3 2009 Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
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Film I n s ti tut M u s e um 3 2009 1 70 mm Bigger than Life AUSSTELLUNGEN H.R. Giger | Lost Media: FOUND | KINO goEast Klassiker & Raritäten | Werbe- Dokumentarfilme | Gérard Depardieu Sinn und Suche | Film des Jahres 2008 | Kino und Couch | Kinderkino ARCHIVE DIF übernimmt Firmenarchiv von X Filme | Archivführung MUSEUMSPÄDAGOGIK | BIBLIOTHEK
2 Inhalt 3 Editorial 24 filmportal.de empfiehlt Impressum Filmkultur auf DVD 4 H.R. GIGER Kunst · Design · Film Programmheft März 2009 Sonderausstellung und Katalog 26 Gérard Depardieu zum 60. Geburtstag Deutsches Filminstitut / Deutsches Filmmuseum Filmreihe vom 3. bis 29. März 6 Deutsches Filminstitut übernimmt Herausgeber: Deutsches Filminstitut – DIF e.V. Firmenarchiv von X Filme Creative Pool 28 Kino und Couch Schaumainkai 41, 60596 Frankfurt am Main Direktorin: Claudia Dillmann (V.i.S.d.P.) Film und Gespräch am 5. und 19. März 10 Nahaufnahme: Tom Tykwer Stellvertretender Direktor: Hans-Peter Reichmann 28 Sinn und Suche Redaktion: Horst Martin, Lisa Dressler (Mitarbeit) 12 Rückblick: Berlinale 2009 Lektorat und Schlussredaktion: Katja Thorwarth Broken Silence am 24. März Mitarbeit: Beate Dannhorn, Daniela Dietrich, Georg 13 Führungen durch die Archive 29 Film des Jahres 2008 Eckes, Felix Fischl, Natascha Gikas, Vanessa Grothaus, Schätze des Gerätearchivs Winfried Günther, Monika Haas, Tim Heptner, Jürgen Waltz with Bashir mit Gästen am 13 Lost Media: FOUND Kindlmann, Tina Klotz, Peter Kropp, Nadja Rademacher, 27. und 29. März Karin Schyle, Ulrike Stiefelmayer, Gary Vanisian, Galerieausstellung und Filme 30 Frauen gegen den Krieg Thomas Worschech 14 70 MM – Bigger than Life Filmreihe vom 1. bis 8. März Grafik: conceptdesign, Offenbach Filmreihe vom 13. bis 18. März 31 Dokumentarfilm & Gespräch Druck: Central-Druck Trost GmbH & Co. KG, Heusenstamm 18 Alle Kinotermine im Überblick Fresko (2002) am 31. März Papier: Gedruckt auf Sorte Profisilk matt in 100 g 20 Klassiker & Raritäten 32 Angebote für Groß und Klein Anzeigen (Preise auf Anfrage): Presse- und Dienstags, mittwochs, Öffentlichkeitsarbeit, Tel.: 069 - 961 220 222 32 3. SchulKinoWochen Hessen presse@deutsches-filmmuseum.de donnerstags und samstags 33 Kinderkino Abbildungsverzeichnis: Alle Abbildungen stammen 23 Deutsche Werbefilmraritäten aus dem Fotoarchiv des Deutschen Filminstituts – DIF Vier Filme im März aus 40 Jahren am 19. und 20. März e.V. sofern nicht anders verzeichnet. 34 Kurz notiert Matthias Belz (S. 4, 5), Horst Martin (S. 12, 34), 24 goEast präsentiert: Jim Rakete (S. 6-9, 10), Harald Schröder (S. 4, 5), Wild at Heart in Bayern Ljubav I Drugi Zlocini am 4. März X Filme Creative Pool (S. 6-11) Lichter – Filmtage Neues Filmarchiv eröffnet Verbreitung: ECCO! Agentur für Kulturmedien, Frank furt. Das monatlich erscheinende Programmheft liegt Filmbibliothek und Textarchiv aus im Deutschen Filmmuseum sowie an ausgewähl Di, Do, Fr 10.00 - 17.00 Uhr, Mi 10.00 - 19.00 Uhr oder nach ten Orten in Frankfurt und der Region. Mitglieder des Anfahrt mit Öffentlichen Verkehrsmitteln Deutschen Filminstituts – DIF e.V., der Freunde des Vereinbarung, Tel.: 069 - 961 220 430 (Filmbibliothek) U1, U2, U3 (Schweizer Platz) · Straßenbahn 16 (Schweizer-/ Deutschen Filminstituts e.V., der freunde des deutschen Tel.: 069 - 961 220 410 (Textarchiv) Gartenstraße) · U4, U5 (Willy-Brandt-Platz) N1, N8 (Willy- filmmuseums e.V. (Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag Brandt-Platz) · N7 (Schweizer-/Gartenstraße) · Buslinie 46 Eintrittspreise der Ausstellungen enthalten) sowie Inhaber der Kinocard erhalten das (Museumsuferlinie 46) Dauerausstellung und Galerieaustellung: € 2,50 / 1,30 (erm.) Monatsprogramm frei Haus. Sonderausstellung H.R. Giger: € 6,- / 4,50 (ermäßigt) Öffnungszeiten der Ausstellungen: Škoda-FahrerInnen haben freien Eintritt zu Ausstellungen. Alle Programme und Veranstaltungen – sofern nicht Dauerausstellung, Sonderausstellung anders angegeben – finden statt im: H.R. Giger, Kunst · Design · Film (bis 17.5.) Öffentliche Führungen am Wochenende Deutschen Filmmuseum Galerieausstellung Lost Media: Found (bis 5. April) Sonderausstellung: Sa 15 Uhr | Dauerausstellung: So 15 Uhr Schaumainkai 41 · 60596 Frankfurt am Main Di, Do, Fr 10.00 - 17.00 Uhr, Mi, So 10.00 - 19.00 Uhr, Gruppenführungen nach Anmeldung möglich! Information & Ticketreservierung: Sa 14.00 - 19.00 Uhr · Mo geschlossen (Änderungen vorbehalten) Tel.: 069 - 961 220 220 Schule des Sehens Führung / Workshop / Filmanalyse Besuchen Sie unseren Online-Shop im Internet: E-Mail: info@deutsches-filmmuseum.de für angemeldete Gruppen täglich ab 9.00 Uhr www.deutsches-filmmuseum.de/shop Unser wöchentlicher Newsletter informiert Sie per E-Mail Kulturpartner des kinderatelier am Wochenende Trick- und Knetfilme Deutschen Filminstituts donnerstags über Kino- und Ausstellungs-Programme. drehen im Museumsfoyer: Sa, So 14.00 - 18.00 Uhr Anmeldung unter www.deutsches-filmmuseum.de Titelbild: Stanley Kubrick 2001: A Space Odyssey (GB 1968)
Editorial Liebe Leseri nnen und Leser , 3 wieder einmal ist es dem Deutschen anderen Veranstaltern in Deutschland, Österreich und der deutsch- Filminstitut gelungen, seine Sammlungen sprachigen Schweiz die Arbeit zu erleichtern, werden wir demnächst zu erweitern: mit dem Firmenarchiv der Auszüge aus den Listen im Internet veröffentlichen. Wer sich einen Berliner Produktionsfirma X Filme Crea- Überblick über das Filmarchiv und den angeschlossenen Verleih in tive Pool, eben jener kreativen Gemein- den neuen Räumen in Wiesbaden-Biebrich verschaffen möchte, in schaft der Regisseure Wolfgang Becker, dem nun 20.000 Filmkopien zusammengeführt sind, ist herzlich ein Dani Levy, Tom Tykwer und des Produ- geladen, an einer der Archivführungen teilzunehmen. Jeden Monat zenten Stefan Arndt, welcher der künstle- bieten wir erläuternde Rundgänge durch unsere Sammlungen an. rische Rang und die internationale Aner- kennung des jüngsten deutschen Films Auch in unseren Kinos gibt es vieles wieder zu sehen oder neu zu ent- maßgeblich zu verdanken ist. Die wissenschaftliche Auswertung der decken. Lehrerinnen und Lehrer sind zusammen mit ihren Schüle- nun in Frankfurt konzentrierten Materialien ermöglicht einen auf- rinnen und Schülern eingeladen, bei den dritten SchulKinoWochen in schlussreichen Blick nicht allein hinter die Kulissen von Filmen wie ganz Hessen erneut das Klassenzimmer mit dem Kinosaal zu tauschen. Lola rennt, Good B ye , L enin! oder Mein Führer, sondern vor allem einen Insgesamt finden hessenweit 800 Filmvorführungen in 83 Kinos statt, Einblick in die