Dial g 37 - Hochschule für öffentliche Verwaltung und ...

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Dial g                                                                       Ausgabe

                                                                             37
Magazin der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg   Dezember 2017

                                                                      Themen-
                                                                   schwerpunkt:
                                                                   Digitalisierung
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Ihr IT-Partner für die Kommunen
  in der Region Stuttgart

                                                  STORAGE
            HOSTING

                                                                         MANAGED SEVICES
                                                            APP
RECHENZENTRUM

                      DAT ENSICH ERH EI T
                      CLOUDCOMPUTING

                KDRS/RZRS
                DATENVERARBEITUNG
                SCHULUNGEN                     NETZWERKE
                                      SERVER
                                IT

                                                      Kommunale Datenverarbeitung
                                                      Region Stuttgart

  www.kdrs.de
                                                      Rechenzentrum
                                                      Region Stuttgart GmbH
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Inhalt
IMPRESSUM
                                            Editorial                                                                        2
Dialog
Magazin der Hochschule für öffentliche      Fachforum – Themenschwerpunkt: Digitalisierung
Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg
                                            Die digitale Transformation – Der Weg von E-Government zur Smart City            4
Ausgabe 37 – Dezember 2017
                                            Evaluierung der Einführung der E-Akte im Ostalbkreis                             6
                                            Risikomanagement und vollautomatische Fallbearbeitung in der Steuerverwaltung    8
Herausgeber
                                            „Digital Divide“ und die Rolle der EZB                                          10
Hochschule für öffentliche Verwaltung
                                            Internet-Partizipation im Schatten der Transparenz-Norm                         12
und Finanzen Ludwigsburg (HVF) in
Verbindung mit dem Verein der Freunde
                                            Die Rolle des Campus-Managements bei der Digitalisierung                        14
der Hochschule                              Plädoyer für eine andere berufliche Weiterbildungsgesetzgebung                  16

Redaktion                                   Studium – Aus den Bachelor-Studiengängen
Prof. Dr. Volkmar Kese (verantw.),          Hochschultag der Fakultät II erfreut sich hoher Beliebtheit                     18
Eva Baum M. A., Matthias Riede M. A.,       Steuerworkshop von Jugendlichen für Jugendliche                                 19
Dr. Daniel Zimmermann                       Konzernbetriebsprüfer in der digitalen Welt – Exkursion zu IBM                  20
                                            Verabschiedung von über 400 erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen        21
Anschrift der Redaktion                     Der neue Ausbildungspersonalrat stellt sich vor                                 22
Hochschule für öffentliche Verwaltung
und Finanzen Ludwigsburg                    Studium – Aus den Master-Studiengängen
Reuteallee 36; 71634 Ludwigsburg            Der neue MPM-Jahrgang freut sich auf die gemeinsame Herausforderung             23
Telefon 07141/140-541                       Kompetenzorientiertes Coaching fördert die Führungskarriere                     24
www.hs-ludwigsburg.de                       MEPA-Studierende wollen Studienerfolg gemeinsam erreichen                       27
dialog@hs-ludwigsburg.de                    Master Kommunales Gesundheitsmanagement mit der EH Ludwigsburg                  28

Verein der Freunde                          Hochschule
Bürgermeister Klaus Warthon,
                                            HVF wird „familiengerechte Hochschule“                                          29
Ulla Gottwald
                                            Das Weiterbildungszentrum LUCCA startet sein Programm                           30
                                            Einführung eines Enterprise-Information-Management-Systems in der Verwaltung    31
Fotos
                                            Steuern – kann das auch Spaß machen? – Der zweite Tax Slam an der HVF           32
HVF Ludwigsburg, VdF, Privatbesitz, Ober-
finanzdirektion Karlsruhe (S. 9), IBM (S.
20), Landratsamt Rems-Murr-Kreis (S. 39).
                                            Verein der Freunde
Wir danken HOFFMANN FOTOGRAFIE              Veranstaltungsreihe „Wiedersehen macht Freu(n)de“                               33
(73240 Wendlingen) für die Bilder der       Preisverleihung Bachelor-Abschlussfeier                                         33
Bachelorfeier und Benjamin Stollenberg      Reges Interesse an Bewerbungstraining                                           33
(71636 Ludwigsburg) für die Autorenfo-
tos.                                        Praxis im Dialog
                                            Kommunale Datenverarbeitung Region Stuttgart – Partner für die Kommunen         34
Verlag                                      Laupheim stellt mithilfe von Bachelor-Studierenden auf die Doppik um            35
Staatsanzeiger für                          Dietlind Knipper, Vorsteherin des Finanzamtes Bruchsal, im Gespräch             36
Baden-Württemberg GmbH & Co. KG             Landkreisverwaltung fördert Führungskräftenachwuchs                             38
Breitscheidstraße 69, 70176 Stuttgart       Ausstattung der Finanzämter im Zuge der Digitalisierung                         38
Projektmanagement: Meike Habicht M. A.,     Innovativ und zielgruppengerecht: Das „Einsteigerprogramm“                      39
Layout: Sonja Krämer
                                            HVF – International
Druck                                       Neues aus dem Akademischen Auslandsamt                                          40
Offizin Scheufele,                          Die Internationalen Tage 2017 der HVF                                           41
Druck & Medien, Stuttgart                   Digital Divide in the Danube Region                                             42

Erscheint zweimal jährlich/Auflage 5.000
                                            Der Amtsschimmel wiehert . . .                                                  44
Die Redaktion bedankt sich bei Herrn
Dr. Mijo Bozic, LL.M für das Erstellen      Personalia                                                                      45
der Seiten „Ludwigsburger Autoren“.
                                            Kurz berichtet                                                                  46

                                            Ludwigsburger Autoren                                                           47

          Unterstützt durch:

                                                                                                 Dialog | Dezember 2017      1
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Editorial

                                             Liebe Leserinnen und Leser,

                                             vor Ihnen liegt die neue Ausgabe unseres Hochschulmagazins DIALOG. Es handelt
                                             sich um ein besonderes Heft, da es erstmals von der neuen Redaktion unter der
                                             Leitung von Prof. Dr. Volkmar Kese konzipiert worden ist. Nicht nur das neue
                                             Erscheinungsbild wird Ihnen ins Auge fallen, sondern auch das neue Konzept wird
                                             Ihnen beim Durchblättern immer wieder begegnen.

                                             Themenschwerpunkt im Fachforum
                                             Schon das Titelblatt verrät, dass wir in Zukunft im DIALOG auf
Prof. Dr. Wolfgang Ernst,                    Themenschwerpunkte setzen werden. Die vorliegende Ausgabe widmet sich
Rektor der HVF Ludwigsburg                   dem Megatrend der Digitalisierung, der zu tiefgreifenden Veränderungen der
                                             Arbeitsabläufe und Dienstleistungen in staatlichen und kommunalen Verwaltungen
                                             führt. Unsere Experten im Haus behandeln dieses Thema aus vielen verschiedenen
wissenschaftlichen Perspektiven. Dies bildet das Heft auch entsprechend ab. Auf 12 Seiten werden von der Einführung von
digitalen Zukunftskonzepten und elektronischen Dokumentensystemen in Kommunen und der HVF selbst bis hin zu IT-Verfahren
und Programmen in der Steuerverwaltung viele Facetten des Themas ausgiebig beleuchtet. Auch auf die gesellschaftlichen
Auswirkungen der Digitalisierung – hier sind allem voran die Stichworte Transparenz und Teilhabe zu nennen – wird in weiteren
Beiträgen eingegangen.

Praxis im Dialog
Mit Freude stelle ich fest, dass unser Angebot von der Verwaltungspraxis angenommen wurde, über interessante,
herausfordernde oder innovative Projekte oder Problemlösungen zu berichten. Berichte wie z.B. über die Digitalisierung der
Finanzverwaltung oder die Einführung des Neuen Kommunalen Haushaltsrechts geben nicht zuletzt auch wichtige Impulse für
Lehre und Forschung an der HVF.

