Impulse zur Innovation im Wohnungsbau - Research Collection

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Impulse zur Innovation im Wohnungsbau - Research Collection
ETH Library

Impulse zur Innovation im
Wohnungsbau

 Journal Issue

 Author(s):
 Glaser, Marie A.; Birrer, Angela

 Publication date:
 2017-03

 Permanent link:
 https://doi.org/10.3929/ethz-b-000229150

 Rights / license:
 In Copyright - Non-Commercial Use Permitted

 Originally published in:
 Im Fokus 2017(2)

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Impulse zur Innovation im Wohnungsbau - Research Collection
Angela Birrer, Marie Glaser
                         Impulse zur Innovation im Wohnungsbau
Im Fokus Nr. 02 | 2017

                                                                                   ETH Wohnforum
                                                                                   ETH CASE

                                           ETH Wohnforum – ETH CASE
                                           Centre for Research on Architecture,
                                           Society & the Built Environment

                                           Im Fokus Nr. 02 | 2017
                                           Impulse zur Innovation im Wohnungsbau
                                           Angela Birrer, Marie Glaser (PL)
                                           Wolfgang-Pauli-Strasse 27
                                           8093 Zürich-Hönggerberg
                                           www.wohnforum.arch.ethz.ch
                                           Januar 2017
Impulse zur Innovation im Wohnungsbau - Research Collection
Impressum
Im Fokus Nr. 02 / 2017
Herausgeber: ETH Wohnforum – ETH CASE
Texte: Angela Birrer, Marie Glaser
Zürich, Januar 2017

Forschungsprojekt
ETH Wohnforum – ETH CASE
Marie Glaser Projektleitung
Angela Birrer wissenschaftliche Mitarbeit 2015/2016
Michaela Schmidt wissenschaftliche Mitarbeit 2015
Rebecca Boguska wissenschaftliche Mitarbeit 2015
Lisa Walder Gestaltung
Sylvia Müller –Keller, Eliana Perotti Redaktion
Susanne Gysi Konzeption
Margrit Hugentobler Konzeption

Auftraggeberin
ProMiet AG

Kontakt
ETH Wohnforum – ETH CASE
Departement Architektur, ETH Zürich
Wolfgang-Pauli-Strasse 27, HIT H 13
8093 Zürich-Hönggerberg
www.wohnforum.arch.ethz.ch
Impulse zur Innovation im Wohnungsbau - Research Collection
Inhalt

1.		      Einleitung ............................................................................................................................................3
1.1		     Ausgangslage ..................................................................................................................................... 3
1.2		     Hintergrund: die Innovationsträger ................................................................................................... 3
1.3		     Vorgehen ............................................................................................................................................. 4

2.		      Innovative Ansätze im Wohnbereich ................................................................................................. 6
2.1		     Ein Blick zurück in die 1980er-Jahre ................................................................................................ 6
2.2		     ... und in die 2010er-Jahre ............................................................................................................... 10
2.3		     Regionale Unterschiede in der Schweiz .......................................................................................... 14
2.4		     Blick nach Deutschland und Österreich .......................................................................................... 15
2.5		     Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ................................................................................. 16

3.		      Siedlungsporträts ............................................................................................................................ 19
3.1		     Auf dem Höli, Scherz ....................................................................................................................... 21
3.2		     Im Niederholzboden, Riehen ........................................................................................................... 27
3.3		     Esplanade, La Chaux-de-Fonds ...................................................................................................... 33
3.4		     Vordere Lorraine, Bern .................................................................................................................... 39
3.5		     Giesserei, Winterthur ....................................................................................................................... 45
3.6		     Morenal, Monte Carasso ................................................................................................................. 53
3.7		     Zusammenfassung .......................................................................................................................... 58

4.		      Fazit .................................................................................................................................................. 62

		        Nachwort........................................................................................................................................... 65
		        Quellenverzeichnis .......................................................................................................................... 69
		        Artikelverzeichnis Medienanalyse ................................................................................................... 70

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Impulse zur Innovation im Wohnungsbau - Research Collection
2   Impulse zur Innovation im Wohnungsbau
Impulse zur Innovation im Wohnungsbau - Research Collection
1. Einleitung
Der Blick nach vorne: Wie sieht nachhaltiger und      Ziel war es herauszufinden, welche inhaltlich re-
guter Wohnungsbau in der Zukunft aus? Was             levanten und öffentlichkeitswirksamen Optionen
braucht es für ein zukunftsweisendes Wohnen?          gewählt werden sollen, um spezifische Impulse
Der Blick zurück: Welche Neuerungen im Wohn-          konkret werden zu lassen, d.h. zu planen und um-
bereich prägten die letzten Jahrzehnte? Wie ha-       zusetzen. Dazu sollten richtungsweisende Innova-
ben sie sich bewährt, und welche davon haben          tionen im Wohnungsbau und wie sich diese in der
auch über lange Zeit Bestand?                         Praxis bewährt hatten untersucht werden.
Daraus ergibt sich die Frage: Wie entsteht Neues      Die vorliegende Studie untersucht in Kapitel 2 mit-
und worin gründet es?                                 tels einer vergleichenden Analyse ausgewählte
                                                      Jahrgänge wohnrelevanter Fachmedien. Im Fokus
Innovation wird durch bestimmte Konstellatio-         sind Themen und Fragestellungen, die als aktu-
nen von AkteurInnen, Situationen und Sachlagen        elle Innovationen im Bereich Wohnen und Woh-
begünstigt. Der Innovation liegt eine Vision zu-      nungsbau gehandelt werden. Diese Untersuchung
grunde, die eine Verbesserung oder Veränderung        wird auch historisch kontextualisiert, indem sie
der bestehenden Situation anstrebt und von ge-        mit einer ähnlichen Ermittlung aus dem Jahr 1986
sellschaftlicher, sozialer, ökologischer oder wirt-   verglichen wird, wodurch die aktuellen Beobach-
schaftlicher Relevanz ist. Ihre Umsetzung in die      tungen sinnvoller eingeordnet werden können.
Praxis ist ausschlaggebend für die Wahrnehmung        Kapitel 3 umfasst den empirischen Teil. Hier ver-
in der Öffentlichkeit.                                tieft die Studie die Betrachtung der Innovationen
                                                      im Wohnungsbau anhand exemplarisch ausge-
Innovative Ansätze und visionäre Pionierprojek-       wählter Schweizer Wohnpionierprojekte, die bis
te im Bereich Wohnen und Wohnungsbau haben            heute erfolgreich bestehen und weitreichende Er-
es in dieser Hinsicht besonders schwer, denn im       fahrungen und Prozesswissen vermitteln können.
gesellschaftlichen Teilbereich Wohnen haben die       Die Studie soll als Instrument dienen, um die re-
Kräfte der Tradition und Konvention oft einen be-     levanten Themen zu benennen, die die Wohnkul-
harrlichen Einfluss.                                  tur und den Wohnungsbau in der Schweiz seit den
                                                      1980er-Jahren auf theoretisch-visionärer Ebene
                                                      sowie in der praktischen Ausführung bereichert
1.1 Ausgangslage                                      haben. Die sechs untersuchten Projekte sind Bei-
Im Jahr 1985 fanden sich PionierInnen der ge-         spiele dafür, wie WohnpionierInnen auf die gesell-
meinnützig ausgerichteten Aktiengesellschaft          schaftlichen und ökonomischen Verhältnisse ihrer
ProMiet AG zusammen. Es ging dabei um die Sied-       Zeit innovativ, das heisst neuartig, experimentell
lung Schauburg in Hünenberg ZG, einem neuen           und zukunftsweisend, reagierten. Kapitel 4 be-
Wohnprojekt, das nach konzeptionellen Konsulta-       nennt, welche Art von Impulsen in Zukunft gesetzt
tionen mit dem Architekten Alexander Henz, Mit-       werden können, um einen solchen innovativen
begründer des ETH Wohnforums, in Zusammen-            Wohnungsbau zu fördern, der den vielfältigen Le-
arbeit mit dem Büro Z, einem Spin-off der Metron,     bensformen und Bedürfnissen der BewohnerIn-
entstanden war. Mit dem Projekt Schauburg sollte      nen und Bewohnern gerecht wird.
günstiges, kinderfreundliches, ökologisches, vor
Kündigung sicheres und selbstverwaltetes Woh-
nen ermöglicht werden. Die Wohnungen konnten          1.2 Hintergrund: die Innovationsträger
mit Bundeshilfe gemäss dem Wohnbau- und Ei-           Gegenwärtig erleben insbesondere die grossen
gentumsförderungsgesetz WEG verbilligt werden.        Städte und Ballungsräume in der Schweiz einen
Bis heute gilt die Schauburg als ein erfolgreiches    starken Nachfragezuwachs. Auch Familien und
Beispiel für innovatives und nachhaltiges Wohnen      Personen in der Nachfamilienphase ziehen in
der 1980er-Jahre.                                     die Stadt. Grund dafür sind vielfach die zahlrei-
Im Anschluss an den 2013 erfolgten Verkauf der        chen kulturellen Angebote und Arbeitsplätze, die
Siedlung an die Wogeno Luzern beschlossen die         gute Infrastruktur sowie ansprechend ausgebau-
einstigen VorläuferInnen der ProMiet AG, mit dem      te und gestaltete öffentliche Räume. Städte und
Erlös innovative und zukunftsweisende Impulse         Gemeinden reagieren zunehmend auf die Vielfalt
im Wohnungsbau zu geben und heutige Pionier-          der neuen BewohnerInnen und planen und rea-
projekte zu unterstützen. Daraus resultierte der      lisieren Wohnraum für heterogene Bedürfnisse
vorliegende Projektauftrag an das ETH Wohnfo-         und Lebensformen. Wichtige Partner hierbei sind
rum – ETH CASE.                                       die Wohnbaugenossenschaften und öffentlich–