Produktionszusammenhänge und die Geschichte dieses die um 21 Fortbildungsangebote für Pädagogen ergänzt sind. „Echt- so folgenreichen „kreativen Pools“. Damit steht diese besondere zeit: Dokumentarfilm im Focus der SchulKinoWochen Hessen“ heißt Sammlungserweiterung mit ihrer immensen Materialfülle in der der diesjährige Schwerpunkt. Dank der Kooperation mit den hes- Tradition unserer Arbeit. Seit 1988 haben Ausstellungen des sischen Medienprojektzentren Offener Kanal erhalten Schülerinnen Deutschen Filmmuseums und dessen Publikationen regelmäßig nicht und Schüler zudem erstmals die Möglichkeit, eigene Filmbeiträge zu allein die ästhetischen Aspekte von Filmen analysiert, sondern vor produzieren. Vielleicht entstehen daraus ja neue „kreative Pools“. allem die ökonomischen, produktionstechnischen, politischen Faktoren ihrer Entstehung, Verbreitung und Akzeptanz. Wir freuen Seien Sie uns also herzlich willkommen zu den Veranstaltungen in uns, diese Tradition fortsetzen zu können und danken den X Filme- unserem Haus und in den Kinos landesweit! Produzenten wie den Regisseuren für ihr Vertrauen und die hervor Wir freuen uns auf Ihren Besuch. ragende Zusammenarbeit. Eine andere wichtige Ergänzung wertet den DIF-Filmverleih auf. Kirch- Media hat das Institut mit der Kino-Auswertung weiterer 1100 Titel aus ihrem Rechtestock betraut, sodass wir nunmehr für insgesamt 4600 deutsche und internationale Filme die Aufführungsrechte in Kinos des Claudia Dillmann, deutschsprachigen Raums erteilen können. Um Festivals, Kinos und Direktorin Mitglieder und Institutionelle Förderer
4 H.R. G IG E R Kunst · Design · Film Das Alien schuf H.R. Giger bereits Jahre bevor Regisseur Ridley Scott ihn für den gleichnamigen Science-Fiction- Klassiker verpflichtete. Über seine Arbeit sprach der Schweizer Künstler bei der Eröffnung, seine beeindrucken- den Werke sind in der aktuellen Sonderausstellung zu sehen. 1 2 Für die bisher „schönste und liebevollste Inszenierung“ dankte H.R. Giger zum Abschied mit einem Eintrag ins Gästebuch. Mit seinem Besuch machte der Künstler die Eröffnung für uns und das Publikum zu einem besonderen Ereignis. Seine Bedeutung für das Production- Design führte DIF-Direktorin Claudia Dillmann in der Eröffnungsrede aus, Ausstellungsleiter Hans-Peter Reichmann berichtete, wie vor vier Jahren mit einem Besuch in der Schweiz die Zusammenarbeit begann. Dass nicht nur H.R. Gigers fantastische Welten, sondern auch innova- 3 4 tive Weltraumtechnologien zu den erfolgreichen Exportgütern der Alpenrepublik gehören, unterstrich Generalkonsul Julius F. Anderegg. So seien Schweizer daran, die Chip-Technologie für eine Mars- Landung zu entwickeln. H.R. Gigers eindrucksvolle Arbeiten erlebten auch unsere Freundeskreise bei der Preview-Führung, an der neben Ehefrau Carmen Giger-Scheifele auch Gigers Wegbegleiter Urban Gwerder und Cornelius de Fries teilnahmen. Zur Ausstellung Erstmals vereint unsere Sonderausstellung die bedeutenden Film designs zu einer umfassenden Schau. Neben zahlreichen Entwürfen und Original-Gemälden bietet sie auch Skulpturen und Design- Objekte. Ausgestellt sind ebenso beeindruckende dreidimensionale Filmtrick-Requisiten und Kostümteile wie Schädel und Modelle der Alien-Kreatur sowie eine transparente Büste von Sil aus Species. 5 H.R Giger bei der Ausstellungseröffnung im Kinosaal (1), mit seinen Wegbeglei- tern Urban Gwerder und Cornelius de Fries (2), dem Schweizer Generalkonsul Julius F. Anderegg (3) und Galerist Stephan Stucki (4) H.R. Gigers Ehefrau Carmen Giger-Scheifele bei der Führung mit Claudia Dillmann (M.) und Hans-Peter Reichmann (r.)
Ausstellung und Filmreihe bis 17. Mai 5 Liebe Besucherinnen und Besucher, der rote Teppich vor dem Berlinale-Palast ist zusammengerollt, Kritiker und Publikum dis- kutierten die Filme des Festivalprogramms, die Stars sind abgereist. Wir sind gespannt, welche der vielen Produktionen uns im Lau- fe des Jahres im Kino begegnen werden. Gelegenheit zur Begegnung der ganz besonderen Art hatten die Gäste der Eröffnung unserer aktuellen Ausstellung H.R. Giger. Kunst · Design · Film. Der Meister war persönlich anwesend und sprach über seine Arbeiten. Einige davon sind nun erstmals im Original zu sehen. Über den enormen Zuspruch, den die Ausstel- lung bislang erfahren hat, freuen wir uns sehr. Für alle, die sich für H.R. Gigers erste Arbeit für den Film entstand 1968 in einer Zusammen- das Genre begeistern, ist ein Besuch quasi Pflicht. Allen anderen arbeit mit dem befreundeten Filmemacher Fredi M. Murer bei S wiss- empfehle ich die Schau und die sie begleitende Filmreihe als made 2069, einem sarkastisch-visionären Science-Fiction-Märchen, Annäherung an H.R. Gigers fantastisches Universum. das – im Jahre 2069 angesiedelt – die Schweiz zu einem durchorgani- sierten Überwachungsstaat macht. Die Nonkonformisten leben ge- Übergänge vom/zum/im Film bieten die Installationen der Studie- sellschaftlich ausgegrenzt und zusammengepfercht in Reservaten. In renden der HfG Offenbach in unserer Galerie. Lost Media: FOUND diese Welt begibt sich ein außerirdischer Humanoid, um das Leben ist auch die Einladung, sich im Kontext unserer Dauerausstellung der Menschen zu dokumentieren. auf neue/alte Einsichten und Motive der Filmgeschichte einzulas- Für diesen Film kreierte H.R. Giger den Außerirdischen und dessen sen. Schauen und staunen Sie! Hund. Er fertigte Kostümpanzer aus Polyester-Vinyl an und baute dem außerirdischen „Reporter“ eine Kamera und ein Tonband in den Kopf- Kinematographische Apparaturen, die die Bilder scheinbar zum und Brustbereich ein. Außerdem musste dem Hund der Polyester- Laufen bringen, Geräte, die zur Illusion der Bewegung führen – in Panzer maßgeschneidert werden. Für S wissmade 2069 verwirklichte unserer Sammlung können Sie historische Bildermaschinen ent- Giger im Tessin seine ersten extraterrestrischen Wesen. decken. Im März findet wieder eine Archivführung statt, diesmal zur Entwicklung der Filmtechnik. Sehenswert! Informationen Zur Ausstellung ist ein 84-seitiger Katalog (Hardcover) mit 100 Abbildungen erschienen, der für 14,90 Euro an der Museumskasse sowie im Online-Shop unter www.deutsches-filmmuseum.de/shop erhältlich ist. ISBN: 978-3-9805865-6-6 Hans-Peter Reichmann, Stellvertretender Direktor Mit freundlicher Unterstützung von links: Blick in die Ausstellung rechts: Humanoid aus Swissmade 2069
