Glencore: Ein Fall für die Justiz - PUBLIC EYE MAGAZIN
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PUBLIC EYE MAGAZIN für die Justiz Glencore: Ein Fall Nr 9 JANUAR 2018 Investigation Award: Jury steht S. 16 | Kleider «Made in Ukraine» S. 20 | Syngentas giftiges Lobbying S. 24
EDITORIAL Bundesanwaltschaft soll übernehmen Zwei Monate nach der Veröffentlichung der Paradise Papers ist die Aufregung schon wieder weitgehend verflogen. Dies, obwohl das Ausmass der vom Internationalen Netzwerk Investigativer Journalisten (ICIJ) aufgedeckten unfairen Steuerpraktiken von multinationalen Unternehmen und Ultrareichen eigentlich heftige Proteste der «normalen» Steuerzahlenden verdient hätte. Die westlichen Demokratien akzeptieren und bewahren ein System, das den Staatshaushalten dringend nötige Mittel entzieht, während ein paar wenige einen unvorstellbaren Reichtum anhäufen. Anwält- innen und Anwälte werden nicht müde zu betonen, dass die von ihnen ausgeheckten Tricks legal seien. Doch die intransparenten Offshore-Konstrukte ermöglichen es Unternehmen, die wenig Skrupel kennen, in aller Ruhe höchst zweifelhafte Transaktionen durchzuführen. Unter anderem Glencore, dem Rohstoffgiganten aus Zug. Für dessen delikate Geschäfte in der Demokratischen Republik Kongo interessieren sich Medien und NGOs bereits seit Jahren. Die Paradise Papers haben nun neue Fakten ans Licht Raphaël de Riedmatten gebracht, die den Verdacht auf suspekte Zahlungen bestärken. Aus einer bislang geheimen Vereinbarung geht hervor, dass Glencore dem zwielichtigen israelischen Geschäftsmann Dan Gertler 45 Millionen Dollar lieh. Dieser verhandelte im Gegenzug erfolgreich mit den Dank Ihnen! kongolesischen Behörden. Glencore verschaffte sich so Zugang zu Die Reportagen und Analysen in unserem Magazin und die Recherchen, auf denen diese beruhen, sind zwei der begehrtesten Kupfer- und Kobaltminen – zu unschlagbaren nur dank der Unterstützung unserer Mitglieder Konditionen. Wie schaffte es das Unternehmen, auf den Eintrittspreis möglich. einen Rabatt von 445 Millionen Dollar zu erhalten? Ein Betrag, der Sie sind bereits Mitglied? Herzlichen Dank! Und doppelten Dank, falls Sie jemandem eine dem gesamten Bildungsbudget der Demokratischen Republik Kongo Mitgliedschaft verschenken. entspricht? Geld, das das Land dringend nötig hätte … Sie sind noch nicht Mitglied? Für 75 Franken pro Jahr werden Sie es und erhalten regelmässig unser Magazin. Oder lernen Sie uns erst kennen Diese zentrale Frage hat Public Eye nun der Schweizerischen Bundes- und bestellen Sie gratis ein Testa bonnement. anwaltschaft übergeben: Am 19. Dezember haben wir Strafanzeige Wir freuen uns, von Ihnen zu hören – auf www.publiceye.ch/mitglieder eingereicht. Wir sind der Meinung, dass die Schweizer Justiz genügend Hinweise hat, um zu untersuchen, ob Glencore die nötigen Vorkeh- rungen getroffen hat, um profitable, aber illegale Handlungen zu verhindern. Es liegt an der Justiz, den Verdacht auf Veruntreuungen zu zerstreuen – oder zu bestätigen. PUBLIC EYE MAGAZIN Nr 9, Januar 2018 PRODUKTIONSLEITUNG TITELBILD Per-Anders Pettersson / Getty KONTAKT ISSN 2504-1266 Raphaël de Riedmatten — Public Eye, Dienerstrasse 12, — — DRUCK Vogt-Schild Druck AG Postfach, 8021 Zürich POSTKONTO 80-8885-4 REDAKTION Timo Kollbrunner Cyclus Print & Leipa, FSC — — — — Tel. +41 (0) 44 2 777 999 Das Public Eye Magazin LAYOUT opak.cc AUFLAGE D: 23 000 Ex. / F: 8200 Ex. kontakt@publiceye.ch erscheint sechs Mal pro Jahr.
INHALT Die Paradise Papers und die Schweiz Glencores Geschäfte im Kongo: Public Eye reicht Strafanzeige ein S. 4 Die Paradise Papers, die Schweiz und die Rohstoffe S. 10 Steueroptimierung à la Paradise Papers auch in der Schweiz S. 14 Die Professorin in unserer Jury Die Journalismus-Professorin Anya Schiffrin ist eines von vier externen Jury-Mitgliedern für unseren «Investigation Award». Jetzt noch ein Projekt einreichen! S. 16 Die Realitäten hinter «Made in Ukraine» © S. Dawson/Bloomberg/Getty Oksana Dutchak hat recherchiert, wie bekannte Modemarken in ihrer Heimat Kleider herstellen lassen. Jetzt will sie ins öffentliche Bewusst- sein bringen, was das für die Arbeitenden bedeutet. S. 20 Inakzeptable Doppelmoral Ein Arbeiter in der kongolesischen Kupfer- Syngenta weibelt für giftige Pestizide verarbeitungsanlage von Katanga Mining – des – mit Unterstützung des Bundes S. 24 Unternehmens, das für den Zugang zu begehrten Minen in der Demokratischen Republik Kongo Konzernverantwortungsinitiative einen riesigen Rabatt erhielt. Ging dabei alles Der Gegenvorschlag ist gescheitert, mit rechten Dingen zu? der Abstimmungskampf geht los S. 26 Nein zu «No Billag» Ein Ja wäre auch für NGOs eine Katastrophe S. 27
4 PUBLIC EYE MAGAZIN Nr 9 Januar 2018 Glencores Geschäfte im Kongo: Public Eye reicht Straf- anzeige ein © S. Dawson/Bloomberg/Getty Letzten November haben die «Paradise Papers» aufgedeckt, wie der Rohstoffgigant aus Zug in der Demokratischen Republik Kongo für den Zugang zu sehr begehrten Kupfer- und Kobaltminen einen massiven Rabatt erhalten hat. Als Vermittler für Glencore fungierte der zwielichtige Geschäftsmann Dan Gertler. Für Public Eye ist es an der Zeit, dass die Schweizer Justiz überprüft, ob die Transaktionen, die im Rahmen dieser Zusammenarbeit abgeschlossen wurden, rechtmässig waren. MARC GUÉNIAT Die Presse und die NGOs haben ihren Teil der Arbeit ge- Es ist an der Zeit, dass sich die Justiz dem Korruptions- macht. Seit mehr als fünf Jahren weisen sie darauf hin, wie verdacht im Zusammenhang mit den Aktivitäten von Glencore an Schürfrechte für einige der weltweit begehr- Glencore in einem der ärmsten Länder der Welt annimmt testen Kupfer- und Kobaltminen in der Demokratischen und diesen bestätigt oder entkräftet. Am Dienstag, dem 19. Republik Kongo gekommen ist. Dutzende von detaillierten Dezember, hat Public Eye deshalb eine Strafanzeige bei der Berichten und Artikeln werfen die Frage auf, wie Glencore Bundesanwaltschaft (BA) eingereicht und sie aufgefordert, mit Dan Gertler zusammenarbeitet – einem zwielichtigen den Fall – mit dem Einsatz ihrer Mittel, die über jene einer israelischen Geschäftsmann, der den höchsten Kreisen journalistischen Recherche hinausgehen – zu untersuchen. in Kinshasa sehr nahe steht und für sein Talent bekannt ist, Deals abzuschliessen, die für die Staatskassen immer Ein ungeklärter Rabatt ungünstig ausfallen. Anfang November dieses Jahres ent- Die Affäre, um die es geht, beginnt im März 2008. Im hüllten die «Paradise Papers» neue Elemente, die noch Kongo veröffentlicht eine offizielle Kommission einen deutlicher machten, wie nötig es ist, dass diese Verbin- Bericht, in dem sie die Neuverhandlung von Schürfrecht- dungen auf rechtlicher Ebene überprüft werden. lizenzen fordert. Diese waren zwei Jahre zuvor zu oft
