Survivor: #WirfeierndasLeben Alternative digital? - Familien online begleiten - Deutsche Kinderkrebsstiftung
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13575 2.21 Einzelpreis 2,15 Euro Die Zeitschrift der Deutschen Kinderkrebsstiftung und der Deutschen Leukämie-Forschungshilfe e.V. DLFH - Dachverband · Adenauerallee 134 · 53113 Bonn · Postvertriebsstück · Deutsche Post AG · 13575 · Entgelt bezahlt Survivor: #WirfeierndasLeben Alternative digital? Familien online begleiten
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2.2021 Die Zeitschrift der Deutschen Kinderkrebsstiftung und In eigener Sache der Deutschen Leukämie-Forschungshilfe e.V. „Ich bin eine Kämpferin.“ Es sind Sätze wie diese, die zu Herzen gehen. Ausgesprochen hat ihn die junge Frau auf unserem Titelbild. Sie steht stellvertretend Inhalt für die rund 50 000 ehemaligen kinderonkologischen Patienten, die als geheilt gelten. Dank der weiterent- wickelten Medizin haben sie ein gutes Leben. Denn THEMA in den letzten vier Jahrzehnten konnte die Therapie von Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen entscheidende Fort- Survivor 2 schritte machen und somit die Überlebenschancen erheblich verbessert werden. Doch nicht allen Patienten geht es wieder gut. Einige von ihnen AKTUELLES sind durch die Krebserkrankung und -behandlung belastet und haben gesundheitliche Probleme. Diese Spätfolgen treten manchmal sogar noch Krebs trifft die ganze Familie 10 Jahre nach der Grunderkrankung auf. Hausleute: Wie machen es eigentlich die anderen? 13 Die Deutsche Kinderkrebsstiftung setzt sich deshalb nicht nur dafür ein, dass Behandlungsmöglichkeiten verbessert werden, sondern sie begleitet die Patienten während und lange nach der Behandlung, gemeinsam mit Alternative digital?! 16 Ärzten, den psychosozialen Teams in Elternvereinen und Kliniken – und das mit vielfältigen Angeboten. Und dann sind da die Survivor, die etwas Neues Team Rynkeby sucht Mitstreiter 18 weitergeben wollen. Ob als Regenbogenfahrer oder als Mentoren sprechen sie den akut erkrankten Kindern und Jugendlichen Mut zu. Spenden und Aktionen 18 Nicht aufzugeben, zu träumen und zu hoffen, auch wenn es oft sehr Playmobil macht sich für Geschwister stark 20 schwer ist – anlässlich unserer Wunschkarten-Aktion zum Kinderkrebstag erreichten uns viele berührende Bilder und Worte. Da schreibt zum Beispiel SyltKlinik: Zu Gast beim Küchen- und Serviceteam 25 Jeremia: „Ich wünsche mir, dass meine Haare nicht mehr ausfallen und dass ich gut schlafen kann.“ Oder ein kleiner Junge träumt davon, den fahrenden Präventivkurse für Geschwister 27 Zügen im Hamburger Minitaturwunderland wieder zuschauen zu können, und Milas Wunsch ist es, dass alle Kinder wieder gesund werden. Starke Geschwister: Neue Studie 28 Und auch Patricks Zeilen lassen intensiv spüren, was ihn bewegt: „Ich wünsche mir ein normales Leben, mit meinen Freunden spielen und dass dieser Mist-Krebs nie passiert wäre. Ich will, dass es für alle Krebsarten eine KLINIK UND FORSCHUNG Heilung gibt und dass es kein Kind mehr trifft! Und ganz wichtig ist, dass meine Eltern wieder glücklich sind und nicht nur Angst um mich haben.“ HIT-Netzwerk: virtuelle Workshops mit Experten 29 Vielen Dank an alle! Mein Logbuch: Ein Wegweiser 30 Geteilte Angst - gemeinsam mutig 32 Jens Kort Elterngruppen 34 Bücher 49 Termine 50 Impressum Adressen der Elterngruppen 52 , Die Zeitschrift der Deutschen Kinderkrebsstiftung und der Deutschen Leukämie- Forschungshilfe e.V. Herausgeber: Deutsche Leukämie-Forschungshilfe – Aktion für krebskranke Kinder e.V. – D achverband • Redaktion: Ulrike Seidenstücker (Chefredakteurin, V.i.S.d.P.), Katrin Claus, Jens Kort, Dr. Ria Kortum, Sabine Sharma • Redaktionsadresse: Adenauerallee 134, 53113 Bonn, Tel.: 0 228/688460, Fax: 0228/68846-44, redaktion@kinderkrebsstiftung.de • Spendenkonto DLFH: Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE52370501980023002447 • BIC: COLSDE33XXX • Gesamtherstellung: bremm computergrafik, Königswinter, Tel.: 02244/8712564, Info@cg-bremm.de • Fotos: Wenn nicht anders gekennzeichnet, WIR-Redaktion ©2021 • Erscheinungsweise: vierteljährlich Abdruck – auch auszugsweise – aus diesem Heft nur nach Rücksprache mit der Redaktion. Leserzuschriften stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Aus Platzgründen behalten wir uns vor, Kürzungen, die nicht den Inhalt entstellen, vorzunehmen. Um Meinungsvielfalt sind wir bemüht. DLFH © 2021 Dachverband und die Deutsche Kinderkrebsstiftung führen das Spenden-Siegel des DZI (Dt. Zentralinstitut für soziale Fragen). Bezugspreis: 2,15 Euro im Einzelabonnement – Druck auf chlorfreiem Papier – www.kinderkrebsstiftung.de
THEMA Patrizia M.: Durch die Erkrankung habe ich auf der Regenbogenfahrt meinen Mann kennengelernt. Wir erwarten schon sehr bald unser Kind.* *Inzwischen ist das Kind geboren und erfüllt die Eltern mit großen Glücksgefühlen. 2 2/21 DLFH
#Wir feierndasLeben Patrizia, Florian, Constanze, Anne Rieke, Sandra – sie Allerdings haben rund zwei Drittel der Betroffenen alle sind Survivor! Für unsere Porträtreihe haben sie mit Spät- oder Langzeitfolgen zu kämpfen. Hier gilt beim Survivor Day 2019 vor der Kamera gestanden. es genau hinzuschauen, Therapien zu optimieren, Ihre Botschaft: #Wir feiern das Leben! Und das zu um Spätfolgen zu reduzieren, aber auch eine konti- Recht. nuierliche Langzeitnachsorge zu etablieren. Als ehemals krebskranke Kinder und Jugendliche Die Deutsche Kinderkrebsstiftung und die über 70 haben sie ihre Krebsbehandlung abgeschlossen. Elternvereine deutschlandweit stehen seit Jahrzehn- Dank den Weiterentwicklungen der Behandlungs- ten nicht nur Akut-Erkrankten bei, sondern auch möglichkeiten in den letzten Jahrzehnten können in Langzeitüberlebenden aller Altersklassen. Und „unse- den westlichen Industriestaaten rund 80 Prozent der re“ Survivor begleiten mit ihrem großartigen Einsatz Betroffenen erfolgreich therapiert werden. in verschiedenen Projekten junge Patienten. Auf den Immer mehr ehemals krebskranke Kinder und kommenden Seiten stellt die WIR einige Beispiele der Jugendliche überleben ihre Erkrankung und können vielfältigen Unterstützung vor. ein weitestgehend normales Leben führen. S 2/21 DL FH 3