Aus den Archiven Deutsches F i l m i nsti tut übern immt 7 Firmenarch i v von X F il me C reat ive P ool Als Produktionsfirma prägt X Filme Creative Pool seit 1994 Filmreife Firmengeschichte das deutsche Kino. Unsere Sammlungen führen das mit jeder Die Materialien erzählen die neuen Produktion wachsende Firmenarchiv von X Filme. Firmengeschichte von X Filme, die Eine umfangreiche Sonderausstellung und eine Publikation selbst filmreif ist: Sie beginnt mit sind geplant, die archivarischen und wissenschaftlichen der Gründung im Jahr 1994 mit Arbeiten laufen bereits. mehr oder weniger produktiven Gesprächskreisen in Berliner Im Rödelheimer Magazin füllen die Bestände der Produktionsfirma Gaststätten und nimmt Fahrt auf, X Filme Creative Pool GmbH einen ganzen Archivraum. Bisher wurden als die Protagonisten zusammen- 462 Kisten mit Schriftgut, Film- und Tonmaterial angeliefert, weitere finden: drei Regisseure und „Wir sind nicht auf der deut- 30 bis 50 folgen in der bereits geplanten nächsten Lieferung. Schritt- ein Filmwirtschaftler, Wolfgang schen Komödienwelle mitge- schwommen oder haben Re- weise und detailliert werden Geschäftsunterlagen wie Korrespon- Becker, Dani Levy, Tom Tykwer und makes von deutschen Filmen denzen, Belege und Verträge, Drehbücher und Requisiten aus Produk- Stefan Arndt. hergestellt. Wir suchen authen- tionen, Werbemittel und Presseausschnitte ebenso wie Fotos und tische Stoffe, die in Deutsch- Plakate zu den X-Filmen und Regisseuren erfasst. Sie wollen eine „Familie“ gründen, land spielen oder mit Deutsch- zu der die Produzentinnen Maria land zu tun haben, aber Wegen ihrer umfangreichen Bestände sowie filmgeschichtlichen und Köpf und Manuela Stehr hinzu- international funktionieren.“ wissenschaftlichen Bedeutung lässt sich die Sammlung X Filme nur kommen, um die Isolation von Stefan Arndt mit dem Artur-Brauner-Archiv und der Sammlung Bioskop unseres Regisseuren, Autoren und Produ- Hauses vergleichen. „Neben der beeindruckenden Materialfülle und zenten zu überwinden. „Think big“ ist von der ersten Stunde an das der Vielfalt an Dokumenten ist das Archiv Selbstverständnis, als Vorbild diente das legendäre Independent- ein filmhistorisches Bergwerk, in dem zur Label Hollywoods: „An die Vereinigten United Künstler Artisten“ Geschichte des jungen deutschen Kinos lautet die humorvoll ambitionierte Anrede eines Rundschreibens aus etliche Schätze lagern. Was diese Samm- dem Gründungsjahr. lung für uns so attraktiv macht, ist ihre Aktualität: Die Archivalien der X Filme Creative Pool GmbH atmen sozusagen weiter, ihre Urheber und die Akteure wer- den das Kino auch in den kommenden Jah- ren prägen“, so Hans-Peter Reichmann, Leiter der DIF-Sammlungen. „Die Idee war, eine Lobbying- Plattform zu schaffen, um uns aus der Position der Einzel- kämpfer zu befreien, um uns mehr Mitsprache und Macht im Produktionsprozess zu ge- ben. Gemeinsam haben un- serer Projekte viel bessere Chancen als alleine.“ 10-jähriges Firmenjubiläum 2004, v.l.n.r.: Dani Levy Anatol Nitschke, Maria Köpf, Wolfgang Becker, Tom Tykwer, Stefan Arndt, Dani Levy, Manuela Stehr
8 Ihr kreatives Kino schreibt meist Das Firmenarchiv wächst ständig schwarze und gelegentlich rote Nach Abschluss der Kinoauswertung kommen die Materialien von Zahlen, doch Kassenerfolge wie Berlin nach Frankfurt und werden dort wissenschaftlich erschlossen. Lola rennt (1997/98), Good Bye, Lenin! „Man blickt detailliert und hintergründig in Produktionsprozesse und (2003) oder Alles auf Zucker! (2004/05) -weisen“, berichtet Filmwissenschaftlerin Eleonore Emsbach, die lassen X Filme aus jeder Krise ge- seit vergangenem Jahr das Firmenarchiv X Filme betreut. Archivalien stärkt hervorgehen. Die Konsequenz, wie der ausklappbare Steckdrehplan zu Das Leben ist eine Baustelle mit der der organisch wachsende (1995-97), Aufzeichnungen und Continuity-Polaroids von Winterschläfer Creative Pool seine Vision verfolgt, (1996/97), Standfotos aus Meschugge (1997/98), Korrespondenz mit der „Wir setzen auf Stoffe, an die beeindruckt: X Filme produziert mit Bundesanstalt für Arbeit wegen einer Arbeitserlaubnis für Cate wir glauben und die wir auch Regisseuren wie Oskar Roehler oder Blanchet bei Heaven (2000-02), verschiedene Arbeitsdrehbücher mit gegen Widerstände beharrlich Sebastian Schipper und bringt als handschriftlichen Anmerkungen von Dani Levy zu Alles auf Zucker! oder weiterverfolgen möchten. Gute Verleiher seit 2000 auch Indepen- Bildmaterial von Helge Schneiders Hitler-Maske aus Mein Führer Geschichten wie bei Good Bye, dent-Filme auf die Leinwand, wie (2006/07) lassen hinter die Kulissen der Produktionen blicken. „Es ist Lenin! oder Alles auf Zucker! Amores Perros (2000) oder Irina Palm schon etwas Besonderes, Requisiten wie eine der roten Perücken von müssen letztlich ‚in der Luft lie- gen’, damit die Menschen Lust (2007). Heute, 15 Jahre nach der Franka Potente aus Lola rennt, Briefe aus Der Krieger und die Kaiserin, die darauf haben und sagen: Die- Gründung, steht X Filme national und Lenin-Büste und Jans Motorradhelm aus Good Bye, Lenin!, das se Geschichte will ich jetzt er- international für ein neues, sinn- Paillettenkleid und die Krokostiefel zählt bekommen.“ liches Kino, seine Gesellschafter aus Agnes und seine Brüder oder den Manuela Stehr sind national und international ge- Roller aus Der Rote Kakadu aus den schätzte Größen der Branche. Die Lieferungen auszupacken“, so Erfolgsstory kann weitergehen. Hans-Peter Reichmann. Bisher sind etwa 30 Prozent des Materials erfasst, für die Vorberei- tung des umfangreichen Ausstel- lungs- und Publikationsprojekts sind zwei weitere Jahre geplant – „1994 war der absolute Tief- punkt des deutschen Films, so- in dieser Zeit wachsen die Bestän- wohl was den Marktanteil als de natürlich stetig weiter. auch die Inhalte betraf. Da haben sich etliche Berliner Regisseure regelmäßig getrof- fen, um über die Problematik zu reden – das war teilweise konstruktiv, teilweise auch eine Jammerbude. Es war auch eine Zeit der Verzette- lung, die mit der Gründung von X-Filme ihr Ende fand.“ Dominik Graf Der Rote Kakadu Wolfgang Becker (D 2006)
Aus den Archiven 9 oben: Regisseur Wolfgang Becker mit den Darstellern von Das Leben ist eine Baustelle, dem Produzenten Stefan Arndt und dem Co-Autor Tom Tykwer am Tag der Berlinale-Premiere 1997 vor dem Zoopalast mitte links: Teamfoto Alles auf Zucker! (D 2004/05); Foto: Nadja Klier mitte rechts: Requisiten-Brief aus Der Krieger und die Kaiserin (D 1999/2000) Max unten links: Maria Schrader und Dani Levy am Rande der Dreharbeiten zu Riemelt und Ronald Zehrfeld in Dominik Grafs Der Rote Kakadu Stille Nacht (D/CH 1995/96); Foto: Christine Fenzl (2004-2006) u. rechts: Franka Potente auf dem Titelblatt von Time Out New York, Nr. 195, 1999
