IBV - INFO Ikebana - Bundesverband e.V - Jahrgang 30 Nr. II April 2010 - Ikebana-Bundesverband eV

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IBV - INFO Ikebana - Bundesverband e.V - Jahrgang 30 Nr. II April 2010 - Ikebana-Bundesverband eV
IBV - INFO
Ikebana – Bundesverband e.V.
Jahrgang 30 Nr. II
April 2010
IBV - INFO Ikebana - Bundesverband e.V - Jahrgang 30 Nr. II April 2010 - Ikebana-Bundesverband eV
Liebe Ikebana-Freunde und – Freundinnen,

                                         streifen und in eine neue Haut       Der diesjährige Kongress wird
                                         schlüpfen, geschmeidig und           von den kleinen Schulen

    D                                    biegsam, dabei aber bestimmt         gestaltet. Was sind die „kleine
                                         und zielgerichtet. Dies ist auch     Schulen“?
       ie Blätter meiner Bambus-         ein Prinzip aus der Lehre des        Die kleinen Schulen brauchen
    staude sind immer noch               Aikido, einer japanischen            sich sicherlich nicht zu
    eingerollt, zu kalt um ihr volles    Budokunst, die ich auch schon        verstecken, sind im IBV mit
    grünes Blatt zu zeigen. Nach         seit über 30 Jahren betreibe.        weniger Mitgliedern vertreten.
    diesem langen weißen Winter          Ein Weg (Do), der so leicht          Übrigens nicht nur im IBV, sind
    sehnen wir uns nach Grün,            aussieht, aber so schwierig          doch die z.B. in Deutschland
    nach Farbe und wärmender             umzusetzen ist; Geist und            gegründeten Ikebana-Schulen
    Sonne.                               Körper in Einklang zu bringen.       eher regional verbreitet. Von
                                         Die spiraligen Verdrehungen          der Anzahl der Mitglieder sind
                                         des Körpers, die Flugbahn            sie inzwischen sehr auf dem
                                         durch die Luft, das Abrollen, die    Vormarsch. Wenn ich an
                                         Stabilität des Werfenden wie         frühere Kongresse zurück-
                                         ein Fels in der Brandung- so         denke, waren es große
                                         beschrieb Ann Truckenmüller,         Leistungen, die von einzelnen
                                         meine erste Ikebana-Meisterin,       Mitgliedern der „kleinen Schu-
                                         die Begegnung mit Aikido vor         len“ erbracht wurden, so z.B.
                                         ca 25 Jahren im Wilhelm-             Tineke Robertson der ICHYO-
                                         Kempf-Haus. Heute will auch          Schule, die nicht nur einen
                                         mein Körper nicht mehr immer         Workshop, sondern auch bei
                                         so wie ich es mir vorstelle – ein    der Vorführung mitwirkte oder
                                         Tribut an die vergangene Zeit.       an Yoshie Takahashi, die eine
                                         Glücklicherweise ist der Kado        lange Reihe von Arrangements
                                         nicht so körperorientiert. Oder      über den gesamten Gang auf
                                         doch? Höre ich nicht immer           der Straße nach den Regeln
                                         wieder von meinen älteren            der SAGA-Schule korrigiert
                                         Kolleginnen, dass die langen         hatte, Frau Rose von der
                                         Spaziergänge in der Natur der        ICHYO-Schule, die über lange
                                         Vergangenheit angehören, weil        Jahre hinweg selbstlos das
                                         die Beine nicht mehr so wollen.      Rahmenprogramm organisierte
                                         Dass die dicken Zweige nicht         oder die ADACHI-Frauen aus
    Die Artikel zu unserem Spezial-      mehr geschnitten werden              der Schweiz, die immer mit
    thema „Bambus“ werden Sie            können, weil die Hände nicht         ihrer Hilfe und Workshops zur
    staunen lassen. Die Vielfalt, mit    mehr so wollen.                      Verfügung stehen.
    der wir mit den gesamten Teilen      Dabei denken ich dann immer
    der Pflanze gestalten können,                                             Hätten Sie eine neue, gute Be-
                                         wieder an den Titel der IBV-
    angefangen vom Rhizom über                                                zeichnung für die „kleinen
                                         Ausstellung auf der BUGA Cott-
    die Bambussprosse, bis zu den                                             Schulen“, damit auch diese
                                         bus „ Eine Blüte – ein Blatt – ein
    gefäß-artigen dicken Halmen,                                              ganz groß herauskommen bei
                                         Moment der Stille.“ Mit so wenig
    die zierlichen Blätter an                                                 unserem diesjährigen
                                         können wir zufrieden sein.
    schwingenden Austrieben,                                                  Kongress?
                                         Auf der anderen Seite sehe ich
    sogar die Hüllblätter lassen sich    in unserem Verband die 70-,          Voller Erwartung auch auf die
    verarbeiten. Dieses Riesengras,      80-, ja 90-Jährigen beim             Wahlen in der Mitgliederver-
    das in seiner Elastizität eine       Unterrichten von Ikebana, beim       sammlung (Einladung dazu auf
    große Stabilität aufweist,           Herstellen von Keramiken, beim       dem Extrablatt) verbleibe ich
    fasziniert und inspiriert. Machen    Leiten von Workshops und
    wir uns diese Eigenschaften                                               Ihre
                                         Ikebana-Kursen, bei der
    doch auch im täglichen Leben         Teilnahme an unserem Kon-            Gaby Zöllner-Glutsch
    zunutze.                             gress. Da kann ich dann
    Vielleicht können wir mit dem        wiederum nur staunen: Wie viel
    nahenden Frühjahr unsere             Schönes, Ausfüllendes habe
    Starrheit des Winters ab-            ich noch vor mir!                            Präsidentin

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INHALTSVERZEICHNIS

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                                     Fotos Mantelseite: Bambusworkshop M. Pucks         01
                                     Präsidiumsbrief                                    02
                                     Ayako Graefe: Ikebanabuch neu aufgelegt            04
                                     Seerosen und Kakteen                               04-05
                                     Lehrerseminar bei Marianne Pucks                   06
                                     Sonderthema BAMBUS                                 07-20
Seite 07                             Drei Freunde des Winters                           21
                                     Aus der IBV Präsidiumsarbeit                       22
                                     Ausstellungen / Seminare / Workshops/ Unterricht   23

                                                           Homepage IBV
                                                    www.ikebana-bundesverband.de

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                                             zwischen all dem Grau
                                           am Himmel blaue Flecken
                                            - hoffnungsvoller März
                                                                        Barbara Müller

  Endlich Frühling. Foto: Els Schnabel
                                                                                                3
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Neu aufgelegt:
                                                       Ayako Graefe

                                                   Ikebana
                             Geist und Schönheit japanischer Blumenkunst
D        as Buch stammt aus erster
    Hand: Die Autorin, Ayako
    Graefe (geb. Yasuda), ist in
                                       verständnisvoller Anwendung
                                       seiner Technik. Prächtige
                                       Fotografien, die eigens für die
    Japan geboren und aufge-           ursprüngliche Veröffentlichung
    wachsen; ihr Künstlername ist      angefertigt oder von der Autorin
    Seiiku (»stille Eleganz«), und     in Japan ausgewählt wurden,
    sie ist Ikebana-Lehrerin des       und ebenso großartige Zeich-
    höchsten Grades, »Riji«, der       nungen führen den Betrachter
    Sogetsu-Schule. In diesem          durch Anschauung vollends zur
    Buch stellt sie jedoch unab-       erstrebten Erkenntnis des
    hängig von einer bestimmten        Wesentlichen. Als Vermittlerin
    Schule – und das geschieht         kann Ayako Graefe um so mehr
    unseres Wissens auch heute         überzeugen, als ihr nicht nur
    noch zum ersten Mal – Lehre        der heimatliche Kulturkreis
    und Methode verschiedener          vertraut ist; nach dem Studium
    Ikebana-Schulen Japans dar         der Sprachwissenschaft und
    und erläutert sie anhand von       Ethnologie in Japan,
    Beispielen klassischer und         Neuseeland und den USA, das         Sie ist Vorsitzende des
    moderner Stilrichtungen. Auf       sie mit dem »Master of Arts« in     Ikebana-Sogetsu München
    diese Weise macht sie das          polynesischer Sprachwissen-         e. V. und des Münchener
    eigentliche Wesen aller Ike-       schaft abschloss, wirkte die        Zweiges der Sogetsu-Schule.
    bana- Kunst sichtbar und bringt    Wissenschaftlerin an den            Sie ist durch ihre Demonstra-
    sie westlichem Fühlen und          Universitäten von Hawaii,           tionen, Workshops, Vorträge,
    Denken näher. Die Autorin führt    Kopenhagen und München.             Ausstellungen und Fernseh-
    den Leser gründlich in die         Viele Jahre war sie Mitarbeiterin   auftritte im In- und Ausland
    kulturellen, philosophischen und   von Museen und Galerien, noch       bekannt. Vor diesem Hinter-
    historischen Hintergründe der      länger ist sie, mit einem           grund gelingt die kluge, klare
    Ikebana- Kunst ein und weist so    deutschen Professor verheira-       und einfühlsame Begegnung
    den Weg zu fundierter              tet, in Deutschland als Ikebana-    mit Japans Ikebana.
    Würdigung der Ästhetik des         Lehrerin und Künstlerin tätig.
    Ikebana und seiner Stile und zu                                        ISBN 978 3 8391 4034 5

