Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt - MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN - SCHWERPUNKT - VDI
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MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN INFORMATIONEN AUS WIRTSCHAFT | WISSENSCHAFT | GESELLSCHAFT 31. JAHRGANG | 1/2022 SCHWERPUNKT Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt forum der technisch-wissenschaftlichen Vereine und Verbände Sachsen-Anhalts
EDITORIAL Liebe Leserinnen, Liebe Leser, bei der Erforschung, Entwicklung und Der Supraleiter: Ein MRT funktioniert nur im Zustand Herstellung innovativer medizintechni- der Supraleitung. Einige der dazu nutzbaren Sub- scher Produkte ist Sachsen-Anhalt vorn stanzen sind zwar hervorragende Supraleiter, aber dabei. Dank der Expertise der hiesigen keineswegs ein schöner Wickeldraht. Sie ähneln eher © regiocom Universitäten, Hochschulen und zahlrei- einer Schokoladenstange mit hohem Kakaogehalt, chen exzellenten Forschungseinrichtun- oder gar dem Belag eines Streuselkuchens. Es ist eine gen sowie der rd. 120 kleinen, mittleren hohe Maschinenbau- und Handwerkskunst, daraus Klemens Gutmann und größeren Unternehmen entsteht einen Magneten zu wickeln. hier modernste Medizintechnik der Bild- Die Bildverarbeitung: Die beeindruckenden 3D-Bil- gebung, der Health-IT sowie der Autonomie im Alter der mancher Tomographen bestehen o aus Hunder- für die Bereiche Prävention, Diagnostik, Therapie und ten hochauflösender Einzelbilder. Und dieses 3D-Bild Service. Und gerade bei den bildgebenden Verfahren gibt es dann nicht nur einmal, sondern z. B. 30-mal und der dazugehörigen Technik passiert aktuell Be- pro Sekunde. So kommt Bewegung in die Tomogra- merkenswertes – insbesondere in der Magdeburger phie. Das führt aber die bestehende Rechentechnik Region. an ihre Grenze und zu »reizvollen fachlichen Heraus- Die modernen »Durchleuchtungsgeräte« vereinigen forderungen« für jeden interessierten Informatiker. in sich Spitzenanforderungen – und Spitzentechnolo- gien – aus einer ganzen Reihe von Disziplinen. Immer Die hier erforderliche Fähigkeit zum Hochleistungs- wieder geht es hier an die Grenzen des Machbaren. Vor wettknobeln verschiedener Disziplinen passt offen- noch kaum 30 Jahren war grade mal das CERN in Genf sichtlich ganz gut zum Magdeburger Wissenschasmix. und ein paar wenige Kollegen in der Lage, ein einsames, Es ist vermutlich kein Zufall, dass sich verschiedene hochenergetisches Photon zu erkennen und auszumes- Akteure in diesem doch sehr speziellen Segment der sen. Heute gibt es radiologische Geräte, die tun das Medizintechnik hier niedergelassen haben und erste ganz selbstverständlich, und zwar serienmäßig und Ausgründungen und Start-ups am Markt angekommen bei Bedarf rund um die Uhr. Physiker, Mediziner und sind. Die merken allerdings auch eines: Medizintech- Ingenieure haben innerhalb vermutlich etwa zweier nik muss nicht nur entwickelt und pilotiert, sie muss Jahrzehnte Teamarbeit aus der aufwendigen und o auch zugelassen werden. Und Letzteres erfordert von einmaligen Großversuchstechnik eine vergleichsweise den neuen Unternehmen noch einmal viel Zeit und die unspektakuläre Serientechnik entwickelt. entsprechende Finanzierung – und beides ist dort chro- Die Magnetresonanztomographie (MRT) liefert be- nisch knapp. eindruckende Beispiele vom Zusammenspiel der Spit- Ungeachtet dessen sind die Ergebnisse beeindru- zenleistungen mehrerer Disziplinen: ckend. Wir haben Ihnen hier ermutigende Beispiele Die Kühlung: Da werden Hunderte Liter flüssigen beschrieben. Ich hoffe, Sie haben Freude, das zu lesen. Heliums über Jahre hinweg verlässlich auf 4 °Kelvin, also 4 Grad oberhalb des absoluten Nullpunkts, ge- kühlt. Ihr Das Vakuum: Die ganze Konstruktion liegt in einem ringförmigen Vakuumbehälter, der pro Volumenein- heit nur ein 10-milliardstel der normalen Lukon- zentration haben darf. Das ist näher am Weltraum Klemens Gutmann (10-16 bis 10-18) als an der normalen Raumlu (als 1 Vorsitzender VDI-Landesverband Sachsen-Anhalt festgelegt). Verwaltungsratsvorsitzender regiocom SE MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022 3
INHALT Inhalt SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik VDI-Magdeburger Bezirksverein aus Sachsen-Anhalt 36 Fördernde Unternehmen und Institutionen 5 Bildgebende Verfahren in der Medizin 38 Neujahrsgrüße 2022 6 Versuch einer Übersicht 39 Kreuz und quer durch Sachsen-Anhalt auf Achse 8 Vielfalt der Forschungsziele 40 Ordentliche Mitgliederversammlung 2021 10 Wo und wer sind die Akteure in Sachsen-Anhalt? 43 Ausschreibung VDI-Förderpreis 2022 Forschungscampus STIMULATE | LIN | OVGU | RayDiax | MiniMRT | 44 VDI-Magdeburger BV | Vorstandsmitglieder und weitere Funktionsträger | InLine-Med GmbH | Neoscan Solutions GmbH Arbeitskreise (AK) | Bezirksgruppen (BG) 17 Weitere Anwendungsgebiete 46 Von hölzernen Beinen und goldenen Zähnen 18 Projizierte VR für das Training von minimalinvasiven Operationen 47 Kolloquien zu Fragen der Automation 20 Schrittgeschwindigkeit voraus: Medizinische Ultraschallphantome 48 NEWS Fördernde Unternehmen || Neue Funkmesstechnik am ifak | für Ausbildung und Qualitätssicherung Erfolgreicher Abschluss des Parkplatz-Forschungsprojekts PAMIR | 21 Nichtinvasive Bestimmung des Hirndrucks in Patienten Nachhaltigkeit – Bürokratiemonster oder Zukunsmodell? durch neuartige zeitharmonische Elastographie 51 Online-Veranstaltungen des VDI-Netzwerks deutschland(welt)weit Sensorik in der Medizin 52 VERANSTALTUNGSTIPPS 22 Durch »Hören« am Instrument zu mehr Sicherheit bei minimalinvasiven Operationen Materialien in der Medizin VDE Bezirksverein Magdeburg 23 Maßgeschneiderte Wundauflagen aus Tropoelastin 54 Auf die Goldwaage gelegt – Hochauflösende Röntgenbildgebung 24 Innovative Technologien der Endbearbeitung als Basis mit Nanopartikeln für verbesserte Endoprothesen Sowarelösungen in der Medizin 26 Zwei Beispiele mobiler Apps für den medizinischen Einsatz Ingenieurkammer SACHSEN-ANHALT Start-up-Beratung in der Medizin 56 Junge Talente fördern – Ingenieurnachwuchs 28 Vom Studium zum Start-up 57 Sachverständige immer mehr gefragt 29 Ehemaliger Handwerkerhof wird zum MedTech Innovation Hub RKW Sachsen-Anhalt GmbH VDI-Landesverband Sachsen-Anhalt 58 Social Corporate Responsibility 30 26. Fest der Technik – Ball der Ingenieure Sachsen-Anhalts 59 Jetzt Zukun gestalten! – 33 Förderung der technisch orientierten Allgemeinbildung an Schulen Förderprogramm »Gestärkt durch die Krise« hil mit Sitz in Sachsen-Anhalt 33 3D-Druck an der IGS Willy Brandt in Magdeburg durch den VDI 34 Neue Konstruktions- und Elektronikbaukästen für den Unterricht 3 Editorial 34 Fördernde Unternehmen und Institutionen des VDI in Sachsen-Anhalt 43 Impressum 4 MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022
SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt Bildgebende Verfahren | Sensorik | Materialien | Softwarelösungen | Start-up-Beratung Bildgebende Verfahren in der Medizin Genau betrachtet, entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen im Jahr 1895ff. zwei Dinge auf einmal: eine steuerbare Quelle für eine ener- giereiche, kurzwellige Strahlung und ein Visualisierungsverfah- ren. Während damals die Aufmerksamkeit vor allem den geheim- nisvollen – und gefährlichen – Strahlen galt, schaut die heutige »durchleuchtende« Medizin mindestens genauso aufmerksam auf © www.wikimedia.org den Prozess der Bildgebung. Hier kommen physikalische Erkennt- nisse ebenso wie mathematisch Verfahrene und aktuelle IT-techni- sche Entwicklungen zum Tragen. © www.wikimedia.org Fast immer dabei: die Durchleuchtung mit unterschiedlichsten Wellen bzw. Strahlen Wilhelm Conrad Röntgen * 27.03.1845 in Lennep/Remscheid Alle Untersuchungsformen nutzen eine kurz- oder sehr kurzwellige † 10.02.1923 München Strahlungsquelle, vom Ultraschall bis zur Elektronen-, Photonen- oder Positronenquelle. Das Bild ist das Ergebnis unterschiedlicher Durch- Röntgenaufnahme: Albert Köllikers Hand (mit lässigkeit der verschiedenen Gewebe- und Materialarten im Körper. Ring), aufgenommen von Conrad Röntgen am 23. Einzige Ausnahme ist die Magnetresonanztomographie (MRT). Januar 1896. Hier wirken ausschließlich Magnetfelder, die Erkennung erfolgt vergleichsweise indirekt, in dem mit Funkwellen die Kerne von Wassermolekülen im Körper zum Schwingen angeregt werden. Spezielle Antennen im MRT wiederum erfassen diese Schwingun- gen. Unterschiedliche Gewebetypen geben dabei ein jeweils indivi- duelles Bild ab. Die Durchleuchtung liefert nur 2D – der Computer dann 3D Die meisten Verfahren nennen sich »Tomographie«. In diesem Wort steckt das altgriechische Wort τομή (tomé, zu Deutsch: Schnitt). Es © www.wikimedia.org handelt sich in der Praxis bei den meisten Verfahren um einen virtu- ellen, also nicht-invasiven zweidimensionalen Schnitt durch den zu untersuchenden Körper. Ein dreidimensionales Bild kann nur durch Zusammensetzen vieler zweidimensionaler Bilder gelingen. Diese »Schnitte« können in Form parallel liegender Bildebenen gewonnen werden, oder aber indem die Sensoren oder Kameras um den Körper Röntgens Laboratorium im ehemaligen Physikalischen Institut der Universität herum angebracht sind oder sich um ihn herumbewegen. Würzburg, 1895. MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022 5
SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt Bildgebende Verfahren in der Medizin Versuch einer Übersicht Klemens Gutmann Die Fachwelt unterscheidet die verschie- geortet werden. Soll aber zusätzlich der oder der natürliche Herzschlag zum ech- denen Technologien und Verfahren grund- Stoffwechsel in der Niere untersucht wer- ten »Störfaktor«. Das Herz selbst wiederum legend anhand ihrer physikalischen Mess- den, dann wird dazu die zu verstoffwech- kann in der Bewegung am besten sonogra- methoden. Spätestens dann, wenn der reale selnde Substanz mit radioaktiven Nukliden phisch, also mit Ultraschall beobachtet wer- Mensch und sein o komplexes Untersu- markiert – und wir sind bei einer Positro- den. Aussagefähige Standbilder werden mit chungsbedürfnis auf den Plan kommen, nen-Emissions-Tomographie (PET) oder einer sogenannten Kardio-CT und einem werden die Grenzen zwischen den Tech- einer Single Photon Emission Computed Kontrastmittel erzeugt. nologien und Systemen zumindest »kom- Tomography (SPECT). Die wiederum liefert Der Erfolg eines bildgebenden Verfah- plexer«. Aussagen über die Funktionsfähigkeit der rens in der Medizin ist also eng mit dem Ein Beispiel: Ein leistungsfähiger Mag- Niere über der Zeit aber eine weniger gut Untersuchungsziel verbunden. Selbst bei netresonanztomograph kann praktisch alle aufgelöste Abbildung der Gewebestruktu- ein und demselben »Untersuchungsobjekt« wasserhaltigen Gewebearten in hoher Auf- ren. Beide Verfahren sind nur für möglichst – dem menschlichen Körper – gibt es aus lösung abbilden. Ungewöhnliche Gewebe- absolut stillstehende Objekte geeignet. Sicht eines erfahrenen Radiologen meist strukturen etwa in einer Niere können effi- Bei einer Hirnuntersuchung im hochauf- verschiedene Wege zu den ebenso verschie- zient, präzise und ohne Strahlenbelastung lösenden MRT werden bereits die Atmung denen Untersuchungszielen. Computertomographie (CT) Positronen-Emissionstomographie (PET) Sie wurde auch als »Schichtröntgen« bezeichnet, bereits 1971 ka- Der »Treibstoff« für dieses bildgebende Verfahren sind die positiv men die ersten Geräte in die Anwendung. Erstmals wurde ein Com- geladenen Antiteilchen des Elektrons, die Positronen. Ein Posi- puter zum zentralen Bestandteil eines (damals) modernen Rönt- tron ist ein Elementarteilchen, welches bis auf die Ladung in al- gengeräts – nur so konnten aus den Projektionsbildern, in denen len Parametern mit dem Elektron übereinstimmt. Ein Positron ist die Tiefeninformation komplett verloren geht und die Organe Antimaterie des Elektrons und wie es im Physikunterricht und bei überlagert dargestellt werden, Schichtbilder erzeugt werden, die Raumschiff Enterprise gelehrt wird, löschen sich Materie und Anti- eine exakte Abbildung einer axialen Schicht darstellten. materie bei direkter Begegnung aus, zurück bleibt reine Energie. Die Schichten wurden erzeugt, indem die Strahlenquelle und So auch hier: Genutzt werden Substanzen, die Positronen aus- der Empfänger auf einem großen Ring um den Patienten her- senden, sogenannte Radionuklide. Sie werden speziell für die PET umliefen und bspw. immer nach einem Winkelgrad Rotation ein hergestellt (siehe Kasten). Sobald die Positronen ihr Radionuklid Projektionsbild erzeugt wurde. Der Rechner errechnete (rekon- verlassen und durch das Gewebe dringen, kollidieren sie in un- struierte) aus den 360 Aufnahmen dann ein 3-dimensionales Bild mittelbarer Nähe mit einem Elektron und senden dabei zwei des untersuchten Körpersegments. In der jüngsten Generation von Photonen aus – eine Art Blitz mit zwei Lichtstrahlen. Diese beiden Computertomographen sind Strahlenquelle und Detektoren fest Photonen strahlen genau in entgegengesetzter Richtung ab und montiert. Die Strahlen werden durch Magnetfelder umhergelenkt werden dann außerhalb des Körpers detektiert. Das ermöglicht ein und Detektoren sind dank günstigerer Herstellung in ausreichen- gutes Erkennen des Punkts, an dem die Kollision von Positron und der Zahl ringförmig verbaut. Allerdings hat sich diese komplexe Elektron stattfand. Was die Kontrastbildung angeht, stellt das PET- Technik (noch) nicht am Markt durchgesetzt. Zusätzlich wird in Bild die Konzentration des Radionuklids dar. In der Praxis wird die einem System mit Strahlen unterschiedlicher Frequenz gearbeitet, PET meist mit einem CT oder einem MRT integriert. Die erhaltenen sodass feinere Unterschiede in der untersuchten Substanz detek- Kontrastbilder werden dann im Rechner miteinander verbunden tiert werden können (z. B. zur Knochendichtemessung). Die Auf- und die strukturellen Bilder des CT oder MRT unterstützen die Be- lösung ist vergleichsweise hoch und die Röntgenbelastung um ein rechnung der PET-Bilder. Vielfaches niedriger als in früheren Generationen. Jährlich werden in Deutschland mehrere Millionen Menschen mit CT untersucht. 6 MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022
SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT) Ein wichtiger Treibstoff für PET und SPECT: Radionuklide Sie ist eine Art »Schwester« der PET. Die verwendeten Radionuklide Bei der PET kommt die Strahlenquelle in den Körper. Dazu werden von stoffwechselgängigen Elementen die gewünschten radioaktiven Isotope, senden hier keine Positronen, sondern Gammastrahlen aus. Gam- die Radionuklide, genutzt. Am gängigsten ist hier Fluor (18F, also 18-wertig, mastrahlen sind mit 10 Picometer Wellenlänge sehr kurz (1 Pico- anstatt 19), aber auch Kohlenstoff (11C), Stickstoff (13N) und Sauerstoff (15O). meter entspricht einem milliardstel Millimeter bzw. 10-12 Meter). Sie Da alle Isotope eines Elements chemisch gleich reagieren, können sie auch liegen im Spektrum unterhalb der Röntgenstrahlen. Gleichzeitig in körperübliche Verbindungen – etwa Glucose – eingebracht und bei der weisen sie genauso wie die Photonenblitze der PET eine hohe Ener- Anwendung dann vom Körper verstoffwechselt werden. Die Strahlenquelle gie auf und werden außerhalb des Körpers detektiert. Da nur ein und befindet sich dann im Körper und bei geschickter Wahl der Substanz auch und vor allem in dem zu untersuchenden Organ. Bei Halbwertszeiten nicht zwei gleichzeitige Lichtblitze erfasst werden, ist die räumliche (HWZ) zwischen typischerweise 10 Minuten und 2 Stunden lässt die Strah- Auflösung etwas geringer als bei der PET. Die SPECT wird vor allem lenbelastung dann auch innerhalb von Stunden wieder nach. bei Untersuchungen von Herz, Hirn, Knochen und bestimmten Tu- moren angewendet, dann auch fast immer in Kombination mit den Radionuklide Made in Magdeburg Daten aus einer CT-Untersuchung. Es gibt Geräte, die beide Unter- Der Medizincampus der Magdeburger Universität verfügt über einen suchungsarten kombinieren (ebenso wie PET und CT). eigenen Teilchenbeschleuniger (Zyklotron), der vornehmlich auch der Herstellung von Radionukliden für die PET dient. Damit können nicht nur die vergleichsweise »haltbaren« Fluor-Isotope (HWZ 2 Stunden) er- zeugt und eingesetzt werden, sondern auch deutlich schneller zerfallen- Magnetresonanztomographie (MRT) de Substanzen, wie etwa Kohlenstoff (HWZ 20 Minuten) oder Stickstoff (auch Kernspintomographie) (HWZ 10 Minuten). Wenn das PET-Gerät quasi »neben« dem Zyklotron steht, verliert man auf dem Transportweg keine unnötige Zeit und keine Grundlage der MR-Tomographie ist, dass Atomkerne – also die wertvollen Substanzen. Für die SPECT-Untersuchungen grei man auf Elemente und Isotope meist recht stabile Ansammlung von Protonen und Neutronen – zurück die etwas »schwerer« sind und im Periodensystem weiter oben an- selbst ein magnetisches Momentum haben. Der Wasserstoffkern gesiedelt. Dazu zählen Technetium und Jod, aber auch Xenon und Indium. gleicht mit nur einem Proton (positiv) einem »magnetischen Ex- zenter«. Dieser Atomkern lässt sich vergleichsweise gut zur Bewe- gung anregen, und er kommt in fast allen interessanten Objekten vor, insbesondere in Lebewesen und dem darin enthaltenen Was- griff untersuchen. Der Wasser-basierte Kontrast reicht ihnen aus, ser. Erfreulicherweise ist es dem Wassermolekül H2O recht »egal«, da kein Gewebe wie das andere ist. Die Radiologen sind routiniert ob sich die Kerne seiner zwei Wasserstoffatome irgendwie drehen. im Identifizieren und Zuordnen der Muster und Graustufen. Dort, Das Wassermolekül ändert bei der Anregung durch einen MRT- wo sie etwas Verdächtiges, aber nicht ausreichend Identifizier- Magneten weder seine Chemie noch seine Temperatur und auch bares sehen, arbeiten sie ggf. mit anderen bildgebende Verfahren nicht seine Ausrichtung. Das führt zu ersten – vereinfachten – Aus- nach und scannen dann bspw. den Stoffwechsel mithilfe einer PET- sage: Die MR-Tomographie ist in erster Linie eine Untersuchung Untersuchung. des im Untersuchungsobjekt vorhandenen Wassers, genauer: der Die Forscher hingegen treibt es zu den »superstarken« Magneten. Atomkerne seiner Wasserstoffmoleküle. Sie wollen dem Wasserstoff auch in weniger häufigen Substanzen Um die Atomkerne zum Schwingen anzuregen, muss man sie nachspüren, und nicht dauernd »aufs Wasser gucken« müssen. Ihr elektromagnetisch mit ihrer Resonanzfrequenz anregen. Das ge- Ziel ist es, eine größere Vielfalt an Substanzen im MRT in möglichst schieht durch Wellen im gängigen Radiobereich. Bei dem Gerät guter örtlicher und zeitlicher Auflösung zu beobachten. Dabei hil von Neoscan Solutions mit seinen exakt 1,46 Tesla liegt die Reso- die Stärke des Magnetfelds. Sie führt in erster Linie zu einer deut- nanzfrequenz des Wasserstoffkerns bei 62 Megahertz – das liegt lichen Verbesserung des Signal-Rausch-Abstands beim Empfang der etwas unterhalb eines gängigen UKW-Radios. Wenn man die Re- Resonanzschwingungen. Bei klarerem Signal verläu die Messung sonanzfrequenz des Wasserstoffkerns ganz genau misst, stellt man deutlich schneller. Dadurch kann man in gleicher Zeit deutlich mehr fest, dass es ganz kleine Unterschiede gibt. Je nachdem, in welcher Messpunkte abarbeiten und die Auflösung erhöhen. Das bei Prof. Art Molekül das Wasserstoffatom gebunden ist, liegt die Resonanz- Speck beheimatete 7-Tesla-Gerät hat bereits die 100-fache Auflösung frequenz einige Millionstel höher oder niedriger. Die Wasserstoff- gegenüber einem kliniküblichen 3-Tesla-Gerät erreicht. kerne in dem Molekül Kreatin (ein Bestandteil der Zellmembran) Stark vereinfacht dürfen wir festhalten: Es ist beim MRT dann hat seine Resonanzfrequenz bspw. ein Millionstel unterhalb der doch wie beim Radiohören. Wer früher mit Kurzwelle dem Gewand- Resonanz im Wasser. Gute Messgeräte können das erkennen und hausorchester zugehört hat, ist für ein Hi-Fi-UKW-Radio mit deutlich auswerten. Allerdings dominiert die Resonanz des Wassers die besserer akustischer »Auflösung« durchaus dankbar. Alles »Große« ganze Szenerie. Kreatin ist zwar kein »Exotenstoff«, kommt aber erkennt man auch in der Kurzwelle, aber der deutlich weitere Fre- hunderttausendmal seltener im Körper vor als Wasser. quenzgang und der bessere Signal-Rausch-Abstand ermöglichen es, Die Mediziner haben sich an die Leistungsparameter der gän- auch den Triangel in Brahms 4. Symphonie noch in seiner Feinheit gigen MRT-Technik vergleichsweise gut »gewöhnt«. Sie können heraushören zu können. damit den ganzen Körper ohne ionisierende Strahlung oder Ein- MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022 7
SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt Bildgebende Verfahren in der Medizin Vielfalt der Forschungsziele Klemens Gutmann Die Forschung und Entwicklung von bildgebenden Verfahren in Schwingungsfrequenz sind auch die sog. Relaxationszeit der ange- der Medizin wird dadurch ermöglicht und erleichtert, dass interes- regten Atomkerne je nach Gewebe unterschiedlich (z. B. reagieren sierte Naturwissenschaler und Techniker auf ebenso interessier- Tumore hier anders als gesundes Gewebe). te Mediziner treffen. Erstere machen die Technologien verfügbar, Letztere erzeugen realitätsnahe Testfelder und ermöglichen eine Die Optimierung direkt hin auf die Anwendung Clusterung der Aufgabenstellungen. Für die eigentlichen Entwick- Wenn von Neurowissenschalern ein Gehirn eines Freiwilligen ler der Technologien und Verfahren entstehen dadurch verschiede- über eine gewisse Zeit in hoher Auflösung beobachtet wird, dann ne Ebenen, auf denen Fortschritte erreicht werden können. wird das Bild durch die natürliche Atmung und die damit verbun- dene Bewegung des Kopfes verfälscht oder gar unbrauchbar. Die Bildverarbeitung kann das kompensieren, benötigt dafür aber zu jedem Zeitpunkt die exakte Position des Schädels. Diese wiederum kann mithilfe einer »einfach« wirkenden kleinen Systemlösung si- cher und in hoher zeitlicher Auflösung generiert werden: Dem Pa- tienten werden für die Zeit der Untersuchung auf den Zähnen des Oberkiefers einige »Marker« angebracht – ähnlich wie ein Geodät © Viktoria Kühne fest montierte Messmarken. Diese können vielfach pro Sekunde per Kamera im Raum geortet werden. Da der Oberkiefer fest mit dem Schädel verbunden ist, wird nun eine sehr exakte Positions- bestimmung des Schädels und Hirns bei jedem Scanvorgang mög- Prof. Dr. rer. nat. habil. Oliver Speck lich. Das Verfahren wird als »Moiré Phase Tracking« bezeichnet. Abt.-Leiter Biomedizinische Magnetresonanz am Institut für Physik Allerdings ist dies hier eine hirnspezifische Optimierung – schon der Fakultät für Naturwissenschaen der OVGU Magdeburg ab den Schultern nach unten braucht es andere intelligent ange- passte Verfahren zur Verortung und zu Kompensation der natür- lichen Bewegung. Prof. Oliver Speck skizziert die »Erfolgsleiter« der Forschung an und mit bildgebenden Verfahren in der medizinischen Radiologie Die Zusammenarbeit wie folgt. Er fokussiert dabei auf die Magnetresonanztomographie: Der »Cluster« der buchbaren Forschungs-MRT in Magdeburg ist eine echte Stärke des Standorts. Die Anwender kommen zu einem Der Messgerätebau größeren Teil aus der Region, es herrscht eine gute Auslastung. Die Anforderungen und Optimierungsrichtungen sind nicht über- Aber nicht nur das ist eine Stärke: Es geht auch um den Austausch. raschend. Die Geräte müssen flexibel einsetzbar und gut konfigu- Bei vielen Untersuchungen führt erst das fachübergreifende rierbar sein. Die Schnittstellen zur Einbindung in den Versuchsauf- Suchen nach einem idealen Versuchsaufbau zu einem guten oder bau müssen vorhanden und gut nutzbar sein. Hinzu kommen die gar bestmöglichen Untersuchungsverfahren, was dann wieder an klassischen Leistungsparameter wie etwa Auflösung und Abtast- die spezielle Fachcommunity weitergegeben wird. rate. In Kürze kommt das neue »Deutsche Zentrum für psychische Gesundheit (DZPG)« der Helmholtz-Gemeinscha hinzu. Insgesamt Die Messmethoden müssen umfassend verfügbar und wird die MRT-Infrastruktur des Forschungsstandorts Magdeburg zielgerichtet eingesetzt werden. (OVGU, LIN, DZNE) etwa zu 90 Prozent für humane Anwendungen Herz(schlag)frequenz (HF)-Pulse, Gradientenpulse; »interakti- und zu 10 Prozent für technisch-naturwissenschalich Fragen ge- ve« Anregung der Protonen; Fokussierung auf Wasserstoff nur in nutzt. Fett und Wasser – oder auch in anderen Substanzen; Erfassung der Zielbereiche bzw. Zielpunkte nach Position und anderen phy- sikalischen Größen wie etwa der Temperatur; neben der exakten 8 MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022
SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt o müssen Teile der Soware – und sogar der Hardware – durch selbst entwickelte Applikationen ergänzt werden, weil die Last auf den Systemen kontinuierlich zunimmt. Die Umwandlung wellenförmiger Abtastsignalen in Bilder Jedes noch so »erratische« gemessene (stetige) Signal einer gewis- © Viktoria Kühne sen Länge und Amplitude kann als Summe entsprechend parame- trisierter trigonometrischer Funktionen (also den Winkelfunktio- nen Sinus und Kosinus dargestellt werden. Ingenieuren ist dies aus den Anfangsvorlesungen noch als »Fourier-Reihe« bekannt. In der Prof. Dr. rer. nat. Georg Rose Praxis der Signalverarbeitung wird dies als sog. Fourier-Zerlegung Lehrstuhlleiter Medizinische Telematik und Medizintechnik am Institut für praktiziert. Diese kann als fertige Soware in Verbindung mit spe- Medizintechnik der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der OVGU zialisierten Chips zugekau werden. Magdeburg und Vorstandsmitglied Forschungscampus STIMULATE In der eigentlichen Auswertung und deren Optimierung und Beschleunigung müssen die Forscher dann doch immer wieder selbst in den algorithmischen »Maschinenraum« hinabsteigen – Prof. Georg Rose verlängert die Auflistung der Forschungsziele im sonst bekommen sie immer nur den Stand der Technik, der am Gespräch mit der Redaktion wie folgt: Markt verfügbar ist. Da in der schnellen Fourieranalyse von bild- gebenden Verfahren sehr datenreiche Signale aus dem Messsystem Generierung eines 3D-Bildes kommen, sind die nach Fourier zerlegten Ergebnisse in Form gro- Jeder »Scan« eines Körpers, ob mithilfe von Röntgenstrahlen, Posi- ßer Matrizen sehr aufwendig in der Weiterverarbeitung. Matrizen- tronen- oder Gammablitzen, oder aber mit dem MRT liefert Mess- operationen eignen sich wiederum vergleichsweise gut für eine daten, welche mit dem eigentlichen Bild nur wenig zu tun haben. Parallelverarbeitung. Daher blickt Prof. Rose mit großen Erwar- Um die gewünschten Schnittbilder zu erhalten, müssen diese tungen auf die Entwicklung der Quantencomputer. So könnte eine Signale zunächst mithilfe komplexer mathematischer Methoden realzeitnahe Bereitstellung auch von dichteren Bildfolgen, z. B. für umgerechnet (rekonstruiert) werden. Die meistens erforderliche den OP-Einsatz einen deutlichen Entwicklungsschub erfahren. 