HEIMAT WESTFALEN - GEMEINSAM FÜR GEBAUTE HEIMAT - EHRENAMT UND REGIONALE BAUKULTUR

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HEIMAT WESTFALEN - GEMEINSAM FÜR GEBAUTE HEIMAT - EHRENAMT UND REGIONALE BAUKULTUR
HEIMAT WESTFALEN

                                   Ausgabe 4 / 2021

gEMEINSAM Für gEBAuTE HEIMAT –
EHrENAMT uNd rEgIoNALE BAukuLTur
HEIMAT WESTFALEN - GEMEINSAM FÜR GEBAUTE HEIMAT - EHRENAMT UND REGIONALE BAUKULTUR
I N H A LT

 3 Editorial                                                                        32 Finanzierung und Produktion von QR-Code-Plaketten für Denk-
   gEMEINSAM Für gEBAuTE HEIMAT – EHrENAMT uNd                                           mäler. Eine Arbeitshilfe des Kreisheimatvereins Herford e. V.
   rEgIoNALE BAukuLTur
                                                                                       WANdErN IM MüNSTErLANd
4 HANS H. HANkE                                                                     34 „Droste-Landschaft : Lyrikweg“ – ein Outdoor-Museum
    Ehrenamtliche Beteiligungsformen in der amtlichen Denk-    zwischen Burg Hülshoff und Haus Rüschhaus
    malpflege – ein Wegweiser zu rechtlichen Möglichkeiten  35 Spielerisch Natur und Kultur erkunden – Schulwanderweg
                                                               im Münsterland eröffnet
10 SILkE EILErS
    „Baukultur – Gebaute Heimat“: Digitaler Bundeskongress                             WHB-proJEkTE
    Heimat zu Gast in NRW
                                                                                    36 Veranstaltungsankündigung: 88. Tag für Denkmalpflege
                                                                                         am 15. Mai 2022 in Münster
13 SILkE EILErS
    Die Denkmallandschaft in NRW braucht Ihre Stimme:
    Petition der Deutschen Stiftung Denkmalschutz
                                                                                       WHB-ForEN
                                                                                    37 WHB-Forum „Natur und Umwelt“: Packen wir’s an!
                                                                                         Von „Kuhfüßen“ und „Winterkötteln“
14 MATTHIAS LÖB
    Gebaute Heimat versus Abrissbirne und Flächenfraß –
    gemeinsam für angewandte Nachhaltigkeit                                            ENgAgIErT Vor orT
                                                                                    38 Heimatmacher-Praxisbeispiele aus Ihrer Arbeit
   FüNF FrAgEN zuM THEMA kLIMA uNd BAukuLTur
18 an Johanna Leissner                                                                   dANk uNd ANErkENNuNg
                                                                                    42   Susanne Abeck und Uta Schmidt
   MEINE HEIMAT WESTFALEN                                                           43   Ernst Dossmann
22 Peter Kracht                                                                     44   Dieter Tröps
                                                                                    45   Michael Pavlicic
   AuS gEScHäFTSSTELLE uNd grEMIEN
23 Zuwahl in den WHB-Verwaltungsrat: Anneli Hegerfeld-                                   NEuErScHEINuNgEN
   Reckert und Wolfgang Diekmann                                                    46   Baukultur als Standortfaktor ländlicher Entwicklung
23 Referentin für digitales Engagement                                              46   Schlösser und Burgen in Ostwestfalen-Lippe
24 Nach bundesweiter Kritik: Erleichterungen beim                                   47   Denkmal Europa. Das Workbook für Zeitreisende
   Transparenzregister                                                              47   Westfälische Kleinstädte um 1900. Typologische Vielfalt,
                                                                                         Daseinsvorsorge und urbanes Selbstverständnis
   NEuE MITgLIEdEr IM WHB                                                           48   Kriegerdenkmale in Münster. Quellen und didaktische Einordnungen
26 Gesellschaft zur Förderung der Bodendenkmalpflege                                48   Hausaufgaben. Bürgerschaftliches Engagement in alternden
    im Kreis Minden-Lübbecke e. V.                                                       Einfamilienhausgebieten
                                                                                    49   Umbaukultur. Für eine Architektur des Veränderns
    SErVIcEBüro WHB                                                                 49   Wenn jemand anruft, sagt, ich bin tot
27 Ein zweites Leben – Die Translozierung einer Scheune
    von Schöppingen nach Lüdinghausen                                                  BucHBESprEcHuNgEN
30 Vorstellung der Interessengemeinschaft Bauernhaus e. V.                          50 Zwischen Tradition und Moderne. Jugendstil und mehr in Hagen
31 Umnutzung von leerstehenden Ladenlokalen.
    Infobroschüre zum Förderangebot im NRW-Städtebau-
    förderungsprogramm 2022

HEIMAT WESTFALEN ISSN 2569-2178 / 33. Jahrgang, Ausgabe 4/2021
Herausgeber: Westfälischer Heimatbund e. V. · Kaiser-Wilhelm-Ring 3 · 48145 Münster.
Vorstand im Sinne des § 26 BGB: Matthias Löb (Vorsitzender),
Birgit Haberhauer-Kuschel (stellvertr. Vorsitzende)                                                  Gefördert von:
Vereinsregister des Amtsgerichts Münster, Nr. 1540 · Steuer-Nr.: 337/5988/0798
Telefon: 0251 203810 - 0 · Fax: 0251 203810 - 29
E-Mail: whb@whb.nrw · Internet: www.whb.nrw
Verantwortlich im Sinne des presserechts: Dr. Silke Eilers
Schrift- und Anzeigenleitung: Dr. Silke Eilers
redaktion: Dr. Silke Eilers, Dörthe Gruttmann, Frauke Hoffschulte, Sarah Pfeil, Astrid Weber
Layout: Gaby Bonn, Münster
druck: Druck & Verlag Kettler GmbH · Robert-Bosch-Straße 14 · 59199 Bönen
Für namentlich gezeichnete Beiträge sind die Verfasser persönlich verantwortlich.
Diese Zeitschrift erscheint im Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember.
Titelbild: Titelbild: Baudetail am Haus Kilver in Rödinghausen, Foto/ Frank-Michael Kiel-Steinkamp
HEIMAT WESTFALEN - GEMEINSAM FÜR GEBAUTE HEIMAT - EHRENAMT UND REGIONALE BAUKULTUR
e d it o r ial

B
         aukultur ist mehr als ein Dach über dem Kopf.
         Ernst Bloch sah in der Architektur nicht allein
         Funktion, sondern beschrieb sie als „Produkti-
onsversuch menschlicher Heimat“. Bauwerke formen
das Gesicht unserer Städte, Dörfer und Landschaften.
Das Spektrum reicht von historischer Substanz und de-
ren Umfeld bis hin zu aktuellen Architekturformen.
Bestandsarchitektur verfügt unzweifelhaft über kultu-
                                                                                                        Foto/ Greta Schüttemeyer
rellen Wert, bietet jedoch auch in Bezug auf soziale,
ökonomische und ökologische Dimensionen die Basis einer zukunftsgewandten Baukultur.
    Erhalt, Vermittlung und Weiterentwicklung der baukulturellen Spezifika unserer Regionen ist Teil der
DNA der Heimatbewegung. Dazu gehört auch das Engagement für die Integration denkmalgeschützter und
anderer ortsbildprägender Bauwerke in eine aktive Stadt- und Dorfgestaltung. Es bedarf einer Stärkung der
engagierten Zivilgesellschaft und verbesserter Partizipationsmöglichkeiten, entspricht dies doch letztlich
auch einer der Leitlinien der Neuen Leipzig-Charta von 2020, welche Stadtentwicklung gemeinwohlorien-
tiert und mit den Bürgerinnen und Bürgern als Gemeinschaftswerk aller Akteure geplant und umgesetzt
wissen möchte.
    Ausgabe vier der Verbandszeitschrift widmet sich im Schwerpunkt ehrenamtlichem Wirken für unsere
gebaute Heimat. Der Bochumer Stadtheimatpfleger Dr. Hans H. Hanke, Wissenschaftlicher Referent in der
LWL-Denkmalpflege, gibt einen Wegweiser zu den rechtlichen Möglichkeiten ehrenamtlicher Beteiligung.
Zudem steht der Bundeskongress Heimat unter anderem mit dem Eröffnungsvortrag des WHB-Vorsitzen-
den Matthias Löb im Fokus. Anlässlich der aktuellen Unwetterkatastrophen hat uns Dr. Johanna Leissner
von der Fraunhofer Gesellschaft fünf Fragen zu Kulturerbe und Klimawandel beantwortet.
    Auf unseren Serviceseiten gibt Dr. Ludger Schröer vom Zentrum für historische ländliche Baukultur
im Münsterland e. V. anhand eines konkreten Beispiels Hinweise für die Translozierung eines Gebäudes.
Zudem stellt sich die Interessengemeinschaft Bauernhaus e. V. vor. Auch die neue Gesetzeslage zum
Transparenzregister wird vermittelt.
    Die Erklärung von Davos 2018 formuliert, dass die Art und Weise, wie wir mit dem Kulturerbe heu-
te umgehen, für die künftige Entwicklung einer gebauten Umwelt von hoher Qualität entscheidend
sein wird. In diesem Sinne bewegt uns die Sorge um die Neufassung des Denkmalschutzgesetzes NRW.
Aus diesem Grunde möchte ich Sie gerne auch auf diesem Wege nochmals auf die Petition der Deutschen
Stiftung Denkmalschutz hinweisen – die Denkmallandschaft braucht Ihre Stimme!