                                           Seerosen und Kakteen
                                                                            Von 7. bis 28. März 2010 fand
                                                                            im Damenbau, Staatspark
                                                                            Fürstenlager, Bensheim –
                                                                            Auerbach eine Ausstellung
                                                                            statt mit Keramiken von Heidi
                                                                            Bereiter - Hahn, Zeichnungen
                                                                            von Christine Fiebig und
                                                                            Fotos von Wite Voltmer –
                                                                            Fiebig. Schönheit, Formen-
                                                                            reichtum, Licht und Schatten,
                                                                            der Wechsel er Jahreszeiten
                                                                            am Seerosenteich und im
                                                                            Kakteenhaus des Frankfurter
                                                                            Palmengartens spiegeln sich
                                                                            in Kohlezeichnungen, Fotos
4                                                                           und Keramiken.
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Lehrerseminar
                                                               bei Marianne Pucks

Kalte Zeiten in Berlin. Nicht       Nicht die verschiedenen Schu-       zusammengedrückt, zu einer
jedoch in den Herzen der            len standen im Vordergrund,         Wurst geformt oder kühn nach
Ikebanisten. Nach einem             sondern die Kreativität. Neue       oben geschwungen. Von Nicht-
arbeitsreichen Wochenende im        Ideen wurden ausprobiert und        Sogetsu-Schülern hörte man
tief verschneiten Seddin (süd-      mit ungewöhnlichem Material         oft, dass man gar nicht auf die
östlich von Potsdam), wo sich       (Kühlröhren) und gewöhnli-          Idee gekommen wäre, den
20 enthusiastische Ikebana -        chem Hasendraht effektvolle         Draht in dieser oder jener Form
International Mitglieder getrof-    Arrangements kreiert. Sozu-         zu benutzen. Am Schluss stand
fen hatten, um die ersten Vor-      sagen ein Trainingslager des        ein gemeinschaftlicher
bereitungen für die I.I.- Europa-   Miteinanders. Der Beweis            Rundgang, bei dem Frau Pucks
konferenz 2012 zu organi-           wurde erbracht, dass es             für Jeden ein lobendes Wort
sieren, machten sich einige         funktioniert, wenn alle offen und   fand und alle von der tollen
davon auf den Weg zu Frau           bereit sind, ihr Denken ein         Präsentation begeistert waren
Pucks, die ein Lehrerseminar        Stück weit aus gewohnten            und viel fotografierten. Ich
anbot, bei dem mit Orchideen        Bahnen, Schulregeln und             glaube, auch im Namen aller
ohne Wasser gearbeitet wer-         Automatismen zu befreien. Für       Teilnehmer, sagen zu können:
den sollte. In der heutigen Zeit,   mich ist es immer wieder ein        es war ein interessanter Abend
wo entfesseltes Karrierestreben     Erlebnis zu sehen, wie viele        und die Zeit verflog viel zu
menschliche Beziehungen oft         verschiedene, teils ungewöhn-       rasch.
nachhaltig vergiftet, war es eine   liche Objekte mit dem wenigen       Nach der Arbeit kam das
Wohltat, wie Ost und West           gleichen Ausgangsmaterial           Vergnügen, die gesellige
gemeinsam, nebeneinander auf        entstehen können. Der Draht         Weinrunde im gastlichen Haus
engem Raum, konzentriert            zeigte sich in vielen verschie-     der Pucks-family - ganz
arbeiteten und sich gegenseitig     denen Formen, er wurde              herzlichen Dank.
halfen und unterstützten.           gedreht,                                              Brigitta Buse

