau, Wunstorf 8
Kurzschluss an der Krippe d ©k to: Fo „E igentlich musst du nur einen Knopf drü- cken, sonst nichts.“ Mit diesen unverfäng- lichen Worten bat mich mein Vater vor ein paar Jahren, beim Krippenspiel die Technik zu über- ist noch erleuchtet. Und während ich mich noch mit falschem Schuldgefühl stresse, merke ich auf einmal: Das Krippenspiel klappt trotzdem. Da liegt das Kind in der Krippe, kaum zu sehen, umgeben von Engeln. In wachen. Und so sitze ich da, am Mischpult, an Heilig der Kirche ist es nun so still, dass alle ihr Lied hören Abend. Vorne tummeln sich die Krippenspielkinder, können: Euch ist heute der Heiland geboren! Und so zuckersüß und aufgedreht. Die Eltern, nicht minder ist er da, der heilige Moment am Heiligen Abend. Keine nervös, füllen fleißig die Reihen. Am Ende ist die Kir- Verstärkung, keine Technik, kein Tamtam ist nötig, um che rappelvoll, eine gespannte Stimmung herrscht. Weihnachten zum Leuchten zu bringen. Es leuchtet Zunächst läuft alles wunderbar. Maria und Joseph von selbst. Die einfache und doch so unglaubliche Bot- ziehen fleißig durch die Kirche, Schafe stehen in der schaft, dass Gott uns so liebt, dass er wird wie wir. Das Gegend rum, von Hirten bewacht. Doch dann passiert leuchtet. Es leuchtet, wenn alle anderen Lichter ausge- etwas. Das Licht geht aus am Weihnachtsbaum. Hat hen. Es leuchtet, wenn dir der Schweiß ausbricht und da jemand aus Versehen den Stecker gezogen? Doch die Panik in dir hochsteigt. Es leuchtet, wenn du dich dann wird es auch hinten auf der Empore dunkel. Und in Grund und Boden schämst. Es leuchtet, wenn alles im ganzen Kirchenschiff. Ich komme ins Schwitzen. im Chaos versinkt. Es leuchtet, wenn du dich fühlst wie Was ist da los? Vollkommen ratlos betrachte ich die im Zappendustern. Wer im Scheinwerferlicht steht, auf Schalter vor meiner Nase. Habe ich aus Versehen der Sonnenseite, der braucht Weinachten nicht. Aber irgendwas angefasst? Nein, das kann nicht sein. wir, die im Finstern wandeln, im Chaos, die im Dunkel Moment, vorne blinkt auf einmal der Weihnachts- wohnen, in Trauer, in Angst, wir brauchen Weihnach- baum wieder auf. Dafür sind jetzt aber die Scheinwer- ten. Ich brauche Weihnachten, alle Jahre wieder, fer aus, die Kinder sind kaum mehr zu sehen. Und auch auch dieses Jahr. Besonders dieses Jahr. In der Kirche nicht mehr zu hören, denn die Mikros haben ihren wurden trotz allem noch drei weitere Gottesdienste Geist aufgegeben. Bei mir macht sich langsam Panik gefeiert. Während sich der Strom im Sicherheitskasten breit. Wenn ich doch nur wüsste, wofür diese ganzen in roten, grünen und weißen Bahnen fröhlich seinen Knöpfchen hier sind… Auch die Gäste um mich herum eigenen Weg suchte und daher für das folgende Musi- vergessen ihre andächtige Weihnachtsfreude und cal mit zig Kabeltrommeln Strom aus anderen Quellen werfen mir die bösesten Blicke zu. Ich würde gerne im angezapft wurde, schaffte es die Orgel leider nicht Boden versinken, stattdessen zucke ich wild mit den mehr bis zum 23 Uhr Gottesdienst. Am Ende wurde Schultern, um allen zu zeigen: Ich wars nicht! Inzwi- die Kirche nur noch durch Kerzen erleuchtet. schen ist es zappenduster, nur der Weihnachtsbaum Christiane Meyer 9
Weltgeschichte im Notquartier I n einem völlig abgelegenen Winkel des römischen Weltreiches, fast am Ende der Welt, in der Provinz Galiläa, musste sich ein kleiner Handwerker mit seinem Mädchen zu Fuß auf den Weg machen, von Nazaret nach Bethlehem. Maria und Josef hießen sie. zu ... ein Engel. Und sagte: „Hallo. Also ich bin hier, um eine wirklich gute Ansage zu machen. Eben ist im Ort da hinten, in Bethlehem, der Messias geboren worden. Der Retter! Der, der euch befreien wird, aufrichten, erlösen! Damit ihr mir glaubt, das hier sind die Kennzeichen: Der Das Problem: das Mädchen war hochschwanger. Und Kleine liegt in einer Futterkrippe. Und hat Windeln an. was das Schlimmste war: es war noch nicht mal klar, Ist wirklich so.“ Die Hirten guckten sich ungläubig an von wem. Von ihm konnte es nicht sein! Er hatte sie und meinten schon, jemand spiele versteckte Kamera überhaupt noch nicht angefasst. Und Maria behauptete mit ihnen. „Eine Krippe als Zeichen für einen künftigen dasselbe und erzählte was vom Heiligen Geist ... Herrscher? Und Windeln? Eine Retter, der in die Win- deln macht! Wers glaubt, wird selig. Genau ... und im Das unverheiratete Pärchen hatte es gerade so nach Himmel ist Party. Hahaha.