Forschung und Schutz über Grenzen hinweg - AVINEWS APRIL 2022 - Vogelwarte ...

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Forschung und Schutz über Grenzen hinweg - AVINEWS APRIL 2022 - Vogelwarte ...
Kolbenente (Foto: Marcel Burkhardt)

AV I N E W S                                 APRIL 2022

Forschung und Schutz über Grenzen hinweg
Um Vögel zu erforschen und zu          koordinierte die Vogelwarte EBBA2     europäischen Überblick über Ver-      möglich, die Aufenthaltsorte von
schützen, braucht es Zusammen-         zusammen mit einem europäischen       breitung und Brutbestände sowie       immer kleineren Arten ausserhalb
arbeit über Grenzen hinweg. Die        Expertenteam und war massgeb-         deren saisonale und langfristige      der Brutzeit zu ermitteln. Viele die-
Vogelwarte beteiligt sich darum seit   lich an der Datenanalyse und der      Veränderungen.                        ser Studien mit Geolokatoren wur-
langem auch an internationalen Pro-    Erstellung von Karten und Texten          In verschiedenen Forschungs-      den in internationaler Zusammen-
jekten.                                beteiligt.                            projekten untersucht die Vogel-       arbeit durchgeführt.
                                           Die Vogelwarte unterstützt        warte die Faktoren, welche Öko-           Schliesslich koordiniert die
Die Schweizerische Vogelwarte          überdies weitere internationale       logie, Verhalten und Physiologie      Vogelwarte im Auftrag des Überein-
hat sich der Erforschung und dem       Monitoringprojekte, darunter          von Vögeln in der Schweiz und         kommens zur Erhaltung wandern-
Schutz der Vögel und ihrer Lebens-     auch die beliebte Citizen-Science-    anderswo beeinflussen. So wird        der wild lebender Tierarten (CMS),
räume verpflichtet. Dieses Enga-       Plattform ornitho.ch, auf der Tier-   beispielsweise der Vogelzug in        das von über 130 Staaten rati-
gement erfordert auch eine inter-      beobachtungen online oder mit         der Schweiz seit den späten Sech-     fiziert wurde, seit 2021 den afri-
nationale Perspektive, weshalb         der «NaturaList»-App gemeldet         zigerjahren mit speziellen Radar-     kanisch-eurasischen Aktionsplan
grenzüberschreitende Projekte          werden können. Die Vogelwarte         systemen erforscht und konnte da-     für ziehende Landvögel (AEMLAP).
und Kooperationen der Vogel-           spielte eine Schlüsselrolle bei der   nach in den Mittelmeerraum und        Der AEMLAP will die Situation für
warte eine lange Tradition haben.      Entwicklung und Bekanntmachung        in die Sahara ausgeweitet werden.     ziehende Landvögel durch inter-
Das aktuellste Beispiel ist die        von ornitho.ch, zunächst in der       In neuster Zeit werden europaweit     national koordinierte Massnahmen
22. Konferenz des European Bird        Schweiz und später in anderen Län-    Wetterradarstationen eingesetzt,      in der afrikanisch-eurasischen Re-
Census Council (EBCC) im April         dern Europas. Sie war ausserdem       um Bewegungen von Vögeln und          gion verbessern, mit dem Ziel, diese
2022 in Luzern.                        an der Gründung des EuroBirdPor-      Insekten auf dem ganzen Konti-        Arten zu schützen und zu fördern
   Ein weiteres Beispiel ist der       tal (EBP) und dem Pan-European        nent quantitativ zu erfassen. Mit     und die nachhaltige Nutzung ihrer
2020 veröffentlichte zweite Euro-      Common Bird Monitoring Scheme         dem Einsatz von Geolokatoren, an      Lebensräume sicherzustellen.
päische Brutvogelatlas (EBBA2).        (PECBMS) beteiligt. Diese Pro-        deren Entwicklung die Vogelwarte
Unter der Federführung des EBCC        jekte ermöglichen einen gesamt-       massgeblich beteiligt war, wurde es                    Gilberto Pasinelli
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AVINEWS APRIL 2022: IM FOKUS

Vögel zählen rund ums Jahr
                                                                                                                           tiven Erhebungen für die Brut-
                                                                                                                           vogelatlanten 1993–1996 und
                                                                                                                           2013–2016 wurden mit dieser
                                                                                                                           Methode durchgeführt. Stan-
                                                                                                                           dard ist die dreimalige Begehung
                                                                                                                           eines Gebiets, doch werden al-
                                                                                                                           pine Flächen in der Regel nur
                                                                                                                           zweimal, Feuchtgebiete und
                                                                                                                           Spezialhabitate dagegen fünf bis
                                                                                                                           sechsmal begangen.
                                                                                                                              Um die Revierkartierungs-
                                                                                                                           methode möglichst einfach
                                                                                                                           und standardisiert zu hand-
                                                                                                                           haben, kommen verschiedene
                                                                                                                           Hilfsmittel zum Einsatz: Die Mit-
                                                                                                                           arbeitenden erhalten präzise Kar-
                                                                                                                           ten, auf denen die Routen und
                                                                                                                           die Aufenthaltsdauer im Quadrat
                                                                                                                           vorgegeben sind, und spät ein-
                                                                                                                           treffende Zugvögel dürfen erst
                                                                                                                           ab einem bestimmten Datum
Späte Ausaperung, Steinschlag, rasche Wetterumschläge und lange Anmärsche machen Erhebungen in der alpinen Stufe           gezählt werden. Eine vom Dach-
zur Herausforderung (Foto: Roman Graf).                                                                                    verband Deutscher Avifaunisten
                                                                                                                           (DDA) entwickelte Kartierapp,
                                                                                                                           ein Digitalisierungstool (Terri-
Eine Kernaufgabe der Schweizeri-           auf über 300 Gewässer-                  der ganzen Schweiz erhebt.              map online) und eine Software
schen Vogelwarte ist es, einen Über-       abschnitten und Beringungs-             Dieses wird ergänzt durch Er-           für die automatisierte Revier-
blick über Auftreten und Bestands-         stationen in Feuchtgebieten und         hebungen für das nationale Bio-         ausscheidung (Autoterri) helfen
entwicklung der in der Schweiz auf-        auf Bergpässen ist das Auftreten        diversitätsmonitoring (BDM), bei        heute bei der effizienten Daten-
tretenden Brut- und Gastvögel zu           der überwinternden und durch-           dem alle 5 Jahre Aufnahmen in           erhebung und -analyse. Die De-
haben. Dazu setzt sie verschiedene         ziehenden Vögel heute sehr gut          rund 500 Kilometerquadraten             vise lautet, den Kartierenden die
Instrumente ein, insbesondere ver-         dokumentiert. Aufwändiger ist           stattfinden. Die Vogelwarte             Arbeit am Schreibtisch so leicht
schiedene Monitorings.                     dagegen das Monitoring der              führt ferner zusammen mit lo-           wie möglich zu machen.
                                           rund 180 regelmässigen Brut-            kalen Partnern, Arbeitsgruppen
Vögel sind dank ihrer Flugfähig-           vogelarten. Zahlen sind aktuell         und Artspezialistinnen und -spe-        Bergvögel als besondere
keit deutlich mobiler als andere           für 176 Arten verfügbar, meist          zialisten Erhebungen in rund 100        Herausforderung
Tiergruppen. Dieses Kommen                 ab 1990. Herzstück dieser Über-         Feuchtgebieten (MF), in Spezial-        Die Alpen machen in der Schweiz
und Gehen zu überblicken, ver-             wachung ist das Monitoring Häu-         habitaten, auf Waffenplätzen und        58 % des Flächenanteils aus, der
langt dem Koordinationsteam in             fige Brutvögel (MHB), welches die       in Pärken durch. Ausserdem orga-        Jura 11 %. Da unser Land eine be-
Sempach rund ums Jahr einiges              Bestände der häufigeren und ver-        nisiert sie Zählungen von Kolonie-      sondere Verantwortung für den
ab. Dank rund 5000 aktiven Per-            breiteteren Brutvogelarten, dar-        brütern und Spezialerhebungen,          Erhalt von Vogelarten der alpinen
sonen auf ornitho.ch, standar-             unter viele Singvögel, seit 1999        z. B. von nachtaktiven Arten oder       und subalpinen Habitate hat, ist
disierten Wasservogelzählungen             in 267 Kilometerquadraten in            von Felsbrütern (Monitoring Aus-        es wichtig, dass auch diese Flä-
                                                                                   gewählte Arten).                        chen repräsentativ vertreten
                                                                                                                           sind. Entsprechend werden auch
                                                                                   Bewährte                                Areale bis in Höhen über 2500 m
                                                                                   Revierkartierungsmethode                ü. M bearbeitet. Die Kartierun-
                                                                                   Bei vielen Erhebungen wird eine         gen in diesen Lagen sind be-
                                                                                   vereinfachte Form der Revier-           sonders anspruchsvoll: Wetter-
                                                                                   kartierungsmethode eingesetzt.          umschwünge, späte Ausaperung,
                                                                                   Bei einer solchen Kartierung            Steinschlag und durch Lawinen
                                                                                   wird ein Gebiet auf einer vor-          oder Hochwasser weggespülte
                                                                                   gegebenen Route begangen                Brücken oder Wege können Pro-
                                                                                   und alle innerhalb eines Kilo-          bleme bereiten. Im Alpenraum
                                                                                   meterquadrats festgestellten            kommen zudem viele Vogelarten
                                                                                   Vögel werden punktgenau no-             vor, deren Erfassung eine echte
                                                                                   tiert . Die Verwendung dieser           Herausforderung darstellt. Arten
                                                                                   Methode hat in der Schweiz eine         wie Alpenschneehuhn, Stein-
                                                                                   lange Tradition, sie ist für die oft-   huhn, Steinrötel und Mauer-
                                                                                   mals nur kleinflächigen und über-       läufer nutzen weite Gebiete und
                                                                                   schaubaren Habitate gut ge-             oft schlecht überblickbares Ge-
Die Flächen des Monitorings Häufige Brutvögel (MHB) werden seit 1999 alljährlich   eignet, und die so gewonnenen           lände oder sie sind gut getarnt.
kartiert, jene des Biodiversitätsmonitorings Schweiz (BDM) in einem 5-Jahres-      Ergebnisse lassen sich gut kom-         Die Alpenbraunelle wiederum
Turnus (Grafik: Schweizerische Vogelwarte, Karte: © swisstopo).
                                                                                   munizieren. Auch die quantita-          lebt in Familienverbänden, die