                                                                                                          5
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BAMBU S
D       er Bambus ist mein Bruder"
    In diesem vietnamesischen
    Sprichwort wird das Verhältnis
                                         Legenden, Glauben und Aber-
                                         glauben Eingang gefunden. Hier
                                         sei ein Beispiel genannt: "Ein
                                                                              Die Menschen in Asien benützen
                                                                              Bambus als Baumaterial für ihre
                                                                              Häuser, als Behälter für Essen
                                         japanischer Bauer schnitt einmal     und Trinken, als Grundmaterial
    der Asiaten zu dieser Pflanze        seinen Bambus und fand im            für allerlei Geräte im Haus und
    ausgedrückt. Für sie ist ein         Innern des Rohres ein kleines        bei der Feldarbeit, als Waffe, als
    Leben ohne Bambus kaum               Mädchen, das er mit sich nach        Nahrungsmittel, als Viehfutter
    denkbar. „Man kann machen,           Hause nahm und wie sein              oder als Medizin. Die Eigenschaf-
    dass man kein Fleisch isst, aber     eigenes Kind aufzog. Es wuchs        ten dieser Pflanze sind so über-
    man kann es nicht dahin bringen,     zum schönsten und anmutigsten        zeugend, dass man ihnen selbst
    dass man keinen Bambus hat"          Mädchen des ganzen Landes            mit moderner Technik nicht viel
    sagt der große chinesische           heran. Als der Kaiser von Japan      entgegensetzen kann. Das
    Dichter und Maler der Song-          davon hörte, wollte er es zu         Bambusrohr ist fest wie Stahl,
    Dynastie Dongpo (1036 - 1101).       seiner Gemahlin machen. Das          aber biegsamer. Es wächst
    Bambus ist ein Symbol für die        Mädchen jedoch wehrte ab und         pfeilgerade und schnell und ist
    chinesische Wesensart über-          schrieb ihm in einem Brief, es sei   deshalb ein idealer Baustoff. Es
    haupt. Er steht für Elastizität,     zu viel der Ehre, es zöge deshalb    ist leicht und dennoch fest,
    Ausdauer und Hartnäckigkeit -        vor, wieder in den Bambus            biegsam und trotzdem zäh. Es ist
    biegt sich im Wind, bricht nicht     zurückzukehren, aus dem es           schwer entflammbar, kann unter
    und seine Blätter fallen nicht. Er   gekommen sei. Der Kaiser setzte      Hitze gebogen werden und
    gibt nach und überlebt gerade        alle seine Soldaten ein, das Mäd-    behält dann seine Form, ohne
    deshalb. Ob dieser Eigenschaft       chen zu finden. Aber es blieb        seine Stärke und Elastizität zu
    spricht man in Japan von einer„      verschwunden. Aus Trauer             verlieren. Es kann immer in eine
    Bambus- Mentalität." Kompro-         darüber, das Mädchen verloren        Richtung zu feinsten Fasern
    misse schließen, nachgeben und       zu haben, das aus einem Bam-         gespalten werden, aus denen
    dann wieder zurückkommen-            bus gekommen war, verbrannte         man fast unzerreißbare Stricke
    dies ist die Kunst des Über-         der Kaiser den Brief des Mäd-        dreht. Seine Sprossen sind eine
    lebens. Dass der Mensch ohne         chens auf dem Berg Fujiyama,         delikate und vitaminreiche
    die Natur nicht leben kann, dass     wo das Feuer bis heute noch          Nahrung, seine Blätter nahrhaft
    er sich ihren Gesetzen unter-        nicht erloschen ist." Vor allem in   und heilsam für das Vieh. Seine
    werfen muss, u z überleben, gilt     Japan hängen viele Zeremonien        Kieselsäure hilft bei Vergif-
    auch im heutigen Asien. Nur aus      eng mit dem Bambus zusammen.         tungen. Die dichten, oft riesigen
    diesem Selbstverständnis             Beispielsweise werden für die        Bambuswälder sind aus keiner
    heraus, der Einheit von Mensch       Gerätschaften bei der Teezere-       Landschaft in Asien, von Japan
    und Natur, kann man verstehen,       monie nur ganz bestimmte Arten       bis Indien, vom Äquator bis
    wenn in Asien der Bambus als         des Bambus verarbeitet. Seit         nördlich zum 40.Breitengrad,
    Freund, als Bruder oder als          dem achten Jahrhundert gibt es       vom feuchtheißen Urwald bis zu
    Weggefährte gesehen wird. In         in einigen Gegenden Japans           den kühlen Vorgebirgen des
    der asiatischen vor allem in der     auch das "Fest des Bambus-           Himalajas wegzudenken.
    chinesischen Symbolsprache, ist      spaltens", das von Priestern mit
    der Bambus von großer Bedeu-                                              Bambus bildet eine Unterfamilie
                                         Reinigungsritualen eröffnet wird,    zur Familie der Süßgräser
    tung und steht für Bescheidenheit    bevor die jungen Männer des
    und, da er immergrün ist, ist er                                          (Gramineae). Vereinfacht gesagt,
                                         Dorfes beginnen, die frischen        zählt man zu Bambus alle
    ein Symbol für das Alter. Die        Bambusrohre zu spalten. Die
    Chinesen meinen, der Bambus                                               Gräser, die baum- oder strauch-
                                         traditionelle Neujahrs-Dekoration    artig beastet sind und verholzte
    biege sich vor Lachen. So ähnelt     eines japanischen Hauses
    das chinesische Schriftzeichen                                            Stämme haben. Etwa 115
                                         besteht aus den drei am meisten      Bambusgattungen sind derzeitig
    dem für Lachen. Die Wörter für       verehrten Pflanzen Japans:
    Bambus, für beten und wünschen                                            bekannt mit 1050 bis 1070
                                         Bambus, Pflaume und Kiefer.          Bambusarten. Bambusforscher
    sind im Chinesischen                 Man nennt diese drei Pflanzen
    gleichbedeutend. Weil Bambus                                              und Systematiker sind sich bis
                                         auch "Drei Freunde". Sie sym-        heute uneinig über die Zuord-
    für die Menschen in Asien eine       bolisieren die drei Religions-
    so überragende Rolle spielt, in                                           nung bestimmter Arten zu
                                         stifter Buddha (Bambus),             bestimmten Gattungen. Das liegt
    der Philosophie ebenso wie im        Konfuzius (Pflaume) und Lao Tse
    praktischen Leben, hat er auch in                                         daran, dass die Bestimmung
                                         (Kiefer).                            durch die selten erscheinende
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Es gibt jedoch auch gelbe,
                                    braune, schwarze, rötliche, ge-
                                    fleckte, gestreifte und bemehlte
                                    Bambushalme. In aller Regel
                                    sind sie rund; doch es gibt auch
                                    eine quadratische Art. Die
                                    meisten Arten sind hohl. Auch
                                    hier bestätigt die Ausnahme die
                                    Regel: Die in Mittel- und Süd-
                                    amerika heimischen Chusquea-
                                    Arten sind nicht hohl. Sehr         gutes Bestimmungszeichen.
                                    interessant ist auch, dass sich     Während der Halm des Bambus
                                    bei einigen Arten die neuen         heranwächst, bilden sich an den
                                    Halme farblich verändern. Die       Nodien bereits die Knospen für
                                    Sprosse mehrerer Arten sind         die Zweige. Die Zweigbildung ist
                                    essbar. Sie wachsen schnell         je nach Art unterschiedlich. Bei
                                    heran. Tag für Tag einige           den Sasa-Arten oder den
                                    Zentimeter. Der Zuwachs am Tag      Pseudosasa-Arten beispiels-
                                    kann bei einigen Arten sogar 20     weise wird nur ein Zweig pro
                                    bis 40 Zentimeter betragen. Je      Nodium entwickelt, während
                                    nach Art und Alter der Pflanze      Chusquea-Arten bis zu 50