Nahaufnahme 10 Tom Tykwer In Nahaufnahme stellen wir die Köpfe von X Filme vor. es als Einschränkung empfindet, nur noch 100 Filme pro Jahr sehen zu Mit Regisseur Tom Tykwer, der die Berlinale mit seinem können. Als Kind drehte er erste Super-8-Filme, bereits als Fünfzehnjäh- aktuellen Spielfilm The International eröffnete, beginnt riger jobbte er in Programmkinos, später programmierte er in den unsere Reihe. Als Gast stellt er seinen hochkarätig besetz- Berliner Moviemento-Kinos. Dass er von den Filmhochschulen abge- ten Thriller im März in unserem Haus vor. lehnt wurde, hinderte den Cineasten nicht, seinen Traum, eine eigene kinematographische Welt auf der Leinwand zu erschaffen, konsequent Wirklich großes Kino machen, auch das Kino 1 in Multiplexen füllen – weiterzuverfolgen. Seine Karriere ist eine beeindruckende Erfolgs ohne dabei Kompromisse auf der inhaltlichen Schiene einzugehen. geschichte, sie begann mit Drehbuch-Lektoraten und TV-Porträts ver- Mit diesem Anspruch ist Tom Tykwer als Regisseur, schiedener Regisseure, auf die Kurzfilme Because Produzent und Autor angetreten, wie nur wenigen (1990) und Epilog (1992) folgte das gefeierte Spielfilm- anderen deutschen Filmemachern gelingt ihm das. debüt Die tödliche M aria (1993). „Nachdenklich fantasieren, abschweifen, fokussie- Tykwer lernt man als freundlichen und aufmerk- ren. Analytisch träumen. Im Kino, fürs Kino”, so lau- samen Menschen kennen, für Memorabilien wie das tet sein Selbstverständnis, das sich auf der Kino Gozilla-Plakat in seinem Büro interessiert sich der leinwand manifestiert. Seine Arbeit wird geprägt Filmfreak, dessen Leidenschaft mit Horrorfilmen und durch ein Gespür für das Magische im Alltag, wie B-Movies begann, und in der Filmgeschichte sowie das Herabfallen eines Glaskristalls aus dem den aktuell laufenden Produktionen kennt er sich Kronleuchter als Hoffnungsschimmer in Die tödliche ausgezeichnet aus. M aria , den bedingungslosen Glauben an die hei- Als Autorenfilmer neuen Typus, der zugleich Gesell- lende (Heaven), rettende (L ola rennt) und neu er- schafter der Produktions- und Verleihfirma X Filme schaffende (Heaven) Kraft der Liebe, das tragische ist, widerlegt er die oft beschworene Unvereinbar- (Winterschläfer) oder glückliche, in einem neuen Le- keit von künstlerischem und kommerziell erfolg- ben endende (Der K rieger und die K aiserin) Moment reichem Kino. Welterfolge wie L ola rennt (1997/98) des Fallens und Fallenlassens ebenso wie die Faszi- und Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders (2005/06) geben ihm die nation für weibliche Stärke, die sich in seinen Frauenfiguren findet. Möglichkeit, Stoffe selbstbewusst aufzugreifen und mit hohen Bud- Sein Kino versteht er als „hemmungslos persönlich, nicht privat”, das gets zu verfilmen. für ein Publikum gemacht ist, nicht für einen selbst: Es folgt individu- Im Gegensatz zu vielen Filmschaffenden der jüngeren und mittleren Ge- eller Weltwahrnehmung, bietet ein Klima eigener Träume und lebt von neration ist Tykwer ein Autodidakt, der keine Filmschule besucht hat. der Gestalt der Gedanken. „Tom Tykwer ist süchtig nach Kino. Das war schon immer so”, schreibt Biografin Sandra Schuppbach über den passionierten Kinogänger, der KINOTERMIN The International USA/Deutschland 2008, R: Tom Tykwer Da: Clive Owen, Naomi Watts, Armin Mueller-Stahl, Brian F. O‘Byrne, 118 min Ursprünglich hatten wir Tom Tykwer bereits am 22. Februar erwartet, dieser „Denn nur der Film, der mich einlädt, mich geradezu zwingt, wieder Termin musste unmittelbar nach der Berlinale leider verschoben werden. gesehen zu werden, beweist uns, dass das Kino mehr ist als akustisch Der neue Kinotermin stand bei Redaktionsschluss leider nicht fest und wird über untermalte Lichtspiele auf der Netzhaut, dass es mehr sein kann als www.deutsches-filmmuseum.de, unseren Newsletter oder die Tagespresse angekündigt. Nach der Vorstellung spricht Tom Tykwer eine nette Ablenkung vom Leben.“ Tom Tykwer mit einem Kritiker von epd Film In Kooperation mit
11 Wir unterstützen Wissenschaft, Kunst und Kultur und fördern unter anderem das Deutsche Filminstitut / Deutsche Filmmuseum. Engagieren auch Sie sich bei den Freunden des Deutschen Filminstituts. Bögner Hensel & Partner Rechtsanwälte Notare Steuerberater Zeppelinallee 47 D-60487 Frankfurt am Main Tel.: ++49 (0)69 79405-0 Fax: ++49 (0)69 79405-110 www.bhp-anwaelte.de | mail@bhp-anwaelte.de Kontakt: Freunde des Deutschen Filminstituts e.V. Schaumainkai 41 60596 Frankfurt am Main Telefon: 069 - 961 220 303 www.deutsches-filminstitut.de
Rückblick 12 B er l ina le 2 0 0 9 Als Branchentreff bieten die Internationalen Filmfestspiele Berlin traditionell ein Forum zur Präsentation und Kontakt- 1 2 pflege für unsere Festivals und filmportal.de. Wie gewohnt lud goEast zum Empfang in die Victoriabar in der Pots- damer Straße. Filmschaffende, Medienvertreter, Kultureinrichtungen und Partner nutzten dabei die Gelegenheit, sich in freundschaftlicher Atmosphäre auf das Festival des mittel- und osteuropäischen Films 4 vom 22. bis 28. April einzustimmen. Die neue Festivalleiterin Nadja Rademacher erlebte dabei zum ersten Mal das besondere goEast-Flair und stellte angesichts der Vielsprachigkeit fest: „In der Filmbranche ist der kulturelle Dialog längst kein Ziel mehr, sondern Praxis.“ Erstmals veranstaltete das Internationale Kinderfilmfestival LUCAS einen Berlinale-Empfang. Gerade der Kinderfilm erfreut sich wach- 3 5 sender Bedeutung bei der Berlinale, so begrüßten Petra Kappler und ihr Team zahlreiche Gäste aus der Branche – die natürlich vom 6. bis 13. September in Frankfurt erwartet werden. Seit Jahren pflegt filmportal.de eine erfolgreiche Partnerschaft mit der Deutschen Welle. Auf der zentralen Plattform des deutschen Films im Internet kann auch hierzulande KINO, das monatliche TV-Magazin des Auslandssenders, gesehen werden. Bei der Berlinale wurden neue Projekte besprochen, auf die man später beim Empfang von DW TV 6 7 anstoßen konnte. Beim Empfang der Hessischen Landesregierung lobte Günter Schmitteckert, Abteilungsleiter Kultur und Kunst im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die Bedeutung unserer inter- nationalen Festivals für das Filmland Hessen. Einen wichtigen Beitrag für Filmkultur und Medienkompetenz leisten außerdem die SchulKino- Wochen, die in diesem Monat zum 3. Mal stattfinden, hob er hervor. 8 9 10 1. Gute Stimmung beim goEast-Empfang 2. Produzent Michael von Wolkenstein (l.) im Gespräch mit goEast-Festivalleiterin Nadja Rademacher 3. Regisseurin Anne Walther, Bundestagsabgeordnete Angelika Krüger-Leißner und Reiner Schöler (HMWK) im Gespräch 4. Regisseurin Iris Elezi und Filmkritiker Daniel Kothenschulte 5. Swetlana Sikora (goEast) mit Maciej Karpinski (Polnisches Filminstitut) 6. Verena Metze-Mangold (HR) und Joachim von Harbou 7. Besucher im Roten Salon beim LUCAS-Empfang 8. Katrin Willmann (Bundeszentrale für politische Bildung) mit LUCAS-Festivalleiterin Petra Kappler 9. Das Interfilm-Allstar-DJ-Team legte auf 10. Günter Schmitteckert beim Empfang der Hessischen Landesregierung
