IBV - INFO Ikebana - Bundesverband e.V - Jahrgang 30 Nr. II April 2010 - Ikebana-Bundesverband eV
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Liebe Ikebana-Freunde und – Freundinnen, streifen und in eine neue Haut Der diesjährige Kongress wird schlüpfen, geschmeidig und von den kleinen Schulen D biegsam, dabei aber bestimmt gestaltet. Was sind die „kleine und zielgerichtet. Dies ist auch Schulen“? ie Blätter meiner Bambus- ein Prinzip aus der Lehre des Die kleinen Schulen brauchen staude sind immer noch Aikido, einer japanischen sich sicherlich nicht zu eingerollt, zu kalt um ihr volles Budokunst, die ich auch schon verstecken, sind im IBV mit grünes Blatt zu zeigen. Nach seit über 30 Jahren betreibe. weniger Mitgliedern vertreten. diesem langen weißen Winter Ein Weg (Do), der so leicht Übrigens nicht nur im IBV, sind sehnen wir uns nach Grün, aussieht, aber so schwierig doch die z.B. in Deutschland nach Farbe und wärmender umzusetzen ist; Geist und gegründeten Ikebana-Schulen Sonne. Körper in Einklang zu bringen. eher regional verbreitet. Von Die spiraligen Verdrehungen der Anzahl der Mitglieder sind des Körpers, die Flugbahn sie inzwischen sehr auf dem durch die Luft, das Abrollen, die Vormarsch. Wenn ich an Stabilität des Werfenden wie frühere Kongresse zurück- ein Fels in der Brandung- so denke, waren es große beschrieb Ann Truckenmüller, Leistungen, die von einzelnen meine erste Ikebana-Meisterin, Mitgliedern der „kleinen Schu- die Begegnung mit Aikido vor len“ erbracht wurden, so z.B. ca 25 Jahren im Wilhelm- Tineke Robertson der ICHYO- Kempf-Haus. Heute will auch Schule, die nicht nur einen mein Körper nicht mehr immer Workshop, sondern auch bei so wie ich es mir vorstelle – ein der Vorführung mitwirkte oder Tribut an die vergangene Zeit. an Yoshie Takahashi, die eine Glücklicherweise ist der Kado lange Reihe von Arrangements nicht so körperorientiert. Oder über den gesamten Gang auf doch? Höre ich nicht immer der Straße nach den Regeln wieder von meinen älteren der SAGA-Schule korrigiert Kolleginnen, dass die langen hatte, Frau Rose von der Spaziergänge in der Natur der ICHYO-Schule, die über lange Vergangenheit angehören, weil Jahre hinweg selbstlos das die Beine nicht mehr so wollen. Rahmenprogramm organisierte Dass die dicken Zweige nicht oder die ADACHI-Frauen aus Die Artikel zu unserem Spezial- mehr geschnitten werden der Schweiz, die immer mit thema „Bambus“ werden Sie können, weil die Hände nicht ihrer Hilfe und Workshops zur staunen lassen. Die Vielfalt, mit mehr so wollen. Verfügung stehen. der wir mit den gesamten Teilen Dabei denken ich dann immer der Pflanze gestalten können, Hätten Sie eine neue, gute Be- wieder an den Titel der IBV- angefangen vom Rhizom über zeichnung für die „kleinen Ausstellung auf der BUGA Cott- die Bambussprosse, bis zu den Schulen“, damit auch diese bus „ Eine Blüte – ein Blatt – ein gefäß-artigen dicken Halmen, ganz groß herauskommen bei Moment der Stille.“ Mit so wenig die zierlichen Blätter an unserem diesjährigen können wir zufrieden sein. schwingenden Austrieben, Kongress? Auf der anderen Seite sehe ich sogar die Hüllblätter lassen sich in unserem Verband die 70-, Voller Erwartung auch auf die verarbeiten. Dieses Riesengras, 80-, ja 90-Jährigen beim Wahlen in der Mitgliederver- das in seiner Elastizität eine Unterrichten von Ikebana, beim sammlung (Einladung dazu auf große Stabilität aufweist, Herstellen von Keramiken, beim dem Extrablatt) verbleibe ich fasziniert und inspiriert. Machen Leiten von Workshops und wir uns diese Eigenschaften Ihre Ikebana-Kursen, bei der doch auch im täglichen Leben Teilnahme an unserem Kon- Gaby Zöllner-Glutsch zunutze. gress. Da kann ich dann Vielleicht können wir mit dem wiederum nur staunen: Wie viel nahenden Frühjahr unsere Schönes, Ausfüllendes habe Starrheit des Winters ab- ich noch vor mir! Präsidentin 2
INHALTSVERZEICHNIS Seite 04 Seite Fotos Mantelseite: Bambusworkshop M. Pucks 01 Präsidiumsbrief 02 Ayako Graefe: Ikebanabuch neu aufgelegt 04 Seerosen und Kakteen 04-05 Lehrerseminar bei Marianne Pucks 06 Sonderthema BAMBUS 07-20 Seite 07 Drei Freunde des Winters 21 Aus der IBV Präsidiumsarbeit 22 Ausstellungen / Seminare / Workshops/ Unterricht 23 Homepage IBV www.ikebana-bundesverband.de Seite 21 zwischen all dem Grau am Himmel blaue Flecken - hoffnungsvoller März Barbara Müller Endlich Frühling. Foto: Els Schnabel 3
Neu aufgelegt: Ayako Graefe Ikebana Geist und Schönheit japanischer Blumenkunst D as Buch stammt aus erster Hand: Die Autorin, Ayako Graefe (geb. Yasuda), ist in verständnisvoller Anwendung seiner Technik. Prächtige Fotografien, die eigens für die Japan geboren und aufge- ursprüngliche Veröffentlichung wachsen; ihr Künstlername ist angefertigt oder von der Autorin Seiiku (»stille Eleganz«), und in Japan ausgewählt wurden, sie ist Ikebana-Lehrerin des und ebenso großartige Zeich- höchsten Grades, »Riji«, der nungen führen den Betrachter Sogetsu-Schule. In diesem durch Anschauung vollends zur Buch stellt sie jedoch unab- erstrebten Erkenntnis des hängig von einer bestimmten Wesentlichen. Als Vermittlerin Schule – und das geschieht kann Ayako Graefe um so mehr unseres Wissens auch heute überzeugen, als ihr nicht nur noch zum ersten Mal – Lehre der heimatliche Kulturkreis und Methode verschiedener vertraut ist; nach dem Studium Ikebana-Schulen Japans dar der Sprachwissenschaft und und erläutert sie anhand von Ethnologie in Japan, Beispielen klassischer und Neuseeland und den USA, das Sie ist Vorsitzende des moderner Stilrichtungen. Auf sie mit dem »Master of Arts« in Ikebana-Sogetsu München diese Weise macht sie das polynesischer Sprachwissen- e. V. und des Münchener eigentliche Wesen aller Ike- schaft abschloss, wirkte die Zweiges der Sogetsu-Schule. bana- Kunst sichtbar und bringt Wissenschaftlerin an den Sie ist durch ihre Demonstra- sie westlichem Fühlen und Universitäten von Hawaii, tionen, Workshops, Vorträge, Denken näher. Die Autorin führt Kopenhagen und München. Ausstellungen und Fernseh- den Leser gründlich in die Viele Jahre war sie Mitarbeiterin auftritte im In- und Ausland kulturellen, philosophischen und von Museen und Galerien, noch bekannt. Vor diesem Hinter- historischen Hintergründe der länger ist sie, mit einem grund gelingt die kluge, klare Ikebana- Kunst ein und weist so deutschen Professor verheira- und einfühlsame Begegnung den Weg zu fundierter tet, in Deutschland als Ikebana- mit Japans Ikebana. Würdigung der Ästhetik des Lehrerin und Künstlerin tätig. Ikebana und seiner Stile und zu ISBN 978 3 8391 4034 5 Seerosen und Kakteen Von 7. bis 28. März 2010 fand im Damenbau, Staatspark Fürstenlager, Bensheim – Auerbach eine Ausstellung statt mit Keramiken von Heidi Bereiter - Hahn, Zeichnungen von Christine Fiebig und Fotos von Wite Voltmer – Fiebig. Schönheit, Formen- reichtum, Licht und Schatten, der Wechsel er Jahreszeiten am Seerosenteich und im Kakteenhaus des Frankfurter Palmengartens spiegeln sich in Kohlezeichnungen, Fotos 4 und Keramiken.