                                    wird er so dünn wie Gras oder       Zweige ausbilden. Neben den
Blüte sehr schwierig ist -          unter Umständen dick bis zu         Halmen, die den Charakter der
manchmal blüht der Bambus erst      einem Durchmesser von 25            jeweiligen Art ausmachen, sind
in Abständen von 120 Jahren.        Zentimetern. Es gibt Arten, deren   die Zweigbildungen ein weiteres
Die Bestimmung richtet sich         Halme viele Meter hoch werden       wichtiges Unterscheidungs-
jedoch nach dem Bau der Blüte.      und Arten, deren Halme nur 10       merkmal. In gleichem Rhythmus
Aber auch dann noch sind die        Zentimeter kurz bleiben.            können sich die einzelnen
Unterschiede schwer herauszu-                                           Zweige wieder verzweigen.
finden. Selbst die Blätter können   Das unterirdische Rhizom, der
                                    Halm und die Zweige geben das       Der Bauplan von unter- und
ihr Aussehen während der Blüte-
                                    Gerüst einer Bambuspflanze ab.      oberirdischen Teilen des Bambus
zeit verändern. Dann spielen die
                                    Alle Teile sind nach demselben      ist also weitgehend identisch. Die
verschiedenen Standortbeding-
                                    Prinzip aufgebaut. Sie bestehen     Bambushalme wachsen aus
ungen und Bodenverhältnisse
                                    aus Segmenten (Internodien), die    einem unterirdischen Rhizom,
eine nicht zu unterschätzende
                                    durch Knoten (Nodien) abge-         das alljährlich im Frühsommer,
Rolle. Sie können ebenfalls zu
                                    schlossen sind. Einmal gestreckt,   wenn das Halm- und Zweig-
großen Veränderungen führen.
                                    können sie nicht mehr weiter        wachstum abgeschlossen ist,
Bis auf den heutigen Tag können
                                    wachsen. Die Nodien sind ein        weiter wächst und sich verzweigt.
sich die Wissenschaftler nicht
                                    massives Gewebestück, das aus       Diese Rhizome sind oftmals so
einmal über die Klassifizierungs-
                                    dem Scheidenring, dem Auge          stark miteinander verflochten,
methoden einig werden. So ist
                                    und dem Knotenring besteht.         dass man den Eindruck gewinnt,
die Nomenklatur des Bambus
                                    Beim Halm ist der Scheidenring      die ganze Erde unter dem Bam-
immer noch im Fluss.
                                    die Ansatzstelle für das Laub-      bus bestünde nur aus Rhizomen
Als immergrüne Pflanze bleiben
                                    blatt, das sich wiederum jeweils    und zwar je nach Gattung bis zu
seine Blätter auch im Winter bei
                                    aus Scheide und Spreite zusam-      einem Meter tief. Von Japan wird
Frost grün. Seine enorme Wider-
                                    mensetzt. In der Scheide sind       berichtet, dass Menschen bei
standskraft verdeutlicht die
                                    Wachstumshormone einge-             einem Erdbeben in die
Tatsache, dass nach der Zerstö-
                                    schlossen, die das rasche           Bambushaine flüchten, weil kein
rung Hiroshimas durch den
                                    Wachstum der Internodien            Erdbeben in der Lage sei, die
Atombombenabwurf, die Halme
                                    ermöglichen. Aus dem Auge           Rhizome eines dichten Bambus-
des Bambus zum ersten
                                    entwickelt sich eine neue           haines auseinander zu reißen.
gehörten, was wieder zum Leben
erwuchs. Eine weitere Besonder-     Verzweigung. Der Knotenring ist     Das Bambusblatt wächst nicht,
heit ist, dass der junge Trieb      die Ansatzstelle für die Wurzeln    wie etwa bei einer Buche oder
bereits in der Dicke aus dem        beim Rhizom, beim Halm bilden       einem anderen Laubgehölz, aus
Boden kommt, die er seine etwa      sich hier die Knospen für die       einer Knospe heraus. Es
10 jährige Lebensdauer lang         Zweige, die ihrerseits wiederum     entspringt am Scheidenring, der
beibehält. Die Länge, die ein       nach demselben Prinzip gebaut       ganz um den Halm herumreicht.
Halm im Jahr seines Wachstums       sind. Eine Besonderheit weisen      Der untere Teil des Blattes, die
erreicht, ist gleichfalls seine     die Halme vor allem der Phylo-      Scheide, ist eng um den Zweig
Endlänge. Es gibt Arten mit         stachysarten auf - eine sehr        gerollt, die Spreite steht ab und
dicken und solche mit dünnen        umfangreiche Bambusgattung -.       ist als Blattfläche sichtbar. Der
Halmen, streng aufrecht             Bei ihnen ist in der ganzen Länge   Übergang von Scheide zu
wachsende und solche, die sich      der Internodien jeweils eine sehr   Spreite ist, je nach Art, wie beim
graziös neigen. Normalerweise       ausgeprägte Kerbe zu bemerken,      Halm auch, bei den Zweigen,
ist ein Bambushalm grün.            der so genannte Sulcus, ein         deutlich mit Öhrchen und
                                                                                                         7
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Warum dies so ist, ist bis heute      Riesengras immer mehr Freunde
                                        nicht geklärt. Es kursieren viele     gewinnt, seit man mehr über die
                                        Theorien. Sie alle sind bis heute     unter-schiedliche Winterhärte
                                        unbewiesen. Bewiesen ist              dieser Pflanzenfamilie weis.
                                        lediglich, dass die meisten           Bambus ist in unseren Gärten
                                        Gattungen in sehr großen              beinahe ein "Renner" geworden.
                                        Abständen blühen - manche             Er kann als Hain, als Hecke oder
                                        einmal in dreißig Jahren, andere      als Solitär eingesetzt werden,
                                        wieder in einem Rhythmus von          passt in die Nähe der Terrasse,
    Wimpern, durch die Zunge und        sechzig bis achtzig Jahren,           sowie an den Gartenteich oder
    manchmal sogar durch auffällige     andere sogar hundert-zwanzig          kann in Kübeln auf Balkonen und
    Behaarung gekennzeichnet. Sie       Jahre. Wie anfangs schon              Dachgärten untergebracht
    haben den Zweck, herauslau-         erwähnt, erschweren die langen        werden. Bezeichnenderweise
    fendes Wasser aufzufangen, so       Blühpausen die Bestimmung der         findet man die ältesten Bambus-
    dass es nicht in die Blattscheide   einzelnen Arten bzw. ihre             bestände Europas in hochherr-
    läuft. Zahl und Länge der           Gattungszugehörigkeit, weil sich      schaftlichen Parkanlagen. Sie
    Wimpern sind artspezifisch. Die     die botanische Nomenklatur nun        sind jetzt etwa hundert Jahre alt.
    Blattform ist lanzettlich und im    einmal nach den Merkmalen der         Deutschlands berühmtester
    Gegensatz zu anderen Gräsern        Blüte einer Pflanze richtet. Lange    Bambushain ist im Schloss-
    hat das Blatt immer einen Stiel.    Zeit meinte man, dass immer alle      garten von Baden-Baden zu
    Dass Bambusblätter einen Stiel      Pflanzen einer Bambusart auf der      bewundern. Aber auch in
    haben, hat seinen guten Grund       ganzen Welt zur selben Zeit           mehreren Klostergärten
    darin, dass es als immergrüne       Blüten ansetzen. Auch dies ist        Südostbayerns und Österreichs
    Pflanze Wind und Wetter jeder       nur sehr bedingt richtig.             gibt es stattliche Bestände zu
    Jahreszeit widerstehen muss.        Die meisten Bambusarten sind in       sehen. Die bemerkenswerteste
    Dies gelingt nur, wenn es seine     Asien beheimatet. Dort gehören        und umfangreichste Bambus-
    Elastizität durch einen Stiel       sie zum täglichen Leben der           sammlung findet sich in
    erhält. Die Bambusblüte ist         Menschen. Ihr Anwendungs-             Frankreich, unweit von Nîmes.
    unscheinbar, aber dafür birgt sie   bereich ist so breit gefächert, wie   Dort entstand ein „Wallfahrtsort"
    ein Geheimnis. Bei einigen          wohl bei keiner zweiten Pflanze.      für Bambusfreunde aus ganz
    Gattungen führt sie zur völligen    Wen wundert es da, dass auch          Europa.
    Erschöpfung, so dass die ganze      bei uns in Europa dieses
    Staude abstirbt.