Herzliche Grüße

Ihre Dr. Silke Eilers
Geschäftsführerin des WHB

                                                                                                        HEIMAT WESTFALEN – 4/2021 /   3
HEIMAT WESTFALEN - GEMEINSAM FÜR GEBAUTE HEIMAT - EHRENAMT UND REGIONALE BAUKULTUR
gEBAuTE HEIMAT

    EHrENAMTLIcHE BETEILIguNgSForMEN
    IN dEr AMTLIcHEN dENkMALpFLEgE – EIN
    WEgWEISEr zu rEcHTLIcHEN MÖLIcHkEITEN

    VoN HANS H. HANkE

Vor der Vernichtung durch Strafanzeige gerettet: Buntglasscheiben
von Ignatius geitel aus der kaufhaus-cafeteria des kaufhauses
kortum in Bochum von 1953 (zustand 1990)
Foto/ LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen/ Hanke

4 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2021
HEIMAT WESTFALEN - GEMEINSAM FÜR GEBAUTE HEIMAT - EHRENAMT UND REGIONALE BAUKULTUR
Ehrenamt und Baukultur

E
        ine Forderung von ehrenamtlichen Heimatpfle-        Auch der WHB plant, im Zuge der Neustrukturierung
        gerinnen und -pflegern ist die Erhaltung von Bau-   seiner Foren und Arbeitskreise, solche runden Tische
        denkmälern. Ehrenamtlich im Denkmalschutz           für die Denkmalpflege einzurichten.
tätige Bürgerinnen und Bürger ermächtigen sich deswe-           Langfristige Strategien zum Besten der örtlichen Bau-
gen gleichsam selbst zum Denkmalschutz. Sie agieren,        denkmäler oder zukünftigen Baudenkmäler sind Veröf-
wo die Behörden nur reagieren können, und können oft        fentlichung von Gebäudegeschichten in Zeitschriften,
Ergebnisse vorweisen, die auch die Fachwelt in Staunen      kleinen oder umfangreichen Druckwerken oder im In-
versetzt. Allerdings vermissen sie häufig einen Wegwei-     ternet, hier besonders in Wikipedia-Beiträgen als Ergän-
ser zu rechtlichen Möglichkeiten. Dieser Beitrag möchte     zung zur Ortsgeschichte. Für die LWL-Denkmalpflege ist
dem Bedarf nachkommen. Soweit es dabei um das Denk-         es in diesen Zusammenhängen sehr hilfreich, wenn sie
malschutzgesetz NRW geht, ist sowohl die gegenwärtig        auf die doch oft versteckt erscheinenden Publikationen
gültige Fassung als auch der im Gespräch stehende Re-       aufmerksam gemacht wird, die gerne für die Bibliothek
formentwurf berücksichtigt.                                 angekauft werden.

Die ehrenamtliche Denkmalpflege                             Denkmalpflege wird kommunalem
in Westfalen                                                Ausschuss zugewiesen

Die Zusammenarbeit zwischen der amtlichen Denkmal- Selbstverständlich bietet das Denkmalschutzgesetz
pflege und den sogenannten Laien hat eine Tradition, die NRW (DSchG) Möglichkeiten der rechtssicheren ehren-
bis in Vorschriften des Jahres 1844 zurückreicht. Sie hat amtlichen Mitwirkung: In jeder Kommune muss die
sich sehr bewährt. Kann die Untere Denkmalbehörde im Denkmalpflege zur Beratung einem Ausschuss zugewie-
eigenen Ort nicht helfen, reagiert die LWL-Denkmalpfle- sen werden. Das ist ein „vor Ort“ leicht ansprechbares
ge, Landschafts- und Bau-
kultur in Westfalen (kurz:     „Die Verständigung zwischen ehrenamtlicher und amtlicher Denkmal-
LWL-Denkmalpflege) im-
                               pflege kann sporadisch zu konkreten Anlässen erfolgen. Sie kann aber
mer auf Anfragen aus der
Bürgerschaft, erst recht       auch verstetigt werden und somit Vertrauen und Verständnis stärken.“
aus der Orts- und Kreis-
heimatpflege. Im Rahmen des Datenschutzes wird auch Gremium. Speziell in diesen Ausschuss kann sogar ein
Vertraulichkeit darüber gewahrt, woher Informationen zusätzlicher sachverständiger Bürger oder eine Bürge-
stammen, denn nicht immer wird das private Engage- rin für die Denkmalpflege mit beratender Stimme ge-
ment für Denkmalschutz im lokalen Umfeld dankbar wählt werden. Laut DSchG werden ein oder mehrere
aufgenommen. Hinweise aus den Reihen der ehrenamt- „Beauftragte für Denkmalpflege“ für jede Kommune
lichen Denkmalpflege führen häufig zu Eintragungen in ermöglicht. Einige wenige Kommunen haben solchen
die Denkmalliste.                                         Sachverstand angeworben und fördern ihn teilweise
                                                          sogar mit Aufwandsentschädigungen. Gerade diese ge-
Die Verständigung zwischen ehrenamtlicher und amtli- setzlich befugten sachverständigen Bürgerinnen, Bür-
cher Denkmalpflege kann sporadisch zu konkreten An- ger und Denkmalbeauftragten haben die Chance, die
lässen erfolgen. Sie kann aber auch verstetigt werden. Verwaltung zu veranlassen, alle Entscheidungen, die
Der Kreis Siegen-Wittgenstein lädt seit rund 35 Jahren Baudenkmäler tangieren, dem für Denkmalpflege zu-
an einen runden Tisch, an dem sich Kreisheimatpflege- ständigen Ausschuss vorzulegen.
rinnen und -pfleger, Denkmalbehörde, Vertreterinnen          Das kommunalpolitische Vorfeld, in dem ehrenamt-
und Vertreter der Deutschen Stiftung Denkmalschutz liche Denkmalpflege gut auf die Meinungsbildung zum
und die LWL-Denkmalpflege regelmäßig treffen und Umgang mit der Denkmalpflege generell oder für ein-
abstimmen. Das ist zu empfehlen, denn solche Treffen zelne Objekte in den politischen Kreisen ihrer Kommu-
bauen Vertrauen und gegenseitiges Verständnis auf. ne einwirken kann, ist nicht unbedingt die Ratssitzung

                                                                                               HEIMAT WESTFALEN – 4/2021 /   5
HEIMAT WESTFALEN - GEMEINSAM FÜR GEBAUTE HEIMAT - EHRENAMT UND REGIONALE BAUKULTUR
Gebaute Heimat

                                                                                    entscheidung der Fraktionen ab, ob die
                                                                                    ehrenamtliche Denkmalpflege im Aus-
                                                                                    schuss die gerade erwähnte Vertretung
                                                                                    als sachverständiger Bürger, sachver-
                                                                                    ständige Bürgerin oder als Beauftragte/
                                                                                    Beauftragter für Denkmalpflege erhält.
                                                                                    Auch Denkmalbereiche, also der Schutz
                                                                                    des Erscheinungsbildes eines Ortsberei-
                                                                                    ches mit seinen Gebäuden, müssen in
                                                                                    den politischen Gremien der Kommu-
                                                                                    nen verabschiedet werden.
                                                                                       Nur die Entscheidung über die Ein-
                                                                                    tragung von einzelnen Baudenkmälern
                                                                                    in die Denkmalliste darf nicht politi-
                                                                                    schen Beschlüssen unterliegen. Das
                                                                                    liegt daran, dass der Vollzug des Denk-
                                                                                    malschutzgesetzes keine Angelegenheit
                                                                                    der Selbstverwaltung ist, sondern eine
                                                                                    „Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Wei-
                                                                                    sung“ im Sinn des Ordnungsbehörden-
                                                                                    gesetzes NRW § 12 Abs. 1.