Führungen / Archive Galerieausstellung und Filme S chätze des Lost Med ia : F ound 13 Gerätearch i vs Übergänge vom / zum / im Film Über 2500 Objekte im Gerätearchiv Gemeinsam mit der Filmklasse der der Leinwand in den Raum hinein. Im Kontext dokumentieren die Technikgeschichte Hochschule für Gestaltung Offenbach der Dauerausstellung unseres Hauses gibt es des Films und seiner Vorläufer: von jede Menge Aha-Effekte und Motive, die sich präsentiert unsere Galerieausstellung quer durch die Filmgeschichte ziehen. der Laterna magica aus dem 18. Jahr- Lost Media: FOUND, die von einer hundert über die Stummfilmkameras Filmreihe begleitet wird. Die begleitende Filmreihe wird mit einem wei- aus den Anfangsjahren des Films bis teren Block an Kurzfilmen fortgesetzt, die einen zu kompletten Produktionsreihen von Besucherinnen und Besucher erhalten einen vertiefenden Einblick in das rein lineare Film- Projektorenherstellern. lebhaften Einblick, wie die Studierenden von schaffen der angehenden Filmemacher gibt. Die Professorin Rotraut Pape speziell im Lehrgebiet Arbeiten aus den vergangenen fünf Jahren so- Auf über 600 Quadratmeter archiviert die Film/Video arbeiten und forschen. Dabei ermög- wie aus allen Genres und Gattungen fanden in- kinematographische Sammlung ausgewählte licht der modularisierte Studienaufbau an der ternationale Aufmerksamkeit, liefen auf renom- Objekte aller technischen Bereiche, die für die Offenbacher Kunsthochschule es, das Studium mierten Festivals und wurden mit Preisen Herstellung und Vorführung eines Films von nach eigenen Interessen, Talenten und hand- bedacht. Unterhaltsames, Findiges, Nachdenk- Bedeutung sind, und zeigt deren historische werklichen Fähigkeiten zusammenzustellen. liches – Inspiration auf allen Ebenen. Mit dem Entwicklung. Dazu gehören Kameras mit Außerdem bietet diese zeitgemäße Filmaus genau durchdachten Einsatz der analogen wie ihrem Zubehör, Kamerawagen, Beleuchtungs- bildung die Chance, sich Know-how auch aus digitalen filmischen Mittel, mit bewusst gestal- technik, Tonaufnahmegeräte, tricktechnische den anderen Lehrgebieten anzueignen – daraus teten Hörräumen und Kamerabildern in einer Anlagen und Geräte, Kopiermaschinen, ergeben sich für das Arbeiten der Studierenden nicht auf Zeitgeist schielenden Montage wird Schneidetische und Filmprojektoren. Der vielseitige Ansätze und Möglichkeiten, die ganz letztlich Poesie freigesetzt. Amateurbereich ist ebenso vertreten wie die neue Felder eröffnen. professionelle Technik. Die Ausstellung spiegelt diese gegenseitige Be- Kinotermin und Informationen Mit einem Rundgang durch die Sammlung ge- fruchtung und Zusammenarbeit wider: Elektro- Di 10.3. 20.30 Uhr währt die Führung einen Blick auf die Objekte, nische Medienkunst wird versetzt mit Frag- 5 Jahre HfG-Filmklasse Prof. Rotraut Pape die nicht in der Dauerausstellung unseres menten aus der Filmgeschichte, interaktive Kurzfilmprogramm: Hauses zu sehen sind und zeigt Wechsel Möglichkeiten geben dem Film und seiner Mon- Filme von Sebastian Simon, Ivi Roberg, Claire wirkungen zwischen Film- und Technikge- tage ein partizipatives Moment; grafisch lässt Walka, Astrid Rieger, Eva Becker, Milica Milinov, schichte auf. sich filmische Stefan Ringelschwandtner, Matthias Winckel- Zeit in die Flä- mann, Henning Christiansen, Jochen Epple, Jos Diesel, Nicole Winter, 2004-2008 che umsetzen; Informationen immersive Bild- Im Rahmen der Ausstellung wird ein Material- Do 26.3. 15.00 Uhr Film-Workshop von Jos Diegel angeboten. welten erlauben Informationen: Führung durch das Gerätearchiv von den Sprung von Daniela Dietrich, Tel.: 069 - 961 220 223 - oder 522 Thomas Worschech museumspädagogik@deutsches-filmmuseum.de Dauer: ca. 60 Minuten, Teilnahmegebühr: € 7,- / 5,- (ermäßigt), Mit Dank an Prof. Bernd Kracke, Bernd Zimmer- Shuttle-Service zum Archiv (Frankfurt-Riederwald) mann, Prof. Klaus Hesse, Prof. Ulrike Gabriel, im Preis enthalten, Abfahrt um 14.30 Uhr am Stephan Blanché, Claus Wihopf, Katja Kupfer, Deutschen Filmmuseum (Treffpunkt im Foyer), Peter Müller (HFG) und Anja Henningsmeyer Tickets an der Kasse erhältlich. (HFMA) Anmeldung unter: 069-961 220 220 In Kooperation mit Mit freundlicher Unterstützung von Ivi Roberg Nachtsonne (2004)
14 70 MM – B I G G E R T H A N LIF E Bei der Berlinale begeisterte die Retrospektive 70 mm – Bigger than Life Fachwelt und Publikum. In einer Filmreihe zeigen wir daraus eine Auswahl der Leinwandepen, Abenteuer- und Science-Fiction-Filme sowie Musicals im Breitfilm-Format. Unser Kino gehört zu den wenigen in Deutschland, die noch 70-mm-Kopien vorführen können – diese Gelegenheit sollte man nutzen. Obwohl seit den Zeiten der Filmpioniere wie onslöchern – im Unterschied zu den vier des Thomas Alva Edison die Breite von 35 Millime- 35-mm-Films. Die Vorführkopien wurden auf tern der Standard für Kinoauswertung ist, wur- 70-mm-Film hergestellt, wobei man die zusätz- de bereits in der Frühzeit des Films mit größeren lichen 5 mm auf dem Steifen für Magnetton- Formaten experimentiert. Das erste 70-mm-Film- spuren nutzte. Das 70-mm-Format bietet ein et- material wurde in den 1920er Jahren in den USA wa drei Mal so großes Bild wie das entwickelt, und die Versuche mit diesem Format 35-mm-Format und kann bis zu sechs Tonspuren fanden einen ersten Höhepunkt um 1930. Aber aufnehmen. Bei der Projektion muss das Filmbild aufgrund der Weltwirtschaftskrise und der Be- weniger stark vergrößert werden und wirkt ent- lastung der Kinos durch die Umstellung auf den sprechend schärfer und brillanter. rungen und Umkopierungen sind durchaus in Tonfilm konnte sich das Format nicht durchset- unterschiedlichem Maße gelungen; in jedem zen. Erst in den 1950er Jahren, angesichts der Bis Anfang der 1970er Jahre war 70 mm das Fall sind aber kleine Abstriche gegenüber der zunehmenden Konkurrenz durch das Fernsehen, Format für aufwendige Großproduktionen. Da- ursprünglichen Brillanz der Schärfe und Farben wurden die Versuche mit 70 mm und Mehrka- nach kamen noch einige herkömmliche 35-mm- zu machen. nalstereoton reaktiviert, um den Zuschauern Filme als Blowups auf 70mm ins Kino, deren neue sinnliche Reize zu bieten. Das erste kom- Bildqualität sich nicht mit originalen 70-mm- 70 mm heute merziell erfolgreiche Verfahren Todd-AO hatte Filmen messen kann – teilweise nicht einmal Durch die Berlinale-Retrospektive können nun die American Optical Co. im Auftrag des Produ- mit den 35-mm-Fassungen. Einer der letzten ech- seltene Kopien aus dem Ausland in