Lehrerseminar bei Marianne Pucks Kalte Zeiten in Berlin. Nicht Nicht die verschiedenen Schu- zusammengedrückt, zu einer jedoch in den Herzen der len standen im Vordergrund, Wurst geformt oder kühn nach Ikebanisten. Nach einem sondern die Kreativität. Neue oben geschwungen. Von Nicht- arbeitsreichen Wochenende im Ideen wurden ausprobiert und Sogetsu-Schülern hörte man tief verschneiten Seddin (süd- mit ungewöhnlichem Material oft, dass man gar nicht auf die östlich von Potsdam), wo sich (Kühlröhren) und gewöhnli- Idee gekommen wäre, den 20 enthusiastische Ikebana - chem Hasendraht effektvolle Draht in dieser oder jener Form International Mitglieder getrof- Arrangements kreiert. Sozu- zu benutzen. Am Schluss stand fen hatten, um die ersten Vor- sagen ein Trainingslager des ein gemeinschaftlicher bereitungen für die I.I.- Europa- Miteinanders. Der Beweis Rundgang, bei dem Frau Pucks konferenz 2012 zu organi- wurde erbracht, dass es für Jeden ein lobendes Wort sieren, machten sich einige funktioniert, wenn alle offen und fand und alle von der tollen davon auf den Weg zu Frau bereit sind, ihr Denken ein Präsentation begeistert waren Pucks, die ein Lehrerseminar Stück weit aus gewohnten und viel fotografierten. Ich anbot, bei dem mit Orchideen Bahnen, Schulregeln und glaube, auch im Namen aller ohne Wasser gearbeitet wer- Automatismen zu befreien. Für Teilnehmer, sagen zu können: den sollte. In der heutigen Zeit, mich ist es immer wieder ein es war ein interessanter Abend wo entfesseltes Karrierestreben Erlebnis zu sehen, wie viele und die Zeit verflog viel zu menschliche Beziehungen oft verschiedene, teils ungewöhn- rasch. nachhaltig vergiftet, war es eine liche Objekte mit dem wenigen Nach der Arbeit kam das Wohltat, wie Ost und West gleichen Ausgangsmaterial Vergnügen, die gesellige gemeinsam, nebeneinander auf entstehen können. Der Draht Weinrunde im gastlichen Haus engem Raum, konzentriert zeigte sich in vielen verschie- der Pucks-family - ganz arbeiteten und sich gegenseitig denen Formen, er wurde herzlichen Dank. halfen und unterstützten. gedreht, Brigitta Buse 5
BAMBU S D er Bambus ist mein Bruder" In diesem vietnamesischen Sprichwort wird das Verhältnis Legenden, Glauben und Aber- glauben Eingang gefunden. Hier sei ein Beispiel genannt: "Ein Die Menschen in Asien benützen Bambus als Baumaterial für ihre Häuser, als Behälter für Essen japanischer Bauer schnitt einmal und Trinken, als Grundmaterial der Asiaten zu dieser Pflanze seinen Bambus und fand im für allerlei Geräte im Haus und ausgedrückt. Für sie ist ein Innern des Rohres ein kleines bei der Feldarbeit, als Waffe, als Leben ohne Bambus kaum Mädchen, das er mit sich nach Nahrungsmittel, als Viehfutter denkbar. „Man kann machen, Hause nahm und wie sein oder als Medizin. Die Eigenschaf- dass man kein Fleisch isst, aber eigenes Kind aufzog. Es wuchs ten dieser Pflanze sind so über- man kann es nicht dahin bringen, zum schönsten und anmutigsten zeugend, dass man ihnen selbst dass man keinen Bambus hat" Mädchen des ganzen Landes mit moderner Technik nicht viel sagt der große chinesische heran. Als der Kaiser von Japan entgegensetzen kann. Das Dichter und Maler der Song- davon hörte, wollte er es zu Bambusrohr ist fest wie Stahl, Dynastie Dongpo (1036 - 1101). seiner Gemahlin machen. Das aber biegsamer. Es wächst Bambus ist ein Symbol für die Mädchen jedoch wehrte ab und pfeilgerade und schnell und ist chinesische Wesensart über- schrieb ihm in einem Brief, es sei deshalb ein idealer Baustoff. Es haupt. Er steht für Elastizität, zu viel der Ehre, es zöge deshalb ist leicht und dennoch fest, Ausdauer und Hartnäckigkeit - vor, wieder in den Bambus biegsam und trotzdem zäh. Es ist biegt sich im Wind, bricht nicht zurückzukehren, aus dem es schwer entflammbar, kann unter und seine Blätter fallen nicht. Er gekommen sei. Der Kaiser setzte Hitze gebogen werden und gibt nach und überlebt gerade alle seine Soldaten ein, das Mäd- behält dann seine Form, ohne deshalb. Ob dieser Eigenschaft chen zu finden. Aber es blieb seine Stärke und Elastizität zu spricht man in Japan von einer„ verschwunden. Aus Trauer verlieren. Es kann immer in eine Bambus- Mentalität." Kompro- darüber, das Mädchen verloren Richtung zu feinsten Fasern misse schließen, nachgeben und zu haben, das aus einem Bam- gespalten werden, aus denen dann wieder zurückkommen- bus gekommen war, verbrannte man fast unzerreißbare Stricke dies ist die Kunst des Über- der Kaiser den Brief des Mäd- dreht. Seine Sprossen sind eine lebens. Dass der Mensch ohne chens auf dem Berg Fujiyama, delikate und vitaminreiche die Natur nicht leben kann, dass wo das Feuer bis heute noch Nahrung, seine Blätter nahrhaft er sich ihren Gesetzen unter- nicht erloschen ist." Vor allem in und heilsam für das Vieh. Seine werfen muss, u z überleben, gilt Japan hängen viele Zeremonien Kieselsäure hilft bei Vergif- auch im heutigen Asien. Nur aus eng mit dem Bambus zusammen. tungen. Die dichten, oft riesigen diesem Selbstverständnis Beispielsweise werden für die Bambuswälder sind aus keiner heraus, der Einheit von Mensch Gerätschaften bei der Teezere- Landschaft in Asien, von Japan und Natur, kann man verstehen, monie nur ganz bestimmte Arten bis Indien, vom Äquator bis wenn in Asien der Bambus als des Bambus verarbeitet. Seit nördlich zum 40.Breitengrad, Freund, als Bruder oder als dem achten Jahrhundert gibt es vom feuchtheißen Urwald bis zu Weggefährte gesehen wird. In in einigen Gegenden Japans den kühlen Vorgebirgen des der asiatischen vor allem in der auch das "Fest des Bambus- Himalajas wegzudenken. chinesischen Symbolsprache, ist spaltens", das von Priestern mit der Bambus von großer Bedeu- Bambus bildet eine Unterfamilie Reinigungsritualen eröffnet wird, zur Familie der Süßgräser tung und steht für Bescheidenheit bevor die jungen Männer des und, da er immergrün ist, ist er (Gramineae). Vereinfacht gesagt, Dorfes beginnen, die frischen zählt man zu Bambus alle ein Symbol für das Alter. Die Bambusrohre zu spalten. Die Chinesen meinen, der Bambus Gräser, die baum- oder strauch- traditionelle Neujahrs-Dekoration artig beastet sind und verholzte biege sich vor Lachen. So ähnelt eines japanischen Hauses das chinesische Schriftzeichen Stämme haben. Etwa 115 besteht aus den drei am meisten Bambusgattungen sind derzeitig dem für Lachen. Die Wörter für verehrten Pflanzen Japans: Bambus, für beten und wünschen bekannt mit 1050 bis 1070 Bambus, Pflaume und Kiefer. Bambusarten. Bambusforscher sind im Chinesischen Man nennt diese drei Pflanzen gleichbedeutend. Weil Bambus und Systematiker sind sich bis auch "Drei Freunde". Sie sym- heute uneinig über die Zuord- für die Menschen in Asien eine bolisieren die drei Religions- so überragende Rolle spielt, in nung bestimmter Arten zu stifter Buddha (Bambus), bestimmten Gattungen. Das liegt der Philosophie ebenso wie im Konfuzius (Pflaume) und Lao Tse praktischen Leben, hat er auch in daran, dass die Bestimmung (Kiefer). durch die selten erscheinende 6