Impulse zur Innovation im Wohnungsbau                                                                       3
Impulse zur Innovation im Wohnungsbau - Research Collection
rechtliche Stiftungen, die nicht renditeorientiert   soziale Nachhaltigkeit zu investieren. Und, nach
                                agieren. Indem die Gemeinden gemeinnützigen          Peter Schmid, dem Präsident der Zürcher Bauge-
                                Wohnbauträgern Land im Baurecht zur Verfügung        nossenschaft „mehr als wohnen“, geniessen sie
                                stellen und Architekturwettbewerbe vorschrei-        das „Privileg Fehler machen zu dürfen“.1
                                ben, entstanden und entstehen vermehrt gute und
                                trotzdem erschwingliche Wohnbauten.
                                In den Bauboom-Jahren der 1960er waren es            1.3 Vorgehen
                                ebenfalls die Genossenschaften, die sich auf Neu-    Teilprojekt 1
                                es im Wohnungsbau einliessen. Hochhäuser und         Das Teilprojekt 1 stellt mittels einer vergleichen-
                                modernistische Wohnblocks aus Fertigbetontei-        den Analyse von ausgewählten Jahrgängen wohn-
                                len veränderten die Wohnkultur und -landschaft       relevanter Fachmedien alle aktuellen Themen und
                                in der Stadt und auf dem Land. Private Investo-      Fragestellungen zusammen, die als Innovationen
                                ren orientierten sich am gemeinnützigen Woh-         im Wohnen und Wohnungsbau gehandelt werden.
                                nungsbau, wodurch sich die Projekte kaum noch        Sie stellt diese in den historischen Kontext einer
                                unterschieden. Allerdings regte sich ab Mitte        ähnlichen Studie aus dem Jahr 1986, um die ak-
                                der 1970er-Jahre gesellschaftlicher Widerstand       tuellen Beobachtungen sinnvoller zu vergleichen
                                gegen den Massenwohnungsbau und der damit            und einzuordnen.
                                verbundenen anonymen, konsumorientierten Le-         Grundlage der Anlayse bildet also die 1986 im
                                bensweise in der Kleinfamilie. In neuen Wohn- und    Rahmen des Forschungsprojekts „Wohnen 2000“
                                Lebensmodellen, vorerst von kleinen Subgruppen       an der ETH erarbeitete Fachmedienanalyse von
                                und später von etwas breiteren Gesellschaftskrei-    Jean-Pierre Junker und Aurelio Vaccani zur Dis-
                                sen, fand diese Kritik Ausdruck.                     kussion innovativer Modelle im Wohnbereich.
                                                                                     Erfasst wurden relevante Beiträge aus den zwei
                                Diese neuen Wohnprojekte blieben jedoch bis in       meistgelesenen Schweizer Architekturzeitschrif-
                                die mittleren 1980er-Jahre die Ausnahme. Die         ten (Werk, Bauen und Wohnen“ und „Aktuelles
                                meist kleinmassstäblichen Initiativen stammten       Bauen“), als auch aus den Publikationsorganen
                                von privaten Bauträgern, darunter die ProMiet        des Hauseigentümerverbands HEV („Schweize-
                                AG, oder neu gegründeten Wohnbaugenossen-            rische Hauseigentümer“), des schweizerischen
                                schaften. In den 1980er-Jahren führten Haus-         Mieterverbandes („Mieterzeitung“), einer Wohn-
                                besetzungen und die Jugendunruhen, ausgelöst         zeitschrift („Das Ideale Heim“) und des Schweizer
                                durch die chronische Wohnungsknappheit, zu           Fernsehens in der Zeitperiode 1983-1985. Die ver-
                                neuen visionären Initiativen und Bewegungen          zeichneten Themen wurden aus unterschiedlichen
                                auf genossenschaftlicher Seite. Solchermassen        Perspektiven gewonnen, nämlich aus der Sicht
                                herausgefordert, fand in den grösseren traditio-     eines unterschiedlichen Zielpublikums (Architekt-
                                nellen Wohnbaugenossenschaften ein Professi-         Innen, HauseigentümerInnen, MieterInnen), das
                                onalisierungsprozess statt, verbunden mit einer      das Wohnen sehr unterschiedlich diskutiert.
                                strategischen Neuausrichtung. In Zürich, aber        Am Vorgehen von Junker/Vaccani orientiert, kon-
                                auch in anderen Städten der Schweiz sowie im         sultierte die aktuell durchgeführte Medienanalyse
                                deutschsprachigen benachbarten Ausland ent-          zu Innovationen im Wohnungsbau relevante Archi-
                                standen vereinzelt Initiativen, die neue Ansätze     tektur- und Wohnfachzeitschriften sowie Organe
                                im Mietwohnungsbau umzusetzen versuchten.            des Hausvereins und der Wohnbaugenossen-
                                Seit Beginn der 1990er-Jahre – und vor allem in      schaften in der Schweiz im Zeitraum 2013–2014.
                                den letzten zehn Jahren – wurde eine Grosszahl       Für die Deutschschweiz wurden folgende Fachpu-
                                neuer Wohnbauten erstellt. Sie zeichnen sich da-     blikationen ausgewählt: „Casa Nostra“, „Hochpar-
                                durch aus, dass sie sich in unterschiedlicher Wei-   terre“, „Werk, Bauen + Wohnen“, „Wohnen“ sowie
                                se vermehrt an Zielen der ökologischen, sozialen,    „Tec21“.
                                kulturellen und ökonomischen Nachhaltigkeit
1
  Zitat in: Einleitung in: M.   orientieren. Wohnbaugenossenschaften und an-         Für die Romandie wurden die Fachzeitschriften
Hugentobler, A. Hofer, P.
Simmendinger (Hrsg.), Mehr      dere gemeinnützige Wohnbauträger begreifen das       „Habitation“ und „Tracés“ ausgewertet. Da eine
als Wohnen. Genossen-           enorme sozialpolitische Potenzial ihrer Rolle, In-   Auswertung des italienischsprachigen Magazins
schaftlich planen – ein
                                novationsträger zu sein und Neues zu denken und      „Archi“ nur wenige Aussagen zu Innovationen
Modellfall aus Zürich, ETH
Wohnforum ETH CASE,             zu entwickeln. Sie haben keinen Renditedruck und     im Wohnungsbau zulässt, wurde ein Fokusgrup-
Birkhäuser 2016, S.7            dafür die Möglichkeit langfristig zu planen und in   pengespräch mit relevanten AkteurInnen im Tes-