                                                                                    Lehnt also das Kommunalparlament
                                                                                    die Eintragung eines Baudenkmals ab,
Schema der Zuständigkeiten im Denkmalrecht (Stand August 2021)
                                                                                    ist dies ein unrechtmäßiger Beschluss,
Grafik/ LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen
                                                                                    der vom Kreis oder der Bezirksregie-
                                                                                    rung „beanstandet“, also rückgängig
oder die Ausschusssitzung. Dort haben alle Parteien ihr              gemacht werden kann. Hier kann die ehrenamtliche
Abstimmungsverhalten auf Basis des verfügbaren Wis-                  Denkmalpflege im Zweifelsfall nachhaken.
sens festgelegt und sind dann kaum noch umzustimmen.                    Auf Landesebene können laut DSchG NRW die an-
Wenn man Erfolg versprechend zugunsten eines erhal-                  erkannten Denkmalpf legeorganisationen angehört
tenswerten Objektes argumentieren und ergänzendes                    werden. Das sind zum Beispiel die Heimatvereine,
Wissen vermitteln will, muss das in den Fraktionen oder              Heimatbünde, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz
– besser noch – in den thematischen Arbeitskreisen der               mit ihren Ortskuratorien oder das Nationalkomitee
Fraktionen passieren. Es kann nicht schaden, solche Ein-             Denkmalschutz. Hier kann sich die ehrenamtliche
ladungen in besonders wichtigen Fällen sogar zu erbitten.            Denkmalpflege bis hinauf in bundesweit arbeitende Or-
                                                                     ganisationen engagieren.

Kommune kann auf Denkmalschutz
einwirken                                                            Beschwerde an den Petitionsaus-
                                                                     schuss des Landtags
Der Rat und die Ausschüsse haben vielerlei Möglichkei-
ten, auf den Denkmalschutz einzuwirken. Das beginnt                  Es gibt auch Sonderwege: Bürgerinnen und Bürger
bei der Gestaltung des Stellenplans der Unteren Denk-                können sich mit einer Beschwerde an den Petitions-
malbehörde, geht über die Bereitstellung von Geld und                ausschuss des Landtags wenden – das betrifft auch
endet noch nicht im Umgang mit gemeindeeigenen                       den Vollzug des Denkmalrechtes. In der Denkmalpfle-
Baudenkmälern. Nicht zuletzt hängt es von der Wahl-                  ge Engagierte wenden sich gelegentlich direkt an die

6 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2021
HEIMAT WESTFALEN - GEMEINSAM FÜR GEBAUTE HEIMAT - EHRENAMT UND REGIONALE BAUKULTUR
Ehrenamt und Baukultur

Vor der Vernichtung durch Strafanzeige gerettet: Buntglasscheiben von Ignatius Geitel aus der Kaufhaus-Cafeteria des Kaufhauses
Kortum in Bochum von 1953 (Zustand 1990)
Foto/ LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen/ Hanke

Landesregierung respektive den Ministerpräsidenten,                       schränktem Maß auch das Denkmalrecht, vor allem
die Ministerpräsidentin oder das für Denkmalpflege                        dann, wenn es darum geht, wie mit Baudenkmälern in
zuständige Ministerium. Sie erhalten dann eine hohe                       öffentlichem Eigentum umzugehen ist. Es muss nicht
Aufmerksamkeit und werden von den Genannten als                           immer ein aufwendiges Bürgerbegehren sein. Mit 4.000
wahlberechtigte Bürger und Bürgerinnen meist wohl-                        bis 8.000 Unterschriften für einen Einwohnerantrag
wollend betrachtet.                                                       kann erreicht werden, dass der Rat über eine bestimmte
                                                                          Angelegenheit berät und entscheidet. Das betrifft auch
                                                                          die oben genannten Belange des Denkmalschutzes.
Einwohnerantrag
                                                                          Sehr einfach wird die individuelle bürgerschaftliche Mit-
Die NRW-Kommunalverfassung gibt in §§ 24–26 der                           wirkung über den § 24 GO, nach dem jede und jeder das
NRW-Gemeindeordnung (GO) den Bürgerinnen und                              Recht hat, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit Anre-
Bürgern das Recht, in einer Vielzahl kommunaler An-                       gungen oder Beschwerden an den Rat zu wenden. Der
gelegenheiten mitzuentscheiden. Dazu zählt in einge-                      Antragsteller oder die Antragstellerin kann vor den Gre-

                                                                                                             HEIMAT WESTFALEN – 4/2021 /   7
HEIMAT WESTFALEN - GEMEINSAM FÜR GEBAUTE HEIMAT - EHRENAMT UND REGIONALE BAUKULTUR
Gebaute Heimat

                                                                                   Die Overbergschule in Oelde steht
                                                                                   seit 2019 unter Denkmalschutz.
                                                                                   Foto/ „Die Glocke“/ Roland Hahn

mien Stellung beziehen und ist über die Entscheidung      Ideen- und Geldgeber
zu unterrichten. Die Anregung gemäß § 24 GO wird
häufig angewendet, für das Thema Denkmalpflege ist        Über all diesen ernst gemeinten Hinweisen steht die
dieses Instrument allerdings bisher kaum erschlossen.     empfehlenswerteste Regel: das ist das offene Gespräch
Ende 2019 konnte jedoch zum Beispiel auf diese Weise      und die zukunftsgerichtete Diskussion. Der konstruk-
das Schulgebäude der Overbergschule in Oelde bewahrt      tiven, sachbezogenen Fantasie, Mittel und Wege für die
werden.                                                   Erhaltung und Nutzung von Baudenkmälern zu finden,
                                                          sind dabei anscheinend kaum Grenzen gesetzt. Eine
                                                          Anzeige auf der Onlineauktionsplattform eBay war die
Strafrecht und Urheberrecht                               originelle und verblüffend einfache Idee einer Dorfge-
                                                          meinschaft, ein Baudenkmal zu retten, das unter Gläu-
Die Staatsanwaltschaft hat sich ebenfalls schon mit ei-   bigerdruck abgerissen werden sollte. Das Haus fand so
nem Verstoß gegen das Denkmalrecht befasst, sodass        einen neuen und denkmalfreundlichen Eigentümer aus
widerrechtlich aus einem Baudenkmal entfernte Kunst       den Niederlanden.
gerettet werden konnte. Nach dem DSchG können für             Die zweite und übergreifend sehr erfolgreiche Regel
die unerlaubte Beseitigung eines Denkmals Geldbußen       scheint die Vernetzung ehrenamtlicher Denkmalpfleger
festgesetzt werden. Nach § 304 Strafgesetzbuch kann       und -pflegerinnen zu sein. Die Gründung von Interessen-
unter anderem mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren     gemeinschaften, Bürgerinitiativen und Vereinen bietet
oder mit Geldbußen bestraft werden, wer öffentliche       meist mehr Rückhalt im Gespräch mit allen Beteiligten.
Denkmäler oder Gegenstände der Kunst beschädigt oder      Vernetzung zum Besten der Baudenkmäler vor Ort be-
zerstört.                                                 deutet auch das Reden mit den Entscheidungsträgern
                                                          bis hin zu Bürgermeisterin beziehungsweise Bürgermei-
Auch das Urheberrecht kann ein Mittel der Wahl sein.      ster und Pressearbeit nach Maß.
Es gibt Bauwerke, deren Gestaltung von herausragender
architektonischer Qualität ist, die aber zumindest kein
alltäglicher Entwurf sind. Das betrifft Gebäude aller
                                                          Denkmalschutz als Pflichtaufgabe
Art, sie gelten gemäß dem Bundes-Urheberrechtsgesetz      der Gemeinden
als Werke der Baukunst und sind persönliche geistige
Schöpfungen. Das Urheberrecht ist vererblich. Für Ar-     Es schadet dabei nicht, darauf hinzuweisen, dass es der
chitekten und Architektinnen sowie deren Erben ist es     örtlichen ehrenamtlichen Denkmalpflege nicht um ein
also möglich, gegen die Veränderung oder gar gegen die    freiwilliges und beliebiges Hobby geht, sondern dass
Beseitigung der von ihnen entworfenen Bauten recht-       Denkmalschutz im öffentlichen Interesse liegt und eine
lich einzuschreiten. Der ehrenamtlichen Denkmalpflege     Pflichtaufgabe der Gemeinden ist. Wenn die Gemeinde
steht es frei, solche Urheber auf ihre Rechte aufmerk-    vom ehrenamtlichen Denkmalpfleger Tatsachen er-
sam zu machen.                                            fährt, die auf den Denkmalwert eines Objektes schließen

8 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2021
HEIMAT WESTFALEN - GEMEINSAM FÜR GEBAUTE HEIMAT - EHRENAMT UND REGIONALE BAUKULTUR
Ehrenamt und Baukultur