3-dimensionale Darstellung wird durch die Zusammensetzung die- ser Schnitte im Rechner generiert. Die Reduzierung der Strahlenbelastung So rotieren beim CT die Röntgenstrahlenquelle und der Detek- Eine MRT-Untersuchung ist immer der Königsweg zur Vermeidung tor um den Patienten herum und nehmen dabei rund 1 000 Pro- von ungewünschten Strahlendosen. Im Fall der Nutzung von Gam- jektionsbilder auf. Bei diesen Projektionsbildern geht die Tiefen- mastrahlen in SPECT-Geräten sind die Detektoren heute in der information verloren, d. h. alle Organe, unabhängig davon, ob sie Lage, jedes einzelne Gamma-Photon zu detektieren. Pro Bildpunkt sich vorn oder hinten befinden, werden auf einem 2D-Bild über- sind weniger als einhundert Photonen erforderlich, um ein gutes lagert. Der Computer muss dann die Aufgabe lösen, alle Organe Bild zu gewinnen. Dabei liegt die Bildpunktgröße durchaus zwi- wieder an ihre richtige Position im Raum zu bringen und ein kor- schen 1 und 10 Quadratmillimeter. rektes 3D-Bild zu erzeugen. Wenn nun zusätzlich eine zeitsequen- zielle Bilderserie erzeugt werden muss, kommen hier sehr große Datenmengen zusammen. Der Rechner muss in der Lage sein, die 1 000 Bilder in bspw. einer Sekunde zu einem Bild zu verdichten und dazu entscheiden, welche Daten gespeichert werden müssen – und welche nicht. Bei steigender Auflösung und immer schnelle- ren Messzyklen kommt dann mit einiger Regelmäßigkeit auch das Rechnersystem an seine Grenzen und muss ersetzt werden. Und MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022 9
SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt Bildgebende Verfahren in der Medizin Wo und wer sind die Akteure in Sachsen-Anhalt? Klemens Gutmann Die größte Konzentration von Fachleu- ten geeignete Methode, die Vorgänge im leistungsfähige MRT. Parallel hierzu wer- ten zur Entwicklung der bildgebenden Hirn in hoher Auflösung zu verfolgen. den auch andere Formen der Tomographie Verfahren und ihrer Geräte befindet sich Auch in anderen Bereichen der Forschung entwickelt, ein vor sechs Jahren ins Leben in Magdeburg. Wichtige »Impulse« hier- haben sich sinnvolle Anwendungen erge- gerufener sog. »Forschungscampus« für zu kommen aus der neurobiologischen ben, etwa bei Gewebeproben, in der Bio- bildgebende Verfahren ist hier ein wich- Forschung, die in der Stadt seit Langem logie oder der Strömungslehre. Es gibt in tiger Ankerpunkt. Nachfolgend eine kurze verwurzelt ist. Für Hirnforscher ist die der Magdeburger Region also einen gut Übersicht über die wichtigsten Akteure: Magnetresonanztomographie die am bes- ausgeprägten »Forschungs-Markt« für Forschungscampus entwickeln, die mit Kleinstwerkzeugen und mit bildgebenden Ver- STIMULATE fahren aus der Radiologie durchgeführt werden. Solche Eingriffe (sog. »Interventionen«) kommen mit extrem kleinen Schnitten aus STIMULATE (Solution Center for image guided local therapies) und belasten den Patienten minimal, sodass die Erholungszeiten ist eine öffentlich-private Partnerscha zwischen der Ot to-von- nach der OP deutlich verkürzt werden und z. T. sogar ambulant Guericke-Universität Magdeburg, Siemens Healthineers und dem durchgeführt werden können. Besonders im Fokus stehen neuro- STIMULATE-Verein (s. u.). Ins Leben gerufen wurde STIMULATE im logische und onkologische Erkrankungen. Jahr 2013 mit der Bewilligung einer Forschungsförderung, die bis Spiritus Rector von STIMULATE ist Prof. Georg Rose. Er wurde zu 15 Jahre andauern soll. Die Mission lautet: »Für gesellschalich 2006 als Professor für Medizintechnik an die Ot to-von-Guericke- höchst relevante Krankheitsbilder neue patientenschonende, qua- Universität Magdeburg berufen. Der Lehrstuhl ist Teil der Fakul- litativ hochwertige und konkret benötigte Diagnose- und Thera- tät für Elektro- und Informationstechnik. Er lebt seit 15 Jahren in pieverfahren zu entwickeln.« Ziel ist es, neuartige Operationen zu Magdeburg, vorher arbeitete und forschte er u. a. an der Universität Düsseldorf und bei Philips in Aachen. Prof. Rose ist promovierter Physiker. Tatsächlich finden sich in dem Bereich der Radiologie und ihren bildgebenden Verfahren und der sie umgebenden Medizintechnik recht häufig Physiker. Sehr o ergeben sich bei radiologischen Systemen Fragestellungen, in denen physikalische Phänomene und insbesondere die Erzeugung und Messung von Wellen und Schwingungen an Grenzbereiche kommen. Da wiederum fühlt sich der Physiker »durchaus Zuhause«. Selbst- verständlich sind auch interessierte Mediziner in den Projekten mit dabei, ebenso Informatiker und Elektrotechniker. Weitere Vorstände sind Dr. Stefan Röll, ebenfalls promovierter Physiker und Gründer der hiesigen Neoscan Solutions GmbH, und © OVGU/J. Dünnhaupt Dr. Joachim Reiss, Elektrotechniker und Informatiker und leitender FuE-Verantwortlicher bei Siemens Healtineers. Formal ist der Forschungscampus ein Teil der Ot to-von- Guericke-Universität Magdeburg. Getragen wird er durch die Universität, die Siemens Healthineers und den STIMULATE e. V. MRT-Suite des Forschungscampus STIMULATE – klinischer 3-Tesla-MRT vom Typ Siemens MAGNETOM Skyra. www.forschungscampus-stimulate.de 10 MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022
SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt Der Verein STIMULATE e. V. Institut für Physik der Ot to-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) Der STIMULATE e. V. verbindet diejenigen spezialisierten Unter- nehmen und Forschungseinrichtungen, die aus den Ergebnissen Die Abteilung für »Biomedizinische Magnetresonanz« besteht seit des Forschungscampus weitere Erkenntnisse oder technologischen 2007. Sie wurde von Prof. Oliver Speck gegründet, der sie bis heute Nutzen ziehen können. Insgesamt 24 Unternehmen und 5 Institute leitet. Ein Magnetresonanztomograph ist letztendlich eine kom- sind hier vereint. Fast die Häle der Mitglieder kommt aus der plexe Maschine, deren Teilsysteme immer wieder die Grenzberei- Region, eine weitere große Gruppe aus Baden-Württemberg und che des physikalisch Machbaren berühren, so etwa bei der Kühlung Bayern. Auch zwei ausländische Unternehmen sind Mitglied. des Magneten nahe dem absoluten Nullpunkt, beim Betrieb extrem Diese 29 Akteure bilden über den STIMULATE e. V. die »dritte starker Magnetfelder oder bei der Anwendung neuer supraleiten- Säule« des Forschungscampus STIMULATE, neben der OVGU und der Materialien. Es ist kein Zufall, dass in den Teams rund um die Siemens Healthineers. Vereinsvorsitzender ist Dr. Stefan Röll. eigentliche Entwicklung bildgebender Verfahren und ihrem Ma- schinenpark