4                                                                                                      Impulse zur Innovation im Wohnungsbau
Impulse zur Innovation im Wohnungsbau - Research Collection
sin durchgeführt. Für die Literaturrecherche in        Erfahrungen und Prozesswissen verfügen. Mittels
Deutschland und Österreich wurde anhand aus-           Dokumenten- und Datenanalyse, Fokusgruppen-
gewählter Medien sowohl der fachliche wie der          gesprächen und Ortsbegehungen wurde unter-
populäre Diskurs der vergangenen fünf Jahre kur-       sucht, wie die für die Projekte formulierten Ziele
sorisch berücksichtigt.                                in den Siedlungen umgesetzt wurden und welche
Die Ergebnisse des ersten Teilprojekts wurden          Aspekte sich über eine längere Zeitdauer bewährt
an einem Workshop mit ExpertInnen aus dem              respektive verändert haben. Zusammenfassend
Wohnungswesen diskutiert.2 Zentrale aktuelle           benennt es schliesslich jene Art von Impulsen, die
Innovationsthemen wurden vorgestellt. Aus ei-          in Zukunft gesetzt werden können, um einen Woh-
ner regionalen Vorauswahl von Wohnprojekten            nungsbau zu fördern, der den vielfältigen Lebens-
mit Pioniercharakter wurden schliesslich sechs         formen und Bedürfnissen der Bewohnerinnen und
Siedlungen für eine vertiefte Untersuchung aus-        Bewohnern dient.
gewählt. Ausschlaggebend waren der jeweilige
Pioniercharakter, zudem sollten die Siedlungen         Teilprojekt 3
sich in Bezugsjahr, Region, Gemeindegrösse und         Teilprojekt 3 beinhaltet einen Konzeptentwurf für
Trägerschaft unterscheiden.                            die in Folge geplante Öffentlichkeits- und Förder-
                                                       arbeit. Vorgeschlagen wird, den Transfer von Pro-
Teilprojekt 2                                          zesswissen zwischen bestehenden und frischen
Das Teilprojekt 2 vertieft die Betrachtung der Inno-   Projekten zu fördern, um so innovativen Projekten
vationen im Wohnungsbau anhand exemplarisch            ein zunehmend systematisiertes Wissen zur Ver-
ausgewählter Schweizer Wohnpionierprojekte, die        fügung zu stellen. Der Konzeptentwurf ist nicht
bis heute erfolgreich bestehen und weitreichende       Bestandteil dieses Berichtes.

                                                                                                            2
                                                                                                              Am Workshop teilge-
                                                                                                            nommen haben: Anne
                                                                                                            Burri (Büro für soziale
                                                                                                            Arbeit), Beat Bachmann
                                                                                                            (ProMiet AG), Susanne
                                                                                                            Gysi (Mitbegründerin ETH
                                                                                                            Wohnforum – ETH CASE),
                                                                                                            Andreas Hofer (Archipel
                                                                                                            Architekten), Andrée
                                                                                                            Mijnssen (ProMiet AG),
                                                                                                            Louis Schelbert (Wohnbau-
                                                                                                            genossenschaften Schweiz),
                                                                                                            Doris Sfar (Bundesamt für
                                                                                                            Wohnungswesen) und Axel
                                                                                                            Simon (Hochparterre).

Impulse zur Innovation im Wohnungsbau                                                                                                5
Impulse zur Innovation im Wohnungsbau - Research Collection
2. Innovative Ansätze im Wohnbereich
    2.1 Ein Blick zurück in die 1980er-Jahre               •   die Erhaltung der Familie
    Innovationen entstehen, auch im Wohnen, aus ei-        •   die Förderung von Kommunikationsbereitschaft
    nem Bedürfnis nach Verbesserung und Verände-           •   die Förderung von Geschichts- und (Bau-)
    rung der vorherrschenden Situation. In der Periode          Kulturbewusstsein
    der 1980er-Jahre fand in der Schweizer Wohnland-
    schaft ein grosser Umbruch statt. Neue, auf die ver-   3. Ökologisch begründete Postulate. Dazu zählten
    änderten Bedürfnisse der Menschen abgestimmte          • der haushälterische Umgang mit dem Boden
    Wohnformen wurden gefördert und breit diskutiert.      • die Umweltverträglichkeit des Bauens und Woh-
    Die beiden Architekten Jean-Pierre Junker und Au-           nens
    relio Vaccani bestätigten diese gesellschaftliche      • der Landschaftsschutz
    Forderung nach Verbesserung der Wohnsituation in
    ihrer für die damalige Diskussion relevanten Studie    4. Volkswirtschaftlich, strukturpolitisch und militä-
    aus dem Jahr 1986. Es herrschte Krise im Wohnen           risch begründete Postulate. Darunter waren
    und Wohnungsbau: einerseits eine handfeste Ver-        • der Schutz vorhandener Bausubstanz
    sorgungskrise wegen quantitativer und qualitativer     • die Rationalisierung und Koordination von
    Mängel des Wohnungsangebots und andererseits                 Bodennutzungen
    das generelle Bedürfnis nach einer verbesserten        • der ökonomische Mitteleinsatz
    Wohn- und Lebenssituation.                             • die wirtschaftliche, finanzpolitische und be-
    Zur genaueren Bestimmung der damals drängen-                 völkerungspolitische Strukturerhaltung und
    den Defizite diente Junker/Vaccani eine Fachme-              Strukturverbesserung
    dienanalyse, mittels derer sie wohnreformerische
    Postulate und Massnahmen des zeitgenössischen          5. Ästhetisch begründete Postulate, wie die Pflege
    Diskurses aus dem Beginn der 1980er-Jahre her-            von Orts-, Stadt- und Landschaftsbildern.
    ausfiltern konnten.
                                                           Grundsätzlich konstatierten Junker/Vaccani einen
    Sie unterschieden darin:                               weitgehenden Konsens über die Forderungen in al-
                                                           len untersuchten Zeitschriften. Die Unterschiede in
    1. Postulate, die auf eine Qualitätsverbesserung       den Beiträgen ergaben sich vor allem durch die un-
       des Wohnens abzielten. Dazu zählten                 terschiedliche Gewichtung einzelner Aspekte. Diese
    • die Erschwinglichkeit des Wohnens                    Einstimmigkeit begründeten sie damit, dass mittler-
    • die Sicherheit des Wohnens                           weile alternative Ansätze Einzug in konventionelle
    • die Bedürfnisgerechtigkeit in Bezug auf phy-         Wohnformen gehalten hatten, wenn auch häufig in
         siologische Bedürfnisse (Grösse, Besonnung,       vereinfachter Form.
         Ausstattung, Erschliessung, Umweltbelas-          Grundsätzlich stellten sie fest: Die Wohnbedin-
         tung, Gliederung, Anpassungsmöglichkeiten,        gungen erschienen als entscheidender Faktor der
         Wohnumfeld, Entwicklungsbedingungen für           Lebensqualität. Während die Beiträge im Publi-
         Kinder)                                           kumsmagazin „Ideales Heim“ das Wohnen als we-
    • die Bedürfnisgerechtigkeit in Bezug auf psy-         sentliche Grundlage der Äusserung der Persönlich-
         chologische und soziale Bedürfnisse (Indivi-      keit begriffen und somit schönes Wohnen mit einem
         dualität, Selbstgestaltung, Selbstbestimmung,     guten Leben gleichstellten, waren die Beiträge in
         Identifikation, Sesshaftigkeit, emotionaler       der vom Schweizerischen Mieterverband herausge-
         Komfort, Naturnähe, Möglichkeit zu spontanen      gebenen „Mieterzeitung“ eher gesellschaftspoliti-
         Kontakten, gemeinsame Aktivitäten, individu-      scher Natur. Zentral waren Themen wie der bessere
         eller Rückzug)                                    Schutz der Mieter vor Kündigungen und übermäs-
                                                           sigen Mietpreissteigerungen sowie die Forderung
    2. Gesellschaftspolitisch begründete Postulate.        nach einem vielfältigeren Wohnungsangebot, um
       Darunter waren                                      den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu wer-
    • gute Wohnungen für alle                              den. Der „Schweizerische Hauseigentümer“ hinge-
    • die Verhinderung von Bodenspekulation                gen feierte im Jahr 1986 das private Wohneigentum
    • die Förderung von Bürgersinn (im Zusammen-           als ideale Voraussetzung für die freie Entfaltung des
         hang mit Eigentumsförderung)                      Menschen im Wohnbereich und als Garant gesell-
    • die Förderung von Selbstverantwortung (im            schaftlicher Werte, wie Familie und staatsbürgerli-
         Zusammenhang mit Selbstverwaltung und             che Treue.
         Partizipation)