Es gibt jedoch auch gelbe, braune, schwarze, rötliche, ge- fleckte, gestreifte und bemehlte Bambushalme. In aller Regel sind sie rund; doch es gibt auch eine quadratische Art. Die meisten Arten sind hohl. Auch hier bestätigt die Ausnahme die Regel: Die in Mittel- und Süd- amerika heimischen Chusquea- Arten sind nicht hohl. Sehr gutes Bestimmungszeichen. interessant ist auch, dass sich Während der Halm des Bambus bei einigen Arten die neuen heranwächst, bilden sich an den Halme farblich verändern. Die Nodien bereits die Knospen für Sprosse mehrerer Arten sind die Zweige. Die Zweigbildung ist essbar. Sie wachsen schnell je nach Art unterschiedlich. Bei heran. Tag für Tag einige den Sasa-Arten oder den Zentimeter. Der Zuwachs am Tag Pseudosasa-Arten beispiels- kann bei einigen Arten sogar 20 weise wird nur ein Zweig pro bis 40 Zentimeter betragen. Je Nodium entwickelt, während nach Art und Alter der Pflanze Chusquea-Arten bis zu 50 wird er so dünn wie Gras oder Zweige ausbilden. Neben den Blüte sehr schwierig ist - unter Umständen dick bis zu Halmen, die den Charakter der manchmal blüht der Bambus erst einem Durchmesser von 25 jeweiligen Art ausmachen, sind in Abständen von 120 Jahren. Zentimetern. Es gibt Arten, deren die Zweigbildungen ein weiteres Die Bestimmung richtet sich Halme viele Meter hoch werden wichtiges Unterscheidungs- jedoch nach dem Bau der Blüte. und Arten, deren Halme nur 10 merkmal. In gleichem Rhythmus Aber auch dann noch sind die Zentimeter kurz bleiben. können sich die einzelnen Unterschiede schwer herauszu- Zweige wieder verzweigen. finden. Selbst die Blätter können Das unterirdische Rhizom, der Halm und die Zweige geben das Der Bauplan von unter- und ihr Aussehen während der Blüte- Gerüst einer Bambuspflanze ab. oberirdischen Teilen des Bambus zeit verändern. Dann spielen die Alle Teile sind nach demselben ist also weitgehend identisch. Die verschiedenen Standortbeding- Prinzip aufgebaut. Sie bestehen Bambushalme wachsen aus ungen und Bodenverhältnisse aus Segmenten (Internodien), die einem unterirdischen Rhizom, eine nicht zu unterschätzende durch Knoten (Nodien) abge- das alljährlich im Frühsommer, Rolle. Sie können ebenfalls zu schlossen sind. Einmal gestreckt, wenn das Halm- und Zweig- großen Veränderungen führen. können sie nicht mehr weiter wachstum abgeschlossen ist, Bis auf den heutigen Tag können wachsen. Die Nodien sind ein weiter wächst und sich verzweigt. sich die Wissenschaftler nicht massives Gewebestück, das aus Diese Rhizome sind oftmals so einmal über die Klassifizierungs- dem Scheidenring, dem Auge stark miteinander verflochten, methoden einig werden. So ist und dem Knotenring besteht. dass man den Eindruck gewinnt, die Nomenklatur des Bambus Beim Halm ist der Scheidenring die ganze Erde unter dem Bam- immer noch im Fluss. die Ansatzstelle für das Laub- bus bestünde nur aus Rhizomen Als immergrüne Pflanze bleiben blatt, das sich wiederum jeweils und zwar je nach Gattung bis zu seine Blätter auch im Winter bei aus Scheide und Spreite zusam- einem Meter tief. Von Japan wird Frost grün. Seine enorme Wider- mensetzt. In der Scheide sind berichtet, dass Menschen bei standskraft verdeutlicht die Wachstumshormone einge- einem Erdbeben in die Tatsache, dass nach der Zerstö- schlossen, die das rasche Bambushaine flüchten, weil kein rung Hiroshimas durch den Wachstum der Internodien Erdbeben in der Lage sei, die Atombombenabwurf, die Halme ermöglichen. Aus dem Auge Rhizome eines dichten Bambus- des Bambus zum ersten entwickelt sich eine neue haines auseinander zu reißen. gehörten, was wieder zum Leben erwuchs. Eine weitere Besonder- Verzweigung. Der Knotenring ist Das Bambusblatt wächst nicht, heit ist, dass der junge Trieb die Ansatzstelle für die Wurzeln wie etwa bei einer Buche oder bereits in der Dicke aus dem beim Rhizom, beim Halm bilden einem anderen Laubgehölz, aus Boden kommt, die er seine etwa sich hier die Knospen für die einer Knospe heraus. Es 10 jährige Lebensdauer lang Zweige, die ihrerseits wiederum entspringt am Scheidenring, der beibehält. Die Länge, die ein nach demselben Prinzip gebaut ganz um den Halm herumreicht. Halm im Jahr seines Wachstums sind. Eine Besonderheit weisen Der untere Teil des Blattes, die erreicht, ist gleichfalls seine die Halme vor allem der Phylo- Scheide, ist eng um den Zweig Endlänge. Es gibt Arten mit stachysarten auf - eine sehr gerollt, die Spreite steht ab und dicken und solche mit dünnen umfangreiche Bambusgattung -. ist als Blattfläche sichtbar. Der Halmen, streng aufrecht Bei ihnen ist in der ganzen Länge Übergang von Scheide zu wachsende und solche, die sich der Internodien jeweils eine sehr Spreite ist, je nach Art, wie beim graziös neigen. Normalerweise ausgeprägte Kerbe zu bemerken, Halm auch, bei den Zweigen, ist ein Bambushalm grün. der so genannte Sulcus, ein deutlich mit Öhrchen und 7
Warum dies so ist, ist bis heute Riesengras immer mehr Freunde nicht geklärt. Es kursieren viele gewinnt, seit man mehr über die Theorien. Sie alle sind bis heute unter-schiedliche Winterhärte unbewiesen. Bewiesen ist dieser Pflanzenfamilie weis. lediglich, dass die meisten Bambus ist in unseren Gärten Gattungen in sehr großen beinahe ein "Renner" geworden. Abständen blühen - manche Er kann als Hain, als Hecke oder einmal in dreißig Jahren, andere als Solitär eingesetzt werden, wieder in einem Rhythmus von passt in die Nähe der Terrasse, Wimpern, durch die Zunge und sechzig bis achtzig Jahren, sowie an den Gartenteich oder manchmal sogar durch auffällige andere sogar hundert-zwanzig kann in Kübeln auf Balkonen und Behaarung gekennzeichnet. Sie Jahre. Wie anfangs schon Dachgärten untergebracht haben den Zweck, herauslau- erwähnt, erschweren die langen werden. Bezeichnenderweise fendes Wasser aufzufangen, so Blühpausen die Bestimmung der findet man die ältesten Bambus- dass es nicht in die Blattscheide einzelnen Arten bzw. ihre bestände Europas in hochherr- läuft. Zahl und Länge der Gattungszugehörigkeit, weil sich schaftlichen Parkanlagen. Sie Wimpern sind artspezifisch. Die die botanische Nomenklatur nun sind jetzt etwa hundert Jahre alt. Blattform ist lanzettlich und im einmal nach den Merkmalen der Deutschlands berühmtester Gegensatz zu anderen Gräsern Blüte einer Pflanze richtet. Lange Bambushain ist im Schloss- hat das Blatt immer einen Stiel. Zeit meinte man, dass immer alle garten von Baden-Baden zu Dass Bambusblätter einen Stiel Pflanzen einer Bambusart auf der bewundern. Aber auch in haben, hat seinen guten Grund ganzen Welt zur selben Zeit mehreren Klostergärten darin, dass es als immergrüne Blüten ansetzen. Auch dies ist Südostbayerns und Österreichs Pflanze Wind und Wetter jeder nur sehr bedingt richtig. gibt es stattliche Bestände zu Jahreszeit widerstehen muss. Die meisten Bambusarten sind in sehen. Die bemerkenswerteste Dies gelingt nur, wenn es seine Asien beheimatet. Dort gehören und umfangreichste Bambus- Elastizität durch einen Stiel sie zum täglichen Leben der sammlung findet sich in erhält. Die Bambusblüte ist Menschen. Ihr Anwendungs- Frankreich, unweit von Nîmes. unscheinbar, aber dafür birgt sie bereich ist so breit gefächert, wie Dort entstand ein „Wallfahrtsort" ein Geheimnis. Bei einigen wohl bei keiner zweiten Pflanze. für Bambusfreunde aus ganz Gattungen führt sie zur völligen Wen wundert es da, dass auch Europa. Erschöpfung, so dass die ganze bei uns in Europa dieses Staude abstirbt. 8
