Impulse zur Innovation im Wohnungsbau - Research Collection
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ETH Library Impulse zur Innovation im Wohnungsbau Journal Issue Author(s): Glaser, Marie A.; Birrer, Angela Publication date: 2017-03 Permanent link: https://doi.org/10.3929/ethz-b-000229150 Rights / license: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Originally published in: Im Fokus 2017(2) This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection. For more information, please consult the Terms of use.
Angela Birrer, Marie Glaser Impulse zur Innovation im Wohnungsbau Im Fokus Nr. 02 | 2017 ETH Wohnforum ETH CASE ETH Wohnforum – ETH CASE Centre for Research on Architecture, Society & the Built Environment Im Fokus Nr. 02 | 2017 Impulse zur Innovation im Wohnungsbau Angela Birrer, Marie Glaser (PL) Wolfgang-Pauli-Strasse 27 8093 Zürich-Hönggerberg www.wohnforum.arch.ethz.ch Januar 2017
Impressum Im Fokus Nr. 02 / 2017 Herausgeber: ETH Wohnforum – ETH CASE Texte: Angela Birrer, Marie Glaser Zürich, Januar 2017 Forschungsprojekt ETH Wohnforum – ETH CASE Marie Glaser Projektleitung Angela Birrer wissenschaftliche Mitarbeit 2015/2016 Michaela Schmidt wissenschaftliche Mitarbeit 2015 Rebecca Boguska wissenschaftliche Mitarbeit 2015 Lisa Walder Gestaltung Sylvia Müller –Keller, Eliana Perotti Redaktion Susanne Gysi Konzeption Margrit Hugentobler Konzeption Auftraggeberin ProMiet AG Kontakt ETH Wohnforum – ETH CASE Departement Architektur, ETH Zürich Wolfgang-Pauli-Strasse 27, HIT H 13 8093 Zürich-Hönggerberg www.wohnforum.arch.ethz.ch
Inhalt 1. Einleitung ............................................................................................................................................3 1.1 Ausgangslage ..................................................................................................................................... 3 1.2 Hintergrund: die Innovationsträger ................................................................................................... 3 1.3 Vorgehen ............................................................................................................................................. 4 2. Innovative Ansätze im Wohnbereich ................................................................................................. 6 2.1 Ein Blick zurück in die 1980er-Jahre ................................................................................................ 6 2.2 ... und in die 2010er-Jahre ............................................................................................................... 10 2.3 Regionale Unterschiede in der Schweiz .......................................................................................... 14 2.4 Blick nach Deutschland und Österreich .......................................................................................... 15 2.5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ................................................................................. 16 3. Siedlungsporträts ............................................................................................................................ 19 3.1 Auf dem Höli, Scherz ....................................................................................................................... 21 3.2 Im Niederholzboden, Riehen ........................................................................................................... 27 3.3 Esplanade, La Chaux-de-Fonds ...................................................................................................... 33 3.4 Vordere Lorraine, Bern .................................................................................................................... 39 3.5 Giesserei, Winterthur ....................................................................................................................... 45 3.6 Morenal, Monte Carasso ................................................................................................................. 53 3.7 Zusammenfassung .......................................................................................................................... 58 4. Fazit .................................................................................................................................................. 62 Nachwort........................................................................................................................................... 65 Quellenverzeichnis .......................................................................................................................... 69 Artikelverzeichnis Medienanalyse ................................................................................................... 70 Impulse zur Innovation im Wohnungsbau 1
1. Einleitung Der Blick nach vorne: Wie sieht nachhaltiger und Ziel war es herauszufinden, welche inhaltlich re- guter Wohnungsbau in der Zukunft aus? Was levanten und öffentlichkeitswirksamen Optionen braucht es für ein zukunftsweisendes Wohnen? gewählt werden sollen, um spezifische Impulse Der Blick zurück: Welche Neuerungen im Wohn- konkret werden zu lassen, d.h. zu planen und um- bereich prägten die letzten Jahrzehnte? Wie ha- zusetzen. Dazu sollten richtungsweisende Innova- ben sie sich bewährt, und welche davon haben tionen im Wohnungsbau und wie sich diese in der auch über lange Zeit Bestand? Praxis bewährt hatten untersucht werden. Daraus ergibt sich die Frage: Wie entsteht Neues Die vorliegende Studie untersucht in Kapitel 2 mit- und worin gründet es? tels einer vergleichenden Analyse ausgewählte Jahrgänge wohnrelevanter Fachmedien. Im Fokus Innovation wird durch bestimmte Konstellatio- sind Themen und Fragestellungen, die als aktu- nen von AkteurInnen, Situationen und Sachlagen elle Innovationen im Bereich Wohnen und Woh- begünstigt. Der Innovation liegt eine Vision zu- nungsbau gehandelt werden. Diese Untersuchung grunde, die eine Verbesserung oder Veränderung wird auch historisch kontextualisiert, indem sie der bestehenden Situation anstrebt und von ge- mit einer ähnlichen Ermittlung aus dem Jahr 1986 sellschaftlicher, sozialer, ökologischer oder wirt- verglichen wird, wodurch die aktuellen Beobach- schaftlicher Relevanz ist. Ihre Umsetzung in die tungen sinnvoller eingeordnet werden können. Praxis ist ausschlaggebend für die Wahrnehmung Kapitel 3 umfasst den empirischen Teil. Hier ver- in der Öffentlichkeit. tieft