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AVINEWS APRIL 2022: IM FOKUS

                                                                                                                                                               Die Vogelwarte setzt auf
                                                                                                                                                               eine vereinfachte Revier­ka­
                                                                                                                                                               rtier­ungs­methode. Die Kar­
                                                                                                                                                               tier­enden werden dabei
                                                                                                                                                               unter­stützt mit einer App
                                                                                                                                                               für die Aufnahmen im Feld,
                                                                                                                                                               mit Terri­map online für die
                                               180
                                               160
                                                                                                                                                               Di­gi­ta­lisierung und die Auf­
                                               140                                                                                                             be­reitung der Nachweise
                                               120
                                                                                                                                                               und neu mit Autoterri,
                                       Index

                                               100
                                                80
                                                                                                                                                               einem Tool zur auto­
                                                60                                                                                                             matisierten Re­v ier­a us­
                                               40
                                                                                                                                                               scheidung, hier am Beispiel
                                               20
                                                0                                                                                                              der Amsel (Grafik: Schwei­
                                                     1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 2020                                                    zerische Vogelwarte, Karte:
                                                                                                                                                               © swisstopo).
Dank vielen Flächen in den Alpen verfügen wir heute auch über verlässliche Trends
von Arten, für die die Schweiz eine hohe internationale Verantwortung trägt, wie
den Zitronenzeisig. Der Index zeigt die relative Entwicklung des Brutbestands in der
Schweiz (100 = Mittelwert 1990–2021) (Grafik: Schweizerische Vogelwarte, Foto:
Ralph Martin).

Alpendohle geht in Scharen auf                            wachungsprojekten treten sie                        änderungen in der Bestands-           über die Messung des Pulses der
Nahrungssuche und streift dabei                           zu selten auf, um allein dar-                       dichte pro Kilometerquadrat           natürlichen Vielfalt der Vögel in
weit umher, ebenso wie Schnee-                            auf basierend Trends berechnen                      berücksichtigt werden – eine          der Schweiz hinaus. Die MHB-
sperling, Alpenbirkenzeisig und                           zu können. An der Vogelwarte                        Information, die in den Einzel-       Daten stellen eine wahre Fund-
Bluthänfling. Glücklicherweise                            entwickelte statistische Metho-                     nachweisen nicht vorhanden ist.       grube für die Entwicklung neuer
gibt es auch territoriale Arten wie                       den erlauben es nun, Daten aus                      Die so ermittelten Trends unter-      Methoden und für die Über-
Bergpieper und Steinschmätzer,                            unterschiedlichen Quellen für                       scheiden sich besonders für die       prüfung ganz grundsätzlicher
die sich recht gut erfassen lassen.                       die Trendberechnung zu kombi-                       1990er-Jahre teilweise recht deut-    biologischer Hypothesen dar.
                                                          nieren. Hierfür werden die Einzel-                  lich von den Entwicklungen, die
Kombination verschiedener                                 beobachtungen aus ornitho.ch                        zuvor nur basierend auf den           Immer breitere Verwendung
Datenquellen liefert präzisere                            mit den quantitativen Daten aus                     Einzelnachweisen berechnet wur-       Wenn wir auf die Entwicklung in
Trends                                                    MHB, BDM, MF und den Brut-                          den. Eine vertiefte Analyse be-       den letzten Jahrzehnten zurück-
Für halbseltene, schwer zu ent-                           vogelatlanten zusammengelegt.                       stätigte, dass die neue Methode       blicken, dann dürfen wir fest-
deckende Arten ist es in einem                            Diese Anreicherung der Gelegen-                     in vielen Fällen verlässlichere       stellen, dass die von den Über-
kleinen Land besonders schwie-                            heitsbeobachtungen mit den bes-                     Trends liefert.                       wachungsprojekten der Vogel-
rig, eine ausreichend grosse                              ser standardisierten Daten ist                                                            warte generierten Daten immer
Datenmenge für aussage-                                   aus zwei Gründen wertvoll: Ers-                     Fundgrube für die methodische         begehrter sind. Das beginnt bei
kräftige Trendberechnungen zu                             tens werden in den Monitoring-                      Forschung                             simplen Datenbankauszügen für
erheben. Neben den erwähnten                              projekten die Probeflächen regel-                   Die standardisierten Erhebungen       die Beurteilung von Infrastruktur-
Bergvögeln gehören beispiels-                             mässig und mit gleichbleibendem                     im MHB haben sich über die Jahre      oder Revitalisierungsprojekten,
weise Hühner- und Greifvögel,                             Aufwand bearbeitet, was für eine                    immer wieder als hervorragende        umfasst viele wissenschaftliche
Spechte und einige seltene Sing-                          Beurteilung der langfristigen Ent-                  Quelle und ausgezeichnetes Roh-       Analysen und Modellierungen
vogelarten in diese Kategorie.                            wicklung entscheidend ist. Und                      material für neuartige statistische   und geht bis zur Bereitstellung
In den herkömmlichen Über-                                zweitens können so auch Ver-                        Analysen erwiesen. Vor allem aus      von grösseren Datenpaketen,
                                                                                                              der Zusammenarbeit der Vogel-         etwa für das EuroBirdPortal oder
                                                                                                              warte mit Andy Royle vom Pa-          andere internationale Projekte.
        120                                                                                                   tuxent Wildlife Research Center       Zudem sind auch unsere metho-
                                                                                                              (USA) sind über die Jahre neue        dischen Entwicklungen und die
        100
                                                                                                              analytische Methoden entwickelt       Früchte unserer Grundlagen-
         80                                                                                                   worden, die die Entdeckungs-          forschung heute mehr denn je
                                                                                                              wahrscheinlichkeit einer Art be-      gefragt. All dies wäre aber nicht
Index