Aus der Hochschule
Nicht alles an der vorliegenden Ausgabe wurde neu konzipiert. Die fortlaufende Entwicklung der Hochschule soll weiterhin
abgebildet werden. Sie werden auch dieses Mal viele Beiträge zu interessanten Veranstaltungen und Initiativen finden. Auf drei
Entwicklungen an der Hochschule möchte ich dabei aber besonders eingehen. In den vergangenen Monaten hat sich unser
Weiterbildungszentrum LUCCA stark entwickelt. Einen Beitrag hierzu finden Sie auf Seite 30. Auch die Internationalisierung der
Hochschule schreitet weiter voran. Wie Sie auf Seite 41 lesen können, waren die ersten Internationalen Tage der HVF ein voller
Erfolg und sollen als Veranstaltung etabliert werden. Eine besondere Auszeichnung für die Hochschule ist die Zertifizierung als
„familiengerechte Hochschule“; auf Seite 29 können Sie den Prozess, den wir hierzu durchlaufen, näher verfolgen.

Ich wünsche Ihnen jetzt viel Freude beim Lesen dieses neu gestalteten Hefts. Danken möchte ich allen Autorinnen und Autoren,
die Beiträge zu dieser Ausgabe beigesteuert haben und somit ein lebendiges Bild der HVF vermitteln. Ebenso gilt mein Dank
dem neuen Redaktionsteam. Wenn Sie mehr über die Neuausrichtung des DIALOGs erfahren möchten, empfehle ich den
nachfolgenden Artikel, in dem die Redaktion die Beweggründe hierfür und die Bestandteile des neuen Konzepts näher vorstellt.

Ihr

Rektor Prof. Dr. Wolfgang Ernst

2      Dialog 37 | Dezember 2017
Dial g 37 - Hochschule für öffentliche Verwaltung und ...
Editorial – In eigener Sache

Hochschulmagazin Dialog und Praxis kommen zueinander

Seit der Übernahme durch den ehemaligen Redaktionsleiter Prof. i. R. Eberhard Ziegler im Jahr 2001 hat sich dieses Printmedium
der HVF zu einem veritablen Hochschulmagazin entwickelt. Die Übergabe an die neue Redaktion im Jahr 2017 erforderte eine
Überprüfung, ob das Magazin noch den Seh- und Lesewünschen der jetzigen Zeit entsprechen kann, um auch weiterhin eine
Brücke zwischen Hochschulangehörigen, Lehrbeauftragten, Studierenden und der Verwaltungspraxis in Baden-Württemberg zu
schlagen.

Deshalb wurde im Frühjahr eine Onlineumfrage unter den Professorinnen und Professoren, Lehrbeauftragten, Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der Hochschulverwaltung, Studierenden, Mitgliedern des Vereins der Freunde der Hochschule sowie
Praktikerinnen und Praktikern in Städten, Gemeinden, Landkreisen, Landesministerien, Finanzämtern und der Rentenversicherung
Baden-Württembergs durchgeführt. Wir bedanken uns bei den fast 700 Personen, die durch ihre Hinweise Anpassungen und
Veränderungen angeregt haben. Ganz besonders wichtig war die intensive und höchst professionelle Beratung, einschließlich
eines wichtigen Gutachtens, von unserem langjährigen Lehrbeauftragten, Journalisten und Redakteur der Waiblinger
Kreiszeitung Helge Juch. Als ein ausgesprochen entgegenkommender und innovativ unterstützender Partner bei diesem
Einstieg in eine Heftmodernisierung haben die Redakteurin Meike Habicht und Layouterin Sonja Krämer vom Staatsanzeiger
wertvolle Unterstützung geleistet. Weitere wichtige Empfehlungen für die Weiterentwicklung unseres Hochschulmagazins hat
die Redaktion auch von einem studentischen Prüfungsteam im Modul Public Relations aus dem Master-Studiengang Public
Management erhalten, wofür wir uns herzlich bei Elena Breymaier, Katharina Haug, Denise Hertenberger, Vera Lang und
Christian Peschl bedanken.

In diesem Dialogheft dürfen sich die Leserinnen und Leser deshalb auf einige Neuerungen freuen. Zum ersten Mal in seiner
fast zwanzigjährigen Geschichte erscheint der Dialog mit diesem Heft als fachliches Themenheft. Das war laut der Umfrage
auch einer der häufigsten genannten Wünsche der Leserschaft. So wird sich eine Vielzahl von Artikeln als Schwerpunktthema
in der Rubrik „Fachforum“ mit Herausforderungen der Digitalisierung für die verschiedenen Ebenen der kommunalen und
staatlichen Verwaltung beschäftigen. Künftig wird der fachliche Themenschwerpunkt in einem partizipativen Verfahren von den
Professorinnen und Professoren gewählt.

Durch diese stärkere fachliche Ausrichtung des Dialogs soll über die Expertise der Hochschule ein intensiverer fachlicher
Austausch mit der Praxis, also ein „echter Dialog“, initiiert werden. Dies wird auch durch die neue Rubrik „Praxis im Dialog“
unterstützt. Hier erhalten interessierte Praktikerinnen und Praktiker die Möglichkeit, über innovative und herausfordernde
Projekte sowie Lösungsansätze in der Praxis zu berichten. Damit können ein Gedankenaustausch und eine weitere
Netzwerkpflege zwischen der Verwaltungspraxis Baden-Württembergs und unserer Hochschule angeregt werden.

Da der Dialog künftig als Hauptprintmedium ein wichtiger
Bestandteil der Kommunikationsstrategie der HVF sein
soll, wurden auch Anpassungen im Layout im Sinne des
Corporate Designs unserer Hochschule vorgenommen. So
soll unter anderem ab jetzt durch das Know-how eines
Berufsfotografen die Bildqualität, insbesondere bei den
Porträts der Autorinnen und Autoren, professionalisiert
werden.

Aber verschaffen Sie sich am besten gleich selbst einen
Überblick! Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen dabei

Ihr Redaktionsteam
                                                               Das Redaktionsteam von links nach rechts: Prof. Dr. Volkmar Kese,
                                                               Eva Baum M. A., Dr. Daniel Zimmermann, Matthias Riede M. A.

                                                                                                       Dialog | Dezember 2017      3
Dial g 37 - Hochschule für öffentliche Verwaltung und ...
Fachforum – Themenschwerpunkt: Digitalisierung

Die digitale Transformation – Der Weg
von E-Government zur Smart City

                                              Smartphone, Tablet etc. kommunizieren         dies nichts anderes, als dass wir als Bür-
                 Prof. Dr.                    und interagieren oder uns auch nur damit      ger/-innen unsere Anliegen mit unseren
                 Birgit Schenk                bewegen, durch Sensoren gesammelt und         Kommunalverwaltungen unter Nutzung
                                              zur Verarbeitung weitergeleitet werden.       unserer Smartphones, Tablets, aber auch
                 Professorin für                                                            „smarter Technologie“ wie Sensoren in
                 Verwaltungsinformatik        Digitale Transformation –                     Wasseruhren (die den Verbrauch automa-
                 und Organisation             was bedeutet dies?                            tisiert weiterleiten) abwickeln können.