Öffentlichkeitsarbeit in Bochum:
Beschilderung der Baudenkmä-
ler 2004 – klein am Eingang – und
digitale Schnitzeljagd entlang
der Baudenkmäler 2021
Foto/ texterista.de/ Nicole Jakobs, Bochum

lassen, muss sie laut dem „Amtsermittlungsgrundsatz“          aus dem Denkmalpflegeprogramm „National wertvolle
von Amts wegen tätig werden laut § 24 Verwaltungsver-         Kulturdenkmäler“ vermitteln können.
fahrensgesetz.
    Es ist bisher nur nebenbei angeklungen, darum hier
deutlicher: Neben dem verbreiteten ehrenamtlichen Ein-
                                                              Strategische Partnerschaft zwischen
satz für die Eintragung eines Baudenkmals in die Denk-        Ehrenamt und Amt
mallisten der Kommunen sind eine sehr große Anzahl
Respekt gebietender ehrenamtlicher Aktivitäten zur Nut-       Ein Angebot zum Schluss: Ehrenamtliche und amtliche
zung von Baudenkmälern bekannt. Das beginnt bei den           Denkmalpflege eint das Ziel, die gebauten Zeugnisse
zahlreichen Backhaus-Gemeinschaften und endet nicht           der Geschichte zu bewahren. Es ist eine „strategische
bei Fördervereinen, die Kirchen und Schlösser in ihr Ei-      Partnerschaft“, die ausbaufähig ist. Zu all den hier an-
gentum nehmen und mit lebendigen Programmen der               gerissenen Themen Vertreterinnen und Vertreter der
Nachwelt erhalten.                                            LWL-Denkmalpflege auf Tagungen der ehrenamtlichen
    Ist der Einsatz für die Eintragung solcher oder anderer   Denkmalpflege einzuladen, kann eine gute Idee sein,
Denkmäler noch weitgehend kostenfrei, weil die Ehren-         um Informationen, Verständigung und Kontaktpflege
amtlichen die vielen Stunden, Archivbesuche und Fahr-         zu vertiefen.
ten für ihr Ziel selbstlos leisten, wird die Umsetzung von       Sämtliche hier aufgezeigten Wege erfordern einigen
Bauprojekten und Nutzungskonzepten dagegen wohl nie           Aufwand. Wenn daraus aber folgt, dass bedrohte Gebäu-
ohne fremde Gelder zu leisten sein. Es würde hier zu weit     de nach manchmal harten Zeiten plötzlich zu allseits
führen, auf die bundes- und landesweiten Stiftungen ein-      geschätzten Schmuckkästchen und Landmarken der
zugehen, die Möglichkeiten bieten, Gelder zu akquirieren.     Heimat geworden sind, ist das der schönste Lohn. Viele
    Auch auf Fördermittel in wechselnder Höhe und             gelungene Beispiele belegen das!
aus unterschiedlichen Töpfen des Landes NRW und der
LWL-Denkmalpflege kann hier nur kursorisch verwie-
sen werden.                                                      Dr. Hans H. Hanke ist seit 1992 Wissenschaftlicher
                                                                 Referent der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und
Für den lokalen Bereich sei der meist nur wenigen be-            Baukultur in Westfalen und nimmt seit 1995 einen Lehr-
kannte Hinweis gegeben, dass die immer kommunal ge-              auftrag am Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Ruhr-
lenkten Sparkassen die einzigen Geldinstitute sind, die          Universität Bochum wahr, was er zeitweise auch am
ihre Gewinne nicht privatisieren dürfen, sondern der             Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Münster
Allgemeinheit zu Verfügung stellen müssen. In vielen             sowie dem Lehrstuhl für Architektur und Denkmalpflege
Kommunen fließt darum manche Summe in die Erhal-                 der Universität Dortmund tat. Er ist Stadtheimatpfleger
tung von Baudenkmälern. Eine gute Adresse kann auch              von Bochum und war dort von 2004 bis 2020 auch als
der oder die im eigenen Wahlkreis gewählte Bundestags-           kulturpolitischer Sprecher der SPD im Rat der Stadt. Er
abgeordnete sein, die eventuell eine Bundesförderung             ist Mitglied im Verwaltungsrat des WHB.

                                                                                                   HEIMAT WESTFALEN – 4/2021 /   9
HEIMAT WESTFALEN - GEMEINSAM FÜR GEBAUTE HEIMAT - EHRENAMT UND REGIONALE BAUKULTUR
gEBAuTE HEIMAT

               „BAukuLTur – gEBAuTE HEIMAT“
                              dIgITALEr BuNdESkoNgrESS HEIMAT
                                        zu gAST IN NrW
                                        VoN SILkE EILErS

Blick auf das Werburg-Ensemble Spenge
Foto/ WHB/ Andreas Lechtape

10 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2021
EHrENAMT uNd BAukuLTur

A
         m 7. und 8. Juni 2021 fand der dritte Bundeskon-   Den Rahmen bildeten fachliche Analysen in den Beiträ-
         gress Heimat des Bundes Heimat und Umwelt          gen und Zusammenfassungen zu Beginn und Ende der
         (BHU) in Deutschland auf Einladung der Heimat-     beiden Tage.
verbände in Nordrhein-Westfalen als Online-Veranstal-
tung statt. Gastgeber zum Thema „Baukultur – Gebaute        Das erste Panel widmete sich unter Beteiligung des WHB-
Heimat“ waren der Westfälische Heimatbund e. V. (WHB),      Vorsitzenden der Baukultur als identitätsstiftendem
der Lippische Heimatbund e. V. sowie der Rheinische Ver-    Faktor und der Umnutzung von Bestandsgebäuden. Der
ein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e. V.           Fokus lag dabei auf ländlichen Regionen, die in ihrer He-
   Die diesjährige Veranstaltung unter Schirmherrschaft     terogenität individuelle Ansätze erfordern. Es wurden
von Bundesinnenminister Horst Seehofer fand im Rahmen       Rahmenbedingungen und Lösungswege diskutiert, um
der europäischen Kampagne „Decade of Action for Land-       Leerstand und Verfall zu vermeiden sowie die Lebensqua-
scapes in Europe“ (DALE) in Zusammenarbeit mit dem eu-      lität durch intelligente Konzepte zu stärken.
ropäischen Verband CIVILSCAPE statt. Förderer war das           Eingeleitet wurde die Runde von dem Landschaftsar-
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.           chitekten und Geschäftsführer des Schweizer Heimat-
                                                            schutzes Stefan Kunz. 2005 wurde die Stiftung Ferien
                                                            im Baudenkmal gegründet, die leere Baudenkmäler
INTErdISzIpLINär BESETzTE                                   übernimmt, renoviert und als Ferienwohnung vermietet.
dISkuSSIoNSruNdEN                                           Bisher sind, so Kunz, 43 Baudenkmäler im Angebot, wie
                                                            das Haus Tannen Schwyz, eines der ältesten Holzhäuser
Die Konferenz befasste sich in interdisziplinär besetzten   Europas, das rund 20 Jahre leer gestanden hat.
Diskussionsrunden und Vorträgen mit der Bedeutung               In ihrem fachlichen Input verwies Dr. Cordula Woeste,
von Baukultur heute. Dabei
ging es um Fragen der intel-        „Es ging um Fragen der intelligenten Nachnutzung von Gebäuden,
ligenten Nachnutzung von
                                    um Vermittlung insbesondere auch an die jüngere Generation, um
Gebäuden, um Herausforde-
rungen der Vermittlung ins-         klimafreundliche Siedlungen und zivilgesellschaftliches Engagement.“
besondere auch an die jün-
gere Generation, klimafreundliche Siedlungen sowie Referatsleiterin Regionale und kulturelle Identität beim
die Bedeutung des zivilgesellschaftlichen Engagements. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, auf
                                                          die Relevanz von Baukultur mit ihren ortsbildprägenden
Begrüßt wurden die Teilnehmenden nach der Eröff- Gebäuden als einen zentralen, häufig sehr regionalspezi-
nung durch BHU-Präsidentin Dr. Herlind Gundelach fischen Bestandteil unserer Kultur. In der Identifikation
von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Ina Schar- der Menschen mit ihrer Region entstehe ein starkes Hei-
renbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen mat- und Regionalbewusstsein, das für Neubürger, aber
und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, auch für den Tourismus attraktiv sei.
und Dr. Gerhard Ermischer, Präsident der Konferenz der
internationalen NGOs beim Europarat.
   Der Vorsitzende des Westfälischen Heimatbundes,
                                                          QuALITäTEN LäNdLIcHEr räuME
Matthias Löb, beleuchtete in seinem Impulsvortrag in die BESSEr VErMITTELN
Veranstaltung das jahrzehntelange Engagement der Hei-
matvereine für die gebaute Heimat wie auch die aktuel- Wolfgang Riesner, stellvertretender Vorsitzender der In-
len Herausforderungen in diesem Themenfeld zwischen teressengemeinschaft Bauernhaus e. V., erachtete es als
Abrissbirne und Flächenfraß.                              notwendig, die Qualitäten ländlicher Räume besser zu
   In vier Panels trafen sich Expertinnen und Experten vermitteln. Oftmals würden die Bewohnerinnen und Be-
aus Politik, Zivilgesellschaft, Fachverwaltungen und Wis- wohner die Schönheit ihrer nahen Umgebung nicht mehr
senschaft. In die Themenbereiche wurde jeweils durch als Besonderheit wahrnehmen. Das öffentliche Bewusst-
ein Praxisbeispiel eingeführt.                            sein für die Wertschätzung vorhandener Bausubstanz

