Forschung im Blick 2017|2018 - Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und ...
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Impressum Herausgeber Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Deichmanns Aue 31 – 37 53179 Bonn www.bbsr.bund.de Redaktion Christian Schlag Gestaltung BlockDesign Kommunikation & Medien, Berlin Titelmotiv © SEB/www.sebfoto.de/stock.adobe.com Bestellung selbstverlag@bbr.bund.de Druck Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Stand Januar 2018 Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) ist eine Ressortforschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Es berät die Bundesregierung bei Aufgaben der Stadt- und Raumentwicklung sowie des Wohnungs-, Immobilien- und Bauwesens.
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2017/2018 Liebe Leserinnen und Leser, geht die Preisrallye auf den Wohnungs- und Immobilienmärk- ten weiter? Wie verändert die Digitalisierung die Stadtentwick- lung und wie wirkt sie auf das Bauwesen? Welche Möglichkei- ten schaffen neue, flexible Wohnformen für die Zukunft? Mit diesen und weiteren Fragen befasst sich die neue Ausgabe unseres alle zwei Jahre erscheinenden Berichts „Forschung im Blick“. Das aktuelle Heft informiert Sie über Schwerpunkte und Projekte in den Bereichen Stadt- und Regionalentwicklung, Wohnen und Immobilien sowie Bauwesen. Im vergangenen Jahr skizzierten zwei Berichte – der Raum ordnungsbericht des BBSR und der Stadtentwicklungsbericht der Bundesregierung – demografische, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen in unseren Städten und Gemeinden. Der Raumordnungsbericht zeigt am Beispiel der Daseinsvorsorge, dass sich die Unterschiede zwischen strukturstarken und strukturschwachen Gebieten verfestigen. Auf das Nebenein- ander wachsender und schrumpfender Städte und Gemeinden nicht nur neue Möglichkeiten für studentisches Wohnen aus, geht auch der Stadtentwicklungsbericht ein. Einige der im sondern hat schon jetzt andere Nutzungen im Blick: Die Woh- Bericht identifizierten Trends und Treiber der Stadtentwicklung nungen sind von Anfang an barrierefrei, damit sie mittel- bis greift auch Forschung im Blick in seinem Schwerpunkt „Stadt- langfristig auch Senioren oder andere Bevölkerungsgruppen und Regionalentwicklung“ auf – und macht Beispiele städti- nutzen können. Im Mai 2017 starteten die ersten Vorhaben in scher Transformation anschaulich. Wuppertal und Bochum. Das BBSR begleitet die Modellvor- haben und wertet sie wissenschaftlich aus. Im Schwerpunkt Demografische Trends bestimmen die Entwicklungen auf den „Bauwesen“ stellen wir Ihnen die innovativen Ansätze des Wohnungsmärkten: Wohnungsmangel sowie weiter steigende Programms vor. Mieten und Preise kennzeichnen die Märkte in den Groß- und Universitätsstädten, Leerstand und Werteverfall die Märkte in Im Fokus unserer Forschung zum Bauwesen steht auch strukturschwachen Räumen. Obwohl die Baufertigstellungen das Thema Barrierefreiheit. Der in Zukunft-Bau-Projekten deutlich zugenommen haben, ist die Lücke zwischen Angebot entwickelte Leitfaden Barrierefreies Bauen ist inzwischen in und Nachfrage weiterhin groß. Knappes Bauland treibt die vierter Auflage erschienen – und seit dem letzten Jahr auch als Kosten im Wohnungsbau am meisten. Einige Projekte des digitale Planungshilfe abrufbar. Der Leitfaden gibt Hinweise für BBSR befassen sich daher mit neuen Ansätzen für die Aktivie- Planung, Bau und Betrieb öffentlicher Gebäude und Arbeits- rung von Flächen – eine Voraussetzung für den bezahlbaren stätten. Daneben widmet sich Forschung im Blick auch dem Wohnungsbau. Unsere Kommunalbefragung unterstreicht: nachhaltigen und ökologischen Bauen. Das BBSR entwickelt Um Menschen mit geringen Einkommen mit einer Wohnung zu seine Bewertungssysteme und Online-Praxishilfen für Planer versorgen, braucht es vor allem die kommunalen Wohnungsun- und Bauherren ständig weiter und setzt dabei auch auf inter- ternehmen. nationale Vernetzung. Studierende gehören zu den Leidtragenden des Wohnungs- Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre. mangels in den Groß- und Universitätsstädten. Zum Winter- semester 2017/2018 haben so viele junge Menschen wie nie ein Studium an einer Universität aufgenommen. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, unterstützt das Bundes- bauministerium den Bau sogenannter „Variowohnungen“. Dr. Robert Kaltenbrunner Entstehen sollen kleine, bezahlbare Einheiten für Studenten Stellvertretender Leiter des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Auszubildende. Das entsprechende Programm lotet aber und Raumforschung
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2017/2018 Inhalt Vorwort ............................................................................................................................................. 3 Scott Webb/pexels.com (CC0 Licence) FOKUS Stadt- und Regionalentwicklung Stadt- und Regionalentwicklung – eine Übersicht .......................................................................... 8 Die Smart City Charta............................................................................................................... 11 Nachdenken über die Stadt von übermorgen............................................................................ 14 Folgen einer Scheidung – Räumliche Auswirkungen des Brexit ................................................ 17 Nachhaltige Weiterentwicklung von Gewerbegebieten ................................................................ 22 Wie es mit der BBSR-Raumordnungsprognose weitergeht ....................................................... 26 Tiberius Gracchus – stock.adobe.com FOKUS Wohnen/Immobilien Wohnen/Immobilien – eine Übersicht ........................................................................................... 32 Wohnungsmarktakteure: Börsennotierte Wohnungsunternehmen und kommunale Anbieter ...................................................................................................................... 35 Wohnungsmärkte unter Druck ....................................................................................................... 39 Wege zum bezahlbaren Wohnen ................................................................................................... 43 FOKUS Bauwesen shutterstock Bauwesen – eine Übersicht ........................................................................................................... 48 Vernetzung und Internationalisierung des Nachhaltigen Bauens ................................................. 50 Inklusiv Planen: Digitaler Leitfaden Barrierefreies Bauen ............................................................. 52 Wie das Programm „Variowohnungen“ neue Wohnformen für Studierende erprobt ....................................................................................................................... 55 Ausblick: Perspektiven der Forschung zu Bau, Stadt und Raum ................................................... 58 Anhang: Veröffentlichungen, Veranstaltungen.............................................................................. 63