DIE SCHWEIZ UND DIE PARADISE PAPERS 5 sehr tiefen Preisen an ausländische Investoren vergeben 265 Millionen, der später in Aktien umgewandelt wird. worden. Nun will die Demokratische Republik Kongo, Warum gewährt die Schweizer Firma Gertler dieses Pri- eines der ärmsten Länder der Welt, mehr abbekommen vileg, das sie den anderen Aktionärinnen und Aktionären von den Gewinnen, die mit den Erzen aus ihrem Boden verweigert? Ist der Mann unerlässlich für den reibungs- erzielt werden. Die Revision obliegt dem staatlichen Un- losen Ablauf von Glencores Geschäften im Kongo? ternehmen «Générale des carrières et des mines» (Géca- Im Zuge der Verhandlungen mit Gécamines wird mines). Es vergibt die Lizenzen, legt den Umfang der Gertler dreimal beauftragt, die Gespräche zu führen. Das Konzessionen fest und zieht die Gebühren ein. Geht es heikelste Thema auf der Agenda ist die Höhe des Ein- um Kupfer, verlangt Gécamines ebenfalls ein «pas-de- stiegsgeldes. Am 23. Juni 2008, während einer Sitzung porte», eine Art Zutrittsgeld zur Mine, das auf der Basis im Hilton Hotel des Flughafens Zürich, kommt der Ver- der verfügbaren Reserven berechnet wird: Pro Tonne waltungsrat von Katanga Mining zum Schluss, die finan- des roten Metalls werden 35 US-Dollar fällig. Ein Bericht ziellen Forderungen des Kongo seien «unannehmbar». des Carter Centers zu diesem Thema bescheinigt dieser Im Beisein von Aristotelis Mistakidis, dem milliarden- Lösung den «Vorteil der Einfachheit». Im Prinzip gilt schweren Verantwortlichen für das Kupfergeschäft von sie für alle, tatsächlich haben mehr als drei Viertel der Glencore, erhält Gertler seinen ersten Auftrag. Innerhalb Bergbaukonzessionäre in der Demokratischen Republik weniger Tage schafft er es, die Situation zu entschärfen. Kongo solch einen Einstiegspreis bezahlt. Im Oktober interveniert er ein zweites Mal erfolgreich. Doch Glencore und Dan Gertler – die als Partner bei der Firma Katanga Mining im Kongo in zwei Minen «Lebenswichtige Mission» anvertraut namens Kamoto und DCP Kupfer und Kobalt fördern Die vom Verwaltungsrat als «lebenswichtig» bezeichnete – schaffen es, den eigentlichen Einstiegspreis um das Vereinbarung ist jedoch noch nicht formell genehmigt. Vierfache zu verringern: Statt der von Gécamines ge- Der entscheidende Moment kommt im ersten Quartal forderten 585 Millionen Dollar bezahlen sie schliesslich 2009. Dank der «Paradise Papers» lässt sich die Abfolge lediglich 140 Millionen oder 8,5 Dollar pro Tonne. Dieser der Ereignisse rekonstruieren. Anfang Jahr leiht Glen- Rabatt entspricht einem Zehntel des damaligen Budgets core Gertler heimlich 45 Millionen Dollar. Bedeutendes der Demokratischen Republik Kongo oder dem gesamten Detail der Vereinbarung: Das Darlehen ist abhängig vom Bildungsbudget des Landes des Jahres 2010. Wie kam Erfolg der Verhandlungen, die dem Unternehmer anver- Katanga Mining zu diesen fantastischen Konditionen? traut wurden. Sollte er scheitern, muss er Glencore die Dies ist die zentrale Frage, deren Klärung Public Eye den Summe voll zurückzahlen und bleibt ein unbedeutender Schweizer Justizbehörden übergibt. Auf Anfrage der Me- Aktionär von Katanga Mining. Es steht also viel auf dem dien im Rahmen der «Paradise Papers»-Enthüllungen Spiel für ihn. Aber der Mann ist es gewohnt, mit hohen erklärte Glencore den tiefen Betrag erst mit der Menge Einsätzen zu spielen. der Kupferreserven, die Katanga Mining zur Verfügung Gertler erfüllt seine Mission, diesmal definitiv. steht. Nachdem diese Rechtfertigung von der NGO «Re- Am 31. März 2009 schreibt Katanga Mining in einer source Matters» widerlegt wurde, äusserte sich die Firma Pressemitteilung erfreut: Das Unternehmen bezahlt mit Sitz in Zug nicht mehr zu der Sache. einen Einstiegspreis von nur 140 Millionen Dollar. Im Juli wird das Abkommen mit Gécamines unterzeichnet. Eine Aufmerksamkeit von 45 Millionen Gleichzeitig wandeln Glencore und Gertler ihr Darlehen Es ist genau in der Zeit während der Verhandlungen mit in Aktien um und werden so zu den Steuermännern über Gécamines, die zwischen Juli 2008 und Juli 2009 statt- die lukrativen Minen Kamoto und DCP. finden, als Glencore sich anschickt, die Kontrolle über Die Frage bleibt: Warum haben Glencore und Katanga Mining zu übernehmen. Durch ein in Aktien um- Katanga Mining drei Mal gerade Dan Gertler damit be- wandelbares Darlehen von 265 Millionen Dollar versorgt auftragt, mit den kongolesischen Behörden zu verhan- das Schweizer Unternehmen die kongolesischen Minen, deln? Einen Mann, dessen Ruf bereits damals äusserst die durch die Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten zwielichtig war, wie wir sehen werden. sind, mit flüssigen Mitteln. De facto bedeutet dies, dass die Anteile der übrigen Aktionäre von Katanga Mining Persönlicher Freund des Präsidenten erheblich reduziert werden, weil sich diese nicht an der Am 17. Mai 1997 besucht Dan Gertler, Sohn eines Kapitalerhöhung beteiligen können. Ein einziger weiterer Diamantenhändlers, die Demokratische Republik Kongo Aktionär steuert Kapital bei: Dan Gertler. Aber in Tat zum ersten Mal. Er ist 23 Jahre alt. Soeben hat Lau- und Wahrheit kommt das Geld von Glencore: Das Unter- rent-Désiré Kabila Mobutu nach einem blutigen Bür- nehmen gewährt dem israelischen Geschäftsmann ein gerkrieg gestürzt. Dan Gertler freundet sich schnell mit Darlehen von 45 Millionen Dollar. Er wird so zum neben Joseph Kabila an, dem damaligen Oberbefehlshaber der Glencore einzigen bedeutenden Beteiligten am Kredit von Armee, der 2001, nach dem Tod seines Vaters, dessen
6 SCHWERPUNKT PUBLIC EYE MAGAZIN Nr 9 Januar 2018 Die Deals von Glencore in der Demokratischen Republik Kongo Der Rohstoffriese Glencore hat sich in der Demokratischen Republik Kongo den Zugang zu begehrten Kupfer- und Kobaltminen gesichert. Um zu möglichst günstigen Konditionen an die Bodenschätze zu kommen, setzte der Konzern auf einen Geschäftsmann mit äusserst zwielichtigem Profil: Dan Gertler. Zwischen 2008 und 2009 beauftragte Glencores Minen- gesellschaft Katanga den Israeli damit, mit den kongolesischen Behörden zu verhandeln. Gécamines Katanga Von Glencore Staatliches Bergbau- kontrollierte Minen- unternehmen gesellschaft 1 FRÜHLING 2008 Revision der Minenlizenzen → «Zutrittsgeld», um Minen ausbeuten zu dürfen, wird auf 585 Mio. $ festgelegt. Dem Kongo entgehen Einnahmen von 445 Mio. $. Das entspricht der Höhe des Bildungsbudgets des Landes im Jahr 2010. MÄRZ 2009 Nach der Intervention von Gertler wird das Zutrittsgeld für Katanga von 585 auf 140 Mio. $ reduziert. 5 Kongolesische Offizielle Infografik : emphase.ch
DIE SCHWEIZ UND DIE PARADISE PAPERS 7 Minen Ohne Kupfer und Kobalt könnten Kupfer und Kobalt keine Smartphones oder Elektroautos hergestellt werden. 3 JANUAR 2009 Durch die Gewährung eines Darlehens übernimmt Glencore faktisch die Kontrolle über Katanga. Aktionäre Glencore FEBRUAR 2009 Geheime Vereinbarung 4 → Glencore leiht Gertler 45 Mio. $ in Form von Katanga-Aktien. Die Rück- zahlung ist abhängig vom 2 Erfolg der Verhandlungen. ZWISCHEN 2008 UND 2009 Dan Gertler wird dreimal mit Im Februar 2017 Verhandlungen beauftragt. übernimmt Glencore Gertlers Anteile an verschiedenen Minen für 922 Mio. $. Gemäss eines Entscheids der amerikanischen Justiz vom September 2016 wurden zwischen 2005 und 2015 über 100 Mio. $ Bestechungsgelder bezahlt – zum Teil von einem israelischen Geschäftsmann, den die Medien als Dan Gertler identifizierten. Dan Gertler