         60                                                                                                   rücksichtigen. Diese neuen Me-        möglich, wenn nicht am Anfang
                                                                                                              thoden geben Aufschluss über          eines jeden Projektes viele hoch-
         40                                                                                                   Vorkommen und Bestand, deren          motivierte Freiwillige stünden,
                                                                                                              Veränderung und die Umwelt-           die sich dafür engagieren, auch
         20
                                                                                                              faktoren, welche diese Grössen        in sehr anspruchsvollem Gelände
           0                                                                                                  beeinflussen. Das MHB ist da-         bestmögliche Daten zu erheben.
               1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 2020                                         durch mittlerweile in der me-         Ihnen gebührt unser grösster
                                                                                                              thodischen Forschung weltweit         Dank!
        Der SBI ® gibt die Bestandsentwicklung der einzelnen Brutvogelarten, aber                             ein Begriff geworden und figu-
        auch von Artengruppen wieder. Hier sind die Bestandstrends für die Arten                              riert prominent in zahlreichen                Hans Schmid, Marc Kéry,
        der Roten Liste aufgezeigt. Die Kreissektoren geben an, welcher Prozentsatz
        von Brutvogelarten verschwunden (schwarz), abnehmend (rot), schwankend
                                                                                                              Forschungsartikeln und sogar                      Thomas Sattler und
        (blau), zunehmend (grün) oder neu aufgetreten (grau) ist (Grafik: Schweizerische                      in mehreren Lehrbüchern. Der                          Nicolas Strebel
        Vogelwarte).                                                                                          Wert des MHB geht somit weit

                                                                                                                                                                                        3
Forschung und Schutz über Grenzen hinweg - AVINEWS APRIL 2022 - Vogelwarte ...
AVINEWS APRIL 2022: IM FOKUS

Zu neuen Horizonten in der Vogelzugforschung
Im Jahr 2008 wurde in der Vogel-     Leben der Vögel über den gesam-
zugforschung ein neues Kapi-         ten Jahreszyklus. Das neuste Mo-
tel aufgeschlagen: Zum ersten        dell, der sogenannte µ Tag, misst
Mal wurden in der Schweiz Geo-       zwar nur das Licht und die Zeit,
lokatoren eingesetzt. Dank die-      die Daten können aber aus der
ser Forschung konnten viele neue     Ferne über eine UKW-Antenne
faszinierende Einsichten in das      ausgelesen werden. Der µ Tag
Zugverhalten kleinerer Vögel ge-     lässt sich mit einem Solarpanel
wonnen werden.                       kombinieren und kann theo-
                                     retisch jahrelang Daten liefern,
Dank GPS-Sendern können die          ohne dass der Vogel zwischen-
Bewegungen grosser Vögel wie         zeitlich eingefangen werden
Adler oder Störche rund um die       muss.
Uhr aufgezeichnet werden. Das
Senden von GPS-Positionen be-        Neue und überraschende
nötigt aber viel Energie, und        Einblicke in den Vogelzug
eine entsprechende Batterie mit      Geolokatoren sind so zu einem
genügend Strom für ein ganzes        unersetzlichen Werkzeug ge-                  Geolokatoren sind weniger als 1 Gramm schwer und sehr klein. Mit ihnen können
Jahr wäre zu gross und schwer        worden, um von kleinen Vögeln                die Zugwege und das Zugverhalten kleiner Vögel untersucht werden (Foto:
für kleine Vögel. Daher nahm         (
Forschung und Schutz über Grenzen hinweg - AVINEWS APRIL 2022 - Vogelwarte ...
AVINEWS APRIL 2022: IM FOKUS

                                                                                                                         delte es sich um Zusammen-
                                                                                                                         arbeiten mit internationalen
                                                                                                                         Partnern mit dem Ziel, bisher un-
                                                                                                                         bekannte Zugwege, Rastplätze
                                                                                                                         und Überwinterungsgebiete
                                                                                                                         von wenig untersuchten Vogel-
                                                                                                                         arten und -populationen zu do-
                                                                                                                         kumentieren. Die internationale
                                                                                                                         Zusammenarbeit ist dabei be-
                                                                                                                         sonders für vergleichende Stu-
                                                                                                                         dien wichtig. Sie erlaubt, gross-
                                                                                                                         räumige Muster im Zugverhalten
                                                                                                                         zwischen den europäischen Brut-
                                                                                                                         gebieten und den afrikanischen
                                                                                                                         und indischen Überwinterungs-
                                                                                                                         gebieten zu erkennen. Dies hilft
                                                                                                                         zu verstehen, wie Zugvögel mit
Alpensegler sind wahre Meisterflieger: Sie können bis zu 200 Tage ununterbrochen in der Luft sein, wie wir nun dank      der Umwelt interagieren und wie
Geolokatoren wissen (Foto: Marcel Burkhardt).                                                                            ihre Physiologie und ihr Gesund-
                                                                                                                         heitszustand Zugentscheidungen,
                                                                                                                        -leistungen und Überleben be-
                                                                                                                         einflussen. Da Vögel keine
den nächsten Flug wieder aufzu-            Keine Vogelgruppe vollführt           winterungsplätze, sondern zeig-         Grenzen kennen, sind inter-
füllen.                                 aber eindrücklichere Marathon-           ten auch ein koordiniertes sozia-       nationale Kooperationen in die-
                                        flüge als die Segler. Der Einsatz        les Verhalten bei der Nahrungs-         sem Forschungsfeld von zen-
Marathonflüge – Dauerflüge –            von Geolokatoren an Alpen-               suche. Besonders erstaunlich            traler Bedeutung. Die inter-
Höhenflüge                              seglern in einer Aargauer Brut-          war, dass sich solche «Freunde»         nationale Vernetzung unter
Der Einsatz von Geolokatoren            kolonie in Baden erbrachte den           manchmal auf dem Zug trennten,          Zugvogelforschenden hilft zu
hat auch unser Wissen darü-             ersten eindeutigen Beweis: Wäh-          sich jedoch später in den mehr          erkennen, welche Rast- und
ber revolutioniert, wie Langstre-       rend der gesamten Zeitdauer von          als 5000 km entfernten Über-            Überwinterungsgebiete von Be-
ckenzieher ökologische Barrie-          sechs Monaten auf dem Zug und            winterungsgebieten wieder tra-          deutung für den Schutz von Zug-
ren überqueren. Besonders das           im Überwinterungsgebiet hielten          fen!                                    vogelarten sind. Damit besteht
Mittelmeer und die Sahara bie-          sich die Vögel ununterbrochen in                                                 die Möglichkeit, dass die ge-
ten weder Nahrung noch Rast-            der Luft auf! Das bedeutet, dass         Internationale                          meinsamen Anstrengungen in
möglichkeiten. Bis anhin war die        alle physiologischen Vorgänge,           Zusammenarbeit als                      der Grundlagenforschung dazu
Annahme, dass die meisten Sing-         einschliesslich Ruhephasen, Mau-         Erfolgsrezept                           beitragen, den Schutz vieler Zug-
vögel die rund 2000 km breite Sa-       ser und Schlaf, ebenfalls im Flug        Dies sind nur einige der High-          vogelarten entlang der Zugrouten
hara in Etappen, nachts ziehend         erfolgen müssen. Die Druck-              lights aus mittlerweile über 100        und in den Winterquartieren zu
und tagsüber rastend, durch-            sensoren enthüllten zudem ein            Geolokatorstudien, an denen sich        verbessern.
queren. Die Daten zu Licht, Luft-       interessantes alltägliches Ver-          die Schweizerische Vogelwarte in
druck und Beschleunigung von            halten: Jeden Abend und jeden            den letzten Jahren beteiligte. Bei                    Martins Briedis und
mit Multisensor-Geolokatoren            Morgen stiegen die Vögel für un-         einer Vielzahl der Studien han-                         Christoph Meier
ausgerüsteten Vögeln wiesen             gefähr eine Stunde mehrere hun-
aber ein anderes Muster auf: Die        dert Meter hoch in die Luft auf
Vögel verlängerten regelmässig          und kehrten danach wieder auf
ihre Nachtflüge bis weit in den         die Ausgangsflughöhe zurück.
Tag hinein und schafften die            Der Grund für diese Aufstiege in
Wüstenquerung in einigen Fällen         der Dämmerung bleibt ein Rätsel,
sogar in einem Mal. Ein Drossel-        aber es könnte ein Teil eines bis-
rohrsänger aus dem russischen           her noch unerforschten Sozialver-
Kaliningrad unternahm einen sol-        haltens sein.
chen Marathonflug und flog in              Solche und weitere Ein-
44 Stunden nonstop über die Sa-         sichten zum Verhalten sind ein
hara. Von den Drucksensoren des         unerwartetes Produkt aus der
Geolokators wissen wir zudem,           Forschung mit Geolokatoren.
dass Drosselrohrsänger während          Mit Geolokatoren ausgerüstete
ihrer Flüge tagsüber teilweise          Bienenfresser offenbarten, dass
in unglaubliche Flughöhen von           mehrere nicht miteinander ver-
bis zu 6000 m ü. M. aufsteigen.         wandte Individuen das gesamte
Wahrscheinlich tun sie dies, um         Jahr über zusammenbleiben.
die günstigen Windverhältnisse          Man könnte dabei vielleicht sogar
in der oberen Troposphäre zu            von einer Gruppe von «Freun-
nutzen und/oder um der Tages-           den» sprechen. Diese «Freunde»              Entgegen der landläufigen Annahme zieht der Wiedehopf hauptsächlich nachts
hitze der Wüste zu entkommen.           nutzten nicht nur dieselben Über-           und legt am Tag nur kurze Strecken zurück (Foto: Marcel Burkhardt).