BBSRBBSR | STADT- | FORSCHUNG UND REGIONALENTWICKLUNG IM BLICK 2017/2018 Stadt- und Regionalentwicklung Foto: eyetronic – stock.adobe.com
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2017/2018 F OK US Stadt- und Regionalentwicklung Dr. Markus Eltges Das BBSR hat in den vergangenen Jahren Ein zentrales Projekt der Forschung in 2018 Isaque Pereira/pexels.com (CC0 Licence) intensiv an der Umsetzung und der Weiterent- wird sich dem Thema „Stadtgrünerfassung wicklung seiner Forschungscluster „Grün in und -monitoring“ widmen. Immer noch fehlen der Stadt“ und „Smart Cities“ gearbeitet. Das bundesweit vergleichbare Daten zum Grün- „Weißbuch Stadtgrün – Grün in der Stadt – bestand. Diese sind aber für räumlich und Für eine lebenswerte Zukunft“ und die „Smart sachlich differenzierte Aussagen dringend City Charta – Digitale Transformation in den nötig. Die amtliche Statistik erlaubt nur nähe- Kommunen nachhaltig gestalten“ sind zwei rungsweise Berechnungen. Primär fernerkun- wesentliche Ergebnisse. Beide Dokumente dungs- bzw. satellitengestützte Methoden sind durch die intensive wissenschaftliche und Techniken können Abhilfe schaffen und Entwicklungen wie die Globali- Betreuung des BBSR entstanden. Weißbuch die Lücken der amtlichen Statistik schließen. sierung der Wirtschaft und der und Charta bieten Bund und Ländern sowie Es geht um einen bundesweiten Überblick Märkte, die Digitalisierung, den Städten und Gemeinden konkrete Hilfe über die Zu- und Abnahme bestimmter Freiflä- Migration und der Klimawan- bei der Lösung anstehender Probleme. chentypen und um regionale und stadttypolo- del betreffen alle deutschen gische Unterschiede der Grünausstattung. In Städte und Regionen. Welche Das Bundesumwelt- und Bauministerium hat dem Projekt sollen auch „Grüne Brennpunkte“ Anforderungen daraus für die 2017 das neue Bund-Länder-Programm der identifiziert und daraus Handlungserforder- Stadt- und Regionalentwick- Städtebauförderung „Zukunft Stadtgrün“ nisse für die Kommunen abgeleitet werden: lung erwachsen, erforscht das gestartet und stellt dafür 50 Mio. Euro im Wo besteht ein besonderer Handlungsbe- BBSR in aktuellen Projekten. Jahr zur Verfügung. Das Programm ist ein darf, etwa bei der Bestandsicherung- und wichtiger Impuls für mehr urbanes Grün. Das -qualifizierung, am Stadtrand oder in den BBSR wird das Programm fachlich-wissen- Innenstädten? schaftlich begleiten, unter anderem durch die Betreuung einer neuen Bundestransfer- Die Daten sollen das Informationsangebot der stelle. Neben Erkenntnissen aus 21 Natio- kleinräumigen Stadt- und Raumbeobachtung nalen Projekten des Städtebaus sollen auch weiter ergänzen. Auch die Kombination mit Ergebnisse des Forschungsfeldes „Green lokalen Klimadaten – so genannten Testre- Urban Labs“ in die Begleitung einfließen. Die ferenzjahren – kann Erkenntnisse für die zwölf Modellvorhaben des Experimentellen Stadtplanung und den Städtebau der Zukunft Wohnungs- und Städtebaus (ExWoSt) werden vor dem Hintergrund von Klimaveränderungen bis 2020 innovative Ansätze zur Sicherung bieten. Testreferenzjahre repräsentieren einen und Qualifizierung von Stadtgrün erproben, für das Jahr typischen Witterungsverlauf beispielsweise die Öffnung von Parkanlagen an einem Ort. Das BBSR und der Deutsche für unterschiedliche Nutzungen, die Verbes- Wetterdienst (DWD) haben die Datensätze serung der Umweltgerechtigkeit durch mehr aktualisiert. Sie liegen nun für jeden Quad- Grünflächen in benachteiligten Quartieren ratkilometer des Bundesgebiets vor. Beide und die Vernetzung von Grünräumen. Projekte verfolgen das Ziel, Informationen für mehr Lebensqualität in den Städten und den Klimaschutz einzusetzen. Dabei geht es vor 8 | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG Michael Sondermann/Bundesstadt Bonn allem auch um die digitale Vernetzung bislang Die Verantwortlichen in den Rathäusern isolierter Informationen. benötigen gleichzeitig Hilfe, um die Digita- lisierung produktiv für ihre Stadt zu nutzen. Digitalisierung: Städte stehen vor einem Durch Digitalisierung können beachtliche Umbruch Stadtumbaupotenziale entstehen, die Struktur der Flächen- und Immobiliennachfrage kann Die Digitalisierung durchdringt Stadt- und sich völlig verändern. Im Mobilitätsbereich Raumentwicklung immer mehr und bestimmt können neue Systeme entstehen, die dem zunehmend das Denken und Handeln aller Stadtraum neue Möglichkeiten geben. Nicht Akteure. Sie prägt die Arbeitswelt und hat zuletzt sind Einflüsse auf Politik, Verwaltung das Private längst erreicht. Die Digitalisierung und die allgemeine Handlungsfähigkeit der hat das Potenzial, alle Strukturen in Stadt und öffentlichen Hand zu erwarten, was wiede- Raum umfassend im positiven wie auch im rum politische Strategien und Antworten negativen Sinne zu beeinflussen und zu einer erfordert. Es geht also um nichts weniger als bestimmenden Größe zu werden. die digitale Transformation unserer Städte, Gemeinden und Regionen. Digitalisierung ist kein singulärer Trend, son- dern ein Evolutionsschritt. Begriffe wie Smart In der im Juni 2017 veröffentlichten Smart City, Smart Regions, Industrie 4.0, Arbeiten City Charta werden die Chancen und Risiken 4.0 oder Open Data machen die sich abzeich- dieser Transformation erörtert. Zu den Chan- nende Dominanz deutlich. Im Kern geht es cen der Digitalisierung zählt die Nutzung von darum, bestehende oder neue Prozesse zu di- neuen Datenquellen und -sätzen – auch im gitalisieren und zu vernetzen, um damit Mehr- Verbund mit Geodaten – zur Lösung konkreter werte zu schaffen. Ziele von Effizienz oder Probleme im Stadtraum. Um die Städte in die- Suffizienz oder gänzlich neue Marktprodukte sem komplexen Themenfeld zu unterstützen, oder Prozesse können dabei im Vordergrund entwickelt das BBSR derzeit das ExWoSt-For- stehen. Die Digitalisierung kann auch eine schungsfeld „Digitale Lernlabore“. Das Projekt massive Kompetenzentwertung bedeuten. soll den Kompetenzaufbau im Umgang mit Bereiche, die heute noch gebraucht werden, Daten und neuen Medien in Kommunalver- können morgen schon überflüssig sein. Die waltungen und Zivilgesellschaft unterstützen. soziale Frage kann in der Stadt dramatische Ziel ist es, übertragbare Lösungen wie Urban zusätzliche Brisanz erhalten. Es ist kaum Data Labs oder Citizen Data Labs zu entwi- vorhersehbar, inwieweit und wie schnell neue ckeln und praxisorientiert zu kommunizieren. Jobs wo entstehen. STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG | 9