In allen asiatischen Ländern Der Ursprung: Früher ließ man stehen sich Natur und Religion Bambusholz im Feuer explo- sehr nahe. Ihre Götter lebten dieren, es zerbarst mit lautem überall in Felsen, Bergen, Krachen. Dieses Bambusfeuer- Bäumen, Flüssen, Hainen, werk sollte die Dämonen ver- Wäldern oder auch im Wasser, in treiben. So wollte man sich bei einzelnen Steinen, Pflanzen und den Göttern mit Gebeten und ähnlichen Orten. Sie sind heilig, Wünschen für Frieden und Ruhe aber nicht in unserem europäi- Gehör verschaffen. In der Kunst schen Sinn, viel mehr in einer Art wird Bambus gern zusammen mit einer Orchidee oder noch den Bambuslöffel in der Natursicht, die uns fremd ist. Das Pflaumenblüte dargestellt. Die Hand hielt, als sie „erlöst wurde Wasser, die Berge, Tiere oder Blüte ist das Zeichen für die Frau und in die Lüfte stieg". Auf allen Pflanzen sind Teile eines - oder Yin, das weibliche Ele- Darstellungen sieht man sie mit Ganzen. Wir Menschen sind mit ment. Der Bambus verkörpert dem Bambuslöffel in der Hand. eingebunden. Dies gilt auch noch den Mann - oder Yan, das männ- „Sein Name möge auf Bambus im modernen Asien. Man lebt in liche Element. Die traditionelle und Seide überliefert werden" - dem Bewusstsein, ohne die Neujahrs-Dekoration eines so lautet einer der Glückwünsche Natur nicht existieren zu können. japanischen Hauses besteht aus in China. Bambus spielte nämlich Unterwirft man sich ihren den drei am meisten verehrten schon zu Urzeiten eine wichtige Gesetzen nicht, wird man nicht Pflanzen Japans: Bambus, Rolle in der Kalligrafie, die in überleben können. Nur aus Pflaume und Kiefer. Man nennt Asien heute noch eine hoch diesem Selbstverständnis der diese drei Pflanzen auch „Drei geschätzte Kunst ist. Die für Einheit von Mensch und Natur Freunde". Sie symbolisieren die diese Kunst benutzten Pinsel, mit heraus, kann man verstehen, drei Religionsstifter Buddha ( denen man die Schriftzeichen wenn in Asien der Bambus als Bambus ), Konfuzius ( Pflaume ) malte und auch heute noch malt, Freund, als Bruder oder Weg- und Lao Tse (Kiefer). In China sind aus Bambusrohr geschnit- gefährte angesehen wird. verehrt man die „Vier edlen ten. Früher wurde sogar das In der chinesischen Symbo- Pflanzen", Auch hier ist es der Papier aus Bambusblättern lsprache hat der Bambus eine Bambus zusammen mit der gefertigt. Und auch heute noch große Aussagekraft. Er lässt Orchidee, der Pflaume und der ist die Form des Bambusblattes seine Blätter hängen, weil sein Chrysantheme. Sie verheißen eine Leitform asiatischer Kalli- Inneres, also sein Herz, leer ist. Glück und Wohlstand. Und fehlen grafie. Man darf die Kalligrafie Ein leeres Herz bedeutet in bei keinem Fest, bei keiner nicht einfach als Schönschrift China Bescheidenheit. Darum ist Zeremonie. Glück verheißt es abtun, sie ist vielmehr eine der Bambus ein Symbol für diese zum Beispiel einem Kind, wenn wirkliche Kunstform, die vor allem Tugend. Der immergrüne Bam- bei seiner Geburt die Nabel- in China schon vor Jahrhunder- bus verändert sein Aussehen im schnur mit einem Messer aus ten zu höchster Vollendung Laufe der Jahreszeit nicht, darum Bambus durchgeschnitten wird. gedieh. Deshalb sagt man in steht er auch als Symbol für das Götter sind in Asien Wesen mit Asien:" Schreiben heißt Bilder Alter. Weiter ähnelt das chine- durchaus menschlichen Gewohn- malen und malen heißt Bilder sische Schriftzeichen für Bambus heiten und Bedürfnissen aus- schreiben". Die ersten dem für das Lachen. So meint gestattet. Infolgedessen findet nachweisbaren chinesischen man in China, der Bambus biege man sie häufig zusammen mit Schriftzeichen fand man bereits sich vor Lachen. Die Worte für alltäglichen Dingen abgebildet. im 13. Jahrhundert v. Chr. Sie Bambus, für beten und wün- Etwa die unsterbliche Ho sein- waren damals schon vereinfachte schen sind dort gleich lautend. Ku, die eben Reis kochte und Zeichnungen, die sozusagen auf Kürzel reduziert wurden. Und so ist es noch heute. Seine beson- dere künstlerische Form erhält die Kalligrafie durch den Pinsel. Diesen Pinsel kennt man schon seit etwa 6000 Jahren. Von Anfang an war er raffiniert konstruiert. An einem langen, elastischen Stiel aus Bambusrohr sitzen keilförmig angeordnete Tierhaare - am Stiel sehr dicht, zur Spitze hin immer dünner, so dass man feinste Linien und breite kräftige Striche damit zeichnen kann. Ebenso unge- wöhnlich ist die Handhabung dieses Pinsels. Er wird zwischen die Finger geklemmt. Finger und Handgelenk werden beim 9
Schreiben und Malern nicht bewegt, sondern bleiben starr. Der Künstler schreibt und malt aus dem Ellenbogen und dem Schultergelenk heraus. Dadurch soll das was zu Papier gebracht wird, direkt aus dem Zentrum des Körpers, also dem Herzen kommen.." Der Pinsel führt aus, was das Herz diktiert", sagte Jing Hao, ein berühmter Maler und Kalligraf des 10. Jahrhunderts nach Christus. Heute noch soll man sagen:" Der Pinsel tanzt und die Tusche singt". Ist der Pinsel Dorthin wurde die Kalligrafie von heute noch aus Bambus, so China aus um, das Jahr 400 n. waren es in ganz frühen Zeiten Chr. eingeführt, als viele Gelehr- auch die Schreibflächen. Man te und Kunsthandwerker aus schrieb auf mehrere dünne China nach Japan flüchteten und Bambustäfelchen, die künst- sich dort ansiedelten. Japanische lerisch zusammengeknüpft Künstler allerdings verfeinerten wurden. Später schrieb man auf die Kalligrafie bald zu einer Seide. Als diese knapp wurde, Kunst, die bis zur Abstraktion weil immer mehr geschrieben ging. Parallel zur Entwicklung der wurde, erfand man in China das Kalligrafie blühte auch die Male- Papier. Das ist immerhin schon rei auf. Ein schön geschriebener fast 2000 Jahre her. Aus alten Text ist oft begleitet von symbo- Fischernetzen, Baumrinde, Hanf lischen