FIEBERKURVE - ÖH Med Wien

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FIEBERKURVE - ÖH Med Wien
Fieberkurve 04/2021 | Zeitung der ÖH Medizin Wien
       Verlagspostamt: 1090 Wien P.b.b. Z.Nr. 04Z035482M

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Inhaltsverzeichnis

        Vorwort 									3
        Ankündigungen								4
        Vorsitz									5
        Impfstoff Entwicklung							                                   6
        Not so fast! - Zulassung von SARS CoV2 Impfstoffen		           10
        Impfstoff Plattformen					                                     13
        Block 26 Derma Bericht							                                  14
        Experteninterview Dr. Maurer						                             16
        globale Impfpläne u. Durchimpfungsraten				                    20
        Praxis vs. FamProp								                                     22
        Trapezfisch Trauma							                                      24
        Buchrezension Meditricks 100 Pharmaka				                      25
        Impressum									                                             26
        Kreuzworträtsel								                                        27

                              Vorwort
Die Sonne scheint warm vom Himmel, die Amseln stimmen ihren Frühlingsgesang
an und wir können endlich die kurzen T-Shirts aus dem Wäschestapel hervorziehen.
Während wir zum abermillionsten Male spazieren gehen, um uns an der Neuheit auf der
altbekannten Route, nämlich den frischen Blüten der Obstbäume, zu erfreuen, lasst uns
den vielen fleißigen Bienchen in Impfentwicklungs-Laboren, Impf-Straßen, Impf-Ad-
ministration etc. gedenken, die ihre täglichen Spaziergänge unter der warmen Sonne
opfern, um den Impffortschritt in unserem wunderbar-organisierten Lande anzutrei-
ben. Passend dazu das Thema dieser spritzigen Ausgabe: Impfen.
Alles Liebe und gute Unterhaltung wünscht euch euer PubRef!

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Ankündigungen

Einladung ins PubRef
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Vorsitz

Liebe Mitstudierende,
noch immer hält die Ausnahmesituation an und wir terhin im Krisenstab Lehre der MedUni Wien ein-
befinden uns nun schon im dritten Semester seit Be- bringen und stehen auch weiterhin im Austausch mit
ginn der Pandemie. Seit der letzten Fieberkurvenaus- der MA15.
gabe hat sich einiges getan.
                                                      Neben der körperlichen Gesundheit darf auch die
Wir haben gefordert und viel diskutiert, wir haben psychische Gesundheit nicht zu kurz kommen. Die
demonstriert und konnten zumindest einen kleinen mit der Corona-Pandemie verbundene Isolation und
Erfolg verbuchen: Das Chaos rund um die COVID- ihre Folgen bedeutet für viele von uns eine erhebliche
Impfungen für Studierende im 3. Studienabschnitt ist psychische Belastung. Um in der aktuellen Krise so
bald Teil der Vergangenheit, da alle Studierenden des gut wie möglich zu helfen haben wir dieses Semester
5. und 6. Jahres die Möglichkeit haben sich bis Ende einen psychologischen Betreuungsfond eingerichtet.
März impfen zu lassen! Eine spontane Impfaktion, Dieser soll Studierende in psychologischer und psy-
durch die 500 Studierende der beiden Jahrgänge ge- chotherapeutischer Betreuung oder Behandlung fi-
impft wurden, fand bereits Mitte März statt.          nanziell unterstützen.

So ein Erfolg motiviert uns, uns weiterhin tatkräftig        Wir sind an den Herausforderungen des letzten Jah-
für euch einzusetzen. Da nicht nur Studierende aus           res gewachsen und werden auch in diesem Semester
den letzten beiden Jahrgängen klinische Praktika ab-         alles dafür geben, eure Interessen zu vertreten. Bei
solvieren, ist es uns ein Anliegen, dass auch alle an-       Fragen, Kritik oder Anregungen stehen wir für euch
deren Studierenden zeitnah die Möglichkeit erhalten          wie immer via Mail, telefonisch oder über Social Me-
sich impfen zu lassen. Wir werden dieses Thema wei-          dia bereit.

                         von links nach rechts: Isolde, Yannick, Nani und Johannes

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Meilensteine in der
                       Impfentwicklung
         Oder warum der SARS-CoV2 Impfstoff dann doch plötzlich da war
                                             Autor: Patrick Fegerl

Du studierst doch Medizin, …                                Lebendimpfstoffe
Was hältst du von AstraZeneca?                              Die klassische Methode der Impfstoff-Entwicklung,
Wie funktioniert denn ein mRNA Impfstoff? Ich habe          die heute auch noch z.B. bei der MMR-Impfung, aber
gehört, der macht was mit den Genen…                        in Zukunft vielleicht auch gegen das SARS-CoV2 Vi-
Was heißt das, mir werden Viren geimpft? Ist das            rus zum Einsatz kommen wird, ist die Lebendimp-
nicht gefährlich?                                           fung mit sogenannten attenuierten alias geschwäch-
Sicher habt ihr zur Corona Impfung schon die eine           ten Pathogenen/Erregern.
oder andere Frage aus dem Verwandtenkreis bekom-            Die Methode geht auf den englischen Arzt Edward
men oder euch auch aus Eigeninteresse gefragt, was          Jenner zurück. Ende des 18. Jahrhunderts hatte man
denn so in euren M. deltoideus gespritzt wird. (außer       die Beobachtung gemacht, dass Milchmädchen gegen
ihr besteht immer auf den Hochstetter Punkt ;-) )           Pocken (Orthopoxvirus variolae) immun waren und
Deshalb fassen wir in diesem Artikel kurz zusammen,         bereits korrekt geschlussfolgert, dass die Immunität
welche Techniken zur Impfstoffentwicklung es gibt           auf ihre Exposition gegenüber Kuhpocken (Ortho-
und was für ein Quantensprung uns eigentlich mit            poxvirus vaccinia) zurückzuführen ist. Außerdem
den genbasierten Impfstoffen gelungen ist.                  hatte es die Praxis der Variolation aus Asien und Af-
                                                            rika nach Europa und Amerika geschafft. Dabei in-