                                                                                                                                                         5
Forschung und Schutz über Grenzen hinweg - AVINEWS APRIL 2022 - Vogelwarte ...
AVINEWS APRIL 2022: ARTENFÖRDERUNG

                                                                                                                              Neue Regionalstelle
                                                                                                                              Nordostschweiz

                                                                                                                              Auch nach der Pensionierung von
                                                                                                                              Markus Jenny, der die Projekte im
                                                                                                                              Klettgau während Jahren voran-
                                                                                                                              trieb und koordinierte, wird sich
                                                                                                                              die Vogelwarte im Gebiet weiter
                                                                                                                              engagieren. Dazu betreibt sie ab
                                                                                                                              Mai 2022 eine Regionalstelle in
                                                                                                                              Schaffhausen. Die Regionalstelle
                                                                                                                              wird nebst den Projekten im Klett-
                                                                                                                              gau verschiedenste Engagements in
                                                                                                                              der Nordostschweiz betreuen, ins-
                                                                                                                              besondere in den Kantonen Schaff-
                                                                                                                              hausen und Thurgau.

Dank dem jahrelangen Einsatz der Vogelwarte und ihrer Partner zeichnet sich der Klettgau im Kanton Schaffhausen heute durch
reich strukturierte Landwirtschaftsgebiete mit einem hohen Anteil an hochwertigen Biodiversitätsförderflächen aus…
(Foto: Markus Jenny).

Eine Landschaft blüht auf
Seit den 1990er Jahren engagiert         seit 1994 zusätzlich durch ex-             stand der Grauammer ein, ob-              Folge, dass sich die Habitatquali-
sich die Vogelwarte für die öko-         tensiv bewirtschaftete Emmer-              wohl er sich bis 2010 sehr positiv        tät wieder verbesserte.
logische Aufwertung des Schaff-          und Einkornfelder ergänzt. Ent-            entwickelte.                                 Die grossflächige ökologische
hauser Klettgaus. Mit Erfolg: Der        sprechend ihrer landwirtschaft-               Nebst der Landwirtschaft               Aufwertung einer Landschaft wie
Klettgau gehört heute zu den             lichen Eignung und der jeweiligen          schaffen Bauprojekte immer wie-           im Klettgau erfordert das Enga-
vielfältigsten und ökologisch            Interessen der Landwirtinnen und           der Herausforderungen: Mitten             gement und die Zusammenarbeit
reichhaltigsten Landwirtschafts-         Landwirte, entwickelten sich die           durch den Klettgau führt zum Bei-         vieler verschiedener Akteure, in
gebieten der Schweiz.                    Klettgauer Teilgebiete sehr unter-         spiel das Trassee der Deutschen           diesem Fall waren dies die Vogel-
                                         schiedlich. Im Gebiet Widen stieg          Bahn. Die Bahndämme waren ein             warte, Bäuerinnen und Bauern,
Zu Beginn der1990er-Jahren               der Anteil an qualitativ hoch-             besonders wertvoller Lebensraum,          Naturschützerinnen und Natur-
setzte sich die Vogelwarte das Ziel,     wertigen Biodiversitätsförderflä-          wo Neuntöter und Dorngras-                schützer sowie die kantonalen
die letzten beiden Populationen          chen (BFF) auf 14,1 % im Jahr              mücken brüteten. Beim Ausbau              Behörden. Der Klettgau ist ein
des Rebhuhns in der Schweiz in           2019. Auch in den anderen Ge-              der Linie auf Doppelspur wurde            Vorzeigebeispiel für die ganze
der Champagne genevoise und              bieten war der Anteil im Vergleich         ein grosser Teil dieses Lebens-           Schweiz, das belegt, dass Land-
im Schaffhauser Klettgau zu er-          zur übrigen Schweiz überdurch-             raums zerstört. Dank dem En-              wirtschaft und Ökologie durch-
halten. Dazu musste der Lebens-          schnittlich, betrug aber lediglich         gagement der Vogelwarte und               aus Hand in Hand gehen kön-
raum in den beiden offenen               6,4 % bzw. 4,8 %.                          des lokalen Naturschutzes wur-            nen.
Ackerbaugebieten sehr stark auf-             Dank diesen Aufwertungen               den inzwischen Kompensations-
gewertet werden, um mit Bunt-            zeigten zahlreiche Vogelarten              massnahmen realisiert, mit der                                Simon Birrer
brachen, Rotationsbrachen, ex-           beträchtliche Bestandszunahmen.
tensiv genutzten Wiesen von              Diese waren im Gebiet Widen
hoher Qualität, Ackersäumen und          deutlich positiver, dort also wo
Niederhecken mindestens einen            sich der höchste Anteil BFF be-
Anteil von 10 % der Fläche zu er-        fand. Untersuchungen zeigten,
reichen. Von diesen Aufwertungs-         dass für einige Brutvogelarten
massnahmen sollten mit dem               mindestens 14 % naturnahe
Rebhuhn weitere Arten profitie-          Flächen, wie qualitativ hoch-
ren. In beiden Gebieten gelang es,       wertige BFF oder Flächen ausser-
dank der guten Zusammenarbeit            halb der landwirtschaftlichen
der Vogelwarte-Mitarbeitenden            Nutzfläche vorhanden sein müs-
mit den lokalen Landwirten,              sen, um eine bestandssichernde
und unterstützt durch die Kan-           Dichte zu gewährleisten. Trotz
tone, ein dichtes Netz an qualita-       der Aufwertungen gab es aber
tiv hochwertigen Lebensräumen            auch Rückschläge: So kam für
anzulegen. Im Klettgau wurden            das Rebhuhn jede Hilfe zu spät                …davon profitieren zahlreiche Vogelarten, darunter das Schwarzkehlchen
diese naturnahen Lebensräume             und in neuster Zeit bricht der Be-            (Foto: Marcel Burkhardt).