“ Der Engel sah ihre Skepsis, Bethlehem rein geschafft, da setzten schon die Wehen drehte sich um, als hätte er Verstärkung mit, und flüs- ein. Josef versuchte, in einem sowieso schon überfüll- terte: „Los, Kollegen, ihr seid dran.“ Und dann ging der ten Dorf was zum Schlafen zu finden, und das mit einer Himmel auf. Wie ein Vorhang vor einer Bühne. Dahinter Frau, die vor Erschöpfung schon keuchte und gestützt die alles überstrahlende Wirklichkeit Gottes, der zu werden musste. Schließlich tat es auch eine Höhle mit Besuch kommt. Und eine Armee singender Engel, dass Stroh und ein paar Tieren drin. Keine Minute zu spät, der Boden bebte. Natürlich gingen die Hirten hinterher denn die Geburt ging schon los. rüber, um nachzusehen, ob sie alles nur geträumt oder Improvisation war alles: die Futterkrippe ein bisschen zu viel getrunken hatten. Nach längerer Suche fanden ausgestopft – fertig war das Bett. Und so kam der Kleine sie dann die Geburtsstation. Und weil es so war, wie wie ein Lamm in einem Stall zur Welt. „Jeschua“ sollte er ihnen der Engel und seine Kollegen beschrieben hatten, heißen, das stand vorher schon fest. Auf deutsch ‚Jesus’ wurden die unscheinbaren Umstände zum Zeichen für (das bedeutet ‚Gott rettet’). das größte Ereignis, das Menschen jemals passiert ist: Von dieser Notgeburt hatte kaum einer Notiz genom- Gott kommt zu Besuch, höchstpersönlich. Er steigt nicht men. Aber woanders, weiter oben, jenseits der Wolken, im Palast ab und geht auch nicht gleich wieder, son- war dieses Ereignis das wichtigste seit ... dem Beginn dern bleibt. Mindestens 30 Jahre. Eigentlich für immer. der Zeit sozusagen: lange vorbereitet, angekündigt, Das hatten die Hirten noch nicht wirklich kapiert. Sie dann gefeiert mit einem Riesenfest. Auf der unteren erzählten dem Liebespaar mit Kuckucks-Kind von ihrem Etage bekamen das nur ein paar Leute mit: eine Hand- Erlebnis. Und allen anderen, die sie trafen, auch. Und die voll Hirten saß draußen ums Feuer. Die Tiere waren Einzige, die sich nicht wunderte, war Maria. unruhig. Plötzlich trat eine Figur aus dem Dunkel auf sie Quelle: aus: Armin Kistenbrügge, #gottesgeschichte, 3. Auflage 2017, Verlag Bibellesebund, Gummersbach 2017 10
Sensibel ineinanderfügt Foto: ©kd J edes Jahr zu Beginn der Adventszeit, blättere ich mich durch die Fotos des zurückliegenden Jahres. Aus ausgesuchten Bildern sollen Kalen- der für viele liebe Menschen entstehen. Es gibt viele Bilder von unterschiedlichsten Begeg- nungen. Da sind die eigenen Eltern. Sie sind alt. Die Mutter dement. Die Veränderungen innerhalb eines Jahres kommen mir in den Sinn. Der Vater, er stützt und hilft so gut er kann. Immer wieder Besuche. Die Familie, Paten der Kinder, Freunde. Immer mehr Entfernung ist groß. Wo kann ich helfen, wo muss ich nutze ich diese Zeit , um innezuhalten, zurückzubli- abwarten, wie oft soll ich fahren und Dasein, um "das cken, mich an Erlebnisse und Erfahrungen zu erin- Altwerden in Würde" zu begleiten und bestmöglichst nern, die mir wichtig waren. Was soll bleiben, was zu unterstützen? ! Wann ist welcher Schritt wichtig. ist wichtig, was kann ich getrost vergessen. Bilder von den eigenen Kindern. Ich höre das Lachen, Die Adventszeit wünsche ich mir als entschleunigte das Weinen, das Singen, Jubeln und das Streiten. Die Zeit, so habe ich bei diesem Bilderrückblick doch sich verändernden Stimmen und Stimmungen. Da einige Stunden die Möglichkeit, in mich zu gehen kommt mir der Balanceakt zwischen Loslassen und und nachzudenken. beratend zur Seite stehen in den Sinn. Da gibt es wunderbare Naturaufnahmen zu allen Die immer wiederkehrenden Spannungsfelder aber Jahreszeiten. Aus unterschiedlichen Ländern, Land- auch die unendliche Dankbarkeit, dass sie da sind schaften, Pflanzen, Tiere... wie großartig ist unsere und unser Leben bunt machen, abwechslungsreich Erde gemacht! Das Staunen über Unberührtheit, und weit. Die Dynamik der Geschwisterkonstellation Schönheit und Ruhe. Die Freude darüber, wie Vieles zu beobachten, ist ein großes Erlebnis. Die Vielfäl- ohne menschliches Zutun einfach da ist, sich immer tigkeit im Alltag, in der Schul- und Studienzeit. Aber wieder verändert und erneuert. dann auch das ganz andere Leben im Urlaub. Die Entwicklung der einzelnen Kinder zu beobachten. Wie alles in der Natur aufeinander abgestimmt ist Wie jede und jeder seine eigene Nische findet und und sich sensibel ineinanderfügt. Das Sein in der uns als Eltern immer wieder staunen lässt. Natur. In der Erinnerung viel zu selten und wenn, dann als existentiell empfunden. Ich bekam jedes Einige Bilder zeigen die Patenfamilie von der Elfen- mal wieder Boden unter den Füßen zu spüren, ein beinküste. Seit einigen Jahren leben sie dort und Lob auf die Lippen und ein dankbares Staunen. wir sind einander sehr zugetan. Lachende Gesichter, viele Erinnerungen an das vergangene Jahr sind 11