                                                                                               HEIMAT WESTFALEN – 4/2021 /   11
Gebaute Heimat

zu schärfen – dies betrachteten auch die übrigen Teilneh-   Die Heimatbewegung gründet sich vielfach in ihrer Histo-
menden der Runde als eine zentrale Aufgabe. Michael         rie auf dem Einsatz für Baukultur und Ortsbilder. Auch
Arns, Architekt und ehemaliger Vizepräsident der Archi-     heute ist dies ein bedeutendes Tätigkeitsfeld. Wie kann
tektenkammer NRW, konstatierte dazu, dass Baukultur         das Zusammenspiel zwischen Haupt- und Ehrenamt ge-
häufig nur auf die Objekte reduziert werde. Ebenso wich-    lingen? Welche Unterstützungsstrukturen sind erforder-
tig sei jedoch das Verfahren, welches dazu hinführe.        lich? In Panel vier wurden auch anhand von Aktivitäten
    Hinsichtlich der Zukunft ländlicher Räume verdeut-      aus den Heimatverbänden in NRW und Bayern mit dem
lichte WHB-Vorsitzender Matthias Löb, dass es aufgrund      „Denkmal des Monats“ und dem Denkmalnetz Bayern
der Verschiedenheit der Räume auch unterschiedliche         Beispiele für gelungene Projekte zum baukulturellen
Wege für anstehende Herausforderungen geben müsse.          Erbe vorgestellt. Viele Chancen bietet in diesem Bereich
Es gebe dünn besiedelte Bereiche und Landschaften mit       auch die digitale Vernetzung. Die stellvertretende Vorsit-
einer abnehmenden Bevölkerungsentwicklung. Man-             zende des WHB, Birgit Haberhauer-Kuschel, plädierte im
che Regionen wiesen hingegen stabile Einwohnerzah-          Zusammenhang mit der Stärkung bürgerschaftlichen En-
len auf, verlören jedoch zum Teil wichtige Funktionen       gagements dafür, neue Kooperationsverfahren zu suchen
und Infrastrukturen wie Nahversorgung, Gastronomie,         und ein Zusammenwirken auf Augenhöhe zu ermögli-
Schulen oder eine hausärztliche Versorgung. In diesen       chen. Dazu sollten Beteiligungsformate geschaffen wer-
Orten käme dem sozialen Zusammenhalt besondere              den, um Bürgerinnen und Bürger direkt mitzunehmen.
Relevanz zu. Menschen vor Ort könnten mit ihrem En-
gagement entscheidend zum Erhalt attraktiver Räume          Für den Schutz baukultureller Werte bedarf es auch
beitragen, etwa auch im Bereich der Baukultur. „Dies        eines adäquaten gesetzlichen Rahmens, der fachliche
bedeutet, dass ich nicht nur ein gepflegtes Ortsbild        Expertise wie die engagierte Zivilgesellschaft mit ihren
habe, sondern, dass ich auch Identifikationspunkte          Kompetenzen berücksichtigt. Eine große Herausforde-
behalte, zu denen die Leute sagen: Ja, das ist meins!“      rung für die Denkmallandschaft in Nordrhein-Westfalen
                                                            ist die umstrittene Neufassung des Denkmalschutzge-
                                                            setzes, das im Herbst verabschiedet werden soll. Auch
Menschen aller Altersstufen                                 während des Kongresses begegnete dem Entwurf der
die Bedeutung von Baukultur                                 Gesetzesnovelle wiederholt eine deutliche Kritik, da be-
zugänglich machen                                           fürchtet wird, dass der Schutz der Denkmäler sich ver-
                                                            schlechtert und Denkmäler zum Spielball politischer
In Panel zwei tauschten sich die Teilnehmenden über         und wirtschaftlicher Interessen werden.
innovative Vermittlungsansätze aus, die möglichst vie-
len Menschen aller Altersstufen die Bedeutung von Bau-      Die Konferenz weckte großes Interesse. Es erfolgten bis-
kultur zugänglich machen können. Die Jugendbauhütte         her insgesamt rund 1.000 Aufrufe des Livestreams und
NRW-Westfalen und der Denkmalverein Hamburg e. V.           der Aufzeichnung. Eine ausführliche schriftliche Do-
zeigten, auf welche Weise sich auch junge Menschen für      kumentation wird im BHU-Jahrbuch im Jahr 2022 er-
Baudenkmale engagieren.                                     scheinen. Die Aufzeichnung ist abrufbar unter: bhu.de/
                                                            veranstaltungen/bundeskongress-heimat-2021/
Denkmalschutz ist Klimaschutz. So ging es im dritten Pa-
nel um nachhaltige und klimafreundliche Siedlungen,            Der Bundeskongress Heimat bietet mit einem
Aspekte des ressourcenschonenden Bauens und eine               jährlichen Schwerpunktthema einen Austausch unter-
Besinnung auf regionale Naturmaterialien und nach-             schiedlichster Akteure und fördert die Mitwirkung
wachsende Baustoffe bis hin zur Entwicklung von neu-           der Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung ihres
en Bauformen, um auf den Klimawandel zu reagieren.             Lebensumfeldes. Er bringt Engagierte und Interessierte
Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung         mit Expertinnen und Experten aus Politik, Zivil-
Baukultur, sah in Baukultur durchaus ein Synonym für           gesellschaft, Fachverwaltungen und Wissenschaft
Nachhaltigkeit. Zukunftsfähigkeit entscheide sich auch         zusammen. Im kommenden Jahr steht das Thema
an einer neuen „Umbau-Kultur“.                                 „Heimat und Industrie“ im Zentrum der Veranstaltung.

12 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2021
EHrENAMT uNd BAukuLTur

                     dIE dENkMALLANdScHAFT IN NrW
                           BrAucHT IHrE STIMME
           pETITIoN dEr dEuTScHEN STIFTuNg dENkMALScHuTz
                                                VoN SILkE EILErS

N
         ordrhein-Westfalen verfügt über ein reiches bau-     energetische Sanierungen ohne Rücksicht auf Verluste
         kulturelles Erbe. Es zeichnet sich aus durch einen   das Weltklima zu retten. Diese halten näherer Betrach-
         guten fachlichen Standard im Denkmalschutz.          tung jedoch nicht Stand.
Mit der geplanten Neufassung des Denkmalschutzgeset-          Hier haben wir sachlich begründete Argumente vorge-
zes wird dieser nun ohne Not riskiert und die Denkmal-        bracht, die jedoch bisher im zuständigen Ministerium für
landschaft – gerade einmal 1,5 Prozent der Bausubstanz        Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes
in NRW – gefährdet. Unwiederbringliche Verluste an            Nordrhein-Westfalen kein Gehör finden. Der Westfälische
ortsbildprägenden Gebäuden und damit an relevanten            Heimatbund e. V. setzt sich gemeinsam mit den weiteren
Zeugnissen unserer Kultur sind zu befürchten. Das hat         Akteuren im Denkmalschutz-Bündnis NRW – verschiede-
deutliche interdisziplinäre, auch über das Bundesland         ne unabhängige Institutionen, Vereine, Verbände und Stif-
wie die Bundesrepublik hinausgehende Kritik hervorge-         tungen sowie 54 Professorinnen und Professoren – dafür
rufen. Denn es besteht auch die Gefahr, dass ein solches      ein, die geplante Schwächung des Denkmalschutzes zu
Agieren Schule macht und in anderen Bundesländern             verhindern. Alle Vertreter im Bündnis engagieren sich seit
Nachahmung findet.                                            langen Jahren für die gebaute Umwelt, unsere Heimat.
Künftig steht mit der Neufassung des Gesetzes nicht mehr
der Schutz der historischen Bausubstanz im Fokus, wenn-       Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) hat zwi-
gleich der Denkmalschutz in NRW Verfassungsrang hat:          schenzeitlich eine öffentliche Online-Petition gegen die
· Nutzung wird – scheinbar um jeden Preis – vor Schutz        Neufassung initiiert, die von den Mitgliedern des Bünd-
  gestellt.                                                   nisses nachdrücklich unterstützt wird. Wir danken all
· Es droht die Vorfahrt politisch motivierter und             jenen, die sich bereits beteiligt haben und damit ein
  wirtschaftlicher Interessen.                                deutliches Zeichen setzen. Aufgrund der verschobenen
· Mit der Aushebelung unabhängiger, weisungsfreier            Einbringung des Gesetzes in den Landtag NRW wurde die
  Fachlichkeit können leichter Fakten geschaffen und          Laufzeit der Petition bis zur Debatte im Parlament nach
  „unbequeme“ Bauten beseitigt werden.                        der Sommerpause verlängert.
· Denkmaleigentümerinnen und -eigentümer verlieren                Wir möchten die Öffentlichkeit dazu aufrufen, mit
  die Fachkompetenz in der Beratung rund um Nutzungs-         ihrer Stimme dem baukulturellen Erbe eine Zukunft zu
  konzepte, Steuerfragen und Fördermittel.                    geben. Sie können also aktiv etwas tun. Nutzen auch Sie
· Bestimmte Denkmalgruppen wie jene im kirchlichen            Ihre Mitsprachemöglichkeit und helfen Sie mit Ihrer Un-
  Besitz werden privilegiert. Dies widerspricht dem           terschrift – damit nicht ein Gesetz in Kraft tritt, das den
  Gleichheitsgrundsatz.                                       Namen Denkmalschutzgesetz nicht verdient hat.
· Unklare Formulierungen lassen Spielräume für eine will-
  kürliche Auslegung in der praktischen Umsetzung zu.            zur petition: www.denkmalschutz.de/petition
In der öffentlichen Diskussion halten sich hartnäckig            Sie können sich digital oder in Papierform beteiligen.
einige Irrtümer – etwa in Bezug auf eine vermeintliche           Weitere Informationen zu den Stellungnahmen des Denkmal-
Beschleunigung der Verfahren und Kostenneutralität               Schutzbündnisses unter: www.denkmalschutz-erhalten.nrw
des Gesetzes, eine angebliche Lösung der Wohnraum-
problematik durch Abriss von Denkmälern und die               Abriss eines Bunkers in der Münsteraner Innenstadt
Idee, mit der Freigabe von historischen Gebäuden für          Foto/ Esther Sobke © LWL-Medienzentrum für Westfalen

