Geschäftsbericht 2017 2015 - Spital Thurgau AG
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Kantonsspital Frauenfeld Kantonsspital Münsterlingen Psychiatrische Dienste Thurgau Klinik St. Katharinental Geschäftsbericht 2015 2017 2016 2018 2019 2020 2021
E DITORIAL Stark in gelebter E igenständigkeit 1 S PI TA L T H U R GAU Organe der Spital Thurgau 2 Zufrieden mit dem Geschäftsjahr 2017 3 Altersmedizin in der Spital Thurgau 7 Wer gut bleiben will, darf nicht aufhören besser zu werden 11 Sich ändernde Berufsbilder erfordern neue Konzepte 15 Die Bedeutung der Informations- und Kommunikations-Technologie (ICT) im Spital 19 Nachhaltiges Immobilienmanagement und effizienter Nutzen 23 DA S JA H R 2 017 I N Z A H L E N Lagebericht 29 Bilanz 31 Erfolgsrechnung 32 Geldflussrechnung 33 5-Jahres-Übersicht 34 Anhang zur Jahresrechnung 35 Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes 35 Erläuterungen zur Jahresrechnung 36 Bericht der Revisionsstelle 42 Patientenstatistiken 44 Qualitätsbericht 50 Personalstatistiken 56 Erfolgreiches Geschäftsjahr 2017 für die thurmed Gruppe 59 FAC H KO M PE T E N Z E N D E R S TA N D O R T E Kantonsspital Frauenfeld, Kantonsspital Münsterlingen 64 Klinik St. Katharinental, Psychiatrische Dienste Thurgau 65 Zentrale Medizinische Dienste, Zentrale Dienste und Eigenständige, nahestehende Unternehmen 66 Geschlechtsneutrale Bezeichnungen Wenn auf diesen Seiten die weibliche Form nicht der männlichen Form beigestellt ist, so ist der Grund dafür allein die bessere Lesbarkeit. Wo sinnvoll, ist selbstverständlich immer auch die weibliche Form gemeint.
Stark in gelebter E igenständigkeit von lic. iur. Robert Fürer, Verwaltungsratspräsident Spital Thurgau A m 24. April 1997 erteilte der Regierungsrat wenn sie nach privatwirtschaftlichen Regeln des Kantons Thurgau einer Projektgruppe geführt werden. Diese Regeln verlangen auch, den Auftrag, Vorschläge auszuarbeiten, dass die Verantwortlichkeiten exakt festgelegt wie die als unselbstständige Anstalten geführten werden. Und das heisst auch, dass, wer verant- öffentlichen Gesundheitseinrichtungen in eine wortlich ist, seine Verantwortung beansprucht. Organisationsform überführt werden können, wel- Und dass, wer nicht in Verantwortung steht, jene che auf lange Sicht Sicherheit und Erfolg garan- des Verantwortlichen respektiert. In seiner Eigen- tiere. tümerstrategie hat der Regierungsrat festgelegt, dass die Leistungserbringung bedarfsgerecht Die Projektgruppe leitete am 14. April 1998 dem und qualitativ hochstehend zu erfolgen habe Regierungsrat ihren Bericht zu. Dieser empfahl, und dass sich die Kosten im schweizerischen Ver- das Kantonsspital Frauenfeld, das Kantonsspital gleich im besten Drittel bewegen sollen. Diese Münsterlingen, die Psychiatrischen Dienste Thur- Ziele haben wir Jahr für Jahr erreicht. Vorausset- gau und die Klinik St. Katharinental in eine Akti- zung dafür bildete die Akzeptanz der Grün- engesellschaft nach den Regeln des Schweize- dungsidee, der gelebten Eigenständigkeit. War rischen OR zu überführen und in einer einzigen dies anfänglich noch selbstverständlich, erken- Gesellschaft nach privatwirtschaftlichen Regeln ne ich mehr und mehr Versuche, operative Fra- zu führen. Die Regierung ist dieser Empfehlung gen zum Gegenstand politischer Debatten zu gefolgt und hat im Herbst 1999 die Spital Thurgau machen. Das besorgt mich. AG gegründet. Erfolg ist nicht nur eine Folge richtiger Organisa- Wenn ich heute nicht nur auf das Geschäftsjahr tion, sondern ebenso das Ergebnis systemati- 2017 zurückblicke, sondern alle 18 Jahre, in de- scher, verantwortungsvoller und transparenter nen ich dem Verwaltungsrat unseres Unterneh- Personalführung. Und so sind es letztlich unsere mens angehören durfte, Revue passieren lasse, Mitarbeitenden, die die Erfolgsgeschichte wäh- so hat dies seinen Grund im Umstand, dass ich rend bald 20 Jahren geschrieben haben. Die im Herbst 2018 als Präsident der Spital Thurgau Spital Thurgau hat einen weitsichtigen Verwal- abgelöst werde. Was der Kanton Thurgau vor tungsrat, eine ausgezeichnete Geschäftsleitung, zwanzig Jahren schuf, war eine Pioniertat, die hervorragende Kliniken und Institute, fachkun- im Verlaufe der Jahre vielerorts kopiert wurde. diges, motiviertes Personal – unser Kanton darf Es hat sich schweizweit die Ansicht durchgesetzt, stolz sein, dass in der thurmed Gruppe gegen dass sich öffentliche Spitäler in einem stets 4’000 Mitarbeitende täglich ihr Bestes geben. schwierigeren Umfeld nur behaupten können, Ihnen gebührt unser aller Dank. ❚ 1
SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2017 Organe der Spital Thurgau ➔ ➔V E R WA LT U N G S R AT (von links nach rechts) Dr. med. Bruno Haug Prof. Dr. oec. Urs Brügger Prof. Dr. oec. Michèle Sutter-Rüdisser Prof. Dr. med. Markus von Flüe Christa Thorner-Dreher lic. iur. Robert Fürer, Präsident Dr. oec. Anna-Katharina Klöckner, Vizepräsidentin lic. iur. Carlo Parolari ➔ ➔G E S C H Ä F T S L E I T U N G (von links nach rechts) Dr. med. Adrian Forster, Spitaldirektor Klinik St. Katharinental (bis 30.11.2017) Dr. oec. publ. Peter Heri, MPH, CFO Agnes König, Pflegedirektorin Kantonsspital Münsterlingen PD Dr. med. Dipl. Psych. Dipl. Soz. Gerhard Dammann, MBA, Spitald irektor Psychiatrische Dienste Thurgau Dr. sc. techn. Marc Kohler, CEO Dr. oec. publ. Christian Schatzmann, CIO Norbert Vetterli, Spitaldirektor Kantonsspital Frauenfeld/ Verwaltungsd irektor Klinik St. Katharinental PD Dr. med. Thomas Neff, Ärztlicher Direktor Kantonsspital Münsterlingen PD Dr. med. Stefan Duewell, Ärztlicher Direktor Kantonsspital Frauenfeld Stephan Kunz, MBA, Spitaldirektor Kantonsspital Münsterlingen/ Verwaltungsdirektor Psychiatrische Dienste Thurgau 2