die Studie die Betrachtung der Innovationen im Wohnungsbau anhand exemplarisch ausge- Innovative Ansätze und visionäre Pionierprojek- wählter Schweizer Wohnpionierprojekte, die bis te im Bereich Wohnen und Wohnungsbau haben heute erfolgreich bestehen und weitreichende Er- es in dieser Hinsicht besonders schwer, denn im fahrungen und Prozesswissen vermitteln können. gesellschaftlichen Teilbereich Wohnen haben die Die Studie soll als Instrument dienen, um die re- Kräfte der Tradition und Konvention oft einen be- levanten Themen zu benennen, die die Wohnkul- harrlichen Einfluss. tur und den Wohnungsbau in der Schweiz seit den 1980er-Jahren auf theoretisch-visionärer Ebene sowie in der praktischen Ausführung bereichert 1.1 Ausgangslage haben. Die sechs untersuchten Projekte sind Bei- Im Jahr 1985 fanden sich PionierInnen der ge- spiele dafür, wie WohnpionierInnen auf die gesell- meinnützig ausgerichteten Aktiengesellschaft schaftlichen und ökonomischen Verhältnisse ihrer ProMiet AG zusammen. Es ging dabei um die Sied- Zeit innovativ, das heisst neuartig, experimentell lung Schauburg in Hünenberg ZG, einem neuen und zukunftsweisend, reagierten. Kapitel 4 be- Wohnprojekt, das nach konzeptionellen Konsulta- nennt, welche Art von Impulsen in Zukunft gesetzt tionen mit dem Architekten Alexander Henz, Mit- werden können, um einen solchen innovativen begründer des ETH Wohnforums, in Zusammen- Wohnungsbau zu fördern, der den vielfältigen Le- arbeit mit dem Büro Z, einem Spin-off der Metron, bensformen und Bedürfnissen der BewohnerIn- entstanden war. Mit dem Projekt Schauburg sollte nen und Bewohnern gerecht wird. günstiges, kinderfreundliches, ökologisches, vor Kündigung sicheres und selbstverwaltetes Woh- nen ermöglicht werden. Die Wohnungen konnten 1.2 Hintergrund: die Innovationsträger mit Bundeshilfe gemäss dem Wohnbau- und Ei- Gegenwärtig erleben insbesondere die grossen gentumsförderungsgesetz WEG verbilligt werden. Städte und Ballungsräume in der Schweiz einen Bis heute gilt die Schauburg als ein erfolgreiches starken Nachfragezuwachs. Auch Familien und Beispiel für innovatives und nachhaltiges Wohnen Personen in der Nachfamilienphase ziehen in der 1980er-Jahre. die Stadt. Grund dafür sind vielfach die zahlrei- Im Anschluss an den 2013 erfolgten Verkauf der chen kulturellen Angebote und Arbeitsplätze, die Siedlung an die Wogeno Luzern beschlossen die gute Infrastruktur sowie ansprechend ausgebau- einstigen VorläuferInnen der ProMiet AG, mit dem te und gestaltete öffentliche Räume. Städte und Erlös innovative und zukunftsweisende Impulse Gemeinden reagieren zunehmend auf die Vielfalt im Wohnungsbau zu geben und heutige Pionier- der neuen BewohnerInnen und planen und rea- projekte zu unterstützen. Daraus resultierte der lisieren Wohnraum für heterogene Bedürfnisse vorliegende Projektauftrag an das ETH Wohnfo- und Lebensformen. Wichtige Partner hierbei sind rum – ETH CASE. die Wohnbaugenossenschaften und öffentlich– Impulse zur Innovation im Wohnungsbau 3
rechtliche Stiftungen, die nicht renditeorientiert soziale Nachhaltigkeit zu investieren. Und, nach agieren. Indem die Gemeinden gemeinnützigen Peter Schmid, dem Präsident der Zürcher Bauge- Wohnbauträgern Land im Baurecht zur Verfügung nossenschaft „mehr als wohnen“, geniessen sie stellen und Architekturwettbewerbe vorschrei- das „Privileg Fehler machen zu dürfen“.1 ben, entstanden und entstehen vermehrt gute und trotzdem erschwingliche Wohnbauten. In den Bauboom-Jahren der 1960er waren es 1.3 Vorgehen ebenfalls die Genossenschaften, die sich auf Neu- Teilprojekt 1 es im Wohnungsbau einliessen. Hochhäuser und Das Teilprojekt 1 stellt mittels einer vergleichen- modernistische Wohnblocks aus Fertigbetontei- den Analyse von ausgewählten Jahrgängen wohn- len veränderten die Wohnkultur und -landschaft relevanter Fachmedien alle aktuellen Themen und in der Stadt und auf dem Land. Private Investo- Fragestellungen zusammen, die als Innovationen ren orientierten sich am gemeinnützigen Woh- im Wohnen und Wohnungsbau gehandelt werden. nungsbau, wodurch sich die Projekte kaum noch Sie stellt diese in den historischen Kontext einer unterschieden. Allerdings regte sich ab Mitte ähnlichen Studie aus dem Jahr 1986, um die ak- der 1970er-Jahre gesellschaftlicher Widerstand tuellen Beobachtungen sinnvoller zu vergleichen gegen den Massenwohnungsbau und der damit und einzuordnen. verbundenen anonymen, konsumorientierten Le- Grundlage der Anlayse bildet also die 1986 im bensweise in der Kleinfamilie. In neuen Wohn- und Rahmen des Forschungsprojekts „Wohnen 2000“ Lebensmodellen, vorerst von kleinen Subgruppen an der ETH erarbeitete Fachmedienanalyse von und später von etwas breiteren Gesellschaftskrei- Jean-Pierre Junker und Aurelio Vaccani zur Dis- sen, fand diese Kritik Ausdruck. kussion innovativer Modelle im Wohnbereich. Erfasst wurden relevante Beiträge aus den zwei Diese neuen Wohnprojekte blieben jedoch bis in meistgelesenen Schweizer Architekturzeitschrif- die mittleren 1980er-Jahre die Ausnahme. Die ten (Werk, Bauen und Wohnen“ und „Aktuelles meist kleinmassstäblichen Initiativen stammten Bauen“), als auch aus den Publikationsorganen von privaten Bauträgern, darunter die ProMiet des Hauseigentümerverbands HEV („Schweize- AG, oder neu gegründeten Wohnbaugenossen- rische Hauseigentümer“), des schweizerischen schaften. In den 1980er-Jahren führten Haus- Mieterverbandes („Mieterzeitung“), einer Wohn- besetzungen und die Jugendunruhen, ausgelöst zeitschrift („Das Ideale Heim“) und des Schweizer durch die chronische Wohnungsknappheit, zu Fernsehens in der Zeitperiode 1983-1985. Die ver- neuen visionären Initiativen und Bewegungen zeichneten Themen wurden aus unterschiedlichen auf genossenschaftlicher Seite. Solchermassen Perspektiven gewonnen, nämlich aus der Sicht herausgefordert, fand in den grösseren traditio- eines unterschiedlichen Zielpublikums (Architekt- nellen Wohnbaugenossenschaften ein Professi- Innen, HauseigentümerInnen, MieterInnen), das onalisierungsprozess statt, verbunden mit einer das Wohnen sehr unterschiedlich diskutiert. strategischen Neuausrichtung. In Zürich, aber Am Vorgehen von Junker/Vaccani orientiert, kon- auch in anderen Städten der Schweiz sowie im sultierte die aktuell durchgeführte Medienanalyse deutschsprachigen benachbarten Ausland ent- zu Innovationen im Wohnungsbau relevante Archi- standen vereinzelt Initiativen, die neue Ansätze tektur- und Wohnfachzeitschriften sowie Organe im Mietwohnungsbau