6                                                                            Impulse zur Innovation im Wohnungsbau
Impulse zur Innovation im Wohnungsbau - Research Collection
Die Beiträge der untersuchten Architektur-Fach-        Als Massnahmen zur Verbesserung der Wohnsitua-
zeitschriften „Werk, Bauen und Wohnen“ und „Ak-        tion (wobei die Unterscheidung von Mittel und Zweck
tuelles Bauen“ teilten Junker/Vaccani grundsätzlich    nicht immer klar war) diskutierte man:
in zwei Gruppen ein. Die einen schrieben der Archi-    • Besserstellung der MieterInnen
tektur eine politische und sozialpädagogische Di-      • Eigentumsförderung
mension zu. In den Beiträgen dieser Gruppe wurden      • Nutzermitbestimmung
auch vermehrt Wohnideale und wohnreformerische         • Selbstverwaltung
Postulate beschrieben. Die anderen Beiträge begrif-    • Selbsthilfe-Organisation
fen Architektur vor allem als künstlerisch-gestalte-   • Alternative Haushaltformen und gemein-
risches Berufsfeld.                                          schaftsorientiertes Wohnen
                                                       • Verdichtetes Bauen (insbes. verdichtete Grup-
Junker und Vaccani folgerten, dass die frühen                pensiedlung)
wohnreformerischen Ansätze der 1970er-Jahre, die       • Einfaches Bauen
grundsätzliche, mitunter provokative Alternativen      • Selbstbau und individuelle Wohnungsanpas-
zu bestehenden Wohn- und Lebensformen vertra-                sung
ten, bereits in den 1980er-Jahren „in eine Phase der   • Substanzverwertung (Renovation, Umbau und
Konsolidierung“ getreten waren. Der subkulturel-             Umnutzung)
le Rahmen war bereits überwunden. Ursprünglich         • Wohnumfeldverbesserungen (Verkehrsberuhi-
alternative Ansätze wurden in den 1980er-Jahren              gung, Durchmischung, Stadterneuerung)
nicht mehr als Gegenentwurf, sondern als Erweite-      • Ökologisches Bauen
rung der konventionellen Wohnmöglichkeiten inter-
pretiert. Beim Thema Gemeinschaft und Individua-       Durch das damalige Mietrecht und bei angespannter
lität wurde die Schaffung von gemeinschaftlichen       Marktlage waren vor allem einkommensschwache
Nutzflächen zusätzlich zu den privaten diskutiert.     MieterInnen mit der Gefahr von Kündigungen und
Eine weitere Akzentverschiebung orteten die Au-        Mietpreiserhöhungen konfrontiert. Junker/Vacca-
toren in der Wiederentdeckung der (Innen-)Stadt        ni beschreiben, wie die Wohnbauförderung alleine
als Wohnstandort. Die Forderungen bezogen sich         nicht ausreichte, weshalb ein verstärkter Kündi-
einerseits auf den Wunsch nach Stadterneuerung         gungsschutz und eine wirksamere Mietpreiskont-
und Stadtbildreparatur, andererseits auf konkrete      rolle gefordert wurden. Grundsätzlich wurde unter
Wohnwertverbesserungen wie der Verkehrsberuhi-         Besserstellung der MieterInnen eine Annäherung
gung von Quartierstrassen. Mit der Hinwendung zur      ihrer rechtlichen Situation an die eines Wohnungs-
Stadt galt laut den Autoren das aus den 1970er-Jah-    eigentümers verstanden. Gefordert wurde nicht nur
ren stammende Reformkonzept der „kleinen Netze“        grössere Sicherheit, sondern auch die Übertragung
(Hans Rusterholz, metron Architekten), das einen       weitergehender Verfügungsrechte. Dazu gehörten
Gegenentwurf zum isolierten Leben in der Kleinfa-      vermehrte Nutzung der gemeinsamen Teile des
milie darstellte, als überwunden.                      Mietobjekts und Möglichkeiten, die Wohnung besser
                                                       an individuelle Ansprüche anzupassen. Verschiede-
                                                       ne Modelle wie verbesserte Mietverträge, Mietei-
                                                       gentum oder Hausgenossenschaften sollten diese
                                                       Forderungen umsetzen.

                                                       Die Eigentumsförderung postulierten hauptsäch-
                                                       lich konservativ-bürgerliche Kreise, sie war jedoch
                                                       allgemein akzeptiert. Wohneigentum galt in den
                                                       1980er-Jahren als erstrebenswertes Ideal. Dies
                                                       äusserte sich zum einen darin, dass in den analy-
                                                       sierten Beiträgen kritisch von der Schweiz als einem
                                                       „Volk von Mietern“ berichtet wurde, die Nachteile
                                                       von Wohneigentum wie erschwerte Mobilität und
                                                       Verschuldung jedoch unerwähnt blieben. Zum an-
                                                       deren forcierten die diskutierten Massnahmen zur
                                                       Besserstellung der MieterInnen die Schaffung ei-
                                                       gentumsähnlicher Rechte.