Zufrieden mit dem Geschäftsjahr 2017 von Dr. sc. techn. Marc Kohler, CEO Spital Thurgau D as Geschäftsjahr 2017 der Spital Thurgau (–1,3 % in der Akutmedizin KSF und KSM, ca. war geprägt durch die Vorbereitung auf +2,8 % in der Psychiatrie und +2,6 % in der Klinik schwierige deutliche Veränderungen in St. Katharinental) und einem ambulanten den Rahmenbedingungen ab 1. 1. 2018. Sie wur- Wachstum von ca. 2,5 % (ambulanter Umsatz in den erst ab Oktober 2017 genau erkennbar, was etwa konstant aufgrund der Taxpunktwertreduk- zu erheblichen Unsicherheiten und grossem tion um Rp. 2 per 1.1. 2017) und einem weiter eher Aufwand (Szenarien-Planung) für die notwendi- leicht sinkenden Zusatzversichertenanteil von gen Prozessanpassungen führte. Gleichzeitig total rund 14,5 % blieb der Gesamtumsatz in der galt es, die anerkannt hohen Levels von Patien- Spital Thurgau auf Vorjahresniveau. Die Auslas- tensicherheit, Qualität, Freundlichkeit unserer tungsschwankungen innerhalb des Jahres nah- Mitarbeitenden im Umgang mit Patientinnen, men aber zu, was auch die Vorhaltekosten et- Patienten und Angehörigen zu halten und mög- was erhöhte. Weitere Kostenfaktoren wie Löhne, lichst noch zusätzlich auszubauen – natürlich medizinischer Bedarf und administrative Auf- parallel dazu unter weiteren Optimierungen und wände, letztere primär via seit Jahren stetig stei- Effizienzsteigerungen, um die fast überall stei- gender qualitativer und statistischer Anforde- genden Kosten soweit möglich zu dämpfen. rungen, erhöhten sich im «gewohnten» Mass. Erfreulicherweise ist es gelungen, auch das Jahr Das führte auch in der Spital Thurgau zu einem 2017 in allen Bereichen qualitativ positiv und massiv erhöhten internen Kostendruck, um das auch finanziell erfolgreich mit einem Jahreser- Jahresergebnis positiv zu halten – dabei ist der gebnis von Fr. 4,593 Mio. abzuschliessen. (politische) externe Druck auf die Gesundheits- kostenentwicklung seit Jahren ja schon enorm. Erstmals seit vielen Jahren sank die Nachfrage nach stationären Leistungen in der Schweiz im In diesem Umfeld wurden die «schon üblichen» Jahr 2017 marginal, und auch das ambulante Veränderungen in der Versorgung, welche pri- Wachstum lag deutlich unter den «gewohnten» mär die Zentrumsspitäler treffen, noch verstärkt Raten der Vorjahre. Das war für fast alle Schwei- spürbar: einerseits die Mixverschiebungen hin zer Spitäler eine neue und unerwartete Heraus- zu finanziell weniger attraktiven Fällen («Rosinen- forderung. Ob das ein einmaliges Phänomen picken» durch andere Leistungsanbieter), mehr oder der Beginn einer Trendwende ist, bleibt aber noch die heute immer schwieriger und heute noch offen. Diese neue Situation galt es teurer zu bewältigenden Nacht- und Wochen- auch in der Spital Thurgau zu bewältigen: Mit enddienste, die – gerade bei jüngeren Mitarbei- quasi konstanten medizinischen Leistungen tenden – wenig beliebt sind und die Personalre- 3
SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2017 krutierung alles andere als erleichtern. Wir wol- Versorgungsauftrag in der Schweiz. Das wirkt len aber klarstellen: Aus Sicht der Gesamtversor- sich auch positiv auf Gesundheitskosten aus: gung ist es sicher besser, wenn die schwierigen, Auch deshalb sind die Krankenkassenprämien oft komplexen und weniger beliebten Aufgaben in den letzten 10 Jahren im Kanton von deutlich bei der Spital Thurgau erbracht werden – und überdurchschnittlich zu deutlich unterdurch- wir machen das gerne und gut, für alle Patien- schnittlich im Schweizer Vergleich gesunken. tinnen und Patienten, 24 Stunden pro Tag und • Die Aus- und Weiterbildung für Gesundheitsbe- 365 Tage im Jahr. Wir wünschen uns einfach, rufe im Kanton liegt mehrheitlich bei der Spital dass diese stark unterschiedliche Leistungser- Thurgau via insgesamt ca. 420 Ausbildungsstel- bringung auch in den Tarifen abgebildet wird. len und zahlreichen Weiterbildungsangeboten. Es profitieren aber alle Leistungsanbieter. Neben der vorgeschriebenen Jahresberichter- • Arbeitsplätze: Insgesamt werden in der thur- stattung werden deshalb in diesem Geschäfts- med Gruppe rund 4’200 Personen beschäftigt, bericht auch massgebliche Aufträge und Auf- die Gruppe ist damit ein ganz wichtiger wirt- gaben für die Thurgauer Allgemeinheit vorge- schaftlicher Faktor. stellt – und mit welchen strategischen Ansätzen • Immobilien: Viele Kantone unterstützen ihre Spi- und Erfolgsfaktoren sie umgesetzt werden. Es täler nach wie vor massiv via günstige Bauten, geht dabei um die zentrale und nicht immer bei uns liegt deren gesamte Finanzierung und einfache oder attraktive Rolle in der Gesund- Realisierung bei der Spital Thurgau – oft mit teu- heitsversorgung des Kantons Thurgau: ren Zusatzauflagen (Ökologie etc.). Diese Auf- • Zentrumsversorgung in der Akutmedizin und gabe hat durchaus spannende und wertvolle der Psychiatrie (Grund- und Spezialversorgung Seiten (z. B. bedarfsgerechtes Bauen, rasche in der Rehabilitation), 365 × 24 Stunden, über Umsetzung, Image), die kantonalen Rahmen- praktisch alle Fachgebiete der Medizin – mit bedingungen sind im heutigen kostengetrie- allen dafür notwendigen Vorhalteleistungen. benen Umfeld jedoch meist eine deutliche • Eine Studie der Universität Basel von 2017 zeigt, Zusatzbelastung. dass der Kanton TG «seine» Spitäler für die Vor- halteleistungen und auch insgesamt nur extrem Aber wir wollen ja nicht jammern: Die Spital Thur- bescheiden, konkret am zweitwenigsten von gau ist und bleibt medizinisch fortschrittlich und allen Kantonen, unterstützt. sehr hochwertig, findet im Vergleich zu anderen • Die Spital Thurgau liegt trotzdem tariflich in der Spitälern in der Region nach wie vor gut die not- Gruppe der günstigsten Spitäler mit breitem wendigen, kompetenten und motivierten Mitar- 4
beitenden und die Fluktuationsrate bleibt im Einsatz unserer Mitarbeitenden (Effizienz) stan- Quervergleich zu anderen Spitälern tief und sinkt den deshalb schon 2017 im Vordergrund, und weiter. Ganz wichtig ist uns auch, dass die Spital dieses Ziel hat auch 2018 Priorität. Parallel dazu Thurgau – dank steten und nachhaltigen Effizi- fordern die laufenden Grossprojekte, speziell enzverbesserungen – auch finanziell erfolgreich «Horizont» in Frauenfeld, und die zahlreichen und stabil bleibt. Geprägt durch das erwähnte weiteren Bauvorhaben an allen Standorten Umfeld, waren im 2017 ganz besondere Anstren- ganz besonders. Aber: Wir wollen, ja müssen in gungen und einige schwierige Entscheide not- die Zukunft der Spitalversorgung in der Region wendig, welche aber bereits frühzeitig ab Früh- investieren, und wir können es auch – inhaltlich, ling 2017 getroffen wurden. Die Leistungszahlen organisatorisch wie finanziell. Und wir sind über- mit der hohen Auslastung der Anlagen, die zeugt, dass wir so auch in Zukunft gute Ergebnis- Qualität der medizinischen Ergebnisse und die se abliefern werden. Allen Mitarbeitenden der konsequente Umsetzung des seit Jahren sorgfäl- Spital Thurgau wie auch den unterstützenden tig gelebten Kostenbewusstseins, führten zum Behörden und allen Fachgremien danken wir sehr erfreulichen Jahresergebnis 2017. Die so ganz herzlich für ihren unermüdlichen Einsatz erreichte Stetigkeit, die damit verbundene Ver- und ihre kompetenten Leistungen im Geschäfts- lässlichkeit, das positive Image und die interes- jahr 2017. santen Entwicklungschancen sind bei potenziel- len Mitarbeitenden in der Region sehr wohl be- Die Organisationsform, die privatwirtschaftlich kannt, geschätzt und bilden damit eine wesent- gelebte Eigenständigkeit der thurmed Gruppe liche Basis für eine positive Weiterentwicklung und der Spital Thurgau ermöglichen längerfristig der Spital Thurgau. viele zukunftsorientierte, unternehmerisch sinn- volle Entscheide und eine starke Stellung im Spi- Ausblick talmarkt Schweiz. Diese strategische Ausrich- Das Geschäftsjahr 2018 bringt massive Tarifkür- tung, die konsequente und sorgfältige Umset- zungen für das Gros der ärztlichen Leistungen zung und nicht zuletzt die erfreulichen Ergebnis- (TARMED, weitere Tarifwerke, total >Fr. 10 Mio. im se der thurmed Gruppe werden wahrgenommen Jahr). Selbstverständlich sollen die medizinische und sehr anerkannt – speziell ausserhalb des Qualität und die Services trotzdem möglichst Kantons Thurgau. Es wäre kaum positiv für die unvermindert auf dem heutigen, hohen Niveau Bevölkerung des Kantons Thurgau, wenn die bleiben. Neubauten und gezielte medizinische Gruppe nicht in diesem Sinne weiter gestärkt Investitionen, aber auch der weiter optimierte und unterstützt würde. ❚ 5