THEMA 3. Survivor Day 25. September 2021 wird digital Bekanntes und Neues kommt per Stream nach Hause Miteinander ins Gespräch kommen, sich informieren, Stream zu sehen ist, gibt es unter anderem auch den feiern – so war es im September 2019, und das Köl- bekannten Informationsmarkt. „Langweilig wird es ner Lokal Herbrand‘s hatte sich in einen besonderen in den gut fünf Stunden nicht, denn es wird auch Marktplatz des Austausches und der Lebensfreude kleine Mitmach-Aktionen für die Zuschauer geben“, verwandelt. Rund 250 Teilnehmer aus ganz Deutsch- verspricht Ria Kortum. land waren in den Kölner Westen gekommen, um beim zweiten Survivor Day dabei zu sein. Genauso Alles zur Teilnahme wie im Vorjahr 2018 schilderten Betroffene ihre Eingeladen und teilnahmeberechtigt sind ehemals Erfahrungen mit der Krebserkrankungen und Fach- krebskranke Kinder und Jugendliche, bei denen leute stellten wichtige Informationen und Angebote das Ende der Krebstherapie mindestens zwei Jahre rund um das Leben nach Krebs vor. Ziel war es, zu zurückliegt, sowie deren Geschwister und Partner. zeigen, wie auch Schwierigkeiten und Spätfolgen Auch Eltern dieser Zielgruppe sind eingeladen, wenn erfolgreich gehandhabt werden können. Und an die Kinder noch jünger sind und den Inhalten nicht jeder Ecke war in beiden Jahren ein Austausch mit alleine folgen können. Gleichgesinnten möglich und so die Chance, regio- Die Anmeldung ist über ein Online-Formular auf nal und überregional neue Kontakte zu knüpfen, sich der Website www.survivor-day.de möglich. Es wird wiederzusehen und zu vernetzen. eine Anmeldegebühr von zehn Euro pro Person, 20 Der Survivor Day der Deutschen Kinderkrebsstif- Euro pro Familie erhoben. Damit sind die Teilnehmer tung steht dafür, dass es vielen ehemaligen Pati- berechtigt, am gesamten Programm teilzunehmen. enten heute gut geht, dass sie mit viel Energie und Der Link zur Landingpage wird mit der Teilnahmebe- zum Teil besonders gestärkt ihr Leben genießen und stätigung verschickt. „feiern“ können. Die Idee ist, Angebote für die un- terschiedlichen Bedürfnisse der „Langzeitüberleben- den“ zu unterbreiten – von denen sowohl ehemalige Patienten mit gravierenden, aber auch solche mit keinen oder wenigen Spätfolgen profitieren. #WirfeierndasLeben In diesem Jahr lädt die Deutsche Kinderkrebsstiftung am 25. September zum dritten Survivor Day ein. „Das Besondere ist dieses Mal, dass wir eine digitale Edi- tion planen. Auch wenn das Format neu und damit Motto des Survivor Day etwas anders ist als gewohnt, finden die Teilnehmer viele bekannte Programmpunkte wieder“, verrät #WirfeierndasLeben Veranstaltungskoordinatorin Dr. Ria Kortum. Die Ziele sind Für den Veranstaltungstag ist eine Lokalität ge- ■ Sensibilisierung für die Themen Spätfolgen mietet. Dort kommen die Moderatoren, die Gäste für und Langzeitnachsorge Vorträge und Gespräche, ein Comedian und eine Mu- ■ Aufklärung und Informieren ohne Ängste zu sikband coronakonform zusammen, um von dort aus schüren das Streaming zu starten. Gegen 10.30 Uhr gehen ■ Vermittlung von Anlaufstellen für Beratung dann die Kameras an, und für die Teilnehmer beginnt und Begleitung am heimischen PC oder am Handy das Streaming ■ Darstellung positiver Verläufe, mit Impulsvorträgen unter dem Motto „Nachsorge. Krankheitsverarbeitungsprozesse und Erfolge Angebote und Erfahrungen“, dem Aufritt von Felix der Kinderonkologie Gaudo mit „Humor-Wissen“, einer Podiumsdiskus- ■ Stärkung der Autonomie, Empowerment und sion unter dem Titel „Langzeitnachsorge gestalten Selbsthilfe durch offene Angebote und die und finanzieren – wie geht das?“ und mit Musik Möglichkeit der Vernetzung der Kölner Band Kasalla. Im Anschluss können bei ■ Gemeinsamkeiten spürbar machen Bedarf in digitalen Sprechstunden offen gebliebene Fragen rund um die eigenen (Langzeit-) Nachsorge ■ Lebensfreude teilen und fördern gestellt werden. Auf der Landingpage, auf dem der 4 2/21 DLFH
Anne Rieke F.: So traurig die Diagnose Krebs war, die Erfahrungen und netten Menschen, die ich dadurch in den jetzt schon zehn Jahren machen konnte, haben mich gestärkt und mein Leben bereichert. Es wäre definitiv anders, und ich würde es eventuell nicht so wert- schätzen. 2/21 DL FH 5
THEMA Constanze H.: Manchmal braucht es Zeit, um zu verste- hen, warum etwas passiert. Aber dann weiß & fühlt man, dass alles so sein sollte, und es ist gut so, wie es ist. 25 Jahre gesund – I’m a survivor. 6 2/21 DLFH