Impulse zur Innovation im Wohnungsbau                                                                         7
Die Mitbestimmung im Wohnungsbau zielte haupt-          Funktionswandel durchlebt hatte und von „einem
    sächlich darauf ab, dass die zu erstellenden Woh-       Mittel gesellschaftlicher Strukturüberwindung zu
    nungen mit den Bedürfnissen der Nutzenden über-         einem strukturerhaltenden Integrationsinstrument“
    einstimmten. Angestrebt wurde die Gruppenbildung        geworden war. Gemeinschaftsorientierte Gruppen-
    von Mitplanern und späteren Nachbarn. Man ging          siedlungen erhielten grosse Publizität, auch wegen
    von der Annahme aus, dass auf diese Weise ein posi-     der qualitativen Merkmale, die sich aus verdichteter
    tiver Einfluss auf das spätere Zusammenleben ent-       Bauweise und verdichtetem Wohnen ergaben. Die
    stünde. Die Partizipation bei Quartiererneuerungen      Tendenz von Gruppensiedlungen zur Abkapselung
    hingegen wurde unter dem Aspekt der demokrati-          gegenüber der Aussenwelt wurde dabei problema-
    schen Meinungsäusserung betrachtet, da hier das         tisiert. Die Gefahr der Isolation erwuchs aus zwei
    Einverständnis der Betroffenen eine zentrale Rolle      Faktoren: einerseits bot die Siedlung selbst genug
    im Entstehungsprozess spielte.                          Raum für Aktivitäten und zwischenmenschliche
    Die Selbstverwaltung wurde als Fortsetzung der          Kontakte, andererseits aufgrund des subkulturellen
    Planungsmitbestimmung diskutiert, fand sonst            Charakters dieser eher urban orientierten Gemein-
    jedoch wenig Beachtung als wohnreformerische            schaften, die aber oft in ländlichen Gegenden erbaut
    Massnahme. In ihrer Analyse kamen Junker/Vaccani        worden waren.
    zu dem Schluss, dass Selbstverwaltung problemlos
    funktioniere, da keine Fachkompetenz erforderlich       Junker/Vaccani konnten auch feststellen, dass Er-
    und nur ein begrenztes Engagement der Betroffe-         rungenschaften der neuen gemeinschaftlichen
    nen nötig sei.                                          Wohnformen, wie beispielsweise gemeinschafts-
                                                            fördernde Einrichtungen, als vorteilhafte Ergänzung
    Bezüglich der Organisation zur Selbsthilfe stell-       zum Kleinhaushalt in der Agglomeration übernom-
    ten sie dagegen grundlegende Veränderungen              men wurden.
    fest. Stand in der Nachkriegszeit die quantitati-
    ve Versorgung mit preisgünstigem Wohnraum im            Verdichtung wurde häufig und positiv diskutiert.
    Vordergrund, so waren es seit den 1970er-Jahren,        Unter anderem schrieb der Fachdiskurs der ver-
    aufgrund der Kritik am Massenwohnungsbau, wie-          dichteten Bauweise die Fähigkeit zu, die räumlichen
    der vermehrt wohnreformerische Bemühungen.              Voraussetzungen für neue Lebensformen zu schaf-
    Die sich nun entwickelnden (genossenschaftlichen)       fen, die sich zwar am Gemeinschaftsideal der 68er
    Wohnexperimente richteten sich an kleinen Interes-      Generation orientierten, gleichzeitig mit den bürger-
    sen- und Wertegruppen und zielten auf die Qualität      lich-traditionellen Werten der Häuslichkeit, der Fa-
    des Wohnens.                                            milie und des Eigentums verbunden wurden. Diese
                                                            Entwicklung äusserte sich in den Fachzeitschriften
    Eine weitere Massnahme zur Verbesserung der             in Form von Analogien in Wort und Bild zu „dörf-
    Wohnsituation, die in den Fachzeitschriften der         lich-einträchtiger Nachbarschaft“. Gemäss dem
    1980er-Jahre diskutiert wurde, war die Gründung         „Schweizerischen Hauseigentümer“ bestand der
    von alternativen Haushaltformen. Der Fokus lag auf      Vorteil von verdichtetem Siedlungsbau darin, dass
    gemeinschaftsorientiertem Wohnen. Die Wohnge-           dank des geringeren Baulandbedarfs für weitere
    meinschaft als eine dieser neuen Haushaltformen,        Bevölkerungskreise der Erwerb eines Eigenheims
    hatte Ende der 1960er-Jahre an Aktualität gewon-        möglich und dennoch herkömmliche Einfamilien-
    nen und stellte zu dieser Zeit eine reale Alternative   häuser vermieden werden konnten. Individuelle Ge-
    zur konventionellen Kleinfamilie dar. Schon in den      staltungsmöglichkeiten fanden in der verdichteten
    1980er-Jahren jedoch hatte sie, gemäss Junker/          Gruppensiedlung ebenfalls Platz. Ein weiteres Ar-
    Vaccani, unter diesem Gesichtspunkt kaum mehr           gument für die Verdichtung war die Einsparung von
    Bedeutung. Grössere Medienattraktivität genossen        Kulturland zur Gewährleistung der Selbstversor-
    die Wohngemeinschaften für spezifische soziale          gung im Krisenfall. Im städtischen Kontext diskutier-
    Gruppen: die Alterswohngemeinschaft, die Behin-         te die Fachpresse das Nachverdichten beispielswei-
    dertenwohngemeinschaft sowie die Wohngemein-            se als Ausfüllen von Baulücken oder als qualitative
    schaft für Waisen, schwererziehbare Jugendliche,        Massnahme zur Quartiererneuerung, auch um den
    psychisch Kranke und Drogengefährdete. Diese            Wegzug von EinwohnerInnen einzudämmen.
    Haushaltsformen wurden als familiäre Alternative
    zum Heim von der Sozialhilfe initiiert. Junker/Vac-     Unter dem Begriff Einfaches Bauen wurden zwei
    cani folgerten, dass die Wohngemeinschaft einen         unterschiedliche Tendenzen verstanden. Auf der ei-

8                                                                             Impulse zur Innovation im Wohnungsbau
nen Seite stand der Billigbau, bei dem Baumaterial,    Die soziale wie funktionale Durchmischung schätz-
Fertigungstechnik und Bauorganisation möglichst        ten die Fachmedien als Gegenmassnahme gegen
geringe Baukosten verursachen sollten. Diese Vor-      die Segregation von Altersgruppen, Nationalitäten
gehensweise widersprach jedoch dem herrschen-          und Einkommensgruppen sowie einer zunehmen-
den schweizerischen Bauverständnis von Solidität,      den räumlichen Verdrängung des Wohnens aus
handwerklicher Perfektion und Wertbeständigkeit        den innerstädtischen Quartieren, das mit betrieb-
und war deshalb relativ wenig verbreitet. Auf der      lichen Nutzungen ersetzt wird. Dies geschah vor
anderen Seite bezeichnete das einfache Bauen eine      dem Hintergrund, dass viele Familien aus dem
sich auf lokale, vorindustrielle Bautraditionen ab-    Mittelstand aus den Städten wegzogen waren. Die
stützende Bauweise.                                    soziale Durchmischung sollte die Integration sozial
                                                       Schwächerer und eine gleichmässige Auslastung
Der Selbstbau fand in der Schweiz der 1980er-Jah-      von alterspezifischen Einrichtungen fördern. Jun-
ren wenig Anklang. Der Selbstausbau hingegen           ker/Vaccani hielten fest, dass die analysierten Fach-
schon, der vor allem die individuelle Wohnungsan-      beiträge eine gelungene soziale Durchmischung für
passung zum Ziel hatte. Bei Neubauprojekten wur-       das gesellschaftliche Zusammenleben als förderlich
den Rohbau und Ausbau entweder getrennt vorge-         einstuften. Funktionale Durchmischung sollte Le-
nommen oder der bewohnbare Rohbau wurde mit            bendigkeit und Erlebnisreichtum schaffen.
Möglichkeiten zum individuellen Ausbau bereitge-
stellt.                                                Unter ökologischem Bauen fassten Junker/Vaccani
                                                       alle Anstrengungen zusammen, welche die Um-
Im Zusammenhang mit dem Thema Substanzver-             weltverträglichkeit des Bauens und Wohnens ver-
wertung notierten Junker/Vaccani zwei Strategien.      bessern sollten. Dazu gehörte die Verwendung von
Die sanfte Renovation sah die Sanierung eines Ge-      umweltschonenden Baumaterialien, Massnahmen
bäudes mit minimalen Veränderungen vor, um einen       zur Energieeinsparung, Einrichtungen zur alterna-
Mieterwechsel und eine übermässige Erhöhung der        tiver Energieerzeugung und die sparsame Verwen-
Mietpreise zu vermeiden. Der Umbau und die Re-         dung knapper Ressourcen. Ebenso konnte die Er-
novation von Wohngebäuden beschränkten sich vor        schliessung einer Wohnanlage unter ökologischen
allem auf den Anbau von Balkonen und Wintergärten      Gesichtspunkten betrachtet werden. Modelle, die
und dienten vorwiegend der Wertsteigerung. Häufi-      weitgehend und konsequent mehrere dieser Forde-
ger jedoch erfolgten Umbauten in Kombination mit       rungen erfüllten, waren bislang nur in Ansätzen ver-
Umnutzungen. Die Umnutzung von landwirtschaft-         wirklicht worden und erlangten zur damaligen Zeit
lichen und gewerblichen Bauten zu Wohnzwecken          nur wenig Publizität.
diente dabei weniger der Beschaffung von Wohn-         Des Weiteren konstatierten die Autoren eine Um-
raum denn als Experimentierfeld für neue Wohnfor-      interpretation ursprünglich ökologisch motivierter
men.                                                   Massnahmen als Mitteln der Wohnwertsteigerung,
                                                       wie es unter anderem mit dem Wintergarten ge-
Den festgestellten höheren Stellenwert des Woh-        schehen war.
numfelds führten Junker /Vaccani auf die tenden-
zielle Öffnung der privaten Lebenswelt gegenüber       → Zusammengefasst wurden grundsätzlich Lebens-
der Aussenwelt zurück. Dies zeigte sich im ge-         qualität und Wohnqualität in engem Zusammenhang
meinschaftsorientierten Siedlungsbau wie auch          betrachtet. Wohneigentum galt in breiten Kreisen
bei der Wiederentdeckung des Stadtquartiers. Im        als Wohnideal. Dementsprechend behandelte die
innerstädtischen Bereich waren es vor allem auch       Fachwelt jene Ansätze als innovativ, die eine Annä-
Umweltdefizite im Wohnumfeld, die mehr Auf-            herung der Rechte eines Mieters an diejenigen ei-
merksamkeit erlangten. Die Verkehrsberuhigung          nes Wohneigentümers vorsahen. In diesem Zusam-
durch die Realisierung von Wohnstrassen war eine       menhang wurden unter anderem Massnahmen wie
vielbeachtete Massnahme, um die Umgebung kin-          Mieteigentum, Selbstverwaltung oder Nutzermit-
derfreundlich zu gestalten und nachbarschaftliche      bestimmung diskutiert. Vor dem Hintergrund einer
Kommunikation zu fördern - Qualitäten, die damals      wachsenden Kritik am anonymen Wohnen in der
ursprünglich ausserstädtischen Wohnorten zuge-         Kleinfamilie im Wohnblock galten ausserdem ge-
schrieben wurden. Mit der Verbesserung des Woh-        meinschaftsorientierte Wohnmodelle als beispiel-
numfelds in der Stadt stieg grundsätzlich das Inter-   haft, die das Wohnumfeld miteinbezogen, der Um-
esse an Massnahmen zur Stadterneuerung.                welt Sorge trugen und die Nachbarschaft förderten.