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fizierte man Gesunde absichtlich in oberflächlich ge-         Der Vorteil von Lebendimpfungen ist, dass sie alt und
setzte Hautverletzungen mit dem infektiösen Sekret            erprobt sind, die Immunität sehr lange anhält -oft
aus Kuhpockenbläschen. Die daraus entstehende Po-             lebenslang- und der Impfstoff leicht und billig her-
cken-Erkrankung war weniger tödlich als natürlich             zustellen ist. Außerdem muss man kein spezifisches
erworbene Pocken - Betonung auf weniger. Jenners              Antigen identifizieren, bevor man mit der Impfent-
Verdienst war, die zwei Beobachtungen zusammen-               wicklung beginnt. Letzter Zeitvorteil wird aber gleich
zuführen und die Hypothese aufzustellen, dass man             wieder relativiert, wenn man bedenkt, dass das He-
eine Immunität gegen Pocken mit einer Variolation             ranzüchten eines nicht-virulenten Stamms viel Zeit
von Kuhpocken erreichen könnte. Aus heutiger Sicht            in Anspruch nehmen kann - es ist also kein Wunder,
leicht verwerflich kombinierte er die Phasen 0-3 von          dass noch kein Lebendimpfstoff gegen SARS-CoV2
klinischen Studien vermutlich ohne ausreichende               am Markt ist, obwohl bereits mehrere in Entwick-
Aufklärung und testete seine Hypothese an dem Sohn            lung sind. Weiters sind attenuierte Erreger (meistens)
seines Gärtners, den er absichtlich mit Kuhpocken in-         weiterhin reproduktionsfähig und es bestehen mehr
fizierte. Der arme Junge wurde daraufhin leicht krank         Sicherheitsbedenken als bei anderen Impfstoffen. Bei-
und nach überstandener Krankheit infizierte Jenner            spielsweise weiß man von der oralen Polio Impfung,
ihn mit humanem Pocken-Material…mehrmals, um                  die ab 1959 großflächig verwendet wurde, dass die
sicher zu sein, aber der Junge wurde nicht krank.             verharmlosenden Mutationen aus dem Labor zurück-
Nachdem Jenner seine Methode an weiteren Proban-              mutieren können und man einen sehr kleinen An-
den_innen testete und seine Entdeckung veröffent-             teil der geimpften Kinder dadurch mit Polio infiziert
lichte, verbreitete sich das Wissen wie Lauffeuer durch       hat. (Heute wird die orale Polioimpfung weiterhin auf
die Welt - immerhin hatten die Pocken eine Letalität          Grund des günstigen Preises v.a. in Entwicklungs-
von etwa 30%!                                                 ländern verwendet, wobei man einen der drei Polio-
1980 erklärte die WHO die Pocken für ausgerottet,             Impfstämme, den man für die echten Polioinfektionen
aber heute erinnert uns noch das Wort Vakzination             verantwortlich macht, entfernt hat.) Mit der zweima-
vom lateinischen vacca (Kuh) an diese „Urimpfung“.            ligen MMR-Impfung im Kindesalter bleibt aber wei-
Später probierte man den Erfolg, den man mit den              terhin ein Lebendimpfstoff im österreichischen Impf-
Pocken feierte, auf andere Erkrankungen zu übertra-           plan vorhanden.
gen. Da man aber selten ein so perfektes Impf-Virus
wie die Kuhpocken in der Natur findet, ging man dazu          Inaktivierte Totimpfstoffe
über, den originalen Erreger von der Erkrankung zu            Auf Grund der vielen Sicherheitsbedenken verwen-
verändern.                                                    det man heute zunehmend Totimpfstoffe, wie den in-
Dazu züchtet man auch heute noch den Erreger im               aktivierten Polioimpfstoff von Jonas Salk. Bei diesem
Labor und hofft, dass es zu einer zufälligen Mutation         Impfstoff werden Polio-Viren mit Formaldehyd „ab-
kommt, die das Pathogen weniger virulent/krank-               getötet“, also verlieren ihre Reproduktionsfähigkeit.
machend macht, oder man beschleunigt den Prozess              Es kann also keine Infektion mehr durch die Impfung
indem man Mutagene (Gifte, die zu DNA-Mutatio-                erfolgen, aber die Produktion des Impfstoffs erfordert
nen führen) hinzufügt. Im Endeffekt hofft man also            einen weiteren Schritt, nämlich die Inaktivierung der
darauf, dass der veränderte Erreger ähnlich wie die           Erreger, wobei aber die Antigene nicht beschädigt
Kuhpocken dieselbe Antigenität wie der originale Er-          werden dürfen, wenn die Impfung wirksam sein soll.
reger hat – also die erworbene Immunität gegen den            Dieser Schritt muss sorgfältig durchgeführt werden,
verharmlosten Labor-Erreger auch zu einer Immuni-             wie der Cutter Lab Vorfall zeigt, wo 1955 Polioerre-
tät gegen das echte Pathogen führt - ohne, dass es so         ger nicht ordentlich inaktiviert und ca. 40.000 Kinder
krank macht, wie der originale Erreger, also weniger          mit Polio infiziert wurden, was einen Abbruch der
virulent ist.                                                 ersten Massenimpfaktion in den USA zur Folge hat-
Bakterien im Labor heranzuzüchten ist relativ leicht          te und den Impfentwickler Dr. Salk fast zum Suizid
dank der heutigen Zellkultur-Technik und Wachs-               trieb. Es gilt also auch mit Totimpfstoffen vorsichtig
tumsmedien, aber bei Viren gestaltet es sich schon            umzugehen und eine ordentliche klinische Prüfung
etwas schwieriger. Klassischerweise infizierte man da-        zu unternehmen. Ein weiterer Nachteil von Totimpf-
für Hühnereier und bebrühtete sie, um die Viren an-           stoffen abgesehen von ihrer schwierigeren und damit
schließend aus den Hühnerembryos zu ernten. Heute             teureren Herstellung, ist ihre schwächere Immuno-
verwendet man praktischere und weniger grausame               genität: Sie rufen keine so starke Immunantwort wie
eukaryonte Zelllinien, um die Impf-Viren zu vermeh-           Lebendimpfstoffe hervor, was Auffrischungsimpfun-
ren.                                                          gen und Adjuvantien (Hilfsstoffe, die lokal immunsti-

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mulierend wirken und die Freisetzung des Antigens            tein translatieren. Dadurch spart man sich Produk-
verlangsamen) nötig macht. Die schwächere Impfant-           tionskosten und erhöht weiter die Sicherheit, da man
wort rührt unter anderem davon, dass es bei einer int-       hierfür den originalen Erreger nicht mehr in großen
razellulären Infektion normalerweise zur Stimulation         Mengen züchten muss.
zytotoxischer T-Zellen kommt, deren Aufgabe es ist,
infizierte Zellen (anhand der am MHC1 präsentierten          Toxoid & Polysaccarid Impfstoffe
Antigene) zu erkennen und ihnen –wie ein toxischer           Weitere Beispiele für Subunit-Totimpfstoffe sind To-
Computerspieler- zu sagen „Du bist infiziert und eine        xoid- oder Polysaccharid-Impfstoffe, wo chemische
Gefahr für das Kollektiv. Go kill yourself!“ und da-         veränderte Toxine = ungiftige Toxoide verabreicht
mit Apoptose einzuleiten. Da es bei Totimpfstoffen zu        werden, wie das bei der Tetanus-Impfung der Fall ist
keiner Infektion kommt, werden keine zytotoxischen           oder bestimmte Teile der Zuckerhülle/Glykokalyx, in
T-Zellen auf den Erreger scharf gemacht.                     die sich Bakterien gerne kleiden, wie bei der Impfung
                                                             gegen Neis. meningitidis oder Strep. pneumoniae.
Subunit Impfstoffe                                           Ein Großteil der heute verwendeten Vakzine sind auf
Der Begriff „Totimpfstoff “ umfasst aber noch eine           Subunit Basis, da die rekombinante Produktion billig
Reihe weiterer Methoden als nur Pathogene zu inak-           ist und man wegen der höheren Sicherheit keine Be-
tivieren. Oft werden die Erreger zerstückelt und auf-        denken haben muss, immunkompromittierte oder äl-
gereinigt, sodass im endgültigen Impfstoff nur ganz          tere Menschen zu impfen. Nachteile sind, dass, wie er-
spezifische Antigene vorhanden sind, sogenannte              wähnt, die T-Zell-Antwort nicht so stark ausfällt und
Subunits.                                                    der Antikörper-Mix weniger divers ist, da man ja nur
                                                             spezielle Antigene impft statt des ganzen Erregers. Das
Rekombinante Subunit Impfstoffe                              Immunsystem wird weniger stark stimuliert, da ande-
Man kann sich vorstellen, dass die Aufreinigung von          re Muster, an denen unser Immunsystem Pathogene
diesen Impfstoffen sehr aufwendig ist. Deshalb ver-          erkennt (PAMPs oder pathogen-assotiated molecular
wendet man immer mehr sogenannte rekombinan-                 patterns), fehlen, und eine gewisse Vorarbeit muss ge-
te Subunit Impfstoffe, wo man das Gen, welches für           leistet werden, indem man eruiert, welche Antigene
das Antigen-Protein kodiert, isoliert und in ein Plas-       des Erregers sich besonders gut eignen, um eine wirk-
mid verpackt, welches man anschließend von Bakte-            same Antikörper-Produktion zu stimulieren. Das hat
rien aufnehmen lässt. Diese genetisch modifizierten          sich beispielsweise beim Grippe-Virus als besonders
Bakterien kann man dann en masse in Bioreaktoren             schwierig herausgestellt, wo man weiterhin vergeblich
wachsen lassen, wo sie das gewünschte Antigen-Pro-           nach einem universellen Antigen sucht, das eine Im-