positiv. Wir lernen uns immer besser kennen, sie sind ein Teil unserer Familie. Gegenseitige Hilfe, ein Geben und Nehmen. Und doch auch immer wieder Wann sind das Spannungsfeld zwischen dem Engagement und den eigenen Bedürfnissen. Und dann tauchen auch ganz schnell noch Bilder vor dem inneren Auge auf, denn heute die die sich, nicht selbst fotografiert, doch geradezu aufdrängen. Bilder von überfüllten Booten, menschenunwür- Gottesdienste? diges Leben in Flüchtlingsunterkünften, Ablehnung in unsrem Land. Wann wird Friede sein? Wie kann ich dazu beitragen? Advent, warten auf den Erlöser. Bilder, die meine Seele zum Klingen bringen. Geistliche Konzerte in der Kirche. Mit vielen Menschen Musik erleben, selbst teilzuhaben oder auch nur hören und spüren, B esinnliche Weihnachtszeit? Daran kann ich mich, wenn ich zurück an meine Kindheit im Pfarrhaus denke, nicht erinnern. Weihnachten war Hochsaison. Es startete mit den Vorbereitungen zum Basar am 1. Advent und endete mit dem 23 Uhr sehen und erleben. Gottesdienst am 24. Dezember. Viele Begegnungen mit Menschen als Gäste in unserem Haus und in der Gemeinde. Veranstaltun- Heiligabend war Großeinsatz für die ganze Familie. gen, die den Horizont erweitern, mir Mut machen, Die Gottesdienste liefen im Wechsel, manchmal immer wieder neue Wege zu gehen, nicht im Alten sogar parallel in Gemeindezentrum und Kirche, und steckenzubleiben. Musik belebt, verbindet, über- dazwischen wurden die Besucher über den Kirchplatz schreitet Grenzen. ein- und ausgeschleust. So will ich den Advent auch erleben. Mit viel Musik, Selbstverständlich wirkten wir alle im Krippenspiel die Seele füllen mit guten Klängen, Worten und mit. Die Rolle der „Maria" haben meine jüngeren Licht. Das Dunkel wird erhellt . Schwestern und ich über Jahre besetzt. Als ich mich Advent - Jesu Geburt ist nah! einmal darüber beschwerte, sagte meine Mutter: „Sei froh, dass du nicht das Kamel spielst." Wenn wir Sibyll Richter-Hanßmann nicht als Maria, Hirte oder König um eine Holzkrippe standen, dann flöteten, orgelten, lasen wir – oder wechselten die Kerzen am Tannenbaum aus. Den ganzen Tag über klingelte das Telefon, mit der immer gleichen Frage: Wann sind denn heute die Gottesdienste? Jeder von uns konnte die Uhrzeiten im Schlaf herunterrattern. Nach dem letzten Gottesdienst stieg mein Vater mit den immer gleichen Worten die Treppe zu unserer Wohnung hinauf: „Wer es wagt, noch einmal ‚Oh, du fröhliche’ zu singen, der kann was erleben!“ 12
Dann gab es Essen - und endlich Geschenke. Ich erinnere mich aber auch an einige Heiligabende, an denen selbst das nicht glatt über die Bühne lief und die Polizei vor der Tür stand: Menschen drohten sich, aus Einsamkeit oder Verzweiflung das Leben zu nehmen und wollten sofort einen Pfarrer sprechen. Oder es hatte einen tödlichen Unfall gegeben und niemand wollte den Eltern am Weihnachtsabend die Nachricht überbringen. Dann klingelte man bei uns. Foto: ©kd Trotzdem habe ich nur schöne Erinnerungen an die Weihnachtzeit. Es war laut und trubelig, aber nie stressig. Es war chaotisch, ja, aber es roch nach Bie- nenwachs und schmeckte nach Lebkuchenherzen. Wir hatten Heiligabend keine schicken Klamotten Geschenk kauft, die die Menge der Päckchen genauso an und es gab auch nichts Großartiges zu essen. Wir diskutieren, wie den pädagogischen Wert des Inhalts. lagen irgendwann glücklich auf dem Fußboden im Und wer wann was überreicht. Wohnzimmer und spielten mit unseren Geschenken. Hey, dachte ich da. Ein Glück, dass ich da ganz anders So entspannt halte ich es heute auch mit meiner geprägt bin. Ein Glück, dass wir nie Zeit für diesen Familie. So oft wie möglich, versuchen wir, uns mit Weihnachtswahnsinn hatten. Dafür war einfach zu dem Rest der Groß-Familie zu treffen, die zum Teil in viel zu tun. den USA lebt. Manchmal treffen wir uns irgendwo auf Nina Weger der Welt. Geschenke gibt es dann nicht. Wer will die im Koffer mitschleppen? Aber auch wenn wir zuhause sind, kaufen wir meist einen Tag vorher einen Baum, schmücken