Die (Un)Möglichkeiten der Mentoren-Arbeit während Corona Beim Netzwerk-Treffen planten die Mutmacher die nahe und fernere Zukunft Regelmäßig treffen sich die Mentoren, um Erfahrungen austau- Neue Wege probieren schen, Impulse zu bekommen und zu geben und um ins Ge- Ein Thema des diesjährigen Austausches waren die Möglich- spräch miteinander und mit Gästen zu kommen. Emilia Bickmann keiten und ein kleines bisschen auch die Unmöglichkeiten und Jette Lüdersen arbeiten beide ehrenamtlich als Mentorinnen der Mentoren-Arbeit während der Pandemie. Bis die Patien- auf kinderonkologischen Stationen. Sie berichten vom jährlichen ten wieder auf den Stationen besucht werden dürfen, wird Mentoren-Netzwerk-Treffen, das per Videokonferenz stattfand: sicherlich noch einige Zeit verstreichen. Viele Ideen, wie man Mit circa 20 ehemals an Krebs erkrankten jungen Erwach- in der Zwischenzeit als Mutmacher aktiv sein kann, haben mit senen waren viele aktive Mentoren zugeschaltet. Außerdem Online-Angeboten zu tun. waren einige Ansprechpartner aus den Standorten sowie Dr. Ria Ein paar Fragen, auf die das Netzwerk hoffentlich bald mit Kortum und Tina Geldmacher von der Deutschen Kinderkrebs- mehr Erfahrungen antworten kann: Aber wie bekommt man die stiftung dabei. Zu Gast war die Psychologin und Psychothera- Patienten in den Videochat, wenn man als Mentor nicht mehr den peutin Dr. Johanna Graf aus Tübingen. ersten Schritt machen kann, indem man an der Zimmertür klopft? Bereits aktive trafen auf neu interessierte Mutmacher, die Welche Plattformen sind geeignet? Wie können diese Online-Be- einen ersten Eindruck über die Grundlagen vermittelt bekamen. gegnungen gestaltet werden? Sind Gruppenangebote vielleicht Dabei ging es um Fragen wie: Welche Voraussetzungen sollte ich eine gute Möglichkeit? Und wären Online-Angebote sogar eine mitbringen? Wie bereite ich mich vor? Welche Aufgaben erwarten Chance, um auch ambulante Patienten zu erreichen? Es gibt viel mich? Nur durch den Zugewinn neuer Mentoren ist es möglich, Hoffnung, dass die Mentoren-Arbeit auch langfristig von den das Mentoren-Angebot langfristig aufrecht zu erhalten. Deshalb neuen Wegen profitieren kann, die jetzt gefunden werden. war es besonders erfreulich, in diesem Jahr Vertreter aus den An einzelnen Standorten wurde schon Neues ausprobiert. In Städten Kassel und Mannheim neu begrüßen zu dürfen. Standor- Hamburg konnte die Nachsorge-Jugendgruppe nahezu nahtlos te wie Hamburg, Magdeburg, Erlangen, Stuttgart, Heidelberg und in ein monatliches Online-Treffen umgewandelt werden. Natür- Tübingen zählen im Mentoren-Netzwerk zu den „alten Hasen“. lich ist der Videochat dabei nicht mit dem „echten“ Sich-Gegen- übersitzen zu vergleichen. Doch es funktioniert und ist so viel Ideen-Plattform angedacht besser als gar keine Jugendgruppe. Für die Mentoren-Tätigkeit ist ein regelmäßiger Austausch im In Heidelberg wurden in der Adventszeit Bastel-Päckchen ver- lokalen Team, in dem Mentoren und Ansprechpartner zusam- teilt, zusätzlich wurde zu einem gemeinsamen Online-Nachmit- menarbeiten, sehr wichtig. Wenn sich die aktiven Mentoren tag eingeladen. Besonders die Bastel-Päckchen kamen sehr gut treffen, besprechen sie Erlebnisse und Probleme bei Einsätzen. an, und sie sind ein tolles Beispiel dafür, wie man auch offline Sie schaffen einen stärkeren Zusammenhalt, und es können für etwas Ablenkung auf den Stationen sorgen und den Kontakt schwierige Situationen aufgearbeitet werden. Auch der über- mit den Patienten beibehalten kann. Andere Möglichkeiten regionale Austausch, so stellte das Mentoren-Netzwerk fest, ist wären klassische Briefe oder Postkarten, Fenstergespräche und unentbehrlich, gerade jetzt, in Zeiten der Corona-Pandemie. So virtuelle Ausflüge. war auch das diesjährige Treffen für alle Beteiligten sehr infor- Eins wurde am Wochenende deutlich: Es gibt keinen Grund, als mativ und hilfreich. Mentor während der Pandemie untätig zu sein und nur abzuwar- Alle waren sich aber einig: Ein Treffen im Jahr reicht nicht ten. Es ist alles etwas anders, doch es gibt viele Ideen und Pläne. mehr. Deshalb sind jetzt digitale Treffen in kürzeren Zeitabstän- Die Vernetzung untereinander wird sogar vereinfacht und ermög- den geplant. Außerdem möchten die Mentoren den Austausch licht hoffentlich für die Zukunft einige neue Wege. über die Treffen hinaus aufrechterhalten und das Netzwerk aktiver gestalten. In Zukunft sollen über eine Online-Plattform Inspiriert in die Zukunft Ideen und Erfahrungen aus den verschiedenen Standorten Voller Inspiration und Tatendrang träumten sich die Teilnehmer zusammengetragen werden, um eine rege Kommunikation zur des Mentoren-Netzwerk-Treffens zum Abschluss aber doch Weiterentwicklung der Standorte zu ermöglichen. noch mal ein paar Jahre weiter. Es wurden Visionen skizziert, wie die Mentoren-Tätigkeit in rund fünf Jahren aussehen könnte. Die Mentoren träumten von Mentoren-Camps, überregionalen Mutmacher in den Kliniken Hybrid-Veranstaltungen, von einer breiten Unterstützung ihrer Mentoren sind junge Erwachsene, die als Kinder oder Jugendli- Arbeit und von deutschlandweit noch mehr Standorten, an che krebskrank waren und nun als Mutmacher akut erkrankten denen Mutmacher tätig sind. Patienten und ihren Familien in der Kinderonkologie Hoffnung Aus ihren eigenen Erfahrungen wissen Mentoren gut, wie vermitteln. Sie zeigen, dass man wieder gesund werden kann. sich die Zeit auf der Kinderonkologie anfühlen kann. Die Ideen, Diese Begegnungen zwischen ehemals Erkrankten und Patien- mit denen sie den Familien diese Zeit ein bisschen erleichtern ten von heute können eine sehr große Bedeutung haben, um und Mut machen wollen, gehen ihnen nicht aus. Gerade jetzt Mut und Hoffnung zu vermitteln. Die Deutsche Kinderkrebs- in Zeiten der Kontaktreduktion als zusätzliche Belastung für stiftung sieht darin ein wichtiges Element zur Begleitung von die Patienten ist aus ihrer Sicht die Mentoren-Arbeit umso Betroffenen wichtiger. n 2/21 DL FH 7