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2017/2018 Prognosewissen erweitern Nicht nur auf die Großstädte schauen Die skizzierten Themen zeigen, dass das Acht Modellvorhaben im Forschungsprojekt „Nachdenken über die Stadt von übermorgen“ „Potenziale von Kleinstädten in peripheren zwingend geboten ist und auch zur Kernkom- Lagen“ entwickeln seit 2015 Zukunftskon- petenz einer Ressortforschungseinrichtung zepte in der Peripherie. Der Hochschultag der gehören muss. Mit einem Projekt gleichen Nationalen Stadtentwicklungspolitik im Mai Namens setzt das BBSR die Reihe seiner 2017 in Cottbus unterstrich die Notwendig- Zukunftsforschung fort. Ergebnisse, die zum keit, solche Städte als einen eigenständigen Diskurs einladen werden, sollen in der zwei- Forschungsgegenstand zu etablieren. Ziel ten Jahreshälfte 2018 vorliegen. sollte es sein, das Besondere dieser Städte herauszuarbeiten und strategisch zu nutzen. Zum Nachdenken über die Stadt und Region Damit wäre nichts anderes verbunden als der von übermorgen gehört auch die Frage, Einstieg in eine stärker raumdifferenzierende wie sich die Bevölkerung in den nächsten Politik. Ein neues Forschungsformat der Nati- Jahrzehnten entwickeln wird. Wie schwierig onalen Stadtentwicklungspolitik soll ab 2018 diese Frage zu beantworten ist, hat sich an das zum Thema machen. den hohen Flüchtlingszahlen der Jahre 2014 und 2015 gezeigt. Dennoch sind Prognosen Mit dem im Oktober 2017 erschienen Raum notwendig. Bleibt die Attraktivität der Städte ordnungsbericht des BBSR zum Thema bestehen und welche Konsequenzen ergeben „Daseinsvorsorge sichern“ wurde deutlich sich hieraus für den Wohnungsneubaubedarf? gemacht, welche Handlungserfordernisse Das BBSR wird daher seine Bevölkerungspro- es jetzt und in der Zukunft gibt. Der Bericht gnose weiterentwickeln müssen, methodisch, zeigt, dass Daseinsvorsorge nicht nur ein aber auch im Hinblick auf die Annahmen. Thema für periphere strukturschwache ländli- Besonders wichtig sind Annahmen zur che Räume ist, sondern auch für Wachstums- künftigen Höhe von Außenwanderungen aus regionen. Hier gilt es, das Grundbedürfnis EU-Staaten und anderen Staaten. Der für nach bezahlbarem Wohnraum, Mobilität und 2019 beschlossene BREXIT ist dabei beson- gesunder Umwelt sicherzustellen. Damit ist ders zu würdigen. sowohl der Bogen zum „Grün in der Stadt“ geschlagen als auch zur Diskussion, was Derzeit stehen vor allem die Herausforderun- unter gleichwertigen Lebensverhältnissen gen für wachsende Ballungsräume im Fokus. verstanden werden soll. Das BBSR wird sich Jenseits der Zentren bleibt auch Bevölke- mit dieser gesellschaftspolitisch so wichtigen Kontakt rungsrückgang ein Problem, den vor allem Frage weiter beschäftigen. Dr. Markus Eltges Kleinststädten und Landgemeinden spüren. Leiter der Abteilung I – Raumordnung und Städtebau Eine aktualisierte Bevölkerungsprognose wird markus.eltges@bbr.bund.de die räumlich Dimension und Betroffenheit aufzeigen. 10 | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG T HEM A Die Smart City Charta – Orientierung für Kommunen auf dem Weg der Digitalisierung Stephan Günthner, Dr. Peter Jakubowski, Eva Schweitzer Der Begriff der Smart City ist untrennbar mit gleich zu Beginn heraus. Die Digitalisierung bie- Snapwire/pexels.com (CC0 Licence) der digitalen Transformation unserer Städte tet Städten, Kreisen und Gemeinden Chancen verbunden. Technik und Wissenschaft entfalten auf dem Weg der nachhaltigen Entwicklung und ebenso wie Märkte gerade bei der Digitalisie- kann ressourcenschonendere, bedarfsgerech- rung gewaltige Kräfte. Wichtig ist deshalb, tere Lösungen für zentrale Herausforderungen diese Kräfte im Sinne einer nachhaltigen und der Stadtentwicklung unterstützen. Gleichzeitig integrierten Stadtentwicklung auszubalancieren kann die Digitalisierung aber auch selbst eine und zu nutzen. Politik und Verwaltung stehen Herausforderung für die Stadtentwicklung sein, – wie Saskia Sassen es formuliert hat – vor der wenn es um die Herausbildung von Digital- Aufgabe, „die Technologien zu urbanisieren“. Kompetenzen, um neue Kooperationsformen mit Mit seinem Forschungscluster Die „Smart City Charta: Digitale Transforma- der Wirtschaft, aber auch um die Vermeidung zu Smart Cities hat das BBSR tion in den Kommunen nachhaltig gestalten“ einer weiteren digitalen Spaltung unserer die fachliche Basis für die unterstützt Kommunen bei dieser Aufgabe. Die Gesellschaft geht. Um die Chancen für mehr Smart City Charta für Deutsch- Charta versteht sich als Impulsgeber und Wer- Nachhaltigkeit, Bürgernähe aber auch Effizienz land gelegt. Sie formuliert tekompass auf dem Weg in die digitale Zukunft zu nutzen und Risiken vorzubeugen, empfiehlt Leitlinien und Handlungsemp- unserer Städte. die Charta, auf breiter gesellschaftlicher fehlungen für die nachhaltige Basis kommunale Digitalisierungsstrategien Gestaltung der digitalen Trans- Die Charta ist das zentrale Ergebnis der zu erarbeiten, die Anwendungsfelder für die formation unserer Städte. Dialogplattform Smart Cities. Die Dialogplatt- Digitalisierung zu identifizieren, aber auch form setzte sich zusammen aus 70 Personen Organisationsfragen in den Kommunen selbst aus Städten, Kreisen und Gemeinden, ver- zu adressieren. Digitalisierung solle „sowohl im schiedenen Bundesressorts, den kommunalen sozialen, ökologischen als auch ökonomischen Spitzenverbänden, Städtebauministerien der Sinne nachhaltigen Zielen dienen und darf Länder sowie aus Wissenschaft, Wirtschaft und diesen nicht entgegenwirken“. Diesen bewuss- Zivilgesellschaft. In intensiven Diskursen, mit ten Umgang mit