                                                                                                                HEIMAT WESTFALEN – 4/2021 /   13
Gebaute Heimat

Gebaute Heimat versus Abrissbirne und FlächenfraSS –
    gemeinsam für angewandte Nachhaltigkeit
Einführung des WHB-Vorsitzenden Matthias Löb zum Bundeskongress Heimat

F
       ragen wir uns doch zunächst einmal: Heimatver-       beispielsweise ein Zwangsarbeiterlager dem Vergessen
       eine und Baukultur, passt das eigentlich zusam-      preisgegeben werden.
       men? Und wenn ja – was ist dann die spezifische         Das alleine ist schon verdienstvoll. Denn es sind mar-
Rolle der Heimatbewegung?                                   kante Gebäude und die an gebauten Orten festzuma-
   Die meisten Heimatvereine und ihre Dach-                         chende Geschichte, die Dörfer, Gemeinden und
organisationen entstanden ursprünglich                                   Städte einzig und damit zu einer je spezifi-
aus der Sorge um die gebaute Heimat.                                        schen Heimat machen. Und viele Heimat-
Lange vor den modernen Denkmal-                                               und Dorfvereine gehen darüber hinaus.
schutzgesetzen ging es ihnen um                                                 Heimat bedeutet Verortung in einem
den Erhalt markanter Gebäude oder                                                weiten Sinne. Heimat hat eben auch
Monumente. Beim Westfälischen                                                     mit Lebensqualität zu tun, mit Kul-
Heimatbund e. V. hält dieses En-                                                   tur und Natur, mit sozialen Bezü-
gagement schon seit über 100 Jah-                                                  gen, Mobilität, Infrastruktur und
ren, beim Rheinischen Verein für                                                   Nahversorgung. Und daraus erklärt
Denkmalpflege und Landschafts-                                                     sich, dass es den Heimatvereinen
schutz e. V. spiegelt es sich sogar                                                nicht nur um den Erhalt von his-
heute noch im Namen.                                                              torischen Gebäuden geht, sondern
                                                                                 auch um deren Nachnutzung, um
Manchmal wird über die Heimatver-                                               lebendige Ortskerne, um qualitätsvol-
eine – auch von Seiten der amtlichen                                          le Neubauten und um einen achtsamen
Denkmalpf lege – die Nase gerümpft,                                        Umgang mit der Kulturlandschaft.
nach dem Motto: nur, weil jemand ein Back-
haus wieder aufbaut, hat das noch lange nichts
                                                            Foto/ LWL/ Martin Steffen
mit Denkmalschutz oder gar Baukultur zu tun. Mit sol-
chen Beispielen will man das Engagement von Bürgerini-      Was sind auf diesen Feldern heute die größten Heraus-
tiativen oder eben auch Heimatvereinen als nostalgisch      forderungen? Ich habe diese Herausforderungen mal
verklärend oder rückwärtsgewandt abqualifizieren. Ich       etwas reißerisch mit „Abrissbirne“ und „Flächenfraß“
will – gerade in NRW – den Blick darauf richten, dass es    bezeichnet. Und ich will in aller Kürze vermitteln, dass
eben nicht als erstes die amtliche Denkmalpflege, son-      die Themen in der Praxis sehr viel differenzierter zu
dern vielmehr ehrenamtliche Bürgerinitiativen waren,        behandeln sind:
die sich seit den 1960er-Jahren für die Relikte von Kohle
und Stahl stark gemacht haben. Vor allem ihnen ist es
zu verdanken, dass wir heute Orte der Industriekultur
                                                            Verfall und Abriss prägender Gebäude
bestaunen können, wie sie in einer solchen Qualität und
Dichte in keinem anderen europäischen Land zu finden        Kommen wir zunächst zur „Abrissbirne“. Ich habe unser
sein dürften.                                               Denkmalfachamt befragt, wie viele eingetragene Denk-
    Auch heute gib es überall Beispiele, wie sich Heimat-   mäler jährlich abgerissen werden. Tatsächlich sind dies
vereine oder örtliche Initiativen dagegenstemmen, dass      in einer Region wie Westfalen-Lippe mit fast 30.000 ein-
gebaute Geschichte verfällt oder Orte des Erinnerns wie     getragenen Denkmälern nur etwa eine Handvoll pro Jahr.

14 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2021
Ehrenamt und Baukultur