THEMA Langsam reicht(´s)! Junge-Leute-Seminar: Kleinigkeiten aus Postpaket begleiten das Wochenende persönlichen Fragen an die Referentin Dr. Angela Mayser, Oberärztin der Endokrinologie und Repro- duktionsmedizin der Uniklinik Bonn. Wieder einmal fiel auf, dass gerade in diesem Bereich die Aufklä- rung der zum Zeitpunkt der Therapie meist jungen Patienten noch nicht ansatzweise zufriedenstellend ist. Viele der Teilnehmer waren schlecht bis gar nicht über die möglichen Einschränkungen durch die Therapie und die Option des Fertilitätserhaltes informiert worden. Kleine Ateliers zu Hause In digitalen Kleingruppen konnten die Teilnehmer an einem Workshop dabei sein. Bei Schauspielerin und Kommunikationstrainerin Caroline Schreiber summ- ten und brummten sie sich durch allerlei Übungen zu einem sicheren Umgang mit der eigenen Stimme. Jeder Teilnehmer des „Jetzt haben wir 16 Stunden miteinander verbracht. Ariana Dietze-Böhm leitete in ihrer Kunstwerkstatt Jungen-Leute-Seminars Das sind zwei ganze Tage, die Pausen noch oben- an, „Ohne Punkt“ zu arbeiten. So verwandelten sich hatte auf dem Postweg ein Päckchen erhalten. Die drauf…“, so fasste Ria Kortum das digitale Junge-Leu- die Zimmer der Teilnehmer durch das mitgeschickte Mitarbeiter des Waldpira- te-Seminar unter dem Motto „Langsam reicht(´s)!“ Back- und Transparentpapier an den Wänden in klei- ten-Camps hatten es auf zum Abschluss zusammen. Die Zeit sei wie im Flug ne Ateliers. Die Mitarbeiterin des Waldpiraten-Camps den Weg gebracht. vergangen, sagt sie. ließ mit Geschichten eines „fahrenden Stiftes“ darauf Die Teilnehmer hatten im Vorfeld alle ein Post- ganze Landschaften entstehen, die ein wenig Ab- paket mit Kleinigkeiten bekommen, die im Laufe wechslung in die eigenen vier Wände brachten. Eine des Wochenendes gemeinsam genutzt wurden. weitere kleine Gruppe nutzte die Zeit gemeinsam Darunter auch eine Schnecke als Kettenanhänger. mit Chris Maier und Lina Grenzicher zum offenen Für eine Teilnehmerin ist sie ein passendes Symbol: Austausch. Sich einfach mal austauschen und we- „Wenn man langsam geht, nimmt man mehr wahr. nigstens virtuell begegnen stand hier auf dem Plan. Deshalb ist langsam manchmal richtig gut“, fasste sie Ein kleines Highlight erwartete die Teilnehmer ihre Gedanken zusammen. am Abend: Sie durften mit in den Saal des Waldpira- Aus dem Fimo, das auch im Paket steckte, wurde ten-Camps! Zumindest fast. Luca Nano, Julie Greiner gemeinsam ein Stoppschild als Stiftaufsatz geformt. und Heiko Wabnitz hatten hier ein professionelles So konnte die Teilnehmer in anderen Momenten Equipment aufgebaut. Die von ihnen geplante deutlich zeigen: Langsam reicht(´s)! Bis hierhin und Rückwärtsshow wollte das Trio nicht einfach vom nicht weiter! heimatlichen PC aus moderieren, sondern wirklich Den rund 30 Teilnehmenden des Junge-Leute-Se- auf der vertrauten Bühne im Camp präsentieren. Die minars reichte es nach dem Begrüßungsabend aber Spiele, die Julie und Luca anleiteten, fingen „von hin- bei weitem noch nicht. Sie nahmen hochmotiviert ten“ an: So gab es beispielsweise auf manch knifflige an den Vorträgen, Workshops und gemeinsamen Antwort eine passende Frage zu finden. Aktionen der nächsten beiden Tage teil. Sie erfuhren zum Start bei einem interaktiven Vortrag von Dr. Fit nach Frühsport Anja Kellermann aus Heidelberg, wie Wölfe kommu- Gabriele Gauß vom Netzwerk active onco-kids nizieren und dass die Giraffe mit ihrem großen Herz weckte die Gruppe am nächsten Morgen erneut mit ein Sinnbild für die gewaltfreie Kommunikation ist. einem aktivierenden Frühsport-Angebot und nutzte dafür den Tennisball aus dem Postpaket. So wach, Mutmacher-Projekt für Geschwister planten die jungen Leute in Kleingruppen einfach Eine kleine Gruppe von Geschwistern dachte mal darauf los, wie sie die nächsten Junge-Leute-Se- gemeinsam mit Tina Geldmacher und Chris Maier da- minare organisieren würden: Mehr Austausch, viele rüber nach, wie sie sich – als Pendant zu den bereits gemeinsame Aktionen, Ernährung und Themen aktiven Patienten-Mentoren – als Mutmachende für der Langzeitnachsorge standen ganz oben auf den die betroffenen Geschwister engagieren könnten. Listen. Es wird spannend, welche Vorschläge daraus Währenddessen erfuhr die Gruppe der ehemaligen beim nächsten Seminar vom 11. /12. bis 14. Novem- Patienten alles, was sie über einen Kinderwunsch ber aufgenommen werden. n (rk) nach Krebs wissen sollten. Sie stellten ihre ganz 8 2/21 DLFH
Meilenstein für die nachhaltige psychosoziale Begleitung Nachsorgeberatungsstelle in Leipzig verfasst wegweisendes Qualitätskonzept Die Elternhilfe für krebskranke Kinder Leipzig widmet sich seit über 30 Jahren der psychosozialen Versorgung junger Krebspa- tienten im Kindes- und Jugendalter und deren Familien. Über- geordnetes Ziel der Organisation ist es, professionelle psycho- soziale Versorgungsstrukturen im stationären und ambulanten Bereich nachhaltig, zukunftsorientiert und finanziell gesichert zu etablieren. Damit soll eine bedarfsgerechte und wirksame psychosoziale Versorgung für die betroffenen Familien von Er- krankungsbeginn an bis in die Langzeitnachsorge gewährleistet werden. Trotz der zahlreichen Herausforderungen, die das Jahr 2020 pandemiebedingt hervorbrachte, konnte die Elternhilfe Leipzig einen zentralen Meilenstein für die psychosoziale Versorgung in der Pädiatrischen Onkologie am Standort Leipzig setzen. Die un- Das Nachsorge-Team in Leipzig: (v.l.) Diplom-Psycologin Carolin Galisch, Diplom- ter der Trägerschaft der Elternhilfe Leipzig tätige Beratungsstelle Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin Yvonne Jäschke und Diplom-Psychologin Christa für ambulante psychosoziale Nachsorge für Familien mit an Engelhardt-Lohrke Fotos: feinesbild.de Krebs erkrankten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachse- nen erarbeitete auf der Grundlage langjähriger Fachexpertise in gungsbedarfen und Zielstellungen ist eine interdisziplinäre und der pädiatrischen psychoonkologischen Versorgung ein umfas- sektorenübergreifende Schnittstellenversorgung notwendig. sendes Beratungsstellenkonzept (Qualitätshandbuch) und legt Das Kernteam der Beratungsstelle erbringt, koordiniert und damit den Grundstein für eine institutionelle Unterstützung. vernetzt ambulante Leistungen in enger Zusammenarbeit Es ist ein umfassendes Beratungsstellenkonzept