Altersmedizin in der Spital Thurgau von PD Dr. med. Thomas Neff, Ärztlicher Direktor Kantonsspital Münsterlingen, PD Dr. med. Dipl. Psych. Gerhard Dammann, Spitaldirektor Psychiatrische Dienste Thurgau, Dr. med. Holger Frauendorf, Chefarzt Klinik St. Katha- rinental, und Dr. med. Jacques Schaefer, Leitender Arzt Akutgeriatrie Spital Thurgau B edingt durch die demografische Bevölke- auf- und ausgebaut werden sollen, sind im Fol- rungsentwicklung ist die Altersmedizin zu genden dargestellt. einer grossen gesundheitspolitischen Her- ausforderung geworden. Akutgeriatrie Im Frühjahr 2016 wurde am Kantonsspital Müns- Die Anzahl der über 80-jährigen Menschen in terlingen eine akutgeriatrische Bettenstation in der Schweiz wird bis zum Jahr 2030 um 65 % zu- Betrieb genommen. Zusammen mit dem dort nehmen. Davon ist zwar nur ein kleinerer Teil ab Oktober 2017 angegliederten Assessment- unselbstständig und auf Hilfe angewiesen, er und Triage-Zentrum (ATZ) steht ein zukunftsori- nimmt mit steigendem Alter aber stetig zu. Le- entiertes Akutversorgungskonzept zur Verfü- ben etwa 10 % der 80-jährigen in Alters- und gung. Unabhängig von Versorgungsort und Pflegeheimen, so sind es bei den 85-jährigen Versorgungszeitpunkt wird damit eine interdiszi- bereits 20 % und bei den 90-jährigen 40 %. Kür- plinäre und interprofessionelle Abklärung sowie zere Liegedauern im Spitalbereich haben den übergeordnete und patientengerechte Triage, Druck auf jene geriatrischen Institutionen zu- Koordination und Behandlungssteuerung geri- sätzlich erhöht, welche den Akutkliniken vor- atrischer Patienten gewährleistet. Durch geeig- und nachgelagert sind. Darum ist es unabding- nete Assessment-Instrumente können frühzeitig bar, möglichst rasch Strukturen aufzubauen, Risiken und Problemsituationen, welche die welche in einem noch mehrheitlich auf die Autonomie und Selbstständigkeit betagter Pa Bedürfnisse jüngerer, autonomer Menschen tienten gefährden können, erkannt werden. ausgerichteten Gesundheitssystem auch der Beeinträchtigungen von Kognition, Verhalten, Behandlung und Betreuung betagter Menschen Kontinenz, Mobilität inkl. Sturzgefährdung etc. gerecht werden. Mit der Verabschiedung des werden erfasst und hinsichtlich ihrer Alltags- und Thurgauer Geriatrie- und Demenzkonzeptes im Behandlungsrelevanz beurteilt. Unter bedarfs- Jahre 2015 wurde dafür der Grundstein gelegt. gerechtem Einbezug weiterer Fachbereiche in Die Altersmedizin ist ein strategischer Schwer- Diagnoseprozess und Behandlungsplanung kön- punkt unseres Unternehmens, das dazu ver- nen schliesslich individuelle Empfehlungen zur schiedene kantonale Leistungsaufträge erhal- bestmöglichen Behandlung inklusive Weiterbe- ten hat. handlung an den Hausarzt und zuweisende In- stitutionen abgegeben werden. Die Leistungen Dahin gehende Angebote und Projekte, welche stellt das ATZ zunächst in Form einer ambulanten in allen vier Betrieben der Spital Thurgau ge- Sprechstunde sowie eines internen Konsiliar- schaffen und in den kommenden Jahren weiter dienstes, einschliesslich einer Beratungs- und 7
SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2017 Vermittlungstätigkeit, zur Verfügung. In einem file gerecht zu werden. Speziell in der geriatri- nächsten Schritt ist eine mobile Equipe – «Geri- schen Rehabilitation stehen die bedrohte Selbst- atrie-Plus» – vorgesehen, welche das genannte ständigkeit in den Alltagsfunktionen (ADL und Angebot den Betroffenen im häuslichen Umfeld IADL), eine eingeschränkte Mobilität inklusive oder Pflegeheim zur Verfügung stellt. erhöhtem Sturzrisiko sowie eine vielfach beein- trächtigte Kognition im Vordergrund und sind Geriatrische Rehabilitation entscheidende Stellgrössen bei der gewünschten Neben den bestehenden rehabilitativen Aktivi- Rückkehr in das häusliche Umfeld. Deshalb ist die täten wurde in der Klinik St. Katharinental per Einbindung des Sozialdienstes sowie der Ange- Oktober 2017 neu ein geriatrisches Rehabilita hörigen ein zentrales Element im Austritts- und tionsangebot ins Leben gerufen. In Abstimmung Nachsorgemanagement, welches möglichst mit dem ATZ als übergeordnete geriatrische frühzeitig ausgelöst werden muss. Zur erfolgrei- Struktur konnte die geforderte Verzahnung von chen Umsetzung der geriatrischen Rehabilitati- Akutspital, Rehabilitation und ambulanter Be- on, einschliesslich der geforderten Qualitäts- und treuung sowohl innerhalb der Spital Thurgau als Leistungskriterien, wurden neben der Schulung auch mit den niedergelassenen Ärzten verstärkt des gesamten Personals hinsichtlich spezifischer werden. Das geriatrische Rehabilitationskonzept geriatrischer Fragestellungen auch der ärztliche basiert auf den klassischen, diagnoseorientierten Dienst um einen Facharzt mit Geriatrischem Angeboten, ergänzt um verschiedene geriatrie- Schwerpunkt ergänzt. Zudem wurde, als weiteres spezifische Elemente. Insbesondere sind im Kon- und wichtiges Element für eine erfolgreiche ger- zept auch Zuweisungskriterien enthalten. Die iatrische Rehabilitation, eine Logopädie inklusive geriatrische Rehabilitation orientiert sich also Dysphagie-Abklärung etabliert. nicht nur an (ICD-10-)Diagnosen, sondern auch an allgemeineren geriatrischen Syndromen wie Alterspsychiatrie Fragilität, Polypharmazie und Multimorbidität Die letzte Berufsphase und Pensionierung mar- inklusive kognitiver Einschränkungen. Auch der kieren den Übertritt in eine neue Lebensphase. Eintritts- und Behandlungsprozess trägt der oft- Hier können zunehmende körperliche Beschwer- mals eingeschränkten Belastbarkeit bei gleich- den, eine Abnahme der geistigen Leistungs- zeitig vorhandenen Gesundheitsproblemen fähigkeit und Verlusterlebnisse Krisen auslösen, Rechnung. Insbesondere der Tagesablauf und welche über ein spezifisches alterspsychiatri- das multidisziplinäre Therapieangebot erfordern sches Angebot gelöst werden müssen. Die Psy- individuelle Anpassungen, um den Ansprüchen chiatrischen Dienste Thurgau bieten dazu eine der verschiedenen geriatrischen Patientenpro- umfassende interdisziplinäre und interprofessio- 8