Deutsch- zenten Michael Todd entwickelt, der kurz zuvor ten 70-mm-Spielfilme war Kenneth Branaghs land gezeigt werden, die einzelne Kinos wegen bereits zu den Initiatoren von Cinerama (bei wel- Hamlet (1996). der enormen Transport- und Versicherungsko- chem drei Filmstreifen synchron nebeneinander sten nicht alleine importieren könnten. Daher liefen) gehört hatte. Als erster nach dem neuen Die meisten Erstaufführungskopien vom Kame- nutzen wir die Gelegenheit, diese Kopien vor- Verfahrenen entstandener Spielfilm kam das ranegativ sind im Laufe der Zeit farblich ausge- zuführen – auch wenn unser Kinosaal nicht den Musical Oklahoma! (1955) in die Kinos. bleicht, verlorengegangen oder zerstört wor- Kinopalästen entspricht, für die sie geschaffen den. Einige Filme wurden in den vergangenen wurden. Die kleinere Leinwand bietet aber ei- Gedreht wurde auf 65 Millimeter breitem Film- zwei Jahrzehnten aufwendig restauriert, nun mit nen beindruckenden Gewinn an Schärfe und material mit einer Bildhöhe von fünf Perforati- dts- statt Magnetton versehen. Diese Restaurie- visueller Brillanz. Viele 70-mm-Filme enthalten Im Größenvergleich 70 mm Breitfilm, 35 mm Normalformat, 35 mm CinemaScope oben: David Lean L awrence of A rabia (GB 1962)
Filmreihe 15 alleine wegen ihrer aus dem Rahmen fallenden Längen Ouvertüren und Pausen. Solche Ouver- türen wurden von den Filmemachern und den Komponisten zur Einstimmung auf den Film ge- plant und sind also integraler Teil desselben. Wir bitten, diese Musik auch entsprechend zu goutieren: Sie läuft bei geschlossenem Vor- hang und gedämpftem Saallicht. Alle Kinolieb- haber, denen es noch nicht egal ist, ob sie ei- nen Film aus dem Netz heruntergeladen auf ihrem Rechner zu Hause oder so, wie er ge- dacht war, im Kino sehen, sollten sich diese seltene Gelegenheit nicht entgehen lassen. Unser besonderer Dank gilt Connie Betz von der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Berlin. jord (Super Panavision 70, 1991) zeigt in einer schien. Die restaurierte Fassung von 1988, an Zum Programm einzigen Fahrtaufnahme im Norden in der Regisseur David Lean selbst mitgearbeitet Das Kurzfilmprogramm gibt einen Einblick in die 50.000-facher Geschwindigkeit das Vergehen hat, kann damit nicht mehr hundertprozentig vielfältigen Möglichkeiten des 70-mm-Formats. des arktischen Jahres. Veit Helmers Tour Eiffel aufwarten. Dennoch ist der Film, welcher den The Miracle of Todd-AO (1956) demonstriert die (Arri 765, 1994) ist ein Kurzspielfilm, in dem ein Einsatz des Abenteurers T. E. Lawrence in der technischen Qualitäten des Todd-AO-Verfah- Mann vom Eiffelturm aus mit ansehen muss, wie arabischen Wüste schildert – dieser sollte für rens mittels Aufnahmen einer Achterbahnfahrt, sein neues Kabrio gestohlen wird. L e M ariage de die Briten während des ersten Weltkriegs den von Flug- und Skiaufnahmen und einer Verfol- Fanny (Superpanorama MCS 70, 1999) setzt die Aufstand der Araber gegen die Osmanen orga- gungsjagd in San Francisco. Die Kopie ist dem Erinnerungen einer Frau in einen experimentel- nisieren –, immer noch eines der visuell beein- Academy Film Archive, Los Angeles zu verdan- len filmischen Diskurs um und mixt dabei 70-mm druckendsten Werke der Filmgeschichte. ken. Shellarama (Super Technirama, 1965), ein mit aufgeblasenen Aufnahmen. im Auftrag der Shell Co. entstandener Industrie- West Side Story mit der Musik von Leonard film, zeichnet den Weg des Petroleums nach von Kein 70-mm-Film konnte jemals mit grandio- Bernstein war Ende der 1950er Jahre eines der der ersten Bohrung in den Sümpfen Nigerias seren Landschaftsaufnahmen aufwarten als erfolgreichsten Musicals am Broadway. Für über seinen Transport per Pipeline und Tanker Lawrence of Arabia (1962, Super Panavision 70): seine Kinoadaption von 1961 (Super Panavision bis zum Verbrauch. In Sky O ver Holland (Super- Wer eine der Erstaufführungskopien der 1960er 70) versicherte sich Robert Wise der Mitarbeit panorama MCS 70, 1967) führt John Ferno die Jahre gesehen hat, weiß, dass beinahe jedes des Choreographen Jerome Robbins, welchem Niederlande aus der Luft vor. Å ret gjennom Børf - Sandkorn in der Wüste gestochen scharf er- einige der beeindruckendsten Tanzszenen der oben: Stanley Kubrick 2001: A Space Odyssey (GB 1968) unten: Morten Skallerud Aret Gjennom Borfjord (Kurzfilm, 1991)
16 Spekulation und psychedelischer Trip, beein- durch grandiose Panorama-Einstellungen he- flusste 2001 mit seiner revolutionären Tricktech- roisiert und in eine mythische Vergangenheit nik nachhaltig die weitere Entwicklung des Sci- gerückt; als Kontrast gibt es zwischendurch ence-Fiction. eine komische Einlage in Dodge City. Ein sehr Als eine der kommerziell erfolgreichsten Pro- persönliches Werk von einem der Meister des duktionen aller Zeiten gilt Ben-Hur (1959, MGM amerikanischen Kinos. Camera 65) von William Wyler; das von Andrew Als Cleopatra (Todd-AO) 1963 herauskam, konn- Marton und Yakima Canutt spektakulär insze- te er auf eine lange und komplizierte Produkti- nierte Wagenrennen schrieb Filmgeschichte. onsgeschichte zurückblicken. In der Planung Charlton Heston spielt in dem monumentalen Hi- seit 1958, begannen die Dreharbeiten 1960 unter storienfilm den jüdischen Prinzen Judah Ben- der Regie von Rouben Mamoulian. Es gab kein Hur, der zum Galeerensklaven abstürzt, sein fertiges Drehbuch und die Kosten explodierten. Schicksal wendet und schließlich zum Anhän- Joseph L. Mankiewicz rettete schließlich als ger Christi konvertiert. Gedreht wurde in Italien, Autor und Regisseur das Projekt und ihm gelang die grandiose Musik stammt von Miklos Rozsa. es, mit intelligenten, teilweise an Shaw orien- tierten Dialogen den Figuren Leben einzuhau- Flying Clipper. Traumreise unter weissen Segeln chen – insbesondere Cäsar, aber auch der ägyp- (1962, MCS-70) von Hermann Leitner und Rudolf tischen Königin, die nacheinander zwei der Filmgeschichte zu verdanken sind, etwa „Jet Nußgruber war der erste lange deutsche mächtigsten Männer des römischen Weltreichs Song“, „America“ oder „Cool“. W est S ide 70-mm-Film. Zu einer Zeit, als eine Urlaubsreise bezauberte. Cleopatra war seinerzeit einer der Story ist eine moderne Romeo-und-Julia-Varia- ins Ausland noch kein Massenphänomen war, teuersten, längsten und spektakulärsten Filme tion, angesiedelt im Milieu der Jugendbanden zeigte er die Fahrt eines schwedischen Segel- der Filmgeschichte. der West Side von Manhattan, und gewann zehn schiffes mit internationaler Besatzung durchs „Baraka“ ist in der Sprache der Sufis der Atem Oscars. Mittelmeer mit wunderschönen Aufnahmen von des Lebens, und Baraka (Todd-AO, 1992) heißt Das andere überwältigende Meisterwerk des den Stationen der