zusammen und am 24. Dezember trinken wir vormittags entspannt in der Stadt einen Kaffee, bevor dann zu Hause gekocht und der Weihnachtsabend eingeläutet wird. Nina Weger, geboren 1970, lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern als freie Autorin in Hannover. Neben Kinderbüchern Neulich erzählte mir ein Freund, er hätte gelesen, schreibt sie auch Drehbücher für bekannte Fernsehserien. dass in Deutschland Frauen die Weihnachtszeit als In ihrer Freizeit leitet sie mit einer Freundin ehrenamtlich den "Kinderzirkus Giovanni", der mit dem "Deutschen die stressigste Zeit des Jahres empfänden. Ich war Kinderpreis" ausgezeichnet wurde. ernsthaft verwundert. Aber dann fielen mir diese Bilder ein, von perfekten Weihnachtsmenüs, Christ- Wer mehr Weihnachtliches von Nina Weger lesen möchte, bäumen, geschmückt in den Farben der Saison, den sollte sich ihr Buch „Club der Heldinnen: Weihnachten im neusten Kekstrends – vegan oder glutenfrei – und Internat“ holen – dort ist der Heiligabend ganz anders als kreativ selbstgebastelten Adventskalendern, mit eigentlich erwartet. denen sich Mütter und Väter übertrumpften. Dabei hatten sie doch gerade erst die Deko der Halloween- Party abgebaut. Und dann die Omas, Opas und Eltern, die sich gegenseitig verrückt machen, wer welches 13
"Alle sind in der Kirche!" 14
2019 © Ida Frehrking 15
Das Krippenspiel So heißt der Advent: die „Ankunft“, warten auf die Ankunft des Herrn! In unserer lauten und schrillen Zeit doch manchmal fern. In Meinsen in der Kirche proben heiter, der Pastor und seine Wegbegleiter. Mit dem Ziel an dieser Stelle zu Weihnachten auch mit Kapelle ein schönes Stück zu präsentieren, um sich möglichst nicht zu blamieren. Doch zu Beginn der Probenzeit Ist noch die Stimmung heiter, auch Sonne und Wolken ziehen noch langsam weiter. Denn schon im September oder spätestens Oktober startet der Zinnober. Welches Stück soll es werden, wie viel Kinder werden es sein, damit es am Ende für alle wird fein?! Willst du sprechen, singen oder doch nur spielen, gibt es einen Chor oder eine Band mit Vielen? Muss ich mich entscheiden Foto: ©kd oder kann ich mich doch zerteilen? 16
Eins ist sicher: …und ist nun bald alles an seinem Platz, Es gibt Streit! steht das Fest nah vor der Tür …denn das haben all die Jahre gezeigt! und bei manch Erwachsenem auch ein Magengeschwür! Und ist mit der Aufteilung auch nicht jeder gleich froh, In dem einen Jahr waren wir wirklich erschrocken, so geht er vielleicht auch nochmal denn das eine oder andere Kind weinend aufs Klo. hatte sich erbrochen. Auf einmal waren wir gar nicht mehr heiter, Bis das alles ist geklärt, denn der Infekt ging wie ein Lauffeuer weiter. vergehen bestimmt drei Wochen, Manch eine Familie hatte die Pest denn mit viel Grübeln hat es sich bewährt. nun wirklich an ihrem Weihnachtsfest. Wie werden wir uns organisieren, Bei all dem Trubel und Gewusel, wollen wir mit dem Chor zusammen proben fragt man sich, wozu denn diesen Dusel…? oder verleitet das doch nur zum Toben? Was ist der Zauber, wo ist das Glück? Maria, Josef, Esel und Schaf, wir nähen nach Bedarf. Seht selber, Polizist, Ritter oder Soldat, die Kinder geben uns zu Weihnacht alles zurück!! wir haben alles am Start! Das Krippenspiel in Meinsen Die Wochen ziehen ins Land hat große Tradition, und alle sind schon ganz gespannt. dass wissen auch die Kleinsten schon! Nur durch unermüdlichen Einsatz Nun startet der Advent hat Jeder und Jede wirklich seinen Platz Und uns fällt auf: und das ist doch der wahre Schatz. „Wir haben die Bühne verpennt“! Hektisch wird eine Umfrage an In großer Dankbarkeit, alle Väter gestartet, für diese wertvolle Zeit, denn die Bühne ist sehr hoch gestapelt. möchte ich noch Danke sagen, Wo steht der Stall und wo die Kulisse, denn eine Person ist immer bereit. was ist mit Technik und Co? Anne Struckmann ist ihr Name Wir haben Lukas – Gott sind wir froh! und sie ist eine ganz besondere Dame. Und steht nun alles an Ort und Stelle, Für die Großen oder Kleinen ist sie tritt Marlis Aumann über die Schwelle. ein wunderbarer Schatz, Ihr Blick geht zum Altar denn sie hat den wichtigsten Platz!! und heute ist Ulli auch zufällig da. Hilflos schaut er zu Anne Ich wünsche Ihnen und Euch viel und ruft: Freude an unserem Krippenspiel. „Hier fehlt noch die Tanne“! …denn auch das ist unser Ziel! Nena Blaume 17