   6
Forschung und Schutz über Grenzen hinweg - AVINEWS APRIL 2022 - Vogelwarte ...
AVINEWS APRIL 2022: WÜRDIGUNG

Die Vision einer naturfreundlichen Landwirtschaft
Während beinahe vier Jahr- gagement und angemessenen                              IP-Suisse und Vogelwarte. Mar-             bis hin zu Expertengremien an
zehnten hat sich Markus Jenny Ausgleichszahlungen stieg der                       kus entwickelte die Idee eines             internationalen Fachtagungen.
für eine naturverträgliche und Anteil ökologisch hochwertiger                     Punktesystems zur Beurteilung              Dabei scheute er sich nicht,
vogelfreundliche Landwirtschaft Lebensräume im Klettgau bald                      der Biodiversität auf dem Land-            auch heikle Themen anzu-
eingesetzt und dabei zahlreiche stark an.                                         wirtschaftsbetrieb. Heute ist              sprechen und auf Missstände
Spuren hinterlassen. Nun geht er    Immer wieder überraschte                      dieses Punktesystem die Basis              aufmerksam zu machen. So
in Pension.                      Markus mit unkonventionellen                     für das Label der IP-Suisse und            war er es, der 2011 an der Mit-
                                 Ideen. So begann er in den                       hat sehr viel dazu beigetragen,            arbeitertagung der Vogelwarte
Vor fast 40 Jahren begann Mar- 1990er Jahren im Klettgau                          dass Landwirtinnen und Land-               die Teilnehmenden auf die Aus-
kus Jenny seine Dissertation     Emmer und Einkorn anzusäen –                     wirte Massnahmen zu Gunsten                wirkungen des Fleischkonsums
zum Thema «Ökologie der Feld- alte, damals beinahe vergessene                     der Natur in ihre Arbeit integrie-         auf die Natur hinwies und dazu
lerche» an der Vogelwarte mit Getreidesorten. Säen und Ern-                       ren und dabei messbare Ergeb-              aufforderte, den persönlichen
dem Ziel, die Raumnutzung, ten reichten aber nicht aus, die                       nisse erzielen.                            Konsum kritisch zu hinterfragen.
Nahrungsökologie           und   Ernte sollte auch zu Produkten                      Wer sich mit Naturschutz                Inzwischen ist diese Problema-
Populationsdynamik dieser Art    verarbeitet und vermarktet wer-                  und Landwirtschaft beschäftigt,            tik zum breit diskutierten Thema
genauer zu verstehen. Sein In- den. So wurde Markus zum Mit-                      kommt unweigerlich mit der                 geworden.
teresse ging schon damals weit   gründer und Präsident der «IG                    Agrarpolitik und mit ihren Ins-                Wenn Markus Ende April
über das Generieren von Wis- Emmer und Einkorn» und wid-                          trumenten in Kontakt. Markus               in Pension geht, wird er sich
sen hinaus: Er wollte Lösungen   mete sich neben Fragen zum                       brachte sein breites Erfahrungs-           voraussichtlich nicht zur Ruhe
für eine naturfreundliche Land- Naturschutz und zur Landwirt-                     wissen in zahlreichen Gremien              setzen. Zu vielfältig sind seine
wirtschaft finden und diese in   schaft auch bald zu solchen der                  ein. So prägte er die Öko-Quali-           Interessen, Talente und Leiden-
die Praxis umsetzen. Er war des- Lebensmittelverarbeitung und                     tätsverordnung und das Instru-             schaften! Wir wünschen ihm
halb die Idealbesetzung für die  des Marketings. Markus brachte                   ment der Vernetzungsprojekte               sehr herzlich weiterhin viel
Leitung des Vogelwarteprojekts   dieses und viele weitere Projekte                mit. Stets forderte er dazu auf,           Freude in und an der Natur!
im Klettgau (siehe gegenüber- mit seinem Enthusiasmus voran,                      sich mit der Komplexität des ge-
liegende Seite). Dort motivierte in dem er immer wieder neue                      samten Landwirtschafts- und Er-                                   Simon Birrer
er Landwirtinnen und Land- Ideen entwickelte, Lösungsvor-                         nährungssystems auseinander-
wirte, Brachen, Säume und wei- schläge einbrachte, und es ver-                    zusetzen und die Produktion auf
tere Strukturen anzulegen. Dank stand, die Partner dafür zu ge-                   agrarökologische Prinzipien aus-
seiner überzeugenden und of- winnen.                                              zurichten.
fenen Art erlangte er bald das      Zu Beginn der 2000er Jahre                       Mit seinem breiten Wissen
Vertrauen vieler Bäuerinnen      traf Markus im Urlaub zufällig                   und seinem Kommunikations-
und Bauern. Markus war auch      auf Hans Luder, dem damaligen                    talent ist Markus ein beliebter
immer zur Stelle, wenn Land- Präsidenten der IP-Suisse. Lange                     Referent. Er hielt unzählige
wirte vor Problemen standen, abendliche Gespräche legten                          Vorträge vor verschiedensten
und oft packte er selber im      schliesslich den Grundstein für                  Publikumsgruppen, vom lokalen
Feld mit an. Dank seinem En- eine intensive Partnerschaft von                     Naturschutz- oder Jägerverein

Markus Jenny weiss, wie der Hase läuft. Dank     Markus Jenny hatte in seiner Laufbahn mit zahlreichen Arten des Kulturlandes zu tun, besonders eng verbunden ist er
seinem Engagement gibt es für den Feldhasen in   mit der Feldlerche (Foto: Markus Jenny).
ökologisch aufgewerteten Gebieten wieder
Lebensraum (Foto: Markus Jenny).

                                                                                                                                                               7
Forschung und Schutz über Grenzen hinweg - AVINEWS APRIL 2022 - Vogelwarte ...
AVINEWS APRIL 2022: NEUES AUS DER FORSCHUNG

Die Krux beim Vögel zählen
 Werden bei einem Monitoring die        Möchte man für ein artspezifi-        gegen meist erst später oder gar         Gerade Citizen-Science-
 zu kontrollierenden Gebiete nicht      sches Monitoring einen Nachweis       nicht aufgesucht. Dies führt zu       Projekte sind anfällig auf eine sol-
 zufällig ausgewählt oder nicht         erbringen, werden gerne die bes-      einer verzerrten und zu positiven     che nicht-zufällige Auswahl von
 jedes Jahr begangen, so kann           ten und erfolgversprechendsten        Stichprobe an Standorten, was bei     Standorten, da die Freiwilligen
 dies grosse Auswirkungen auf die       Gebiete zuerst besucht. Schlechter    der Berechnung von Bestands-          verständlicherweise möglichst
 Schätzung der Bestandsgrösse und       zugängliche oder unregelmässig        trends problematisch sein kann.       Gebiete kontrollieren möchten, in
-entwicklung einer Art haben.           besetzte Standorte werden da-             Dies war auch in einer neuen      denen eine zu überwachende Art
                                                                              Studie der Fall, bei der Daten        eher oder in grösserer Dichte vor-
                                                                              aus einem seit den 1960er-Jah-        kommt. Umso wichtiger ist es, bei
                                                                              ren bestehenden Monitoring von        der Datenerhebung eine zufällige
                                                                              Wanderfalken analysiert wurden.       Gebietsauswahl anzustreben oder
                                                                              Das Gebiet umfasste den gesam-        andernfalls Modelle zur Korrek-
                                                                              ten Jurabogen, wo zwischen 2000       tur zu verwenden, um eine bes-
                                                                              und 2020 420 Niststandorte des        sere Schätzung der Bestandsent-
                                                                              Wanderfalken überwacht wurden,        wicklung zu erhalten.
                                                                              aber nicht alle Standorte konnten
                                                                              in allen Jahren besucht werden.
                                                                                  Um die Probleme der nicht-zu-                 Kéry, M., G. Banderet,
                                                                              fälligen Auswahl der Standorte bei        C. Müller, D. Pinaud, J. Savioz,
                                                                              den vorliegenden Daten zu lösen,                H. Schmid, S. Werner &
                                                                              wurden sogenannte «Bayesian oc-             R. Monneret (2021): Spatio-
                                                                              cupancy models» eingesetzt, mit               temporal variation in post-
                                                                              eindrücklichen Ergebnissen: Die            recovery dynamics in a large
                                                                              Zählungen suggerierten eine Zu-                  Peregrine Falcon (Falco
Wer möchte nicht einen jungen Wanderfalken beobachten? Oft werden bei         nahme des Bestands, und erst die          peregrinus) population in the
einem Monitoring diejenigen Gebiete bevorzugt aufgesucht, in denen man eine   Modelle zeigten, dass die Popula-           Jura mountains 2000–2020.
grosse Chance hat, die Art auch anzutreffen, was aber methodische Probleme    tion tatsächlich im Rückgang be-                      Ibis 156: 217–239.
mit sich bringen kann (Foto: Mathias Schäf).
                                                                              griffen war.                                 doi.org/10.1111/ibi.12999.