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munität gegen alle Influenza-Viren induzieren kann.           bauen sie ihr eigenes Tarnkappenflugzeug in Form
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RNA & DNA Impfungen                                           Fettkügelchen gepolstert ist die mRNA sicher vor den
Genbasierte Impfungen -die Newcomer in der Sze-               hungrigen RNasen und das ganze Vehikel (oder sollte
ne- funktionieren ähnlich wie rekombinante Subunit            ich sagen: Vesikel), wird über Endozytose in unsere
Vakzine, indem im Vorhinein ein bestimmtes Antigen            Körperzellen aufgenommen, wo es seine Passagie-
samt zugehörigem Gen identifiziert wird und dieses            re sicher freisetzt. mRNA hat aber auch innerhalb
dann rekombinant hergestellt wird. Nur statt das Gen          menschlicher Zellen eine recht kurze Halbwertszeit
in ein Bakterium zu injizieren und die Antigenpro-            von circa 10 Stunden und wird unter normalen Um-
dukte des Bakteriums in den Deltoideus zu spritzen,           ständen nicht ins Genom eingebaut (außer bei einer
spart man sich den Bioreaktortank voller genetisch            Infektion mit Retroviren). Der rasche Abbau macht
modifizierter Bakterien und macht sich die Protein-           die Dosisfindung leichter und man braucht sich keine
synthesemaschine in jeder einzelnen Zellen unseres            Sorgen über langfristige Wirkungen der mRNA ma-
Körpers zunutze, indem man das Gen entweder in                chen. Wer sich also vor Bill Gates Mikrochips fürch-
Form von mRNA oder als DNA injiziert.                         tet, braucht nur etwa 2 Tage mit Alu-Haube herum-
Einziges Problem: Jahrmillionen an Evolution und              laufen. Die meisten Nebenwirkungen der Impfung
der ewige Überlebenskampf gegen Viren und Bakte-              gehen sogar eher auf den Lipidanteil der Impfung zu-
rien haben unseren Körper dazu getrieben, alle mög-           rück, nicht auf die mRNA.
lichen Waffen gegen körperfremdes Material zu ent-            Bei DNA-Vakzinen wird man in Zukunft vermutlich
wickeln - unter anderem RNasen und DNasen. Das                zeitgleich zur Injektion einen kleinen Stromschock
sind Enzyme, die extrazelluläre RNA und DNA zer-              verpassen, der die Zellmembranen der Muskelzellen
stückeln und, in diesem Fall, den Impfstoff. Man muss         kurzzeitig für DNA durchlässig macht. Das läuft unter
die Antigen-Bauanleitung also undercover an unseren           dem Namen Elektroporation und wird sicher nicht
körpereigenen Abwehrmechanismen vorbeischum-                  einfach, kleinen Kindern mit einer Trypanophobie
meln. Dafür hat man zwei Ansätze gefunden. Gibt es            (Angst vor Spritzen) zu erklären!
doch gewisse Pathogene, die sich darauf spezialisiert         Zu den Vorteilen von genbasierten Impfstoffen ge-
haben, ihre Gene in unsere Zellen zu schummeln, um            hören ihre schnelle Modifizierbarkeit – kommt es zu
sie dann als Reproduktionsmaschinen zu missbrau-              einer Mutation, muss nur die mRNA/DNA Sequenz
chen: Viren!                                                  ein bisschen angepasst werden und voilà!
Um das Impf-Antigen-Gen in die Zelle zu schleusen,            Außerdem wird das Antigen jetzt intrazellulär an un-
modifiziert man also ein Virus (meistens die relativ          seren Ribosomen am rauen endoplasmatischen Reti-
harmlosen Schnupfen-Adenoviren), sodass es das                kulum synthetisiert (MedAT Flashback anyone?) und
erwünschte Gen für das Impf-Antigen enthält und               kommt dadurch zuerst intra- und später auch extra-
macht dabei (meistens) gleich ein paar andere Virus-          zellulär vor. Das hat zur Folge, dass die Antigene auch
Gene kaputt, damit es nicht mehr replizierfähig ist –         über die MHC-Komplexe präsentiert werden, was
also keine Ansteckungsgefahr besteht. Diesen Ansatz           unter anderem die T-Zellantwort hervorruft, die bei
verfolgen AstraZeneca, der russische Sputnik-Impf-            herkömmlichen Subunit Vakzinen fehlt oder zumin-
stoff und einige andere. Problem bei der Sache? Viele         dest spärlich ausläuft.
von uns haben bereits den ein oder anderen Schnup-
fen durchgemacht und Adenoviren-Antikörper im                 Fazit
Blut. Diese können das Impf-Virus abfangen bevor es           Man kann also sagen, dass durch die Corona Pande-
überhaupt in eine Zelle gelangt. Deshalb verwendet            mie die weltweite Impfentwicklung einen deutlichen
man sogenannte low-prevalence Serotypen, also sel-            Sprung in der Adaption neuer Impfstoff-Entwick-
tene von den über 50 Adenovirus Versionen und ver-            lungsmethoden gemacht hat. Wenn sie sich in der
abreicht eine zweite Impfung, die auf einem anderen           Pandemie bewähren, werden genbasierte Impfstoffe
Serotyp basiert, sodass die Wahrscheinlichkeit, dass          vielleicht nach und nach die bisher etablierten Me-
man gegen beide bereits im Vorhinein immun ist sehr,          thoden ersetzen, sowie es davor die Subunit Vakzine
sehr gering ist.                                              getan haben.
Pfizer/BioNTech, Moderna, Johnson und sein Bru-
der Johnson verfolgen eine andere Strategie. Statt sich       *Neben dem Wahlfach „Infectious Diseases and Vac-
auf ein Virus zu verlassen, die mRNA, die übrigens            cination“ bildete der großartige Artikel „Vom Hühner-
problemlos mit PCR vervielfältigt werden kann, am             ei zur Gentechnologie“ aus der Zeitung der deutschen
Immunsystem vorbei in eine Wirtszelle zu schleusen,           Apotheker eine Grundlage für diesen Artikel.

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„Not so fast!!“
    Zur Frage der Geschwindigkeit der Zulassung von COVID-19-Impfstoffen.
                                            Autor: Nils Hofmann

Spätestens vor ein bisschen mehr als einem Jahr ka-     Die EMA
men die Auswirkungen der Pandemie aus den fern-         Der europäische Wirtschaftsraum (EWR) verfügt
geglaubten Nachrichten in unser aller konkreten Le-     über eine im Zuge der Integration der Mitgliedsstaa-
benswelt in Europa an: Im März 2020 verkündeten         ten geschaffene zentralisierte Institution, um Themen
die Regierungen die weitgehende Einschränkung des       rund um Arzneimittel supranational einheitlich lösen
öffentlichen Lebens. Grenzen wurden geschlossen         zu können: die European Medicines Agency (EMA).
und Verkehrsmittel stillgelegt. Seitdem richtet sich    Im Jahr 1995 gegründet, war ihr Hauptsitz zuerst
die Hoffnung auf die flächendeckende Impfung. Mit       jahrelang in London. Im Zuge des Brexits wurde sie
Johnson & Johnson wurde nun ein weiterer Impf-          allerdings 2017 nach Amsterdam verlegt. Sie erfüllt
stoff innerhalb dieses Jahres zugelassen. Doch nicht    verschiedene Aufgaben. Unter anderem entwickelt
ohne scharfe Kritik: Impfskeptische Parteien und        sie Leitlinien und sammelt als ein zentraler Informa-
Bewegungen warnen vor „Genmanipulation“ und             tionsdienst europaweit Daten über klinische Studien
zweifeln nach den schnellen Entwicklungs- und Zu-       und Arzneimittel. Außerdem überwacht sie bereits
lassungsprozessen an der Wirksamkeit der Impfstof-      zugelassene Medikamente im Zuge der Pharmakovi-
fe. Anderen kann es aufgrund der wiederkehrenden        gilanz.
Maßnahmen, der Belastung der Wirtschaft und der         Es gibt sieben Ausschüsse, die sich jeweils auf be-
andauernden Beschränkung des öffentlichen Lebens        stimmte Themen konzentrieren. So gibt es beispiels-
gar nicht schnell genug gehen. Die EU verschenke        weise einen Ausschuss für Tierarzneimittel, einen für
kostbare Zeit. Vakzine müssten so schnell wie mög-      seltene Erkrankungen und einen für Pädiatrie. Der
lich zugelassen werden. Wie genau funktioniert der      Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) beschäf-
Zulassungsprozess in der EU eigentlich und welche       tigt sich mit Zulassungsanträgen für Medikamente
Möglichkeiten gibt es, diesen zu beschleunigen?         von Pharmaunternehmen. Das politische System der
                                                        EU zwischen Bundesstaat und Staatenbund erfordert
                                                        verschiedene Arten von Zulassungsverfahren. Phar-
                                                        maunternehmen wählen einen Zulassungsweg und
                                                        bezahlen daraufhin die EMA, damit sie den Zulas-
                                                        sungsantrag bearbeitet.
                                                        Innerhalb des EWR ist es für Unternehmen möglich,
                                                        einen zentralen oder einen dezentralen Zulassungs-
                                                        antrag zu stellen. Der zentrale Antrag muss direkt bei
                                                        der EMA gestellt werden. Alle notwendigen Daten
                                                        der Studienphasen sind gesammelt mit dem Antrag
                                                        vorzulegen. Alle Studienphasen müssen dement-
                                                        sprechend bereits abgeschlossen sein. Die EMA prüft
                                                        daraufhin, ob der Nutzen das Risiko überwiegt. Ab-
                                                        schließend berichtet sie der Europäischen Kommis-
                                                        sion ihre Ergebnisse, auf Basis derer die Kommission
                                                        nach Konsultation der Mitgliedsstaaten den Antrag
                                                        genehmigt oder ablehnt.
                                                        Dezentrale Verfahren werden in einzelnen Mitglieds-
                                                        staaten von nationalen Behörden bearbeitet. Bei einer
                                                        Zulassung werden die Ergebnisse der nationalen Be-
                                                        hörde von anderen Mitgliedsstaaten geprüft, um dann
                                                        auch im eigenen Land das Mittel zuzulassen. Allein
                                                        die Bearbeitungsverfahren dauern oft mehr als ein
                                                        Jahr. Wie konnte die EMA diesen Prozess für die CO-
                                                        VID19-Vakzine so stark verkürzen?