Digitalisierung bezeichnet die fachlichen Inputs aus dem Forschungscluster Charta als „digitale Transformation“. des BBSR sowie Szenarien-Arbeit wurden vier Leitlinien und zwölf Handlungsempfehlungen Die digitale Transformation wird nur gelingen, für die digitale Transformation unserer Städte wenn Transparenz, Teilhabe und Mitgestaltung erarbeitet: Das BBSR hat die Dialogplattform sowie Integration als wichtige Imperative die- Smart Cities durch sein Forschungscluster zu ses Wandels ernst genommen werden. Technik Smart Cities fachlich geprägt und organisato- darf eben nicht als Selbstzweck missverstanden risch unterstützt. werden, sie muss zum Wohle der Menschen entwickelt werden, was dann auch dazu bei- Digitalisierung im Sinne der nachhaltigen trägt, die kommunale Demokratie zu stärken. und integrierten Stadtentwicklung steuern Inwieweit Kommunen digitale Chancen tatsäch- „Smart Cities sind nachhaltiger und integrierter lich werden nutzen können, hängt entscheidend Stadtentwicklung verpflichtet“, stellt die Charta vom kontinuierlichen Ausbau der relevanten In- SMART CITY CHARTA | 11
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2017/2018 tawanlubfah – stock.adobe.com frastrukturen ab. Und dies gilt gleichermaßen mit Daten, neuen Technologien und neuen für urbane Zentren wie für ländliche Räume. Medien. Ihre Nutzung bietet viele Potenziale: Je mehr sich bisher nebeneinander stehende So sind schon heute beispielsweise digitale Infrastrukturen vernetzen, desto wichtiger Geodaten aus der räumlichen Planung längst werden Fragen der Sicherheit und dauer nicht mehr wegzudenken. Die Geodaten- haften Funktionsfähigkeit dieser Systeme. portale der Länder und Kommunen machen vielfältige Daten leicht zugänglich. In der In der Stadt der Zukunft werden Daten in Verknüpfung neuer und bestehender Daten- allen Lebensbereichen eine herausragende bestände schlummern neue Erkenntnisse Bedeutung haben. Die Charta gibt hierzu für die Stadtentwicklung. Um sie nutzen zu eine Reihe von Empfehlungen, die auf einen können, bedarf es aber neuer Kompetenzen, verantwortungsvollen Umgang mit neuen Strukturen und Ressourcen. Gleiches gilt für Daten sowie eine möglichst breite kommu- die kritische und konstruktive Nutzung neuer nale Datenhoheit zielen. Oberstes Ziel ist Medien und Informationstechnik sowohl es, einerseits die Privatheit des Einzelnen zu innerhalb der Verwaltung als auch in der bewahren, andererseits die Selbstbestim- Zivilgesellschaft. mung und Handlungsfähigkeit der Kommunen aufrechtzuerhalten. Neues Forschungsfeld „Smart Cities – Digitale Lernlabore“ Damit die Digitalisierung in den Kommunen in diesem Sinne gestaltet werden kann, wird Das BBSR verknüpft die Nutzung von Daten, es darauf ankommen, dass die Städte und neuen Medien und die dafür erforderlichen Gemeinden zu Akteuren der Digitalisierung Kompetenzen im neuen Forschungsfeld werden. Die Smart City Charta unterstreicht „Smart Cities – Digitale Lernlabore“. Hier die Bedeutung von Kompetenzen im Umgang werden die Potenziale von großen und neuen 12 | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG Datenbeständen für städtische Belange sowie erfüllen. Das bedeutet auch, dass die Städte die Rahmenbedingungen ihrer Nutzung unter- Wege finden müssen, Digital-Kompetenzen sucht. Mit Hilfe von Data Analytics sollen aus für ihre Verwaltungen aufzubauen. Teil einer dem „Rohstoff Daten“ neue Erkenntnisse für jeden Smart-City-Strategie wird es sein, die nachhaltige Stadtentwicklung gewonnen Kooperationen zwischen Wissenschaft, werden. Zur Stärkung digitaler Kompetenzen Wirtschaft, Stadtverwaltung und Zivilgesell- entwickeln die Forscher zielgruppenspezifi- schaft aufzubauen, um gemeinsam sinnvolle sche, quartiersbezogene und niederschwellige Lösungen für die Stadt zu entwickeln. Und Ansätze der Medienbildung in der Zivilgesell- hier sollten alle staatlichen Ebenen unterstüt- schaft. Hierzu ist es erforderlich, übertragba- zen. Nicht zuletzt bedarf es zur erfolgreichen re Ansätze zu entwickeln und praxisorientiert digitalen Transformation einer angemessenen zu kommunizieren. Finanzausstattung der Städte und Gemein- den. Denn die Entwicklung nachhaltiger Für die beiden Aufgabenbereiche könnten Lösungen für unsere Städte hängt von einer Data Labs mögliche Lösungen innerhalb und engagierten und kompetenten Beteiligung außerhalb der Verwaltung sein. Mit diesen von Bund, Ländern und Kommunen ab. experimentellen Labs und ihrer Auswertung wird das BBSR zusammen mit dem BMUB die Nur selbstbestimmte und handlungsfähige Umsetzung der Smart City Charta unterstützen. Städte können die Digitalisierung und das Kontakt Verhältnis von Stadt und Wirtschaft ziel Referat I 5 – Digitale Stadt, Quintessenz gerichtet im Sinne einer nachhaltigen Trans- Risikovorsorge und Verkehr formation gestalten. Künftige Forschungen Dr. Peter Jakubowski peter.jakubowski@bbr.bund.de Wir brauchen ein konkretes Bild von Prozes- des BBSR werden hier ansetzen. Eva Schweitzer sen, Tools, Apps oder Plattformen, die sich eva.schweitzer@bbr.bund.de dazu eignen, kommunale Aufgaben besser zu SMART CITY CHARTA | 13
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2017/2018 T HEM A Nachdenken über die Stadt von übermorgen Dr. Marion Klemme, Dr. Lars Wiesemann Langfristige Entwicklungen in den Blick langfristige Entwicklungen in den Blick neh- Scott Webb/pexels.com (CC0 Licence) nehmen men will, dann müssen Stadtentwicklungsak- teure aller politischen Ebenen den Mut haben, In den vergangenen Jahren ist die Zukunft der unter Bedingungen der Unsicherheit und des Städte zum Gegenstand vieler Forschungs- Unvorhersehbaren weiter zu denken. aktivitäten und zu einem allgegenwärtigen Topos in öffentlichen Debatten geworden. Be prepared! Viele unterschiedliche Akteure haben ihre Aktivitäten und Diskussionsbeiträge zur Mit dem Forschungsvorhaben „Nachdenken Zukunft der Städte ins Gespräch gebracht. über die Stadt von übermorgen“ betreibt In dem BBSR-Forschungs Entstanden ist ein recht unübersichtliches das BBSR ein Stück Zukunftsforschung. Die projekt „Baukulturatlas Feld von Zukunftserzählungen, das kaum Forscherinnen und Forscher widmen sich zen- Deutschland 2030/2050“ wur- noch Orientierung bieten kann. So manches tralen Trends und ihren Treibern. Im Kern geht de mit zahlreichen Expertinnen scheint für die Zukunft relevant zu sein. Auch es um ein tiefergehendes Verständnis für das und