Das nimmt kein gutes Ende Foto: ©kd N ein. Ich habe nichts gegen Weihnachten. Aber … „Kannst Du etwas zu Weihnachten für den ELAN schreiben?“ So oder so ähnlich hatte die Kollegin, werden Sie Kritik an übler Geschäftemacherei und fortschreitender Kommerzialisierung rund um das Weihnachtsfest zu lesen bekommen noch ein wei- teres Stück klebrig-süßer Erinnerung an irgendein „schönstes Weihnachten“. die ich so sehr schätze, gefragt, und leichtfertig hatte ich zugesagt. Das war im Sommer. Wozu auch? An Weihnachten ist nichts Besonderes mehr. Daran tragen nicht Hollywood, Coca-Cola, Geraume Zeit später die mahnende Erinnerung, Kaufhof oder Karstadt Schuld, das besorgt jeder in Kürze den Text zu liefern. Da war Totensonntag einzelne von uns. Angefangen mit der dieses Heft immer noch im weit entfernten Kalenderteil. Der vertreibenden Institution. Was wäre eine ländliche erste Impuls: Es muss etwas Besonderes sein. Nach Kirchengemeinde ohne Adventsbasar mit handge- so langer Zeit wieder für den ELAN tätig sein zu dür- strickten Nutzlosigkeiten und einem Adventsnach- fen, ist ohnehin eine Herausforderung, und als Lohn- mittag für Senioren? Was hat das mit Weihnachten schreiber fühlt man sich sowieso immer genötigt, zu zu tun? Welcher Verein wagt es, auf eine Weih- glänzen, wenn es um außergewöhnliche Aufgaben nachtsfeier zu verzichten? Welcher Kindergarten geht. Ganz besonders angesichts eines Themas, das lässt die zu Betreuenden mit dem ganzen Santa- in all seinen Facetten ganz sicher auserzählt ist. Firlefanz in Ruhe, weil die nächste Generation der Bildungsverlierer ohnehin schon wochenlang mit Hat man den ersten Reflex erst einmal erfolgreich einem Weihnachtsoverkill malträtiert wird? unterdrückt, kann ein solcher Beitrag sogar regel- recht zur Unterhaltung werden. Zumindest für den In den eineinhalb Jahrzehnten meiner Tätigkeit in Urheber. Schaumburg hat mich die Dichte an Advents- und Weihnachtsterminen im Landkreis und in jeder noch Warum sollte ich noch einen „Dreh“ finden wollen so kleinen Gemeinde immer wieder gleichermaßen oder sollen, etwas Besonderes zu Weihnachten zu beeindruckt wie befremdet. Vor allem eingedenk schreiben? Welcher Aspekt der Geschichte – von des Umstandes, dass das öffentliche Leben zwischen der Volkszählung bis zum Viehstall, von Weisen bis Weihnachten und dem Neujahrsempfang der SPD zu Wundern – wäre noch nicht theologisch, litera- Stadthagen schlagartig und vollständig zum Erliegen risch, historisch, juristisch, satirisch oder cineas- kam. Einzig die wackeren Wiedenbrügger haben tisch gewürdigt? Ich muss Sie enttäuschen. Weder einmal den lohnenden Versuch unternommen, 18
dieser wirklich tote Zeit Leben einzuhauchen und kurzerhand öffentlich den 5. Advent gefeiert. So viel Kreativität hätte mehr Lohn verdient. Nein. Ich habe nichts gegen Weihnachten. Aber ich habe etwas gegen Überfrachtung. Gegen Termin- überfrachtung und auch gegen jede Überfrachtung mit Erwartungen. Wenn jede Kirchengemeinde, jeder Verein, jeder Chor, jeder Kindergarten, jede DRK-Ortsgruppe und jeder Schützenverein, jeder Ortsverein einer politischen Partei, jede Einrichtung meint, etwas in der und zur Adventszeit unterneh- men zu müssen, wird das Besondere banal. Es spricht überhaupt nichts dagegen, zum dunkels- ten Zeitpunkt im Jahreslauf, zu Beginn des Winters und am Ende des Jahres, ein wirklich hübsches Fest zu feiern oder auch zwei, es sich gut gehen zu lassen und seinen Mitmenschen auch. Aber ein bisschen weniger nach außen gekehrte Gefühlsduselei, weni- ger Erwartungshaltung an den perfekten Monat, den einzigartigen Moment, den hervorragendsten Abend, und der Verzicht auf allzu platte Rituale und Slogans à la „Advent ist im Dezember“ – was per se Quatsch ist. Ein Blick in den Kalender der vergan- genen und auch künftigen Jahre vertieft da rasch die Kenntnisse – und „Weihnachtsmannfreie Zone“ würde das Jahresende gelegentlich ein bisschen weniger angestrengt wirken lassen. Zu den für mich unterhaltsamsten Ergüssen moder- ner Weihnachts-Unterhaltungskultur gehört ein Song von Eric Idle. Darin heißt es in einer Textzeile: „F..k Christmas / It’s a f…ing Disney-Show“. Exakt! Der Mann ist Experte. Immerhin hat der Monty- Python-Star schon vor 40 Jahren als Jesus-Darsteller am Kreuz gehangen und „Always look on the bright side of life“ gepfiffen und gesungen. Für den Spoiler bitte ich um Entschuldigung, denn nun weiß auch der Letzte, wie die Weihnachtsgeschichte ausgeht. Trotzdem kann man dieses Fest und diese Zeit feiern. Es muss ja nicht im 24/7-Rhythmus sein. Fotos: ©C. Oppermann Christoph Oppermann 19