umzusetzen versuchten. des Hausvereins und der Wohnbaugenossen- Seit Beginn der 1990er-Jahre – und vor allem in schaften in der Schweiz im Zeitraum 2013–2014. den letzten zehn Jahren – wurde eine Grosszahl Für die Deutschschweiz wurden folgende Fachpu- neuer Wohnbauten erstellt. Sie zeichnen sich da- blikationen ausgewählt: „Casa Nostra“, „Hochpar- durch aus, dass sie sich in unterschiedlicher Wei- terre“, „Werk, Bauen + Wohnen“, „Wohnen“ sowie se vermehrt an Zielen der ökologischen, sozialen, „Tec21“. kulturellen und ökonomischen Nachhaltigkeit 1 Zitat in: Einleitung in: M. orientieren. Wohnbaugenossenschaften und an- Für die Romandie wurden die Fachzeitschriften Hugentobler, A. Hofer, P. Simmendinger (Hrsg.), Mehr dere gemeinnützige Wohnbauträger begreifen das „Habitation“ und „Tracés“ ausgewertet. Da eine als Wohnen. Genossen- enorme sozialpolitische Potenzial ihrer Rolle, In- Auswertung des italienischsprachigen Magazins schaftlich planen – ein novationsträger zu sein und Neues zu denken und „Archi“ nur wenige Aussagen zu Innovationen Modellfall aus Zürich, ETH Wohnforum ETH CASE, zu entwickeln. Sie haben keinen Renditedruck und im Wohnungsbau zulässt, wurde ein Fokusgrup- Birkhäuser 2016, S.7 dafür die Möglichkeit langfristig zu planen und in pengespräch mit relevanten AkteurInnen im Tes- 4 Impulse zur Innovation im Wohnungsbau
sin durchgeführt. Für die Literaturrecherche in Erfahrungen und Prozesswissen verfügen. Mittels Deutschland und Österreich wurde anhand aus- Dokumenten- und Datenanalyse, Fokusgruppen- gewählter Medien sowohl der fachliche wie der gesprächen und Ortsbegehungen wurde unter- populäre Diskurs der vergangenen fünf Jahre kur- sucht, wie die für die Projekte formulierten Ziele sorisch berücksichtigt. in den Siedlungen umgesetzt wurden und welche Die Ergebnisse des ersten Teilprojekts wurden Aspekte sich über eine längere Zeitdauer bewährt an einem Workshop mit ExpertInnen aus dem respektive verändert haben. Zusammenfassend Wohnungswesen diskutiert.2 Zentrale aktuelle benennt es schliesslich jene Art von Impulsen, die Innovationsthemen wurden vorgestellt. Aus ei- in Zukunft gesetzt werden können, um einen Woh- ner regionalen Vorauswahl von Wohnprojekten nungsbau zu fördern, der den vielfältigen Lebens- mit Pioniercharakter wurden schliesslich sechs formen und Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Siedlungen für eine vertiefte Untersuchung aus- Bewohnern dient. gewählt. Ausschlaggebend waren der jeweilige Pioniercharakter, zudem sollten die Siedlungen Teilprojekt 3 sich in Bezugsjahr, Region, Gemeindegrösse und Teilprojekt 3 beinhaltet einen Konzeptentwurf für Trägerschaft unterscheiden. die in Folge geplante Öffentlichkeits- und Förder- arbeit. Vorgeschlagen wird, den Transfer von Pro- Teilprojekt 2 zesswissen zwischen bestehenden und frischen Das Teilprojekt 2 vertieft die Betrachtung der Inno- Projekten zu fördern, um so innovativen Projekten vationen im Wohnungsbau anhand exemplarisch ein zunehmend systematisiertes Wissen zur Ver- ausgewählter Schweizer Wohnpionierprojekte, die fügung zu stellen. Der Konzeptentwurf ist nicht bis heute erfolgreich bestehen und weitreichende Bestandteil dieses Berichtes. 2 Am Workshop teilge- nommen haben: Anne Burri (Büro für soziale Arbeit), Beat Bachmann (ProMiet AG), Susanne Gysi (Mitbegründerin ETH Wohnforum – ETH CASE), Andreas Hofer (Archipel Architekten), Andrée Mijnssen (ProMiet AG), Louis Schelbert (Wohnbau- genossenschaften Schweiz), Doris Sfar (Bundesamt für Wohnungswesen) und Axel Simon (Hochparterre). Impulse zur Innovation im Wohnungsbau 5
2. Innovative Ansätze im Wohnbereich 2.1 Ein Blick zurück in die 1980er-Jahre • die Erhaltung der Familie Innovationen entstehen, auch im Wohnen, aus ei- • die Förderung von Kommunikationsbereitschaft nem Bedürfnis nach Verbesserung und Verände- • die Förderung von Geschichts- und (Bau-) rung der vorherrschenden Situation. In der Periode Kulturbewusstsein der 1980er-Jahre fand in der Schweizer Wohnland- schaft ein grosser Umbruch statt. Neue, auf die ver- 3. Ökologisch begründete Postulate. Dazu zählten änderten Bedürfnisse der Menschen abgestimmte • der haushälterische Umgang mit dem Boden Wohnformen wurden gefördert und breit diskutiert. • die Umweltverträglichkeit des Bauens und Woh- Die beiden Architekten Jean-Pierre Junker und Au- nens relio Vaccani bestätigten diese gesellschaftliche • der Landschaftsschutz Forderung nach Verbesserung der Wohnsituation in ihrer für die damalige Diskussion relevanten Studie 4. Volkswirtschaftlich, strukturpolitisch und militä- aus dem Jahr 1986. Es herrschte Krise im Wohnen risch begründete Postulate. Darunter waren und Wohnungsbau: einerseits eine handfeste Ver- • der Schutz vorhandener Bausubstanz sorgungskrise wegen quantitativer und qualitativer • die Rationalisierung und Koordination von Mängel des Wohnungsangebots und andererseits Bodennutzungen das generelle Bedürfnis nach einer verbesserten • der ökonomische Mitteleinsatz Wohn- und Lebenssituation. • die wirtschaftliche, finanzpolitische und be- Zur genaueren Bestimmung der damals drängen- völkerungspolitische Strukturerhaltung und den Defizite diente Junker/Vaccani eine Fachme- Strukturverbesserung dienanalyse, mittels derer sie wohnreformerische Postulate und Massnahmen des zeitgenössischen 5. Ästhetisch begründete Postulate, wie die Pflege Diskurses aus dem Beginn der 1980er-Jahre her- von Orts-, Stadt- und Landschaftsbildern. ausfiltern konnten. Grundsätzlich konstatierten Junker/Vaccani einen Sie unterschieden darin: weitgehenden Konsens über die Forderungen in al- len untersuchten Zeitschriften. Die Unterschiede in 1. Postulate, die auf eine Qualitätsverbesserung den Beiträgen ergaben sich vor allem durch die un- des Wohnens abzielten. Dazu zählten terschiedliche Gewichtung einzelner Aspekte. Diese • die Erschwinglichkeit des Wohnens Einstimmigkeit begründeten sie damit, dass mittler- • die Sicherheit des Wohnens weile alternative Ansätze Einzug in konventionelle • die Bedürfnisgerechtigkeit in Bezug auf phy- Wohnformen gehalten hatten, wenn auch häufig in siologische Bedürfnisse (Grösse, Besonnung, vereinfachter Form. Ausstattung, Erschliessung, Umweltbelas- Grundsätzlich stellten sie fest: Die Wohnbedin- tung, Gliederung, Anpassungsmöglichkeiten, gungen erschienen als entscheidender Faktor der Wohnumfeld, Entwicklungsbedingungen für Lebensqualität. Während die Beiträge im Publi- Kinder) kumsmagazin „Ideales Heim“ das Wohnen als we- • die