Wie entsteht eine obere Verbreitungsgrenze?
                                                                              und 194 Altvögel beringt. Dank        plätze deshalb wenig beliebt. Im
                                                                              Ringkontrollen liessen sich die für   Frühling werden daher von Alt-
                                                                              die Populationsdynamik wichti-        und Jungvögeln erst die tiefen
                                                                              gen Faktoren Einwanderung, Ab-        Lagen besiedelt, bis alle guten
                                                                              wanderung und Überlebensrate          Nistplätze besetzt sind. Später
                                                                              schätzen. Über 90 % der ins Ge-       eintreffende und schwächere
                                                                              biet zurückkehrenden Jungvögel        Tiere, meist Jungvögel, müssen
                                                                              siedelten sich zum Brüten nicht       dann in höhere Lagen mit gerin-
                                                                              an ihrem Geburtsort, sondern an       gerer Konkurrenz, aber schwieri-
                                                                              einem anderen Hof an. Bei den         geren Lebensbedingungen aus-
                                                                              Altvögeln wechselten dagegen          weichen.
                                                                              von Jahr zu Jahr nur 17 % ihren          Nach Jahren mit gutem Brut-
                                                                              Brutort. Sowohl Jung- als auch        erfolg ist durch die Einwanderung
                                                                              Altvögel der höchstgelegenen          von vielen Jungvögeln also ein
                                                                              Höfe wanderten bevorzugt an           Anstieg der oberen Verbreitungs-
Die Rauchschwalbe kommt verbreitet bis über 1000 m ü. M. vor. Die Höhe der    überdurchschnittlich tief ge-         grenze zu erwarten, nach Jahren
oberen Verbreitungsgrenze wird massgeblich von der Menge einwandernder        legene Brutplätze ab. An hoch-        mit schlechtem Bruterfolg da-
Erstbrüter bestimmt (Foto: Marcel Burkhardt).                                 gelegenen Höfen siedelten sich        gegen ein Absinken.
                                                                              dagegen fast ausschliesslich
                                                                              Jungvögel an.                                      Grüebler, M. U., J. von
Die Umweltbedingungen im Ver-           In einer Studie des Rauch-               Die Ergebnisse lassen sich so                  Hirschheydt & F. Korner-
breitungsgebiet einer Vogelart än-      schwalbenprojektes haben frei-        erklären: Rauchschwalben fres-              Nievergelt (2021): High turn-
dern sich mit der Höhe über Meer.       willige Beringer für die Vogel-       sen praktisch nur Fluginsekten.           over rates at the upper range
Sie beeinflussen Einwanderung,          warte eine Brutpopulation im          Deren Aktivität ist wärme-                   limit and elevational source-
Abwanderung, Bruterfolg und             Prättigau GR über einen Höhen-        abhängig und in Hochlagen                sink dynamics in a widespread
Überlebensraten und damit auch          gradienten von 700 Metern             wegen Kälteeinbrüchen oft redu-         songbird. Scientific Reports 11:
die Höhenlage der Verbreitungs-         untersucht. In 14 Jahren wur-         ziert. Wegen des geringeren Brut-      18470. doi.org/10.1038/s41598-
grenze.                                 den an 63 Höfen 1337 Nestlinge        erfolgs sind hochgelegene Brut-                             021-98100-x.

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Forschung und Schutz über Grenzen hinweg - AVINEWS APRIL 2022 - Vogelwarte ...
AVINEWS APRIL 2022: VOGELSCHUTZTHEMEN ERKLÄRT

Bundesgericht stützt die Arbeit der Vogelwarte
Das Bundesgericht hat entschieden,
dass es rechtens ist, wenn die
Vogelwarte Kulturlandparzellen
aufkauft, die sie für den Schutz
der Zwergohreule nutzen möchte.
Somit kann die Vogelwarte ihre Be-
mühungen zur Förderung der be-
drohten Eule fortsetzen.

Beinahe wäre die Zwergohreule
in der Schweiz ausgestorben.
Vor zwanzig Jahren zählte man
gerade noch ein Brutpaar und
einige unverpaarte Sänger. Der
drastische Rückgang war ver-
bunden mit der Banalisierung der
Landschaft, der intensiven Land-
wirtschaft und der Vernichtung
von Obstgärten im Zuge der
Ausdehnung von Siedlungen.
Dank umfangreichen Schutz-
bemühungen ist der Bestand in-
zwischen immerhin wieder auf
30-40 Brutpaare angewachsen,
die meisten davon im Wallis. Die             Die stark gefährdete Zwergohreule kommt in der Schweiz fast nur noch im Wallis vor, weshalb dort Fördermassnahmen sehr
Zwergohreule braucht eine gut                wichtig sind (Foto: Marcel Ruppen).
strukturierte, halboffene Land-
schaft, in der sich alte Bäume und
insektenreiche Blumenwiesen               Dienststelle für Wald, Flussbau          verweigert, und die beim Staats-         Abweichung von dem Prinzip,
abwechseln, in denen sie aus-             und Landschaft (DWFL), mit der           rat des Kantons Wallis gegen             dass ein Erwerb nur einem Selbst-
reichend Heuschrecken als ihre            sie ihre Fördermassnahmen zu-            diesen Entscheid eingelegte Be-          bewirtschafter gestattet ist, sofern
Hauptnahrung findet. Die Brut             gunsten bedrohter Vogelarten             schwerde wurde abgewiesen. Das           die fraglichen Parzellen formell
findet in alten Baumlöchern oder          bespricht und koordiniert. Zwei          mit einer neuen Beschwerde be-           geschützt sind oder ihr Erwerb
passenden Nistkästen statt.               Parzellen waren etwas grös-              fasste Kantonsgericht Wallis hat         die Erhaltung einer gefährdeten
    Um den Lebensraum der                 ser als 2500 m2, wodurch deren           jedoch der Klage der Vogelwarte          Art oder eines seltenen Biotops
Zwergohreule gezielt ökologisch           Besitzänderung gemäss dem                stattgegeben und den Erwerb der          ermöglicht. Im vorliegenden Fall
aufwerten zu können, wollte die           Bundesgesetz über das bäuer-             beiden Parzellen bewilligt. Dieses       sind die Parzellen Teil des Lebens-
Vogelwarte im Frühling 2017 in            liche Bodenrecht (BGBB) be-              Urteil wurde daraufhin vom Eid-          raums der Zwergohreule, und der
der Walliser Gemeinde Grimi-              willigungspflichtig wird. Der            genössischen Justiz- und Polizei-        Erwerb ist somit gestattet. Im Üb-
suat einige kleine Kulturlandpar-         kantonale Rechtsdienst für Wirt-         departement (EJPD) beim Bundes-          rigen wäre ein Kulturlanderhalt,
zellen erwerben. Sie folgte dabei         schaftsangelegenheiten hatte die         gericht angefochten.                     wie ihn das BGBB bezweckt, frag-
einer Empfehlung der Walliser             Erteilung der Erwerbsbewilligung            Das Bundesgericht hat die             lich gewesen. Das Bundesgericht
                                                                                   Beschwerde des EJPD nun ab-              hielt nämlich fest, dass der vor-
                                                                                   gewiesen und den Erwerb der              herige Besitzer der Parzellen kein
                                                                                   Parzellen durch die Vogelwarte           Landwirt war, sondern eine Ge-
                                                                                   endgültig bestätigt. In seiner Ent-      sellschaft, die dort einen Golfplatz
                                                                                   scheidung (BGE 2C_1069/2020              bauen wollte!
                                                                                   vom 27. Oktober 2021) stellt                 Das Urteil ist insofern von
                                                                                   es fest, dass das BGBB in erster         grundlegender Bedeutung, da
                                                                                   Linie darauf abzielt, die Spekula-       es den Anwendungsbereich des
                                                                                   tion mit landwirtschaftlichen Flä-       BGBB in Bezug auf den Erwerb
                                                                                   chen zu verhindern und sicherzu-         von landwirtschaftlichen Parzellen
                                                                                   stellen, dass diese in Händen der        aus Gründen des Naturschutzes
                                                                                   Landwirte und Landwirtinnen ver-         klarstellt. Es ist das erste Urteil zu
                                                                                   bleiben. Das Gesetz soll jedoch          diesem Thema. Das Bundesgericht
                                                                                   nicht gleichrangige öffentliche          sagt klar, dass der Kauf von Boden
                                                                                   Aufgaben wie den Naturschutz             in der Landwirtschaftlichen Nutz-
                                                                                   behindern. Aus diesem Grund              fläche ein zielführendes und kor-
                                                                                   sieht das BGBB Ausnahmen vor,            rektes Naturschutzinstrument ist,
                                                                                   die den Erwerb von landwirt-             wenn gefährdete Arten und ihre
                                                                                   schaftlichen Flächen durch Nicht-        Lebensräume betroffen sind.
                                                                                   landwirte gestatten, sofern dies
Die von der Vogelwarte erworbenen Parzellen in Grimisuat können nun für die        dem öffentlichen Interesse dient.             Jean-Nicolas Pradervand und
Förderung der Zwergohreule aufgewertet werden (Foto: Jean-Nicolas Pradervand).     Der Naturschutz rechtfertigt eine                     Matthias Kestenholz