die Physiker die personalstärkste Fachgruppe bilden. www.stimulate-verein.org Dazu kommen typischerweise Informatiker und Elektrotechniker, Mediziner sind in der Entwicklung weniger stark vertreten aber wichtige Anwender in der Forschung. www.bmmr.ovgu.de Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) Magdeburg Das 1981 gegründete Institut für Neurobiologie und Hirnforschung der damaligen Akademie der Wissenschaen wurde 1992 als IfN Fakultät für Informatik in der Leibniz-Gesellscha wiedergegründet. Verschiedene bild- der Ot to-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) gebende Verfahren sind hier unverzichtbarer Teil der Untersu- chung von Vorgängen im Hirn, dem zentralen Forschungsinhalt Eine »Hinstimmung« zum Thema ist schon in der Struktur des heutigen LIN. So hat das LIN u. a. Europas ersten 7-Tesla-MRT der Fakultät erkennbar: Es gibt einen eigenen Studiengang und mit 32 Empfangskanälen für hochauflösende Bildgebung. Für Tie- Fachbereich für Computervisualistik. Und der enthält schon im re gibt es einen physisch deutlich kleineren, aber sehr starken Grundstudium Vorlesungen und Prüfungen zum Anwendungsfach 9,4-Tesla-Tomographen. Auch die klassische Mikroskopie spielt »Medizin«. In der modernen Radiologie finden sich eine Reihe an- eine wichtige Rolle. Der Betrieb des 7-Tesla-Forschungs-MRT geht spruchsvoller Forschungsbereiche für Informatiker: 2022 an die Ot to-von-Guericke-Universität Magdeburg über. der klassische Bereich der Umwandlung von analogen Sensor- signalen in digital hochaufgelöste Bilder und der Entwicklung www.lin-magdeburg.de digitaler Filter, die Generierung eines dreidimensionalen Bildes aus den vielen zweidimensionalen Schnitten wird immer aufwendiger, bedingt durch immer höhere Auflösungen und dichtere Bildfolgen bei der Erkennung von Objekten und Mustern (z. B. auffälliges Deutsches Zentrum für oder krankes Gewebe) kommen Künstliche Intelligenz und Neurodegenerative Erkrankungen andere Verfahren der Mustererkennung immer stärker zum Tragen Magdeburg ist einer der Standorte des bundesweiten Helmholtz- die schiere Datenmenge erfordert neue Strategien und Ver- zentrums DZNE, welches sich mit den für eine alternde Gesellscha fahren zur Reduzierung und zum gezielten »Wegwerfen« von wichtigen Fragen neurodegenerativer Erkrankungen wie etwa Alz- weniger relevanten Daten. heimer befasst. In dieser Forschung werden intensiv nicht-invasive bildgebende Verfahren wie die MRT und die PET vom DZNE betrie- www.inf.ovgu.de ben und eingesetzt, um frühzeitige Veränderungen im Gehirn zu identifizieren und die Wirkung von Therapien auf den Verlauf der Erkrankung zu verfolgen. Das DZNE betreibt das erste und einzige kombinierte MRT-PET Gerät in Sachsen-Anhalt. www.dzne.de MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022 11
SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt Erste Unternehmen, die neue innovative und marktfähige Geräte entwickeln Das »Mini-MRT«: Etwa ein Dutzend Magdeburger Unternehmen hat sich dem For- Ein MRT zur Untersuchung schungscampus und seinem Unterstützerverein angeschlossen. Hieraus haben sich auch ganz neue Konzepte und Prototypen für von Gewebeproben radiologische Techniken entwickelt. Dazu zählen u. a. die Neoscan Solutions GmbH, RayDiax, MiniMRT und die InLine-Med GmbH. Klemens Gutmann RAYDIAX: Ein CT zur Therapie- assistenz Klemens Gutmann © Christian Rößler Das MR System Engineering Team 2020, Ivan Fomin, Marcus Prier und David Schote, mit dem Tabletop MRT: Steuerungssoware (l.), OCRA Konsole (Mitte o.), Gradientenverstärker (Mitte u.) und Magnetbox inkl. der RF-Elektronik (r.). © IMG Sachsen-Anhalt Wissenschaler der OVGU haben im Forschungscampus STIMU- LATE ein MRT »für den Schreibtisch« entwickelt, von der Größe etwa eines Homeoffice-Laserdruckers. Es soll die Untersuchung von Proben unterstützen, etwa Zellen, Blut- und Gewebeproben sowie Lebensmittelproben. Auch das Fließverhalten von Flüssig- Das RAYDIAX-Team (v. l.): Benjamin Fritsch, Robert Frysch, André Mewes, keitsproben kann untersucht werden, was bspw. Dialysepatienten Thomas Hoffmann und Galina Steinke (n. i. Bild: Tim Pfeiffer und Tizian Mehl). zugutekommen kann. Am Forschungscampus STIMULATE entwickelt ein Start-up-Team unter dem Namen »RAYDIAX« einen neuartigen Computertomo- graphen (CT) zur Therapieassistenz bei minimal-invasiven Be- handlungen von Tumorerkrankungen. Besonders der Einsatz und die Unterstützung während einer Operation stehen im Vorder- grund. Die eingesetzte Röntgenstrahlung soll dabei um 40 Prozent © OVGU/STIMULATE gegenüber bisherigen Systemen reduziert werden. Dabei konnte das Team auf Vorarbeiten aus dem Forschungscampus STIMULATE zurückgreifen, in deren Zusammenhang die Arbeitsgruppe von Prof. Georg Rose das Projekt KIDs-CT durchführte. Ein CT mit deut- lich reduzierter Röntgenbelastung und daher besserer Verträglich- keit für Kinder. Die Arbeiten hatten 2017 begonnen. Im Sommer Die OCRA Tabletop-Soware bietet alle wesentlichen Funktionen eines MRT, wie 2021 wurde eine sog. »Pre-Seed«-Förderung des Bundes erfolgreich Spektroskopie, Materialuntersuchungen und Bildgebung von Reagenzglasproben. eingeworben. Damit wird das Team nun zum Unternehmen. Im Bild: Schnittbild eines 3D-gedruckten Wasserverdränger-Phantoms in Stern- form. Die Auflösung liegt im Submillimeterbereich. Die Soware ist Open Source www.raydiax.com und wird daher stetig verbessert. 12 MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022
SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt Die InLine-Med: Optimierung bildgesteuerter Eingriffe IMG/Manuela Bock (auszugsweise) Für eine gute Bildauflösung genügt dem FlexLine-Nadelführung System eine Feldstärke von 0,4 Tesla, deut- zur Unterstützung einer lich weniger als die bei Patienten-MRT be- Schmerztherapie (r.). nötigten 1,5 bis 3 Tesla. Durch die nur Re- InPlan-Interventionelle agenzglas-kleinen Proben, die dem System Soware (u.). zugeführt werden, ist auch der Energiebe- darf sehr gering. Da das Magnetfeld durch Permanentmagnete erzeugt wird, ist hier keine Energiezufuhr und damit auch keine nennenswerte Kühlung erforderlich. »Die Herausforderung bestand vor allem darin, © InLine-Med die zwei extrem starken Permanentmag- nete, die sich gegenseitig mit 1,2 Tonnen © InLine-Med anziehen, in einer Trägerkonstruktion auf einem Abstand von nur wenigen Zentime- Die InLine-Med GmbH entwickelt Assis- Unter dem Namen FLEXSPINE fasst InLine- tern zu halten und zu fixieren«, so Mar- tenzgeräte, die nadelbasierte Eingriffe si- Med Produkte für die interventionelle – also cus Prier, Wissenschalicher Mitarbeiter cherer machen. Ihre Mission ist: Innovative operative – Radiologie zur Krebsdiagnose am