Bei den meisten solcher Denkmäler ist die Geschichte bis       wie wichtig ihnen der Erhalt von Denkmälern ist. Dazu
zum Abriss aber ähnlich: Jahre, manchmal Jahrzehnte            passt aber nicht, dass nach dem neuen Denkmalschutz-
gehen ins Land, in denen sich weder Eigentümer noch            gesetz die Fachämter für Denkmalpflege nur noch an-
die Gemeinden um eine Sanierung oder Nachnutzung               gehört werden sollen, dass sie keine Eintragung in die
kümmern. Und dann heißt es: „Diese alte Schule, die ist        Denkmallisten mehr beantragen dürfen, dass sie keine
ja ein Schandfleck. Das stört das Ortsbild. Wirtschaftlich     Ministerentscheidung mehr bei Dissensfällen herbei-
ist das nicht mehr zu sanieren.“ Statt „Schule“ hätte ich      führen können oder dass sie mit der Erstellung von
hier übrigens auch Wohnhaus, Scheune, Wirtshaus, Kir-          Steuerbescheinigungen für denkmalgerechte Umbau-
che, Postamt, Tankstelle oder Bahnhof sagen können.            ten nichts mehr zu tun haben werden. Mit anderen
Wir sehen daran: Das Schwingen der Abrissbirne be-             Worten: Etwa 100 hoch qualifizierte Architektinnen
ginnt oft schon viele Jahre vor dem eigentlichen Abriss.       und Kunsthistoriker, die fachlich weisungsfrei arbei-
Niemand weiß, wie viele solcher Gebäude in den näch-           ten und daher ohne politische Rücksichtnahme als An-
sten Jahren zu ähnlich aussichtslosen Fällen werden.           wälte der Denkmäler auftreten können, sollen künftig
                                                               die Gemeinden nur noch unverbindlich beraten. Und
Hinzu kommt: Es liegen – nur für Westfalen-Lippe – ge-         das, obwohl vor drei Jahren in einer breit angelegten
schätzt etwa 5.000 Verfahren zur Eintragung in der War-        Evaluation die Kommunen eine große Zufriedenheit
teschlange zwischen Denkmalfachamt und der jeweiligen          mit der Arbeit der Denkmalfachämter gezeigt haben.
Gemeinde. Manchmal geht es nur um wenige Monate bis            Bitte sehen Sie es mir nach, dass ich auch diese unver-
noch zusätzliche Gutachten eingeholt werden, manchmal          ständliche, leider brandaktuelle Gesetzesinitiative im
zieht sich ein solches offenes Verfahren aber auch über        Kontext „Abrissbirne“ mit erwähnen muss.
viele Jahre – schlicht deswegen, weil vor Ort kein Interesse
an der Eintragung in die Denkmalliste besteht.
                                                               Versiegelung und FlächenVerbrauch
Noch weniger Schutz genießen ortsbildprägende Ge-
bäude, die zwar erhaltenswert, aber eben nicht denk-           Und damit bin ich bei meinem zweiten Stichwort „Flä-
malgeschützt sind. Da kaum irgendwo systematisch               chenfraß“. Wenn gute Absichten schon Taten wären,
nachgehalten wird, welche Gebäude für einen Ort typisch        dann könnte ich es mir hier einfach machen. Dann
oder prägend sind, fällt auch der schleichende Verlust         verweise ich zum einen auf § 1 Abs. 5 und 6 des Bau-
von Stein gewordener Geschichte nicht auf. Wie es anders       gesetzbuches (BauGB): Demnach ist jede Kommune in
geht, hat beispielsweise der Heimatverein Neheim-Stroh-        Deutschland verpflichtet, ihre Bauleitpläne so aufzu-
dorf vorgemacht, der dafür 2015 den Innovationspreis           stellen, dass unter anderem die Belange der Baukultur,
des Westfälischen Heimatbundes (heute „Rolle vorwärts“)        des Denkmalschutzes, die Gestaltung des Orts- und
erhalten hat: Die Strohdorfer haben mit Hilfe einer            Landschaftsbildes und die Belange des Umweltschutzes
Hochschule alle prägenden und daher erhaltenswerten            berücksichtigt werden.
Gebäude in einem Kataster erfasst, nebst Illustrationen            Zum zweiten würde ich darauf verweisen, dass der
und Erläuterungen. Dadurch wurde eine Öffentlichkeit           sparsame Umgang mit Flächen sowohl auf Bundes- als
im Ort geschaffen, die Eigentümer wie auch die Kommu-          auch auf Landesebene quasi Regierungsprogramm
ne sensibel mit dem Bestand verfahren lässt.                   ist: Der Bund hatte nämlich ursprünglich für das
                                                               Jahr 2020 eine deutliche Reduzierung des Flächenver-
Und gestatten Sie mir aus aktuellem Anlass noch einen          brauchs angestrebt und eine Zielmarke von täglich un-
letzten Aspekt zum Thema „Abrissbirne“: Die Heimatbe-          ter 30 Hektar gesetzt. Im dicht besiedelten Bundesland
wegung in NRW ist aktuell sehr besorgt über die Pläne          NRW sollte der Flächenverbrauch auf täglich 5 Hektar
der Landesregierung, das Denkmalschutzgesetz zu no-            reduziert werden. Aber, wie schon Friedrich Hegel sag-
vellieren. Sie haben in den vorausgehenden Grußworten          te: „Die Wahrheit einer Absicht ist die Tat“.
unseren Ministerpräsidenten Armin Laschet sowie die                Tatsächlich wird in der Bundesrepublik Deutsch-
zuständige Heimat- und Bauministerin des Landes NRW,           land insgesamt wie auch speziell in Nordrhein-West-
Ina Scharrenbach, gehört: Beide haben unterstrichen,           falen immer noch viel zu viel Fläche versiegelt und

                                                                                                HEIMAT WESTFALEN – 4/2021 /   15
Gebaute Heimat

verbraucht. Laut aktueller Zahlen des Statistischen Bun-   Dabei sind wirtschaftliches Wachstum und flächenspa-
desamtes aus April 2021 gehen deutschlandweit täglich      rende Planung durchaus miteinander vereinbar: Vor-
52 Hektar Fläche durch neue Siedlungs-, Gewerbe- und       rangig muss gelten, dass zunächst Flächenoptionen im
Verkehrsflächen verloren. Im durchschnittlichen Mit-       Bestand identifiziert und ausgeschöpft werden. Eine
tel der Jahre 2015 bis 2018 waren es 56 Hektar. In NRW     verstärkte Innenentwicklung und die Aufbereitung von
werden täglich (!) immer noch Freiflächen in einer Grö-    Brachflächen sind wichtige Instrumente für die Senkung
ßenordnung von 14 Fußballfeldern für Siedlungs- und        der Flächeninanspruchnahme. Im Sinne der nationalen
Verkehrszwecke in Anspruch genommen. Die Redukti-          Nachhaltigkeitsstrategie ist ein Umdenken weg von ei-
                                                                                         ner Philosophie des ewi-
„Heimat hat eben auch mit Lebensqualität zu tun, mit Kultur und Natur,                   gen Wachstums hin zu
                                                                                         mehr Bestandspflege und
mit sozialen Bezügen, Mobilität, Infrastruktur und Nahversorgung. Und
                                                                                         -entwicklung notwendig.
daraus erklärt sich, dass es den Heimatvereinen nicht nur um den Erhalt                  Warum ist dies auch ein
von historischen Gebäuden geht, sondern auch um deren Nachnutzung,                       Thema für die Heimatbe-
um lebendige Ortskerne, um qualitätsvolle Neubauten und um einen acht- wegung? Weil es auch beim
                                                                                         Thema Flächensparen glei-
samen Umgang mit der Kulturlandschaft.“                                                  chermaßen um den Erhalt
                                                                                         wie die Weiterentwicklung
onsziele sind somit nicht annähernd erreicht worden, von Naturräumen, von Kulturlandschaften und regional-
geschweige denn, dass man von einem Netto-Null-Ver- typischer, ortsbildprägender Architektur geht. Es geht also
brauch sprechen könnte. Was tun? Die Bundesregie- um Heimat – eine Heimat, die heute nicht selten anstelle
rung hat „konsequenterweise“ erst einmal ihre Planung einer quirligen, belebten Ortsmitte durch leerstehende,
angepasst. Das 30 ha-Reduktionsziel soll jetzt erst 2030 vielleicht zum Teil auch heruntergekommene Gebäude
erreicht werden.                                           gekennzeichnet ist, eine Heimat, die anstelle von individu-
    Man könnte aber auch versuchen – aus Einsicht in die eller Baukultur gleichförmige Neubausiedlungen in den
Notwendigkeit – die Wirklichkeit zu verändern, anstatt Randbereichen oder gesichtslose Fachmarktzentren auf
die Pläne der faktischen Entwicklung anzupassen.           ehemals grünen Freiflächen aufweist.
    Denn neben ökologischen sind auch die sozialen            Verstehen Sie mich nicht falsch – es geht nicht darum,
und ökonomischen Folgen des ungebremsten Flächen- nicht mehr zu bauen, sondern darum, es auf die richti-
verbrauches augenfällig – gewachsene Landschaftsbil- ge Weise an den richtigen Orten zu tun. Damit unsere
der verschwinden ebenso wie Agrarflächen, Boden- und Städte und Dörfer weiterhin lebenswert bleiben – denn
Wasserqualität verändern sich, die Biodiversität nimmt Baukultur ist ein Standortfaktor. Ich bin da ganz bei dem
ab. Dabei stehen der Ausweisung ständig neuer Bedarfs- Vorsitzenden der Bundesstiftung Baukultur Reiner Nagel –
flächen gleichzeitig zum Teil regional deutlich abneh- „wir können bessere Ort mit weniger Fläche schaffen“.
mende Bevölkerungszahlen gegenüber – also auch mit            Dass dies keine schöne Utopie ist, belegen gute Bei-
weniger Menschen wächst der Flächenverbrauch.              spiele aus der Praxis, wie etwa die Gemeinde Burbach
                                                           im Siegerland. Dort wurde ein Maßnahmenpaket zur
Gerade in kleineren Städten werden gerne Einfamilien- Innenentwicklung und regionalen Kooperation umge-
haussiedlungen und Handelsstandorte an den Rändern setzt, um den Ortskern aufzuwerten. Neue Wohnhäuser
gebaut, während die Ortszentren durch fehlende Nach- entstehen im Bestand. Dies unterstützen ein eigenes För-
nutzung veröden. Man spricht hier von „Donut-Effekt“ – derprogramm, eine Gestaltungsfibel sowie das Flächen-
gut gefüllter Rand, in der Mitte nichts. Leerstände in den monitoring mit einem Baulückenkataster. Einzelhandel
Zentren von Städten und Gemeinden sowie die Erosion wird am Ortsrand nicht genehmigt, sondern muss ins
von Einrichtungen der Daseinsvorsorge führen uns an- Zentrum. Leerstand ist kein Thema. Intelligente Nut-
schaulich eine Fehlentwicklung vor Augen, die zudem zungskombinationen werden umgesetzt. So entstand auf
durch eine Zentralisierung von Versorgungs- und Verwal- dem Dach eines Supermarktes eine Turnhalle und eine
tungsstrukturen begünstigt wird.                           Schulhoferweiterung. Anstatt mit der Nachbargemein-