8 SCHWERPUNKT PUBLIC EYE MAGAZIN Nr 9 Januar 2018 Nachfolge übernimmt. Nun ist Gertler der persönliche nimmt dessen Anteile an verschiedenen Minen für ins- Freund des amtierenden Staatsoberhauptes. gesamt 922 Millionen Dollar. Der Diamantenhändler ist Noch im selben Jahr bezeichnet ein Experten- zu einer zu grossen Hypothek geworden. Sechs Monate bericht an den Sicherheitsrat der UNO die Aktivitäten des zuvor hat ein Investmentfonds, Och-Ziff, ein Abkommen israelischen Geschäftsmanns als «einen Alptraum» für mit der US-Justiz geschlossen, in dem es sich bereit er- die Regierung der Demokratischen Republik Kongo. Dies klärt, ein Strafgeld von 413 Millionen Dollar zu zahlen, um deshalb, weil Gertler gemäss dem Bericht vom staatlichen Strafverfahren in Bezug auf Korruptionsvorwürfe in ver- Unternehmen MIBA für eine lächerlich kleine Summe ein schiedenen Ländern zu entgehen. In der Demokratischen Monopol auf den Verkauf von Diamanten erhalten habe. Republik Kongo sind Schmiergelder über einen «israe- Sechs Jahre später kommt ein weiterer UN-Bericht zum lischen Geschäftsmann» ausbezahlt worden, bei dem Schluss, dass Gertler durch den Verkauf fast der Gesamt- es sich vielleicht um jene Person handle, die den Film heit der MIBA-Diamanten den Bürgerkrieg und die damit «Blood Diamond» inspiriert habe. Der Geschäftsmann wird auch als persönlicher Freund zweier hochrangiger kongolesischer Beamter bezeichnet, deren Profil dem von Joseph Kabila und Augustin Katumba Mwanke entspricht. Dank seiner beiden mächtigen Freunde Es bestehen kaum Zweifel daran, dass dieser Mann Dan hat Gertler Einfluss auf die höchsten Ebenen Gertler ist. Doch als die Presse ihn darauf anspricht, strei- des kongolesischen Staates. tet Gertler jederlei verwerfliches Verhalten ab. Dutzende Millionen Dollar Schmiergeld Nicht abzustreiten ist die Tatsache, dass diese «zwei verbundenen Gewalttaten finanziere. Im Jahr 2005 lehnt kongolesischen Beamten» Dutzende Millionen Dollar sich das kongolesische Parlament gegen die Transaktio- an Schmiergeldern erhalten haben – unter anderem in nen zwischen Examon, einem Unternehmen Gertlers, jener Phase, in der Glencore und Katanga Mines über und MIBA auf: Es sei «weder fair noch akzeptabel», dass Gertler erbittert mit Gécamines verhandelten. Die Un- Examon dermassen viel Gewinn erwirtschafte und die terlagen des US-Entscheids zeigen ebenfalls, dass einige Diamantenproduktion der MIBA an sich reisse. Der Kre- der aufgedeckten Bestechungsgelder von der Firma dit- und Verkaufsvertrag zwischen MIBA und Examon Lora Enterprises gezahlt wurden – derselben Offshore- enthalte – verglichen mit an den internationalen Finanz- Gesellschaft, die von Glencore das Darlehen in der Höhe märkten normalerweise geltenden Regeln – «eindeutig ein von 45 Millionen Euro erhalten hat. finanzielles Ungleichgewicht zum Vorteil von Examon». Dies alleine müsste eigentlich als Indiz ausreichen, um die Neugier der Strafverfolgungsbehörden zu we- Der «Zwillingsbruder» cken. Sollte sich die Justiz der Sache annehmen, dürfte sie Den Vertrag mit Examon hat Augustin Katumba Mwan- Glencore nach den «höchsten Standards» beurteilen, die ke, die Nummer zwei des kongolesischen Regimes und das Unternehmen laut eigener Aussage bei der Korrupti- Kabilas inoffizielle rechte Hand, unterzeichnet. Der wird onsbekämpfung anwendet. Glencore könnte auf jeden in einem UN-Bericht als der unumgängliche Mittelsmann Fall nicht sagen, von nichts gewusst zu haben: Sämtliche bei Bergbautransaktionen bezeichnet. Auch Katumba ist Mandate von Gertler wurden im Beisein von Aristotelis ein enger Freund von Gertler, in seinen Memoiren be- Mistakidis genehmigt. zeichnet er ihn gar als seinen «Zwillingsbruder». Und Glencore hat öffentlich bezeugt, man habe Dank seiner beiden mächtigen Freunde hat der isra- eine gründliche und vollständige Sorgfaltsprüfung elische Geschäftsmann Einfluss auf die höchsten Ebenen durchgeführt, bevor man begonnen habe, mit dem des kongolesischen Staates. Bei jedem Unternehmen mit Israeli zusammenzuarbeiten. Die Aufsichtsbehörden einem Compliance-Verfahren, das seinen Namen verdient, der kanadischen Börse, an der Katanga Mining gelistet hätte solch ein Profil die Alarmstufe Rot auslösen müssen. ist, scheinen an dieser These zu zweifeln. Die Ontario Aber Glencore stört sich nicht daran. Im Gegenteil: Das Securities Commission überprüft derzeit, ob das Berg- Zuger Unternehmen kooperiert bei mehreren anderen ge- bauunternehmen die Investorinnen und Investoren aus- wichtigen Geschäften mit dem Mann. Noch im Jahr 2012 reichend über die Korruptionsrisiken informiert hat, die bezeichnet der oberste Chef von Glencore, Ivan Glasenberg, mit Gertlers Aktivitäten im Kongo verbunden sind. Als Gertler explizit als einen «unterstützenden Aktionär». Reaktion darauf ist Aristotelis Mistakidis aus dem Vor- stand von Katanga Mining zurückgetreten. Glencores Gertler als Vorbild für Di Caprio «Mister Copper» aber ist er nach wie vor. Doch im März 2017 bricht Glencore die Zusammenarbeit mit Gertler nach zehn fruchtbaren Jahren ab und über-
MAGAZIN 9 © Simon Dawson/Bloomberg/Getty Images Der zwielichtige Vermittler Dan Gertler 2012 bei einem Rundgang über die Anlagen von Katanga Mining in der Demokratischen Republik Kongo. Keine Klagebefugnis für NGOs bei Korruptionsaffären Das schweizerische Recht räumt Dritten keine Klage- Entscheidung Berufung einlegen, noch kann sie sicher- befugnis ein. Daher kann ein Verein wie Public Eye stellen, dass die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit ord- keine Anklage im Namen des öffentlichen Interesses nungsgemäss verrichtet. Die Staatsanwaltschaft ist einreichen, um die Behörden dazu aufzufordern, ein jedoch verpflichtet, die anzeigende Person über die Strafverfahren zu eröffnen. getroffenen Massnahmen zu informieren. In der Schweiz haben nur Umweltschutzverbände ein In Frankreich stellt sich die Situation nach einem weg- Beschwerderecht, und auch diese ausschliesslich in weisenden Gerichtsentscheid anders dar. Im Jahr 2007 Verwaltungsangelegenheiten; etwa, um sich gegen ein haben die Vereine Sherpa und Transparency Internatio- Bauvorhaben zu wehren, das die Natur oder die Land- nal die Justiz aufgefordert, ein Verfahren gegen angeb- schaft bedroht. lich illegale Vermögenswerte von Führungspersonen aus Kongo-Brazzaville, Gabun und Äquatorialguinea einzulei- Deshalb haben wir im Falle von Glencore in der Demo- ten. Drei Jahre später hat der französische Kassations- kratischen Republik Kongo eine Strafanzeige an die gerichtshof den beiden Verbänden erstmals die Befugnis Staatsanwaltschaft des Bundes geschickt, wie dies jede erteilt, aktiv am Verfahren teilzunehmen. Diese Verfah- Bürgerin und jeder Bürger tun kann. Im Gegensatz zum ren sind noch nicht abgeschlossen. Jedoch wurde im Beschwerdeführenden, der als Verfahrensbeteiligter Jahr 2017 Teodorin Obiang Nguema, Sohn des Präsiden- anerkannt ist, hat eine anzeigende Person keinen Zugriff ten und Minister in der Regierung von Äquatorialguinea, auf die Ermittlungsakten. Sie kann weder gegen eine in erster Instanz verurteilt.