Experten erörtert, wie wir zahlreiche Städte streben an, sich robust Zusammenspiel ökonomischer, ökologischer, in Zukunft leben wollen. Die für die Zukunft aufzustellen. Und so werden sozialer und technischer Entwicklungen in der Frage nach möglichen Zukünf- Zukunftswerkstätten zu einzelnen Themen Stadt. Diese wirken im städtischen Kontext ten wird in einem aktuellen veranstaltet, Stadtentwicklungskonzepte, zusammen, kollidieren oder befördern sich BBSR-Forschungsprojekt für Masterpläne, Stadtperspektiven und vieles und können weitreichende Veränderungen für verschiedene Stadtfunktionen mehr entworfen. Dabei richtet sich der Blick das Leben in der Stadt mit sich bringen. und Raumtypen in Deutsch- in erster Linie auf das Morgen: ein Zeitraum, land weitergedacht. der für Stadtentwicklungspolitik noch über- Im Projekt wird eine umfassende Trend- schaubar und relevant scheint. sammlung entwickelt, in der die wichtigsten Trends beschrieben und auf ihre zeitliche und Weniger im Fokus steht dagegen die Frage, räumliche Wirkung hin geordnet werden. welche Auswirkungen bereits heute ab- Dabei interessieren besonders die möglichen sehbare oder erst in den nächsten Jahren Ursache-Wirkungsketten: Welche Folgen aufkommende Trends auf die langfristige haben die Trends für das urbane Gefüge? Was Entwicklung von Städten haben werden – uns sind ihre Konsequenzen für die verschiedenen also im Übermorgen beschäftigen. Auch wenn städtischen Funktionen (Arbeit, Wohnen, in Zeiten enormer Entwicklungsgeschwindig- Mobilität, Bildung, Kommunikation etc.)? keiten und Veränderungsdynamiken nicht alle Und wie wirken sie sich in unterschiedlichen Rahmenbedingungen von übermorgen jetzt Raumtypen aus (global agierende Metropole, schon absehbar sind, so gilt es dennoch, sich langfristig schrumpfende Groß- und Mittel- schon heute durch eine umfassende Betrach- stadt, erfolgreiche diversifizierte Mittelstadt, tung relevanter Trends auf mögliche Zukünfte suburbane Pendlerkommune, periphere vorzubereiten. Wenn Stadtentwicklungspoli- Kleinstadt u.a.)? tik nicht nur kurzfristig agieren, sondern auch 14 | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG Neue Formen des Gärtnerns Ehrenamt 2.0 Collaborative Optimierung Living der Freizeit Inklusion Systemlösungen auf dem Durchbruch Gleichberechtigung Wohnungsmarkt Urbanisierung – der Toleranz der Frauen Vielfalt städtischer Lebensstile Berufs- “Multi“- Graphien Individualisierung Kulturelle 2.0 Zeitalter des globalen Pluralisierung Statusvergleichs – der Stadt Seht was ich bin Multilokalität Digitale Lebensstile & „always on“ New Work – Bewegung Dabei geht es selbstverständlich nicht darum, Weise ihre Kopplung wiederum im städti- Hypervielfalt: Die weitere Ausdifferen- vollständige Zukunftskonzepte zu entwerfen, schen Raum wirken kann. zierung führt zu einer Zunahme der die jenen Trends Rechnung tragen. Vielmehr Vielfalt von Lebensstilen, kulturellen werden verschiedene Entwicklungspfade Die Grafik zeigt dazu ein Beispiel: Zum Thema Prägungen und Rollen/Rollenverständ- und Gestaltungsmöglichkeiten skizziert, um „Hypervielfalt“ stellt sich die Frage, wie nissen. Akteuren der Stadtentwicklungspolitik Orien- sich eine weitere gesellschaftliche Ausdif- tierungshilfe zu bieten. „Be prepared“ könnte ferenzierung auf das Zusammenleben in der das Motto lauten. Stadt auswirken kann. Es kommt zu einer Vervielfältigung von Lebensstilen, soziokul- Vom Trend zum Trendmolekül turellen Praktiken und Rollenverständnissen. Individuen sind mit dem was sie haben, und Die Energiewende und der Klimawandel, vor allem mit dem was sie sind, online immer Digitalisierung, neue Mobilitätsformen und und überall sichtbar („always on“). Wir treten gesellschaftliche Integration beschäftigen mehr denn je in das Zeitalter der digitalen uns bereits heute. Bleiben diese Herausfor- Lebensstile und des globalen Statusvergleichs derungen bestehen? Welche neuen kommen ein. Dabei geht es nicht nur um das Besitzen, hinzu oder lösen andere ab? Und wie spielen sondern auch um das Sein: Was hat man einzelne Trends zusammen? Um dieser Frage erreicht, wen kennt man, wo ist man gewesen nachzugehen, erarbeiten die Forscher ver- usw. Zudem hat die „Individualisierung 2.0“ schiedene „Trendmoleküle“. Sie veranschau- Auswirkungen auf Konsumgewohnheiten. lichen, wie bestimmte Trends miteinander in Neben der global organisierten Massenpro- Verbindung stehen können und auf welche duktion entwickeln sich für Konsumgüter DIE STADT VON ÜBERMORGEN | 15
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2017/2018 Jan Becke/Fotolia.com zusehends die Produktionsprozesse hin zur der Ausdifferenzierung und Entgrenzung von „Losgröße 1“ und einem direkten Kontakt zum Arbeitsverhältnissen, Polarisierungen inner- Verbraucher. Multikanal-Marketing und Big halb und zwischen Städten, internationalen Data ermöglichen eine hoch individualisierte Migrationsbewegungen, der Verschiebung Kundenansprache. Mit weiteren Konsequen- von Entscheidungsmacht u.v.m. zen für Handel und Logistik in der Stadt: Die Anforderungen an Produkte und Dienstleis- Im weiteren Projektverlauf wird es darum ge- tungen werden vielfältiger und individueller. hen, noch genauer zu differenzieren, welche Dabei können saubere, leise und hochtech- Auswirkungen die Trends in unterschiedlichen nisierte Produktionen wieder näher an und Raumtypen auf konkrete Stadtfunktionen in die Ballungsräume rücken. Gleichzeitig haben können. Die illustrativ und narrativ erhöht sich der Druck auf die Entwicklung aufbereiteten möglichen Entwicklungen agiler, schneller, effizienter und kleinteiliger sollen im Rahmen lokaler Zukunftslabore auf logistischer Prozesse. Insgesamt steigen konkrete Gegebenheiten vor Ort bezogen die Nutzungsansprüche an den städtischen und mit lokalen Akteuren diskutiert werden. Raum. Abschließend wird zu reflektieren sein, wie auf Bundesebene das stadtentwicklungspo- Mögliche Zukünfte im Blick litische Übermorgen weiterhin in den Blick ge- nommen werden kann. Die Ergebnisse können Kontakt Das war nur ein kurzer Auszug zu einer wichtige Hinweise für die Weiterentwicklung Referat I 2 – Stadtentwicklung möglichen Ursache-Wirkungskette eines von Instrumenten und Programmen bieten. Dr. Marion Klemme Trendmoleküls, viele andere lassen sich marion.klemme@bbr.bund.de ergänzen. Das Projektteam befasst sich auch → Internet Dr. Lars Wiesemann lars.wiesemann@bbr.bund.de mit