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Rolling-Review                                          Großbritannien hingegen war bis Ende 2020 Teil des
Aus zwei Gründen: Zum einen hat die EMA im Falle        Systems der EMA. In Andeutung des nahenden Bre-
der COVID-Vakzine von Beginn an ein sogenanntes         xits erfolgten in GB Anfang Dezember nationale Not-
Rolling-Review-Verfahren angewendet. Das bedeu-         fallzulassungen, die keiner Zustimmung der EMA,
tet, dass Pharma-Unternehmen bereits während der        sondern nur der nationalen Gesundheitsbehörde, der
Durchführung ihrer Studienphasen Daten an die Be-       Medicines and Healthcare products Regulatory Agen-
hörde übermitteln konnten und dazu Feedback erhal-      cy (MHRA) bedürfen.
ten haben. Dementsprechend musste die EMA nicht         Bis zur Gründung der EMA wurden Arzneimittel aus-
rückschauend alle Daten auswerten, sondern war          schließlich national in dem jeweiligen Mitgliedsstaat
bereits voll im Bilde. Gleichzeitig konnten sich die    zugelassen. Nationale Gesundheitsbehörden prüften
Unternehmen bereits während der Studienphasen am        dahingehend, ob eine Zulassung für das Staatsgebiet
Feedback der EMA orientieren. Zum anderen handelt       erfolgen kann. Mit Gründung der EMA wurde die-
es sich bei der Zulassung der Vakzine von Pfizer, Mo-   se Aufgabe eigentlich abgetreten, rechtlich sind sie
derna und AstraZeneca um eine bedingte Zulassung.       als Ausnahme von der Zulassungspflicht aber weiter-
Sie erlaubt in Notsituationen die vorläufige Zulassung  hin möglich. Der Weg eines nationalen Alleingangs
von Arzneimitteln ohne vollständigen Abschluss der      wurde auch in Deutschland öffentlich diskutiert. Der
Studienphasen für ein Jahr, wenn die EMA zu dem         deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn argumen-
Ergebnis kommt, dass die Evidenz für einen sicheren     tierte aber gegen ein solches Verfahren, um die brei-
Einsatz bereits ausreicht. Wieso erfolgte die Zulassung tere gesellschaftliche Akzeptanz der Impfstoffe mittels
in anderen Ländern dann trotzdem teilweise wesent-      einer transparenten Zulassung zu ermöglichen.
lich früher als ein Europa?                             Die Mitgliedsstaaten haben sich für ein zentrales Vor-
                                                        gehen und gegen nationale Alleingänge entschieden.
Notfallzulassungen                                      Eine bedingte Zulassung beschleunigt den Prozess,
Die Food and Drug Associtation (FDA) prüft grund- aber ist keine Notfallzulassung. Dementsprechend
sätzlich in einer ähnlichen Struktur wie die EMA. Al- fußt sie zum einen auf höheren Evidenz-Standards.
lerdings gibt es die rechtliche Möglichkeit zu Notfall- Zum anderen ermöglicht der Abbau von bürokrati-
zulassungen, Emergency Use Authorizations (EUA), schen Hürden und die Bündelung der Kräfte einen
wenn das Gesundheitsministerium einen Notstand schnelleren institutionellen Prozess, an dessen Ende
ausruft. Der Ausnahmezustand wurde in den USA der Stempel einer Zulassung steht, der in anderen
ausgerufen, weshalb die Vakzine vor ihrer offiziellen Ländern weiterhin fehlt.
Zulassung verwendet werden durften.

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Impfstoff-Plattformen
               der beschleunigende Faktor in der Impfstoff-Entwicklung
                                            Autorin: Stella Goeschl

Innerhalb eines kurzen Jahres haben wir den Aus-         Diese Art von Impfstoff-Plattform-Technologie steht
bruch der COVID-19 Pandemie, den Verlauf der             im Kontrast zur konventionellen Herangehensweise
globalen Gesundheitskrise und die Entwicklung und        an die Impfstoff-Entwicklung über den sogenannten
Anwendung von Impfstoffen gegen das Coronavirus          „one bug, one drug approach“, bei der für jeden Er-
SARS-CoV2 miterlebt. Eine Impfung nur ein Jahr           reger ein gesonderter Impfstoff „von null“ entwickelt
später war für die meisten von uns kaum vorstellbar.     wird. Nicht nur können Plattform-Technologien die
Und doch wurden innerhalb kürzester Zeit eine Reihe      Impfstoff-Entwicklung beschleunigen und effizienter
an Impfstoffen entwickelt, getestet und zur Anwen-       gestalten, sie bieten auch nachhaltige Ansatzpunkte
dung bereitgestellt. Der Trick der Wissenschaft liegt    für ähnliche Erreger und entsprechende Impfstoffe,
in diesem Fall in den Impfstoff-Plattformen.             und leisten somit einen großen Beitrag zur Ökonomi-
                                                         sierung der Impfstoff-Herstellung.
Plattform-Technologien, oder Impfstoff-Plattformen,
sind wichtige Ansätze in der Impfstoff-Herstellung.     Nun ist diese Art von Plattform-Technologie zwar ein
Obwohl sich die genauen Definitionen von Impfstoff-     wortwörtlich beschleunigender Faktor in der Impf-
Plattformen unterscheiden, handelt es sich generell     stoffentwicklung – es ist aber wichtig zu erwähnen,
um Impfstoffe mit ähnlichen Mechanismen, ähnli-         dass es bei der der Impfstoff-Genehmigung nicht an-
chen Ursprungs-Zelllinien, oder ähnlichen moleku-       ders als bei separat erzeugten Impfstoffen aussieht.
laren Vektoren für die Verabreichung. Sie können als    Durch den Einsatz von Plattform-Technologien kann
eine Art vorgefertigte Impfstoff-Baukasten verstan-     also der Schritt zum „pre-investigational new drug“
den werden, die alle nötigen Teile eines Impfstoffes    (pre-IND) verkürzt werden, dieses Produkt unterliegt
bereits enthält und nur noch für einzelne Impfstoffe    jedoch ab dem Zeitpunkt noch den gleichen Aufla-
einer Virusgruppe individualisiert werden muss. Eine    gen wie andere herkömmlich entwickelte Impfstoffe.
Plattform soll immer die Möglichkeit haben, als An-     Bei regulatorischen Instanzen eingereichte Impfstoffe
satz für eine Anzahl an anderen Impfstoffen dienen      werden als einzelne bewertet und müssen somit auch
zu können.                                              die Prozesse als solche durchlaufen. Es zeigt sich je-
                                                        doch bereits Veränderung auf diesem Gebiet – wir
Impfstoff-Plattformen existieren für eine Vielzahl ver- stehen im Großen und Ganzen derzeit zwar noch in
schiedener Impfstoffe, sowohl Nukleinsäure-basierte den frühen Phasen der Plattform-Technologie, doch
Impfstoffe als auch Vektor-basierte Impfstoffe. Spezi- es ist auch jetzt von Seiten der regulatorischen Ins-
fisch bei mRNA-basierten Impfstoffen haben Exper- tanzen schon teilweise eine schnellere Akzeptanz von
ten in letzten Jahren großes Potential in Bezug auf Impfstoffen zu vermerken, die über Plattformen her-
Anpassungsfähigkeit und biologischen Parametern gestellt werden.
für Impfstoff-Plattformen erkannt.
                                                        Die vorliegende Pandemie hat aufgezeigt, dass wir
                                                        einen starken Bedarf für epidemiologische Progno-
                                                        sen haben. Damit einher gehen die Prognosen und
                                                        Empfehlungen für die Impfstoff-Plattform-Herstel-
                                                        lung. Denn wenn wir bereits auf halbem Wege mit
                                                        Impfstoffen ausgerüstet sind, kann auch eine globale
                                                        Gesundheitskrise nur begrenzt in unseren Alltag ein-
                                                        greifen. Die Pandemie hat uns gelehrt, dass wir als
                                                        Gesellschaft den Experten_innen, die teilweise seit
                                                        Jahren eine Pandemie als wichtiges Risiko aufzeig-
                                                        ten, sowie Pandemieplänen und strategischen Vorbe-
                                                        reitungen in Bezug auf epidemiologische Prognosen