10 SCHWERPUNKT PUBLIC EYE MAGAZIN Nr 9 Januar 2018 Die Paradise Papers, die Schweiz und die Rohstoffe Idyllische Inseln, eine ebenso beflissen wie diskret arbeitende Anwaltskanzlei, unzählige Briefkastenfirmen und Ultrareiche, die nach Möglichkeiten suchen, einen Teil ihres Vermögens zu verbergen. Die «Paradise Papers» vereinen alle Bestandteile eines guten Kriminalromans aus der zwielichtigen Offshore-Welt. Was sie auch zeigen: Die fragwürdigen Machenschaften von grossen Schweizer Rohstofffirmen. GÉRALDINE VIRET UND OLIVIER LONGCHAMP Offshore-Leaks 2013, China-Leaks und Lux-Leaks 2014, Verbindungen von Schweizer Unternehmen oder Privat- Swiss-Leaks 2015, Bahamas-Leaks und Panama Papers personen liegt die Schweiz auf Platz 9 der Länder mit den 2016: Immer wieder treten neue Datenlecks auf und meisten Kundinnen und Kunden von Appleby, der Kanz- werfen Licht auf die nach wie vor wenig bekannte Off- lei, die im Zentrum der Paradise Papers steht. Zieht man shorewelt, in der schwerreiche Promis, hochrangige andere Offshore-Finanzplätze ab, nimmt die Schweiz gar Politikerinnen und Politiker und multinationale Konzerne Rang 5 ein. Eine Position, die in keinem Verhältnis steht fiktive Unternehmen gründen, um deren wahre Eigen- zur demografischen oder wirtschaftlichen Bedeutung der tümerinnen oder Eigentümer zu verbergen, Geschäfts- Schweiz in der Welt. beziehungen zu verschleiern, Steuern zu vermeiden oder Die jüngsten Enthüllungen zeigen einmal mehr, sich den Strafverfolgungsbehörden zu entziehen. wie risikobehaftet die Geschäfte der Schweizer Rohstoff- Die Paradise Papers, die im November letzten Jah- branche sind. Die intransparenten Rohstoffhandelsfirmen res vom Internationalen Netzwerk Investigativer Jour- sind oft in Ländern mit schwachen Regierungen, gros- nalisten (ICIJ) veröffentlicht wurden, sind das Resultat ser Armut oder endemischer Korruption tätig. Dabei des bislang grössten Datenlecks in einem Steuerparadies: arbeiten sie eng mit Regierungen oder staatlichen Erdöl- Über 13 Millionen vertrauliche Dokumente sind ans gesellschaften zusammen, was grosse Risiken birgt. Die Licht gekommen. Die darin dokumentierten Methoden Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und der Steuervermeidung oder der Verschleierung dubioser Entwicklung (OECD) hat die Rohstoffbranche als den Geschäfte sind zwar in den meisten Fällen legal, aber Sektor mit dem höchsten Korruptionsrisiko identifiziert dennoch nicht legitim. Besonders schlecht verdaulich – weit vor anderen Wirtschaftsbereichen, die nicht eben sind diese Machenschaften, wenn sie zum Nachteil der einen guten Ruf geniessen, wie etwa Bautätigkeiten der Bevölkerung armer Länder stattfinden und diesen die öffentlichen Hand oder die Waffenindustrie. Mittel entziehen, die sie für ihre Entwicklung dringend nötig hätten. Glencores zwielichtiger Partner Der Zuger Rohstoffgigant Glencore ist ein exklusiver Rohstofffluch «Made in Switzerland» Kunde von Appleby und bei den Mitarbeitenden der Was sagen die vom Journalisten–Netzwerk analysier- Firma für seine Anfragen am Rande der Legalität be- ten Daten über die Rolle der Schweiz aus? Wirtschafts- kannt. Der Name Glencore erscheint ungefähr 34 000 minister Johann Schneider-Ammann sagte in einer ers- Mal in den Unterlagen, die das ICIJ erhalten hat. Dieses ten Reaktion, er befürchte aufgrund der Paradise Papers Unternehmen alleine hat 107 Offshore-Gesellschaften kreiert. Die meisten mit dem Zweck, seine Steuern zu «optimieren» – zur grossen Freude der Aktionärinnen und Aktionäre, von denen manche zur Chefetage von Die Paradise Papers zeigen einmal mehr, Glencore gehören. wie risikobehaftet die Geschäfte der Schweizer Glencore, im Ausland zuweilen als «das grösste Rohstoffbranche sind. Unternehmen, von dem Sie noch nie was gehört haben» bezeichnet, steht im Zentrum verschiedener heikler Geschäfte, die durch die Paradise Papers enthüllt wurden. Am meisten Aufsehen erregte jenes in der Demokra- keinen Imageschaden «speziell für die Schweiz», weil tischen Republik Kongo: Durch die Partnerschaft mit die Enthüllungen «die ganze Welt» beträfen. Tatsächlich einem zwielichtigen Geschäftsmann erhielt der Kon- aber nimmt die Schweiz in den Papieren einen durch- zern einen Riesenrabatt auf den Preis von Schürfrech- aus prominenten Platz ein. Mit über 2360 eindeutigen ten (siehe Hauptartikel ab Seite 4). Dadurch entgingen
© Simon Dawson/Bloomberg/Getty Imag der Demokratischen Republik Kongo – einem Land, in Nascimento (Spitzname «Dino») ein, der damals ein dem mehr als 80 Prozent der Bevölkerung mit weniger enger Berater von Präsident Dos Santos war. Dank als zwei Dollar pro Tag auskommen müssen – mehrere seiner exklusiven Beziehungen erhielt der Konzern hundert Millionen Dollar. Die Geschäfte von Glencore einen Vertrag über etwa 3,3 Milliarden Dollar, unter in der Demokratischen Republik Kongo zeigen in ex- anderem das Monopol auf die Versorgung Angolas emplarischer Weise, welche zentrale Rolle Rohstoffun- mit Benzin und Diesel. Die Unterlagen von Appleby ternehmen beim Rohstofffluch spielen, der auf vielen zeigen nun die grosse Nähe zwischen Trafigura und ressourcenreichen Ländern lastet. dem General und wie ihre kommerziellen Interessen miteinander verflochten sind. Aus den Dokumenten Trafigura und die angolanische Elite Glencore ist nicht das einzige Handelsunternehmen mit Sitz in der Schweiz, von dem in den Paradise Papers die Rede ist. Am 8. November veröffentlichte die niederlän- Dank exklusiver Beziehungen erhielt Trafigura dische Tageszeitung «Trouw» einen Bericht, der die zwei- einen Vertrag über etwa 3,3 Milliarden Dollar, felhaften Praktiken von Trafigura in Angola anprangerte unter anderem das Monopol auf die Versorgung – einem Land, in dem der machthabende Präsidentenclan Angolas mit Benzin und Diesel. seinen prunkvollen Lebensstil seit Jahren durch den Er- lös aus der staatlichen Ölförderung finanziert. Dieser Fall hatte bereits 2013 die Aufmerksamkeit von Public Eye geweckt. Damals veröffentlichten wir einen Bericht, der geht unter anderem hervor, dass «Dino» zwar in den die engen Bande zwischen dem Konzern mit Sitz in Genf Unterlagen des Joint Venture mit der Genfer Roh- und dem einflussreichen Geschäftsmann Leopoldino stoffgruppe als einziger «Investor» angegeben ist, die- Fragoso do Nascimento aufdeckte – einem Mann mit ses aber in Wahrheit von Mariano Marcondes Ferraz direktem Zugang zum angolanischen Präsidenten. gegründet und geleitet wurde. Ferraz, ein früherer Glen- Kurz zusammengefasst: Im Jahr 2011 ging core-Mitarbeiter, war damals die Nummer Eins von Trafigura eine Partnerschaft mit General Fragoso do Trafigura in Angola und stieg 2014 in die Geschäftslei-