                                              Der Begriff der „Transformation“ be-          Doch entstehen nicht nur Möglichkeiten
                                              zeichnet Wandel. Bezogen auf die Digi-        für neue Produkte (Smart Products) und
                                              talisierung bedeutet dies, dass überdacht     neue Dienstleistungen (Smart Services).
Hat uns in den vergangenen Jahren der         werden kann, wie Produkte und Dienst-         Die Art unserer Produktion und Dienstleis-
Begriff E-Government beschäftigt, so le-      leistungen erbracht werden, um neue Ge-       tungserstellung verändert sich. So lassen
sen wir heute die Begriffe „digitale Trans-   schäftsmodelle, neue Dienstleistungen,        sich die Geschäftsprozesse grundlegend
formation“ und „Smart City“. Beides           neue Produkte zu schaffen, die zuvor          neu optimiert gestalten, um z.B. bürger-
sind facettenreiche Begriffe, die Fragen      nicht denkbar waren. Denn auf Basis die-      orientierter, zeit- und ressourcensparen-
aufwerfen. In diesem Beitrag wird der         ser Technologien ergeben sich für Staat       der das Notwendige und Gewünschte zur
Bogen von der Begriffsklärung über die        und Wirtschaft sowie alle Organisationen      Verfügung zu stellen, sowie das Lebens-
Auswirkungen und Zusammenhänge vor            neue Kontakt-, Produktions- und Absatz-       umfeld in unseren Kommunen lebenswer-
dem Hintergrund bestehender Herausfor-        wege. So können sie auf vielfältige Art mit   ter zu gestalten. Hierauf zielt das Konzept
derungen gespannt.                            uns Bürgern, Kunden und Konsumenten           einer Smart City, die auf den genannten
                                              in Kontakt treten, Dienstleistungen und       Technologien aufbaut.
Digital – was steckt dahinter?                Produkte erstellen und ausliefern, sowie
                                              auch institutionsübergreifend mit Partner-    Smart City – Ein Konzept der Zukunft
Im weiteren Sinne bedeutet digital so         unternehmen, anderen Verwaltungsein-
viel wie „auf Digitaltechnik oder Digital-    heiten und Nichtregierungsorganisatio-        Warum brauchen wir „Smart Cities“?
verfahren beruhend“. Gemeint ist da-          nen zusammenarbeiten.                         E-Government haben wir als Bürger/-in-
mit die Verwendung von sogenannten                                                          nen wenig nachgefragt und wenig an-
Computer-Technologien. Dazu gehören           Digitale Transformation – ein Beispiel        geboten erhalten. Unsere kommunalen
die technologischen Entwicklungen der                                                       Verwaltungen digitalisieren sich langsam.
letzten Jahre, also die sozialen Medien,      Am Beispiel des Versandhandels haben          Die rechtlichen, organisatorischen, techni-
mobile Technologie, Big Data, Cloud- und      wir die digitale Transformation bereits       schen Grundlagen für ein E-Government
Internet-of-Things-Technologien. Sie alle     annähernd erlebt. Früher wälzten wir di-      sind noch nicht vollständig geschaffen.
ermöglichen uns heute, IT ganz selbst-        cke Kataloge und schrieben Bestellkar-        Warum also Smart Cities? Die Antwort
verständlich für alle Alltagsaufgaben zu      ten, die wir dann zur Post trugen, um ein     liegt in den Zukunftstrends, die sich heute
nutzen. Bei dieser Nutzung hinterlassen       oder zwei Wochen später das Bestellte         spürbar abzeichnen und denen mit dem
wir ständig Spuren bzw. vielerlei Daten,      in Händen zu halten. Heute klicken wir        breit angelegten Ansatz einer Smart City,
die gesammelt (Big Data), im Echtzeitbe-      im Online-Shop den Artikel an, der uns        der die Probleme und Herausforderungen
trieb (Real Time Processing) ausgewertet      gefällt, und in zwei Tagen liegt das Ge-      der Zukunft in den Blick nimmt, begegnet
(Analytics) und dann für uns nutzbringend     wünschte bei uns im Postfach. Der nächs-      werden soll.
steuernd eingesetzt werden können. Bei-       te, heute schon mögliche Schritt in der
spielsweise kann ein Analyse-Ergebnis         digitalen Transformation ist, dass über       Die Verstädterung der Welt hat ein er-
von Verkehrsdaten verwendet werden,           einen Sensor – beispielsweise in unserem      staunliches Tempo aufgenommen. In
um z. B. den Fahrzeugverkehr so zu steu-      Kühlschrank – die Bestellung von den von      Deutschland leben schon heute ca. 77
ern, dass von Fahrzeit bis Abgasausstoß       uns gewünschten Lebensmitteln automa-         Prozent der Bevölkerung in dicht und mit-
alles optimiert wird. Dies bedeutet aber      tisch ausgelöst wird, sobald wir die letz-    telstark besiedelten Gebieten. So müssen
auch, dass all die Daten, die entstehen,      te Packung herausnehmen. Übertragen           sich unsere Kommunen neuen Heraus-
wenn wir über unsere Endgeräte wie            auf die öffentliche Verwaltung bedeutet       forderungen stellen, sei es bei Stadtent-

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Fachforum – Themenschwerpunkt: Digitalisierung

wicklung und Wohnungsbau, Sicherheit,        Smart Cities sind also Städte gemeint, die     tig einen Mehrwert für die Gesellschaft zu
Verkehr und Schadstoffbelastung, Handel      durch die Nutzung und Implementierung          schaffen. Es soll ein smartes Umfeld aus
und Wirtschaftswachstum, Kultur und so-      intelligent vernetzter Informations- und       der Summe an fortschrittlichen Informa-
zialem Miteinander, aber auch bei Ernäh-     Kommunikationstechnologien einen Weg           tions- und Kommunikations-Technologien
rung und Gesundheit. Ressourcen sind         suchen, die zunehmende Komplexität zu          und deren sinnvoller Nutzung wie auch
bereits knapp, angefangen bei Rohstoff-      managen. Dabei ist es wichtig, die un-         Integration in die Dienstleistungen unter
vorkommen bis hin zu Trinkwasser und         terschiedlichen Sub-Systeme (Ernährung,        Einbezug der Menschen entstehen.
sauberer Luft.                               Mobilität, Gesundheit etc.) zu verbinden
                                             bzw. ihre Grenzen hin zu einem organisch       Auf dem Weg zu Smart City sein heißt, die
Unsere Lebensräume sind kleiner gewor-       Ganzen aufzulösen. Chourabi et al. be-         digitale Transformation gestalten! Digitale
den. Die wachsenden Städte stellen damit     schreiben dies mit den Worten: “The new        Transformation sollte nicht fatalistisch und
an Regierung und Verwaltung komplexere       intelligence of cities, … resides in the in-   als ein evolutionärer Prozess gesehen wer-
und dynamischere Anforderungen als die       creasingly effective combination of digital    den, der automatisch durchlaufen wird. Er
traditionellen Kommunen. Verkehrschaos,      telecommunication networks (the ner-           sollte vielmehr als ein Umbruch wahrge-
Luftverschmutzung, Stauhitze in den Stra-    ves), ubiquitously embedded intelligence       nommen werden, den wir aktiv gestalten
ßenschluchten, aber auch demografischer      (the brains), sensors and tags (the sensory    können.
Wandel und Einwanderung erfordern ein        organs), and software (the knowledge
ganzheitlicheres Vorgehen und Denken,        and cognitive competence).” Neben den

                                                                                             i
ein flexibleres Planen und agiles Handeln,   Zielen, dass wir die Komplexität steuern
ausgerichtet an situativen wie langfristi-   können und den zukünftigen Herausfor-                  Zitatnachweis
gen Erfordernissen. Unterstützt werden       derungen wie Verstädterung, Ressour-                   Chourabi, Hafedh et al.: Under-
kann dies durch den ausgefeilten Einsatz     cenverbrauch, steigendem Sicherheitsbe-                standing Smart Cities: A Integ-
und die intelligente Vernetzung und Nut-     dürfnis, Demografischer Wandel etc. mit                rative Framework. HICSS 2012,
zung der bereits benannten Technologien,     innovativen intelligenten Lösungen be-          IEEE, pp. 2290.
was der Begriff „Smart“ bezeichnet. Mit      gegnen können, steht das Ziel, gleichzei-

                                                                                                        Dialog | Dezember 2017        5
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Fachforum – Themenschwerpunkt: Digitalisierung