Bedürfnisgerechtigkeit in Bezug auf psy- sentliche Grundlage der Äusserung der Persönlich- chologische und soziale Bedürfnisse (Indivi- keit begriffen und somit schönes Wohnen mit einem dualität, Selbstgestaltung, Selbstbestimmung, guten Leben gleichstellten, waren die Beiträge in Identifikation, Sesshaftigkeit, emotionaler der vom Schweizerischen Mieterverband herausge- Komfort, Naturnähe, Möglichkeit zu spontanen gebenen „Mieterzeitung“ eher gesellschaftspoliti- Kontakten, gemeinsame Aktivitäten, individu- scher Natur. Zentral waren Themen wie der bessere eller Rückzug) Schutz der Mieter vor Kündigungen und übermäs- sigen Mietpreissteigerungen sowie die Forderung 2. Gesellschaftspolitisch begründete Postulate. nach einem vielfältigeren Wohnungsangebot, um Darunter waren den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu wer- • gute Wohnungen für alle den. Der „Schweizerische Hauseigentümer“ hinge- • die Verhinderung von Bodenspekulation gen feierte im Jahr 1986 das private Wohneigentum • die Förderung von Bürgersinn (im Zusammen- als ideale Voraussetzung für die freie Entfaltung des hang mit Eigentumsförderung) Menschen im Wohnbereich und als Garant gesell- • die Förderung von Selbstverantwortung (im schaftlicher Werte, wie Familie und staatsbürgerli- Zusammenhang mit Selbstverwaltung und che Treue. Partizipation) 6 Impulse zur Innovation im Wohnungsbau
Die Beiträge der untersuchten Architektur-Fach- Als Massnahmen zur Verbesserung der Wohnsitua- zeitschriften „Werk, Bauen und Wohnen“ und „Ak- tion (wobei die Unterscheidung von Mittel und Zweck tuelles Bauen“ teilten Junker/Vaccani grundsätzlich nicht immer klar war) diskutierte man: in zwei Gruppen ein. Die einen schrieben der Archi- • Besserstellung der MieterInnen tektur eine politische und sozialpädagogische Di- • Eigentumsförderung mension zu. In den Beiträgen dieser Gruppe wurden • Nutzermitbestimmung auch vermehrt Wohnideale und wohnreformerische • Selbstverwaltung Postulate beschrieben. Die anderen Beiträge begrif- • Selbsthilfe-Organisation fen Architektur vor allem als künstlerisch-gestalte- • Alternative Haushaltformen und gemein- risches Berufsfeld. schaftsorientiertes Wohnen • Verdichtetes Bauen (insbes. verdichtete Grup- Junker und Vaccani folgerten, dass die frühen pensiedlung) wohnreformerischen Ansätze der 1970er-Jahre, die • Einfaches Bauen grundsätzliche, mitunter provokative Alternativen • Selbstbau und individuelle Wohnungsanpas- zu bestehenden Wohn- und Lebensformen vertra- sung ten, bereits in den 1980er-Jahren „in eine Phase der • Substanzverwertung (Renovation, Umbau und Konsolidierung“ getreten waren. Der subkulturel- Umnutzung) le Rahmen war bereits überwunden. Ursprünglich • Wohnumfeldverbesserungen (Verkehrsberuhi- alternative Ansätze wurden in den 1980er-Jahren gung, Durchmischung, Stadterneuerung) nicht mehr als Gegenentwurf, sondern als Erweite- • Ökologisches Bauen rung der konventionellen Wohnmöglichkeiten inter- pretiert. Beim Thema Gemeinschaft und Individua- Durch das damalige Mietrecht und bei angespannter lität wurde die Schaffung von gemeinschaftlichen Marktlage waren vor allem einkommensschwache Nutzflächen zusätzlich zu den privaten diskutiert. MieterInnen mit der Gefahr von Kündigungen und Eine weitere Akzentverschiebung orteten die Au- Mietpreiserhöhungen konfrontiert. Junker/Vacca- toren in der Wiederentdeckung der (Innen-)Stadt ni beschreiben, wie die Wohnbauförderung alleine als Wohnstandort. Die Forderungen bezogen sich nicht ausreichte, weshalb ein verstärkter Kündi- einerseits auf den Wunsch nach Stadterneuerung gungsschutz und eine wirksamere Mietpreiskont- und Stadtbildreparatur, andererseits auf konkrete rolle gefordert wurden. Grundsätzlich wurde unter Wohnwertverbesserungen wie der Verkehrsberuhi- Besserstellung der MieterInnen eine Annäherung gung von Quartierstrassen. Mit der Hinwendung zur ihrer rechtlichen Situation an die eines Wohnungs- Stadt galt laut den Autoren das aus den 1970er-Jah- eigentümers verstanden. Gefordert wurde nicht nur ren stammende Reformkonzept der „kleinen Netze“ grössere Sicherheit, sondern auch die Übertragung (Hans Rusterholz, metron Architekten), das einen weitergehender Verfügungsrechte. Dazu gehörten Gegenentwurf zum isolierten Leben in der Kleinfa- vermehrte Nutzung der gemeinsamen Teile des milie darstellte, als überwunden. Mietobjekts und Möglichkeiten, die Wohnung besser an individuelle Ansprüche anzupassen. Verschiede- ne Modelle wie verbesserte Mietverträge, Mietei- gentum oder Hausgenossenschaften sollten diese Forderungen umsetzen. Die Eigentumsförderung postulierten hauptsäch- lich konservativ-bürgerliche Kreise, sie war jedoch allgemein akzeptiert. Wohneigentum galt in den 1980er-Jahren als erstrebenswertes Ideal. Dies äusserte sich zum einen darin, dass in den analy- sierten Beiträgen kritisch von der Schweiz als einem „Volk von Mietern“ berichtet wurde, die Nachteile von Wohneigentum wie erschwerte Mobilität und Verschuldung jedoch unerwähnt blieben. Zum an- deren forcierten die diskutierten Massnahmen zur Besserstellung der MieterInnen die Schaffung ei- gentumsähnlicher Rechte. Impulse zur Innovation im Wohnungsbau 7
Die Mitbestimmung im Wohnungsbau zielte haupt- Funktionswandel durchlebt hatte und von „einem sächlich darauf ab, dass die zu erstellenden Woh- Mittel gesellschaftlicher Strukturüberwindung zu nungen mit den Bedürfnissen der Nutzenden über- einem strukturerhaltenden Integrationsinstrument“ einstimmten. Angestrebt wurde die Gruppenbildung geworden war. Gemeinschaftsorientierte Gruppen- von Mitplanern und späteren Nachbarn. Man ging siedlungen erhielten grosse Publizität, auch wegen von der Annahme aus, dass auf diese Weise ein posi- der qualitativen Merkmale, die sich aus verdichteter tiver Einfluss auf das spätere Zusammenleben ent- Bauweise und verdichtetem Wohnen ergaben. Die stünde. Die Partizipation bei Quartiererneuerungen Tendenz von Gruppensiedlungen zur Abkapselung hingegen wurde unter dem Aspekt der demokrati- gegenüber der Aussenwelt wurde dabei problema- schen Meinungsäusserung betrachtet, da hier das tisiert. Die Gefahr der Isolation erwuchs aus zwei Einverständnis der Betroffenen eine zentrale Rolle Faktoren: einerseits bot die Siedlung selbst genug im Entstehungsprozess spielte. Raum für Aktivitäten und zwischenmenschliche Die Selbstverwaltung wurde als Fortsetzung der Kontakte, andererseits aufgrund des subkulturellen Planungsmitbestimmung diskutiert, fand sonst Charakters