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In allen asiatischen Ländern         Der Ursprung: Früher ließ man
stehen sich Natur und Religion       Bambusholz im Feuer explo-
sehr nahe. Ihre Götter lebten        dieren, es zerbarst mit lautem
überall in Felsen, Bergen,           Krachen. Dieses Bambusfeuer-
Bäumen, Flüssen, Hainen,             werk sollte die Dämonen ver-
Wäldern oder auch im Wasser, in      treiben. So wollte man sich bei
einzelnen Steinen, Pflanzen und      den Göttern mit Gebeten und
ähnlichen Orten. Sie sind heilig,    Wünschen für Frieden und Ruhe
aber nicht in unserem europäi-       Gehör verschaffen. In der Kunst
schen Sinn, viel mehr in einer Art   wird Bambus gern zusammen mit
                                     einer Orchidee oder                  noch den Bambuslöffel in der
Natursicht, die uns fremd ist. Das
                                     Pflaumenblüte dargestellt. Die       Hand hielt, als sie „erlöst wurde
Wasser, die Berge, Tiere oder
                                     Blüte ist das Zeichen für die Frau   und in die Lüfte stieg". Auf allen
Pflanzen sind Teile eines
                                     - oder Yin, das weibliche Ele-       Darstellungen sieht man sie mit
Ganzen. Wir Menschen sind mit
                                     ment. Der Bambus verkörpert          dem Bambuslöffel in der Hand.
eingebunden. Dies gilt auch noch
                                     den Mann - oder Yan, das männ-       „Sein Name möge auf Bambus
im modernen Asien. Man lebt in
                                     liche Element. Die traditionelle     und Seide überliefert werden" -
dem Bewusstsein, ohne die
                                     Neujahrs-Dekoration eines            so lautet einer der Glückwünsche
Natur nicht existieren zu können.
                                     japanischen Hauses besteht aus       in China. Bambus spielte nämlich
Unterwirft man sich ihren
                                     den drei am meisten verehrten        schon zu Urzeiten eine wichtige
Gesetzen nicht, wird man nicht
                                     Pflanzen Japans: Bambus,             Rolle in der Kalligrafie, die in
überleben können. Nur aus
                                     Pflaume und Kiefer. Man nennt        Asien heute noch eine hoch
diesem Selbstverständnis der
                                     diese drei Pflanzen auch „Drei       geschätzte Kunst ist. Die für
Einheit von Mensch und Natur
                                     Freunde". Sie symbolisieren die      diese Kunst benutzten Pinsel, mit
heraus, kann man verstehen,
                                     drei Religionsstifter Buddha (       denen man die Schriftzeichen
wenn in Asien der Bambus als
                                     Bambus ), Konfuzius ( Pflaume )      malte und auch heute noch malt,
Freund, als Bruder oder Weg-
                                     und Lao Tse (Kiefer). In China       sind aus Bambusrohr geschnit-
gefährte angesehen wird.
                                     verehrt man die „Vier edlen          ten. Früher wurde sogar das
In der chinesischen Symbo-           Pflanzen", Auch hier ist es der      Papier aus Bambusblättern
lsprache hat der Bambus eine         Bambus zusammen mit der              gefertigt. Und auch heute noch
große Aussagekraft. Er lässt         Orchidee, der Pflaume und der        ist die Form des Bambusblattes
seine Blätter hängen, weil sein      Chrysantheme. Sie verheißen          eine Leitform asiatischer Kalli-
Inneres, also sein Herz, leer ist.   Glück und Wohlstand. Und fehlen      grafie. Man darf die Kalligrafie
Ein leeres Herz bedeutet in          bei keinem Fest, bei keiner          nicht einfach als Schönschrift
China Bescheidenheit. Darum ist      Zeremonie. Glück verheißt es         abtun, sie ist vielmehr eine
der Bambus ein Symbol für diese      zum Beispiel einem Kind, wenn        wirkliche Kunstform, die vor allem
Tugend. Der immergrüne Bam-          bei seiner Geburt die Nabel-         in China schon vor Jahrhunder-
bus verändert sein Aussehen im       schnur mit einem Messer aus          ten zu höchster Vollendung
Laufe der Jahreszeit nicht, darum    Bambus durchgeschnitten wird.        gedieh. Deshalb sagt man in
steht er auch als Symbol für das     Götter sind in Asien Wesen mit       Asien:" Schreiben heißt Bilder
Alter. Weiter ähnelt das chine-      durchaus menschlichen Gewohn-        malen und malen heißt Bilder
sische Schriftzeichen für Bambus     heiten und Bedürfnissen aus-         schreiben". Die ersten
dem für das Lachen. So meint         gestattet. Infolgedessen findet      nachweisbaren chinesischen
man in China, der Bambus biege       man sie häufig zusammen mit          Schriftzeichen fand man bereits
sich vor Lachen. Die Worte für       alltäglichen Dingen abgebildet.      im 13. Jahrhundert v. Chr. Sie
Bambus, für beten und wün-           Etwa die unsterbliche Ho sein-       waren damals schon vereinfachte
schen sind dort gleich lautend.      Ku, die eben Reis kochte und         Zeichnungen, die sozusagen auf
                                                                          Kürzel reduziert wurden. Und so
                                                                          ist es noch heute. Seine beson-
                                                                          dere künstlerische Form erhält
                                                                          die Kalligrafie durch den Pinsel.
                                                                          Diesen Pinsel kennt man schon
                                                                          seit etwa 6000 Jahren. Von
                                                                          Anfang an war er raffiniert
                                                                          konstruiert. An einem langen,
                                                                          elastischen Stiel aus Bambusrohr
                                                                          sitzen keilförmig angeordnete
                                                                          Tierhaare - am Stiel sehr dicht,
                                                                          zur Spitze hin immer dünner, so
                                                                          dass man feinste Linien und
                                                                          breite kräftige Striche damit
                                                                          zeichnen kann. Ebenso unge-
                                                                          wöhnlich ist die Handhabung
                                                                          dieses Pinsels. Er wird zwischen
                                                                          die Finger geklemmt. Finger und
                                                                          Handgelenk werden beim
                                                                                                          9
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Schreiben und Malern nicht
 bewegt, sondern bleiben starr.
 Der Künstler schreibt und malt
 aus dem Ellenbogen und dem
 Schultergelenk heraus. Dadurch
 soll das was zu Papier gebracht
 wird, direkt aus dem Zentrum des
 Körpers, also dem Herzen
 kommen.." Der Pinsel führt aus,
 was das Herz diktiert", sagte Jing
 Hao, ein berühmter Maler und
 Kalligraf des 10. Jahrhunderts
 nach Christus. Heute noch soll
 man sagen:" Der Pinsel tanzt und
 die Tusche singt". Ist der Pinsel                                   Dorthin wurde die Kalligrafie von
 heute noch aus Bambus, so                                           China aus um, das Jahr 400 n.
 waren es in ganz frühen Zeiten                                      Chr. eingeführt, als viele Gelehr-
 auch die Schreibflächen. Man                                        te und Kunsthandwerker aus
 schrieb auf mehrere dünne                                           China nach Japan flüchteten und
 Bambustäfelchen, die künst-                                         sich dort ansiedelten. Japanische
 lerisch zusammengeknüpft                                            Künstler allerdings verfeinerten
 wurden. Später schrieb man auf                                      die Kalligrafie bald zu einer
 Seide. Als diese knapp wurde,                                       Kunst, die bis zur Abstraktion
 weil immer mehr geschrieben                                         ging. Parallel zur Entwicklung der
 wurde, erfand man in China das                                      Kalligrafie blühte auch die Male-
 Papier. Das ist immerhin schon                                      rei auf. Ein schön geschriebener
 fast 2000 Jahre her. Aus alten                                      Text ist oft begleitet von symbo-
 Fischernetzen, Baumrinde, Hanf                                      lischen Tuschzeichnungen, die
 und Gräsern wurde ein Brei an-                                      sich auf den Text beziehen.
 gerührt, den man schließlich                                        Andererseits sind die großen, oft
 abschöpfte, auf Matten dünn                                         meterlangen Rollbilder von
 ausgoss und trocknete. Aber                                         erklärenden Texten in schöner
 mindestens 2 Jahrhunderte vor-                                      Kalligrafie begleitet. Und diese
 her schon hatte man auf ähnliche                                    Texte sind wiederum Dichtung.
 Weise Papier aus Bambus-                                            Wie die Rollbilder und Tusch-
 blättern hergestellt.                                               zeichnungen immer starker
 Das bezeugen archäologische                                         vereinfacht und symbolisiert
 Funde aus heutiger Zeit. Die                                        wurden, so geschah das auch in
 Bambusblätter wurden tagelang                                       der Dichtung, in Japan ist der
 geschlagen, bis ebenfalls ein                                       Haiku bis heute sehr beliebt, ein
 dünner Brei entstand. Dieser Brei                                   rhythmischer Dreizeiler, der mit
 wurde auf Matten geschöpft und                                      sparsamen Worten eine
 getrocknet. So entstanden dünne                                     besondere Stimmung vermitteln
 Papierblätter, die allerdings                                       soll.
 faseriger ausfielen als das Papier                                  Dass sich der allgegenwärtige
 aus Abfällen, so dass man dies                                      Bambus in vielen Haikus wieder
 Verfahren wieder aufgab, da die                                     findet, ist nur selbstverständlich
 Tusche darauf leicht zerlief.                                       Anschließend einige Beispiele:
 Zudem wurde die Herstellung          Im Sommerregen                 So tropfenweise
 aus den Abfallprodukten              So ab und zu beim Bambus       Der Regen hereinweht
 kostengünstiger. Mit dieser          Ein Falter auftaucht           Zum Bambusvorhang
 Erfindung nahm die Kunst des         (Chora 1721-1772)              (Shiki 1867-1902)
 Schreibens nicht nur in China,
 sondern auch in Japan einen                                         Mein ganzer Frühling!
                                      Im Regenschauer
 unerhörten Aufschwung.                                              Nun zu dem einen Bambus
                                      Lauft rasch am Bambus runter
                                                                     Ein Weidenzweig noch
                                      Die Roßameise
10                                                                   ( Issa 1739-1827)
                                      (Joso 1661-1704}
Alle Dinge im chinesischen
Wohl fünf bis sechsmal               Garten - im japanischen in noch
Sich Farben mischen                  verfeinerter ausgeprägter und
Am Bambusvorhang                     abstrahierter Form - haben einen
(Ransetzu 1654-1707)                 Symbolwert und sind
                                     Meditationshilfen. Wasser fehlt
Beim stillen Kloster                 niemals, es steht für das
Ein Ton wie Bambusmähen              menschliche Leben und das
Das Abendnieseln.                    philosophische Denken. Statt
(Shoha um 1700)                      Rasen gibt es Kieselflächen,         Das Wasser wurde durch feinen
                                     Felsen symbolisieren Berge. Sie      Sand oder weißem Kies
Jedem seine eigenen Sorgen           werden oft von weither herbei-       dargestellt, den man mit dem
Bereitet die Dürre -                 geschafft, wobei man beson-          Rechen mit Mustern versah, die
Ich bange um Bambus und Kiefer       deren Wert auf bizarre und ze-       einen fließenden Bach, einen
(Po Chü-i)                           rklüftete Formen legt. Sie bezeu-    schäumenden Fluss oder das
                                     gen - als Gegensatz zum Wasser       Weltmeer symbolisierten. Solche
                                     - die mächtigen Naturkräfte.         Trockengärten kann man heute
Auch in der Gartenkunst, sowohl
                                     Blumen werden niemals in             noch besichtigen. Darin findet
der chinesischen als auch der
                                     Rabatten oder Muster gepflanzt;      man oft nur wenige, besonders
japanischen, spielt der Bambus
                                     sie stehen einzeln, zur Meditation   schöne Bambushalme. Die
eine bedeutende Rolle. Die
                                     anregend. Die Chrysantheme,          Trockengärten werden nicht
Gartengestaltung ist eine Form
                                     die spät blüht und dem Frost         betreten, nur vorn außen, vom
der Kunst wie die Landschafts-
                                     trotzt, symbolisiert Kultur und      Haus aus, betrachtet. Kunstvolle
malerei und richtet sich nach
                                     Zurückgezogenheit, die Wasser-       Gärten legt man auch um die
vergleichbaren Regeln. In Asien
                                     lilie (Iris laevigata) ist das       Tempelanlagen herum an.
herrschte immer eine gewisse
                                     Zeichen für Reinheit und             Berühmt ist der Bambushain des
Furcht vor der „wilden", der
                                     Wahrheit. Der Bambus vertritt        Hokokuji - Tempels in Kamakura,
ungezähmten Natur, aber
                                     Geschmeidigkeit und Kraft, treue     weil zwischen Bambusriesen
gleichzeitig eine große Liebe zu
                                     Freundschaft und rüstiges Alter.     einzelner kunstvoll angeordnete
ihr und eine Verbundenheit, wie
                                     Bambus dient aber auch mit           bemooste Steine liegen und
wir sie in Europa kaum nachvoll-
                                     seinem immergrünen Laub als          Steinlaternen aufgestellt sind. Es
ziehen können. Der Garten soll
                                     Hintergrund für die Pflaumen-        gibt auch ganze Bambushaine
die Natur widerspiegeln, soll aber
                                     blüte und verbindet sich mit der     um Tempel, die vor allem
dem Menschen auch dazu
                                     Kiefer zu einem künstlerischen       berühmt sind, weil hier
dienen, sich in die Natur durch
                                     Bild. In asiatischen Gärten wird     besonders schöne Bambusarten
Meditation zu versenken.
                                     der Bambus meist so                  wachsen. Im Bezirk Kochi in
Chinesische und japanische
                                     ausgelichtet, dass die einzelnen     Japan wurde ein Hain aus dem
Gärten formen eine Landschaft,
                                     schönen Halme offen zu sehen         kostbaren „Goldenen Bambus"
die mehr die Einbildungskraft als
                                     sind. Ein Bambus mit mehreren        unter Natur-Denkmalschutz
den Verstand des Betrachters
                                     Halmen symbolisiert in der           gestellt, dessen goldgelbe Halme
fordert. Immer wird die Yin ¬und
                                     landschafts-malenden Gärtnerei       mit grünen Streifen verziert sind.
Yang - Lehre, der Gegensatz des
                                     einen ganzen Wald. Japanische        Auch Haine mit Schildkröten-
Männlichen und des Weiblichen,
                                     Gärtner verfeinerten ihre            bambus (Phyllostachys Edulis f.
des Harten und des Zarten
                                     Gartenkunst im 10. Jahrhundert       heterocycla) sind weithin berühmt
beachtet. Das können Fels und
                                     so weit, dass sie Gärten fast        und Ziel häufiger Ausflugsreisen.
Wassersein, Bambus und
                                     ohne Pflanzen anlegten, Ein          Bambus, Wasser und
Chrysantheme, gerade und
                                     Stein symbolisierte einen Berg       Pagodendächer sind bevorzugte
gebogene Linien.
                                     oder Wasserfall.                     Plätze zum Meditieren.
                                                                          Einer Anekdote zufolge kam der
                                                                          Bambus zu seinem Namen, als
                                                                          die Begleiter des Marco Polo ein
                                                                          Feuer aus Bambushalmen
                                                                          entfachten, um des Nachts Tiere
                                                                          und Geister vom Schlafplatz
                                                                          fernzuhalten. Sobald die Halme
                                                                          verbrannten, dehnte sich die Luft
                                                                          in den Hohlräumen aus und der
                                                                          Halm zerplatzte mit lautem Knall:
                                                                          Bämm Buuh! Phonetisch klingt
                                                                          das Zerplatzen wie die englische
                                                                          Bezeichnung für Bambus:
                                                                          Bamboo.
                                                                                    Text:   Enno Krause
                                                                                   Fotos:    Ingrid Born
                                                                                   Johnna Bang Sorensen
                                                                                                         11
Bambus in der japanischen Malerei
                                           Dr. Susanne Schäffler - Gerken