Reise. auch der Film von Ron Fricke, einem der Mitar- 70-mm-Films ist ohne Frage Stanley Kubricks John Fords letzter Western Cheyenne Autumn beiter von Koyaanisqatsi. Dessen Konzept, eine Weltraumoper 2001: A Space Odyssey (1968, Super (1964, Super Panavision 70) behandelt den Zug Aussage über das Verhältnis des Menschen zu Panavision 70). Es handelt von einem rätsel- der Cheyenne-Indianer 1878 von ihrer unfrucht- seiner Umwelt mit rein visuellen und klanglichen haften Monolithen und eine Expedition zum Ju- baren Reservation in Oklahoma über 1800 Mitteln zu treffen, wird weiterentwickelt: Fricke piter, deren Erfolg vom eigenwilligen Bordcom- Meilen in ihre Heimat Dakota, verfolgt von der hat in 24 Ländern der Erde gedreht und seine puter HAL sabotiert wird. Nie zuvor im Kavallerie. Hunger und Krankheiten hatten ihre atemberaubenden Bilder ohne sprachlichen Science-Fiction-Genre gab es derart glaubwür- Zahl von über 1000 auf 286 reduziert, und auf Kommentar zu einem großen epischen Poem dige Aktionen im Weltraum zu sehen. Gleichzei- ihrer Flucht müssen sie weitere Opfer bringen. über die Entwicklung unseres Planeten und des tig technische Utopie, kulturphilosophische Das tragische Schicksal des Stammes wird Menschen montiert. oben: Robert Wise West Side S tory (USA 1960/61) unten: William Wyler Ben-Hur (USA 1959) Rechts Seite: Jaques Tati Play Time (F 1967)
Filmreihe 17 Nicht der erhoffte Erfolg war bei seinem Er- scheinen auch Play Time (1967, 70 mm Wide- screen), sodass der Regisseur Jacques Tati den Film nach der Premiere um eine knappe halbe Stunde kürzte. Tatsächlich – und auch längst anerkannt – handelt es sich um Tatis be- sten Film, sein Meisterwerk. Nie zuvor und nie mehr danach hat er eine Komödie in allen ihren Einzelheiten so präzise ausgetüftelt. Die Hand- lung ist minimal und zeigt Monsieur Hulot, kon- frontiert mit einer Gruppe amerikanischer Tou- risten, in einem modernen Paris aus Glas und Ausführliche Informationen zu den Filmen des Stahl. Play Time wird als einer der wenigen Programms sind ab Anfang März unserer Home- wirklich durch und durch perfekten Filme der page www.deutsches-filmmuseum.de zu ent- Filmgeschichte bezeichnet. nehmen. Kinotermine Fr 13.3. 18.00 Uhr So 15.3. 12.00 Uhr | Matinee Kurzfilmprogramm: Ben-Hur USA 1959 The Miracle of Todd-AO R: William Wyler, Da: Charlton Heston, Jack USA 1956, R: Juan C. Hutchison 11 min OF Hawkins, Stephen Boyd, Haya Harareet, 215 min OF Print courtesy of the Academy Film Archive So 15.3. 17.30 Uhr Shellarama GB 1965, R: Richard Cawston, 14 min OF Sky Over Holland NL 1967, R: John Ferno, 22 min OF F lying C lipper . Traumreise unter weissen Segeln Å ret G jennom Bǿrfjord BRD 1962, R: Hermann Leitner, Rudolf Nußgruber A Year Along the Abandoned Road Dokumentarfilm, 154 min OF, Neue Kopie Norwegen 1991, R: Morten Sakallerud, 12 min So 15.3. 20.30 Uhr Tour E iffel D 1993, R: Veit Helmer, 10 min Le Mariage de Fanny F 1999, R: Olivier Brunet, 18 min OF Cheyenne Autumn USA 1964, R: John Ford Fr 13.3. 20.00 Uhr Da: Richard Widmark, Carroll Baker, Karl Malden, L awrence of A rabia Dolores Del Rio, 154 min OF Großbritannien 1962, R: David Lean Mo 16.3. 19.00 Uhr | Mi 18.3. 19.00 Uhr Da: Peter O’Toole, Alec Guinness, Anthony Quinn, Jack Hawkins, Omar Sharif Cleopatra USA 1963, R: J.L. Mankiewicz 216 min OF, restaurierte Fassung von 1989 Da: E. Taylor, R. Burton, Rex Harrison, 248 min OF Restaurierte Fassung von 2006 Sa 14.3. 17.30 Uhr West Side S tory USA 1960/61 Di 17.3. 18.00 Uhr R: Robert Wise, Jerome Robbins, Da: Natalie Wood, Baraka Ron Fricke, Richard Beymer, Russ Tamblyn, 153 min OF USA 1992, 96 min OF, Dokumentarfilm Sa 14.3. 20.30 Uhr Di 17.3. 20.30 Uhr 2001: A Space Odyssey P lay Time F 1967, R: J. Tati, Da: J. Tati, B. Dennek, Großbritannien 1968, R: Stanley Kubrick J. Lecomte, 126 min OF, Restaurierte Fassung von 2002 Da: Keir Dullea, Gary Lockwood, William Sylvester Es gelten besondere Eintrittspreise: 141 min OF 11 Euro / 9 Euro ermässigt / 8 Euro mit Kinocard
18 D as Tabe ll ariu m ist in eine
19 nem gesonderten D oku m ent
20 Klassiker & Rar i täten Geschichtlich und künstlerisch Begleitend zur Ausstellung Liselotte Strelow im bedeutende Filme zeigt diese feste Historischen Museum Frankfurt präsentiert unser Kino Faust (1960), Peter Gorskis filmische Programmreihe: Dienstags, mittwochs, Adaption von Gustaf Gründgens’ klassischer donnerstags, in einer Wiederholungs Inszenierung des Faust am Deutschen Schau- vorstellung samstags sowie einer spielhaus Hamburg. Der Regisseur versuchte, monatlichen Stummfilmvorführung gezielt filmische Stilmittel (Wechsel der freitags lassen sich bekannte Meister- Perspektive, assoziative Zwischenschnitte) ein- werke oder fast vergessene Raritäten zusetzen, um sich von einer reinen Abfilmung und Schätze (wieder)entdecken – mit der Inszenierung zu lösen. Der alternde Wissen- Einführungen unserer Mitarbeiterinnen schaftler Faust ist verzweifelt auf der Suche und Mitarbeiter. nach Wissen und Erkenntnis, jedoch ohne Er- folg. Um dieser Unwissenheit zu entkommen, wagt er das Äußerste: Er verbündet sich mit dem Teufel. Mephisto, verkörpert von Gustaf Gründ- gens, bietet ihm zunächst ewige Jugend an, die Faust in vollen Zügen genießt, vor allem, um das reine Gretchen zu verführen. Im viktorianischen England sieht der Arzt Frederick Treves (Anthony Hopkins) während einer Freak-Show den jungen John Merrick. Wegen einer unheilbaren Nervenkrankheit war Merricks Gesicht schon seit dessen Kindheit durch Geschwülste verunstaltet, weshalb er auch The Elephant Man (Der Elefantenmensch, 1980) genannt wird. Treves nimmt sich seiner an und entdeckt in dem Erniedrigten einen gebil- deten, lebenshungrigen Menschen. David Lynch gestaltete die Geschichte einer wahren Bege- benheit zu einer Studie der Humanität und Hilfs- bereitschaft, die ihr visuelles Gruselpotenzial nie zum Selbstzweck einsetzt. Produziert wurde der brillant fotografierte Film von Mel Brooks, der aber aus Vermarktungsgründen anonym blieb. Peter Gorski Faust (BRD 1960) Rechte Seite: links: David Lynch The E lephant M an (GB/USA 1980) mitte: Fred Zinnemann The Seventh C ross (USA 1944) rechts: Alfred Hitchcock F renzy (USA 1972) o: Volker Schlöndorff Der junge Törless (BRD/F 1966)