dieser eher urban orientierten Gemein- jedoch wenig Beachtung als wohnreformerische schaften, die aber oft in ländlichen Gegenden erbaut Massnahme. In ihrer Analyse kamen Junker/Vaccani worden waren. zu dem Schluss, dass Selbstverwaltung problemlos funktioniere, da keine Fachkompetenz erforderlich Junker/Vaccani konnten auch feststellen, dass Er- und nur ein begrenztes Engagement der Betroffe- rungenschaften der neuen gemeinschaftlichen nen nötig sei. Wohnformen, wie beispielsweise gemeinschafts- fördernde Einrichtungen, als vorteilhafte Ergänzung Bezüglich der Organisation zur Selbsthilfe stell- zum Kleinhaushalt in der Agglomeration übernom- ten sie dagegen grundlegende Veränderungen men wurden. fest. Stand in der Nachkriegszeit die quantitati- ve Versorgung mit preisgünstigem Wohnraum im Verdichtung wurde häufig und positiv diskutiert. Vordergrund, so waren es seit den 1970er-Jahren, Unter anderem schrieb der Fachdiskurs der ver- aufgrund der Kritik am Massenwohnungsbau, wie- dichteten Bauweise die Fähigkeit zu, die räumlichen der vermehrt wohnreformerische Bemühungen. Voraussetzungen für neue Lebensformen zu schaf- Die sich nun entwickelnden (genossenschaftlichen) fen, die sich zwar am Gemeinschaftsideal der 68er Wohnexperimente richteten sich an kleinen Interes- Generation orientierten, gleichzeitig mit den bürger- sen- und Wertegruppen und zielten auf die Qualität lich-traditionellen Werten der Häuslichkeit, der Fa- des Wohnens. milie und des Eigentums verbunden wurden. Diese Entwicklung äusserte sich in den Fachzeitschriften Eine weitere Massnahme zur Verbesserung der in Form von Analogien in Wort und Bild zu „dörf- Wohnsituation, die in den Fachzeitschriften der lich-einträchtiger Nachbarschaft“. Gemäss dem 1980er-Jahre diskutiert wurde, war die Gründung „Schweizerischen Hauseigentümer“ bestand der von alternativen Haushaltformen. Der Fokus lag auf Vorteil von verdichtetem Siedlungsbau darin, dass gemeinschaftsorientiertem Wohnen. Die Wohnge- dank des geringeren Baulandbedarfs für weitere meinschaft als eine dieser neuen Haushaltformen, Bevölkerungskreise der Erwerb eines Eigenheims hatte Ende der 1960er-Jahre an Aktualität gewon- möglich und dennoch herkömmliche Einfamilien- nen und stellte zu dieser Zeit eine reale Alternative häuser vermieden werden konnten. Individuelle Ge- zur konventionellen Kleinfamilie dar. Schon in den staltungsmöglichkeiten fanden in der verdichteten 1980er-Jahren jedoch hatte sie, gemäss Junker/ Gruppensiedlung ebenfalls Platz. Ein weiteres Ar- Vaccani, unter diesem Gesichtspunkt kaum mehr gument für die Verdichtung war die Einsparung von Bedeutung. Grössere Medienattraktivität genossen Kulturland zur Gewährleistung der Selbstversor- die Wohngemeinschaften für spezifische soziale gung im Krisenfall. Im städtischen Kontext diskutier- Gruppen: die Alterswohngemeinschaft, die Behin- te die Fachpresse das Nachverdichten beispielswei- dertenwohngemeinschaft sowie die Wohngemein- se als Ausfüllen von Baulücken oder als qualitative schaft für Waisen, schwererziehbare Jugendliche, Massnahme zur Quartiererneuerung, auch um den psychisch Kranke und Drogengefährdete. Diese Wegzug von EinwohnerInnen einzudämmen. Haushaltsformen wurden als familiäre Alternative zum Heim von der Sozialhilfe initiiert. Junker/Vac- Unter dem Begriff Einfaches Bauen wurden zwei cani folgerten, dass die Wohngemeinschaft einen unterschiedliche Tendenzen verstanden. Auf der ei- 8 Impulse zur Innovation im Wohnungsbau
nen Seite stand der Billigbau, bei dem Baumaterial, Die soziale wie funktionale Durchmischung schätz- Fertigungstechnik und Bauorganisation möglichst ten die Fachmedien als Gegenmassnahme gegen geringe Baukosten verursachen sollten. Diese Vor- die Segregation von Altersgruppen, Nationalitäten gehensweise widersprach jedoch dem herrschen- und Einkommensgruppen sowie einer zunehmen- den schweizerischen Bauverständnis von Solidität, den räumlichen Verdrängung des Wohnens aus handwerklicher Perfektion und Wertbeständigkeit den innerstädtischen Quartieren, das mit betrieb- und war deshalb relativ wenig verbreitet. Auf der lichen Nutzungen ersetzt wird. Dies geschah vor anderen Seite bezeichnete das einfache Bauen eine dem Hintergrund, dass viele Familien aus dem sich auf lokale, vorindustrielle Bautraditionen ab- Mittelstand aus den Städten wegzogen waren. Die stützende Bauweise. soziale Durchmischung sollte die Integration sozial Schwächerer und eine gleichmässige Auslastung Der Selbstbau fand in der Schweiz der 1980er-Jah- von alterspezifischen Einrichtungen fördern. Jun- ren wenig Anklang. Der Selbstausbau hingegen ker/Vaccani hielten fest, dass die analysierten Fach- schon, der vor allem die individuelle Wohnungsan- beiträge eine gelungene soziale Durchmischung für passung zum Ziel hatte. Bei Neubauprojekten wur- das gesellschaftliche Zusammenleben als förderlich den Rohbau und Ausbau entweder getrennt vorge- einstuften. Funktionale Durchmischung sollte Le- nommen oder der bewohnbare Rohbau wurde mit bendigkeit und Erlebnisreichtum schaffen. Möglichkeiten zum individuellen Ausbau bereitge- stellt. Unter ökologischem Bauen fassten Junker/Vaccani alle Anstrengungen zusammen, welche die Um- Im Zusammenhang mit dem Thema Substanzver- weltverträglichkeit des Bauens und Wohnens ver- wertung notierten Junker/Vaccani zwei Strategien. bessern sollten. Dazu gehörte die Verwendung von Die sanfte Renovation sah die Sanierung eines Ge- umweltschonenden Baumaterialien, Massnahmen bäudes mit minimalen Veränderungen vor, um einen zur Energieeinsparung, Einrichtungen zur alterna- Mieterwechsel und eine übermässige Erhöhung der tiver Energieerzeugung und die sparsame Verwen- Mietpreise zu vermeiden. Der Umbau und die Re- dung knapper Ressourcen. Ebenso konnte die Er- novation von Wohngebäuden beschränkten sich vor schliessung einer Wohnanlage unter ökologischen allem auf den Anbau von Balkonen und Wintergärten Gesichtspunkten betrachtet werden. Modelle, die und dienten vorwiegend der Wertsteigerung. Häufi- weitgehend und konsequent mehrere dieser Forde- ger jedoch erfolgten Umbauten in Kombination mit rungen erfüllten, waren bislang nur in Ansätzen ver- Umnutzungen. Die Umnutzung von landwirtschaft- wirklicht worden und erlangten zur damaligen Zeit lichen und gewerblichen Bauten zu Wohnzwecken nur wenig Publizität. diente dabei weniger der Beschaffung von Wohn- Des Weiteren konstatierten die Autoren eine Um- raum denn als Experimentierfeld für neue Wohnfor- interpretation