Evaluierung der Einführung der
E-Akte im Ostalbkreis

                                            Dr. Balázs König von der ungarischen Na-          reiche Einführung der E-Akte Schulung,
                Prof. Dr.                   tionalen Universität für den öffentlichen         Schulung und nochmals Schulung.
                Robert Müller-Török         Dienst und der Erstbetreuer, Prof. Dr. Ro-
                                            bert Müller-Török, „sekundierten“. Diese        War die Einführung ein Erfolg? Die durch-
                Professor für               englischsprachige Fassung wurde von             geführten Interviews ergaben folgende
                Informations-               Frau Pahnke bei den „Central and Eastern        interessante Aussagen:
                management und              European e|Dem und e|Gov Days“ 2017
                E-Government                in Budapest dem Fachpublikum vorge-             Wahrgenommene Vorteile der E-Akte
                                            stellt. Dieser Beitrag ist eine Zusammen-
                                            fassung jenes Beitrags.                         • Gestiegene Verfügbarkeit, sowohl zeit-
                                                                                              lich als auch örtlich
Elektronische Akten oder E-Akten sind       Die Einführung der E-Akte im
in den europäischen Verwaltungen weit       Ostalbkreis 2013                                • Paralleler Zugriff von verschiedenen hie-
verbreitet. So führte z.B. Österreich den                                                     rarchischen Ebenen
ELAK („Elektronischer Akt“) im Bund be-     Das gesamte Jobcenter war 2013 von der
ginnend mit 2001 ein; heute finden sich     Einführung betroffen, die 2012 startete.        • Mehr Flexibilität im Personaleinsatz bis
faktisch kaum noch Verwaltungen in Eu-      Insgesamt 174 Mitarbeiter an vier Stand-          hin zur Ermöglichung von Home-Office
ropa, die papierbasiert arbeiten. Auch      orten in Kombination mit einem Umzug
ehemals dem Ostblock zugehörige Länder      mussten erfasst werden. 39.880 Akten            • Umweltfreundlichkeit und mehr Platz
haben seit wenigstens 2012 die elektroni-   mussten von „analog“ auf „digital“ um-            im Büro
sche Aktenführung eingeführt.               gestellt werden, da an den neuen Stand-
                                            orten nicht genügend „Aktenkellerplatz“         Wahrgenommene Nachteile der E-Akte
Auch in Baden-Württemberg beginnt           verfügbar war.
jetzt, getrieben vom am 1.1.2016 in Kraft                                                   • Hardwareprobleme und Systemausfälle
getretenen EGovG BW, die Umstellung.        Die wesentlichsten Erkenntnisse der Ana-          stoppen jede Arbeit
So soll laut den Bestimmungen von § 6       lysearbeit waren:
EGovG BW zum 1.1.2022 die elektroni-                                                        • Ergonomische Aspekte der Arbeits-
sche Akte verpflichtend eingeführt sein,    • Die Einführung wurde sozusagen „mini-           platzgestaltung werden wichtig und
wenigstens bei Landesbehörden.                malinvasiv“ durchgeführt, weder Pro-            nehmen Managementressourcen in An-
                                              zesse noch die Aufbauorganisation               spruch
Der Ostalbkreis ist hier bereits voran-       wurden signifikant verändert.
gegangen und führte die E-Akte in der                                                       • Die direkte Kommunikation mit Kolle-
Landkreisverwaltung bereits 2013 ein.       • Verschlagwortung ist ein kritischer Er-         ginnen und Kollegen nimmt stark ab
Da die Einführung voranschreitet, war es      folgsfaktor – ohne gute Verschlagwor-
sinnvoll, die „Lessons learnt“ aus dieser     tung keine Auffindbarkeit und keine           • Im Verkehr mit Verwaltungsgerichten
Einführung zu untersuchen. Dana-Ma-           funktionierenden Workflows.                     erfolgen Medienbrüche, da diese keine
ria Pahnke, bis 2017 Studentin an der                                                         E-Akte annehmen können (oder wollen)
Hochschule für öffentliche Verwaltung       • Sogenannte Key-User, die als erste An-
und Finanzen Ludwigsburg, untersuchte         laufstelle für ihre Kolleg(inn)en fungie-     • Da nicht die ganze Historie nacherfasst
im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit unter         ren, sind ebenfalls ein kritischer Erfolgs-     wurde, gibt es Friktionen bei der Bear-
Anleitung von Herrn Martin Brandt, der        faktor, ebenso wie                              beitung historischer Fälle.
damals diese Einführung beim Ostalbkreis
leitete, die Auswirkungen der Einführung    • Training. In Anlehnung an das berühm-         Die wesentlichste gelernte Lektion ist,
mit drei Jahren zeitlichem Abstand.           te Zitat des Generals im Dreißigjähri-        dass die Mitarbeiter mitzunehmen sind.
                                              gen Krieg, Raimund von Montecuccoli,          Ihre Ängste, Sorgen und Bedürfnisse sind
Da die Arbeit als „zu schade für die          wonach man zum Krieg führen drei              unbedingt ernst zu nehmen. Gelingt das,
Schublade“ beurteilt wurde, entstand          Dinge braucht – „Geld, Geld und noch-         wie im Fall des Ostalbkreises, will niemand
eine englischsprachige Fassung, bei der       mals Geld“ –, braucht es für eine erfolg-     mehr zur Papierakte zurück.

6     Dialog 37 | Dezember 2017
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                                                                                                    i
        Praktische Empfehlungen                        größere Bildschirme als Widerstand bei
                                                       den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-                 Weiterführende Quelle
        • Top Management Commitment: Nur               tern.                                               Pahnke, Dana-Maria: Einführung
          mit ernsthafter Unterstützung des Top                                                            der E-Akte – der Tag danach.
          Managements kann ein derartiges Pro-       Fazit                                                 Auswirkungen     elektronischer
          jekt funktionieren. Lippenbekenntnisse                                                    Aktenführung auf die Verwaltungs-
          sind zu wenig.                             Bedingt durch den hochgradig föderati-         arbeit; Bachelor-Thesis, Ludwigsburg
                                                     ven Charakter der Bundesrepublik werden        2016.
        • Staff involvement and training: Nehmen     wir noch häufiger erleben, dass einige
          Sie sich Zeit für Einzelgespräche, wenn    Ämter papierbasiert arbeiten und andere
          diese als notwendig von den Betroffe-      elektronisch, teilweise mit unterschied-
          nen empfunden werden. Notfalls müs-        lichsten Systemen. Ein „Big Bang“, eine
          sen Sie jeden einzeln überzeugen. Sor-     Komplettumstellung wäre zwar aus tech-
          gen Sie für ausreichende Verfügbarkeit     nisch-organisatorischer Sicht wünschens-
          von Trainern und Schulung, auch nach       wert, aber realistisch (politisch wie recht-
          dem Go-live. Es ist nicht hinreichend,     lich) nicht umsetzbar.
          Schulungen durchzuführen und die Mit-      Aus Sicht der Hochschule ist es stets er-
          arbeiterinnen und Mitarbeiter dann         freulich, wenn fertig ausgebildete Studie-
          beim Go-live alleine zu lassen.            rende auch im wissenschaftlichen Bereich
                                                     bestehen können. Darum freuen wir uns
        • Involve staff: Nehmen Sie die Mitarbei-    sehr, dass Frau Pahnke – und sie war we-
          terinnen und Mitarbeiter mit. Geben Sie    der die erste noch die letzte – ihre Ba-
          ihnen nicht das Gefühl, Objekte zu sein.   chelor-Arbeit durch einen peer-reviewed
                                                     Beitrag auf einer internationalen Wissen-
        • Do not try to save hardware costs: Spa-    schaftskonferenz sozusagen „veredeln“
          ren Sie nicht bei der Hardware – lieber    konnte.

ST_FR-HPA_Kamp-Anz-2017_210x128 25.07.17 18:27 Seite 1                                                                              Anzeige

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Risikomanagement und vollautomatische
Fallbearbeitung in der Steuerverwaltung

                                             Art und Umfang der Ermittlungen können       – die Prüfung der als prüfungsbedürf-
                Prof. Dr.                    dabei, wie jetzt ausdrücklich in § 88 Abs.     tig ausgesteuerten Sachverhalte durch
                Tanja Leibold                2 Satz 2 AO erwähnt, allgemeine Erfah-         Amtsträger,
                                             rungen der Finanzbehörden sowie Wirt-        – die Gewährleistung, dass Amtsträger
                Professorin für              schaftlichkeit und Zweckmäßigkeit be-           Fälle für eine umfassende Prüfung aus-
                Gesellschaftssteuerrecht,    rücksichtigt werden. Gesetzgeberisches         wählen können,
                Bilanzsteuerrecht und        Ziel ist es, Steuerfestsetzungsverfahren     – die regelmäßige Überprüfung der RMS
                Öffentliches Recht           zukünftig vorrangig elektronisch abzuwi-       auf ihre Zielerfüllung.
                                             ckeln. Um dieses Ziel zu erreichen, sind
                                             elektronische Risikomanagementsysteme        Mindestanforderungen an
                                             (RMS) erforderlich, die erkennen können,     Risikomanagementsysteme
                                             welche Fälle für eine vollautomatische Be-
Die Steuerverwaltung bewegt sich im Be-      arbeitung geeignet und welche dagegen        Diese Mindestanforderungen sollen si-
reich der Einkommensteuerveranlagung         personell prüfungsrelevant sind.             cherstellen, dass auch bei einer automa-
seit jeher in einem Spannungsfeld zwi-                                                    tisierten Steuerfestsetzung ein angemes-
schen dem gesetzlichen Auftrag, Steuern      Damit die Einhaltung der verfassungs-        senes Entdeckungsrisiko bei unrichtigen
in der richtigen Höhe möglichst zeitnah      rechtlichen Anforderungen an einen           und unvollständigen Steuererklärungen
festzusetzen, und hierfür trotz eines sich   gleichmäßigen und gesetzmäßigen Steu-        besteht. Darüber hinaus hat die/der Steu-
stetig verkomplizierenden Steuerrechts       ervollzug auch bei einer automatisierten     erpflichtige selbst gemäß § 150 Abs. 7
möglichst geringe personelle Ressourcen      Fallbearbeitung gewährleistet ist, hat der   AO die Möglichkeit, ihren/seinen Steuer-
einzusetzen. Um den Ressourceneinsatz        Gesetzgeber in § 88 Abs. 5 Satz 3 AO         fall durch einen Amtsträger überprüfen
zu verbessern und eine gleichmäßige          Mindestanforderungen an ein RMS fest-        zu lassen, indem im sogenannten „qua-
Besteuerung zu gewährleisten, werden         gelegt. Vorausgesetzt werden danach:         lifizierten Freitextfeld“ der Steuererklä-
bundesweit bereits seit vielen Jahren                                                     rung weitergehende Angaben gemacht
vereinheitlichte automatisierte Risikoma-    – die Gewährleistung, dass durch Zufalls-    werden wie etwa auch von der Finanz-
nagementsysteme eingesetzt, die bei ein-       auswahl eine hinreichende Anzahl von       verwaltung abweichende Rechtsauffas-
fach gelagerten Fällen zu einer Entlastung     Fällen zur umfassenden Prüfung durch       sungen oder Prüfbitten. Der Gewährung
der Steuerverwaltung führen und ande-          Amtsträger ausgewählt wird,                rechtlichen Gehörs wird damit auch im
rerseits neue Kapazitäten für prüfungsre-
levante „lohnende“ Fälle schaffen sollen.