                                      Reinheit und Leere, das sind die

I    n zahlreichen Schulen und
 Stilrichtungen hat sich die
                                      Quellen der Wahrheit. 
                                      Um zur Quelle der Wahrheit zu
                                      gelangen, üben Zen-Mönche und
                                      ihre Zen-Meister neben den
 japanische Malerei entfaltet, aber   Meditationen auch gewöhnliche
 nur wenige nahmen das Bam-           Tätigkeiten wie Gartenarbeit,
 busmotiv auf. Dieses ist in der      Küchendienst und Hausputz im
 japanischen Malerei zudem            Kloster aus. Wegen seines
 zeitlich begrenzt, ungefähr auf      genügsamen und hingebungs-
 den Zeitraum zwischen dem 13.        vollen Lebens gilt der chinesi-
 und dem 17. Jahrhundert. Das         sche Patriarch Huineng (jap.
 erscheint recht merkwürdig, ist      Eno, 673 – 713) als das große
 doch Japan das Land, in dem          Vorbild. Die Abbildung 2 zeigt
 Bambus bis heute als Nutzholz-       Huineng in einem sogenannten
 und Nahrungspflanze kultiviert       Zen-Aktionsbild des chinesi-
 und zu nützlichen oder kunst-        schen Tuschemalers Liang Kai
 vollen Gebrauchsgegenständen         (ca. 1140 – 1210) bei der
 verarbeitet wird.                    primitiven Arbeit des Bambus-
 Das Bambusmotiv ist in Japan im      hackens. 
 Wesentlichen mit der Tusche-         Ein anderer chinesischer Mönch
 malerei und der Zen-Religion         namens Xiangyan Zhixian (jap.
 verknüpft. Japanische Mönche,        Kyôgen Chikan, gest. um 840),
 die im 12. und 13. Jahrhundert       so erzählt die Legende, pflegte
 zum Studium des Zen-                 regelmäßig den Bambushain
 Buddhismus nach Südchina             seines Klosters. Einmal flog
 gingen, erlernten dort unter         während des Fegens ein Stein-
 Anleitung von Mönchen die            chen gegen den Bambusbesen
 monochrome Malerei; andere           und dieser Ton löste eine plötz-
 nahmen Bilder im Stil der            liche Erkenntnis bei ihm aus. Die
 chinesischen Tuschemalerei der       Darstellung des Mönchs Kyôgen
 Süd-Song-Zeit (1127 – 1279) mit      mit einem Besen vor einem
 in ihre Heimat Japan.                Bambushain fegend gehört zu
 Das Ziel der Zen-Anhänger ist        den ältesten Bildmotiven in der
 wie bei allen Buddhisten die         japanischen Tuschemalerei.
 Erleuchtung, also eine plötzliche    Japanische Bambusbilder sind
 Bewusstheit und das Erfahren         stets vom schöpferischen Zufall
 der „Wirklichkeit der Dinge“. In     bestimmt. Sie entstehen ohne
 der Tuschemalerei werden             Vorzeichnung und in einem
 hierfür bestimmte Symbole            schnellen Malakt. Nichts kann an
 verwendet. Das Bild des              einem Tuschebild korrigiert
 bedeutenden japanischen Zen-         werden. Mit einfachen, sponta-
 Meisters Deiryu (1895 – 1954)        nen Pinselstrichen wird das
 zeigt einen Bambusstamm vor          Nötigste skizziert, wobei die
 dem Vollmond und verweist            Konzentration des Malers gern
 damit auf zwei Zen-Ideale (Abb.      mit der eines Schwertkämpfers
 1). Das Erlangen der                 verglichen wird. Der Tuschestrich
 Erleuchtung und somit der            entsteht aus derselben Kraft wie
 Buddha-Natur gleicht dem             ein Schwerthieb.                    Abb. 1: „Youyou sei-fu / ein klarer Wind
 vollkommenen Rund des hellen         Die Muromachi-Zeit (1333 –          bewegt die Blätter“.
 Mondes, während der im Innern        1573) war eine Blütezeit für den    Tusche auf Papier
 hohle Bambus die Leere und           Zen-Buddhismus. Gelehrte,
                                                                          Deiryu (1895 – 1954)
 Klarheit des Herzens, das ohne                                           Sammung Gerhard Schack, Museum für
                                      Künstler und Schriftsteller, ja     Kunst und Gewerbe Hamburg
 Begierden und Gefühle ist,           sogar Shogune gingen ins
 versinnbildlicht.                    Kloster, während andererseits       Abb. 2: Der sechste Patriach beim
 Die Aufschrift bedeutet „Ein         Priester am weltlichen Leben        Schneiden von Bambusrohr
 klarer Wind bewegt die Blätter“.     teilhatten.                         Tusche auf Papier
                                                                          Liang Kai, China, 13. Jh.
12                                                                        Nationalmuseum Tokyo
Bedeutungen um typische
                                                                            japanische Inhalte. Beispiels-
                                                                            weise kommt dem Tiger, der in
                                                                            China für die dunkle yin-Kraft des
                                                                            Herbstes steht, in Japan noch
                                                                            eine weiterer Gehalt zu. Das Bild
                                                                            des Tigers, der bei Wind und
                                                                            Regen Zuflucht im Bambuswald
                                                                            findet, ist ein Sinnbild für Gast-
                                                                            freundschaft und Sicherheit. Der
                                                                            Ethnologe Martin Brauen merkt
                                                                            an, dass der mächtige Tiger als
                                                                            einziges Tier ein Bambusdickicht
                                        Die leichte Tuschemalerei wurde     durchdringen kann, und folgert:
                                        nun auch für die Dekoration von     „Die Kombination von Bambus
                                        Wandschirmen und Schiebetüren       und Tiger ist ein Symbol des
                                        in Tempelhallen und Wohn-           Schwachen [und Biegsamen],
                                        häusern verwendet. Bevorzugt        das dem Starken Schutz bieten
                                        waren Landschaften und              kann.“ Farbenfrohe, realistische
                                        Jahreszeiten. In der Flussland-     Bilder von Tigern im Bambus-
                                        schaft im chinesischen Stil,        wald findet man heute noch auf
                                        gemalt von Josetsu zu Beginn        Schiebetüren und Stellschirmen.
                                        des 15. Jahrhunderts, ist die       Ebenso zur dekorativen Malerei
                                        Vegetation auf wenige               zählen Darstellungen von Krani-
                                        symbolische Bambushalme             chen oder Phönixen zwischen
                                        reduziert (Abb. 3).  Die Aktion    dicken Bambusstangen. Die
                                        des Bauern, der mit einem           beiden mythologischen Vögel
                                        ausgehöhlten Flaschenkürbis         sind wie der Bambus ein Zeichen
                                        einen Wels zu fangen versucht,      des langen Lebens. Der
                                        wird gleichgesetzt mit der          chinesischen Legende zufolge
                                        Schwierigkeit, Zen zu definieren    ernährt sich der Phönix aus-
                                        oder die Erleuchtung zu             schließlich von Bambussamen
                                        erlangen. Dieses Bild wie auch      und sein seltenes Erscheinen gilt
                                        die Winterlandschaft mit            als Friedensomen. In Jahres-
                                        Bambushain des Malers Kantei        zeitenbildern stehen Bambus und
                                        aus dem ersten Viertel des 16.      Kranich für den Winter, wie auf
                                        Jahrhunderts (Abb. 4)  sind        dem Ausschnitt eines Stell-
                                        später von dem Stellschirm oder     schirms im Nationalmuseum in
                                        der Schiebetür abgelöst und als     Tokyo, der dem berühmten Maler
                                        Hängerolle montiert worden.         und nach China gereisten
                                                                            Sesshû (1420 – 1506) zuge-
Abb. 3                                  Bekanntlich hat die japanische      schrieben wird (Abb. 5). 
„Den Wels mit dem Flaschenkürbis        Kultur vieles von China             Auch Bambus und Spatz haben
fangen“, um 1413                        übernommen, von der Schrift         ihren Ursprung in der chinesi-
Tusche und leichte Farben auf Papier    über die Religion und Philosophie
Taikô Josetsu (tätig erste Hälfte 15.                                       schen Blumen- und Vogelmale-
Jh.)
                                        bis hin zu Architektur und          rei. In japanischen Tuschebildern
Sammlung des Myoshin-Tempels,           Kleiderstil. Nachdem Tusche-        ist der Spatz mitunter schlafend
Kyoto                                   malerei und Bambusdarstel-          auf einem von Schnee bedeckten
                                        lungen eingeführt waren,            Bambuszweig wiedergegeben, in
Abb. 4                                  entwickelte sich eine eigene        anderen Bildern ist der Wind
„Winterlandschaft mit Bambushain“,      Bambusbildtradition, die auch die
erstes Viertel 16. Jh..                                                     wahrnehmbar, in dem sich der
Tusche auf Papier
                                        farbige Malerei einbezog. Dafür     Bambus wiegt und die Spatzen
Kantei (tätig Ende 15. Jh. bis erste    kombinierten japanische Maler       umherflattern. Hier vermischen
Hälfte 16. Jh.)                         den Bambus mit anderen Moti-        sich die Anspielungen auf Jahr-
Sammlung Heinz Götze, Heidelberg        ven und ergänzten ursprüngliche     eszeiten mit Zen-Konnotationen.
                                                                                                             13
Das Schlafen ist ein Symbol für
 die Stille des Nirvana, während
 die Rastlosigkeit auch auf
 schlechte Begierden und Streit in
 dieser Welt hinweisen können.
 Daneben gibt es aber auch noch
 die profane Auslegung von
 Bambus und Spatz als Symbole
 der Grazie, Leichtigkeit und
 Freundschaft.
 Im 17. und 18. Jahrhundert kam
 es zu einer erneuten Beein-
 flussung der japanischen
 Bambusmalerei durch Chinesen,
 die aus politischen Gründen
 Zuflucht in Nagasaki suchten, der
 einzigen Stadt in Japan, in der