Tuschzeichnungen, die und Gräsern wurde ein Brei an- sich auf den Text beziehen. gerührt, den man schließlich Andererseits sind die großen, oft abschöpfte, auf Matten dünn meterlangen Rollbilder von ausgoss und trocknete. Aber erklärenden Texten in schöner mindestens 2 Jahrhunderte vor- Kalligrafie begleitet. Und diese her schon hatte man auf ähnliche Texte sind wiederum Dichtung. Weise Papier aus Bambus- Wie die Rollbilder und Tusch- blättern hergestellt. zeichnungen immer starker Das bezeugen archäologische vereinfacht und symbolisiert Funde aus heutiger Zeit. Die wurden, so geschah das auch in Bambusblätter wurden tagelang der Dichtung, in Japan ist der geschlagen, bis ebenfalls ein Haiku bis heute sehr beliebt, ein dünner Brei entstand. Dieser Brei rhythmischer Dreizeiler, der mit wurde auf Matten geschöpft und sparsamen Worten eine getrocknet. So entstanden dünne besondere Stimmung vermitteln Papierblätter, die allerdings soll. faseriger ausfielen als das Papier Dass sich der allgegenwärtige aus Abfällen, so dass man dies Bambus in vielen Haikus wieder Verfahren wieder aufgab, da die findet, ist nur selbstverständlich Tusche darauf leicht zerlief. Anschließend einige Beispiele: Zudem wurde die Herstellung Im Sommerregen So tropfenweise aus den Abfallprodukten So ab und zu beim Bambus Der Regen hereinweht kostengünstiger. Mit dieser Ein Falter auftaucht Zum Bambusvorhang Erfindung nahm die Kunst des (Chora 1721-1772) (Shiki 1867-1902) Schreibens nicht nur in China, sondern auch in Japan einen Mein ganzer Frühling! Im Regenschauer unerhörten Aufschwung. Nun zu dem einen Bambus Lauft rasch am Bambus runter Ein Weidenzweig noch Die Roßameise 10 ( Issa 1739-1827) (Joso 1661-1704}
Alle Dinge im chinesischen Wohl fünf bis sechsmal Garten - im japanischen in noch Sich Farben mischen verfeinerter ausgeprägter und Am Bambusvorhang abstrahierter Form - haben einen (Ransetzu 1654-1707) Symbolwert und sind Meditationshilfen. Wasser fehlt Beim stillen Kloster niemals, es steht für das Ein Ton wie Bambusmähen menschliche Leben und das Das Abendnieseln. philosophische Denken. Statt (Shoha um 1700) Rasen gibt es Kieselflächen, Das Wasser wurde durch feinen Felsen symbolisieren Berge. Sie Sand oder weißem Kies Jedem seine eigenen Sorgen werden oft von weither herbei- dargestellt, den man mit dem Bereitet die Dürre - geschafft, wobei man beson- Rechen mit Mustern versah, die Ich bange um Bambus und Kiefer deren Wert auf bizarre und ze- einen fließenden Bach, einen (Po Chü-i) rklüftete Formen legt. Sie bezeu- schäumenden Fluss oder das gen - als Gegensatz zum Wasser Weltmeer symbolisierten. Solche - die mächtigen Naturkräfte. Trockengärten kann man heute Auch in der Gartenkunst, sowohl Blumen werden niemals in noch besichtigen. Darin findet der chinesischen als auch der Rabatten oder Muster gepflanzt; man oft nur wenige, besonders japanischen, spielt der Bambus sie stehen einzeln, zur Meditation schöne Bambushalme. Die eine bedeutende Rolle. Die anregend. Die Chrysantheme, Trockengärten werden nicht Gartengestaltung ist eine Form die spät blüht und dem Frost betreten, nur vorn außen, vom der Kunst wie die Landschafts- trotzt, symbolisiert Kultur und Haus aus, betrachtet. Kunstvolle malerei und richtet sich nach Zurückgezogenheit, die Wasser- Gärten legt man auch um die vergleichbaren Regeln. In Asien lilie (Iris laevigata) ist das Tempelanlagen herum an. herrschte immer eine gewisse Zeichen für Reinheit und Berühmt ist der Bambushain des Furcht vor der „wilden", der Wahrheit. Der Bambus vertritt Hokokuji - Tempels in Kamakura, ungezähmten Natur, aber Geschmeidigkeit und Kraft, treue weil zwischen Bambusriesen gleichzeitig eine große Liebe zu Freundschaft und rüstiges Alter. einzelner kunstvoll angeordnete ihr und eine Verbundenheit, wie Bambus dient aber auch mit bemooste Steine liegen und wir sie in Europa kaum nachvoll- seinem immergrünen Laub als Steinlaternen aufgestellt sind. Es ziehen können. Der Garten soll Hintergrund für die Pflaumen- gibt auch ganze Bambushaine die Natur widerspiegeln, soll aber blüte und verbindet sich mit der um Tempel, die vor allem dem Menschen auch dazu Kiefer zu einem künstlerischen berühmt sind, weil hier dienen, sich in die Natur durch Bild. In asiatischen Gärten wird besonders schöne Bambusarten Meditation zu versenken. der Bambus meist so wachsen. Im Bezirk Kochi in Chinesische und japanische ausgelichtet, dass die einzelnen Japan wurde ein Hain aus dem Gärten formen eine Landschaft, schönen Halme offen zu sehen kostbaren „Goldenen Bambus" die mehr die Einbildungskraft als sind. Ein Bambus mit mehreren unter Natur-Denkmalschutz den Verstand des Betrachters Halmen symbolisiert in der gestellt, dessen goldgelbe Halme fordert. Immer wird die Yin ¬und landschafts-malenden Gärtnerei mit grünen Streifen verziert sind. Yang - Lehre, der Gegensatz des einen ganzen Wald. Japanische Auch Haine mit Schildkröten- Männlichen und des Weiblichen, Gärtner verfeinerten ihre bambus (Phyllostachys Edulis f. des Harten und des Zarten Gartenkunst im 10. Jahrhundert heterocycla) sind weithin berühmt beachtet. Das können Fels und so weit, dass sie Gärten fast und Ziel häufiger Ausflugsreisen. Wassersein, Bambus und ohne Pflanzen anlegten, Ein Bambus, Wasser und Chrysantheme, gerade und Stein symbolisierte einen Berg Pagodendächer sind bevorzugte gebogene Linien. oder Wasserfall. Plätze zum Meditieren. Einer Anekdote zufolge kam der Bambus zu seinem Namen, als die Begleiter des Marco Polo ein Feuer aus Bambushalmen entfachten, um des Nachts Tiere und Geister vom Schlafplatz fernzuhalten. Sobald die Halme verbrannten, dehnte sich die Luft in den Hohlräumen aus und der Halm zerplatzte mit lautem Knall: Bämm Buuh! Phonetisch klingt das Zerplatzen wie die englische Bezeichnung für Bambus: Bamboo. Text: Enno Krause Fotos: Ingrid Born Johnna Bang Sorensen 11