Alles anders… Foto: ©il W ie ich das erste Mal an Weihnachten nicht nach Hause fahre. In diesem Jahr ist alles anders: Ich werde das allererste Mal Weihnachten nicht zu Hause sein. Gut vier Jahrzehnte habe ich immer mit derselben man machen. Aber dann fällt mir erstmal nicht mehr viel ein. Ich habe auf einmal unendlich viel Zeit vor mir. Kein planen, waschen, bügeln, Geschenke und Marzipan besorgen, packen. Komisch. Aber ich muss mich um Neues kümmern. Schauen, wo bekomme ich Kerngruppe gefeiert. Es kamen Gesichter dazu, blie- Ente, Pute, Hirschbraten… Oder muss ich das gar nicht? ben ein paar Feste, gingen – woanders hin oder auch ganz. Nicht an allen Tagen sind immer Alle zugleich da In diesem Jahr ist alles anders: Dafür gibt es mehrere gewesen. Aber während der Weihnachtszeit gab es Gründe, die uns in Summe bewogen haben, alles sie bisher immer, die Stunden mit der engsten Familie. anders zu machen. Einige sind wunderbar: Mit ein Beim Essen, beim Abwaschen, bei der gemeinsamen bisschen Glück traut sich erneut ein Mitglied des Mittagsstunde und immer wieder im Gottesdienst. Spä- Kernteams an Heiligabend in der Kirche eine große testens zu „Oh du fröhliche“ macht sich in mir für einen Rolle im Krippenspiel zu. Nach einem Chorengel im Moment ein tiefer Frieden breit. Zu Hause wohne ich letzten Jahr hoffen wir sehnsüchtig auf ein Schaf. Mal schon lange nicht mehr, war mal tief im Süden, mal um sehen, ob die Nerven das mitmachen. Anderes wiegt die Ecke, jetzt hoch im Norden – aber immer noch ganz schwer: Krankheit hat die Kerngruppe zu Hause tief nah dran. Mittlerweile habe ich ein neues Zuhause und erschüttert. Auf einmal war alles anders mitten im die Kerngruppe ist um das Kernteam ergänzt worden. Jahr. Ob wir nicht doch irgendwie fahren sollten – jetzt Was für ein Segen – auch, weil sie meiner Sehnsucht erst recht? Nein. Wir haben allen Bescheid gegeben, an Weihnachten gerne folgen konnten. Nach Hause lassen das Fest auf uns zukommen. Und auf einmal zu fahren. kommt da eine Einladung von den Nachbarn. Zum In diesem Jahr ist alles anders: Ich werde allersten Mal großen Putenessen am Wochenende vor dem Fest. mit dem Kernteam Weihachten feiern – und zwar die Seid Ihr da? Ja. Sind wir. Wie schön. Eine Adresse für kompletten Tage, ohne die Kerngruppe. Heiligabend das Geflügel zum Fest hier in der Region habe ich jetzt kennen wir das schon. Immerhin. Statt Kartoffelsalat auch. Ich kann es ja mal ausprobieren – die Gans, der und Würstchen hat sich das Kernteam gemeinschaft- Ofen und ich. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Ideen, lich für Hotdogs ausgesprochen. Traditionsverdächtig Chancen, Möglichkeiten tun sich auf. Alles anders an – darf man es doch als moderne Interpretation des Weihnachten – und das passt dann ja auch zum Kern Klassikers verstehen. Würstchen, Mayo, Gürkchen dieses Festes. Weil das der Anfang ist, da im Stall. Dass und Zwiebeln finden sich hier wie da. Lediglich die alles anders wird. Warten wir es ab! Kohlehydrate verändern sich – nun, so ist´s. Das kann Ines Langhorst 20
Mein Weihnachts- gedicht Foto: ©kd Weihnachten bringt Licht in die Welt, es erleuchtet die Herzen wie die Sterne am Himmelszelt und wie leuchtende Kerzen. Die Geburt von Jesus feiern wir, denn im Stall bei Ochs und Eseltier wurde er geboren um acht in der Heiligen Nacht. Das Krippenspiel machen wir mit, na klar, so ist es doch in jedem Jahr. Maria, Josef, Hirten und Weisen Gespielt von Kindern, egal wie sie heißen. Die Geschenke bringt der Weihnachtsmann, an Heiligabend fängt er an, während die Kinder singen und ihre Stimmen erklingen. Conrad Frehrking 21
Perspektive Foto: ©kd R, D E Z E M BeEdes Jahres vorbei. Kann mir ein er mal sagen immer an W , weshalb da Tag s h re se nd e, über 350 Was hat der eihnachten p a ssie rt Ja Zeitpunkt de ? ist da, n n a ht, kommt, gemeinsam s Weihnachts fests Weihn a c hte llerlei. mit diesen D -W e ih n a chtsgans-A Kann es sein , meint ihr, e iskussionen? m Tannenbau PER S PEK T IV in Blick auf d as Wort , mit E kann sich h m e n m it der Familie Nach dem h ier lohnen? usam ßt. eiligen Fest is Man sitzt z schlemmt und genie noch eine kn t für das Jah Freunde n , , Anek- appe Woche r h ic h te n v on damals Das Zurückli in Sicht. Gesc ießt. egende, die Erzählt sich s s d ie E r in nerung spr heit hat also Vergangen- a deutlich meh doten, sod r Gewicht. e