nelle Abklärung und Behandlung an, welche Diese sind die ambulante Abklärungsstelle Me- sich an den individuellen Bedürfnissen des Pati- mory Clinic für Patienten ab dem 50. Lebensal- enten orientiert. Dabei werden Angehörige und ter mit Verdacht auf Hirnleistungsstörungen und Bezugspersonen in den therapeutischen Prozess Menschen mit demenziellen Syndromen, eine mit einbezogen. Erklärtes Ziel ist es, dem Betrof- Alterstagesklinik in Weinfelden mit einem Ange- fenen so lange wie möglich ein selbstständiges bot für ältere Menschen mit Depressionen oder und unabhängiges Leben in vertrauter Lebens- anderen psychischen Störungen und ein Konsil- situation zu ermöglichen. und Liaisondienst für zu Hause oder in Alters- und Pflegeeinrichtungen lebende Menschen. Letz- Die Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie terer arbeitet sowohl aufsuchend als auch in den haben in den Psychiatrischen Diensten Thurgau Institutionen und bietet Abklärungen und Be- grosse Bedeutung erlangt. Dazu wurden diverse handlungen für Menschen ab 60 Jahren. Und stationäre und ambulante Einrichtungen und schliesslich werden drei der fünf beratenden und Angebote sukzessive auf- und ausgebaut. Die aufsuchenden kantonalen Demenz-Beratungs- gesamte Alterspsychiatrie weist heute sieben stellen (in Kreuzlingen, Frauenfeld und Weinfel- Organisationseinheiten auf. In der Psychiatri- den) von der Spital Thurgau betrieben. Die Sum- schen Klinik Münsterlingen sind es drei Stationen. me der beschriebenen Angebote bildet den Dabei handelt es sich zum einen um die Station medizinischen Kompetenzbereich Alterspsychia für Neurokognitive Störungen zur Behandlung trie, welcher in Anerkennung der vielfältigen von Menschen mit mittel- bis schweren Demenz Angebote mit einer Weiterbildungsermächti- erkrankungen. In Vorbereitung ist dort auch die gung für den FMH-Schwerpunkt «Alterspsychia- Eröffnung eines «Demenzgartens». Zum andern trie und -psychotherapie» ausgestattet ist. Die gibt es die Station für Akutpsychiatrie im höheren Angebote sind eng mit den Kantonsspitälern, Lebensalter für Menschen mit akuten psychoti- insbesondere der Geriatrie am Kantonsspital schen Störungen, Abhängigkeitserkrankungen, Münsterlingen und in der Klinik St. Katharinenthal Depressionen sowie Selbst- und/oder Fremdge- vernetzt, und es besteht eine enge Kooperation fährdung. Und als dritte Einheit ist die Station für mit dem neu etablierten transdisziplinären As- Psychotherapie im höheren Lebensalter für Men- sessment- und Triage-Zentrum Geriatrie Thurgau schen mit Krisen, Depressionen, Persönlichkeits- (ATZ) der Spital Thurgau. störungen, Ängsten und funktionellen Störungen ❚ zu erwähnen. In der Ambulanten Erwachsenenpsychiatrie existieren weitere vier Behandlungseinheiten. 9
▲▲ Erfolgreich bei der kantonalen Berufsmeisterschaft FaGe: v.l.n.r. Ramona Meyerhans (Rang 3), Yael Brauchli (Rang 2) und Tanja Kellenberger (Rang 1)
Wer gut bleiben will, darf nicht aufhören besser zu werden von Peter Büsser, Leiter Human Resources Management Spital Thurgau I n erster Linie geht es uns um die Patientinnen basieren auf der Investition in eine moderne In- und Patienten. Unsere Anforderungen werden frastruktur, in die kontinuierliche Prozessoptimie- massgeblich durch die Veränderungen in Ge- rung und insbesondere in die Kommunikation. sellschaft und Demografie und durch die allge- Die Spital Thurgau investiert zwischen 2012 und meinen, gesundheitspolitischen Herausforderun- 2020 rund Fr. 450 Mio. in eine ausgezeichnete gen geprägt. Behandlungen gehen mehrheitlich Infrastruktur. In der Gesundheitsversorgung wird über einen längeren Zeitraum und finden im jedoch der Faktor Mensch, heute wie in Zukunft, Wechsel zwischen ambulant und stationär statt. das Zünglein an der Waage spielen und einen Behandlungsteams sind mit einer Zunahme von relevanten Hauptaspekt für die Patientenzufrie- Patienten konfrontiert, die chronisch oder mehr- denheit ausmachen. Entsprechend bilden un- fach erkrankt sind und einen grösseren Bedarf an sere Mitarbeiter das höchste und wichtigste Gut. Therapie, Pflege und Betreuung haben. Es gilt, Diesem Gut tragen wir Sorge und schenken dem Patientensituationen rasch zu erfassen, die indi- Verhalten und der Kompetenz unserer Mitarbei- viduellen Risiken vollständig einzuschätzen und ter besonderes Augenmerk. Es ist das kompe- eine an die Patientensituation angepasste Diag- tente Handeln in den Alltagssituationen, die nostik, Behandlung und Pflege zukommen zu las- Fähigkeit, Patienten mit ihren individuellen, ge- sen. sundheitlichen Problemen zu erfassen, das an- schliessend folgerichtige Handeln, begleitet von Diesen Anforderungen tragen wir in der tägli- einem menschlichen Umgang und Anteilnah- chen Arbeit Rechnung und sind überzeugt, die me, die den Wert einer guten Behandlung aus- vielfältigen Leistungen in einer hervorragenden machen. Qualität mit kompetenten, freundlichen Mitar- beitenden kosteneffizient und zu einer grossen Wir suchen laufend gute und motivierte Zufriedenheit unserer Patienten zu erbringen. In Mitarbeitende diesen Erkenntnissen werden wir durch verschie- Um die besten Dienstleistungen erbringen zu dene Hinweise unterstützt, die wir z. B. aus Statis- können, benötigen wir die besten Mitarbeiten- tiken über Behandlungsergebnisse, aus Befra- den. Das meinen wir genauso und versuchen gungen über die Patientenzufriedenheit oder auch täglich so zu handeln. Die Spital Thurgau aus Rückmeldungen weiterer Anspruchsgrup- verfolgt deshalb das Ziel, mit einer wirkungsvol- pen gewinnen. Trotzdem können und müssen len Personalentwicklung die Attraktivität für alle wir jedes Jahr besser werden. Echte, spürbare Berufsgruppen zu erhalten und zu fördern. Ob Verbesserungen zu Gunsten unserer Patienten das tatsächlich flächendeckend sichergestellt 11
SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2017 ist, fragen Sie sich? Wohl kaum. Auch das sehen eingehen. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir als eine Aufgabe, der ein kontinuierlicher auch wir Mitarbeitende ziehen lassen müssen. Prozess zugrunde liegt. Wir arbeiten daran, set- Es kommt aber häufig vor, dass Mitarbeitende, zen diesbezüglich Ziele und definieren Massnah- die sich ausserhalb der Spital Thurgau ein Bild men. Mit dem Begriff erfolgreicher Personalent- gemacht haben, gerne wieder zu uns zurück- wicklung verbinden wir die vorausschauende kehren. Dieser Entscheid wird mit der hervorra- Ermittlung von künftigen Anforderungen und die genden Betriebskultur und den bereits erwähn- davon ausgehende Planung gezielter Entwick- ten Aspekten für die Arbeitsplatzattraktivität lung. Das bedeutet, dass wir unsere Mitarbeiter begründet. Und es lässt sich im Thurgau durch- für die permanenten Herausforderungen des aus gut wohnen und leben. Das bestätigen ehe- Wettbewerbs vorbereiten, sie in ihrem professi- mals ausserhalb der Kantonsgrenzen wohnende onellen Verhalten stärken und fit halten. Bei Füh- Mitarbeitende, die sich von der herrlichen Viel- rungspersonen achten wir auf die Ausgewogen- fältigkeit im Kanton, vom Bodensee und der heit von Managementkompetenzen und Lea- Nähe zu Konstanz überzeugten und ihren Wohn- dershipfähigkeiten. sitz in den Thurgau verschoben haben. Wir sind überzeugt, dass gute Leute weitere gute Insbesondere im Kampf gegen den drohenden Leute anziehen. Das hat in den letzten Jahren Fachkräftemangel engagieren wir uns in ausge- in der Spital Thurgau ausgezeichnet funktioniert. sprochenem Mass für die Ausbildung von jungen Interessante, abwechslungsreiche und gleich- Berufsleuten. Über 12 % des gesamten Personal- zeitig auch herausfordernde Arbeitsplätze sind bestandes befindet sich in der Ausbildung oder dafür die wichtigste Voraussetzung. Die langfris- im Studium. Dazu kommen rund 200 Assistenz- tigen Investitionen, das Engagement in die Kom- ärzte, welche die Weiterbildung zu einem Fach- petenz unserer Mitarbeitenden und die beste- arzttitel absolvieren. Wir betrachten das Enga- henden Betriebsgrössen, in der sich Patienten, gement in eine gute Ausbildung als wichtige Besucher und Mitarbeitende gut zurechtfinden, Investition in die Zukunft. Entsprechend stellt der machen uns attraktiv. Mit Blick auf das Leistungs- Anspruch, als Ausbildungsbetrieb eine gute und angebot können wir uns mit grossen Zentrums- qualitativ hochstehende Qualität zu leisten, ein spitälern vergleichen, sind medizinisch kompe- weiteres wichtiges Unternehmensziel dar. Erfolg- tent, weisen eine fachliche Breite auf und reiche Ausbildungsabschlüsse nehmen wir ger- bleiben dabei überschaubar und können ent- ne als Indikator dafür, dass wir diese Aufgabe sprechend auf viele individuelle Bedürfnisse gut machen. In nahezu jedem Ausbildungsjahr 12
schliessen Lernende aus der Spital Thurgau mit Dabei stehen mit unseren akutsomatischen, psy- Bestnoten ihre Ausbildung ab. 2017 fand erstma- chiatrischen und rehabilitativen Bereichen sowie lig im Kanton Thurgau die kantonale Berufsmeis- mit vielen weiteren Disziplinen, ergänzt durch terschaft der Fachfrauen/Fachmänner Gesund- die verschiedenen Unternehmen der thurmed heit (FaGe) statt. Zwei Tage lang stellten diese Gruppe, breite Möglichkeiten zur persönlichen Fachpersonen ihr Können unter Beweis. Die ers- Laufbahnentwicklung offen. ten drei Ränge wurden von drei jungen Damen, die alle ihre Ausbildung in der Spital Thurgau Diese Dienstleistungsbandbreite innerhalb nur absolviert haben, eingenommen (Bild S. 10). Jun- einer Firmengruppe, die auch noch kurze Wege ge Berufsleute begleiten und integrieren zu kön- kennt, ist in der Schweiz womöglich einmalig. Für nen, bedeutet für uns einen doppelten Nutzen. junge Menschen mit Willen, Kompetenz und Erstens kennen sie unsere Abläufe und Strukturen. dienstleistungsorientierten Macherqualitäten Dank dem bisherigen und oftmals weiterbeste- ein attraktives Betätigungsfeld, welches Chan- henden Austausch mit Schul-/Studienkollegen cen bietet. Dass wir dazu auch durchaus ange- sind sie in der Lage, Bisheriges regelmässig zu messene und in der Gesamtbetrachtung attrak- hinterfragen, neueste Überlegungen aus der tive Löhne zahlen, gehört dazu. Nach unserer Lehre in die Abteilungen und Stationen einflies- Einschätzung und ganz im Sinne unserer ge- sen zu lassen und so indirekt ein stetes Ideenma- schätzten Mitarbeitenden verstehen wir es als nagement zu betreiben, zusammen mit unseren wichtige Aufgabe, möglichst sichere Arbeits- Experten vor Ort. Wir lassen dies zu und unter- plätze zu erhalten und bedarfsgerecht neue zu stützen eine zündende Idee auch mal ganz schaffen. Dies ist somit eines unserer nachhal- pragmatisch. Schliesslich geschehen Verände- tigsten Ziele. Mit Blick darauf, dass unsere Mitar- rungen und Optimierungen nur dort, wo ent- beitenden das «höchste Gut» sind, bleibt dies sprechende Ideen und Konzepte auf fruchtba- ein erfolgskritischer Aspekt. Nicht nur für die ren Boden treffen. nächsten paar Jahre, sondern mit einem weit längeren zeitlichen Horizont. Das haben wir in Sich auf einem guten Niveau auszuruhen, ent- den letzten Jahren jeweils erfolgreich realisieren spricht auch im Bereich der Personalführung können und setzen alles daran, den damit ver- nicht der Philosophie unserer unternehmerisch bundenen anspruchsvollen Aufgaben auch in geprägten Kultur. Wir bieten unseren Mitarbei- Zukunft gerecht werden zu können. tenden Perspektiven und investieren gezielt in ❚ deren anforderungsgerechte Weiterbildung. 13
▲▲ Dr. med. Michael Kroemer, Geschäftsführer der Praxisgemeinschaft Storchen AG, Stein am Rhein im Patientengespräch
Sich ändernde Berufsbilder erfordern neue Konzepte von Norbert Vetterli, Spitaldirektor Kantonsspital Frauenfeld und PD Dr. med. Stefan Duewell, Ärztlicher Direktor Kantonsspital Frauenfeld V iele stellen spätestens bei einem Wohn- Entsprechend ist es in den vergangenen Jahren ortswechsel fest, dass es immer schwieri- zu einem deutlichen Rückgang der Anzahl Haus- ger wird, am neuen Wohnort einen Haus- ärzte gekommen. Rund ein Drittel der praktizie- arzt zu finden. Entweder bekommt man keinen renden Hausärzte sind über 60 Jahre alt und es Termin, da der Arzt völlig ausgebucht ist, oder – fehlt der Nachwuchs. noch schlimmer – am neuen Wohnort gibt es gar keine Hausarztpraxis mehr. Notfallpraxen als vorgelagerte Triagestelle in den Spitälern – eine Win-win-Situation Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschich- Vor rund 10 Jahren haben verschiedene Spitäler tig: Viele Ärzte sind nicht mehr bereit, ihr Leben in der Schweiz reagiert und gemeinsam mit den weitgehend ihrem Beruf unterzuordnen. Das fängt Hausärzten die Notfallversorgung neu organisiert, in der Familie an, welche andere Ansprüche stellt indem auf den Notfallabteilungen der Spitäler als vor 30 Jahren. Auch haben sich die Vorstellun- Notfallpraxen eröffnet wurden, in denen die gen von der persönlichen Lebensgestaltung ge- Hausärzte am Abend und am Wochenende ein- ändert: Der Begriff «Life-Work-Balance» gewinnt fachere Notfälle versorgen. Nachts und tagsüber, zunehmend an Bedeutung. Hinzu kommt, dass wenn die Hausarztpraxen geöffnet sind und ent- der Bund seit 1998 mit dem numerus clausus eine sprechend weniger Bagatellfälle im Notfall