Impulse zur Innovation im Wohnungsbau                                                                          9
2.2 ... und in die 2010er-Jahre                         Aktuelle Forderungen:
     Bezog sich der Diskurs der 1980er-Jahre vorwie-
     gend auf den suburbanen Raum, stehen aktuell die        •   Bezahlbarer Wohnraum für alle
     Stadt sowie die Agglomeration im Fokus. Wohn-           •   Verhinderung von Spekulation mit Boden und
     baugenossenschaften haben sich in der Mehrheit               Wohnraum
     zu institutionalisierten und professionalisierten       •   Bedürfnisgerechtigkeit hinsichtlich Angebot, Er-
     Organisationen entwickelt, die auf qualitativer Ebe-         schliessung, Anpassungsmöglichkeiten, Woh-
     ne einen wichtigen Beitrag zur schweizerischen               numfeld, Grösse respektive Fläche, Individua-
     Wohnraumversorgung leisten und oft Träger von In-            lität, Identifikation, Möglichkeit zu spontanen
     novationen sind. Im Jahr 2001 stellte der Bund die           Kontakten, gemeinsame Aktivitäten, individu-
     Wohnbauförderung nach Wohnbau- und Eigentums-                eller Rückzug
     förderungsgesetz (WEG) ein, jedoch ohne Einfluss        •   Durchmischung (soziale, altersmässige, funkti-
     auf die finanziellen Hilfen, die vorher zugesichert          onale)
     wurden. Seit 2003 werden Bundeshilfen nach dem          •   Förderung von Selbstverantwortung, Kommu-
     Wohnraumförderungsgesetz (WFG) gewährt, wobei                nikationsbereitschaft, Gemeinschaft, Nachbar-
     die direkten Darlehen sistiert wurden. Indirekte Hil-        schaft
     fen für gemeinnützige Wohnbauträger werden wei-         •   Städtebauliche Qualität und Urbanität
     terhin gewährleistet.                                   •   Haushälterischer Umgang mit dem Boden
     Die demografische Zusammensetzung der Schwei-           •   Umweltverträglichkeit des Bauens, Sanierens
     zer Wohnbevölkerung sowie die Haushaltformen ha-             und Wohnens
     ben sich seit den 1980er-Jahren stark verändert. So     •   Schutz vorhandener Bausubstanz
     nimmt die Kleinfamilie einen wesentlich geringeren      •   Pflege von Orts-, Stadt- und Landschaftsbildern
     Anteil im Gesamten an, während Einpersonenhaus-         •   Interdisziplinarität der Planungspraxis
     halte inzwischen einen bedeutenden Bestandteil der      •   Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verant-
     Wohnbevölkerung ausmachen. Seit den 1990er-Jah-              wortung
     ren ist das Konzept der nachhaltigen Entwicklung
     aufbauend auf den drei Pfeilern Gesellschaft, Öko-      Bezahlbarer Wohnraum für alle
     logie und Wirtschaft in zunehmendem Masse zur           Wie in den 1980er-Jahren wird auch heute wieder die
     Grundlage im Planen und Bauen geworden. Den             Schaffung von günstigen (Familien-)Wohnungen ge-
     Wohnbedürfnissen künftiger NutzerInnen wird, ge-        fordert, insbesondere im urbanen Raum, in dem oft
     rade von gemeinnützigen oder langfristig denken-        grosse Wohnungsknappheit herrscht. Die Diskussi-
     den Bauträgern, vermehrt Beachtung geschenkt.           on über die steigenden Boden- und Angebotspreise
                                                             sowie die immer höheren Wohnkosten wird heute
     Die Analyse der zeitgenössischen Fachmedien zeigt       jedoch grundsätzlicher und gesellschaftspolitisch
     die Diskussion dieser Entwicklung auf und weist auf     geführt. Zugang zu adäquatem bezahlbarem Wohn-
     Veränderungen seit dem Jahr 1986 hin. Die Studie        raum für alle Haushaltformen und soziale Gruppen,
     leistet keine vollumfängliche Nachzeichnung der         lautet die Forderung, nicht nur für Familien. Die
     beschriebenen Entwicklungen. Der Vergleich der          Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung
     beiden Medienanalysen zeigt aber auf, dass die Dis-     wird stärker auch von privaten und institutionellen
     kussion um Innovationen im Wohnbereich heute vor        Bauträgern gefordert, deren Projekte insbesondere
     einem veränderten institutionellen, gesellschaftli-     im städtischen Hochpreissegment unter Kritik gera-
     chen, technologischen, ökologischen und raumtypo-       ten.
     logischen Hintergrund stattfindet.                      Im Zusammenhang damit steht die überwiegend von
                                                             Genossenschaftsseite geäusserte Kritik an der Spe-
     Im Folgenden sind die Resultate der Medienanaly-        kulation mit Boden und Wohnraum.
     se der ausgewählten Fachzeitschriften der Jahre
     2013/2014 dargestellt. Sie zeigen heutige Forde-        Bedürfnisgerechtigkeit
     rungen im Wohnbereich und die gegenwärtig als           Die Forderung nach bedürfnisgerechtem Wohn-
     Innovationen in der Diskussion stehenden Massnah-       raum behandelt heute teils andere Aspekte als in
     men und Modelle. Auf die Einteilung der Postulate       den 1980er-Jahren. Themen wie Lärm, Luftqualität
     in Gruppen, wie Junker/Vaccani dies 1986 gemacht        und Besonnung behalten Wichtigkeit, sind aber über
     haben, wird in der Darstellung verzichtet.              vorgegebene Standards im Bauen schon möglichst
                                                             optimal geregelt.