12 SCHWERPUNKT PUBLIC EYE MAGAZIN Nr 9 Januar 2018 tung auf. Im Jahr 2016 wurde er im Rahmen des Petro- Agroindustrie im Allgemeinen und seines Unternehmens bras-Skandals in Brasilien wegen Korruption angeklagt. im Besonderen zu fördern – mit äusserst negativen Folgen für die Umwelt und die indigene Bevölkerung. Im Septem- Louis Dreyfus und der Sojakönig ber 2017 leiteten die brasilianischen Justizbehörden ge- Eine weitere illustre Figur in den Paradise Papers ist gen Maggi ein Verfahren wegen Korruption, Geldwäsche der brasilianische «Sojakönig» Blairo Maggi. Der Gross- und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung ein. grundbesitzer und ehemalige Gouverneur des Bundestaa- Es geht um seine mögliche Rolle in einem Korruptions- tes Mato Grosso erhielt im Jahr 2005 von Greenpeace die skandal während seiner Zeit als Gouverneur. Der Land- «Goldene Kettensäge» als Anerkennung seines Beitrags wirtschaftsminister bestreitet jegliche Vorwürfe. Klima der Straflosigkeit Die von den Paradise Papers aufgedeckten Fälle haben Die Fälle haben einen gemeinsamen Nenner: einen gemeinsamen Nenner: Sie zeigen die Bereitschaft Sie zeigen die Bereitschaft von Rohstoffunternehmen, von Rohstoffunternehmen, mit risikoreichen Partnern, mit risikoreichen Partnern, insbesondere politisch insbesondere politisch exponierten Personen oder de- exponierten Personen oder deren Umfeld, engste ren Umfeld, engste Geschäftsbeziehungen einzugehen Geschäftsbeziehungen einzugehen. – trotz der grossen Risiken von Interessenkonflikten und Korruption. Neben den oben erwähnten Fällen kann man auch noch den Zürcher Fondsmanager Jean-Claude Bastos de Morais erwähnen, der den Auftrag zur Ver- an die Entwaldung des Amazonas. Heute steht er an der waltung des angolanischen Staatsfonds wohl vor allem Spitze des mächtigen Landwirtschaftsministeriums. Im deshalb erhalten hat, weil er eine äusserst enge Bezie- Rahmen der Paradise Papers enthüllte das französische hung zum Sohn von Präsident Dos Santos pflegt und investigative Fernsehformat «Cash Investigation» die Kontakte zu wichtigen Schweizer Persönlichkeiten hat. problematischen Geschäfte des Unternehmens Louis Offshore-Konstrukte, wie sie von der Anwalts- Dreyfus Commodities mit diesem Geschäftsmann und kanzlei Appleby ausgeheckt werden, dienen oft dazu, Politiker in Personalunion. die Natur der Geschäfte und die tatsächlichen Besitzer- Die niederländische Gruppe, die einen wesent- innen oder Besitzer der Unternehmen zu verschleiern, mit lichen Teil ihrer Handelsaktivitäten von Genf aus be- denen grosse Konzerne Handel treiben. Zudem erschweren treibt, gründete 2009 mit Blairo Maggis Amaggi-Gruppe, sie es den Strafverfolgungsbehörden, mögliche Straf- dem weltweit grössten Sojaproduzenten, ein Joint Ven- taten aufzudecken. Denn diese sind abhängig davon, dass ture – obwohl sie vom problematischen Ruf von deren Banken und andere Finanzintermediäre, welche Offshore- Eigentümer wusste. Im Jahr 2010 beteiligte sich Louis strukturen und die dazugehörigen Konten verwalten, fähig Dreyfus sogar finanziell an Maggis Wahlkampf. und bereit sind, ihre Geldwäscherei-Sorgfaltspflichten Zahlreiche von dessen politischen Entscheidun- ordnungsgemäss zu erfüllen. Tun sie es nicht, ist die Folge gen zielen in erster Linie darauf ab, die Interessen der ein Klima der Straflosigkeit. Doch was die Kooperations- bereitschaft dieser Akteure betrifft, sind Zweifel angebracht. Appleby brüstet sich, sehr hohe Compliance-Stan- dards einzuhalten. Doch die Dokumente des ICIJ zeigen, dass die Kanzlei 2014 von den Finanzaufsichtsbehörden der Bahamas dafür gerügt wurde, die wirtschaftlichen Hintergründe der von ihr durchgeführten Transaktionen in 46 Prozent aller Fälle nicht dokumentiert zu haben. Dies wäre das A und O der Sorgfaltspflichten von Fi- nanzintermediären. Zeit, zu handeln Nach einer Woche der Enthüllungen rund um die Paradise Papers hat Bundesrätin Simonetta Sommaru- ga den Ton etwas verschärft: «Wenn es die Wirtschaft nicht schafft, sich an ihre eigenen Vorgaben zu halten, dann braucht es staatliche Regeln», sagte sie in der Sonn- tagszeitung. Diese Änderung im Tonfall ist bei den Roh- © I. Lawrence/afp/Getty stoffhandelsunternehmen kaum gut angekommen. Bei
DIE SCHWEIZ UND DIE PARADISE PAPERS 13 der Rohstofflobby Swiss Trading and Shipping Associ- wirtschaft unterliegt auch der Bankensektor spezifischen ation (STSA) pocht man weiter auf die Bedeutung des Regulierungen – und dies seit mehr als 80 Jahren. Sektors für die Schweiz und ihren Arbeitsmarkt. Und was ist mit den zwielichtigen Methoden, die ans Licht Echter politischer Wille fehlt gebracht wurden? Kein Grund zur Sorge: «Der Sektor Im Jahr 2014 hat Public Eye mit der Schaffung der fiktiven hat diese Probleme bereits vor fünf Jahren angegangen», Rohstoffmarktaufsichtsbehörde ROHMA (www.rohma.ch) sagte STSA-Generalsekretär Stéphane Graber in der erstmals skizziert, wie eine mögliche Regulierung des RTS-Sendung Infrarouge. Die Branche hat also lediglich Rohstoffsektors aussehen könnte. Diese müsste unter an- ein Kommunikationsproblem … derem dafür sorgen, dass Schweizer Unternehmen sich Tatsache jedoch ist: In der Schweiz hat man heute an Sorgfaltspflichten halten und sicherstellen, dass sie mehr Reglementierungen zu beachten, wenn man ein Re- keine Rohstoffe vermarkten, die zum Nachteil des Her- staurant eröffnet, als wenn man mit Rohstoffen handeln kunftsstaates erworben oder unter Verletzung der Men- will. Jeder Neueinsteiger, jede Neueinsteigerin kann ein schenrechte und durch Zerstörung der Umwelt gewonnen Handelsunternehmen gründen und Geschäfte machen, wurden. Und sie müsste verhindern, dass Unternehmen wie er oder sie es für richtig hält. Für die Bevölkerungen riskante Geschäftsbeziehungen eingehen, ohne vorher die der Herkunftsländer von Rohstoffen ist es aber entschei- notwendigen Überprüfungen durchgeführt zu haben. dend, dass