Forschungscampus STIMULATE. Auch Produkte für sichere, genaue und einfache bzw. -therapie und die interventionelle CT- die Entwicklung der komplexen Elektronik Interventionen – wie die Krebsdiagnose basierte Schmerzbehandlung zusammen. wurde vor Ort, in einem der Gründerlabore durch Biopsien sowie zur Schmerz- und »Wir setzen auf eine einfache Anwendung der OVGU entwickelt und gefertigt. Krebstherapie – zur Verfügung zu stellen. für Ärzte und Krankenschwestern, auf Werk- Bemerkenswert: Die gesamten Pläne Unterstützung kommt vom Forschungs- zeuge, die universell einsetzbar sind und und die Soware des Mini-MRT wird campus STIMULATE, klinischen Partnern sich gut in Arbeitsabläufe integrieren las- zukünig nach dem Open Source-Prin- und der bmp Ventures AG als Finanzierer sen«, erklären die Gründer Sonja Lagotzki zip weltweit online gestellt. Jeder In- des Start-ups. und Juan Sebastián Sánchez López. Die Me- teressierte (und Befähigte!) kann das In der radiologischen Bildgebung werden thode soll massentauglich werden. Das be- »MRT für den Schreibtisch« dann selbst mithilfe von Magnetresonanztomographie deutet: kleine Geräte, hohe Benutzerfreund- nachbauen, anpassen und optimieren. (MRT), Computertomographie (CT) oder Ultra- lichkeit und mehr Einsatzmöglichkeiten An der OVGU sind inzwischen mehrere schall-Hohlnadeln für die Entnahme von statt teurer Spezialroboter für nur einen Exemplare des Gerätes im Einsatz, unter Gewebe eingesetzt. Für die richtige Positio- Eingriff. Dank eines von InLine-Med entwi- anderem bei den Chemikern und Metal- nierung der Nadeln brauchen Kliniken der- ckelten Computerprogramms, das als Mobi- lurgen. zeit speziell geschultes Personal, und die le-App auf dem Tablet laufen kann, wird die Prozeduren sind voller Risiken. Darum hat Planung des Radiologen direkt vom Bild- InLine-Med Assistenzgeräte entwickelt, mit schirm auf den Patienten übertragen – ohne denen Radiologen nadelbasierte Eingriffe teure und komplizierte Systeme. So können einfacher, präziser und sicherer durchfüh- die gewünschten Regionen im Körper fehler- ren können. Die Vorteile: Die Assistenz- frei getroffen und unnötige Mehrfachpunk- geräte, Sowarelösungen und Instrumente tionen vermieden werden. Das kommt bei lassen sich in gängige Verfahren integrie- Medizinern gut an. Die meisten loben, dass ren, lösen die Platzprobleme beim MRT, ver- durch die InLine-Med-Produkte Prozeduren ringern die Strahlenbelastung für Radio- mit einfachen Mitteln optimiert werden. logen beim CT und sparen Zeit durch eine schnelle Ausrichtung der Nadel. www.inline-med.com MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022 13
SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt Bildgebende Verfahren in der Medizin Neoscan Solutions GmbH: Ein kleines MRT für unsere Kleinsten Wie technisches Downscaling zu einer neuen Leistungskategorie führt. Klemens Gutmann © Neoscan Solutions/Alexander Liebing Die in medizinischen Einrichtungen zur Verfügung stehenden »Durchleuchtungsgeräte« sind für Säuglinge und Kleinkinder nur bedingt geeignet. Speziell bei Frühgeborenen und dann vor allem bei der Identifizierung und Behandlung von Fehlbildungen oder organischen Fehlfunktionen sind diese bildgebenden Systeme aus folgenden medizinischen Gründen nicht immer perfekt geeignet: Ultraschallbilder geben Sachverhalte und Details in vielen Bereichen nur begrenzt gut wieder. Röntgenstrahlung ist bei Kleinkindern nach Möglichkeit ganz zu vermeiden. Die Strahlenbelastung durch ein CT und das notwendige Dr. Stefan Röll, Kontrastmittel sind ebenfalls sehr bedenklich. Geschäsführer Die großräumigen Installationen eines klassischen MRT Neoscan Solutions GmbH (Magnetresonanztomograph) mit großem Heliumkreislauf passen nicht in eine bestehende Kinderklinik oder gar in eine Diese bewussten Reduzierungen führen zu wichtigen Verkleine- Frühchenstation. Transporte von Frühgeborenen von der rungen und Vereinfachungen: Station zur Radiologieabteilung und zurück sollten zudem möglichst vermieden werden. kein flüssiges Helium im Magneten Hinter der technologischen Idee eines kleinen MRT steht die per- Darin besteht der vermutlich wichtigste Unterschied zwischen sönliche Erfahrung des Gründers von Neoscan, der beim eigenen Neoscan und klassischen MRT-Geräten. Beim klassischen MRT Kind als Frühgeborenem die Unzulänglichkeit der verfügbaren müssen die Tieemperatur-Supraleiter auf fast 3 bis 4 °Kelvin Durchleuchtungsgeräte miterleben musste. Nicht irgendwo, son- heruntergekühlt werden, um die für den MRT-Betrieb notwendige dern im Raum Nürnberg-Erlangen, also einer der »Welthauptstäd- Supraleitung des Magneten zu erreichen. Das wird erreicht, indem te« von Radiologie-, CT- und MRT-Forschung sowie -Herstellung. der ganze Magnet in flüssigem Helium »badet« – was einen gro- Einige Jahre später entwickelte besagter Vater, selbst bei Siemens ßen Heliumumlauf zur Folge hat. Nicht so bei Neoscan: Hier wird mit der Entwicklung von MRT-Geräten befasst, das Konzept für ein die Wärme durch fast normale Kupferscheiben abgeführt, die an kleines kompaktes MRT für »kleine Patienten« – auch weil er das einem Ende einen Kaltkopf haben. Nur dieser wird mit einer Kälte- Anwendungspotenzial und den Markt erkannte. maschine auf die bekannten 3 bis 4 °Kelvin heruntergekühlt. Am anderen Ende der Kupferscheiben ist es dann natürlich etwas Die drei zentralen »Reduktionen« hierbei waren: weniger kalt – das macht aber nichts. Bis zur 25 °Kelvin-Grenze ist genug Spielraum. Dieser recht einfach klingende Mechanismus ist 1. Eine kleinere Patientenröhre mit nur 30 cm Durchmesser, damit die wichtigste Voraussetzung für das angestrebte Downscaling. der gesamte Magnet signifikant kleiner und leichter wird. Ganz wichtig dabei ist: Ein MRT mit vielen Hundert Litern flüs- 2. Die Nutzung eines speziellen Supraleiterdrahtes zum Bau des sigem Helium benötigt eine umfangreiche Notfallinfrastruktur. Magneten. Dadurch muss der Magnet »nur« auf etwa 25 °Kel- Sollte das Magnetfeld zusammenbrechen und sich die gespeicherte vin, das entspricht etwa –248 °Celsius, heruntergekühlt werden. Energie mit einem Schlag entladen, so verdamp das gesamte He- Der Draht wird von der japanischen Sumitomo hergestellt und lium in kürzester Zeit. Dazu benötigt das Gebäude einen gesicher- basiert auf einem keramikartigen Material aus den Elementen ten, völlig separierten und großen Gasauslass (»quench pipe«) über Wismut, Strontium und Calcium, verbunden mit Kupferoxid. das Dach ins Freie. Würde sich das Helium im Gebäude ausbreiten, 3. Die Reduzierung der Leistung auf eine Feldstärke von 1,5 Tesla. droht Erstickungsgefahr. Diese Sicherungsinfrastruktur ist groß, sie ist baulich aufwendig und kostenintensiv. Bei Neoscan ist diese Infrastruktur nicht notwendig. 14 MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022
SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt © Neoscan Solutions/Alexander Liebing Ein kompaktes MRT: Entwickelt, um strahlungsfreie Bildgebung dort zu ermöglichen, wo sie gebraucht wird. »Halb so wild« – nur 1,5 statt 3 Tesla, bei halbem Der Magnet im Vakuum – ein Tiefsee-U-Boot Durchmesser. an der Elbe Die in dem stabilen Magnetfeld gebundene Energie ist bei Neoscan Alle Magnetsysteme in MRT arbeiten im Vakuum. Denn es muss deutlich geringer als beim klassischen MRT. Dadurch sind auch die unbedingt ausgeschlossen werden, dass im direkten Umfeld des benötigten Ströme speziell zum Anfahren des Magneten viel gerin- Magneten irgendwelche bipolaren Moleküle mitschwingen, die gar ger. Weniger Energiezufuhr reduziert dann auch den Aufwand bei nicht zum Patienten gehören. Bei Neoscan hat man sich bei Fach- der Energieabführung, also der Abführung der Wärme. Das Außen- leuten für Tiefsee-U-Boote Unterstützung geholt. Die stählerne teil der Kühlanlage hat zwei gängige Kühlmittelanschlüsse. Es ist Hülle, der sogenannte Kryostat, wird wie ein umgestülptes U-Boot etwa so groß wie eine handelsübliche Klimaanlage eines Ferien- betrachtet. Nur ganz wenige Teilchen dürfen pro Stunde hinein- häuschens auf Mallorca – also keine Baumaßnahme, sondern eine diffundieren. Besucher können das spüren: Die sogenannte Mole- Installation. kularpumpe zieht im Normalbetrieb pro Minute nur einige weni- Ganz wichtig: Wer schon einmal in der Nähe des Magdeburger ge Moleküle aus dem Vakuum. Voraussichtlich kann der Kryostat 7-Tesla-MRT war, hat es am eigenen Leib verspürt. Der Gleichge- sogar ohne Pumpe ausgeliefert werden, nur alle paar Jahre muss wichtssinn leidet, es kann einem sogar übel werden. Der Raum dieser bei der Grundwartung wieder leergepumpt werden. Da- eines solchen MRT muss durch einen Faradayschen Käfig auf- durch wird den Patienten das durchaus »nervige« Geräusch einer wendig abgeschottet werden. Bei 3 Tesla ist dieser Effekt relativ MRT-Pumpe eines klassischen MRT erspart. Ein Subsystem entfällt schwach, aber immer noch vorhanden. Bei 1,5 Tesla spielt das kei- – Ot to von Guericke wäre (hoffentlich) beeindruckt. ne Rolle mehr, die Abschirmung im Gerät selbst genügt. Und übel sollte hier niemandem werden – weder dem Kleinstkind, noch den Eltern. MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022 15
SCHWERPUNKT // Innovative Medizintechnik aus Sachsen-Anhalt Die gesamte Hülle – keine Kanten, keine Knicke, Die Bedienung: eine Hand am Panel, kein Koloss eine Hand beim Patienten Auf den Stationen für Frühgeborene, speziell bei den besonders Ein MRT für Frühgeborene ist dazu da, gefährliche oder gar lebens- früh Geborenen oder denen mit Fehlbildungen und Krankheiten, bedrohliche Fehlbildungen zu beobachten oder wichtige Organe, herrschen Reinraumbedingungen. Anders als im normalen Kran- Adern oder Muskeln und Sehnen zu scannen. Der dazu notwendi- kenhausbetrieb ist hier die Anzahl der Keime und Fremdmoleküle ge Funktionssatz konnte zu einer vergleichsweise einfachen und pro Kubikmeter Lu stark begrenzt und wird kontinuierlich über- bildgeführten Nutzeroberfläche verdichtet werden, die über ein wacht. Der Besuch ist stark eingeschränkt, alle Personen tragen einziges Panel mit einer Hand bedienbar ist. Die Bedienung kann Schutzkleidung. Geräte und Einrichtungen müssen leicht zu reini- von den qualifizierten Fachkräen einer Frühchenstation inner- gen sein. Sie dürfen keine Spalten und Knicke aufweisen, in denen halb weniger Tage erlernt werden. Die radiologischen Fachkräe sich Bakterien oder andere Biomasse halten oder gar vermehren können, müssen aber nicht zwingend vor Ort sein – eine weitere kann. Die Oberfläche muss antibakteriell beschichtet sein. All dies wichtige Vereinfachung im Alltagsbetrieb. ist bei Neoscan gegeben, bei den klassischen MRT ist dies nicht Teil der Anforderungsliste. Eine weitere erfolgsrelevante Innovation gehört untrennbar zum Und eine weitere wichtige Vereinfachung: Der neue Säuglings- technischen Projekterfolg: Supraleitende Materialien sind o sehr MRT ist etwa 2 × 2 × 1 Meter groß, wiegt weniger als zwei Tonnen empfindlich und auch spröde wie etwa »Streuselkuchen«. Sie zu und kann mit einem guten Hubwagen in jedem Lastenaufzug langen Spulen zu verarbeiten, verlangt viel mechanisches Geschick. eines Krankenhauses transportiert werden. Er arbeitet mit zwei Hier ist es dem Magdeburger Unternehmen gelungen, das eher sprö- 380 Volt/32 Ampere-Anschlüssen. Seine Anlieferung und sein Ein- de auf Band aufgewalzte Material zu großen scheibenartigen Mag- bau verursachen also kein aufwendiges Bauprojekt, sondern sind netspulen zu wickeln. Kilometerlanger Banddraht, der in gleicher eher als Installation realisierbar. Kurz und gut: Der Neoscan-MRT Qualität, mit gleicher Festigkeit und mit fein ausgesteuerter Zug- »passt« in jede Frühchenstation. kra zu einer Spule verarbeitet wird. Das hat Neoscan in der Hei- matstadt des Verseilmaschinenbaus mit hoher Präzision entwickelt. Eine Reihe von »mittelgroßen« Innovationen bilden also in ihrer Gesamtheit einen neuartigen Magnetresonanztomographen, der, so sind die Gründer und Mitarbeiter überzeugt, einen eigenen Markt eröffnet. Schätzungen auch aus den Häusern etablierter MRT-Hersteller gehen davon aus, dass in der klinischen Neonato- logie und Pädiatrie weltweit ein Bedarf an über 1 000 MRT-Geräten besteht. Auf genau diesen Markt zielt Neoscan. Die Neoscan Solutions GmbH wurde 2017 in Magdeburg gegrün- det und hat sich im Wissenschashafen Magdeburg angesiedelt. Sie logiert im Nachbargebäude des Forschungscampus Stimula- te, von dessen Nähe sie sehr profitiert, ebenso von der ständigen Zusammenarbeit im SIMULATE e. V. Seit 2019 ist der Prototyp in Erprobung und Zulassung, das System erwartet im Laufe des Jah- © Neoscan Solutions/Alexander Liebing res 2022 die erfolgreiche Zulassung für die medizinische Anwen- dung. Zu Forschungszwecken kann das Gerät bereits heute genutzt werden. Zwei deutsche Kliniken hatten im letzten Jahr Projektmit- tel zur Anschaffung bzw. zum Leasing von Neoscan-Geräten bean- tragt. Zu Weihnachten sind beide Anträge positiv beschieden wor- den, was bei dem inzwischen 26-köpfigen Neoscan-Team für beste Weihnachtsstimmung gesorgt hat. Das Gehäuse des Neoscan-MRT, in dem der konduktiv gekühlte Magnet in einem Vakuum arbeitet – der sog. »Kryostat«. Neoscan Solutions GmbH Joseph-von-Fraunhofer-Straße 6 | 39106 Magdeburg Tel. +49 (0) 391 5639-8540 info@neoscan-solutions.com | www.neoscan-solutions.com 16 MITTELDEUTSCHE MITTEILUNGEN 1/2022
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