Bambus in der japanischen Malerei Dr. Susanne Schäffler - Gerken Reinheit und Leere, das sind die I n zahlreichen Schulen und Stilrichtungen hat sich die Quellen der Wahrheit. Um zur Quelle der Wahrheit zu gelangen, üben Zen-Mönche und ihre Zen-Meister neben den japanische Malerei entfaltet, aber Meditationen auch gewöhnliche nur wenige nahmen das Bam- Tätigkeiten wie Gartenarbeit, busmotiv auf. Dieses ist in der Küchendienst und Hausputz im japanischen Malerei zudem Kloster aus. Wegen seines zeitlich begrenzt, ungefähr auf genügsamen und hingebungs- den Zeitraum zwischen dem 13. vollen Lebens gilt der chinesi- und dem 17. Jahrhundert. Das sche Patriarch Huineng (jap. erscheint recht merkwürdig, ist Eno, 673 – 713) als das große doch Japan das Land, in dem Vorbild. Die Abbildung 2 zeigt Bambus bis heute als Nutzholz- Huineng in einem sogenannten und Nahrungspflanze kultiviert Zen-Aktionsbild des chinesi- und zu nützlichen oder kunst- schen Tuschemalers Liang Kai vollen Gebrauchsgegenständen (ca. 1140 – 1210) bei der verarbeitet wird. primitiven Arbeit des Bambus- Das Bambusmotiv ist in Japan im hackens. Wesentlichen mit der Tusche- Ein anderer chinesischer Mönch malerei und der Zen-Religion namens Xiangyan Zhixian (jap. verknüpft. Japanische Mönche, Kyôgen Chikan, gest. um 840), die im 12. und 13. Jahrhundert so erzählt die Legende, pflegte zum Studium des Zen- regelmäßig den Bambushain Buddhismus nach Südchina seines Klosters. Einmal flog gingen, erlernten dort unter während des Fegens ein Stein- Anleitung von Mönchen die chen gegen den Bambusbesen monochrome Malerei; andere und dieser Ton löste eine plötz- nahmen Bilder im Stil der liche Erkenntnis bei ihm aus. Die chinesischen Tuschemalerei der Darstellung des Mönchs Kyôgen Süd-Song-Zeit (1127 – 1279) mit mit einem Besen vor einem in ihre Heimat Japan. Bambushain fegend gehört zu Das Ziel der Zen-Anhänger ist den ältesten Bildmotiven in der wie bei allen Buddhisten die japanischen Tuschemalerei. Erleuchtung, also eine plötzliche Japanische Bambusbilder sind Bewusstheit und das Erfahren stets vom schöpferischen Zufall der „Wirklichkeit der Dinge“. In bestimmt. Sie entstehen ohne der Tuschemalerei werden Vorzeichnung und in einem hierfür bestimmte Symbole schnellen Malakt. Nichts kann an verwendet. Das Bild des einem Tuschebild korrigiert bedeutenden japanischen Zen- werden. Mit einfachen, sponta- Meisters Deiryu (1895 – 1954) nen Pinselstrichen wird das zeigt einen Bambusstamm vor Nötigste skizziert, wobei die dem Vollmond und verweist Konzentration des Malers gern damit auf zwei Zen-Ideale (Abb. mit der eines Schwertkämpfers 1). Das Erlangen der verglichen wird. Der Tuschestrich Erleuchtung und somit der entsteht aus derselben Kraft wie Buddha-Natur gleicht dem ein Schwerthieb. Abb. 1: „Youyou sei-fu / ein klarer Wind vollkommenen Rund des hellen Die Muromachi-Zeit (1333 – bewegt die Blätter“. Mondes, während der im Innern 1573) war eine Blütezeit für den Tusche auf Papier hohle Bambus die Leere und Zen-Buddhismus. Gelehrte, Deiryu (1895 – 1954) Klarheit des Herzens, das ohne Sammung Gerhard Schack, Museum für Künstler und Schriftsteller, ja Kunst und Gewerbe Hamburg Begierden und Gefühle ist, sogar Shogune gingen ins versinnbildlicht. Kloster, während andererseits Abb. 2: Der sechste Patriach beim Die Aufschrift bedeutet „Ein Priester am weltlichen Leben Schneiden von Bambusrohr klarer Wind bewegt die Blätter“. teilhatten. Tusche auf Papier Liang Kai, China, 13. Jh. 12 Nationalmuseum Tokyo
Bedeutungen um typische japanische Inhalte. Beispiels- weise kommt dem Tiger, der in China für die dunkle yin-Kraft des Herbstes steht, in Japan noch eine weiterer Gehalt zu. Das Bild des Tigers, der bei Wind und Regen Zuflucht im Bambuswald findet, ist ein Sinnbild für Gast- freundschaft und Sicherheit. Der Ethnologe Martin Brauen merkt an, dass der mächtige Tiger als einziges Tier ein Bambusdickicht Die leichte Tuschemalerei wurde durchdringen kann, und folgert: nun auch für die Dekoration von „Die Kombination von Bambus Wandschirmen und Schiebetüren und Tiger ist ein Symbol des in Tempelhallen und Wohn- Schwachen [und Biegsamen], häusern verwendet. Bevorzugt das dem Starken Schutz bieten waren Landschaften und kann.“ Farbenfrohe, realistische Jahreszeiten. In der Flussland- Bilder von Tigern im Bambus- schaft im chinesischen Stil, wald findet man heute noch auf gemalt von Josetsu zu Beginn Schiebetüren und Stellschirmen. des 15. Jahrhunderts, ist die Ebenso zur dekorativen Malerei Vegetation auf wenige zählen Darstellungen von Krani- symbolische Bambushalme chen oder Phönixen zwischen reduziert (Abb. 3). Die Aktion dicken Bambusstangen. Die des Bauern, der mit einem beiden mythologischen Vögel ausgehöhlten Flaschenkürbis sind wie der Bambus ein Zeichen einen Wels zu fangen versucht, des langen Lebens. Der wird gleichgesetzt mit der chinesischen Legende zufolge Schwierigkeit, Zen zu definieren ernährt sich der Phönix aus- oder die Erleuchtung zu schließlich von Bambussamen erlangen. Dieses Bild wie auch und sein seltenes Erscheinen gilt die Winterlandschaft mit als Friedensomen. In Jahres- Bambushain des Malers Kantei zeitenbildern stehen Bambus und aus dem ersten Viertel des 16. Kranich für den Winter, wie auf Jahrhunderts (Abb. 4) sind dem Ausschnitt eines Stell- später von dem Stellschirm oder schirms im Nationalmuseum in der Schiebetür abgelöst und als Tokyo, der dem berühmten Maler Hängerolle montiert worden. und nach China gereisten Sesshû (1420 – 1506) zuge- Abb. 3 Bekanntlich hat die japanische schrieben wird (Abb. 5). „Den Wels mit dem Flaschenkürbis Kultur vieles von China Auch Bambus und Spatz haben fangen“, um 1413 übernommen, von der Schrift ihren Ursprung in der chinesi- Tusche und leichte Farben auf Papier über die Religion und Philosophie Taikô Josetsu (tätig erste Hälfte 15. schen Blumen- und Vogelmale- Jh.) bis hin zu Architektur und rei. In japanischen Tuschebildern Sammlung des Myoshin-Tempels, Kleiderstil. Nachdem Tusche- ist der Spatz mitunter schlafend Kyoto malerei und Bambusdarstel- auf einem von Schnee bedeckten lungen eingeführt waren, Bambuszweig wiedergegeben, in Abb. 4 entwickelte sich eine eigene anderen Bildern ist der Wind „Winterlandschaft mit Bambushain“, Bambusbildtradition, die auch die erstes Viertel 16. Jh.. wahrnehmbar, in dem sich der Tusche auf Papier farbige Malerei einbezog. Dafür Bambus wiegt und die Spatzen Kantei (tätig Ende 15. Jh. bis erste kombinierten japanische Maler umherflattern. Hier vermischen Hälfte 16. Jh.) den Bambus mit anderen Moti- sich die Anspielungen auf Jahr- Sammlung Heinz Götze, Heidelberg ven und ergänzten ursprüngliche eszeiten mit Zen-Konnotationen. 13