Filmreihe 21 Mit Le Plaisir (1950) verfilmte Max Ophüls drei Volker Schlöndorff zum 70sten Heranwachsende Novellen von Guy de Maupassant, die alle die Am 31. März präsentieren wir zum 70. Geburtstag aus wohlhabenden Lust zum Gegenstand haben. In der ersten Ge- von Volker Schlöndorff seinen Debütfilm Der Familien unterge- schichte versteckt ein Mann sein wahres Alter junge Törless (1966), der mit zahlreichen Preisen bracht sind. Lange- hinter einer Maske, der nächste längste Teil ver- ausgezeichnet wurde und den ersten auch inter- weile und pubertär- folgt liebevoll und mit Humor die Fahrt der Bor- nationalen Erfolg für den jungen deutschen Film sexuelle Antriebe dellbesitzerin Tellier und ihrer Mädchen zu einer bedeutete. Die Adaption einer Erzählung von sowie Macht- und Beerdigung, während in der dritten Episode ein Robert Musil spielt in einem Jungeninternat an Abhängigkeitsverhältnisse führen zur Misshand- Modell auf fatale Weise versucht, einen Maler der österreichisch-ungarischen Grenze, in dem lung eines Außenseiters, während der zwischen für sich zu gewinnen. Der Film, eines der Lieb- Neugier und Ablehnung der Taten hin- und her- lingswerke von Stanley Kubrick, beweist gerissene Törless (Mathieu Carrière) zum Mit eindrucksvoll das Ophüls’sche Gespür für Präzi- täter wird. Genau, sorgfältig und handwerklich sion, Gesten und subtile Dialoge und besticht gekonnt werden die klaustrophobische Atmo- durch die grandiose Inszenierung. sphäre des Internats und die Psychologie der Charaktere wiedergegeben. Nur zwei Jahre nach dem Erscheinen von Anna Im April und Mai folgt neben einer Volker Seghers berühmtem Roman drehte Fred Zinne- Schlöndorff gewidmeten Werkschau eine Carte mann mit The Seventh Cross (Das Siebte Kreuz, Blanche, in der er für ihn wichtige Filme präsen- 1944) eine sehr werkgetreue Verfilmung der tiert. literarischen Vorlage. Dank seiner genauen Figurenzeichnung und der authentischen Wie- dergabe des Milieus unterscheidet sich The zehn Jahren wieder in seiner Heimat England George Roy Hills Butch Cassidy and the Sundance Seventh Cross deutlich von anderen amerika- drehte. Wie in kaum einem seiner Filme zuvor, Kid (1969) schildert die Flucht der Banditen Cassi- nischen antifaschistischen Filmen der Zeit. prägen angelsächsische Ironie und makabere dy (Paul Newman) und Sundance (Robert Red- Sieben Häftlingen gelingt 1936 die Flucht aus Härte die gesamte Handlung. In London treibt ford), die nach einem Eisenbahnüberfall gejagt einem Konzentrationslager. Der Kommandant ein Serienmörder sein Unwesen, der Frauen werden. Mit einer Freundin (Katharine Ross) kön- des Lagers schwört, jeden einzelnen der Entflo- mit einer Krawatte erwürgt. Als nächstes Opfer nen sie nach Bolivien entkommen, wo sie aber- henen zu fangen und sie an sieben aufgestellte sucht er sich die Ex-Frau seines besten mals das Gesetz brechen und Banken überfallen. Kreuze zu binden. Im Mittelpunkt der Handlung Freundes aus, der daraufhin verhaftet wird und Höhepunkt von Hills humorvoll inszeniertem und steht die Flucht des politischen Aktivisten Georg ins Gefängnis kommt. Als er durch einen Trick hervorragend fotografiertem Film ist eine fast Heisler (Spencer Tracy), die durch die Mensch- entfliehen kann, will er den wahren Mörder halbstündige Verfolgungsjagd. Burt Bacharachs lichkeit einiger weniger ermöglicht wird. entlarven. Hitchcocks legendärer Cameo- inzwischen legendäre Komposition Raindrops Frenzy (1971) war die erste Produktion, die Mei- Auftritt findet ganz zu Beginn in einer Massen- Keep Falling On My Head wurde mit einem von sterregisseur Alfred Hitchcock nach über fünf- szene statt. insgesamt vier Oscars ausgezeichnet.
22 Memoiren erinnerte sich Brooks, der Marlene seine inszenatorische Meisterschaft, indem er Dietrich fast die Rolle der Lulu weggeschnappt höchste Spannung mit teils feinem, teils skur- hätte, an die Dreharbeiten: „Ich verehrte Pabst, rilem Humor durchsetzte. Ein renommierter An- weil sein wahrheitsgetreues Bild dieser Welt walt (Charles Laughton) verteidigt einen des der Lust es mir erlaubte, die Lulu natürlich zu Mordes Angeklagten (Tyrone Power). Dessen spielen.” einziges Alibi ist die Aussage seiner Frau (Marlene Dietrich), die sich aber im Verlauf des Alfred Hitchcock sagte einmal: „Oft haben mir Prozesses von ihm abzuwenden scheint. Leute erzählt, wie sehr sie Witness For The Prosecution (Zeugin der Anklage, 1957) genossen Aus unserer Gérard-Depardieu-Reihe zeigt hätten. Sie dachten, das sei mein Film und nicht Klassiker & Raritäten Alain Resnais’ Mon oncle der von Billy Wilder.” Tatsächlich bewies der d‘Amérique (1980). Drei gegensätzliche Schick- aus Deutschland nach Hollywood emigrierte sale werden filmisch zu einem fantasievollen Wilder mit diesem courtroom drama nach einem Ganzen verknüpft. Bühnenstück von Agatha Christie abermals Nähere Beschreibung siehe Seite 26. Kinotermine Di 3.3. 18.00 Uhr Fr 20.3. 20.30 Uhr Faust BRD 1960, R: Peter Gorski Die Büchse der Pandora Da: Gustaf Gründgens, D 1929, R: G.W. Pabst Will Quadflieg, Da: Louise Brooks, Fritz Kortner, 133 min Elisabeth Flickenschildt, 128 min ital. ZT mit dt. Ü, restaurierte Fassung Einführung: Marius Hartung Klavierbegleitung: Uwe Oberg Mi 4.3. 18.00 Uhr | Sa 21.3. 17.30 Uhr Di 24.3. 18.00 Uhr | Gérard Depardieu Mit Die Büchse der Pandora (1929) zeigen wir nach Der Schatz einen weiteren Stummfilmklassiker The E lephant M an Der Elefantenmensch Mon oncle d’A mérique GB/USA 1980, R: David Lynch, Da: John Hurt, Mein Onkel aus Amerika Georg Wilhelm Pabsts. In dieser freien Bearbei- Anthony Hopkins, Anne Bancroft, 124 min DF F 1980, R: Alain Resnais, Da: Gérard Depardieu, tung der Lulu-Stücke Frank Wedekinds verführt Einführung am 4.3.: Tim Heptner Nicole Garcia, 125 min OmeU die wunderschöne, dämonisch-verführerische Do 5.3. 18.00 Uhr Mi 25.3. 18.00 Uhr | Sa 28.3. 18.00 Uhr Lulu (Louise Brooks) nacheinander mehrere, L e P laisir Frankreich 1952, R: Max Ophüls Witness for the P rosecution gutsituierte Männer und wird ihnen zum Ver- Da: Claude Dauphin, Jean Galland, 97 min OmeU Zeugin der Anklage hängnis. Pabsts Werk besticht durch die psy- USA 1957, R: Billy Wilder, Da: Marlene Dietrich, chologische Nuancierung der Charaktere und Sa 7.3. 18.00 Uhr | Di 10.3.18.00 Uhr Tyrone Power, Charles Laughton, 116 min DF das intensive Spiel der Darsteller. In ihren Korczak Polen/D/GB 1990, R: Andrzej Wajda Einführung am 25.3.: Petra Kappler Da: Wojciech Pszoniak, Ewa Dalkowska, 115 min DF Do 26.3. 18.00 Uhr Butch C assidy and the Sundance K id USA 1969 Mi 11.3. 18.00 Uhr R: George Roy Hill, Da: Paul Newman, Robert Redford The Seventh C ross Das Siebte Kreuz, USA 1944 110 min DF, Einführung: Felix Fischl R: Fred Zinnemann, Da: Spencer Tracy Signe Hasso 110 min OF Di 31.3. 18.00 Uhr Der junge Törless BRD/Frankreich 1966 Do 12.3. 18.00 Uhr R: Volker Schlöndorff F renzy USA 1972, R: Alfred Hitchcock Da: Mathieu Carrière, Marian Seidowsky, 87 min Da: Jon Finch, Barry Foster, 116 min Einführung: Beate Dannhorn Einführung: Martin Urban G.W. Pabst Die Büchse der Pandora (D 1929)
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