ursprünglich ökologisch motivierter men. Massnahmen als Mitteln der Wohnwertsteigerung, wie es unter anderem mit dem Wintergarten ge- Den festgestellten höheren Stellenwert des Woh- schehen war. numfelds führten Junker /Vaccani auf die tenden- zielle Öffnung der privaten Lebenswelt gegenüber → Zusammengefasst wurden grundsätzlich Lebens- der Aussenwelt zurück. Dies zeigte sich im ge- qualität und Wohnqualität in engem Zusammenhang meinschaftsorientierten Siedlungsbau wie auch betrachtet. Wohneigentum galt in breiten Kreisen bei der Wiederentdeckung des Stadtquartiers. Im als Wohnideal. Dementsprechend behandelte die innerstädtischen Bereich waren es vor allem auch Fachwelt jene Ansätze als innovativ, die eine Annä- Umweltdefizite im Wohnumfeld, die mehr Auf- herung der Rechte eines Mieters an diejenigen ei- merksamkeit erlangten. Die Verkehrsberuhigung nes Wohneigentümers vorsahen. In diesem Zusam- durch die Realisierung von Wohnstrassen war eine menhang wurden unter anderem Massnahmen wie vielbeachtete Massnahme, um die Umgebung kin- Mieteigentum, Selbstverwaltung oder Nutzermit- derfreundlich zu gestalten und nachbarschaftliche bestimmung diskutiert. Vor dem Hintergrund einer Kommunikation zu fördern - Qualitäten, die damals wachsenden Kritik am anonymen Wohnen in der ursprünglich ausserstädtischen Wohnorten zuge- Kleinfamilie im Wohnblock galten ausserdem ge- schrieben wurden. Mit der Verbesserung des Woh- meinschaftsorientierte Wohnmodelle als beispiel- numfelds in der Stadt stieg grundsätzlich das Inter- haft, die das Wohnumfeld miteinbezogen, der Um- esse an Massnahmen zur Stadterneuerung. welt Sorge trugen und die Nachbarschaft förderten. Impulse zur Innovation im Wohnungsbau 9
2.2 ... und in die 2010er-Jahre Aktuelle Forderungen: Bezog sich der Diskurs der 1980er-Jahre vorwie- gend auf den suburbanen Raum, stehen aktuell die • Bezahlbarer Wohnraum für alle Stadt sowie die Agglomeration im Fokus. Wohn- • Verhinderung von Spekulation mit Boden und baugenossenschaften haben sich in der Mehrheit Wohnraum zu institutionalisierten und professionalisierten • Bedürfnisgerechtigkeit hinsichtlich Angebot, Er- Organisationen entwickelt, die auf qualitativer Ebe- schliessung, Anpassungsmöglichkeiten, Woh- ne einen wichtigen Beitrag zur schweizerischen numfeld, Grösse respektive Fläche, Individua- Wohnraumversorgung leisten und oft Träger von In- lität, Identifikation, Möglichkeit zu spontanen novationen sind. Im Jahr 2001 stellte der Bund die Kontakten, gemeinsame Aktivitäten, individu- Wohnbauförderung nach Wohnbau- und Eigentums- eller Rückzug förderungsgesetz (WEG) ein, jedoch ohne Einfluss • Durchmischung (soziale, altersmässige, funkti- auf die finanziellen Hilfen, die vorher zugesichert onale) wurden. Seit 2003 werden Bundeshilfen nach dem • Förderung von Selbstverantwortung, Kommu- Wohnraumförderungsgesetz (WFG) gewährt, wobei nikationsbereitschaft, Gemeinschaft, Nachbar- die direkten Darlehen sistiert wurden. Indirekte Hil- schaft fen für gemeinnützige Wohnbauträger werden wei- • Städtebauliche Qualität und Urbanität terhin gewährleistet. • Haushälterischer Umgang mit dem Boden Die demografische Zusammensetzung der Schwei- • Umweltverträglichkeit des Bauens, Sanierens zer Wohnbevölkerung sowie die Haushaltformen ha- und Wohnens ben sich seit den 1980er-Jahren stark verändert. So • Schutz vorhandener Bausubstanz nimmt die Kleinfamilie einen wesentlich geringeren • Pflege von Orts-, Stadt- und Landschaftsbildern Anteil im Gesamten an, während Einpersonenhaus- • Interdisziplinarität der Planungspraxis halte inzwischen einen bedeutenden Bestandteil der • Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verant- Wohnbevölkerung ausmachen. Seit den 1990er-Jah- wortung ren ist das Konzept der nachhaltigen Entwicklung aufbauend auf den drei Pfeilern Gesellschaft, Öko- Bezahlbarer Wohnraum für alle logie und Wirtschaft in zunehmendem Masse zur Wie in den 1980er-Jahren wird auch heute wieder die Grundlage im Planen und Bauen geworden. Den Schaffung von günstigen (Familien-)Wohnungen ge- Wohnbedürfnissen künftiger NutzerInnen wird, ge- fordert, insbesondere im urbanen Raum, in dem oft rade von gemeinnützigen oder langfristig denken- grosse Wohnungsknappheit herrscht. Die Diskussi- den Bauträgern, vermehrt Beachtung geschenkt. on über die steigenden Boden- und Angebotspreise sowie die immer höheren Wohnkosten wird heute Die Analyse der zeitgenössischen Fachmedien zeigt jedoch grundsätzlicher und gesellschaftspolitisch die Diskussion dieser Entwicklung auf und weist auf geführt. Zugang zu adäquatem bezahlbarem Wohn- Veränderungen seit dem Jahr 1986 hin. Die Studie raum für alle Haushaltformen und soziale Gruppen, leistet keine vollumfängliche Nachzeichnung der lautet die Forderung, nicht nur für Familien. Die beschriebenen Entwicklungen. Der Vergleich der Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung beiden Medienanalysen zeigt aber auf, dass die Dis- wird stärker auch von privaten und institutionellen kussion um Innovationen im Wohnbereich heute vor Bauträgern gefordert, deren Projekte insbesondere einem veränderten institutionellen, gesellschaftli- im städtischen Hochpreissegment unter Kritik gera- chen, technologischen, ökologischen und raumtypo- ten. logischen Hintergrund stattfindet. Im Zusammenhang damit steht die überwiegend von Genossenschaftsseite geäusserte Kritik an der Spe- Im Folgenden sind die Resultate der Medienanaly- kulation mit Boden und Wohnraum. se der ausgewählten Fachzeitschriften der Jahre 2013/2014 dargestellt. Sie zeigen heutige Forde- Bedürfnisgerechtigkeit rungen im Wohnbereich und die gegenwärtig als Die Forderung nach bedürfnisgerechtem Wohn- Innovationen in der Diskussion stehenden Massnah- raum behandelt heute teils andere Aspekte als in men und Modelle. Auf die Einteilung der Postulate den 1980er-Jahren. Themen wie Lärm, Luftqualität in Gruppen, wie Junker/Vaccani dies 1986 gemacht und Besonnung behalten Wichtigkeit, sind aber über haben, wird in der Darstellung verzichtet. vorgegebene Standards im Bauen schon möglichst optimal geregelt. 10 Impulse zur Innovation im Wohnungsbau