                                                                                                                                                              9
Forschung und Schutz über Grenzen hinweg - AVINEWS APRIL 2022 - Vogelwarte ...
AVINEWS APRIL 2022: VOGELSCHUTZTHEMEN ERKLÄRT

Aufschwung für ein abgewertetes Hochmoor

                                                                                                                                Aufschwung für die Vogelwelt
                                                                                                                                Mit dem mehrjährigen Programm
                                                                                                                                möchte die Vogelwarte Lebens-
                                                                                                                                räume für die Vogelwelt und die
                                                                                                                                Biodiversität insgesamt aufwerten
                                                                                                                                und langfristig sichern. Dafür
                                                                                                                                werden Partnerinnen und Part-
                                                                                                                                ner in der ganzen Schweiz ge-
                                                                                                                                sucht, welche über Flächen von
                                                                                                                                mindestens 3 ha verfügen. Wei-
                                                                                                                                tere Informationen und ein For-
                                                                                                                                mular für die Meldung von Pro-
                                                                                                                                jekten und Ideen befinden sich auf
                                                                                                                                www.vogelwarte.ch/aufschwung.

Maschineneinsatz für die Natur: Ein Bagger erstellt kleine Dämme und gräbt Teiche, um das trocken gefallene Moor wieder zu
vernässen (Foto: Yvan Matthey).

Seit 1900 hat sich die Fläche der        sem Planungsstand wurde die               albifrons) sehr schnell und posi-           Zuges. Damit das Ziel der Wieder-
Moore in der Schweiz um über             Vogelwarte kontaktiert und um             tiv auf Hochmooraufwertungen                vernässung des Hochmoors und
80 % verkleinert. Obwohl Flach-          Unterstützung angefragt.                  reagieren. Wir streben auch für             der Entwicklung eines mosaik-
und Hochmoore heute geschützt                Im Rahmen ihres neuen Pro-            das Marais de la Châtagne eine              artigen Lebensraums erreicht
sind, verschlechtert sich ihre           jekts «Aufschwung für die Vogel-          rasche Kolonisation der neu-                wird, braucht es einen regel-
Lebensraumqualität fortlaufend.          welt» beteiligte sich die Vogel-          geschaffenen Flachgewässer an.              mässigen, angepassten Unterhalt.
Mit geeigneten Aufwertungs-              warte fachlich und finanziell an              Im November 2021 führten                Die Vogelwarte und Pro Natura
projekten kann das Steuer herum-         der Aufwertung des Marais de le           wir die Aufwertungsarbeiten                 Neuenburg haben deshalb eine
gerissen werden.                         Châtagne. So erstellten wir eine          aus. Insgesamt soll eine arten-             langjährige Zusammenarbeit für
                                         Liste von Vogelarten, die eben-           reiche Vogelgemeinschaft vom                dieses Objekt vereinbart.
 Im Tal der Brévine im Kanton            falls von den Aufwertungen pro-           aufgewerteten Lebensraum
 Neuenburg befindet sich eine            fitieren könnten und prüften              profitieren, nicht nur zur Brut-                             Arnaud Barras und
 Moorlandschaft von nationaler           das Massnahmenset auf seine               zeit, sondern auch während des                                     Petra Horch
 Bedeutung. Diese besteht aus            Effektivität für die Vogelwelt. Die
 mehreren Teilgebieten, die im           weitere Entwicklung des Hoch-
 Inventar der Hochmoore erfasst          moors soll durch eine Wirkungs-
 sind, darunter auch das «Marais         kontrolle begleitet werden, um
 de la Châtagne». Bis 1995 wurde         auch notwendige Anpassungen
 in diesem Hochmoor Torf für den         am Unterhalt vornehmen zu kön-
 Gartenbau abgebaut. Danach              nen. Die Vogelwarte stellt die
 wurde die Nutzung eingestellt           Wirkungskontrolle für die Vögel
 und das Moor sich selbst über-          sicher, insbesondere bezüglich
 lassen. Der Torfabbau veränderte        der Entwicklung von Zielarten
 das Hochmoor aber so stark, dass        wie Baumpieper und Fitis. Und
 es in den folgenden Jahren immer        gemeinsam mit dem Kantonalen
 mehr austrocknete und von un-           Amt für Fauna, Wald und Natur
 zähligen Weiden besiedelt wurde,        kontrollieren wir, wie sich die
 was zu grossen Verlusten in der         Libellenfauna entwickelt, da Li-
 typischen Hochmoorflora und             bellen die Haupt-Zielartengruppe
-fauna führte. 2020 erwarb Pro           für die Aufwertung sind. Aus frü-
 Natura Neuenburg eine Hoch-             heren Aufwertungen von Hoch-
 moorparzelle von knapp 5 Hekt-          mooren in der Region lässt sich
 aren mit dem Ziel, das Marais de        ableiten, dass gefährdete und
 la Châtagne wieder aufzuwerten.         sehr seltene Libellenarten wie
 Die Flächen sollten entbuscht,          die Grosse Moosjungfer (Leu-                  Die Grosse Moosjungfer, eine in der Schweiz stark gefährdete Art, ist eine Zielart
 wiedervernässt und durch kleine         corrhinia pectoralis) und die Öst-            für die Aufwertungsmassnahmen im Marais de la Châtagne (Foto: Sébastien
                                                                                       Tschanz).
Tümpel aufwertet werden. In die-         liche Moosjungfer (Leucorrhinia

   10
A V I N E W S A P R I L 2 0 2 2 : U N T E R W E G S M I T. . .

... Célestin Luisier
Célestin Luisier ist sowohl in der    falt, der man zudem fast über-
Forschung als auch in der Nach-       all begegnen kann. Der Einstieg
wuchsförderung aktiv - das Port-      in die Ornithologie sei deshalb
rät eines unermüdlich Neugierigen.    einfach, und kaum vertiefe man
                                      sich in dieses Gebiet, merke man,
Ausgangspunkt für Célestins In-       wie viel man über die Vögel noch
teresse an den Vögeln war wohl        gar nicht weiss. Célestin kann ein
seine Mitarbeit im Walliser Wein-     Lied davon singen, denn seine
berg seiner Eltern. Dank einem        Studien am Mauerläufer, seinem
Vogelbuch seiner Grossmutter          Lieblingsvogel, haben absoluten
machte er bei der Bestimmung          Pioniercharakter!
der dort beobachteten Arten               Wenn er von dieser eigen-
rasch Fortschritte, und schon war     willigen Art spricht, merkt man
sein neues Hobby geboren.             sofort, dass er völlig in ihrem
   Was die Vögel in seinen Augen      Bann steht. Meist bekommt man
so interessant macht, ist ihre        diesen einzigartigen, wenig be-              Der unstillbare Durst, sein Wissen über die örtlichen Vögel zu vertiefen, treibt
grosse und überraschende Viel-        kannten und an unzugänglichen                Célestin Luisier immer wieder in die heimatlichen Berge (Foto: Julia Wildi).
                                      Orten lebenden Vogel ja nur von
                                      weitem zu sehen. Bei Célestin ist
                                      das anders, denn er studiert die             Apropos Zeit – ein absoluter           nächste Orni-Generation bereits
                                      Art schon seit langem: In seiner          Minimumfaktor bei einem Wirbel-           in den Startlöchern steht.
                                      Maturaarbeit hat er sich mit der          wind wie Célestin! Neben seiner              Und in Zukunft? Natürlich hat
                                      Ernährung der Nestlinge befasst,          Feldarbeit mit den Mauerläufern           er noch viele Ideen für Natur-
                                      jetzt sucht er nach Selektions-           schliesst er derzeit nämlich sein         schutz- und Vogelprojekte, auch
                                      kriterien für die Überwinterung,          Bachelorstudium an der Uni-               wenn dafür ein einziges Leben
                                      was er nur tun kann, weil er –            versität Bern ab, und er ist auch         wohl nicht ausreichen dürfte.
                                      ein weiteres seiner Forschungs-           noch Präsident der Jugendgruppe           Trotz seiner ornithologischen
                                      themen – die einzelnen Vögel an-          von Nos Oiseaux, in der alle West-        Heimatverbundenheit plant er
                                      hand ihrer individuellen Flecken-         schweizer Vogelbegeisterten               ausserdem eine Expedition in den
                                      muster auf den Flügeln erkennt.           unter 25 Jahren vereinigt sind.           Kaukasus, wo er neben neuen
                                      Wenn er im Sommer noch Zeit               Das dynamische Umfeld in die-             Landschaften und anderen Vö-
Mauerläufer                           hat, beobachtet er einzelne Brut-         sem Kreis motiviert ihn ebenso            geln natürlich auch die örtlichen
(Foto: Célestin Luisier)              paare genauer.                            wie die Gewissheit, dass die              Mauerläufer kennenlernen will.