16 / HEIMAT WESTFALEN – 4/2021
Ehrenamt und Baukultur

de um Industrieansiedlungen zu konkurrieren, wurden        den Baustoffen und frei von Schadstoffen errichtet und
zwei interkommunale Gewerbegebiete ausgewiesen.            sind daher auch besonders haltbar und reparaturfähig.
                                                           Auch im Sinne des nachhaltigen Bauens zählt die Denk-
                                                           malpflege dabei zur Avantgarde – weil hier viele Tech-
Baukultur und Nachhaltigkeit                               nologien des Reparierens und technischen Ertüchtigens
                                                           entwickelt und erprobt wurden. Holz, Lehm, Sand, Stroh
Nur anreißen kann ich einen dritten Aspekt: Klimaschutz    und Naturstein können noch immer mit vergleichswei-
und Nachhaltigkeit sind keine „Feinde“ eines guten bau-    se geringer Energie regional gewonnen und auf kurzen
kulturellen Umgangs mit Orten, Gebäuden und Land-          Wegen transportiert werden. Die historischen Baumate-
schaften, sondern deren Verbündete.                        rialien und -teile sind zudem gut wieder zu verwenden,
                                                           sodass Bauschutt reduziert wird. Die Lebenszykluskosten
Aktuell erleben wir eine sehr kurz gegriffene Diskussion   liegen entsprechend niedrig. Alle diese Faktoren – also die
über mehr Möglichkeiten für Solaranlagen auf Baudenk-      Energie, die für die Herstellung der Baustoffe, den Mate-
mälern und weitreichende energetische Eingriffe. Es sei    rialtransport und den energetischen Erhaltungsaufwand
die Frage erlaubt, ob wir tatsächlich das Weltklima ret-   des Gebäudes eingesetzt wird – sind bei der Gesamtener-
ten, wenn wir vorrangig über Wärmeverbundsysteme und       giebilanz zu berücksichtigen. Es gilt den Lebenszyklus
Solarmodule an unseren Denkmälern sprechen, die zum        von Gebäuden in den Fokus zu stellen. Stichwort „graue
Beispiel gerade einmal rund 1,5 Prozent des Baubestan-     Energie“ – andere sprechen sogar von „goldener Energie“.
des in NRW ausmachen. Was ist da eigentlich mit den        Abbruch von Bestandsbauten und Neubau führen hinge-
großen Flächen, die Logistikcenter, Baumärkte und Super-   gen zu erheblichen Energieaufwänden.
marktketten bieten? Hier sehe ich weit größere Potentiale      Dass der Baubestand und sein Beitrag zur Nachhal-
– mit der Ausweisung von Flächen für Photovoltaikanla-     tigkeit ganz neu betrachtet und wertgeschätzt werden
gen auf großen Industrie- und Gewerbehallen oder aber      muss, das hat übrigens auch die Architektenschaft längst
auch gemeinschaftlichen Anlagen zur Energieerzeugung.      erkannt, wie die Broschüre „Bestand braucht Haltung“
Mir geht es aber um eine Weitung des
Blickwinkels: Mit etwa einem Drittel
des CO2-Ausstoßes und 50 Prozent des „Da kaum irgendwo systematisch nachgehalten wird, welche
Ressourcenverbrauchs ist der Bausektor Gebäude für einen Ort typisch oder prägend sind, fällt auch der
für die Pariser Klimaziele und ein kli- schleichende Verlust von Stein gewordener Geschichte nicht auf.“
maneutrales Europa bis 2050 eminent
bedeutsam. Die Europäische Kommissi-
on hat im Oktober 2020 im Zusammenhang mit dem „Eu- des Bundes Deutscher Architekten (BDA) NRW bereits
ropean Green Deal“ eine Strategie vorgestellt, mit welcher 2016 gezeigt hat. Das Positionspapier „Das Haus der Erde.
eine Renovierungswelle in Europa ausgelöst werden soll. Positionen für eine klimagerechte Architektur in Stadt
Damit sollen die Sanierungsquote deutlich erhöht sowie und Land“, auf dem 15. BDA-Tag 2019 in Halle/Saale be-
die Energieeffizienz von bis zu 35 Millionen Gebäudeein- schlossen, hat formuliert: „Wir brauchen eine neue Kul-
heiten bis 2030 nachdrücklich verbessert werden.           tur des Pflegens und Reparierens.“
    Diesen Weg begrüße ich ausdrücklich: Denn es ist         Und damit komme ich zu einem Fazit meines Impulses:
doch gerade im Sinne von Klimaschutz und Nachhaltig- Wenn Heimatbewegung, Denkmalpflege, Architekten-
keit, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und zu nut- schaft, Umweltverbände und fortschrittliche Kommu-
zen. Pointiert formuliert: Denkmalpflege ist angewandter nen einen gemeinsamen Fokus auf die Entwicklung
Klimaschutz! Hier werden Ressourcen aktiv geschont und unserer Orte und Landschaften haben, dann schlagen
nachhaltige Maßnahmen ergriffen. In der Regel handelt wir „zwei Fliegen mit einer Klappe“: Wir erreichen mit
es sich bei Baudenkmälern um Gebäude, die schon viele nachhaltigen Strategien eine gute Baukultur. Oder um
Jahre bestehen und demnach über eine lange Nutzungs- im Jargon der Heimatbewegung zu bleiben: Wir ent-
dauer verfügen. Sie wurden bis ins 20. Jahrhundert in wickeln Heimat so fort, dass sie auch für künftige Gene-
handwerklicher Bauweise aus regionalen nachwachsen- rationen lebenswert bleibt. ■

                                                                                               HEIMAT WESTFALEN – 4/2021 /   17
Interview

          Fünf Fragen zum Thema Klima und
           Baukultur an Johanna Leissner
     wissenschaftliche Vertreterin der Forschungsallianz
 Kulturerbe der Fraunhofer-Gesellschaft, Leibniz-Gemeinschaft
          und der Stiftung PreuSSischer Kulturbesitz

Im Dezember 2020 fand der                                                              Die schrecklichen Starkregen-
Projektstart von „KERES –                                                              ereignisse mit sintflutartigen
Kulturerbe in Deutschland                                                              Überschwemmungen im Ahrtal
vor Extremklimaereignissen                                                             und NRW, aber auch in Bayern
schützen“ statt. Worum geht                                                            haben uns schmerzlichst vor
es dabei konkret?                                                                      Augen geführt, dass der Kli-
                                                                                       mawandel mitten unter uns
In dem Forschungsprojekt                                                               angekommen ist. Er stellt eine Be-
der Fraunhofer-Gesellschaft                                                            drohung unserer menschlichen
geht es um die Auswirkungen                                                            Existenz dar – er fordert Men-
von zukünftigen Extremkli-                                                             schenleben und zerstört unsere
maereignissen auf das gebau-                                                           Infrastruktur, zu der auch unser
te Kulturerbe und historische                                                          Kulturerbe gehört.
Gärten und Parklandschaften.
KERES steht für „Kulturgüter                                                          Neben den graduellen Aus-
vor Extremklimaereignissen                                                            wirkungen des Klimawandels
schützen und Resilienz er-                                                            wie dem Anstieg der Tempera-
höhen“. Wir wollen untersu-                                                           tur verursachen vor allem die
chen, wo und auch welche                                                              Extremklimaereignisse, wie
Extremklimaereignisse die                                                             orkanartige Stürme, langan-
                                Foto/ Fraunhofer-Gesellschaft
deutschen Kulturgüter zu-                                                             haltende Trocken- und Hitze-
künftig bedrohen und was                                                              perioden, Meeresspiegelanstieg
präventiv und akut dagegen getan werden kann. Wäh-              sowie extreme Niederschläge, massive Schäden bis hin
rend seiner dreijährigen Laufzeit wird KERES mit circa          zur kompletten Zerstörung der Kulturgüter.
zwei Millionen Euro vom Bundesministerium für Bil-
dung und Forschung gefördert.                                   So können beispielsweise Trockenperioden in Abfolge
                                                                mit Extremregenfällen Gebäude und Bäume in den his-
Die EU-Kommission hat zusammen mit ihren Mit-                   torischen Gärten destabilisieren und einstürzen lassen;
gliedsstaaten im Januar 2021 eine Expertengruppe                herabfallende Dächer oder Gebäude- und Denkmalteile
zum Thema Klimawandel und Kulturerbe eingerich-                 verursacht durch Stürme können natürlich auch Men-
tet, welche Sie als Vorsitzende leiten. Inwiefern ist           schen verletzen oder im schlimmsten Fall auch töten.
der Klimawandel ein Sicherheitsrisiko für unser                 Dass der Klimawandel ein Sicherheitsrisiko für unse-
kulturelles Erbe?                                               re soziokulturellen Infrastrukturen ist, war mit ein

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