entstanden, mit der Abteilung Kinderonkologie des Universitätsklinikums das sich an den wesentlichen fachlichen Qualitätsstandards Leipzig. Das Team, in dem Carolin Galisch, Yvonne Jäschke und (S3-Leitlinie der PSAPOH), dem Musterhandbuch der Säch- Christa Engelhardt-Lohrke zusammenarbeiten, ist sich einig: sischen Krebsgesellschaft und dem „Wir sind sehr dankbar für die gute Nationalen Krebsplan orientiert. „Das interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Konzept beschreibt ausführlich unsere allen Kollegen der Abteilung Kinderon- langjährig entwickelte psychosoziale kologie. Besonders intensiv arbeiten wir Versorgung, die wir als Beratungsstelle mit der kinderonkologischen Ambu- betroffenen Familien in der ambulanten lanz zusammen und dürfen eine enge Nachsorge anbieten“, erklärt Sozialpä- und zuverlässige Zusammenarbeit auf dagogin Yvonne Jäschke, Leiterin der Augenhöhe genießen, die für unser Beratungsstelle. tägliches Arbeiten in der Beratungsstel- „Wir haben intensiv unsere Bera- le maximal wertvoll ist.“ tungsinhalte, Methoden, Abläufe und Die ambulante Beratungsstelle stellt Strukturen beleuchtet, reflektiert und konnten so im Sinne von eine umfassende psychosoziale Versorgung zur Verfügung. Sie standardisierten Beschreibungen gemeinsam einen Qualitäts- schließt den gesamten möglichen Verlauf einer onkologischen sprung erreichen“, so Jäschke weiter. „Es macht uns sehr stolz, Erkrankung ein. Daraus ergeben sich drei Leistungsbereiche der innerhalb der Beratungsstellenlandschaft Leipzigs die Fach Beratungsstelle: expertise für ambulante psychoonkologische Beratung in der ■ Ambulante psychosoziale Nachsorge Pädiatrie zu vertreten und diese Versorgung nachhaltig zu eta- ■ Ambulante psychosoziale Palliativversorgung blieren. Somit leisten wir einen Beitrag zur Zielerreichung des ■ Ambulante psychosoziale Nachsorge für verwaiste Familien Nationalen Krebsplanes“, sagt sie. Darin heißt es: Alle Krebspati- enten erhalten bei Bedarf eine psychoonkologische Versorgung. Das Konzept ist sowohl Qualitätsarbeit für die tägliche Versor- Die Beratungsstelle, verortet unter dem Dach der Elternhilfe gung der Patienten als auch ein Grundstein für die finanzielle für krebskranke Kinder Leipzig, unterstützt Patienten und ihre Sicherung der Beratungsstelle. Angehörigen dabei, körperliche, emotionale, soziale und kog- Auf der Grundlage der seit Juli 2020 in Deutschland gelten- nitive (Spät-)Folgen der Erkrankung zu bewältigen. Bestenfalls den neuen gesetzlichen Regelungen zur Förderung ambulanter kann durch frühzeitige psychosoziale Versorgung präventiv Krebsberatungsstellen (§ 65 e SGB V) reichte die Beratungsstelle die Entstehung dieser verhindert werden. Erkrankungs- und zusammen mit der Elternhilfe Leipzig im September letzten Behandlungsfolgen können direkt im Anschluss an die Akutthe- Jahres beim GKV-Spitzenverband einen umfangreichen Förder- rapie bestehen oder zu jedem weiteren Zeitpunkt im Entwick- antrag ein. Das Ergebnis erfreut alle in der Elternhilfe Leipzig lungs- und Lebensverlauf der Patienten auftreten. Aufgrund und macht Mut: Eine Förderzusage und somit eine anteilige der daraus resultierenden Vielzahl an verschiedenen Versor- Finanzierung für die Beratungsstelle. n Yvonne Jäschke 2/21 DL FH 9
THEMA Narben nach intensiver Behandlung Tübinger Elternverein bietet jetzt eine Sprechstunde für Survivor an übernimmt. Die ARGE, ein Zusammenschluss der baden-württembergischen Fördervereine, will sich nach dem ersten Jahr an der Finanzierung beteiligen. Um ehemalige Krebspatienten umfänglich beglei- ten zu können, wird neben der Survivor-Sprechstun- de in Tübingen in diesem Zusammenhang auch die Beratungsstelle n:ipo des Förderkreises krebskranker Kinder in Stuttgart für soziale und sozialrechtliche Fragestellungen mit einbezogen. Interdisziplinäre Zusammenarbeit In den letzten Jahrzehnten hat sich die Überle- bensrate von Kindern und Jugendlichen mit einer Krebserkrankung stark verbessert und liegt heute bei circa 80 Prozent. Das bedeutet, dass vier von fünf Krebspatienten geheilt werden. Das führt dazu, dass es immer mehr junge Erwachsene gibt, die als Kinder oder Jugendliche eine Krebserkrankung überlebt In Tübingen wird derzeit haben. eine Survivor-Sprech- Die Begleitung krebskranker Kinder und Jugendli- Man weiß, dass die intensive Behandlung aus stunde aufgebaut. Auch cher hört mit dem Therapieende nicht auf. Circa zwei Chemotherapie, Bestrahlung, chirurgischen Operati- an anderen Orten gibt es Nachsorgeangebote, Drittel der ehemaligen Krebspatienten sind laut ak- onen, Stammzelltransplantation(en) und Immunthe- die sich an Menschen tuellen Forschungsergebnissen von therapiebeding- rapien physische und psychische „Narben“ hinter- richten, die als Kind oder ten Spät- und Langzeitfolgen betroffen: Sie leiden lässt. Einige dieser therapieassoziierten Spätfolgen Jugendlicher an Krebs unter verschiedenen körperlichen und psychosozia- können auch Jahre und Jahrzehnte nach Ende der erkrankt waren. len Folgen ihrer Erkrankung. Krebstherapie auftreten. Diese Spätfolgen können Auch Jahre nach der Krebserkrankung brauchen sie den ganzen Körper betreffen, zum Beispiel das Herz, noch Anlaufstellen zur Unterstützung und Beratung. die Haut, das Gehör, aber auch die Psyche. In der Dabei geht es darum, das Leben nach der Krebsthe- zweiten oder dritten Lebensdekade kommen öfters rapie weitestgehend „normal“ weiter zu führen, Er- Fragen zum Kinderwunsch auf. Die Abklärung einer lebtes aufzuarbeiten, eigene Stärken und Ressourcen möglichen Infertilität mit unerfülltem Kinderwunsch zu aktivieren, gesund durch Nachsorge zu bleiben bedarf eines sorgsamen Umgangs, die Kollegen der und wieder in die Gesellschaft integriert zu werden. Gynäkologie und