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und nötige Vorkehrungen unbedingt die Legitimität              rende oder neu entstehende Infektionskrankheiten
zusprechen müssen, die ihnen zukommt. Im Falle der             haben können. Nicht nur führt dieser Ansatz zu einer
COVID-19 Pandemie wurden viele Vorbereitungs-                  erhöhten und beschleunigter Impfstoff-Verfügbarkeit
lücken in diesem Sinne aufgedeckt, die beispielswei-           im Falle eines Erkrankungsausbruches, sondern auch
se den Impfstoff-Herstellungsprozess beschleunigen             zu geringeren Kosten und ökonomischen Bedenken
hätten können. So wurde auch Plattform-Technologie             bei der Impfstoff-Herstellung auf großer Skala.
aufgrund mangelnder Coronavirus-Plattformen zu-
nächst schwierig.                                              Impfstoff-Plattformen haben ein großes Potential, die
                                                               Herstellung von Impfungen nachhaltig effizienter zu
Im Kontext der COVID-19 Pandemie waren Impf-                   gestalten. Trotzdem soll nicht komplett von der her-
stoff-Plattformen vom ersten Moment ein hochrele-              kömmlichen Impfstoffentwicklung abgesehen wer-
vantes Thema. Bereits zu Beginn der Pandemie sprach            den, meinen Experten. Jede Impfstoff-Entwicklung
Andrew Fauci, der Leiter des National Institute of All-        soll im best-passenden Modus hergestellt werden,
ergy and Infectious Diseases, der sich im COVID-19             und des Öfteren würde diese von einer herkömmli-
Beratungsteam des amerikanischen Präsidenten welt-             chen gezielten Entwicklung profitieren. Es lohnt sich
weit einen Namen machte, von Impfstoff-Plattformen             also, auch in Zukunft beide Ansätze weiterzuentwi-
im Kontext der Pandemie. Experten weisen schon seit            ckeln mit dem Endziel, unabhängig von der Herstel-
einigen Jahren darauf hin, dass eine weitere Etablie-          lungsmodalität, Impfstoffe so schnell und effizient wie
rung solcher Plattform-Technologien einen Risiko-              machbar für möglichst viele Menschen zur Verfügung
minimierenden Effekt in Bezug auf bereits existie-             zu stellen.

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Dermaßen gut, man glaubt es nicht.
                                             Autor: Till Buschhorn

Wir schreiben Montag, den 11.01.2021, 8 Uhr in der
Früh. Ein ganzer Jahrgang sitzt vor den Laptops zu-
hause, den Kaffee in der Hand und eine Mischung
aus Freude, Unsicherheit, Anspannung und Neugier
macht sich breit. Denn dies ist der Tag, an dem der
mit Abstand beste Block des bisherigen Studiums be-
gann, nämlich Block 27 mit dem Thema Dermatolo-
gie.
Ich wusste nicht genau, was mich erwartet. Zwar
kannte ich viele Berichte aus den Jahrgängen vor
mir, dass der Block strukturell und inhaltlich heraus-
ragend sein soll, allerdings wusste ich nicht genau,
wieso. Und zudem kam der erschwerende Faktor der
Distanzlehre dazu. Wie wird das Ganze aussehen?
Wird die Pausenunterhaltung wirklich lustig sein, die
vorher groß angekündigt wurde?
Der Block begann mit einer Vorstellung seitens des
Koordinators, Darth Vad.. ähm, Prof. Kittler. Und
man merkte sehr schnell, sowas hast du noch nicht
gesehen. Vorlesungen aufgezeichnet? Mit Green-
screen, sodass der/die Vortragende mit der Präsen-             türlich hat Dermatologie den Vorteil, dass man sehr
tation interagieren kann? Die Vortragenden sind da-            viel mit Bildern arbeiten kann, was Präsentationen
zugeschaltet und gehen auf Fragen ein? Live? LIVE?             viel lebendiger macht. Und natürlich war Cortison
Krass.                                                         meistens die richtige Antwort. Aber auch abgesehen
Das Ganze mag jetzt sehr ironisch und überspitzt               davon waren die Vorlesungen inhaltlich aufeinander
klingen, aber das ist es keinesfalls. Es ist vielmehr          abgestimmt und man konnte einen spürbaren Wis-
ein Beispiel dafür, dass Distanzlehre funktionieren            senszuwachs über diese drei Wochen erkennen, un-
kann – und zwar mehr als gut. Sämtliche technische             terstützt durch regelmäßige Umfragen. Dieser Block
Unterstützung wurde verwendet, funktionierende                 war so, wie ein Block sein soll: Einen guten Einblick
Web-Polls, ein Alternativ-Livestream für diejenigen,           in das Fach geben durch spannende Lehre, ein hohes
bei denen WebEx nicht funktioniert hat, interaktive            Maß an Interaktivität und Orientierung gebend. Ich
und anschauliche Klinik und ein motiviertes Team               weiß beispielsweise, dass ich vermutlich nicht in die
aus Tutor_innen, Vortragenden und Organisation.                Dermatologie gehe (außer vielleicht, um zu heiraten).
Fragen wurden in Echtzeit mitgeschrieben und in                Daher muss ich das Ganze hier als Laudatio zu erken-
kurzen Pausen an die Vortragenden übermittelt, die             nen geben, an Prof. Kittler und das gesamte Team. Ich
diese nach Möglichkeit beantworteten. Natürlich lief           bedanke mich im Namen des Jahrgangs für eine sehr
nicht immer alles glatt und perfekt, aber wir sind hier        interessante Zeit, von harten Schankern über Skabies,
ja nicht bei der Tagesschau. Humoristische Einlagen,           Ekzemen unterm Sternenhimmel, bis hin zu Vitiligo
bestehend aus Tieranimationen, Star Wars-Homma-                und Kopfläusen, die vielen von uns große Freude be-
gen (mit dem echten Darth Vader) und selbstgedreh-             reitet hat. Bitte hören Sie nicht auf damit, eine so gute
ten Videos machten die Pausen oder Fragerunden                 Lehre zu machen.
abwechslungsreich und amüsant. Höhepunkt war                   Und die Quintessenz? Die Liebe zu diesem Block
selbstverständlich der Film am Ende!                           übersteht jeden Tzanck-Test.
Und wie war es inhaltlich? Kurz gesagt: super. Na-

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Experteninterview Dr. Maurer
             zum Impfen
                                   Interviewee: Dr. med. univ. Wolfgang Maurer
                                           Interviewerin: Annika Sima