der virtuellen Durchdringung der Realität, Studie „Nachdenken über die Stadt von der Algorithmisierung städtischer Systeme, übermorgen“: http://bit.ly/2xzXBWq 16 | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG T HEM A Folgen einer Scheidung – Räumliche Auswirkungen des Brexit Volker Schmidt-Seiwert Grundsätzlich hängen die wirtschaftlichen und — Bei der Kohäsionspolitik geht es ers- Pixelbliss – stock.adobe.com sozialen Folgen des Brexit davon ab, ob es ein tens um die Frage, wie sich der deutlich für beide Seiten erfolgreiches und akzeptables reduzierte Finanzrahmen der Union auf die Austrittsabkommen geben oder ob es auf ein regionalpolitischen Instrumente auswirken ungeregeltes Ende der Mitgliedschaft hinaus- wird und wie sich hierdurch gegebenen- laufen wird. Wie bei Scheidungen üblich, geht falls die Förderkulissen der EU-Struktur- es bei den Austrittsverhandlungen erstens fonds verändern könnten. Denn mit dem ums Geld, also um das Haushaltbudget der Austritt des wohlhabenden Großbritanni- Union und zu leistende Zahlungen der Parteien. ens wird die EU im Durchschnitt ärmer, da Zweitens um die Trennung der Güter. Dahinter der zur Berechnung der Förderfähigkeit der Der Austritt Großbritanniens steht die Frage der künftigen Zusammenarbeit Regionen verwendete EU-Durchschnitt des aus der EU ist nicht nur eine und der Teilnahme an EU-Programmen. Drittens Bruttoinlandsproduktes sinken wird. Regio- Frage der europäischen Iden- geht es um das Sorgerecht für die Kinder: Wie nen im Schwellenbereich könnten dann bei tität. Mit dem Austritt werden halten es die Parteien beispielsweise mit der gleicher Wirtschaftskraft rein statistisch auch räumliche Konsequenzen Freizügigkeit und den Rechten der im eigenen gesehen jedoch wohlhabender werden und verbunden sein. Territorium lebenden Bürgerinnen und Bürger Fördermöglichkeiten verlieren. der anderen Partei? — Der zweite Aspekt ergibt sich aus den Mit dem Austritt Großbritanniens wird sich die möglichen Konsequenzen für die Wande- Union zweifellos verändern, schließlich wird rungen innerhalb der EU. Großbritannien eines der wirtschaftlichen Schwergewichte die war und ist das Ziel vieler Bürgerinnen und EU verlassen. Die EU verliert mit dem Ausschei- Bürger insbesondere aus osteuropäischen den bezogen auf das Jahr 2016 rund 13 % ihrer EU-Staaten. Was passiert, wenn Groß- Bevölkerung und − gemessen in Euro − knapp britannien nach dem Austritt eine strikte 18 % des Bruttoinlandsproduktes (Eurostat). Einwanderungspolitik betreiben wird? Inwieweit würden sich Zielorte und das Der Austritt wird Lücken in den EU-Haushalt Ausmaß der Wanderungen verändern? reißen. Großbritannien steuerte im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2015 12 % des EU-Budgets — Der dritte Aspekt ergibt sich aus der bei. Das entspricht dem viertgrößten Anteil Frage, wieviel EU im Vereinigten König- (Deutschland: rund 20 %, Frankreich: 17 %, reich und umgekehrt wieviel Vereinigtes Italien:13 %). Neben Deutschland ist Großbri- Königreich in der EU steckt. Darin zeigt tannien der wichtigste Nettozahler der Union: sich in unterschiedlichen thematischen 2015 lag es absolut betrachtet mit 11,5 Mrd. Ausrichtungen der Grad der regionalen Euro hinter Deutschland mit 14,3 Mrd. an Betroffenheit. Es geht insbesondere um die zweiter Position der EU-Staaten (Europäische Aufrechterhaltung bzw. um die Anpassung Kommission: Haushalt in Zahlen). von zusammengewachsen Strukturen und Beziehungen und deren Auswirkungen auf Die zu erwartenden räumlichen Aspekte lassen die regionalen Entwicklungen. sich unter drei Gesichtspunkte fassen: AUSWIRKUNGEN DES BREXIT | 17
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2017/2018 Canarias Guyane Guadeloupe Reykjavik Martinique Réunion Mayotte Helsinki Oslo Madeira Acores Stockholm Tallinn Moskva Riga København Vilnius Minsk Dublin Berlin Warszawa Amsterdam Kyiv London Bruxelles/Brussel Luxembourg Praha Paris Bratislava Kishinev Wien Budapest Bern Ljubljana Zagreb Bucuresti Beograd Sarajevo Sofiya Prishtina Ankara Podgorica Roma Skopje Madrid Tirana Lisboa Athinai Nicosia Valletta 500 km Potenzielle EU-Strukturfondsregionen und Auswirkungen des Brexit Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftstandards Regionen, die durch den Brexit und den Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung Europa, zu laufenden Preisen in Prozent des Durch- resultierenden niedrigeren, dann EU 27 Eurostat REGIO wertes der EU 28 von 2013, 2014 und 2015 Durchschnitt die Einstufung ändern Geometrische Grundlage: GfK GeoMarketing, Regionen NUTS 3 Bearbeitung: V. Schmidt-Seiwert, P. Golzio bis unter 75 – weniger entwickelte Regionen von weniger entwickelter Regionen © BBSR (2017) in Übergangsregion 75 bis unter 90 – Übergangsregionen von Übergangsregion 90 und mehr – entwickelte Regionen in entwickelte Region keine Daten 18 | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG Brexit beeinflusst Regionalförderung Arbeitsteilige Prozesse und Lieferketten be- nötigen ein geregeltes wirtschaftspolitisches Die Abgrenzung der im Rahmen der Struktur- Umfeld, wie es der Binnenmarkt in dieser fonds förderfähigen Regionen erfolgt gegen- Hinsicht bietet. wärtig anhand des EU-Durchschnittswertes des Bruttoinlandsproduktes in Kaufkraftstan- Einen Einstieg in die Analyse gegenseitiger dards je Einwohner (BIP in KKS). Weniger Verflechtungen im britisch-europäischen entwickelte Regionen haben zum Beispiel Kontext bietet die regionale Betrachtung der einen entsprechenden regionalen BIP-Wert gegenseitigen Unternehmenskontrollen. Das unter 75 % des EU-Durchschnitts. Ergebnis zeigt die Bedeutung Europas für die britische Wirtschaft. Unter Verwendung letztverfügbarer Angaben für das BIP für die Jahre 2013 bis 2015 ergibt Aber zuerst ein Blick auf den europäischen sich für die EU 28 ein Durchschnittswert von Kontinent mit den zukünftig verbleibendenden rund 27.800 KKS. Wenn die Berechnung der 27 Mitgliedsstaaten: Hier finden sich rund Förderfähigkeit der Regionen zukünftig auf 38.900 Unternehmen mit einer Konzernmutter gleichem Wege erfolgen würde wie bisher, bzw. mindestens einem Mehrheitsanteilseig- wird sich durch den Austritt des Vereinigten ner mit Sitz im Vereinigten Königreich. Die Königreiches der dann EU 27-Wert um rund Benelux-Staaten sowie Nordrhein-Westfalen 500 KKS verringern. Von dieser Verschiebung bilden neben den nationalen Wirtschafts- der Referenzwerte sind natürlich nur die zentren und den Hauptstadtregionen einen Regionen an der Schwelle der Förderfähigkeit eindeutigen Schwerpunkt. In einer eher betroffen. Obwohl es in diesem Falle nur auf das verarbeitende Gewerbe gerichteten wenige Regionen treffen dürfte, ginge damit Perspektive gewinnen auch die Regionen au- ein Verlust von Förderfähigkeit bei gleichblei- ßerhalb der Metropolen an Bedeutung. Diese bender regionaler Wirtschaftskraft einher. Unternehmen erzielen einen Umsatzerlös von Umso wichtiger ist es also, über neue Wege rund 985 Mrd. Euro, was einem Anteil am der regionalen Abgrenzung für die EU-Förder- Bruttoinlandprodukt in Euro (2016) von rund programme ab 2020 nachzudenken. 