Jahr? d u noch, das ein ßen? Der Blickwin kel, mit dem W e iß t ig d e n Zu cker verga ir Abend dort man an diese Als wir beim Kekste lic h k le in war? Als w Er geht zurü sitzt, ist also unumgänglic m wir k saßen? ser Kleiner rmelbahn ck, nicht nac h . Oder als un a u d e r M u das scheint ir h vorn – und beim Aufb gendwie verf zusammen h änglich. p r o s te t, d er Nachtisc PER S PEK T IV e l gelacht, g . E ist aber nic Es wird vie d gesungen Bezug auf de ht n ve r sp e is t u n n Rückblick zu ur in - PER S PEK T IV sehen. t e in e r q u er, mit Poli ein wenig be E meint auch , andere schieß jetzt Und dann h a ft lic h e n Fragen – sser zu verste hen. ells c en. tik, mit ges r gu m e nte gerung Wenn man n wird um A d icht engstirn g e r h it z t sich, es wir auf seinem S ig und stur un Die Stimm und debatti ert. Wenn man B tandpunkt b eharrt. gestritten ereitschaft ze sich nicht in igt, zu verste die eigene M hen und einung verna rrt. 22
Und so läu ft das nich nachtszeit t nur zur W – auch im eih- chreibt mein hilft e Alltag allge e in w e n ig größer s lt. in Wechse - e nn m a n Empathie t s d ie N e ugier behä l des Blicks . W en ste Nur so ent achvollzieh wickelt sich und zum N t, was man weg v alles weite k t, w o h e r das komm on „Ach, d as zählt od r, nur so ko mmt dere den lick auf die Welt? er wird do Was der an as is t s e in B Wenn wir ch nix!“ er meint, w n aufeinande r zugehen, iner eigene höhe bege uns hk u r z a u s s e Wenn wir g n en , s chätzen un auf Augen- nn man sic lösen verm ag. unse d achten. Es hilft, we K T IV E zu nen, geht e re Sinne nutzen, Neu P ER S P E enen s einfacher es (an)erke w e rden die eig als wir viell n- Ers t da n n rs stark. eicht dach e v e n tu e ll besonde Denn unse ten. Argumente re gemeins wel- hat die Kra ame Zukun in sc h ä tz e n kann, in ft und das Potential, ft Weil man e t und Weise, Version dass Niem Keiner. Kein and nimmt , Ar ent- Schaden. cher Form E R S P E K T IVE sich er. Keiner d er über sie isch e P ition. die gegner r g e ä u ßerten Pos ben Milliar den. t z u Wir müsse wickelt ha n nur lerne nte n, o d ie eig e n en Argume für die PER S PEK T IVEn ffen zu sein ell werden hwächt. die PER S P des Fremd Und eventu auch ein wenig gesc EK T IVE de s Anderen. en, gleichzeitig icht, weil sich der Dann könn Aber n n rächt. en wir erfo K T IV E n w echsel dan und viel m lgreich, zus ammen, ve P ER S P E ehr in eine bessere Zu reint s das kunft wand e il m a n e rkennt, das h ist. Unabhäng ern. Sondern w e n kein Wid erspruc farbe und ig von Reli gion, Sexu e s a n d e r vielen and alität, Hau Denken d eren Dinge t- eren g e n d w ie du mit and n dieser W elt. dere ir sen bist. Weil der an lebnissen, Erkenntnis Weil dann allen voran n, Er Erfahrunge die P E R S P E K T IVE des Mensc hseins zäh lt. Jannik Bad e 23
Als im Advent noch die Hirzeböcke kamen Foto: ©ablume N icht nur der Lichterglanz in den Städten und auf den Straßen, an und in den Häu- sern sowie die brennenden Kerzen auf dem Adventskranz verzaubern die Menschen in dieser vorweihnachtlichen Zeit. Es sind auch die Die sog. Hirzeböcke sind schon damals in Stadthagen und Bückeburg als Besonderheit der Advents- und Weihnachtszeit bezeugt. Jahr für Jahr, durch Jahr- zehnte hindurch, von einer Generation zur anderen, wurden sie vermutlich schon Anfang des 19. Jahr- ganz besonderen Gaumenfreuden, die nicht nur hunderts gebacken. In Bückeburg gab es z.B. den Kinderherzen höher schlagen lassen. Überall bietet „Schlossbäcker“, der Hofbäcker Barkhausen, und in sich uns eine Fülle an Köstlichkeiten wie Plätzchen, Stadthagen werden u.a. der Bäckermeister Hautau Lebkuchen, Zimtsternen, Christstollen und Marzi- auf der Obernstraße und Bäcker Deierberg auf der pan. Nicht zu vergessen: der Spekulatius, der durch Niedernstraße genannt. Ihre Backstuben und Öfen Gewürze wie Kardamom, Gewürznelke und Zimt gehörten mit zum Wohnhaus und sie buken mit seinen typischen Geschmack erhält. In Form von viel Mühe, Liebe und Sorgfalt noch in Handarbeit. Bildgebäck stellen seine Motive traditionell die Die aus dickem Eisenblech herstellten Backformen Nikolausgeschichte dar. waren nicht selten von der vorigen Generation über- nommen worden. Ihre fertigen Produkte boten die Davon, dass auch schon in vergangenen Zeiten die Bäcker im eigenen Hausladen zum Kauf an. Wenn Adventszeit mit ganz besonderen Leckereien ver- man die Haustür öffnete, meldete das Schellen