Mit dem zum 1.1.2017 in Kraft getre-
tenen Gesetz zur Modernisierung des
Besteuerungsverfahrens wurden in der
Abgabenordnung jetzt die rechtlichen Vo-
raussetzungen gesetzlich definiert, unter
denen ein Steuerbescheid vollautomatisch
– ohne Prüfung durch eine Finanzbeamtin
oder einen Finanzbeamten – ausschließ-
lich durch Computerprogramme ergehen
kann. Wie bereits nach bisherigem Recht,
können die Finanzbehörden nach den
Neuregelungen der Abgabenordnung Art
und Umfang der Ermittlungen nach den
Umständen des Einzelfalls sowie nach
den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit,
Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit
bestimmen. Bei der Entscheidung über         Manuela Klein vom Finanzamt Bruchsal bei der aktenlosen Veranlagung

8      Dialog 37 | Dezember 2017
Fachforum – Themenschwerpunkt: Digitalisierung

                                                                                                 eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung
                                                                                                 nicht gewährleistet ist. Bei Anwendung
                                                                                                 eines maschinellen Risikofilters werden
                                                                                                 dagegen – abhängig von der Program-
                                                                                                 mierung – einheitlich beispielsweise die
                                                                                                 potenziellen Risikosachverhalte doppelte
                                                                                                 Haushaltsführung und Unterhaltsleistung
                                                                                                 geprüft. Auch noch so sorgfältig gewähl-
                                                                                                 te Risikoparameter können jedoch nicht
                                                                                                 verhindern, dass Steuerhinterziehungen
                                                                                                 unentdeckt bleiben, wenn die gesetzten
                                                                                                 Risikoparameter nicht überschritten wer-
                                                                                                 den. Dieses Risiko besteht jedoch auch bei
                                                                                                 einer personellen Bearbeitung.

                                                                                                 Festlegung der Risikoparameter

                                                                                                 Festgelegt werden die Risikoparameter
                                                                                                 der RMS durch die obersten Finanzbe-
                                                                                                 hörden der Länder im Einvernehmen mit
                                                                                                 dem Bundesministerium der Finanzen.
                                                                                                 Die Einzelheiten der RMS dürfen gemäß
                                                                                                 § 88 Abs. 3 Satz 3, Abs. 5 Satz 4 und
                                                                                                 § 156 Abs. 2 Satz 3 AO nicht veröffent-
                                                                                                 licht werden, damit Steuerpflichtige ihr
Hochleistungsscanner in Karlsruhe (Hertzstraße), der in Kürze die in Papier eingehenden Erklä-
rungen aller baden-württembergischen Finanzämter verarbeiten wird
                                                                                                 Erklärungsverhalten nicht an bestimmten
                                                                                                 Prüfungsparametern oder Fallgruppen-
                                                                                                 einteilungen ausrichten können, sondern
                                                                                                 der gleichmäßige und gesetzmäßige
                                                                                                 Steuervollzug sichergestellt bleibt. Dieses
automatisierten Verfahren Rechnung ge-          erfolgen kann. Vor Einsatz des RMS er-           Geheimhaltungsgebot gilt auch im finanz-
tragen.                                         folgen automatisiert formelle Prüfungen          gerichtlichen Verfahren, in dem es den Fi-
                                                der Steuererklärungen. Der Vorteil der           nanzbehörden möglich ist, entsprechende
Strukturelle Prüfung ersetzt                    Verwendung von RMS gegenüber einer               Auskünfte zu verweigern. Nicht möglich
„Bauchgefühl“                                   personellen Fallbearbeitung liegt dabei          ist damit jedoch eine parlamentarische
                                                darin begründet, dass gleichgelagerte            Kontrolle der von der Exekutive festgeleg-
Die vollautomatische Bearbeitung von            Sachverhalte denselben Risikoparametern          ten Risikoparameter im Hinblick auf eine
Steuerfällen ist nicht gleichzusetzen mit       unterliegen, wodurch die Gleichmäßigkeit         willkürfreie Ausgestaltung.
einer geringeren Prüfungsqualität. Denn         der Besteuerung besser gewährleistet ist
ein RMS unterzieht die eingehenden Er-          und eine höhere Kontrolldichte erreicht          Fazit
klärungsdaten einer strukturellen Prüfung       wird. Wenn beispielsweise eine Steuerer-
nach Schlüssigkeit, Vollständigkeit und         klärung mit den Sachverhalten doppelte           Damit die Digitalisierung der Steuerver-
Glaubhaftigkeit und ermöglicht zudem            Haushaltsführung, Spenden und Unter-             waltung auch aus Sicht der Steuerbürge-
eine maschinelle fallgruppenbezogene            haltsleistungen abgegeben wird, kann             rinnen und -bürger zu einem einfacheren,
Prüfung für bestimmte Fallgruppen oder          dies bei einer rein personellen Bearbei-         schnelleren und effizienteren Steuervoll-
Risikoklassen. Voraussetzung für eine voll-     tung dazu führen, dass eine der bearbei-         zug führen kann, werden in Zukunft neue
automatische Bearbeitung ist die digitale       tenden Personen nur die Spenden prüft,           finanzbehördliche Serviceangebote erfor-
Erfassung der Erklärungsdaten. Sofern           eine zweite prüft Spenden und Unterhalt,         derlich werden. Diese reichen von Hilfe-
Steuererklärungen nicht schon digital per       eine dritte prüft Unterhalt und doppelte         stellungen bei der elektronischen Abgabe
ELSTER eingehen, werden eingehende              Haushaltsführung und eine vierte prüft           von Steuererklärungen bis zu einem online
Papiererklärungen in Baden-Württem-             Spenden, doppelte Haushaltsführung und           zugänglichen Informationsangebot sowie
berg und vielen anderen Bundesländern           Unterhalt.                                       umfänglichen elektronischen Kommuni-
deswegen eingescannt und in einem                                                                kationsangeboten. Ziel ist, einen jederzeit
elektronischen Archiv gespeichert. Eine         Die Prüfungsintensität wird bei der rein         erreichbaren digitalen Bürgerservice zur
Zeichenerkennungssoftware liest die Er-         personellen Bearbeitung stark von der            Verfügung zu stellen. Der Online-Chat mit
klärungsdaten aus den elektronischen            persönlichen Schwerpunktsetzung, d.h.            den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
Bildern (Images) aus, sodass in jedem Fall      vom „Bauchgefühl“ der Bearbeiterin               der ZIA (Service-Zentrum des Finanzamts)
eine papier- und aktenlose Bearbeitung          oder des Bearbeiters, bestimmt, wodurch          könnte damit in greifbare Nähe rücken.