10                                                                             Impulse zur Innovation im Wohnungsbau
Die Anforderungen an den Wohnraum erscheinen           le in der Diskussion um beispielhaftes Wohnen ein.
ausdifferenzierter als in den 1980er-Jahren. Wohn-     Das gute nachbarschaftliche Verhältnis bezeichnet
raum ist dann bedürfnisgerecht, wenn er sich an in-    heute in vielen Siedlungen eine grundlegende Qua-
dividuelle und wechselnde Bedürfnisse im Wohnen        lität von guten Wohnsituationen. Dies wird verdeut-
anpassen kann. Die zunehmende Ausdifferenzie-          licht durch das häufig postulierte Konzept „Wohnen
rung der Lebensstile und Haushaltsformen und ihre      in der Stadt wie im Dorf“. Es zielt darauf hin, dass
Dynamik verlangen nach vielfältigen Wohnräumen.        auch in Stadtquartieren enge nachbarschaftliche
Die Familienwohnung mit vordefinierten Kinder-         Beziehungen möglich sind, dass man sich kennt und
und Elternzimmern ist immer weniger gefragt. Um        Räume gemeinsam gestaltet und nutzt.
diesen Entwicklungen gerecht zu werden, bedarf
es einer Vielfalt an Wohnungsgrössen und neu-          Städtebauliche Qualität und Urbanität
en Typologien. Die Wohnung dient für die einen als     Im Hinblick auf die Qualität des Wohnumfelds hat
Rückzugsort, als Durchgangsort, als Arbeitsplatz in    sich der Fokus der Betrachtung erweitert. Die Wech-
einem beschleunigten, globalisierten Lebens- und       selwirkung von Umgebung und Quartier, Natur und
Arbeitsalltag an multiplen Orten, für andere ist sie   Stadt wird heute intensiv diskutiert. Nebst der Um-
erweiterter Ausdruck der persönlichen Lebensein-       gebung selbst erfährt gegenwärtig die Einbettung
stellung. Individualität bezieht sich auf den Wunsch   einer Siedlung in den räumlichen Kontext und die
nach einem möglichst aussergewöhnlich gebauten         damit verbundene Ausstrahlung auf das Wohnen
und gestalteten Wohnraum, der nicht der Norm ent-      selbst sowie auf das Quartier Wichtigkeit. Daraus
spricht und sich vom Durchschnitt abhebt.              ergibt sich ein neuer Qualitätsaspekt, der vor allem
Eine bedürfnisgerechte Erschliessung bezeichnet        in Beschrieben von Neubauprojekten genannt wird.
heute einen möglichst hindernisfreien Wohnraum         Formulierungen wie z.B. „Wohnen in der Agglome-
sowie ein adäquates Wohnumfeld. Diese Forderung        ration wie in der Stadt“ oder „Quartier statt Sied-
geht einher mit dem Wunsch vieler Menschen, in         lung“, „urbane Qualität“ oder „urbane Dichte“ zeu-
den eigenen vier Wänden selbstständig zu wohnen        gen vom Wunsch nach Zentrumsqualitäten. Dazu
und alt zu werden. Das Wohnumfeld soll qualitativ      gehören eine gute Erschliessung, ein nachhaltiges
gut gestaltete Frei- und Aussenräume aufweisen         Mobilitätskonzept, eine ausreichende Nahversor-
und über optimale Velo- und Fussgängerzonen so-        gung sowie eine Nutzungsdurchmischung auch in
wie eine gute ÖV-Anbindung verfügen. Der Wunsch        den Agglomerationsgebieten. Die Anbindung an den
nach spontanen Kontaktmöglichkeiten und privaten       öffentlichen Verkehr und die Nahversorgung stellen
Rückzugsmöglichkeiten innerhalb der Siedlung for-      dabei genauso ökologische sowie gesellschaftspo-
dert die Planung und Gestaltung von gut differen-      litische Forderungen dar, um den motorisierten In-
zierten Räumen für die private, halb-öffentliche und   dividualverkehr zu reduzieren und die Vereinbarkeit
öffentliche Nutzung.                                   von Familie und Beruf zu gewährleisten.

Soziale, altersmässige, funktionale Durch-             Haushälterischer Umgang mit dem Boden
mischung                                               Hoher Wohnflächenverbrauch wird im Fachdiskurs
Soziale Durchmischung gilt heute als Patentrezept      häufig problematisiert und eine Verringerung der
für eine nachhaltige Stadtentwicklung und leben-       Wohnfläche pro Kopf gefordert. Der haushälterische
dige Quartiere. Gleichwohl steht die Art und Wei-      Umgang mit dem Boden ist weiterhin von grosser
se, wie sie erfolgreich erreicht werden kann, in der   Wichtigkeit und mit der Revision des Raumpla-
Diskussion. Denn auch die neueren, als beispielhaft    nungsgesetzes im Jahr 2014 zu einem politisch wie
beschriebenen Wohnprojekte weisen oft eine eher        ökologisch rege diskutierten Thema geworden.
homogene Bewohnerschaft bezüglich Herkunft, Bil-
dungsstand und Einkommen auf. Durchmischung            Umweltverträglichkeit des Bauens, Sanierens und
bedeutet auch die Integration von Personen mit spe-    Wohnens
ziellen Bedürfnissen in den Wohnalltag.                Im Sinne der drei Pfeiler einer nachhaltigen Ent-
                                                       wicklung gilt Umweltverträglichkeit von Projekten
Förderung von Selbstverantwortung, Kommunika-          nicht nur im Bauen, sondern auch im Sanieren, Be-
tionsbereitschaft, Gemeinschaft, Nachbarschaft         wirtschaften und Wohnen als selbstverständliche
Spontane Kontakte und gemeinschaftliche Aktivitä-      Prämisse.
ten, die mit der Entwicklung von Nachbarschaften
gefördert werden, nehmen heute eine wichtige Rol-

Impulse zur Innovation im Wohnungsbau                                                                         11
Schutz vorhandener Bausubstanz                           Folgende Massnahmen lassen sich mittels der Me-
     Der Schutz vorhandener Bausubstanz, insbeson-            dienanalyse aus dem Fachdiskurs herausfiltern und
     dere im Zusammenhang mit Sanierungen und Er-             als gute Praxis bestätigen:
     satzneubauten, ist heute weiterhin relevant. Gegen-
     wärtig werden raumplanerische Instrumente wie            •   Preisgünstiges Bauen
     die Bau- und Zonenordnung, regionale Richtpläne          •   Individueller Innenausbau
     und die Einteilung gewisser Gebiete in die Quartie-      •   Partizipation in Planung und Betrieb
     rerhaltungszone angewendet, um dieser Forderung          •   Selbstverwaltung
     Rechnung zu tragen. Ebenfalls ist die städtebauliche     •   Vielfältiges Wohnungsangebot
     Dimension in der aktuellen Analyse erkennbar: der        •   Dienstleistungsangebot
     identitätsstiftende Charakter von Häusern und Ge-        •   Verdichtung
     bäuden im Bestand wird diskutiert, die Einbettung        •   Ökologisches Bauen, Sanieren, Wohnen und Le-
     in die Umgebung analysiert und eine gesamthafte               ben
     Betrachtungsweise angestrebt. Denkmalschütze-            •   Einsatz und Weiterentwicklung raumplaneri-
     rische Anliegen werden in diesem Rahmen eben-                 scher Instrumente
     falls vermehrt diskutiert. Kritisch wird in einzelnen
     Fällen die Verhältnismässigkeit von Denkmalschut-        Preisgünstig bauen
     zanliegen gegenüber neuen Wohnbauprojekten               Die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum
     betrachtet. Dieselbe Argumentation bildet auch die       ist heute ein wichtiger Bestandteil innovativer An-
     Grundlage für die Pflege von Orts-, Stadt- und Land-     sätze. Dementsprechend gilt es, preisgünstigen
     schaftsbildern.                                          und gleichzeitig guten Wohnungsbau zu betreiben.
                                                              Eines der Mittel dazu ist die Landabgabe im Bau-
     Interdisziplinarität                                     recht durch die Gemeinde an einen gemeinnützigen
     Im Fachdiskurs findet die Forderung nach einer in-       Wohnbauträger verbunden mit der Pflicht, einen
     terdisziplinären Planungspraxis vermehrt Eingang,        Architektur-Wettbewerb auszuschreiben. Das Mo-
     da die vielseitigen Anforderungen an Wohn- und           dell der Kostenmiete wird in den Fachzeitschriften
     Lebensraum die Komplexität der Aufgaben erhöht           als weiteres Mittel zur Schaffung von bezahlbarem
     haben. Ziel ist die ganzheitliche Betrachtung aller      Wohnraum beschrieben. Meist von Genossenschaf-
     Aspekte eines Vorhabens, als gleichgewichtetes           ten, Stiftungen und anderen gemeinnützigen Wohn-
     Zusammenspiel von gesellschaftlichen, wirtschaft-        bauträgern praktiziert, bedeutet die Kostenmiete
     lichen und ökologischen Faktoren.                        einen gerechten Mietzins, der indes hoch genug ist,
                                                              um die Aufwendungen des Bauträgers zu decken.
     Die Forderungen im Wohnbereich haben sich seit           Ebenfalls innovativ sind Projekte, die durch Koope-
     den 1980er-Jahren stark ausdifferenziert. Dement-        rationen verschiedener Trägerschaften wie Priva-
     sprechend besitzen Massnahmen und Wohnmodelle            tanleger, Pensionskassen, Genossenschaften und
     Vorbildpotenzial, die auf die vielfältigen Anforderun-   Gemeinden entstanden sind. Erwähnenswert ist
     gen und Bedürfnisse des Wohnens intelligent und          in diesem Zusammenhang auch die Bildung eines
     nachhaltig einzugehen wissen.                            Netzwerks von Genossenschaften und Gemeinden
                                                              zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus.
                                                              Weitere Punkte zur Schaffung von erschwinglichen
                                                              Wohnungen sind die Reduktion von Wohnfläche und
                                                              von Ausbaustandard, die Verwendung günstiger
                                                              Baumaterialien, Serienproduktion und Elementbau-
                                                              weise.