ihre begrenzten Ressourcen verantwortungs- Würde die Schweiz als führende Handelsnation der voll gehandelt werden. Rohstoffe sind eine einmalige und Welt klare Regeln für solche Unternehmen erlassen, deren oft die einzige Chance für diese Staaten. Doch mit dem Anwendung überwachen und diejenigen sanktionieren, immer gleichen Argument, die Wettbewerbsfähigkeit der die die Regeln verletzen, und würde sie sich gleichzeitig Schweizer Wirtschaft wahren zu wollen, haben sich die international dafür einsetzen, dass andere Handels- Schweizer Behörden bisher beharrlich geweigert, den plätze diesem Beispiel folgen, dann kämen Konstrukte, Handelssektor zu regulieren. Und sie betonen, jede Art von wie sie die «Paradise Papers» ans Licht gebracht haben, sektorspezifischen Regeln widerspreche der hierzulande viel seltener vor und könnten leichter erkannt werden. verfolgten Regulierungs-Philosophie. Das Argument ist Ohne echten politischen Willen aber bleibt der Rohstoff- scheinheilig: Genauso wie die Gastronomie oder die Land- handel das gefährlichste Geschäft der Schweiz. Ein Mann im typischen Business-Outfit der Bermudas passiert die Räumlichkeiten von Appleby – der Kanzlei, die im Mittelpunkt der Paradise Papers steht. © Drew Angerer/Getty
14 SCHWERPUNKT PUBLIC EYE MAGAZIN Nr 9 Januar 2018 Steueroptimierung à la Paradise Papers auch in der Schweiz Die Besteuerung von multinationalen Unternehmen steht in der Schweiz auch nach der abgelehnten Unternehmenssteuerreform III auf der politischen Agenda. Der Bundesrat schlägt dabei Optimierungs- werkzeuge vor, die auf der gleichen Logik basieren wie die von den Paradise Papers aufgedeckten Tricks auf den Bermudas, der Isle of Man oder den Cayman Islands. Mit diesen skandalösen Praktiken werden den Staatshaushalten dringend benötigte Mittel entzogen. OLIVIER LONGCHAMP Die Paradise Papers haben einen wahren Katalog von dem Facebook seine Gewinne auf die Kaimaninseln über- juristischen Tipps und Tricks aufgezeigt, mit denen die trägt, sie zeigen Apples Steuerschlupfloch in Jersey oder Steuerlast «optimiert» werden kann, indem man Geset- wie der amerikanische Haushaltsgerätegigant Whirlpool zeslücken ausnützt. Lücken, dank denen zum Beispiel in Bermuda oder Luxemburg seine Steuern optimiert. der Formel-1-Fahrer Lewis Hamilton seinen privaten Jet Zu den Unternehmen, die in den Papers besonders (Wert: 21 Millionen Franken) an eine Offshore-Gesell- prominent vorkommen, gehört Glencore, das Flaggschiff schaft vermieten kann, die ihm selbst gehört, um so keine des Schweizer Rohstoffhandels: Dessen aggressive Steuer- Mehrwertsteuer zahlen zu müssen. Oder durch die Nike optimierungspraktiken in Australien, Kolumbien oder Gewinne in eine niederländische Kommanditgesellschaft auch Burkina Faso werden bestens dokumentiert. In Bur- verschieben kann, wo diese nicht besteuert werden. Die kina Faso, einem der ärmsten Länder der Welt und ein Paradise Papers enthüllen ein ähnliches Arrangement, mit Schwerpunktland der schweizerischen Entwicklungs- Von den idyllischen Bermudainseln aus werden die kompliziertesten Finanzkonstrukte errichtet. © Drew Angerer/Getty
DIE SCHWEIZ UND DIE PARADISE PAPERS 15 zusammenarbeit, hat das Zuger Unternehmen im Jahr Ruf geniesst, der Rolls-Royce unter den Steuerberatungs- 2016 seine Steuerrechnung um fast 28 Millionen Dollar instituten zu sein – offenbar lieber dort ihre komplexen vermindert – und zankt sich mit der Steuerbehörde des Steuergebilde aufsetzen, lässt es sich von der Schweiz Landes immer noch um die verbleibenden 1,5 Millionen ablenken. Doch dass das Schweizerische Steuersystem Dollar, die diese von Glencore fordert. Die Steuern, die diesmal vom Internationalen Netzwerk Investigativer das Unternehmen in Burkina Faso einspart, machen ein Journalisten (ICIJ) verschont geblieben ist, bedeutet kei- Mehrfaches der jährlichen Beträge aus, die die Schweiz neswegs, dass die Schweiz vorbildlich agiert. Im Gegenteil, im Rahmen der Entwicklungshilfe an das Land zahlt. die Philosophie der Steuerpolitik der Schweiz folgt genau dem Paradigma, Nischen für Optimierungen zu schaffen, Eine Welt für sich solange diese den internationalen Standards entsprechen. Abgesehen von der Frage, ob solche Konstrukte legal sind – eines der Hauptargumente der Bataillone von Anwäl- Geschenke für die Multis tinnen und Anwälten, die diese austüfteln – geben die Das zeigt die Debatte um die Steuervorlage 17, die die Paradise Papers den Blick auf eine Welt frei, die nach abgelehnte Unternehmenssteuerreform III ersetzen soll. eigenen Gesetzen funktioniert. Eine Welt, in der sich ein Instrumente wie der «fiktive Zinsabzug», die «Patent- begrenzter Kreis von Unternehmen und Einzelpersonen box» oder «Steuererleichterungen auf Kapital» sollen aufgrund ihres Reichtums oder ihrer Macht so eingerich- es multinationalen Konzernen ermöglichen, Steuern zu tet hat, dass Regulierungen für sie nur begrenzt gelten, optimieren – natürlich immer mit dem Argument, dass dass sie Vorteile geniessen, die für die überwiegende damit die «Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstand- Mehrheit der Steuerzahlenden oder KMUs unerreichbar orts Schweiz» gestärkt werde. Unsere Behörden bieten sind und dass sie weitgehend davon entbunden sind, ih- nur zu gerne Hand für diese von der Lobby der Konzerne ren Beitrag ans Gemeinwohl zu leisten. vorangetriebenen Pläne. Wie viele Skandale sind wohl Ein erlauchter Kreis von Individuen hat sich noch nötig, damit sich dies endlich ändert? die Möglichkeit verschafft, sich dem Geiste der Steuer- gesetze zu entziehen, während diese formell eingehalten werden. Die Enthüllung solcher – vielleicht legaler, aber niemals legitimer – Praktiken muss zu einer politischen Ein erlauchter Kreis von Individuen hat sich die Möglichkeit verschafft, sich dem Geiste der Steuergesetze zu entziehen, während diese formell eingehalten werden. Debatte führen: mit dem Ziel, dass die Gesetze in einer Weise angepasst werden, die dem unglaublichen Anstieg von Offshore-Tätigkeiten in den letzten zwei Jahrzehnten Oben: Steuerexperte Olivier Longchamp Rechnung trägt. Das Funktionieren unserer Demokra- im französischen Fernsehen. Unten: Jets im tien baut weitgehend darauf auf, dass die Bürgerinnen Steuerhafen Isle of Man. und Bürger darauf vertrauen können, dass die Gesetze gerecht sind und für alle gelten. Die legale Steuervermei- dung untergräbt dieses Vertrauen. Bescheidene Resonanz In der Schweiz war die Resonanz auf die mit den Para- dise Papers publik gewordenen Steuertricks bescheiden. Die Verteidigerinnen und Verteidiger des Schweizer Fi- nanzplatzes haben sich sogar die Hände gerieben, als sie gesehen haben, dass die Enthüllungen hauptsächlich den englischsprachigen Rechtsraum betreffen. Da die genialen Tüftlerinnen und Tüftler der Appleby-Kanzlei – die den © Matt Cardy/Getty