ein- sehr restriktive Ausbildungspolitik betreibt, welche treffen, werden diese auch durch die Spitalärzte dazu führt, dass zu wenig Ärzte ausgebildet wer- betreut. Die Hausärzte hatten Interesse an dieser den. Zum anderen wählen viele junge Ärzte nach neuen Lösung, weil sich durch die Abnahme der dem Staatsexamen eine Weiterbildung in einer Anzahl Hausärzte die Dienstbelastung für die ver- Spezialarztdisziplin. Auch dafür gibt es viele Grün- bleibenden Kollegen erhöhte und die Spitäler de: Die Medizin ist in den letzten 30 Jahren kom- ihrerseits waren interessiert, weil deren Notfallab- plexer geworden und viele Ärzte fühlen sich si- teilungen infolge des Hausarztmangels und des cherer, wenn sie nur für einen Teil dieses Wissens veränderten Patientenverhaltens zunehmend mit die Verantwortung übernehmen müssen, als dass Bagatellfällen blockiert wurden. sie sich als primären Ansprechpartner für alle me- dizinischen Probleme zur Verfügung stellen. Hinzu Im März 2009 eröffnete das Kantonsspital Frauen- kommt, dass gewisse Facharztdisziplinen bessere feld als eines der ersten Spitäler der Schweiz eine Verdienstmöglichkeiten bieten und je nach Fach- Notfallpraxis, welche gemeinsam mit den Haus- richtung auch mit einer geringen bis fehlenden ärzten betrieben wird. Im Kantonsspital Münster- Dienstbelastung gerechnet werden kann. lingen erfolgte die Eröffnung auf Anfang 2013. 15
SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2017 Damit positionierten sich die öffentlich-rechtli- • operativer Betrieb unter der Leitung von Haus- chen Spitäler klar auf der Seite der Hausärzte, um ärzten; gemeinsam die medizinische Grundversorgung • Abfederung des finanziellen Risikos durch einen der Bevölkerung zu sichern. starken Partner und Entlastung der Hausärzte von administrativen Tätigkeiten; Das ursächliche Problem – die durch die sinken- • gemeinsame Weiterbildung von Assistenzärz- de Anzahl an Hausärzten fehlende Grundversor- ten, um auch zukünftig immer wieder neue gung der Bevölkerung, vor allem in ländlichen Kollegen für die Praxistätigkeit als Hausarzt vor- Gebieten – ist damit noch nicht gelöst. zubereiten und zu begeistern; • gesicherte Ferienvertretungen durch das Ärz- Gemeinsamer Betrieb von Hausarztpraxen und teteam der Spital Thurgau, damit die Patienten Förderung der Hausarztmedizin auch bei Ferienabwesenheiten gut versorgt Im Juli 2014 übernahm die Spital Thurgau die werden können; Hausarztpraxis von Dr. Georg Schlatter in Stein • gemeinsamer Einkauf von Materialien und Ge- am Rhein. Dieser hatte während rund 2 Jahren räten, um die Betriebskosten weiter zu optimie- erfolglos einen Nachfolger gesucht, aber nie- ren; mand wollte die gut etablierte Praxis mit gros- • gemeinsame Nutzung der Informatik der Spital sem Patientenstamm übernehmen. Um zu ver- Thurgau, um eine hochstehende Systemvernet- hindern, dass eine weitere Lücke in der bevöl- zung zu gewährleisten, was im Gesundheitswe- kerungsnahen Grundversorgung entsteht, rea- sen zukünftig unumgänglich sein wird. lisierte die Spital Thurgau zusammen mit den Hausärzten ein zukunftweisendes Betriebskon- Dieses Betriebskonzept – ausgearbeitet und ko- zept für eine Gemeinschaftspraxis. Seit Juli 2014 ordiniert zwischen den beteiligten Hausärzten darf die neue «Praxis-Gemeinschaft Storchen» und der Spital Thurgau – ermöglicht es, auch wie schon unter ihrem Vorgänger auf einen er- unter den immer schwieriger werdenden Rah- folgreichen Betrieb und zufriedene Patienten menbedingungen gleichzeitig eine erfolgreiche zurückblicken. Folgende Erfolgsfaktoren haben Hausarztpraxis zu führen und damit die medizi- dazu beigetragen, dass eine Hausarztpraxis nische Grundversorgung der lokalen Bevölke- auch unter den aktuellen und zukünftigen Rah- rung auf hohem Niveau zu gewährleisten und menbedingungen erfolgreich betrieben werden den praktizierenden Hausärzten eine ausgegli- kann: chene Work-Life-Balance zu ermöglichen. 16
Weitere Potenziale hinsichtlich integrierter aktiv. Mehrere Kaderpersonen und Fachärzte Versorgung engagieren sich in kantonalen Arbeitsgruppen, Dieses Modell einer Zusammenarbeit zwischen um gemeinsam mit anderen Institutionen die Hausarztpraxen und Spital ist sicher ein wichtiger Strukturen einer integrierten Versorgung zu festi- Schritt für eine weiterhin hochstehende und gen. Innerbetrieblich hat die Spital Thurgau zu- auch mittelfristig stabile Grundversorgung. Es dem ihre ICT-Systeme vorausschauend geplant werden sich aber sicherlich noch weitere Opti- und so vorbereitet, dass zukünftige Schnittstellen mierungsmöglichkeiten finden, welche es zu mit anderen Gesundheitsbetrieben einfach re- nutzen gilt. Auch die anderen Leistungserbringer alisierbar sind. Das in der Spital Thurgau schon im Gesundheitswesen müssen in den kommen- seit längerem eingeführte elektronische Patien- den Jahren Schritt für Schritt in solche Netzwer- tendossier ist ein Kernelement dazu. ke miteinbezogen und im Interesse des Patienten prozessual integriert werden. Spitex, Pflegehei- Die Patienten profitieren von der starken me und weitere niedergelassene Ärzte, um nur Vernetzung der Spital Thurgau einige zu nennen, sind mittelfristig innerhalb des Als Patient ist man froh, wenn sich die einzelnen Behandlungspfades des Patienten zu koordinie- Leistungserbringer bei seiner Behandlung koor- ren. Man spricht von einem Case Management, dinieren. Die Spital Thurgau geht mit einigen gu- welches insbesondere bei komplexen Patienten ten Beispielen voran und zeigt Wege auf, wie die wirkungsvoll greifen muss, will man diese, resp. Grundversorgung zum Wohle des Patienten und deren Angehörige, nicht sich selbst überlassen. im Sinne einer kostenbewussten Medizin auf ho- Auch die Eigenverantwortung des Patienten ist hem Niveau sichergestellt werden kann. ein wichtiger Basisfaktor für seine erfolgreiche Behandlung. Diese wahrzunehmen ist jedoch Bestens ausgebildete und motivierte Fachperso- nicht jedem gleich gut möglich resp. ist er des- nen, eine leistungsfähige, hochmoderne Infra- sen auch nicht immer willens. Dies aus Gründen struktur und eine weitsichtige Betriebsführung einer noch unzureichenden Patientenedukation tragen dazu bei, dass der Kanton Thurgau nicht oder aber auch aufgrund eines fehlenden Kos- nur über eine qualitativ hochstehende medizini- tenbewusstseins. sche Grundversorgung verfügt, sondern diese auch noch zu schweizweit sehr tiefen Kosten an- Die Spital Thurgau ist auch auf dem Gebiet der bieten kann. Vernetzung mit anderen Leistungserbringern sehr ❚ 17
▲▲ Unerlässlich für die optimale Behandlung und Überwachung von Patienten: ICT in der Spital Thurgau ▲▲ Dies ist der Beispieltext für eine Bildlegende. Sie läuft immer nur über zwei Zeilen.