8 % entspricht. Gegenseitige Kontrolle hält Europa In Großbritannien und Nordirland gibt es zusammen insgesamt 65.200 Unternehmen mit Besitzer oder mehrheitlichem Anteileigner aus einem Die Wirtschaft verfolgt den Verlauf der Bre- der EU-Länder. Die Konzentration auf London xit-Verhandlungen in gespannter Erwartung. und Südostengland ist eindeutig und nicht Ein ungeregelter Brexit würde die hochgradig nur im Dienstleistungssektor erkennbar. Der vernetzten Besitz- und Produktionsstruk- Umsatz dieser Unternehmen beträgt rund turen erschüttern. Unternehmen brauchen 800 Mrd. Euro. Das entspricht einem Drittel Sicherheiten für ihr wirtschaftliches Handeln. der Wirtschaftsleistung des Landes. AUSWIRKUNGEN DES BREXIT | 19
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2017/2018 Canarias Guyane Guadeloupe Reykjavik Martinique Réunion Mayotte Helsinki Oslo Madeira Acores Stockholm Tallinn Moskva Riga København Vilnius Minsk Dublin Berlin Warszawa Amsterdam Kyiv London Bruxelles/Brussel Luxembourg Praha Paris Bratislava Kishinev Wien Budapest Bern Ljubljana Zagreb Bucuresti Beograd Sarajevo Sofiya Prishtina Ankara Podgorica Roma Skopje Madrid Tirana Lisboa Athinai Nicosia Valletta 500 km Gegenseitige britisch-europäische Kontrolle und Umsatz der Unternehmen Umsätze in britisch bzw. umgekehrt in durch Summe der Umsatzerlöse der in der Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung Europa, EU-Länder (ohne Großbritannien) kontro- NUTS3-Region gelegenen Unterneh- Datengrundlagen: Bureau van Dijk, AMADEUS llierten Unternehmen nach NUTS3-Regionen men in 1.000 Euro (letztverfügbares Datenbank Geometrische Grundlage: GfK GeoMarketing, Jahr 2014 – 2016) Regionen NUTS 3 Britische Unternehmen mit Sitz der Konzern- Bearbeitung: V. Schmidt-Seiwert mutter oder mind. einem ausländischen 100.000 Gesellschafter mit mind. 50,01 % Anteil in 1.000.000 © BBSR (2017) den anderen EU-Mitgliedstaaten und EFTA-Ländern 10.000.000 Unternehmen in den EU-Mitgliedstaaten ohne UK und den EFTA-Ländern mit Sitz der Konzernmutter oder mind. einem aus- ländischen Gesellschafter mit mind. 50,01 % 100.000.000 Anteil im Vereinigten Königreich 20 | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG Blackosaka – stock.adobe.com Forschungsnetze In keinem Bereich wird das innereuropäische land 6,5 Mrd. Euro. Im Vereinigten Königreich Verwobensein so deutlich wie in den For- sind es insbesondere die Universitäten, die schungsnetzen des Horizont-2020-Programms von dem Programm profitieren. der EU. In diesem Programm forschen Univer- sitäten, Institute und andere wissenschaft- Die britische Hochschulkonferenz hat im liche Einrichtungen gemeinsam mit privaten Juni 2017 der Politik ein Papier vorgelegt, Unternehmen an grundsätzlichen Themen der das die Bedeutung der Teilnahme an diesem Gesellschaft. Programm für die Wissenschaft und die Hochschulen des Landes unterstreicht (Policy Bisher (Stand April 2017) laufen rund 11.100 priorities to support universities to thrive Forschungsprojekte mit knapp 48.700 Projekt- post-exit, June 2017). Die Zusammenarbeit in beteiligungen, davon 46.600 aus den Staaten Forschungsnetzwerken und die gegenseitige der Europäischen Union und der EFTA. Der Nutzung von Forschungsergebnissen sichert EU-Beitrag umfasst rund 21 Mrd. Euro. Mit und unterstützt demnach nicht nur das euro- Kontakt 6.250 Beteiligungen ist Großbritannien vor päische Wissens- und Innovationpotenzial, sie Referat I 3 – Europäische Raum- und Stadtentwicklung Deutschland mit 6.225 Teilnahmen in Europa trägt auch dazu bei, die jeweiligen wissen- Volker Schmidt-Seiwert am stärksten involviert. Nach Großbritannien schaftlichen Standorte in den Regionen zu volker.schmidt-seiwert@bbr.bund.de flossen bisher 6,1 Mrd. Euro, nach Deutsch- sichern. AUSWIRKUNGEN DES BREXIT | 21
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2017/2018 T HEM A Nachhaltige Weiterentwicklung von Gewerbegebieten – Forschungs- und Entwicklungsbedarf Bernd Breuer, Mechthild Renner Seit 2016 führt das BBSR das Forschungs- wirtschaft. Das produzierende Gewerbe Bernd Breuer/BBSR feld „Nachhaltige Weiterentwicklung von hatte 2015 in Deutschland immerhin einen Gewerbegebieten“ im „Experimentellen Bruttowertschöpfungsanteil von 25,9 % (707 Wohnungsbau- und Städtebau“ (ExWoSt) Mrd. Euro, Quelle: Statistisches Bundesamt durch. Das Projekt der wissenschaftlichen 2017). Trotz Automatisierung und Rationali- Politikberatung setzt im Schnittbereich von sierung hat dieser Wirtschaftsbereich immer städtebaulicher Forschung, Praxis und Politik noch große Bedeutung für die erwerbsmäßige an. Nachdem eine Vorstudie den vermuteten Beschäftigung. Der Erwerbstätigenanteil des Forschungsbedarf bestätigt hatte, folgte ein produzierenden Gewerbes lag im Bundesge- Projektaufruf. Daraus sind städtebauliche biet 2015 bei 18,7 % (ca. 8 Mio. Menschen, Ältere Gewerbegebiete stehen Modellvorhaben hervorgegangen, mit denen Quelle: Statistisches Bundesamt 2017). vor komplexen Erneuerungs- neun Kommunen Ansätze für eine nachhaltige aufgaben. Anhand von städ- Entwicklung bestehender Gewerbegebiete In den Kommunen trägt das produzierende tebaulichen Modellvorhaben erproben. Die Modellvorhaben werden bis Gewerbe wesentlich zu den Steuereinnah- untersucht das BBSR Möglich- Ende 2018 fachlich begleitet und ausgewer- men bei. Es ist damit ein wichtiger Faktor keiten und Bedingungen für tet. Im Fokus stehen Stadträume, die in den für die Leistungsfähigkeit des kommunalen eine nachhaltige Entwicklung 1960er bis 1980er Jahren ausgeprägt wurden. Gemeinwesens. Zugleich spielt produzieren- bestehender Gewerbegebiete. In diesen Gewerbegebieten offenbart sich des Gewerbe eine beachtliche Rolle