Die Anforderungen an den Wohnraum erscheinen le in der Diskussion um beispielhaftes Wohnen ein. ausdifferenzierter als in den 1980er-Jahren. Wohn- Das gute nachbarschaftliche Verhältnis bezeichnet raum ist dann bedürfnisgerecht, wenn er sich an in- heute in vielen Siedlungen eine grundlegende Qua- dividuelle und wechselnde Bedürfnisse im Wohnen lität von guten Wohnsituationen. Dies wird verdeut- anpassen kann. Die zunehmende Ausdifferenzie- licht durch das häufig postulierte Konzept „Wohnen rung der Lebensstile und Haushaltsformen und ihre in der Stadt wie im Dorf“. Es zielt darauf hin, dass Dynamik verlangen nach vielfältigen Wohnräumen. auch in Stadtquartieren enge nachbarschaftliche Die Familienwohnung mit vordefinierten Kinder- Beziehungen möglich sind, dass man sich kennt und und Elternzimmern ist immer weniger gefragt. Um Räume gemeinsam gestaltet und nutzt. diesen Entwicklungen gerecht zu werden, bedarf es einer Vielfalt an Wohnungsgrössen und neu- Städtebauliche Qualität und Urbanität en Typologien. Die Wohnung dient für die einen als Im Hinblick auf die Qualität des Wohnumfelds hat Rückzugsort, als Durchgangsort, als Arbeitsplatz in sich der Fokus der Betrachtung erweitert. Die Wech- einem beschleunigten, globalisierten Lebens- und selwirkung von Umgebung und Quartier, Natur und Arbeitsalltag an multiplen Orten, für andere ist sie Stadt wird heute intensiv diskutiert. Nebst der Um- erweiterter Ausdruck der persönlichen Lebensein- gebung selbst erfährt gegenwärtig die Einbettung stellung. Individualität bezieht sich auf den Wunsch einer Siedlung in den räumlichen Kontext und die nach einem möglichst aussergewöhnlich gebauten damit verbundene Ausstrahlung auf das Wohnen und gestalteten Wohnraum, der nicht der Norm ent- selbst sowie auf das Quartier Wichtigkeit. Daraus spricht und sich vom Durchschnitt abhebt. ergibt sich ein neuer Qualitätsaspekt, der vor allem Eine bedürfnisgerechte Erschliessung bezeichnet in Beschrieben von Neubauprojekten genannt wird. heute einen möglichst hindernisfreien Wohnraum Formulierungen wie z.B. „Wohnen in der Agglome- sowie ein adäquates Wohnumfeld. Diese Forderung ration wie in der Stadt“ oder „Quartier statt Sied- geht einher mit dem Wunsch vieler Menschen, in lung“, „urbane Qualität“ oder „urbane Dichte“ zeu- den eigenen vier Wänden selbstständig zu wohnen gen vom Wunsch nach Zentrumsqualitäten. Dazu und alt zu werden. Das Wohnumfeld soll qualitativ gehören eine gute Erschliessung, ein nachhaltiges gut gestaltete Frei- und Aussenräume aufweisen Mobilitätskonzept, eine ausreichende Nahversor- und über optimale Velo- und Fussgängerzonen so- gung sowie eine Nutzungsdurchmischung auch in wie eine gute ÖV-Anbindung verfügen. Der Wunsch den Agglomerationsgebieten. Die Anbindung an den nach spontanen Kontaktmöglichkeiten und privaten öffentlichen Verkehr und die Nahversorgung stellen Rückzugsmöglichkeiten innerhalb der Siedlung for- dabei genauso ökologische sowie gesellschaftspo- dert die Planung und Gestaltung von gut differen- litische Forderungen dar, um den motorisierten In- zierten Räumen für die private, halb-öffentliche und dividualverkehr zu reduzieren und die Vereinbarkeit öffentliche Nutzung. von Familie und Beruf zu gewährleisten. Soziale, altersmässige, funktionale Durch- Haushälterischer Umgang mit dem Boden mischung Hoher Wohnflächenverbrauch wird im Fachdiskurs Soziale Durchmischung gilt heute als Patentrezept häufig problematisiert und eine Verringerung der für eine nachhaltige Stadtentwicklung und leben- Wohnfläche pro Kopf gefordert. Der haushälterische dige Quartiere. Gleichwohl steht die Art und Wei- Umgang mit dem Boden ist weiterhin von grosser se, wie sie erfolgreich erreicht werden kann, in der Wichtigkeit und mit der Revision des Raumpla- Diskussion. Denn auch die neueren, als beispielhaft nungsgesetzes im Jahr 2014 zu einem politisch wie beschriebenen Wohnprojekte weisen oft eine eher ökologisch rege diskutierten Thema geworden. homogene Bewohnerschaft bezüglich Herkunft, Bil- dungsstand und Einkommen auf. Durchmischung Umweltverträglichkeit des Bauens, Sanierens und bedeutet auch die Integration von Personen mit spe- Wohnens ziellen Bedürfnissen in den Wohnalltag. Im Sinne der drei Pfeiler einer nachhaltigen Ent- wicklung gilt Umweltverträglichkeit von Projekten Förderung von Selbstverantwortung, Kommunika- nicht nur im Bauen, sondern auch im Sanieren, Be- tionsbereitschaft, Gemeinschaft, Nachbarschaft wirtschaften und Wohnen als selbstverständliche Spontane Kontakte und gemeinschaftliche Aktivitä- Prämisse. ten, die mit der Entwicklung von Nachbarschaften gefördert werden, nehmen heute eine wichtige Rol- Impulse zur Innovation im Wohnungsbau 11
Schutz vorhandener Bausubstanz Folgende Massnahmen lassen sich mittels der Me- Der Schutz vorhandener Bausubstanz, insbeson- dienanalyse aus dem Fachdiskurs herausfiltern und dere im Zusammenhang mit Sanierungen und Er- als gute Praxis bestätigen: satzneubauten, ist heute weiterhin relevant. Gegen- wärtig werden raumplanerische Instrumente wie • Preisgünstiges Bauen die Bau- und Zonenordnung, regionale Richtpläne • Individueller Innenausbau und die Einteilung gewisser Gebiete in die Quartie- • Partizipation in Planung und Betrieb rerhaltungszone angewendet, um dieser Forderung • Selbstverwaltung Rechnung zu tragen. Ebenfalls ist die städtebauliche • Vielfältiges Wohnungsangebot Dimension in der aktuellen Analyse erkennbar: der • Dienstleistungsangebot identitätsstiftende Charakter von Häusern und Ge- • Verdichtung bäuden im Bestand wird diskutiert, die Einbettung • Ökologisches Bauen, Sanieren, Wohnen und Le- in die Umgebung analysiert und eine gesamthafte ben Betrachtungsweise angestrebt. Denkmalschütze- • Einsatz und Weiterentwicklung raumplaneri- rische Anliegen werden in diesem Rahmen eben- scher Instrumente falls vermehrt diskutiert. Kritisch wird in einzelnen Fällen die Verhältnismässigkeit von Denkmalschut- Preisgünstig bauen zanliegen gegenüber neuen Wohnbauprojekten Die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum betrachtet. Dieselbe Argumentation bildet auch die ist heute ein wichtiger Bestandteil innovativer An- Grundlage für die Pflege von Orts-, Stadt- und Land- sätze. Dementsprechend gilt es, preisgünstigen schaftsbildern. und gleichzeitig guten Wohnungsbau zu betreiben. Eines der Mittel dazu ist die Landabgabe im Bau- Interdisziplinarität recht durch die Gemeinde an einen gemeinnützigen Im Fachdiskurs findet die Forderung nach einer in- Wohnbauträger verbunden mit der Pflicht, einen terdisziplinären Planungspraxis vermehrt Eingang, Architektur-Wettbewerb auszuschreiben. Das Mo- da die vielseitigen Anforderungen an Wohn- und dell der Kostenmiete wird in den Fachzeitschriften Lebensraum die Komplexität der Aufgaben erhöht als weiteres Mittel zur Schaffung von bezahlbarem