                                                                                                            Dialog | Dezember 2017        9
Fachforum – Themenschwerpunkt: Digitalisierung

„Digital Divide“ und die Rolle der EZB

                  Prof. Dr.
                  Oliver Sievering

                  Professor mit den
                  Schwerpunkten
                  Öffentliche Finanzwirt-
                  schaft und Wirtschafts-
                  wissenschaften

Im Herbst des Jahres 2008 erreichte die Fi-
nanz- und Wirtschaftskrise, die in den USA
ihren Ausgang genommen hatte, weite
Teile Europas. In vielen Ländern sank das       Kredite wieder zurückzahlen, in der Regel      Jahren ebenfalls gesenkt wurden, bilden
Bruttoinlandsprodukt drastisch und die          schließt sich ein Anschlussgeschäft an.        den Korridor für die Zinsen am Geldmarkt.
Arbeitslosigkeit stieg an. Infolge der Pleite   Die Höhe der Zinsen und die Geldmenge          Mit geringeren Zinsen sollen sowohl Un-
der Lehman Brothers Holdings Inc., eine         hierfür können von der EZB wöchentlich         ternehmen als auch Haushalte angeregt
der größten Investmentbanken der USA,           exakt kontrolliert werden. Sie wirken sich     werden, mehr zu investieren bzw. zu
gab es zudem große Befürchtungen, dass          auf das allgemeine Zinsniveau aus, da          konsumieren, um die Wirtschaft im Eu-
aufgrund der internationalen Finanzver-         Banken gesunkene Zinsen in der Regel           roraum anzukurbeln. Dies funktioniert in
flechtungen auch europäische Banken in          weitergeben. Zudem ist die EZB zu einer        Deutschland recht gut, allerdings nicht
Konkurs gehen könnten. Die Europäische          Geldpolitik der Vollzuweisung übergegan-       in Griechenland. Hier liegt ein wesentli-
Zentralbank (EZB) reagierte rasch, senkte       gen, die Geschäftsbanken erhalten nun so       ches Problem auf der zweiten Stufe des
die Leitzinsen und führt seitdem eine sehr      viel Geld, wie sie haben möchten.              Geldprozesses. Aufgrund des hohen Ar-
lockere – aber auch umstrittene – Geldpo-                                                      beitslosigkeits- und des Insolvenzrisikos
litik durch.                                    Die Spitzenrefinanzierungsfazilität ist ein    verleihen die Geschäftsbanken das Geld
                                                geldpolitisches Instrument des Eurosys-        nur sehr bedingt an die Haushalte und
Das geldpolitische Instrumentarium              tems, über das sich Geschäftsbanken            Unternehmen. Viele Geschäftsbanken ha-
der EZB                                         auf eigene Initiative von der Zentralbank      ben ihr überschüssiges Geld stattdessen
                                                zusätzlich Liquidität bis zum nächsten         (massenhaft) über die Einlagefazilität wie-
Im zweistufigen Geldsystem findet auf           Geschäftstag zu einem vorgegebenen             der bei der EZB angelegt. Dies lag nicht
der ersten Stufe die Geldbeziehung zwi-         Zinssatz – der über dem Hauptrefinan-          im Interesse der EZB, wollte sie doch, dass
schen der EZB und den Geschäftsbanken           zierungssatz liegt – beschaffen können.        die Geschäftsbanken das Geld an Unter-
statt und auf der zweiten Stufe folgt die       Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzie-        nehmen und Haushalte verleihen. Deshalb
Geldbeziehung zwischen den Geschäfts-           rungsfazilität bildet im Allgemeinen die       hat die EZB den Zinssatz für die Einlage-
banken und den Unternehmen, Haushal-            Obergrenze für den Tagesgeldsatz am            fazilität immer weiter reduziert, letztlich
ten und den Staaten.                            Geldmarkt. Umgekehrt bietet die Einlage-       auf aktuell (-)0,4 %, um diese Alternative
                                                fazilität den Banken ständig die Möglich-      unattraktiv für Banken zu gestalten. So-
Auf der ersten Stufe nehmen die Offen-          keit, Geld bis zum nächsten Geschäftstag       wohl der „Negativzins“, aber insbesonde-
marktgeschäfte mit einwöchiger Laufzeit         zu einem vorgegebenen Zinssatz bei den         re der zunehmend enger werdende Zins-
die bedeutendste Rolle der Geldversor-          nationalen Zentralbanken anzulegen. Der        korridor – am 31.12.2007 betrug er noch
gung ein. Über dieses Instrument stellt         Zinssatz für die Einlagefazilität bildet die   2 Prozentpunkte (Differenz: SRF-Satz:
die EZB den Geschäftsbanken gegen Hin-          Untergrenze für den Tagesgeldsatz am           5,0 % – Einlagefazilitätssatz: 3,0 %), im
terlegung von Sicherheiten befristet Zen-       Geldmarkt. Die Zinssätze für die Spit-         Jahr 2016 lediglich 0,65 Prozentpunkte –
tralbankgeld zur Verfügung. Nach einer          zenrefinanzierungsfazilität und für die        erschweren es den Banken, frühere Ren-
Woche müssen die Geschäftsbanken die            Einlagefazilität, die in den vergangenen       tabilitätsmarken zu erreichen.

10       Dialog 37 | Dezember 2017
Fachforum – Themenschwerpunkt: Digitalisierung

Digitalisierung als Herausforderung          den. Das „Online-Konto“ der Postbank          modelle“ werden von Senioren präferiert.
der Geschäftsbanken                          ist für diejenigen Kunden geeignet, die       Es stellt sich die Frage, wie die Wirkung
                                             viele Bankgeschäfte digital erledigen. Es     wäre, wenn die Gebühren nicht in die-
Die Digitalisierung stellt eine weitere      kostet monatlich 1,90 Euro. Das „Kom-         ser Art und Weise erhöht worden wären,
wichtige Herausforderung für die Banken      fort-Konto“ der Postbank ist für alle, „bei   sondern wenn die Banken die „negativen
dar. Sie verursacht zunächst Kosten, bie-    denen zusätzliche Extras zählen und die       Zinsen“ (-0,4 %) einfach „1 zu 1“ an die
tet aber mittel- bis langfristig Chancen,    ein Rundum-sorglos-Paket möchten“. Für        Kunden weitergegeben hätten. Die For-
die Ertragssituation der Banken positiv zu   dieses „all-inclusive-Konto“ fallen Kon-      mel für die Berechnung der monatlichen
beeinflussen, denn sie kann genutzt wer-
den, den Geschäftsprozess zu verschlan-
ken, den Service zu fokussieren und auf
die Wünsche der technikaffinen Kunden
einzugehen. Dies gilt insbesondere für
das Onlinebanking. Gemäß einer Studie
(Deutsche Bank Association) nutzen 65
Prozent der Personen zwischen 18 und
59 Jahren Onlinebanking, aber lediglich
33 Prozent der Senioren über 60 Jahre. In
Anbetracht des Zins- und Kostendrucks
versuchen mehr und mehr Banken, ihre
Kunden „zu drängen“, Onlinebanking
zu betreiben. In den vergangenen Mo-
naten haben viele Geschäftsbanken ihre
Kontoführungsgebühren deutlich ange-
hoben. Auch die Großbanken Deutsche
Bank und die Commerzbank haben ihre
Kontomodelle umgestellt, ähnlich wie
die Postbank, die drei Kontomodelle an-      toführungsgebühren in Höhe von 9,90           Zinsen ist: Z = G * i * 30/360 (mit: Z =
bietet.                                      Euro pro Monat an; sollte ein monatlicher     Zinsen, G = Geldmenge, i = Zinssatz)
                                             Geldeingang von über 3.000 Euro anfal-
„Digital divide“: Benachteiligung der        len, werden keine Gebühren erhoben.           Dieses ist in obiger Tabelle wiederge-
Rentner                                      Ähnliche Kontomodelle bieten auch die         geben. Es sei angenommen, der Kunde
                                             Commerzbank und die Deutsche Bank an,         weist einen monatlichen Zahlungsein-
Für junge Kunden (Schüler/Studierende)       die bei ihren „all-inclusive-Konten“ ähn-     gang in Höhe von 1.000 Euro auf, der ei-
ist das Girokonto kostenlos, der Grund ist   lich hohe Kontogebühren erheben: Com-         nen Monat auf dem Girokonto verbleibt
offensichtlich: Es wird versucht, die jun-   merzbank: 9,90 Euro, Deutsche Bank 9,99       und es wird ein negativer Zinssatz in Höhe
gen Kunden längerfristig an sich zu bin-     Euro. Diese teuren „all-inclusive-Konto-      von (-)0,4 % entsprechend des Einlagefa-
                                                                                           zilitätssatzes erhoben, dann müsste der
                                                                                           Kunde 0,33 Euro monatlich an Gebühren
                                                                                           entrichten. Das „all-inclusive Konto“ der
                                                                                           Postbank kostet jedoch 9,90 Euro, so-
                                                                                           fern kein monatlicher Zahlungseingang in
                                                                                           Höhe von mind. 3.000 Euro erfolgt. Dies
                                                                                           bedeutet insbesondere für Rentner, die in
                                                                                           der Regel eine Rente deutlich unterhalb
                                                                                           dieser Grenze beziehen und sich überpro-
                                                                                           portional häufig für ein „Komfort-Konto“
                                                                                           entscheiden eine deutliche Mehrbelas-
                                                                                           tung. Auch wenn die ganze Summe nicht
                                                                                           für einen Monat auf der Bank liegen ge-
                                                                                           lassen wird, ändert sich die Kernaussage
                                                                                           nicht, das Verhältnis würde noch ungüns-
                                                                                           tiger ausfallen. Dies bedeutet, dass Rent-
                                                                                           ner durch die Umstellung der Kontomo-
                                                                                           delle allgemein deutlich stärker betroffen
                                                                                           sind als jüngere Personen, die häufiger
                                                                                           Onlinebanking betreiben.