Andrologie stehen dem Team dafür Deutschlandweit bieten Kliniken, Elternvereine, zur Seite. Beratungsstellen und Spezialambulanzen regelmä- Auch das Erkennen von möglichen Zweitmaligno- ßige und langfristige Nachsorge an. Anfang 2021 hat men nach intensiver Behandlung wie beispielsweise nun die Tübinger Klinik für Kinder- und Jugendmedi- einer Stammzelltransplantation oder Bestrahlung zin gemeinsam mit dem örtlichen Förderverein eine wird immer wichtiger. Denn die Survivor haben mit Nachsorgeberatung für Survivor ins Leben gerufen. steigendem Lebensalter ein erhöhtes Risiko, ein Dr. Sebastian Michaelis und Thomas Bäumer von Zweitmalignom zu entwickeln. der Tübinger Kinderklinik leiten diese Sprechstunde Da die Fragen und Probleme sehr individuell sind, und bauen diese zusammen mit ihrer Kollegin PD Dr. ist es wichtig, einen genauen Blick darauf zu werfen. Ursula Holzer auf. Sie berichten über ihre Arbeit: Dafür ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit Mit der Survivor-Sprechstunde wollen sie ein nach- mit Spezialärzten vieler Fachdisziplinen notwendig, haltiges Nachsorgeangebot für ehemalige Krebspa- sodass das Versorgungsangebot über die Strukturen tienten schaffen mit dem Ziel der Früherkennung der pädiatrischen Onkologie heraus reichen muss. therapieassoziierter Spätfolgen jeglicher Art. Da auch mehrere Jahre nach Therapieende psychische Seelische Bewältigung der Diagnose Belastungen in Erscheinung treten können, ist eine Neben der körperlichen Bewältigung einer Krebser- psychoonkologische Beratung integriert. krankung und deren häufig jahrelanger Behandlung Ermöglicht und finanziert wird dieses wichtige spielt die seelische Bewältigung der Diagnose und Projekt durch den Förderverein für krebskranke der vielen belastenden Situationen während der The- Kinder Tübingen, der die Kosten für das erste Jahr rapie eine extrem wichtige Rolle für Kinder, Jugend- 10 2/21 DLFH
liche und deren Angehörige. Wie diese Lebenskrise dieser „alten Geschichten“ ansprechen sowie ge- bewältigt werden kann, hängt bei ehemaligen gebenenfalls Lösungsmöglichkeiten besprechen. pädiatrischen Patienten von vielen unterschiedli- Der pädiatrisch-psychoonkologische Blick auf das chen Faktoren ab: dem Angst- und Stresserleben der aktuelle Denken und Erleben von ehemals erkrank- Eltern, dem Umgang der Eltern mit der Erkrankung, ten Kindern und Jugendlichen ist wichtig für die see- der Therapie und der Zeit nach Ende der Therapie, lische Bewältigung eines erwachsenen Survivors. Bei den Ressourcen der Familie, sonstigen weiteren fami- bereits bestehenden psychischen oder physischen liären Belastungen und natürlich dem individuellen Belastungen – plötzliche Weinattacken, depressiver Denken und Erleben der Patienten. Grundstimmung, nicht nachvollziehbaren Gefüh- Gerade Säuglinge und Kleinkinder sind hierbei in len von Angst oder Überforderung, ausgeprägter allem auf ihre Eltern angewiesen. Die für eine gute anhaltender Müdigkeit – ist diese Herangehensweise Krankheitsbewältigung notwendigen Voraussetzun- unabdingbar. gen wie Sprache, eigenes unabhängiges Bewerten Hieran wird deutlich, wie eng körperliche und von Situationen und das Bilden von Narrativen (ei- seelische Prozesse miteinander verknüpft sind. gene Geschichten der Erlebnisse) stehen über einen Da diese Zusammenhänge den Betroffenen oder langen Zeitraum wenig bis gar nicht zur Verfügung. deren Eltern häufig nicht bewusst sind, ist die Sie müssen im Laufe der Jahre Schritt für Schritt sel- Survivor-Sprechstunde eine wichtige Ergänzung zu ber erdacht und mit Unterstützung von „verlässlichen bereits bestehenden Angeboten wie beispielsweise Erwachsenen“ angepasst und differenziert werden. der Transition. Und gerade das Erschaffen von verständlichen, möglichst unbelasteten Narrativen ist für eine späte- Individuelle Beratung re gesunde psychische Entwicklung extrem wichtig. „Wir möchten solch eine individuelle Beratung anbie- Wenn Eltern beispielsweise der Überzeugung sind, ten und freuen uns über Euer und Ihr Interesse“, so dass sie mit ihrem Kind nicht über die zurückliegen- Michaelis. Rechtzeitig erkannte Folgeerkrankungen den belastenden Ereignisse sprechen sollten und sie können übrigens meistens gut behandelt werden, selber auch gar nicht mehr daran erinnert werden sodass eine Früherkennung besonders wichtig ist. wollen, tun sie ihrem Kind und dessen Krankheitsbe- Aktuell befindet sich die Survivor-Sprechstunde wältigung keinen Gefallen. noch im Aufbau, das Team möchte ein interdiszipli- näres Konsilwesen mit konkreten Ansprechpartnern „Altes Erleben“ aufarbeiten des jeweiligen Fachs mit regelmäßigen Fallkonfe- Daraus folgt: Die seelische Bewältigung bei pädiat- renzen anbieten. Zusätzlich strebt es eine Zusam- rischen Patienten ist ein langdauernder Prozess und menarbeit mit der Arbeitsgruppe „Spätfolgen in der erst im Erwachsenenalter „abgeschlossen“ und in das Pädiatrischen Onkologie“ – dem Late Effects Surveil- aktuelle Denken und Erleben des Survivors integ- lance System (LESS) der Gesellschaft für Pädiatrische riert: „Heute verstehe ich es besser, warum meine Onkologie und Hämatologie (GPOH) an, welche sich Eltern und Großeltern damals alle so aufgeregt und darüber hinaus der Zusammenarbeit mit anderen nervös sein mussten und mich das so belastet hat. internationalen Organisationen verpflichtet sehen. Ich bin froh, dass wir in der Familie darüber reden Weiterführende Informationen sind auf dem können und mir ist klar, dass diese Zeit mit allen be- Internetauftritt der LESS verfügbar: www.nachsor- lastenden Gefühlen und Erlebnissen untrennbar zu ge-ist-vorsorge.de/. Die Nachsorgeuntersuchungen meinem Leben dazugehört. Ich verstehe jetzt besser, stehen in Abhängigkeit der Grunderkrankungen, der woher eine gewisse ‚Grundangst‘ bei mir kommt und stattgehabten Therapie und den jeweils im Vorfeld dass sie irgendwie zu mir gehört.