PUBLIC EYE MAGAZIN Nr 9 Januar 2018 Die Chronistin der Wachhunde Von Watergate bis zu den Paradise Papers: Anya Schiffrin kennt alle rele- vanten Akteurinnen und Akteure und jede Praktik des investigativen Jour- nalismus. Der Skandal um Nestlés Babymilch in den Siebzigerjahren half dabei, die renommierte New Yorker Professorin als Jurymitglied für unseren Investigation Award zu gewinnen, mit dem wir zu unserem 50-Jahr-Jubiläum journalistische Recherchen fördern. OLIVER CLASSEN
«PUBLIC EYE INVESTIGATION AWARD» 17 Meine Mailkontakte mit ihr datieren zurück zugeben», sagte Schiffrin ganz ohne zu koket- ins Jahr 2006, als ich erstmals versuchte, ihren tieren, aber auch ohne falsche Bescheidenheit. Ehemann als Gastredner für unsere Gegen- veranstaltung zum Weltwirtschaftsforum zu «Nie notwendiger als heute» gewinnen. Dieser heisst Joseph Stiglitz, ist Ihr bislang grösstes Projekt ist der inzwischen Wirtschaftsnobelpreisträger und ein intellektu- zum Standardwerk avancierte Sammelband eller Rockstar der Globalisierungskritik. Anya «Global Muckraking: 100 Years of Investigative Schiffrin verwaltete damals seine Agenda und Journalism from Around the World», den sie versuchte sogar, einen Termin bei der Afrikani- 2015 in Privatinitiative und mit eigenen Mitteln schen Entwicklungsbank zu verschieben, um herausgegeben hat. Das Buch umspannt alle ihn rechtzeitig nach Davos zu bringen – um- fünf Kontinente und versammelt 47 Recherche- sonst. Geklappt mit Stiglitz’ Auftritt in Davos Geschichten, die ihrerseits Geschichte geschrieben hat es 2012 doch noch. Als ich Schiffrin dann haben: Die erste Reportage von Ken Saro-Wiwa vor zwei Monaten anfragte, ob sie sich als etwa über das von Staatsgewalt und Ölkonzer- Mitglied der Jury für unseren «Investigation nen gepeinigte Ogoni-Volk im Niger-Delta oder Award» zur Verfügung stellen möchte, begann Gareth Jones’ sagenhaften Bericht von der ukrai- ich mein Mail mit den Worten: «This time it’s nischen Hungersnot Anfang der Dreissigerjahre. all about you, not Joe.» «Ich liebe Journalismus, der uns Aufklärung, Ins- piration und manchmal auch reale Veränderung Kaum jemand ist besser vernetzt bringt. Und wenigstens ein paar Opfer von Macht Die Charmeoffensive wirkte, und wir verabre- und Willkür vor dem Vergessen bewahrt.» Solche deten uns auf einen Kaffee am Rande der «Global Sätze sagt Schiffrin mit Nachdruck, aber ohne Pa- Investigative Journalism Conference», die Mitte November im südafrikanischen Johannesburg über die Bühne ging. Schiffrin bewegte sich wie ein Fisch im Wasser zwischen den aus 130 «Ich liebe Journalismus, der uns Aufklärung, Ländern angereisten Reporterinnen und Re- Inspiration und manchmal auch reale chercheuren. Küsschen hier, Umarmung dort: Veränderung bringt. Und wenigstens ein Wo immer auf dem Konferenzgelände sich die paar Opfer von Macht und Willkür vor dem Journalismus-Professorin Schiffrin blicken liess, Vergessen bewahrt.» traf sie alte Bekannte. Oder machte mit ihrer gewinnenden Art neue. Kurz: In dieser Szene ist kaum jemand besser vernetzt als die 55-jährige US-Amerikanerin, die vor ihrer akademischen thos. Entdeckt hat sie ihr Faible für Handwerk und Karriere – unter viel anderem – als Korrespon- Haltung der «Muckraker» (wörtlich «Schmutz- dentin für die Nachrichtenagentur Reuters in aufwühler», aber zumeist als «Nestbeschmutzer» Spanien, als Bürochefin vom Wall Street Journal übersetzt) in ihren Auslandsjahren als politisch in Holland und Vietnam und zuletzt als freie engagierte Korrespondentin. Als Professorin ver- Wirtschaftskolumnistin tätig war. steht sie sich nun als Chronistin und Förderin © Mark Abramson dieser «Wachhunde unserer Demokratie, deren «Etwas zurückgeben» Arbeit nie notwendiger war als heute». Durch ihren Mann, den sie vor 15 Jahren «beim folgenschwersten Interview meines Le- «Ihr wart das!» bens» kennenlernte, hat sie nicht nur etliche «Global Muckraking» dokumentiert auch den vom weitere illustre Kontakte gewonnen, sondern Guardian 1975 enthüllten Babymilchskandal. Als auch Einsicht erhalten in die Machtgefüge der ich dezent auf die zentrale Rolle hinwies, die Pu- Staaten und supranationalen Institutionen, die blic Eye – damals natürlich noch als Erklärung der Ex-Chefökonom der Weltbank heute berät. von Bern – bei der auf diesen Primeur folgenden Wie Stiglitz hat auch Schiffrin einen Lehrstuhl Kampagne gespielt hat, verschüttete Schiffrin an der renommierten Columbia University in fast ihren zweiten doppelten Espresso: «Aha, ihr New York inne, wo sie an der «School of Inter- wart das!», rief sie erstaunt. « ‹Nestlé tötet Babies› national and Public Affairs» unterrichtet. «Ich war ja eine Art Watergate der Konzernkritik. Ein bin mir meiner vielen Privilegien sehr bewusst Game Changer wie später nur noch die Kam- und arbeite hart daran, etwas davon zurück- pagne gegen die Sweat Shops von Nike.» Autor