 Ausländer sich niederlassen
 durften. Die Einwanderer waren
 Mönche und Kaufleute. Sie
 brachten Mallehrbücher aus
 China mit und pflegten den
 chinesischen Malstil weiter, der
 als Literatenmalerei bezeichnet
 wurde. Japanische Maler               Tuschebild (Abb. 8) (unten),
 entwickelten daraus die so            das auf eine Hälfte eines
 genannte südliche Malerei             zweiteiligen Stellschirms montiert
 (Nanga), in der sie Malerei,          wurde, erzeugt der Maler mit den
 Gedicht und Kalligrafie vereinten.    im Wind schwingenden jungen
 Einer ihrer Vertreter ist Isshi       Bambushalmen eine lautlose
 (1608 – 1646), der traditionelle      Musik.
 Themen der chinesischen
 Bambusmalerei übernahm, wie
 „Bambus und Stein“. Seine
 Tuschemalerei in Abb. 7  trägt       Abb. 5 : „Pflanzen und Vögel der
 die Aufschrift:                       vier Jahreszeiten“,
 Die Blätter im Wind, die Äste im      15. Jh. Farben auf Papier
 Regen                                 Sesshû Tôyô (1420 – 1506)
 durchschauern das Gemüt mit           zugeschrieben
 Kühle.                                Tokyo Nationalmuseum
 Der Hausherr (Isshi) – einsam
 erkennend – ergibt sich dem           Abb. 7 „Bambus und Steine“,
 Frieden.                              erste Hälfte 17. Jh.
 Im Innersten der Brust spürt er den   Tusche auf Papier
 rauschenden Fluss –                   Isshi Bunshu (1608 – 1646)
 vieles ist vergangen – doch vor       Sammlung Hosokawa, Tokyo
 dem Fenster ein Stamm Bambus!
                                       Abb. 8 „Wind-swept bamboo“,
 Als einer der wichtigsten Maler       1753
 der Nanga-Schule gilt Ike no          Tusche und Blattgoldgrund auf
 Taiga (1723 – 1776). Seine            Papier
 zahlreichen Bambusdarstel-            Ike no Taiga (1723 – 1776)
 lungen zeigen einen sehr freien,      Sammlung Choji Takeno, Japan
 persönlichen Stil. In einem fast
 zwei mal zwei Meter großen
14
Ein Bambuswald war der Lieb-
                                  lings ort einer Gruppe von chine-
                                  sischen Gelehrten im 4. Jahr-
                                  hundert gewesen. Das Bildmotiv
                                  „Sieben Weise im Bambushain“
                                  ist ein fester Begriff in der ost-
                                  asiatischen Malerei, dennoch
                                  sind die Personen selten in
                                  einem stillen Bambuswald
                                  wiedergegeben. Vielmehr hielten
                                  die legendären Männer äußerst        Monat. Das dem August
                                  stimmungsvolle Trinkgelage ab,       zugeordnete Bild beispielsweise
                                  musizierten, dichteten, philoso-     heißt „Der Tau im schmalen
                                  phierten und politisierten laut-     Bergfluss“ (Abb. 6) . Ein Fluss
                                  stark. Japanische Maler              ist jedoch nicht sichtbar,
                                  übernahmen das Motiv des             dargestellt sind nur
                                  Rückzugs aus der Öffentlichkeit      Bambushalme vor einem leicht
                                  und der Hinwendung zum               verschleierten Vollmond. Der
                                  gemeinschaftlichen Erleben von       Dunst bestimmt in Japan den
                                  Natur und Einfachheit während        Sommer, der Regen den Monat
                                  der Momoyama-Zeit im letzten         Oktober und der Schnee den
                                  Viertel des 16. Jahrhunderts. Mit    Dezember, und je nach
                                  den Sieben Weisen oder auch          Jahreszeit geht selbst von einem
                                  Sieben Dichtern brachten sie den     immergrünen Bambus eine ganz
                                  Wunsch nach einer aufgeklärten       besondere Ausstrahlung aus.
                                  und wohlwollenden Regierung          Diese muss ein Bambusmaler
                                  zum Ausdruck, nachdem mehr           zum Ausdruck bringen.
                                  als hundert Jahre lang Macht-        Kenkensai erfasst in diesem
                                  kämpfe zwischen den japani-          Lehrbuch darüber hinaus Japans
                                  schen Feudalhäusern getobt           wohlbekannte Bambusgegenden.
                                  hatten. Die Übernahme von            Aus seinen Erläuterungen zum
                                  chinesischen Elementen hat in        August-Bild erfahren wir:
                                  der japanischen Kultur eine mehr     „Der Fluss I ist ein berühmter Ort
                                  als tausendjährige Tradition und     für Bambus. Man sagt, dass Tau
                                  unterstreicht, welche Bedeutung      hier häufig auftritt. Um diese
                                  das alte China als Vorbild für       Landschaft zu malen, muss man
                                  Japan hatte. Dazu zählen auch        einen wunderbaren, schönen
                                  die Bildmotive „Drei Freunde des     Bambus wählen, der mit Tau
                                  Winters“ (Bambus, Kiefer,            benetzt ist, und dessen Gefühl
                                  Winterkirsche) und „Die vier         von Zufriedenheit einfangen.“
                                  Edlen“ (Orchidee, Bambus,            Dagegen sind die Werke des
                                  Pflaume, Chrysantheme). Mit den      modernen Künstlers Higa-
                                  vier Edlen verbinden sich neben      shiyama Kaii (1908 – 1999) von
                                  den vier Jahreszeiten auch vier      der Verbindung aus traditionellen
                                  berühmte chinesische Dichter         japanischen Farben und einem
                                  und Denker, die sich einst vom       westlichen Stil geprägt. Den
                                  Amt zurückgezogen und der            leuchtenden Sommeranfang in
                                  Blumenzucht zugewandt hatten.        einem Bambushain in Kyoto
                                  In dieser Riege steht der edle       malte Higashiyama im Jahre
                                  Bambus für den Sommer und            1968 (Abb. 9) . Der Maler
                                  den im 12. Jahrhundert lebenden      hatte westliche Malerei während
                                  Philosophen Zhou Dunyi (jap.         seines Studiums in Berlin in den
                                  Shû Moshuku). Je nach                1930er Jahren erlernt. Seine
Abb. 6                            Jahreszeit wird der Bambus in        Landschaften, so schreibt
„Der Tau im schmalen Bergfluss“   der japanischen Malerei sehr         Willibald Veit, heute Direktor des
Holzschnitt, 1857                 unterschiedlich charakterisiert.     Museums für Asiatische Kunst in
Entwurf: Kenkensai                Eine Bambusmalanleitung von          Berlin, „versetzen den Betrachter
Sammlung Hans Spörry,             einem gewissen Kenkensai,            in die Lage, in der Reinheit und
Völkerkundemuseum der             gedruckt im Jahr 1857, die das       Schönheit der Natur sich selbst,
Universität Zürich                Züricher Völkerkundemuseum           die Bindung zwischen Mensch
                                  besitzt, enthält für jeden Monat     und Natur zu erkennen. Higa-
                                  ein anderes Bambusmotiv. In die      shiyama nennt seine Arbeiten
                                  Bilder eingefügte Schrift-zeichen    eine Form des Gebets.“ Der
                                  beziehen sich jedoch nicht auf       Bambus im japanischen Bild hat
                                  die Pflanze, sondern geben einen     sich bis heute seine Bestimmung
                                  Hinweis auf die klimatischen         als Zugang zur Meditation
                                  Verhältnisse in dem betreffenden     erhalten.                       15
Literaturverzeichnis
                             - Armbruster, Gisela/Brinker, Helmut (Hg.) Pinsel und Tusche. Sammlung Heinz Götze.
                             München 1975
                             - Awakama, Yasuichi: Die Malerei des Zen-Buddhismus. Pinselstriche des Unendlichen.
                             Wien, München 1970.
                             - Baird, Merrily: Symbols of Japan. New York 2001.
                             - Brasch, Kurt: Zenga. Tokyo 1961.
                             - Brauen, Martin: Bambus im alten Japan. Kunst und Kultur an der Schwelle zur Moderne.
                             Die Sammlung Hans Spörry im Völkerkundemuseum der Universität Zürich. Hg. vom
                             Völkerkundemuseum der Universität Zürich. Stuttgart 2003.
 - Higashiyama Kaii. Landschaften. Hg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin. Berlin 1989.
 - Hoover, Thomas: Die Kultur des Zen. Übersetzt von Frank Meyer. Köln 1983.
 - Ike Taiga Gafu (Album der Bilder von Ike no Taiga). Kompiliert von H. Kosugi, I. Tanaka und R. Yamanaka.
 Sammelband 2, „Nanga kenkyû“, Heft 4. Tokyo 1958-1959.
 - Im Schatten hoher Bäume. Malereien der Ming- und Qing-Dynastien (1368 – 1911) aus der Volksrepublik China.
 Hg. von Lothar Ledderose in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden und dem
 Kunsthistorischen Institut der Universität Heidelberg. Baden-Baden 1985.
 - Mit dem Pinsel gesehen. Japanische Zeichnung und Malerei des 17. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung -
 Gerhard Schack. Hg. von der Stiftung Museum Schloss Moyland, Sammlung van der Grinten, Joseph Beuys Archiv
 des Landes Nordrhein-Westfalen. Bedburg-Hau 2002.
 - Munsterberg, Hugo: Zen-Kunst. Köln 1978.
 - Okamoto, Toyo/Takakuwa, Gisei: Shoji: The Screens of Japan / Nihon no shôji. Kyoto u.a. 1961.
 - Special Exhibition: Japanese Ink Painting. Hg. vom Tokyo National Museum. Tokyo 1987.
 Bildnachweis
                                          5) Special Exhibition, Abb. 56.
 1) Mit dem Pinsel gesehen, S. 330.       6) Brauen, S. 192, Nr. 141.
 2) Awakawa, Abb. 5.                      7) Brasch, Abb. 14.
 3) Awakawa, Abb. 28.                     8) Ike Taiga Gafu.
 4) Armbruster/Brinker, Nr. 20.           9) Higashiyama Kaii, S. 56, Nr. 28.                                       Abb. 9
                                                                                                    „Sommeranfang“, 1968
 Erschienen im Bambus Journal 1/2009                                                                     Farbe auf Papier
                                                                                            Higashiyama Kaii (1908 – 1999)
 Mit Dank für die Nachdruckgenehmigung                                                                    Privatsammlung