                                                              Individueller Innenausbau ist ebenfalls ein pra-
                                                              xisorientiertes Konzept für günstigen Wohnraum.
                                                              Indem neu erstellte Wohnhäuser im Rohbau belas-
                                                              sen werden und die zukünftigen BesitzerInnen den
                                                              Innenausbau unter fachlich enger Begleitung selber
                                                              übernehmen, besteht die Option, individuell gestal-
                                                              teten Wohnraum für unterschiedliche Budgets zu
                                                              schaffen.

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Partizipation in Planung und Betrieb                     te sehr deutlich auf. Der soziale Wandel – Individu-
Häufig beschrieben wird in den ausgewählten Fach-        alisierung, Vermischung von Wohnen und Arbeiten,
zeitschriften das Instrument der Partizipation, im       multilokales Wohnen oder Pluralisierung von Haus-
Planungsprozess wie auch nach Bezug der Wohnun-          haltsformen – bedingen die Herausbildung neuer
gen. Vor allem im genossenschaftlichen Wohnungs-         gemeinschaftlicher Wohnungstypologien wie Clus-
bau wird dieses Mittel immer häufiger eingesetzt.        ter- oder Satellitenwohnungen mit nutzungsneutra-
Die Wohnqualität kann durch Mitsprache, individu-        len Räumen. Ein vielfältiger Wohnungsmix, zusätz-
elle Gestaltung und Selbstbestimmung verbessert          lich anmietbare Räume sowie die Durchmischung
werden. Gleichzeitig wird der Gemeinschaftssinn          von Wohnen und Gewerbe sind oft zitierte und um-
gefördert. Während sich in den 1980er-Jahren Par-        gesetzte Massnahmen, um den sich wandelnden
tizipation stark auf Selbstbau, Selbstgestaltung und     Wohnbedürfnissen vor allem in der Stadt besser
die eigene Wohnung bezog, zielt die heutige Parti-       gerecht zu werden.
zipation darüber hinaus. In der ausgewählten Lite-       Die veränderten Bedürfnisse bringen auch Forde-
ratur untersuchte Ansätze begreifen Partizipation        rungen nach altersgerechtem Wohnen, generatio-
als Teil des Planungsprozesses, in dem von den           neller und sozialer Durchmischung und Wohnen für
Bauherrschaften die Bedürfnisse verschiedener            Minderheiten ein und bedingen eine Neuausrichtung
Bevölkerungsgruppen oder interessierter Perso-           im Wohnungsbau. Was Junker/Vaccani bei der Ent-
nen erhoben werden, ohne sich auf eine bestimmte         stehung von Gruppensiedlungen als problematisch
Wohnung zu beziehen. Heute besteht Partizipation         einstuften – namentlich der tendenziell sozial ho-
auf mehreren Ebenen: Sie findet als Teil eines offe-     mogene Charakter solcher Siedlungen –, ist bis heu-
neren Planungsprozesses und in der Betriebs- und         te eine Herausforderung geblieben, gerade wenn es
Nutzungsphase statt.                                     darum gehen soll, in einer Siedlung eine mehrheits-
                                                         fähige soziale Durchmischung zu erzielen.
Selbstverwaltung                                         Mit Begegnungsorten, gemeinschaftlichen Aktivi-
Aus der Partizipation heraus, so die Ergebnisse der      täten und genutzten Räumen wird heute das nach-
Medienanalyse, kann sich auch die Selbstverwaltung       barschaftliche, gemeinschaftliche Leben gefördert.
entwickeln. Während Partizipation heute oft disku-       Der heutige Diskurs thematisiert in diesem Hinblick
tiert wird und inzwischen fast als integraler Bestand-   stark die Funktionen des öffentlichen, halböffentli-
teil neuerer Planungsansätze betrachtet werden           chen und privaten Raums. Neue ökonomische Initi-
kann, wird hingegen Selbstverwaltung nur vereinzelt      ativen wie Tauschbörsen und die gemeinsame Nut-
im gemeinnützigen Wohnungsbau, insbesondere              zung von Ressourcen (Sharing Communities), die
von Genossenschaften oder Stiftungen, umgesetzt.         das Prinzip des Teilens oder der Mehrfachverwen-
Beschrieben wird Selbstverwaltung als Mittel zur         dung verfolgen, unterstützen diese Bemühungen.
Förderung von Gemeinschaft, Selbstverantwortung
und einer kollektiven Identität. Da sie jedoch ein ho-   Dienstleistungsangebot
hes Mass an Organisation und Zeit erfordert, wer-        Mit dem gesellschaftlichen Wandel haben sich auch
den die Grenzen dieser Methode schnell sichtbar.         die Bedürfnisse älterer Menschen geändert – der
Im Gegensatz also zur 1986 durchgeführten Analyse        Wunsch, möglichst lange zu Hause wohnen zu kön-
von Junker/Vaccani, in der Selbstverwaltung nicht        nen, ist stark. Immer später, wenn überhaupt, zieht
problematisiert wurde, stehen heute insbesondere         man ins Alters- oder Pflegeheim. Als beispielhaft
grosse Wohnprojekte in Selbstverwaltung vor neu-         beschrieben werden deshalb neue Ansätze und
en Herausforderungen. Heute viel enger definiert         Dienstleistungsangebote, die das Altwerden in den
als in den 1968er Jahren, bezieht sich das Postulat      eigenen vier Wänden ermöglichen. Die Angebote
eher auf die Nutzung gemeinschaftlicher Innen- und       reichen von Pflege- und Hauswirtschaftsleistungen
Aussenräume als auf die Siedlungs-/Hausverwal-           über Begleitservice bis hin zu digital assistierenden
tung, den Unterhalt und Aussenraumpflege, welche         Technologien.
Fachkenntnisse erfordern. Zudem sind die Mütter/
Hausfrauen nun berufstätig.                              Verdichtung
                                                         Während in den 1980er-Jahren die Vorteile der
Vielfältiges Wohnungsangebot und flexibel nutzba-        Verdichtung hauptsächlich darin erkannt wurden,
re Räume                                                 dass dadurch soziale Dichte, also soziale Nähe, er-
Neue Lebens- und Arbeitsformen bedingen neue             zeugt werden konnte wie auch Wohneigentum für
Wohnformen, dies zeigen die Fachzeitschriften heu-       grössere Bevölkerungskreise ermöglicht wurde,

Impulse zur Innovation im Wohnungsbau                                                                            13
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