Die Bedeutung der Informations- und Kommunikations-Technolo- gie (ICT) im Spital von Dr. oec. publ. Christian Schatzmann, CIO Spital Thurgau E in Spital wie die Spital Thurgau mit ihren vie- mit verbundenen Abläufe waren eher schwer- len Mitarbeitenden, mehreren Standorten fällig und kompliziert und hatten zur Folge, dass und vielfältigen medizinischen Disziplinen die Patientenakte jeweils nur gerade an einem ist ohne ICT heute nicht mehr funktionsfähig. Vie- Ort zur Einsicht und zur Bearbeitung verfügbar le Abläufe sind derart auf die Verfügbarkeit der war. Computersysteme ausgerichtet, dass ein Ausfall dieser Systeme zu grossen Behinderungen führt Vom computergestützten Berichtswesen zur und eine eigentliche Betriebsstörung darstellt. integrierten Patientenakte Mit der Einführung und Integration von medizi- Es ist aber noch gar nicht so lange her, da prä- nischen Informationssystemen (z. B. Klinikinfor- sentierte sich die Situation ganz anders. Noch mationssystem, Laborinformationssystem etc.) vor zehn Jahren beschränkte sich der Einsatz von und elektronischen Archiven hat sich die Situa- Informatikmitteln im Wesentlichen auf die admi- tion grundlegend gewandelt. Die gesamte me- nistrativen Bereiche wie Buchhaltung, Personal- dizinische und administrative Dokumentation wesen, Patientenadministration oder Perso- einer Patientin oder eines Patienten wird digital naleinsatzplanung des Spitals. Nur in einzelnen an einem Ort geführt und ist bei Bedarf und mit medizinischen Disziplinen wie z. B. der Radiologie den entsprechenden Zugriffsberechtigungen waren digitale Systeme bereits im Einsatz und jederzeit für das behandelnde Personal verfüg- bei der ärztlichen Berichtsschreibung waren die bar. Dank mobil einsetzbaren Computern kann Abläufe zwischen Arzt und Sekretariat weitge- die Behandlungsdokumentation kontinuierlich hend computergestützt. Für die Sprechstunden- und überall im Spital durchgeführt werden, z. B. planung wurde vielleicht ein elektronischer Ka- während der täglichen Visite im Patientenzim- lender verwendet, häufiger kamen jedoch Pa- mer oder im Untersuchungszimmer während pierversionen zum Einsatz. Laboraufträge erfolg- einer ambulanten Konsultation. Gleichzeitig kön- ten auf Papier und die Resultate wurden vor Ort nen z. B. die Röntgenbilder in einem standort- auf Druckern ausgegeben. Die eigentliche Pa- übergreifenden, interdisziplinären Rapport ein- tientenakte mit den Untersuchungsberichten, gesehen und besprochen werden, bei Bedarf Anästhesiedokumentationen, Operationsbe- sogar unter Beizug von externen Experten. richten, Vitaldatenaufzeichnungen etc. bestand aus Papierdokumenten, welche bei jeder Be- Viele medizinische Geräte wie z. B. Vitaldaten- handlung aus dem Archiv bestellt, nachgeführt monitore, CTG im Gebärsaal oder Ultraschall- und wieder abgelegt werden mussten. Die da- geräte im Notfall liefern ihre Daten und Bilder 19
SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2017 direkt in die medizinischen Informationssysteme, Damit die klinischen Informationssysteme ein- so dass manuelle Aufzeichnungen und Übertra- wandfrei funktionieren, sind hohe Investitionen gungen nicht mehr nötig sind. Die Organisation in die ICT-Infrastruktur notwendig. Die flächen- eines operativen Eingriffs erfolgt von der Sprech- deckende Verfügbarkeit von drahtlosen Netz- stundenplanung und -durchführung über die werken wird nicht nur für die Telefonie benötigt, Operationsplanung und -durchführung bis zur sondern auch für die vielen mobilen Geräte wie Bettendisposition und Nachbehandlung auf der Notebooks, Tablets und Medizinalgeräte. Zudem Station in einem einzigen Informationssystem mit müssen Schnittstellen zwischen den Systemen direktem Zugriff auf die notwendigen Patienten- eingerichtet und betrieben werden, damit die daten. Bei operativen Eingriffen in der Orthopä- benötigten Patientendaten jederzeit und überall die lassen sich Implantate mit Hilfe von Röntgen- im Spital verfügbar sind. bildern und entsprechender Planungssoftware im Voraus einpassen, so dass die Operation Die integrierten medizinischen Informationssys- optimal vorbereitet werden kann. Die Bilder aus teme haben unbestreitbar viele Vorteile bezüg- der dermatologischen Sprechstunde werden lich Behandlungseffizienz und Patientensicher- unmittelbar von der Kamera in die Patientenak- heit. Allerdings stellen sie für die Spitäler auch te gespeichert, dasselbe geschieht mit den eine grosse Herausforderung dar, weil viele Pro- Röntgenaufnahmen oder CT-Bildern. Die Labor- zesse nur eingeschränkt funktionieren, wenn die- verordnung wird online erstellt, nach der Analy- se Systeme nicht zur Verfügung stehen. Mit Hilfe se der Proben werden die Resultate über eine von regelmässig geübten Ausfallszenarien kön- digitale Schnittstelle vom Laborsystem in die nen die für Patienten unmittelbar kritischen Ab- Patientenakte geliefert. Allfällige Medikamen- läufe in einem Spital auch ohne digitale Systeme tengaben werden vom Arzt im klinischen Infor- aufrechterhalten werden, allerdings mit wesent- mationssystem verordnet und von der Pflege lich mehr Aufwand. Weniger kritische Aufgaben nach deren Verabreichung quittiert. Nach Ab- müssen bei einem Systemausfall zurückgestellt schluss der Behandlung im Spital werden wich- und später nachgeholt werden. Deshalb werden tige Dokumente wie z. B. Austrittsberichte, Re- grosse Anstrengungen unternommen, um mittels zepte, Röntgenbilder etc. den zuweisenden vorbereiteten Ausfallszenarien, Systemredundan- Ärzten über sichere E-Mail-Verbindungen oder zen, Notstromversorgungen etc. das Ausfallrisiko via Webportal digital zur Verfügung gestellt, da- der zentralen Systeme zu minimieren. mit die Behandlung nach dem Spitalaustritt op- timal weitergeführt werden kann. 20
Institutionsübergreifender Datenaustausch und Aufbau von institutionsübergreifenden Aus- elektronisches Patientendossier tauschplattformen und elektronischen Patien- Viele Spitäler verfügen heute über integrierte, tendossiers noch einige Zeit in Anspruch neh- digitale Patientenakten und sind dadurch in der men. Daneben entwickeln sich aber auch die Lage, ihre Prozesse effizient und effektiv abzuwi- klinischen Systeme rasch weiter. Immer mehr ckeln. Zur weiteren Verbesserung der Patienten- Anwendungen sind bereits heute in der Lage, sicherheit und zur Verhinderung von unnötigen die eigentliche medizinische Behandlungstätig- Untersuchungen und Behandlungen wird die keit zu unterstützen, z. B. bei der Überprüfung von digitale Vernetzung zwischen den medizinischen Medikamenteninteraktionen und -dosierungen, Institutionen ausgebaut. Die gesamte Behand- bei der Analyse von Röntgenbildern, bei der In- lung soll vom Hausarzt über Spezialisten, Spitäler terpretation von Laborresultaten oder bei der und Rehakliniken elektronisch dokumentiert wer- Überwachung von Patientinnen und Patienten den. Während heute bereits der digitale Daten- während einer Operation oder auf der Intensiv- austausch zwischen Spitälern und den nachbe- pflegestation. Dabei liefern die Systeme wichtige handelnden Hausärzten realisiert ist, werden in diagnostische und therapeutische Hinweise oder Zukunft auch Zuweisungen von niedergelasse- alarmieren bei Bedarf das medizinische Perso- nen Ärzten und Überweisungen zwischen Spitä- nal. Durch die weitere Verbreitung von tragbaren lern mit Hilfe von digitalen Plattformen durchge- Computern in Form von Tablets und Smartphones führt. Dabei werden die behandlungsrelevanten stehen die entsprechenden Applikationen und Patientendaten ohne zeitliche Verzögerungen Informationen dem behandelnden Personal schnell und sicher von einem Arzt zum anderen auch unabhängig von festen Arbeitsplätzen je- übergeben und allfällig zusätzlich benötigte Un- derzeit zur Verfügung und erleichtern damit eine terlagen können auf einfache Art und Weise schnelle und zeitnahe Kommunikation. Mit die- nachgeliefert werden. Dieselben digitalen Platt- sen Entwicklungen steigen zwar die Anforderun- formen dienen auch als Grundlage für die Be- gen an die Verfügbarkeit der Infrastruktur und lieferung der individuellen Patientendossiers, wie an die Personen, die mit diesen Instrumenten sie im Eidgenössischen Patientendossier-Gesetz arbeiten, gleichzeitig stellen sie aber auch eine vorgesehen sind. spürbare Erleichterung und Unterstützung der täglichen Arbeit dar und leisten so einen wichti- Während die Digitalisierung und die Integration gen Beitrag zur Behandlungsqualität und Patien- der Behandlungsdokumentation innerhalb eines tensicherheit. Spitals bereits weit fortgeschritten sind, wird der ❚ 21
▲▲ Grossprojekt HORIZONT, Frauenfeld ▲▲ Dies ist der Beispieltext für eine Bildlegende. Sie läuft immer nur über zwei Zeilen.