                                                                                                         AVINEWS APRIL 2022: PERSONELLES

Herzlich willkommen und auf Wiedersehen!
Zu Beginn des Jahres trat Prof. Dr.   rist in Pension. Er war für das           Engagement und wünschen ihm                  In der Personalarbeit kann
Barbara Helm, ihre Stelle als neue    Marketinglager verantwortlich,            für seine Zukunft alles Gute! Sein        dank dem Eintritt von Astrid Trut-
Leiterin der Vogelzugforschung        packte bei Versandaktionen mit            Nachfolger Philipp Ineichen hat           mann die Rekrutierung für alle
an. Barbara Helm erforscht die        an und unterstützte die Vogel-            sich bereits bestens mit den La-          Feldassistentinnen und -assis-
biologischen Rhythmen der             warte bei vielen anderen Arbei-           gern, der Vielzahl der Produkte           tenten planmässig durchgeführt
Vögel, beispielsweise tageszeit-      ten. Wir danken Paul Albisser             und all seinen anderen Aufgaben           werden.
liche und saisonale Muster, und       ganz herzlich für sein langjähriges       vertraut gemacht.
die sie beeinflussenden Faktoren
wie etwa Umwelt oder Verhalten.
    Mit PD Dr. Elizabeth Yohannes
stiess eine zweite versierte For-
scherin zur Vogelzugforschung.
Sie bringt eine langjährige Er-
fahrung bei chemischen Ana-
lysen mit. Der Schwerpunkt ihrer
Arbeit wird bei der individuums-
bezogenen Erforschung von
europäischen Langstreckenzieh-
ern liegen.
    Auch in den Bereichen Mar-
keting und Betrieb gab es Ver-
änderungen: Mit Paul Albisser
ging unser langjähriger Lage-            Von links nach rechts: Barbara Helm, Elizabeth Yohannes, Philipp Ineichen, Astrid Trutmann.

                                                                                                                                                            11
AVINEWS APRIL 2022: HERAUSGEPICKT

Neues Lehrbuch
über Populationsdynamik
Für ein besseres Verständnis von          baren Informationen verwendet
Bestandsänderungen einer Art              werden. Hier setzen die integ-
spielt die Populationsdynamik             rierten Populationsmodelle an:
eine zentrale Rolle. Alle Be-             Alle verfügbaren Daten werden
standsänderungen sind Resultat            zu einem einzigen Modell zu-
der vier demografischen Prozesse          sammengefügt, welches prä-
Überleben, Fortpflanzung, Im-             zisere Schätzungen liefert und
migration und Emigration. Feld-           es erlaubt, die demografischen
studien zur Populationsdynamik            Prozesse zu schätzen, die man       Unser erstes Video über die Winterfütterung war ein Erfolg (Foto: Marcel Burkhardt).
sind aber komplex, weil es eine           nicht direkt beobachtet hat. Ein
Vielzahl von Einflussfaktoren             neues Lehrbuch über integrierte
gibt und weil meist nicht alle            Populationsmodelle richtet sich     Videos und Podcasts der
Individuen beobachtet und ge-             an Populationsökologinnen und
zählt werden können. Die ge-             -ökologen und zeigt, wie diese       Vogelwarte Sempach
sammelten Daten zeigen daher              Modelle entwickelt und benutzt
ein unvollständiges und mög-              werden können. Vermehrte An-        Was lange währt, wird endlich              fertiggestellt. Wir freuen uns da-
licherweise verzerrtes Bild der           wendung solcher Modelle wird        gut: Im letzten November haben             rauf, sie in den kommenden Wo-
Dynamik einer Population. Des-            zu vertieften Einblicken in die     wir zum Thema Winterfütterung              chen zu präsentieren und sind
halb müssen die demografischen            Populationsdynamik führen und       unser erstes Video-Tutorial pub-           sehr gespannt darauf, wie das Pu-
Prozesse mit statistischen Mo-            somit auch dazu beitragen, ge-      liziert. Das überaus positive Echo         blikum auf diese Videos reagiert.
dellen geschätzt werden. Frü-             fährdete Populationen besser för-   hat uns in der Absicht bestärkt,              Mit dem Format der Podcasts
her wurde für jeden Daten-                dern zu können.                     weitere Videos folgen zu lassen.           betreten wir 2022 völliges Neu-
satz ein anderes Modell ver-                                                      Auf unserer Internetseite ist          land. In der Serie «Es zwitscheret
wendet und die resultierenden                                                 eine Fülle von umfassenden und             dihei» stellen neun Fachleute der
Schätzungen wiederum in ein                                                   regelmässig aktualisierten Tipps           Vogelwarte jeweils «ihre» Vogel-
Populationsmodell eingefüllt, um                                              für ein gutes Zusammenleben                art vor. Über zahlreiche Anek-
die Populationsdynamik zu ver-                                                mit den Vögeln zu finden. Das              doten kann das Publikum tief in
stehen. Dieses Vorgehen ist in-                                               Themenspektrum reicht von Ge-              die Welt der Wissenschaft und
effizient, weil nicht alle verfüg-                                            fahren für Vögel über die Füt-             des Artenschutzes eintauchen.
                                                                              terung bis zu Nisthilfen. Dieses           Wir wünschen spannende Aus-
                                                                              Angebot möchten wir durch at-              flüge ins Leben von Schleiereule,
Das weltweit erste Lehrbuch über                                              traktive und informative Videos            Waldlaubsänger, Schneesperling
integrierte Populationsmodelle ist von                                        ergänzen.                                  & Co.!
Michael Schaub und Marc Kéry, zwei
                                                                                  Die nächste Serie handelt von
Forschern der Vogelwarte, geschrieben
worden und im renommierten Academic                                           der vogelfreundlichen Garten-
Press-Verlag erschienen.                                                      gestaltung und wird zurzeit

AGENDA                                                                           IMPRESSUM

1.–31. Mai 2022                                                                   Redaktion: Livio Rey
Vogelwarte Fotowettbewerb: https://photo.vogelwarte.ch                            Übersetzung: Hannes von Hirschheydt
                                                                                  Mitarbeit: Arnaud Barras, Simon Birrer, Martins Briedis, Petra Horch,
18. Juni 2022                                                                     Marc Kéry, Matthias Kestenholz, Christoph Meier, Chloé Pang, Gilberto
Nationale Seglertagung in Zunzgen BL                                              Pasinelli, Jean-Nicolas Pradervand, Thomas Sattler, Michael Schaub,
                                                                                  Hans Schmid, Nicolas Strebel, Felix Tobler, Véronique Wavre
                                                                                  Auflage: 4600 Ex.
                                                                                  Ausgaben: April, August und Dezember
                                                                                  ISSN: 1664-9451 (elektronische Ausgabe: 1664-946X)
                                                                                  Papier: Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier

               Schweizerische Vogelwarte                               Tel. 041 462 97 00
               Station ornithologique suisse                           Fax 041 462 97 10
               Stazione ornitologica svizzera                          info@vogelwarte.ch         Postkonto 60-2316-1
               Staziun ornitologica svizra        CH-6204 Sempach      www.vogelwarte.ch          IBAN CH47 0900 0000 6000 2316 1
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