Aus der Perspektive von Public Health: Wel-               Haben Sie eine „Lieblingsimpfung“? Wenn ja,
che Impfung ist die weltweit wichtigste                   wieso genau diese?
Impfung Ihrer Meinung nach? Welche zwei                   Wenn ich in meinen Impfpass schaue, dann sehe ich
weiteren würden in der Dringlichkeit folgen?              die Influenza-Impfung, die ich seit 1992 durchgehend
Das, was wir dringend brauchen seit 30 Jahren, seit-      geimpft wurde. Denn ich möchte kein Risiko für die
dem in Österreich mit der Tuberkulose-Impfung auf-        mir anvertrauten Patienten sein. Die Durchimpfungs-
gehört wurde, ist eine globale TBC-Impfung. Dafür         rate ist in Österreich sehr schlecht. Die Impfungen
brauchen wir aber nicht die Impfung, die wir bisher       können über den Arbeitgeber bezogen oder müssen
hatten, sondern eine neue Technologie. Es besteht das     eben selbst gezahlt werden. Triebkräfte der Infektion
Problem, dass TBC vorrangig nur Entwicklungslän-          sind kleine Kinder, anders als bei Corona. Ich wurde
der betrifft, welche die veraltete Impfung benutzen,      29 Jahre regelmäßig gegen Influenza geimpft und der
die schlecht wirksam ist.                                 Impfstoff ist immer besser verträglich geworden, aber
Die zweite, weltweit wichtigste Impfung, ist Poliomy-     trotzdem noch verbesserungsfähig. Und eine Mei-
elitis. Von Polio gibt es -oder gab es- die Typen 1, 2    nung, die nicht von jedem vertreten wird, ist provo-
und 3, wobei 2 und 3 bereits global ausgerottet sind.     kant gesagt, jedes Jahr einen Shut-Down machen wie
Eine große Errungenschaft war, Afrika als poliofrei zu    bei Corona. Sowas würde bei Influenza nur 2 Mona-
erklären. Poliomyelitis Typ 1 zirkuliert nur mehr in      te dauern und 1000-6000 Tote vermeiden, das sollte
Pakistan und Afghanistan. Daher gibt es dort massiv       man sich überlegen. Das meine ich zwar nicht ernst-
verstärkte Impfaktionen, um Polio global zu eliminie-     haft, aber man hat einen wirksamen Impfstoff und es
ren. Aber hier kam es zu ganz besonderen Impfgeg-         wären etwa 50% der jährlichen Influenza Toten (auch
nern – die Impfteams und -willigen wurden teilweise       Kinder) vermeidbar, sowie eine große Anzahl an-
von den Taliban erschossen, daher nahm die Impf-          Krankenhausaufenthalten.
bereitschaft ab. Dieses Problem ist noch ungelöst, je-
doch besteht die Hoffnung, dass dort, wo in radikal       Welche Kontraindikationen gibt es für Imp-
muslimischen Kreisen die Impfung gestoppt wurde,          fungen allgemein?
die Behörden zusätzliche Maßnahmen treffen werden         Eindeutig bei schwerer angeborener Immundefizienz
für die globale Eradikation von Polio. 2020 wurden        wie SCID (Severe Combined Immune Deficiency),
140 symptomatische Poliomyelitis Fälle in beiden          das ist eine sehr seltene, angeborene Erkrankung. Die
Ländern registriert.                                      Kinder sind stark gefährdet durch Lebendimpfstoffe.
Die drittwichtigste Impfung ist gegen Masern. In          Bei Totimpfungen ist das Risiko zwar klein, aber die
Gesamtamerika wurden bereits vor einiger Zeit die         Impfung ist kaum wirksam. Als Therapie ist hier eine
Masern eliminiert, dann wurde leider die Durchimp-        Knochenmarks-Transplantation nötig, die Erfolgsra-
fungsrate nachlässig behandelt, wodurch es zu einem       ten sind gut, dann können die Kinder auch geimpft
erneuten großen Ausbruch in Südamerika und den            werden. Das, was passieren kann, ist, dass die Kinder
USA kam durch importierte Fälle aus Europa. Öster-        an einer Lebend-Impfung sterben, wenn SCID noch
reich hat sich bei der WHO dazu verpflichtet, Masern      nicht diagnostiziert wurde. In den letzten 40 Jahren
zu eliminieren – als erstes Ziel wurde 2010 definiert,    gab es dadurch 2-3 Dutzend Todesfälle durch Ma-
dann wurde 2015 daraus, dann 2020 – und es ist im-        sernimpfungen. Das ändert allerdings nichts am Be-
mer noch nicht masernfrei. Es ist ein wirksamer Impf-     nefit der Masernimpfung: Die WHO publizierte 1998
stoff, gut verträglich. In Afrika gab es zuletzt mehr     global 5.784.000 Masern Todesfälle pro Jahr. Davon in
Masern-Tote als Ebola-Tote, eine schlimme Sache, die      der WHO Region Europa 151.000 Tote.
vermeidbar ist.

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Nach einer Erkrankung wie eines fieberhaf-                 schon oft Responder, wo aber der Schutz nicht nach-
ten Infektes, wie lange sollte man bis zur                 weisbar ist. Der Hepatitis B Schutz ist 6 Wochen nach
nächsten Impfung warten, unabhängig, wo-                   Abschluss der Immunisierung zu messen, wird in
gegen geimpft wird? Wie sieht es nach einer                der Praxis jedoch häufig 1-2 Jahre danach gemessen.
Infektion mit dem „Coronavirus“ aus, gibt es               Gelegentlich sind dann keine Antikörper mehr nach-
dazu Bestimmungen/Empfehlungen?                            weisbar, der Patient ist aber trotzdem geschützt, weil
Eine Rekonvaleszenz ist keine Kontraindikation. Aber       eine zelluläre Immunität besteht. Der Abfall der HBs-
Impfungen sind ja selten eine Akutmaßnahme, außer          AK ist sehr unterschiedlich von Person zu Person, bei
vielleicht bei Tollwut, daher kann man auch ruhig ein      30% der Patienten sind nach 10 Jahren keine Antikör-
bisschen zuwarten nach einer Erkrankung. Auch nach         per mehr nachweisbar, aber sie sind zellulär geschützt.
einer Corona-Infektion ist es möglich, wie gewohnt         Hier ist eine Auffrischungsimpfung bei Gesundheits-
mit anderen Impfungen fortzufahren. Im letzten Jahr        personal empfehlenswert, denn auch bei hoher Viren-
gab es ein gewaltiges Defizit, da viele Eltern für ihre    belastung, wie bei einer Nadelstichverletzung, muss
Kinder die Impfungen nicht durchgeführt haben, weil        der Impfschutz gegeben sein. Heutzutage ist eine Be-
sie Angst vor Corona hatten. Hier zeigt sich das Prob-     rufsunfähigkeit durch Hepatitis B beim Gesundheits-
lem, dass Risiken emotional und nicht rational wahr-       personal dank der hohen Durchimpfungsrate eine
genommen werden. Ein einfaches Beispiel: Österreich        Rarität geworden.
schreckt sich, wenn ein Mensch vom Hai in Australien
gefressen wird, aber rennt gleichzeitig mit dem Kind       Wie sieht es beim Impfvorgang selbst mit
auf der Alm bei Mutterkühen vorbei. Beim Corona-           dem Aspirieren vor der Injektion aus? Ist dies
virus besteht das gleiche Problem, dass oft emotional      Up-to-Date?
und nicht rational gehandelt wird.                         Nein. Aspirieren ist kontraindiziert, da es nicht not-
                                                           wendig ist und die Impfung ohne Aspiration weniger
Wie laufen allgemein Impfungen für Perso-                  schmerzhaft ist. Auch die Luft aus der Spritze raus-
nen ab, die unter Immunsuppression oder                    zudrücken ist falsch. Denn diese Luft ist steril, und
-insuffizienz stehen/leiden? Worauf ist als                wenn der Impfstopf an der Nadel herunterrinnt und
behandelnde_r Arzt_Ärztin zu achten?                       man dann injiziert, dann verschmiert sich der Impf-
Es ist empfohlen, nicht unter Chemotherapie zu imp-        stoff in der Subcutis und es folgen höhere Sensibili-
fen, sondern die Therapie abzuwarten. In den USA           sierungsraten und Impf-Reaktionen. Durch diese Luft
gibt es Studien zur Masern-Impfung bei Kindern un-         in der Fertigspritze sind außerdem keine Embolien
ter Chemotherapie, dass man optimal 1-2 Jahre in Re-       verursachbar. Diese Empfehlungen bestehen schon
mission mit der Impfung zuwartet. Allerdings ist das       seit mehr als 20 Jahren. Übrigens, seit 30 Jahren ist
Masern-Risiko in den USA weit geringer als in Ös-          es obsolet, Säuglinge in den M. gluteus maximus zu
terreich, weshalb wir hier dringender impfen müssen.       impfen. Denn bei Säuglingen, die noch nicht gehen
Daher folgen nach der Chemo viele Untersuchungen,          können, ist dieser vermeintliche Muskel bloß eine
das Blutbild wird geprüft, dann erst geimpft.              Fettmasse und kein Muskel! Im Fettgewebe haben wir
                                                           eine viel schlechtere Serokonversion. Daher wird in
Wie lange dauert es nach einer Impfung im                  den M. vastus lateralis geimpft – Säuglinge können
Schnitt, bis sich ein Impfschutz einstellt? Gibt           strampeln, weil sie dort Muskeln haben. Ist eh ganz
es Unterschiede zwischen verschiedenen                     klar. Hoffentlich impft niemand mehr in den Gluteus
Impfungen?                                                 rein.
Ein allgemeiner Impfschutz tritt nach 2-3 Wochen
ein, der Langzeitschutz dann, wenn die Impfserie ab-       Wie viele Impfungen darf man gleichzeitig
geschlossen ist, z.B. alle Teilimpfungen. Bei Kindern      verabreichen? Gibt es ein Limit?
werden oft 2-3 Impfungen gegeben, bis ein Langzeit-        Das hängt tatsächlich von der kulturellen Akzeptanz
schutz erreicht wird.                                      ab. Ich hatte ein Lehrvideo über Impftechniken aus
                                                           der USA, da wurden 5 Injektionen gleichzeitig für die
Gibt es Empfehlungen, wie mit Non-Respon-                  Säuglinge vorbereitet. Bei uns ist das kulturell absolut
dern auf Impfungen umgegangen wird?                        inakzeptabel, „die armen Kinder“, aber immunolo-
Nehmen wir als Beispiel für Non-Responder die              gisch kein Problem. Für solche Fälle gibt es Kombi-
Impfung gegen Hepatitis B. 3-5% antworten darauf           impfstoffe, sehr gute, hoch komplexe Arzneispeziali-
nicht. Dann könnte man zunächst einmal einen an-           täten. Es kann jedenfalls zu keinen Überlastungen des
deren Hep B Impfstoff probieren. Allerdings gibt es        Immunsystems kommen.