haben. Ziel ist die ganzheitliche Betrachtung aller Wohnraum beschrieben. Meist von Genossenschaf- Aspekte eines Vorhabens, als gleichgewichtetes ten, Stiftungen und anderen gemeinnützigen Wohn- Zusammenspiel von gesellschaftlichen, wirtschaft- bauträgern praktiziert, bedeutet die Kostenmiete lichen und ökologischen Faktoren. einen gerechten Mietzins, der indes hoch genug ist, um die Aufwendungen des Bauträgers zu decken. Die Forderungen im Wohnbereich haben sich seit Ebenfalls innovativ sind Projekte, die durch Koope- den 1980er-Jahren stark ausdifferenziert. Dement- rationen verschiedener Trägerschaften wie Priva- sprechend besitzen Massnahmen und Wohnmodelle tanleger, Pensionskassen, Genossenschaften und Vorbildpotenzial, die auf die vielfältigen Anforderun- Gemeinden entstanden sind. Erwähnenswert ist gen und Bedürfnisse des Wohnens intelligent und in diesem Zusammenhang auch die Bildung eines nachhaltig einzugehen wissen. Netzwerks von Genossenschaften und Gemeinden zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Weitere Punkte zur Schaffung von erschwinglichen Wohnungen sind die Reduktion von Wohnfläche und von Ausbaustandard, die Verwendung günstiger Baumaterialien, Serienproduktion und Elementbau- weise. Individueller Innenausbau ist ebenfalls ein pra- xisorientiertes Konzept für günstigen Wohnraum. Indem neu erstellte Wohnhäuser im Rohbau belas- sen werden und die zukünftigen BesitzerInnen den Innenausbau unter fachlich enger Begleitung selber übernehmen, besteht die Option, individuell gestal- teten Wohnraum für unterschiedliche Budgets zu schaffen. 12 Impulse zur Innovation im Wohnungsbau
Partizipation in Planung und Betrieb te sehr deutlich auf. Der soziale Wandel – Individu- Häufig beschrieben wird in den ausgewählten Fach- alisierung, Vermischung von Wohnen und Arbeiten, zeitschriften das Instrument der Partizipation, im multilokales Wohnen oder Pluralisierung von Haus- Planungsprozess wie auch nach Bezug der Wohnun- haltsformen – bedingen die Herausbildung neuer gen. Vor allem im genossenschaftlichen Wohnungs- gemeinschaftlicher Wohnungstypologien wie Clus- bau wird dieses Mittel immer häufiger eingesetzt. ter- oder Satellitenwohnungen mit nutzungsneutra- Die Wohnqualität kann durch Mitsprache, individu- len Räumen. Ein vielfältiger Wohnungsmix, zusätz- elle Gestaltung und Selbstbestimmung verbessert lich anmietbare Räume sowie die Durchmischung werden. Gleichzeitig wird der Gemeinschaftssinn von Wohnen und Gewerbe sind oft zitierte und um- gefördert. Während sich in den 1980er-Jahren Par- gesetzte Massnahmen, um den sich wandelnden tizipation stark auf Selbstbau, Selbstgestaltung und Wohnbedürfnissen vor allem in der Stadt besser die eigene Wohnung bezog, zielt die heutige Parti- gerecht zu werden. zipation darüber hinaus. In der ausgewählten Lite- Die veränderten Bedürfnisse bringen auch Forde- ratur untersuchte Ansätze begreifen Partizipation rungen nach altersgerechtem Wohnen, generatio- als Teil des Planungsprozesses, in dem von den neller und sozialer Durchmischung und Wohnen für Bauherrschaften die Bedürfnisse verschiedener Minderheiten ein und bedingen eine Neuausrichtung Bevölkerungsgruppen oder interessierter Perso- im Wohnungsbau. Was Junker/Vaccani bei der Ent- nen erhoben werden, ohne sich auf eine bestimmte stehung von Gruppensiedlungen als problematisch Wohnung zu beziehen. Heute besteht Partizipation einstuften – namentlich der tendenziell sozial ho- auf mehreren Ebenen: Sie findet als Teil eines offe- mogene Charakter solcher Siedlungen –, ist bis heu- neren Planungsprozesses und in der Betriebs- und te eine Herausforderung geblieben, gerade wenn es Nutzungsphase statt. darum gehen soll, in einer Siedlung eine mehrheits- fähige soziale Durchmischung zu erzielen. Selbstverwaltung Mit Begegnungsorten, gemeinschaftlichen Aktivi- Aus der Partizipation heraus, so die Ergebnisse der täten und genutzten Räumen wird heute das nach- Medienanalyse, kann sich auch die Selbstverwaltung barschaftliche, gemeinschaftliche Leben gefördert. entwickeln. Während Partizipation heute oft disku- Der heutige Diskurs thematisiert in diesem Hinblick tiert wird und inzwischen fast als integraler Bestand- stark die Funktionen des öffentlichen, halböffentli- teil neuerer Planungsansätze betrachtet werden chen und privaten Raums. Neue ökonomische Initi- kann, wird hingegen Selbstverwaltung nur vereinzelt ativen wie Tauschbörsen und die gemeinsame Nut- im gemeinnützigen Wohnungsbau, insbesondere zung von Ressourcen (Sharing Communities), die von Genossenschaften oder Stiftungen, umgesetzt. das Prinzip des Teilens oder der Mehrfachverwen- Beschrieben wird Selbstverwaltung als Mittel zur dung verfolgen, unterstützen diese Bemühungen. Förderung von Gemeinschaft, Selbstverantwortung und einer kollektiven Identität. Da sie jedoch ein ho- Dienstleistungsangebot hes Mass an Organisation und Zeit erfordert, wer- Mit dem gesellschaftlichen Wandel haben sich auch den die Grenzen dieser Methode schnell sichtbar. die Bedürfnisse älterer Menschen geändert – der Im Gegensatz also zur 1986 durchgeführten Analyse Wunsch, möglichst lange zu Hause wohnen zu kön- von Junker/Vaccani, in der Selbstverwaltung nicht nen, ist stark. Immer später, wenn überhaupt, zieht problematisiert wurde, stehen heute insbesondere man ins Alters- oder Pflegeheim. Als beispielhaft grosse Wohnprojekte in Selbstverwaltung vor neu- beschrieben werden deshalb neue Ansätze und en Herausforderungen. Heute viel enger definiert Dienstleistungsangebote, die das Altwerden in den als in den 1968er Jahren, bezieht sich das Postulat eigenen vier Wänden ermöglichen. Die Angebote eher auf die Nutzung gemeinschaftlicher Innen- und reichen von Pflege- und Hauswirtschaftsleistungen Aussenräume als auf die Siedlungs-/Hausverwal- über Begleitservice bis hin zu digital assistierenden tung, den Unterhalt und Aussenraumpflege, welche Technologien. Fachkenntnisse erfordern. Zudem sind die Mütter/ Hausfrauen nun berufstätig. Verdichtung Während in den 1980er-Jahren die Vorteile der Vielfältiges Wohnungsangebot und flexibel nutzba- Verdichtung hauptsächlich darin erkannt wurden, re Räume dass dadurch soziale Dichte, also soziale Nähe, er- Neue Lebens- und Arbeitsformen bedingen neue zeugt werden konnte wie auch Wohneigentum für Wohnformen, dies zeigen die Fachzeitschriften heu- grössere Bevölkerungskreise ermöglicht wurde, Impulse zur Innovation im Wohnungsbau 13
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