Das Schlafen ist ein Symbol für die Stille des Nirvana, während die Rastlosigkeit auch auf schlechte Begierden und Streit in dieser Welt hinweisen können. Daneben gibt es aber auch noch die profane Auslegung von Bambus und Spatz als Symbole der Grazie, Leichtigkeit und Freundschaft. Im 17. und 18. Jahrhundert kam es zu einer erneuten Beein- flussung der japanischen Bambusmalerei durch Chinesen, die aus politischen Gründen Zuflucht in Nagasaki suchten, der einzigen Stadt in Japan, in der Ausländer sich niederlassen durften. Die Einwanderer waren Mönche und Kaufleute. Sie brachten Mallehrbücher aus China mit und pflegten den chinesischen Malstil weiter, der als Literatenmalerei bezeichnet wurde. Japanische Maler Tuschebild (Abb. 8) (unten), entwickelten daraus die so das auf eine Hälfte eines genannte südliche Malerei zweiteiligen Stellschirms montiert (Nanga), in der sie Malerei, wurde, erzeugt der Maler mit den Gedicht und Kalligrafie vereinten. im Wind schwingenden jungen Einer ihrer Vertreter ist Isshi Bambushalmen eine lautlose (1608 – 1646), der traditionelle Musik. Themen der chinesischen Bambusmalerei übernahm, wie „Bambus und Stein“. Seine Tuschemalerei in Abb. 7 trägt Abb. 5 : „Pflanzen und Vögel der die Aufschrift: vier Jahreszeiten“, Die Blätter im Wind, die Äste im 15. Jh. Farben auf Papier Regen Sesshû Tôyô (1420 – 1506) durchschauern das Gemüt mit zugeschrieben Kühle. Tokyo Nationalmuseum Der Hausherr (Isshi) – einsam erkennend – ergibt sich dem Abb. 7 „Bambus und Steine“, Frieden. erste Hälfte 17. Jh. Im Innersten der Brust spürt er den Tusche auf Papier rauschenden Fluss – Isshi Bunshu (1608 – 1646) vieles ist vergangen – doch vor Sammlung Hosokawa, Tokyo dem Fenster ein Stamm Bambus! Abb. 8 „Wind-swept bamboo“, Als einer der wichtigsten Maler 1753 der Nanga-Schule gilt Ike no Tusche und Blattgoldgrund auf Taiga (1723 – 1776). Seine Papier zahlreichen Bambusdarstel- Ike no Taiga (1723 – 1776) lungen zeigen einen sehr freien, Sammlung Choji Takeno, Japan persönlichen Stil. In einem fast zwei mal zwei Meter großen 14
Ein Bambuswald war der Lieb- lings ort einer Gruppe von chine- sischen Gelehrten im 4. Jahr- hundert gewesen. Das Bildmotiv „Sieben Weise im Bambushain“ ist ein fester Begriff in der ost- asiatischen Malerei, dennoch sind die Personen selten in einem stillen Bambuswald wiedergegeben. Vielmehr hielten die legendären Männer äußerst Monat. Das dem August stimmungsvolle Trinkgelage ab, zugeordnete Bild beispielsweise musizierten, dichteten, philoso- heißt „Der Tau im schmalen phierten und politisierten laut- Bergfluss“ (Abb. 6) . Ein Fluss stark. Japanische Maler ist jedoch nicht sichtbar, übernahmen das Motiv des dargestellt sind nur Rückzugs aus der Öffentlichkeit Bambushalme vor einem leicht und der Hinwendung zum verschleierten Vollmond. Der gemeinschaftlichen Erleben von Dunst bestimmt in Japan den Natur und Einfachheit während Sommer, der Regen den Monat der Momoyama-Zeit im letzten Oktober und der Schnee den Viertel des 16. Jahrhunderts. Mit Dezember, und je nach den Sieben Weisen oder auch Jahreszeit geht selbst von einem Sieben Dichtern brachten sie den immergrünen Bambus eine ganz Wunsch nach einer aufgeklärten besondere Ausstrahlung aus. und wohlwollenden Regierung Diese muss ein Bambusmaler zum Ausdruck, nachdem mehr zum Ausdruck bringen. als hundert Jahre lang Macht- Kenkensai erfasst in diesem kämpfe zwischen den japani- Lehrbuch darüber hinaus Japans schen Feudalhäusern getobt wohlbekannte Bambusgegenden. hatten. Die Übernahme von Aus seinen Erläuterungen zum chinesischen Elementen hat in August-Bild erfahren wir: der japanischen Kultur eine mehr „Der Fluss I ist ein berühmter Ort als tausendjährige Tradition und für Bambus. Man sagt, dass Tau unterstreicht, welche Bedeutung hier häufig auftritt. Um diese das alte China als Vorbild für Landschaft zu malen, muss man Japan hatte. Dazu zählen auch einen wunderbaren, schönen die Bildmotive „Drei Freunde des Bambus wählen, der mit Tau Winters“ (Bambus, Kiefer, benetzt ist, und dessen Gefühl Winterkirsche) und „Die vier von Zufriedenheit einfangen.“ Edlen“ (Orchidee, Bambus, Dagegen sind die Werke des Pflaume, Chrysantheme). Mit den modernen Künstlers Higa- vier Edlen verbinden sich neben shiyama Kaii (1908 – 1999) von den vier Jahreszeiten auch vier der Verbindung aus traditionellen berühmte chinesische Dichter japanischen Farben und einem und Denker, die sich einst vom westlichen Stil geprägt. Den Amt zurückgezogen und der leuchtenden Sommeranfang in Blumenzucht zugewandt hatten. einem Bambushain in Kyoto In dieser Riege steht der edle malte Higashiyama im Jahre Bambus für den Sommer und 1968 (Abb. 9) . Der Maler den im 12. Jahrhundert lebenden hatte westliche Malerei während Philosophen Zhou Dunyi (jap. seines Studiums in Berlin in den Shû Moshuku). Je nach 1930er Jahren erlernt. Seine Abb. 6 Jahreszeit wird der Bambus in Landschaften, so schreibt „Der Tau im schmalen Bergfluss“ der japanischen Malerei sehr Willibald Veit, heute Direktor des Holzschnitt, 1857 unterschiedlich charakterisiert. Museums für Asiatische Kunst in Entwurf: Kenkensai Eine Bambusmalanleitung von Berlin, „versetzen den Betrachter Sammlung Hans Spörry, einem gewissen Kenkensai, in die Lage, in der Reinheit und Völkerkundemuseum der gedruckt im Jahr 1857, die das Schönheit der Natur sich selbst, Universität Zürich Züricher Völkerkundemuseum die Bindung zwischen Mensch besitzt, enthält für jeden Monat und Natur zu erkennen. Higa- ein anderes Bambusmotiv. In die shiyama nennt seine Arbeiten Bilder eingefügte Schrift-zeichen eine Form des Gebets.“ Der beziehen sich jedoch nicht auf Bambus im japanischen Bild hat die Pflanze, sondern geben einen sich bis heute seine Bestimmung Hinweis auf die klimatischen als Zugang zur Meditation Verhältnisse in dem betreffenden erhalten. 15
Literaturverzeichnis - Armbruster, Gisela/Brinker, Helmut (Hg.) Pinsel und Tusche. Sammlung Heinz Götze. München 1975 - Awakama, Yasuichi: Die Malerei des Zen-Buddhismus. Pinselstriche des Unendlichen. Wien, München 1970. - Baird, Merrily: Symbols of Japan. New York 2001. - Brasch, Kurt: Zenga. Tokyo 1961. - Brauen, Martin: Bambus im alten Japan. Kunst und Kultur an der Schwelle zur Moderne. Die Sammlung Hans Spörry im Völkerkundemuseum der Universität Zürich. Hg. vom Völkerkundemuseum der Universität Zürich. Stuttgart 2003. - Higashiyama Kaii. Landschaften. Hg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin. Berlin 1989. - Hoover, Thomas: Die Kultur des Zen. Übersetzt von Frank Meyer. Köln 1983. - Ike Taiga Gafu (Album der Bilder von Ike no Taiga). Kompiliert von H. Kosugi, I. Tanaka und R. Yamanaka. Sammelband 2, „Nanga kenkyû“, Heft 4. Tokyo 1958-1959. - Im Schatten hoher Bäume. Malereien der Ming- und Qing-Dynastien (1368 – 1911) aus der Volksrepublik China. Hg. von Lothar Ledderose in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden und dem Kunsthistorischen Institut der Universität Heidelberg. Baden-Baden 1985. - Mit dem Pinsel gesehen. Japanische Zeichnung und Malerei des 17. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung - Gerhard Schack. Hg. von der Stiftung Museum Schloss Moyland, Sammlung van der Grinten, Joseph Beuys Archiv des Landes Nordrhein-Westfalen. Bedburg-Hau 2002. - Munsterberg, Hugo: Zen-Kunst. Köln 1978. - Okamoto, Toyo/Takakuwa, Gisei: Shoji: The Screens of Japan / Nihon no shôji. Kyoto u.a. 1961. - Special Exhibition: Japanese Ink Painting. Hg. vom Tokyo National Museum. Tokyo 1987. Bildnachweis 5) Special Exhibition, Abb. 56. 1) Mit dem Pinsel gesehen, S. 330. 6) Brauen, S. 192, Nr. 141. 2) Awakawa, Abb. 5. 7) Brasch, Abb. 14. 3) Awakawa, Abb. 28. 8) Ike Taiga Gafu. 4) Armbruster/Brinker, Nr. 20. 9) Higashiyama Kaii, S. 56, Nr. 28. Abb. 9 „Sommeranfang“, 1968 Erschienen im Bambus Journal 1/2009 Farbe auf Papier Higashiyama Kaii (1908 – 1999) Mit Dank für die Nachdruckgenehmigung Privatsammlung 16