“ benannten Fragen und Problemen. n Da die Aufarbeitung des „alten Erlebens“ bei vielen Jugendlichen und Erwachsenen unzureichend ist, wirken viele der damals erlebten Gefühle, Gerüche, Geräusche oder Stimmungen in den aktuellen Alltag des Survivors hinein und beeinflussen ihn: „Ich weiß auch nicht warum, aber ich habe große Angst davor, alleine zu sein.“, „Ich kann das kaum aushalten, wenn ich meine Mutter weinen sehe.“, „Ich glaube, dass ich häufig so traurig und niedergeschlagen bin, gehört einfach bei mir dazu.“ Häufig lassen sich solche belastenden Gedanken und Gefühle eindeutig mit Dr. Sebastian Michaelis, Facharzt Thomas Bäumer, pädiatrischer den lange zurückliegenden alten Erfahrungen im für Kinder- und Jugendmedizin Psychoonkologe und Famili- Rahmen der onkologischen Therapie in Verbindung entherapeut bringen. Das Erkennen dieser Zusammenhänge ist Eine Zusammenstellung von deutschlandweiten Nachsor- meistens bereits der erste Schritt für ein Nachlassen ge-Angeboten wie Sprechstunden und Beratungsstellen des belastenden Erlebens. gibt es auf In der Survivor-Sprechstunde werden die Ärzte www.kinderkrebsinfo.de/services/nachsorge_angebote/index_ger.html zusammen mit dem Survivor unter anderem solche Seit diesem Jahr können hier auch Nachsorge-Einrichtungen nach Anmel- Integrationsprozesse und Krankheitsnarrative dung selbst Angebote eingeben oder diese aktualisieren. anschauen und die Bedeutung der Aufarbeitung 2/21 DL FH 11
Starke Geschwister: Finja, Felina und Fabian: Als 13-Jähriger erkrankte der Junge an AML. . Krebs betrifft die ganze Familie Die Eltern von Fabian erzählen ihre Geschichte: Als Familie steht die Welt niemals still Wenn ein Kind Krebs hat, dann betrifft das die ganze Fabian, damals 13 Jahre alt, hatte ansonsten keine Familie. Die Diagnose ist erschütternd, die Ängste als Symptome, nichts, was die Familie argwöhnisch Eltern kaum auszuhalten. Es fühlt sich an als würde die gemacht hätte. Doch die Diagnose war trotzdem so ganze Welt still stehen.vAuch die kleinsten Geschwis- unfassbar wie eindeutig: Akute myeloische Leukämie ter spüren schnell, dass etwas nicht in Ordnung ist. (AML). Doch als Familie steht die Welt niemals still. Neben Dass diese bösartige Erkrankung bei Fabian so früh dem Schock, den es zu verarbeiten gibt, und dem, erkannt wurde, war nicht nur ein großes Glück, son- was es rund um die Behandlung in die Wege zu lei- dern auch reiner Zufall. Offenbar hatte ein Laborant ten gibt, sind da oft noch Geschwister mit ihren Sor- im Blut Auffälligkeiten entdeckt und schlichtweg gen und Bedürfnissen und auch die Großeltern. Da genauer hingeschaut als eigentlich vorgesehen. ist noch der Haushalt, der sich nicht alleine erledigt, An einem Mittwoch wurden Fabian und seine und Jobs, die kein Geld einbringen, wenn man nicht Eltern Heike und John über die Diagnose und die hingeht. Das Umfeld stellt Fragen, der Kindergarten erforderliche Behandlung aufgeklärt. Am Samstag muss informiert, die Schule organisiert werden. Mit ging es direkt mit der Hochdosis-Chemotherapie los. der Diagnose einer Krebserkrankung beginnt ein In aller Kürze, mitten in der schlimmsten Krise ihres Lebensabschnitt voller Herausforderungen für alle Lebens, musste sich die Familie an die neue Situation Familienmitglieder. So ging es auch Familie H., die in anpassen. einem Telefoninterview ihre Geschichte erzählt hat. Fünf sogenannte Blöcke Chemotherapie, anschlie- ßend eine allogene Knochenmark-Transplantation. Die Diagnose und Behandlung Alles in allem standen nun acht Monate Akutthera- Familie H. war gerade auf Fahrradtour, als sie einen piezeit vor ihnen, mit nur wenigen Wochen Pausen Anruf vom Kinderarzt erhielten. Sie sollen bitte sofort zwischen den Krankenhausaufenthalten, die der in die Klinik nach Würzburg kommen! In einer Routi- Jugendliche zu Hause bei seiner Familie verbringen neuntersuchung waren einige Blutwerte des Sohnes durfte. auffällig. Sehr auffällig. 12 2/21 DLFH
Zwei Drittel eines Jahres zwischen Klinik und zu Gerade zu Beginn waren Heike und John meistens Hause, zwischen Hoffen und Bangen um die Gesund- beide in der Klinik. Später wechselten sie sich meis- heit des Jugendlichen. Und auch die Monate nach tens ab, damit immer einer bei Fabian sein konnte der Transplantation waren zunächst geprägt von und einer zu Hause. Nach zwei bis drei Wochen mehreren wöchentlichen Kontroll-Terminen in der hatten sie das Gefühl, in der Realität angekommen Kinderklinik. Erst mit fortschreitender Etablierung zu sein. Damals. Jetzt, zurückblickend wissen sie – der Therapie konnte die engmaschige Begleitung sie waren auch zu diesem Zeitpunkt noch völlig in reduziert werden. einem Tunnel. „Man steckt drin und sieht das Ende nicht“, erin- Geschwister geben Halt. Und brauchen ihn. nern sie sich. Irgendwann wurde der neue Tagesab- Fabians Schwestern Felina und Finja waren zum lauf und die Behandlung zwar mehr und mehr zur Zeitpunkt seiner Diagnose sechs und elf Jahre alt. Routine, aber die Bedrohlichkeit blieb. Durch die „Finja ist plötzlich, innerhalb von Tagen erwachsen aggressive Behandlung wurden zwar die Krebszellen geworden”, erinnern sich John und Heike. Schon am Schritt für Schritt zerstört, doch die Nebenwirkungen Tag der Diagnose hatte sie die Bedrohlichkeit der waren immens und kräftezehrend – für Fabian und Situation sofort erkannt und alles um sich herum auch für seine Eltern, die ihr Kind leiden sahen und genauestens wahrgenommen. durch alle Höhen und Tiefen begleiteten. Die Eltern mussten mit Fabian in die Klinik, beide John ist seinem Arbeitgeber sehr dankbar. Er stieß wollten dies zusammen