einer bunden wurde, erzählt uns der bekannte Stadthä- kleinen Klingel das Kommen der Kunden an. Mit ger Heimatdichter und Zeichner, Friedel Peitmann Betreten des Hauses stand man sogleich im Laden, (1883-1914). Die vorweihnachtliche Zeit um 1900 denn Flur und Verkaufsraum waren nicht selten beschreibt er mit den Worten: „Wenn zur Advents- miteinander vereint. zeit das alte Kirchenjahr das neue in sein christliches Amt einweiht, wenn aus aller Herzen der Griesgram Zu jener Zeit wo es noch kein elektrisches Licht, kein samt seiner nächsten Verwandtschaft herausfliegt, Gas und keine Wasserleitung in den Häusern gab, weil er für die Dauer ein gar unbequemer Miets- hatten die Geschäfte noch keine Schaufenster wie mann wird, und statt seiner die alte, ewig neue wir sie heute kennen, sondern nur ganz kleine vor- Weihnachtsfreude verstohlen durch die halboffene gebaute „Fensterkasten“. Die kleinen Schaufenster Tür lugt, um nachzusehen, ob für sie darin noch ein und Verkaufsläden der Bäckermeister reichten zur Plätzchen frei ist, dann taucht auch noch anderswo Adventszeit jedoch bei weitem nicht aus, um die ein alter Bekannter auf: in den Bäckerläden, der großen Mengen des weihnachtlichen Backwerks Hirzebock.“ und Zuckerwaren auszulegen. So wurden die neben 24
dem Ladenflur an der Straße gelegenen Wohnstuben Auch der brave Kiepenkerl der ängstlich hinter dem leergeräumt und auf vielen Tischen an den Wänden Hirsch flüchtet, der wiederum in aller Seelenruhe ringsum die weihnachtlichen Köstlichkeiten ausge- am Fenster lehnt.“ Für Friedel Peitmann gehörten legt. Bei dem uralten, bereits im Mittelalter erbauten diese Pefferkuchen-Gestalten zum Weihnachtsfest „gotischem Haus“ des Bäckers Deierberg auf der wie das Christkind. Niedernstraße in Stadthagen befand sich das kleine halbrund vorgebaute Schaufensterchen links neben Die Hirzeböcke wurden immer gerne gekauft, weil sie der Haustür. Hinter dessen Glasscheiben brannte so weihnachtlich leuchteten und viele Kinder erfreu- stets ein winziges Petroleumlämpchen. ten. Das Weihnachtsbildgebäck war noch Mitte des 20. Jahrhunderts in Stadthagen bei Bäcker Hautau Trotz Dezemberregen oder Eis und Schnee wurden auf der Obernstraße im Schaufenster und Laden zu die Kinder nie müde sich die Nasen an den Fenster- bewundern. Mittlerweile sind die Zeiten, in denen scheiben platt zu drücken, um in die märchenhaft die Hirzeböcke die Kinderherzen höher schlagen ausgestatteten Schaukästen zu sehen. Hier gab es ließen aber längst vorbei. Eines ist jedoch geblieben: sie, all die vielen Süßigkeiten, die in den Adventswo- die Adventszeit ist gefüllt mit herrlichen Leckereien chen in den Häusern morgens in den Kinderschuhen und Gerüchen und es sind immer noch die Kinder, vor dem Fenster lagen oder Weihnachten am Tan- die diese Zeit mit voller Vorfreude und Spannung auf nenbaum hingen und die Weihnachtsteller füllten: das kommende Weihnachtsfest erleben. süße Zuckerkringel, bunter Baumbehang, würziger Alexandra Blume Spekulatius, mit Zuckerguss überzogene Kekse, Schokoladenweihnachtsmänner und duftende Mar- zipanfiguren und -törtchen. Vor allem waren es aber die leuchtend rotglasierten, etwa 30 cm großen, weißgezuckerten Hirzeböcke, die den Kindern besonders ins Auge fielen: Da gab es herrliche Weihnachtsmänner, Kiepenkerle, ebenso Engel, tapfer dreinschauende Soldaten, Trompeter und Reiter hoch zu Pferde. Aber auch Zeichnung Friedel Peitmann Stadtarchiv Stadthagen | Abdruckgenh. A. Blume Wasserträgerinnen, Hasen, Rehe, Hühner und schließlich Hirschböcke – die sagenhaften Hirzebö- cke, die dem Gebäck schließlich ihren Namen gaben. Angelehnt an Bonbongläser oder Fensterscheibe bil- deten die Lebkuchenfiguren mit ihren Korinthenau- gen in der Fantasie der Kinder eine ganz eigene Welt. Mit ihrer feuerroten Glasur und weißer Zuckerzier, in geradezu wunderbarster Weise verschnörkelt und garniert, waren sie so groß und so herrlich anzu- schauen: „Das erste da vorne ist ein knieender Engel, der sich uns im Profil zeigt, trotzdem hat er seine beiden Korinthenaugen nach vorn – links von der Nase – auf uns gerichtet, aber das verleiht ihm erst den wahren Heiligenschein, er sieht eigentlich himm- lisch aus. Auch der Soldat nebenan, der mit „Gewehr über“ um das Bonbonglas marschieren will, und der „General“, der hoch zu Roß hinterdrein galoppiert, sehen recht lebendig und unternehmungslustig aus. 25
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