BAMBUS UND IKEBANA Marianne Pucks F ür die Kultur und Kunst- geschichte Japans ist Bambus von großer Bedeutung. - Einfache Bambusvase Bambus steht für Elastizität, - Doppelte Bambusvase Ausdauer und Hartnäckigkeit. Er - Doppelvase mit zwei biegt sich im Wind, aber bricht ...Ausschnitten nicht. Die Blätter werden vom - Bambusboot Winde bewegt, aber sie fallen - Bambuskörbe geflochten nicht. In Japan nennt man diese Die modernen Ikebana Schulen Mentalität noch heute Bambus- gehen auch in der Bambusverar- mentalität: Kompromisse beitung neue Wege. Besonders schließen, nachgeben und die Sogetsu Schule mit ihren schließlich doch ungebrochen verstorbenen Iemoto Hiroshi aus allen Anfechtungen des Teshigahara fand weltweite Lebens hervorgehen. Der Aufmerksamkeit durch ihre Bambus lässt sein Blätter kreativen Bambusinstallationen hängen, weil sein Inneres, sein und Bambusgärten in jeder Herz leer ist. Ein leeres Herz Größe. Hiroshi Teshigahara bedeutet Bescheidenheit. hauchte seinen Kunstwerken Bambus ist immergrün, sein Leben ein durch die Verbindung Aussehen verändert sich nicht. mit Musik und Tanz. Seine für Darum gilt er auch als Symbol mich eindrucksvollsten Bambus- des Alters. arbeiten waren die Bühnenbilder Bambus – Kiefer – Pflaume, die in den Opernhäusern von Genf drei Freunde des Winters. Das und Lyon für Puccini’s „Turan- Neue Jahr wird in Japan mit dot“. Das gesamte Bühnenbild einem Ikebana Arrangement aus war aus Bambusrohren gestaltet, diesen drei Materialien begrüßt. die zum Teil gesplittet und zu Im Ikebana stellt der Bambus Bögen verarbeitet waren. sowohl im klassischen als auch So dient der Bambus im zeitge- im modernen Ikebana eine feste nössischen Ikebana als Material Größe dar. Als Gefäß und als für Gefäße, Objekte und Skulp- Pflanze hat der Bambus in der turen. Mit einem Propangas- Entwicklung des Ikebana einen brenner kann man helle festen Platz. In Japan gibt es weit Bambusrohre durch Anbrennen über 1000 verschiedene Ikebana interessant verändern für neue, Schulen mit unter-schiedlichen überraschende Gestaltungs- Schwerpunkten. Die klassischen möglichkeiten. Das Brennen im Ikebana Schulen (z.B. Ikenobo, Kamin ist eine weitere Möglich- Saga, Misho und Adachi) stellen keit. Die Veränderung ist hierbei das klassische Ikebana in den noch intensiver. Direkt nach dem Vordergrund ihres Unterrichts, Brand sollte der Bambus im während in Ohara Schule das Wasser abgeschreckt werden. Naturhafte besonders betont wird. Moderne Schulen, wie die Sehr wichtig für die Bambusver- Ichiyo, die Stuttgarter und die arbeitung ist das richtige Werk- Sogetsu Schulen gehen neue zeug. Dazu gehören eine spe- Wege. Sie lehren neben den zielle Bambussäge, sowie Ham- naturhaften Stilen auch abstrakte mer und verschiedene Beitel. Formen im Ikebana. In Schließen möchte ich mit einem Ausnahmefällen darf auch ohne Zitat von Iemoto Hiroshi Blumen gearbeitet werden. Für Teshigahara: die klassischen Ikebana Schulen Mit Bambus lassen sich gibt es unterschiedliche Formen Tagträume entwerfen, von Ikebana-Gefäßen: eine Natur in der Natur Zeichnungen aus: „Ikebana“ von Ayako Graefe 17
Mein Freund der Bambus Eingesandt von Sonja Illig E s war einmal ein wunder- schöner Garten. Er lag im Westen des Landes, mitten in Tief beugte sich der Bambus. Dann flüsterte er: “Herr, wenn du mich nicht gebrauchen Das eine Ende des abgeschnit- tenen und gespalteten Stam- mes verband er mit der Quelle, einem großen Königreich. In kannst, ohne mich zu beschnei- das andere führte er zu seiner diesem Garten pflegte der Herr den, dann tu mit mir, wie du Wasserrinne im Feld. des Reiches in der Hitze des willst und beschneide mich“. Tages spazieren zu gehen. Die Quelle sang ein Willkom- „Mein geliebter Bambus“, sagte men, und das klare, glitzernde Ein edler Bambus war ihm das der Herr, “ich muss dir auch Wasser schoss freudig durch liebste von allen Bäumen, deine Blätter und Äste den zerschlagenen Körper des Pflanzen und Gewächsen in abschneiden“. Bambus in die Wasserrinne und seinem Garten. Jahr für Jahr floss auf die dürren Felder, die wuchs dieser Bambus und „Ach Herr, davor bewahre mich! sehr auf dieses Wasser wurde immer schöner. Er wuss- Zerstöre meine Schönheit, aber gewartet hatten. te wohl, dass der Herr ihn liebte lass mir doch, ich bitte dich, und seine Freude an ihm hatte. meine Blätter und Äste!“ Es wurde Reis gepflanzt, die Tage vergingen, die Saat ging Eines Tages näherte sich der Der Herr antwortete: „Wenn ich auf, wuchs und die Ernte kam. Herr nachdenklich seinem sie nicht abschneide, mein geliebten Bambus und in dem Bambus, kann ich dich nicht So wurde der einst so herrliche Gefühl großer Verehrung neigte gebrauchen.“ Bambus zu einem Segen in all sich der Bambus zur Erde. seiner Zerschlagenheit und Die Sonne verdeckte ihr Demut. Als er noch groß und Der Herr sprach: „Lieber Bam- Gesicht. Ein Schmetterling flog schön war, wuchs er nur für bus, ich brauche dich“. Es ängstlich davon. Und der sich selbst und freute sich schien, als sei der Tag aller Bambus, zitternd in der seiner Schönheit. Nun aber Tage gekommen, der Tag, für Erwartung dessen, das nun auf fühlte er in tiefer Dankbarkeit den der Bambus geschaffen ihn zukam, sagte sehr leise: und Freude, das er zum Kanal worden war. Der Herr sprach “Herr, schlage sie ab“. geworden war, den der Herr noch einmal zu ihm: „Lieber brauchte, um sein Reich Bambus, ich brauche dich“. „Mein Bambus, ich muss dir fruchtbar zu machen. Der Bambus antwortete leise: noch mehr antun. Ich muss „Herr ich bin bereit, gebrauche deinen Stamm teilen. Wenn ich mich, wie du es willst“. das nicht tue, kann ich dich nicht gebrauchen.“ „Bambus“, die Stimme des Herrn war ernst, „um dich zu Da neigte sich der Bambus bis gebrauchen, muss ich dich hinunter auf die Erde: “Herr, beschneiden“. schneide und teile.“ „Mich beschneiden? Mich, den So beschnitt der Herr des du zum Schönsten in deinem Gartens den Bambus. Er hieb Garten gemacht Hast? Nein, ihm die Blätter und die Äste ab das bitte nicht! Verwende mich und spaltete ihn in zwei Teile. doch zu deiner Freude, Bitte Dann trug er ihn dorthin, wo aus Herr, beschneide mich nicht!“ einer Quelle frisches, sprudelndes Wasser sprang, „Mein geliebter Bambus“, die mitten in die trockenen Felder. Stimme des Herrn wurde noch Dort legte der Herr seinen ernster, „Wenn ich dich nicht Bambus vorsichtig auf den beschneide, kann ich dich nicht Boden. gebrauchen.“ 18
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