Nachhaltiges Immobilien management und effizienter Nutzen von Stephan Kunz, Spitaldirektor Kantonsspital Münsterlingen D ie Erneuerung und Optimierung der Im- betont werden, dass die Infrastrukturkosten «le- mobilien beschäftigt uns in der thurmed diglich» rund 15 % der gesamten Betriebskosten Gruppe intensiv. Die mit der neuen Spital- in Schweizer Spitälern ausmachen. Wenn wir in finanzierung 2012 eingeführte finanzielle Verant- der thurmed Gruppe im Zeitraum von 2012 bis wortung der Spitäler für die Finanzierung ihrer 2020 rund Fr. 450 Mio. investieren (nach einem Immobilien und die 2015 erfolgte Übertragung der weitgehenden Investitionsmoratorium zwischen Bauten vom Kanton an die thurmed Immobilien 1990 und 2008), ist dies weniger als der jährliche AG haben das Immobilienmanagement wesent- Umsatz von über Fr. 500 Mio. Ein Verzicht auf – lich verändert. Gleichzeitig haben aber auch die wohlbemerkt sorgfältig geplante – Optimierun- Einführung der Fallpauschalen und die damit ver- gen in die Infrastruktur kann sehr rasch zu einer bundene «Prozesskostensicht», der politisch ge- deutlichen Verschlechterung der Betriebsergeb- wollte Spitalwettbewerb und die sich laufend ent- nisse führen und somit zu einer Negativentwick- wickelnde Ambulantisierung erhebliche Auswir- lung, welche die Eigentümer sehr teuer zu stehen kungen auf die Anforderungen, welche ein mo- kommt (jährliche Verluste oder entgangene derner Spitalbetrieb an seine Infrastruktur stellt. Optimierungsgewinne und später wahrschein- lich höhere Investitionskosten). In den meisten Kantonen übernimmt nach wie vor der Kanton die gesamte Planung, Ausfüh- Die Kunst besteht also darin, rechtzeitig und rich- rung und auch die Finanzierung der Bauten für tig zu investieren, die wertvollen Immobilien die Kantonsspitäler – und vermietet dann die auch effizient zu nutzen und ein nachhaltiges Immobilien zu günstigen Konditionen an «seine» Immobilienmanagement zu betreiben. Ich Spitäler (z.B. SG, SO, BE, Westschweiz). Das ist im wage zu behaupten, dass wir diesbezüglich in Kanton Thurgau anders: Die Spital Thurgau trägt der thurmed Gruppe gut unterwegs sind, die die gesamte Last und Verantwortung für ihre Verantwortlichen mit der Schaffung der thur- Immobilien (Ausnahme St. Katharinental). «Wett- med Immobilien gute Rahmenbedingungen rüsten der Spitäler» ist die negative Sichtweise geschaffen haben und es in den letzten Jahren auf die zugegebenermassen hohen Investitio- gelungen ist, viel Know-how aufzubauen, wie nen, welche viele Spitäler in der Schweiz in den wir unsere Spitäler und Ambulatorien möglichst letzten und kommenden Jahren tätigten resp. kosteneffizient fit für die Zukunft machen. tätigen werden. Sicherlich besteht das Risiko, dass Investitionen in die Erneuerung von Spital Die folgende Übersicht über unsere zahlreichen immobilien getätigt werden, welche strukturell Bauprojekte mag viele Leser sicherlich davon zu nicht sinnvoll sind. Es muss aber immer wieder überzeugen, dass hinter den meisten dieser Pro- 23
▲▲ Visualisierung Haus K auf dem Gelände der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen
jekte sorgfältig erarbeitete Businesspläne und (z.B. eine zentrale Patientenanmeldung mit an- sorgfältig abgewogene unternehmerische Ent- gegliedertem interdisziplinärem Ambulatorium, scheide stehen. Hinter den übrigen Projekten thurmed Kommunikationssysteme u.v.a.m.). steht die übernommene Verantwortung, die zum Teil denkmalgeschützten Bauten an die laufend Dass diese weitgehende Totalerneuerung des steigenden gesetzlichen Anforderungen (Brand- Kantonsspitals Frauenfeld ohne nennenswerte schutz, Arbeitssicherheit, Statik, Energie etc.) an- Provisoriumsbauten innerhalb von rund 4 Jahren zupassen und so zu unterhalten, dass kein Inves- realisiert werden kann, ist bestechend. Voraus- titionsstau entsteht, auch wenn sich diese Unter- sichtlich ab dem 3. Quartal 2019 werden Patien- haltskosten nicht «rentabilisieren» lassen. ten und Mitarbeiter von dieser modernen Infra- struktur profitieren können. Sämtliche Arbeiten Grossprojekt HORIZONT, Frauenfeld werden im 2021 vollständig abgeschlossen sein. Nach jahrelanger Vorbereitung und der Verga- be des Generalunternehmerauftrages konnte OPI (Optimierung Psychiatrie Infrastruktur) – die Grundsteinlegung des Neubaus im Kantons- Erneuerung Häuser U und K spital Frauenfeld im Mai 2017 gefeiert werden. In der Psychiatrischen Klinik konnte anfangs 2018 Die wichtigen Entscheide zu Ausführungsanpas- die umfassende Renovation des Hauses U nach sungen, zur Realisierung von Teilobjekten, welche knapp 2 ½-jähriger Bauzeit abgeschlossen wer- als Optionen in der GU-Ausschreibung vorgese- den. Obwohl eine Station in ein Modulbaupro- hen waren und zu Materialisierungen wurden visorium auf dem Areal ausgelagert wurde, war 2017 gefällt. Die Auftragsvergaben für die gros- die Sanierung dieses Gebäudes unter laufen- sen Lose sind weitgehend an lokal oder regional dem Betrieb für Patienten und Mitarbeitende bekannte Unternehmen erfolgt. Die kritischsten eine grosse Belastung und für die Planer und «Ressourcen» bei diesem komplexen Bauvorha- Unternehmer eine Herausforderung. Die Sanie- ben sind aber kompetente Projekt- und Bauleiter, rung dieser unter Denkmalschutz stehenden Fachplaner und Unternehmer. Fehlen solche Gebäude aus der Jahrhundertwende war auch oder müssen sie während des Projekts «ausge- architektonisch anspruchsvoll. Der Kostenauf- wechselt» werden, steigt das Risiko von Fehlern wand war mit rund Fr. 7 Mio. erheblich. Das Resul- und/oder Verzögerungen deutlich. Das Bauen tat darf aber als gelungen bezeichnet werden. in einem 365 × 24-h-Spitalbetrieb fordert alle Be- teiligten heraus. Wichtige Betriebsoptimierungs- Die Erkenntnisse der Renovation des Hauses U projekte wurden vorangetrieben, um den Bau führten die Architekten dazu, die Sanierung des auf die Anforderungen von morgen auszurichten Hauses K nochmals kritisch zu hinterfragen. Mit 25
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