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Ein Argument, welches öfters von Impfskep-                  Sie wurden sicherlich öfters mit Gegner_in-
tiker_innen zu hören ist, ist, dass Impfungen               nen und Skeptiker_innen von Impfungen
eine „Belastung für das Immunsystem“ seien.                 konfrontiert. Welches Anti-Impf-Argument
Wie stehen Sie zu dieser Aussage?                           ist das kurioseste, das Ihnen jemals unter-
Das stimmt nicht. Eine Belastung des Immunsystems           gekommen ist? Haben Sie damals darauf
ist eine Infektion: Ein Pocken-Virus hat z.B. 200 Anti-     reagiert/wie würden Sie darauf heute reagie-
gene, ein Bakterium ca. 3000. Pro Injektion des 6-fach      ren?
Impfstoffes für Säuglinge gibt es ca. 22-25 Antigene.       Eine Ärztin in der Steiermark [Anm.: durch die Re-
Betrachtet man alle empfohlenen Impfungen im 1.-            daktion anonymisiert], hat behauptet, dass im Ultra-
2. Lebensjahr, so haben die Impfungen insgesamt 250         schall von Schwangeren das Fruchtwasser brodelnd
Antigene, und da muss bereits die Influenzaimpfung          kocht, dass Impfungen unwirksam und schädlich
dazuzählen.                                                 sind, aber auch, dass sich Bakterien, Viren und Pilze
Wenn ein Kind auf dem Spielplatz stürzt und sich            bei Bedarf ineinander verwandeln. Sie hat auch be-
eine Rissquetschwunde zuzieht, treten bis zu 100 Mil-       hauptet, dass wir uns in Transition von der Doppel-
lionen Antigene pro Gramm Erde ein. Was sollen da           Helix DNA zur 6- bis 12-fach DNA befinden, wie wir
250 Antigene aus Impfstoffen verursachen oder das           es auch im präatlantischen Zeitalter hatten, und noch
Immunsystem belasten? Nein, das Immunsystem ist             vieles mehr. Und die ist aktive Ärztin! Völlig absurd,
ganz klar nicht überlastet.                                 dass solchen Personen nicht von der Ärztekammer
                                                            die Zulassung entzogen wird, aber so ist es. Die ÄK ist
Gibt es ein maximales Limit, wie viele Imp-                 halt eine Interessensvertretung aller Ärzte und auch
fungen lebenslang verabreicht werden dür-                   von solchen Komikern. Als Reaktion darauf habe
fen?                                                        ich ihre Aussagen einem Kollegen von Science Blogs
Nein, das gibt es nicht. In Österreich gibt es einen gu-    gesendet und sie angekreidet bei der steirischen Ge-
ten Impfplan. Allerdings bestehen oft nicht nur Impf-       bietskrankenkasse. Die haben zwar erstaunt reagiert
lücken, sondern auch Impflöcher, weil manche Eltern         aber dann gemeint, sie „habe eh wenig Umsatz“, das
einfach nicht darauf gesehen haben, dem Impfplan            war’s. Und im ORF wurde ein Arzt [Anm.: durch die
nachzukommen, da es einfach eine organisatorische           Redaktion anonymisiert] interviewt, der bestritten
Belastung ist wegen der vielen Impfungen. Prinzipiell       hat, dass Viren krankmachen. Der hat mich einmal
gilt: Je jünger mehr geimpft wird, umso besser. Kleine      geklagt. Impfgegner sind sehr klagfreudig und verlan-
Kinder können sich nämlich ans Impfen nicht erin-           gen oft Sachen – zum Beispiel Gutachten, ob es Vi-
nern oder dagegen wehren. Wird man später geimpft,          ren gibt oder nicht, da muss man aufpassen, mit wem
so erinnert man sich daran, man wehrt sich, die Angst       man sich einlässt.
wächst – so entstehen Nadelphobien.
Auch im Erwachsenenalter soll man sich regelmäßig           Würden Sie Aufklärungsarbeit zu unterneh-
impfen lassen. Alle 10 Jahre gegen Tetanus, Pertussis       men versuchen, wenn Sie zufällig ein äußerst
und Polio, in der Seneszenz dann alle 3-5 Jahre. Und        skeptisches Gespräch über die aktuellen
auch alle anderen Impfungen durchführen, es ist ab-         Corona-Impfungen überhören würden, z.B.
surd, wenn in Afrika höhere Durchimpfungsraten z.B.         in der U-Bahn?
gegen HPV-Infektionen bestehen als in Österreich.           Eventuell würde ich das machen, aber nur, wenn alle
                                                            in der U-Bahn FFP2-Masken tragen. Aber generell
Was empfehlen Sie Ihrer Erfahrung nach für                  ist es sehr schwierig mit Leuten, die keine oder eine
den praktischen Umgang mit Impfgegner_in-                   mangelhafte Health-Literacy haben, zu diskutieren.
nen?                                                        Bei Corona generell ist es so, dass die Infektion nicht
Die Definition „Impfgegner“ ist unterschiedlich. Es         ein Severe Aquired Respiratory Disease ist, sondern
gibt solche, die leugnen, dass Viren existieren oder        allgemein eine systemische Erkrankung von allen
Krankheiten auslösen, da ist eine Impf-Diskussion           Organen sein kann. Das sieht man schon beim Ver-
völlig sinnlos. Die WHO hat 2019 die Vaccine He-            lust vom Geschmackssinn, dass das Virus ins zentrale
sitancy (= „Impf-Unschlüssigkeit“) als eine von 10          Nervensystem gelangen kann. Auch hier sind die Kri-
großen globalen Risiken definiert. Wir könnten eine         tiker stets viel zu früh unterwegs, denn jede Woche
größere Gesundheit bewirken, wenn global der Impf-          gibt es Neuigkeiten zu der Infektion, den Symptomen,
plan eingehalten wird, was jedoch schon in Österreich       Late-Corona-Symptomen und so weiter. Und dann
nicht der Fall ist.                                         sagen noch Leute: „Ist eh nur ein Gripperl, braucht