                                                                                                     Dialog | Dezember 2017       11
Fachforum – Themenschwerpunkt: Digitalisierung

Internet-Partizipation im Schatten
der Transparenz-Norm

                                             von politischer Teilhabe im Rahmen der          len Achse zusätzlich die Einstellungen und
                Prof. Dr.                    „E-Democracy“.                                  Haltungen zum Internet mit in Betracht.
                Jörg Dürrschmidt
                                             Digitale und soziale Spaltungen                 Die Motivation zum Zugang und in der
                Professor für Soziologie                                                     Nutzung können demnach ganz unter-
                                             Die These von der digitalen Spaltung der        schiedlicher Natur sein: von professio-
                                             Gesellschaft ist dabei Fixpunkt für beide       neller Effizienz über erlebnisorientiertes
                                             Sichtweisen. Während die Anhänger eines         Unterhaltungsbedürfnis bis hin zur strate-
                                             „Netz-Utopias“ meinen, dass sich die so-        gischen Suche nach Möglichkeiten gesell-
                                             ziale Teilhabekluft mit flächendeckendem        schaftlicher Mitgestaltung. Deutlich wird
                                             Internetzugang im Sinne eines effektiven        uns hier die Notwendigkeit detaillierter
Spätestens seit der damalige US-Präsident    social engineering schließen lässt, behar-      und lebensweltorientierter Zielgruppen-
Barack Obama bei seinem Amtsantritt im       ren die Vertreter eines „Netz-Dystopias“        bestimmung über die Polarisierungsthese
Januar 2009 eines seiner ersten Memo-        darauf, dass gerade mit dem Schließen           hinaus. Die jedem Internet-Milieu typisch
randen dem Thema „Transparency and           der technologischen Kluft wenn nicht            eigenen Formen des sozialen Habitus
Open Government“ widmete, gehört die         neue soziale Brüche, so doch zumindest          (Selbstbewusstsein, Konsumorientierung,
„Transparenz-Norm“ zum politisch kor-        Lebensstildifferenzierungen der Internet-       Lernbereitschaft) und des Sozialkapitals
rekten Diskurs in Politik und Verwaltung.    nutzung deutlich werden. Das demokrati-         (Einbindung in Familie, Freunde, Nach-
Freier Fluss von Information unterwirft      sierende Potenzial des Internets erschließt     barschaft, Kollegenschaft) bestimmen

                                                                                              i
die in Verantwortung Stehenden stärke-       sich aus letzterer Perspektive folglich nicht
rer Rechenschaftspflicht, lädt zu mehr       aus der vereinfachenden Gegenüberstel-
Teilhabe an demokratischer Meinungsbil-      lung von „info-haves“ und „info-ha-                    Beitragsinfo
dung ein, ermächtigt die Zivilgesellschaft   ve-nots“, sondern aus der Fähigkeit, aus                Dies ist die überarbeitete Kurz-
als Korrektiv politischer Machtausübung      der Fülle der Informationen relevantes                  version eines Konferenzbeitrags,
und führt so nachhaltig zu „good gover-      Wissen zu filtern, dieses in größere Kon-               erschienen als: ‚Internet accessi-
nance“. Dabei vertraut man auf das Inter-    texte einzuordnen und letztlich im Mei-          bility and the ambivalence of transpa-
net als das alles entscheidende Transpa-     nungsaustausch in ein politisches Urteil         rency‘, in: H. Hansen et al. (2017) Cen-
renzmedium.                                  zu überführen. Diese Fähigkeit ist auch          tral and Eastern European e/Dem and
                                             in hoch individualisierten Gesellschaften        e/Gov Days 2017: Digital Divide in the
Revitalisierung oder Polarisierung der       weiterhin schichtenspezifisch verteilt und       Danube Region. Wien: Austrian Com-
Demokratie?                                  milieuabhängig ausgeprägt. Und zuge-             puter Society (331–343).
                                             spitzt formuliert: Mehr Information fin-
Das hinter diesem von kritischen Kom-        det nicht immer den Resonanzboden, aus           Quellen
mentatoren als „Transparenz-Aktionis-        dem besseres politisches Urteil erwächst.        Baumann, M.-O. (2014) ‚Die schöne
mus“ beschriebenen Diskurs liegende                                                           Transparenz-Norm und das Biest des
Motiv ist die Vision einer durch Digitali-   Blick auf die SINUS Internet-Milieus             Politischen: paradoxe Folgen einer
sierung revitalisierten Demokratie. Aus                                                       neuen Ideologie der Öffentlichkeit‘, in:
dieser Perspektive erscheint die Trans-      Wenn wir unter diesem Gesichtspunkt der          Leviathan 42(3): 398–419.
parenz des Internets nicht nur als Quelle    sozialstrukturellen Verteilung von Internet-     DIVSI (Deutsches Institut für Vertrauen
besserer Information, sondern auch als       zugang und -nutzung kurz auf die DIVSI           und Sicherheit im Internet), DIVSI Mili-
Medium der Netzwerkbildung zwischen          SINUS Milieu-basierte Darstellung der            eu Study on Trust and Security on the
Gleichgesinnten, sowie als Agora für die     Online-Aktivität in Deutschland schauen,         Internet: Condensed Version, Ham-
demokratische Meinungsbildung zu po-         dann hat dieser Ansatz folgenden Vorteil:        burg 2012.
litischen Entscheidungsprozessen. Die        Während die frühere Diffusionsforschung          Lutz, C. (2016) A Social Milieu Appro-
Gegenperspektive verweist stattdessen        vornehmlich entlang der klassischen Sozi-        ach to the Online Participation Divides
auf Informationsüberflutung, selbstrefe-     alstrukturmerkmale Bildung, Einkommen            in Germany, in: social media + society
renzielle Milieubildung im Internet sowie    und Beruf beobachtete, so ziehen die             2(1): 1–14.
eine Fortschreibung sozialer Polarisierung   SINUS Internet-Milieus auf der horizonta-