16
BAMBUS UND IKEBANA
           Marianne Pucks

F  ür die Kultur und Kunst-
geschichte Japans ist Bambus
von großer Bedeutung.                 - Einfache Bambusvase
Bambus steht für Elastizität,         - Doppelte Bambusvase
Ausdauer und Hartnäckigkeit. Er       - Doppelvase mit zwei
biegt sich im Wind, aber bricht       ...Ausschnitten
nicht. Die Blätter werden vom         - Bambusboot
Winde bewegt, aber sie fallen         - Bambuskörbe geflochten
nicht. In Japan nennt man diese       Die modernen Ikebana Schulen
Mentalität noch heute Bambus-         gehen auch in der Bambusverar-
mentalität: Kompromisse               beitung neue Wege. Besonders
schließen, nachgeben und              die Sogetsu Schule mit ihren
schließlich doch ungebrochen          verstorbenen Iemoto Hiroshi
aus allen Anfechtungen des            Teshigahara fand weltweite
Lebens hervorgehen. Der               Aufmerksamkeit durch ihre
Bambus lässt sein Blätter             kreativen Bambusinstallationen
hängen, weil sein Inneres, sein       und Bambusgärten in jeder
Herz leer ist. Ein leeres Herz        Größe. Hiroshi Teshigahara
bedeutet Bescheidenheit.              hauchte seinen Kunstwerken
Bambus ist immergrün, sein            Leben ein durch die Verbindung
Aussehen verändert sich nicht.        mit Musik und Tanz. Seine für
Darum gilt er auch als Symbol         mich eindrucksvollsten Bambus-
des Alters.                           arbeiten waren die Bühnenbilder
Bambus – Kiefer – Pflaume, die        in den Opernhäusern von Genf
drei Freunde des Winters. Das         und Lyon für Puccini’s „Turan-
Neue Jahr wird in Japan mit           dot“. Das gesamte Bühnenbild
einem Ikebana Arrangement aus         war aus Bambusrohren gestaltet,
diesen drei Materialien begrüßt.      die zum Teil gesplittet und zu
Im Ikebana stellt der Bambus          Bögen verarbeitet waren.
sowohl im klassischen als auch        So dient der Bambus im zeitge-
im modernen Ikebana eine feste        nössischen Ikebana als Material
Größe dar. Als Gefäß und als          für Gefäße, Objekte und Skulp-
Pflanze hat der Bambus in der         turen. Mit einem Propangas-
Entwicklung des Ikebana einen         brenner kann man helle
festen Platz. In Japan gibt es weit   Bambusrohre durch Anbrennen
über 1000 verschiedene Ikebana        interessant verändern für neue,
Schulen mit unter-schiedlichen        überraschende Gestaltungs-
Schwerpunkten. Die klassischen        möglichkeiten. Das Brennen im
Ikebana Schulen (z.B. Ikenobo,        Kamin ist eine weitere Möglich-
Saga, Misho und Adachi) stellen       keit. Die Veränderung ist hierbei
das klassische Ikebana in den         noch intensiver. Direkt nach dem
Vordergrund ihres Unterrichts,        Brand sollte der Bambus im
während in Ohara Schule das           Wasser abgeschreckt werden.
Naturhafte besonders betont
wird. Moderne Schulen, wie die        Sehr wichtig für die Bambusver-
Ichiyo, die Stuttgarter und die       arbeitung ist das richtige Werk-
Sogetsu Schulen gehen neue            zeug. Dazu gehören eine spe-
Wege. Sie lehren neben den            zielle Bambussäge, sowie Ham-
naturhaften Stilen auch abstrakte     mer und verschiedene Beitel.
Formen im Ikebana. In                 Schließen möchte ich mit einem
Ausnahmefällen darf auch ohne         Zitat von Iemoto Hiroshi
Blumen gearbeitet werden. Für         Teshigahara:
die klassischen Ikebana Schulen       Mit Bambus lassen sich
gibt es unterschiedliche Formen       Tagträume entwerfen,
von Ikebana-Gefäßen:                  eine Natur in der Natur
Zeichnungen aus:
„Ikebana“ von Ayako Graefe                                          17
Mein Freund der Bambus
                                          Eingesandt von Sonja Illig

E    s war einmal ein wunder-
 schöner Garten. Er lag im
 Westen des Landes, mitten in
                                     Tief beugte sich der Bambus.
                                     Dann flüsterte er: “Herr, wenn
                                     du mich nicht gebrauchen
                                                                        Das eine Ende des abgeschnit-
                                                                        tenen und gespalteten Stam-
                                                                        mes verband er mit der Quelle,
 einem großen Königreich. In         kannst, ohne mich zu beschnei-     das andere führte er zu seiner
 diesem Garten pflegte der Herr      den, dann tu mit mir, wie du       Wasserrinne im Feld.
 des Reiches in der Hitze des        willst und beschneide mich“.
 Tages spazieren zu gehen.                                              Die Quelle sang ein Willkom-
                                     „Mein geliebter Bambus“, sagte     men, und das klare, glitzernde
 Ein edler Bambus war ihm das        der Herr, “ich muss dir auch       Wasser schoss freudig durch
 liebste von allen Bäumen,           deine Blätter und Äste             den zerschlagenen Körper des
 Pflanzen und Gewächsen in           abschneiden“.                      Bambus in die Wasserrinne und
 seinem Garten. Jahr für Jahr                                           floss auf die dürren Felder, die
 wuchs dieser Bambus und             „Ach Herr, davor bewahre mich!     sehr auf dieses Wasser
 wurde immer schöner. Er wuss-       Zerstöre meine Schönheit, aber     gewartet hatten.
 te wohl, dass der Herr ihn liebte   lass mir doch, ich bitte dich,
 und seine Freude an ihm hatte.      meine Blätter und Äste!“           Es wurde Reis gepflanzt, die
                                                                        Tage vergingen, die Saat ging
 Eines Tages näherte sich der        Der Herr antwortete: „Wenn ich     auf, wuchs und die Ernte kam.
 Herr nachdenklich seinem            sie nicht abschneide, mein
 geliebten Bambus und in dem         Bambus, kann ich dich nicht        So wurde der einst so herrliche
 Gefühl großer Verehrung neigte      gebrauchen.“                       Bambus zu einem Segen in all
 sich der Bambus zur Erde.                                              seiner Zerschlagenheit und
                                     Die Sonne verdeckte ihr            Demut. Als er noch groß und
 Der Herr sprach: „Lieber Bam-
                                     Gesicht. Ein Schmetterling flog    schön war, wuchs er nur für
 bus, ich brauche dich“. Es
                                     ängstlich davon. Und der           sich selbst und freute sich
 schien, als sei der Tag aller
                                     Bambus, zitternd in der            seiner Schönheit. Nun aber
 Tage gekommen, der Tag, für
                                     Erwartung dessen, das nun auf      fühlte er in tiefer Dankbarkeit
 den der Bambus geschaffen
                                     ihn zukam, sagte sehr leise:       und Freude, das er zum Kanal
 worden war. Der Herr sprach
                                     “Herr, schlage sie ab“.            geworden war, den der Herr
 noch einmal zu ihm: „Lieber
                                                                        brauchte, um sein Reich
 Bambus, ich brauche dich“.
                                     „Mein Bambus, ich muss dir         fruchtbar zu machen.
 Der Bambus antwortete leise:        noch mehr antun. Ich muss
 „Herr ich bin bereit, gebrauche     deinen Stamm teilen. Wenn ich
 mich, wie du es willst“.            das nicht tue, kann ich dich
                                     nicht gebrauchen.“
 „Bambus“, die Stimme des
 Herrn war ernst, „um dich zu        Da neigte sich der Bambus bis
 gebrauchen, muss ich dich           hinunter auf die Erde: “Herr,
 beschneiden“.                       schneide und teile.“

 „Mich beschneiden? Mich, den        So beschnitt der Herr des
 du zum Schönsten in deinem          Gartens den Bambus. Er hieb
 Garten gemacht Hast? Nein,          ihm die Blätter und die Äste ab
 das bitte nicht! Verwende mich      und spaltete ihn in zwei Teile.
 doch zu deiner Freude, Bitte        Dann trug er ihn dorthin, wo aus
 Herr, beschneide mich nicht!“       einer Quelle frisches,
                                     sprudelndes Wasser sprang,
 „Mein geliebter Bambus“, die        mitten in die trockenen Felder.
 Stimme des Herrn wurde noch         Dort legte der Herr seinen
 ernster, „Wenn ich dich nicht       Bambus vorsichtig auf den
 beschneide, kann ich dich nicht     Boden.
 gebrauchen.“
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