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man nicht impfen, blablabla!“ – Wie ein gewisser Gy-       spezifische Empfehlungen für das Personal im Ge-
näkologe [Anm.: durch die Redaktion anonymisiert]          sundheitsbereich beherzigen. Ich habe 1988 eine Kol-
behauptet, er ist ein alter AIDS-Leugner und nun ein       legin verloren, die damals am Sonntag eine Probe ei-
Corona-Leugner. Er tritt öffentlich auf und das ist ein    nes Kindes mit Meningokokken C diagnostiziert hatte
Problem, weil durch seine Aktivitäten andere Perso-        und am Freitag war sie tot – Laborinfektion, obwohl es
nen, die Schutzmaßnahmen ablehnen, infiziert wer-          schon einen Impfstoff gegeben hat. Sieht man immer
den können. Dazu sollte man §178 StGB kennen, „wer         wieder, speziell bei Influenza, dass ungeimpfte Kolle-
eine Handlung begeht, die geeignet ist, die Gefahr der     gen erkranken. Wir sollten alle miteinander auf einen
Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter            entsprechenden Impfschutz achten. Der Dienstgeber
Menschen herbeizuführen, … ist mit Freiheitsstrafe         hat Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter_innen und
bis zu drei Jahren belangbar…. Wenn die Krankheit          nach einem uralten Gesetz der EU sind diese Impfun-
zu ... meldepflichtigen Krankheiten gehört“.               gen kostenfrei anzubieten. Bei Studenten gibt’s aber
                                                           das Problem: Sind sie Mitarbeiter oder nicht, denn sie
Konkret zu den Corona-Impfungen: Wie                       sind nicht an den Kliniken sozialversichert.
sehen Sie das Verteilungsmuster und die
Umsetzung der Impfstrategien? Hätten Sie                   Bei Corona ist zu berücksichtigen, dass es in einem
eventuelle Anregungen oder Verbesserungs-                  Jahr 20-mal mehr Corona- als Verkehrstote gegeben
vorschläge?                                                hat. Und da gibt’s immer noch Leute, die sagen, es
Diese Umsetzung ist in einer Mangelsituation ein           ist nicht mehr als ein Gripperl – und dies trotz der
Problem. Und dass es keine durchgehende Impfstra-          erhöhten Sterblichkeit, der höchsten Sterblichkeit in
tegie in Österreich gibt, sowieso. Jetzt am allgemeinen    mehr als 40 Jahren. Andere Infektionserkrankungen
Impfplan gesehen – für Kinder sind viele Impfungen         spielen auch mit, wenn noch eine präventable respi-
kostenfrei. Ab dem Ende der Schulpflicht sind jedoch       ratorische Infektion dazukommt, haben unsere Kol-
alle Impfungen aus privater Tasche zu zahlen, was für      legen auf der Intensivstation sehr viel zu tun. Daher
das Individuum teuer ist. Für den Staat jedoch sind        ist es auch so wichtig, sich zusätzlich gegen Influenza
viele Impfungen sehr kostensparend, nehmen wir z.B.        impfen zu lassen. Und dieser Impfstoff ist halt wirk-
HPV: Es werden Cervix-Karzinome vermieden, die             lich sehr sicher und geprüft. Außerdem kann auch das
sonst belastend wären und mit hohen Kosten, über-          Schlaganfallsrisiko durch Influenzaimpfungen redu-
flüssigen OPs und Todesfällen verbunden sind. Aber         ziert werden. Das soll man berücksichtigen, -Added
auch hier gibt es keine Strategien, es war schon ein       Value of Immunization- Impfungen wirken teilweise
Kampf, dass HPV für 80 000 Kinder pro Jahr kostenlos       nicht nur gegen Infektionskrankheiten, sondern auch
wurde, was völlig absurd ist für ein entwickeltes Land.    gegen andere Krankheiten (MCI, Schlaganfälle usw).
Die Kosten kann man den Gesundheitskassen anhän-
gen, die sparen sich das Geld für die Krankheiten, die     Und es ist immer wichtig, kritisch die Meldungen von
vermeidbar gewesen wären. In Deutschland sieht das         anderen und den Medien zu überdenken und nach-
anders aus, da gibt es Impfempfehlungen, die werden        zufragen.
zusätzlich durch ein anderes Gremium hinsichtlich
Kosten evaluiert. Ist das Ergebnis positiv, zahlen die     Ich danke Ihnen für Ihre Zeit!
Krankenkassen. Hier gelten die pharmako-ökonomi-
schen Berechnungen, sonst nichts. Aber man sieht es
schon ganz deutlich am Beispiel der Pocken: Durch
die Eliminierung der Pocken wurden nun die Kosten
von Pocken-Impfungen und Behandlung dauerhaft
eingespart, und die diese Beträge z.B. in die Polioera-
dikation investiert. Das wären also meine Anregun-
gen und Verbesserungsvorschläge.                   Zu Dr.med.univ. Maurer:
                                                   Dr. Maurer ist Facharzt für Labordiagnostik und Bio-
Möchten Sie uns sonst noch gerne etwas er-         chemiker. Er war für 10 Jahre der Leiter des nationa-
zählen oder haben Sie einen Abschlusssatz/         len Kontrollinstitutes für Impfstoffe und Blutproduk-
eine Botschaft?                                    te, danach war er 10 Jahre an der Kinderklinik für
Bitte unbedingt Impfungen durchführen und anste- Impfwesen zuständig und arbeitete zuletzt für 5 Jahre
hende versäumte Impfungen nachholen. Ganz drin- am Zentrum für Public Health für Impfungen. Er ist
gend nach dem österreichischen Impfplan, aber auch Lektor an der Medizinischen Universität Wien.

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Impfpläne und Impfraten im
          globalen Vergleich
                                            Autorin: Stella Goeschl
Impfschemata folgen in den meisten Ländern ähn-     Die Masern-Impfung Allgemein
lichen Empfehlungen, doch finden sich gerade in     Die Masern-Impfung existiert bereits seit nahezu 60
Bezug auf spezifische Impfungen erhebliche Unter-   Jahren und gehört laut WHO (World Health Organi-
schiede. Trotz nachweislich positiven Effekten in der
                                                    zation) zu einer der Schlüsselaktionen in der globa-
klinischen Medizin und öffentlichen Gesundheit gibt len Masern-Prävention. Die niedrigen Kosten, breite
es heute laufend Schwierigkeiten, in vielen Ländern Verfügbarkeit sowie Sicherheit und Effektivität dieses
bestimmte Impfungen in den Impfplan zu integrieren  Impfstoffes hat eine flächendeckende Impfung in den
und somit eine flächendeckende Impfung der Ein-     meisten Regionen der Welt bisher ermöglicht. Die
wohner zu garantieren. Ob durch gesellschaftliche   Impfung wird gewöhnlich in zwei Dosen als Lebend-
Faktoren, kulturelle Differenzen oder variierenden  impfstoff verabreicht, um optimalen Impfschutz zu
Zugang zum Gesundheitswesen geprägt – über die      gewährleisten. Oft wird die Impfung als Kombina-
Welt und ihre Regionen verteilt finden sich teilweise
                                                    tionsimpfstoff Masern-Mumps-Röteln (MMR) verab-
große Spannweiten in der Durchimpfung der einzel-   reicht, um gegen die beiden anderen Kindeskrankhei-
nen Bevölkerungen.                                  ten ebenfalls effizient Impfschutz zu gewährleisten.
                                                    Weltweit hat die Masern-Impfung bereits große Mei-
Wie lassen sich also die verschiedenen Weltregionen lensteine in der Verteilung und Verabreichung er-
und Länder miteinander in Bezug auf Umsetzung der langt. Zahlen der WHO aus dem Jahre 2018 besagen,
Impfpläne unterschieden? Und wie steht die Durch- dass 86% aller Kinder der Welt bis zu ihrem ersten
führung in Beziehung mit den eigentlichen Erkran- Geburtstag eine Dosis des Impfstoffes verabreicht be-
kungszahlen? Am Beispiel der Masern-Impfung sol- kommen hatten und 69% ebenfalls die zweite emp-
len diese Unterschiede hervorgehoben werden.        fohlene Impfung erhalten hatten. Die größten Impf-
                                                    lücken wurden im selben Jahr in den Ländern Indien,
                                                    Nigeria und Pakistan aufgefunden.

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