in der zum Ende ihres ersten Entwicklungszyklus kommunalen Flächennutzung. Die Flächenin- umfangreicher Erneuerungsbedarf. Die anspruchnahme durch Gewerbe und Industrie Modellvorhaben repräsentieren insgesamt ein hat bundesweit von 3.164 km² im Jahr 2004 breites Spektrum an strukturellen Konstel- auf 3.443 km² in 2015 zugenommen (Quelle: lationen und städtebaulichen Aufgabenstel- Statistisches Bundesamt 2017). Der Anteil lungen. gewerblich-industrieller Flächennutzungen an den bundesweiten Gebäude- und Freiflächen Urbane Produktion gewinnt an liegt bei rund 13,7 % (2015). Bedeutung für die Stadtentwicklung Angesichts der Relevanz urbaner Produk- Stadträume urbaner Produktion haben ele- tion sind die Kommunen auf städtebaulich mentare Bedeutung für „gesunde Arbeits- integrierte Gebiete für verarbeitendes verhältnisse“ und die Lebensqualität in der Gewerbe angewiesen. Solche Stadträume Stadt. Urbane Produktion prägt die Bedin- sind entscheidend für die Beschäftigungs- gungen und Perspektiven für eine sozial- und und Versorgungsmöglichkeiten und damit für umweltverträgliche sowie wirtschaftlich die soziale Kohäsion einer Stadtgesellschaft. tragfähige Stadtentwicklung. Dort finden relevante Weichenstellungen für Flächen- und Ressourceneffizienz sowie für Trotz Tertiarisierung und Digitalisierung hat Art und Ausmaß unverträglicher Emissionen die physische Güterproduktion nach wie statt. Nicht zuletzt prägen Gewerbegebiete vor einen hohen Stellenwert in der Gesamt- funktionale und ästhetische Qualitäten für 22 | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG Thorsten Becker die gesamte Stadt. Vor diesem Hintergrund Zugleich bergen bestehende Gewerbegebiete gewinnen die Stadträume urbaner Produktion Defizite für eine nachhaltige Stadtentwick- an Bedeutung für eine nachhaltige Stadtent- lung. So sind Möglichkeiten für kompakte wicklung. Im Rahmen gesamtstädtischer Stadtstrukturen, energetische Optimierung, Aufgabenteilung spielen vor allem die beste- Klimafolgenanpassung, Ressourcen- und henden Gewerbegebiete eine wichtige Rolle. Flächeneffizienz sowie Mobilitätsverbesse- rungen und sozialen Zusammenhalt nicht Räumliche und funktionale Probleme ausgeschöpft. Nicht zuletzt ist eine stadtbau- bestehender Gewerbegebiete sind kulturelle Reintegration solcher „vergessenen komplex Stadtteile“ von Belang. Die Probleme in Gewerbebestandsgebieten Diese Probleme führen oft dazu, dass die Ge- sind umfassend: Nutzungskonflikte und Eng- werbebestandsgebiete ihre Rolle im stadtre- pässe in der Flächenverfügbarkeit einerseits, gionalen Zusammenspiel der Gewerbestand- Leerstände bzw. Mindernutzungen anderer- orte nicht erfüllen. Hinzu kommt, dass sich seits. Hinzu kommen Umweltbelastungen, viele Kommunen lange auf die Erschließung Modernisierungsrückstände an Gebäuden und neuer Gewerbeflächen konzentrierten. Neue Anlagen, Mängel in der Freiraumgestaltung Gewerbegebiete an den Siedlungsrändern und Verkehrserschließung. Oft kumulieren ziehen aber auch Betriebe aus innerstädti- Funktions- und Gestaltungsprobleme derart, schen Bestandsgebieten an. Andererseits dass sich Gebäudeleerstände oder Brachflä- stoßen weitere Flächenausweisungen immer chen manifestieren. öfter an umweltrechtliche Grenzen und auf gesellschaftliche Widerstände. WEITERENTWICKLUNG VON GEWERBEGEBIETEN | 23
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2017/2018 Bestehende Industrie- und Gewerbegebiete Vor diesem Hintergrund sind auch die sind also mit vielfachen Herausforderungen Gewerbebestandsgebiete an veränderte konfrontiert. Die Problemlagen sind kom- Anforderungen von Betrieben, Beschäftig- plex, die Handlungserfordernisse vielfältig, ten und Stadtgesellschaft anzupassen. Für die Entwicklungshemmnisse beträchtlich diesen Anpassungsprozess zeichnet sich eine und die Akteurskonstellationen heterogen. Diversifizierung räumlicher Strukturen und Somit bergen diese Stadträume erheblichen technischer Ausstattungen ab. Dementspre- Forschungs- und Entwicklungsbedarf. chend groß ist auch das Spektrum an Hand- lungsansätzen in den Modellvorhaben. Sie Städtebauliche Potenziale nachhaltiger reichen von baulicher und technischer Mo- Gewerbebestandsentwicklung entfalten dernisierung einzelner Gebäude und Anlagen bis zur infrastrukturellen und städtebaulichen Mit zunehmender Sensibilität für eine Gebietserneuerung. Ihr Repertoire umfasst nachhaltige Entwicklung rücken die Potenzia Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschafts- le bestehender Gewerbegebiete stärker ins struktur und sozialer Einrichtungen ebenso Blickfeld der Stadtplanung. Technologische wie Ansätze der Flächen- und Ressource- Entwicklungen wie die digitale Vernetzung neffizienz. Viele Modellvorhaben setzen auf und Roboterisierung eröffnen Optionen für verkehrliche und energetische Maßnahmen, eine nachhaltige Weiterentwicklung dieser andere haben Schwerpunkte in den Berei- Stadträume. Mit dem technischen Wandel ent- chen Abfallentsorgung bzw. Stoffkreisläufe, stehen erweiterte Spielräume für flexible und Abwassernutzung oder Hochwasserschutz. dezentrale Formen urbaner Produktion. Darin liegen wiederum Chancen für mehr räumliche Ungeachtet ihrer Projektvielfalt verbinden die Nähe zwischen den verarbeitenden Betrieben, Modellvorhaben übergreifende Zielsetzungen; ihren Dienstleistern und Zulieferern. es geht um Technische Neuerungen im Anlagenbau und — eine ganzheitliche Entwicklung beste- fortschreitende Elektrifizierung im Transport- hender Gewerbegebiete, wesen können zu mehr Ressourceneffizienz — das Zusammenwirken städtebaulicher und weniger Emissionen beitragen. So Erneuerung mit betrieblicher Modernisie- entstehen günstigere Voraussetzungen für rung, ein Zusammenrücken von bislang getrennten — die Synergieentfaltung aus Anlagenbau, Funktionen. Räumliche Nähe von Produktion, Städtebau, Klima- und Umweltschutz, Kunden und Beschäftigten kann wiederum — eine Sensibilisierung und Kooperation für kürzere Wege, geringeren Transport- und nachhaltige Gebietsentwicklung. Lageraufwand bedeuten. Derart veränderte Funktionsbeziehungen ermöglichen generell Bei aller Vielfalt der materiellen Maßnahmen engere Verbindungen zwischen Arbeiten, ist den Modellvorhaben gemein, dass sie in Wohnen, Versorgen und Erholen. der Prozessgestaltung auf Kommunikation, 24 | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG
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