12      Dialog 37 | Dezember 2017
Fachforum – Themenschwerpunkt: Digitalisierung

Die SINUS Internet-Milieus

mit über die konkreten Zugänge zum und       zur analytischen Deutung gegenwärti-          auch, ist für diesen Personentypus wichtig.
die Nutzungsformen im Internet. Deutlich     ger Entwicklungen der digitalen Gesell-       Als sportiver „Informationssammler“ ist
wird aus den SINUS Internet-Milieu-Stu-      schaft finden sich in der Geschichte der      er einerseits bedacht aufs Mitreden-Kön-
dien allerdings auch, dass die Spaltungs-    Sozialwissenschaften so einige. Wenn          nen, gleichzeitig aber geprägt von einer
und Polarisierungsthese nicht vorschnell     man beispielsweise die Diskussionen um        gesamtgesellschaftlichen Gleichgültigkeit
ignoriert werden darf. Es gibt einen be-     „clicktivism“ und „slacktivism“, oder aber    neuen Stils.
trächtlichen Anteil von „Offlinern“, deren   „Filterblase“ und „Schweigespirale 2.0“
Anteil von 2012 bis 2016 aber immerhin       betrachtet, dann lohnt ein Nachlesen bei      Relativierung der Transparenz-Norm
von 20 Prozent auf 16 Prozent gesunken       soziologischen Klassikern wie David Ries-
ist.                                         man. Als Zeitzeuge einer beginnenden          Dass so eine Sozialfigur uns heute assozia-
                                             Mediengesellschaft, die das Problem der       tiv ansprechen kann, hat weniger mit ihrer
(Wieder) eine Zeit der                       moralischen Verantwortung des Einzelnen       empirisch exakten Beschreibung heutiger
„inside dopester“?                           in einer sich angesichts unbändiger Infor-    Zustände als mit der Fähigkeit zu tun, die-
                                             mationsflut aufs Meinen verlegenden Öf-       se Zustände aus der Perspektive prinzipi-
Eine detaillierte empirische Analyse der     fentlichkeit scharf hervorbrachte, schreibt   eller menschlicher Werthaltungen in einen
Übersetzung von sozialen Milieus in Mus-     er 1950 eine Studie zur „einsamen Mas-        neuen und doch vertrauten Deutungszu-
ter von Online-Partizipation im weiteren     se“. Neben anderen Sozialfiguren skiz-        sammenhang zu stellen. Zumindest eine
(Netzaktivität überhaupt) wie engeren        ziert er darin den „inside dopester“ als      eingangs dieses Aufsatzes getätigte Ver-
(Netzaktivitäten mit dem Motiv politischer   eine Form der politischen Gesinnung,          mutung wird so abschließend nochmals
Partizipation) Sinne ist zweifellos auf-     die von der Konsumpflicht gegenüber           aus analytischer Perspektive angeregt: Ein
wendig und zugleich notwendig. Den-          der Gesellschaft geprägt ist und diese als    Übermaß an Transparenz transformiert
noch beklagt die empirische Forschung        Verbraucherhaltung in die Sphäre des Po-      nicht die Politik zum Besseren, sondern
zum Thema eine „under-theorization“.         litischen trägt. Teilzuhaben am politischen   akzentuiert im Gegenteil noch jene Me-
Das ist einigermaßen erstaunlich, denn       Insider-Wissen – „to know the score“ – so     chanismen, die gemeinhin als undemo-
forschungsleitende Ideen mit Potenzial       wie in anderen Bereichen der Gesellschaft     kratisch (miss)verstanden werden.

                                                                                                     Dialog | Dezember 2017        13
Fachforum – Themenschwerpunkt: Digitalisierung

Die Rolle des Campus-Managements
bei der Digitalisierung

                                            ein Studium und nachfolgend das Studie-     Neuere Systeme basieren dabei auf einer
                Marc                        rendenmanagement sowie das Lehrver-         Strategie der Integration: Bestehende
                Zimmermann                  anstaltungs- und Prüfungsmanagement         Teilsysteme sollen in einem einheitlichen
                                            soweit digitalisiert werden, dass auf       System zusammengefasst und dieses um
                Zentrum für Medien          Papierunterlagen weitgehend verzichtet      Funktionen erweitert werden, die bisher
                und Informations-           werden kann. Ähnlich wie das bereits        noch nicht oder nur in Teilen software-
                technologie                 etablierte Verfahren der elektronischen     gestützt abgewickelt werden. Auf diese
                Campus Ludwigsburg          Lohn- und Steuerbescheinigungen kön-        Weise soll das Vorhalten von Inselsyste-
                                            nen zukünftig Studierende z. B. Beschei-    men, etwa von in einzelnen Abteilungen
                Alexander
                                            nigungen online beantragen oder sich        gepflegten Einzeldatenbanken und Ta-
                Finkenberger
                                            zu Prüfungen anmelden und Ergebnisse        bellen, überflüssig werden. So werden
                                            online einsehen.                            die Datenintegrität verbessert, die Fehler-
                Zentrum für Medien
                                                                                        anfälligkeit verringert und Abläufe opti-
                und Informations-
                                            Als Voraussetzung für eine digitalisierte   miert.
                technologie
                                            Hochschule und deren Verwaltung wer-
                Campus Ludwigsburg
                                            den jedoch IT-gestützte Systeme benötigt,   Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch das
                                            die solche Funktionen auch anbieten. Sol-   Nutzererlebnis der Studierenden und Be-
                                            che Systeme werden als Campus-Manage-       schäftigten: Sie finden eine einheitliche
                                            ment-Systeme (CMS) oder Hochschul-          Plattform vor, die sie in den mit ihrem Stu-
Mit der Digitalisierungsstrategie digital   informationssysteme (HIS) bezeichnet,       dium verbundenen Prozessen unterstützt
@bw des Landes soll „Baden-Württem-         die die Prozesse in Verwaltung und Lehre    sowie Abläufe von der Bewerbung und
berg […] zu einer Leitregion des Digi-      an Hochschulen abbilden und unterstüt-      Zulassung transparent macht. Web-ba-
talen Wandels“ werden. Die Digitali-        zen. Die bisherigen Systeme sollen laut     sierte Campus-Management-Systeme sind
sierung hat schon in vielen Bereichen       Beschluss der Lenkungsgruppe zur Ein-       zudem prinzipiell unabhängig von Ort und
Einzug in das alltägliche Leben und die     führung durch HISinOne als neues Cam-       Endgerät nutzbar und entsprechen damit
Arbeitswelt gehalten. Sie soll dadurch      pus-Management-System an den Hoch-          den Nutzungsgewohnheiten der digitalen
weiter vorangetrieben und ausgebaut         schulen des Landes Baden-Württemberg        Lebenswelt der Studierenden.
werden, „um das Leben der Menschen          etappenweise in den nächsten Jahren er-
zu verbessern“.                             setzt werden. Die HVF soll zusammen mit     Perspektivisch wird eine Integration mög-
                                            der Hochschule Kehl in einem der hinteren   lichst vieler den studentischen Lebenszy-
Die baden-württembergische Landes-          Cluster die Umstellung vollziehen, jedoch   klus unterstützende IT-basierter Dienste,
regierung hat als ein zentrales Schwer-     müssen bis dahin die Voraussetzungen für    wie der Zugang zu Learning-Manage-
punktthema der Digitalisierungsstrategie    die Einführung solcher Systeme geschaf-     ment-Systemen der Hochschulbibliothek
den Bereich der Bildung und Weiterbil-      fen werden.                                 oder die Bereitstellung von Mail- und
dung ausgemacht. Davon sind auch die                                                    Nutzerkonten in der Hochschule, ange-
Hochschulen berührt, wobei in erster        CMS als Organisationsentwicklungs-          strebt.
Linie die Digitalisierung die Lehre und     und IT-Projekte
das Lernen verbessern soll. Bezieht man                                                 Campus-Management als Bindeglied
allerdings auch den Bereich der Digitali-   Einen wesentlichen Bestandteil der CMS      zwischen den Abteilungen
sierung in den Kommunen und der Ver-        bilden die Systeme des Student-Life-Cy-
waltung mit ein, so steht die Verwaltung    cles. Mit diesem Begriff werden insbe-      An der PH Ludwigsburg wird derzeit das
der Hochschulen vor einem digitalen Um-     sondere die Bereiche und Prozesse um        Campus-Management-System HISinOne
bruch. Bis zum Jahr 2022 sollen demnach     die Studierenden von der Bewerbung und      zur Unterstützung des Student-Life-Cy-
alle Papierakten in den Kommunalver-        Zulassung über die Belegung von Lehrver-    cles eingeführt. Diese Umstellungen,
waltungen der Vergangenheit angehören       anstaltungen, Studien- und Prüfungsleis-    Anpassungen und Weiterentwicklungen
und durch elektronische Aktenführung        tungen bis hin zu Abschluss und Alumnus     der Prozesse hin zur Digitalisierung der
(E-Akte) ersetzt werden. Entsprechend       (vgl. Abbildung) in den Mittelpunkt ge-     Verwaltung können nur schwer von den
können z. B. auch die Bewerbungen für       stellt.                                     jeweiligen Abteilungen alleine durchge-

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