18 «PUBLIC EYE INVESTIGATION AWARD» PUBLIC EYE MAGAZIN Nr 9 Januar 2018 der ersten Studie wie auch des ersten Medienartikels zum stoffthema spezialisierte Natural Resource Governance Nestlé-Skandal war Mike Muller, damals Mitarbeiter des Institute (NRGI), mit dem Public Eye häufig eng koope- britischen Hilfswerks «War on Want» – also eher Aktivist riert. Nach dem Davoser Auftritt ihres Mannes und dem als Journalist . «Deshalb ist diese Geschichte auch exem- historischen Nestlé-Fall gibt es mit der NRGI-Connection plarisch für die wechselseitige Abhängigkeit von NGOs und also drei Berührungspunkte zwischen Schiffrin und investigativen Medien», meinte Schiffrin, während sie einem Public Eye. Als ich diese mit Erstaunen nochmals auf- der Autoren der Paradise Papers zuwinkte. zählte und in die Frage münden liess, ob sie trotz ihrer vielen Engagements eventuell bereit wäre, bei der Jury für Schiffrins aktivistische Ader unseren «Investigation Award» mitzumachen, erntete ich Dass sie selbst auch eine aktivistische Ader hat, zeigt sich zuerst ein breites Grinsen und dann ein enthusiastisches in ihren Beratungsmandaten für die einflussreiche Open «of course, that would be a privilege and a pleasure!». Ein Society Foundation von George Soros oder das aufs Roh- Privileg und eine Freude – auch für uns! Nerds, Netzwerke und Non-Profits An der Konferenz für globalen Investigativ- zonen zwischen Politik und Wirtschaft». In dieser journalismus in Südafrika ging es primär um die Arbeitsbeschreibung von ICIJ-Direktor Gerald Ryle Finanzierung und Wirkung von journalistischen haben sich auch die meisten anwesenden Vertre- Recherchen, aber auch um Analogien mit ähnlich terinnen und Vertreter von NGOs wiedererkannt. arbeitenden NGOs. Doch obwohl sie derzeit reichlicher als auch schon fliessen, bleiben die Mittel in dieser Boom-Branche Über 1200 Recherche-Profis aus 130 Ländern kamen knapp und hart umkämpft. Kein Wunder, widmeten Mitte November in Johannesburg zusammen, um sich viele der über 100 hochkarätigen Vorträge und sich an der zehnten «Global Investigative Journalism Podien der Finanzierung einzelner Projekte oder Conference» drei Tage lang über die neusten Techni- ganzer Organisationen. Üppig und exquisit waren ken und Trends ihrer Zunft auszutauschen. Darunter aber auch die Workshops zu den handwerklichen waren gut zwei Dutzend Abgesandte von NGOs wie «Tricks of the Trade». Das Angebot reichte hier von Greenpeace, Human Rights Watch oder Public Eye. «Suchen jenseits von Google» über «Die Spur von Diese Rekordteilnahme freut Frederik Obermaier, sie Menschen- und Waffenhändlern» bis zum «Einsatz kommt für den Reporter der Süddeutschen Zeitung von Drohnen und Satelliten». und «Mister Paradise Papers» aber auch «nicht ganz überraschend». Wie schon bei den Panama Papers «Die Mächtigen kontrollieren» war es auch beim jüngsten Leak wieder Obermaier, Viel zu reden gab auch die – offenbar nicht nur bei dem die brisanten Dokumente von einer anonymen NGOs – so schwierige wie unbeliebte Wirkungs- Quelle zugespielt wurden. «Wegen solch mutiger messung: Grossgönner von Investigativ-Projekten Whistleblower, aber auch dank digitaler Analyse und möchten möglichst konkrete Resultate für ihre häu- web-basierter Vernetzung hat unsere Arbeit deutlich fig millionenschweren Investitionen sehen. Laut ei- an Schlagkraft gewonnen und generiert folglich auch ner Umfrage des «Bureau of Investigative Journalism» mehr Schlagzeilen», meint er. in London wird die journalistische Enthüllung von Missständen von Meinungsführerinnen und -führern Recherche in Grauzonen tatsächlich für politisch wirkungsvoller gehalten als Obermaier ist bekennender Daten-Nerd und Mit- etwa offizielle Wahlen oder professionelles Lobbying. glied des International Consortium of Investigative Solche Einschätzungen hören die unter ständigem Journalists (ICIJ), das die Monster-Recherchen um Legitimationsdruck stehenden «Nestbeschmutzer» die Paradise Papers von Washington aus koordi- natürlich gerne. Während Stiftungen betonten, der niert hat. Wie viele andere der weltweit schon 150 ideelle «Return on Investment» philanthropischer journalistischen Nonprofit-Organisationen profi- Financiers bestehe in gesellschaftlichem Wandel, gab tiert auch das ICIJ vom stark gestiegenen Interesse Ryle zu Bedenken: «Unser Job ist es, die Mächtigen privater Stiftungen und Mäzene an «demokratie- dieser Welt zu kontrollieren und nicht den Erfolg un- relevanten Recherchen in den wachsenden Grau- serer eigenen Arbeit zu dokumentieren.»
Public Eye Investigation Award Jury steht – Einsendeschluss naht © Mark Abramson Anlässlich unseres 50-jährigen Bestehens in diesem Jahr haben wir den «Public Eye Investigation Award» ausge- schrieben. Mit 20 000 Franken wollen wir eine oder maximal zwei journalistische Recherchen fördern, die einen Missstand in einem Entwicklungs- oder Schwellen- land untersuchen, der einen direkten Bezug zur Schweiz hat. Noch bis am 31. Januar können Journalistinnen, Mitarbeitende von NGOs oder auch Wissenschaftler Anträge für Projekte einreichen. Eine siebenköpfige Jury wird die Bewerbungen im Februar bewerten. Neben drei Mitarbeitenden von Public Eye werden vier bekannte Persönlichkeiten aus der Medienwelt darin Einsitz nehmen. Wir freuen uns sehr, neben Anya Schiffrin folgende drei Journalisten in unserer Jury willkommen zu heissen: © M. Bureau/afp/Getty Fabrice Arfi ist Recherche-Verantwortlicher bei der unabhängigen französischen Onlinezeitung Mediapart. Zuvor war er Reporter beim Lyon Figaro und bei 20 Minutes und schrieb auch für die Nachrichtenagentur AFP, für Le Monde oder für die satirische Wochenzeitung Canard enchaîné. Seine Recherchen für Mediapart – etwa zur Finanzierung von Nicolas Sarkozys Präsidentschafts- kampagne 2007 durch Libyen oder zu den nicht dekla- rierten Schweizer Konten des ehemaligen Ministers Jérôme Cahuzac – haben mächtig Staub aufgewirbelt und sind in mehreren Büchern nachzulesen, die Fabrice Arfi dazu verfasst hat. Der Australier Will Fitzgibbon arbeitet seit 2014 als «senior reporter» für das International Consortium for Investigative Journalism (ICIJ). Er koordiniert dort als Leiter des «Africa Desks» die Zusammenarbeit mit ICIJ-Partnern aus Afrika und dem Nahen Osten. Vorher © zvg war er in London für das «Bureau of Investigative Journalism» tätig, seine Arbeiten erschienen unter anderem im Guardian und im Observer. Nach einem Bachelor in Recht in Australien hat er an der «London School of Economics» ein Masterstudium absolviert. Oliver Zihlmann ist Co-Leiter des in Bern beheimateten nationalen Recherche-Desk von Tamedia (u. a. Tages-An- zeiger, Sonntagszeitung, Le Matin Dimanche, Tribune de Genève). Der promovierte Historiker ist Mitglied des ICIJ und leitete die Schweizer Projektteams zu Swiss-Leaks, Panama © S. Lecocq/ap/Keystone Papers und zuletzt Paradise Papers. Zuvor arbeitete er beim Schweizer Fernsehen sowie als Korrespondent in Berlin und schrieb das politische Sachbuch «Der Fall Borer». Erfahren Sie mehr unter: www.publiceye.ch/50 V.o.n.u. Anya Schiffrin, Fabrice Arfi, Will Fitzgibbon und Oliver Zihlmann (links).
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