mit ihrem Ältesten durchste- auf großes Verständnis, Flexibilität und Entgegen- hen. Geschwister unter 14 Jahren durften allerdings kommen im gesamten Team, das für ihn einsprang, nicht mit. Die Großeltern sollten zu diesem Zeitpunkt wann immer es erforderlich war. Durch Krankmel- noch nicht informiert und in Aufruhr gebracht wer- dungen, Urlaubstage und Überstundenabbau schau- den. Während die Eltern noch überlegten, war Finja felte er sich notfalls ganz frei und wusste, dass er auf sofort klar: „Fahrt ihr. Ich seine Kollegen zählen passe auf Felina auf. Ich konnte. Heike wollte ei- schaffe das schon“. gentlich zum Zeitpunkt Sichtlich gerührt und der Diagnose gerade voller Stolz erinnern sich einen neuen Job begin- die beiden Eltern: „Finja nen. Doch dies schob und Felina haben uns sie auf, damit sie allen Halt gegeben. In diesem Anforderungen rund um Moment, aber auch die Kinder, den norma- oft danach.” Geschwis- len und neuen Alltag ter-Zwistigkeiten gab gerecht werden konnte. es plötzlich kaum mehr. Entlastend für alle war, Ihren Bruder haben sie in Familie H: „Finja und Felina haben uns Halt gegeben. In diesem Moment, dass beide Großeltern der Klinik in all der Zeit aber auch oft danach“, erinnern sich die Eltern Heike und John sichtlich und Verwandte in der nur sehr wenige Male gerührt. Nähe wohnten. So wuss- persönlich besuchen dürfen, nämlich wenn dieser te Familie H. um die glückliche Lage, dass sie notfalls aus der Quarantäne „Freigang“ im Klinikpark hatte. auf eine wichtige Hilfe zurückgreifen konnten, wenn Umso schöner war die gemeinsame Zeit zu Hause. alle Stricke reißen sollten. Bei all ihrer Stärke und Kraft erinnert sich Finja aber auch mit ehrlichen Worten: „Manchmal habe ich Was hilft, sind Gesten der ehrlichen Anteilnahme mich schon ein wenig neidisch gefühlt, da sich alles Einigen Familien hilft es, wenn sie in Haushalt und um Fabian gedreht hat“. Richtig blöd war, dass viele Alltag unterstützt werden. Für Heike war es anders. auch die Schwestern immer nur gefragt haben: „Wie „Mein Haushalt war für mich ein kleines Stück Nor- geht es Fabian?“. Als würden Finja und Felina nur ne- malität, die ich mir bewahren wollte. Das wollte ich benher existieren. Eine Erfahrung, die die Eltern den nicht auch noch abgeben, wie meinen Sohn in die beiden gerne erspart hätten. Sie wissen, dass auch Klinik“. Auch hier war es aber gut zu wissen, dass mit die tapfersten Geschwister nicht nur Halt geben, son- den Omas oder Schwägerinnen sowie Freunden, die dern auch viel Halt brauchen in dieser Zeit. Von den dies immer wieder anboten, notfalls Unterstützung Eltern, aber auch vom gesamten Umfeld. dagewesen wäre. Aber die Familie hütete sich ihr eigenes System so gut es ging. Man steckt drin und sieht das Ende nicht Besonders geholfen hat in dieser Zeit das gesamte Die Eltern pendelten von Beginn an. Die Klinik war Team in der Klinik – die Pfleger, die Schwestern, nur ca. 30 Minuten Fahrtzeit von ihnen entfernt, die Ärzte, das psychosoziale Team und der Eltern- sodass sie keine „Eltern“-Wohnung der sehr akti- verein vor Ort. Hier erlebte die Familie eine große ven Eltern-Initiative in Anspruch nehmen mussten. Unterstützung. Besonders wertvoll war für sie in all Fabian blieb mit seinen 13 Jahren tapfer nachts allein der Zeit auch, wenn sie aufrichtiges Interesse ihrer im Krankenhaus und die Eltern schliefen in ihren Nachbarn, von Freunden und Bekannten erfuhren, eigenen Betten. Morgens wurden die Geschwister wenn sie überraschende Gesten erlebten, auch versorgt und in die Schule gebracht, John fuhr zur von Mitmenschen, die ihnen eigentlich gar nicht so Arbeit, Heike in die Kinderklinik. nahestanden. 2/21 DL FH 13
Da war der Schulleiter von Fabian, der sie als ganze Familie verlässlich durch die Zeit begleitete, der da- malige Klassenlehrer und die Theaterlehrerin, die bis heute Kontakt halten, die Nachbarn und Bekannten, die geweihte christliche Symbole zum Schutz von der Wallfahrt mitbrachten, oder eine entferntere Nachbarin, die in einer Karte mit Schutzengel gute Wünsche schickte. Überraschende Momente, die Kraft gaben und zeigten, dass jemand ehrlich Anteil nahm. Dies half auch ein wenig darüber hinweg, dass sie von so manch anderen Freunden eher enttäuscht wurden. „Am Anfang melden sich die Leute noch. Da fehlt aber die Kraft für die Antwort“, erinnern sich Heike und John. Allen Lesern, die Familien in einer solchen Situation kennen, raten sie, gerade zu Beginn keine Antworten zu erwarten. „Wir hatten ja selbst keine!“. Wenn man sich in dieser Zeit nicht zurückmeldet, heißt das, dass man gerade nicht antworten kann, aber nicht, dass man nicht antworten will: „Habt Ge- duld mit den betroffenen Familien, vergesst sie nicht und bleibt dran.“ Neben Textnachrichten schicken nicht durchgestanden, um dann an diesem Virus auch einfach mal anrufen oder vorbeifahren, emp- zu sterben!“, ängstigte er sich verständlicherweise fehlen die beiden zurückblickend. sehr. Die 8. Klasse hatte er noch in der Therapiezeit Heike und John wurde schnell klar, dass sie das abgeschlossen. Die 9. Klasse besuchte er zunächst Informationsbedürfnis des Umfelds nicht „einzeln“ während der Therapie, teils mit Klinikunterricht, teils bedienen konnten, auch wenn sie es gerne gewollt durch täglich wechselnde Fachlehrer im Hausunter- hätten. Es war für sie schlicht ermüdend, jedem richt. immer das Gleiche zu erzählen. Sie hatten nicht die Durch Corona wurde der Anschluss an die Lehrin- Kraft und sie verloren den Überblick, wem sie eigent- halte jedoch weiter erschwert. Fabian wiederholt lich was schon erzählt hatten. nun doch die 9. Klasse – mit weniger Druck, die Din- Sie hatten ohnehin früh begonnen Tagebuch zu ge aufholen zu müssen. Dies zu akzeptieren ist ihm schreiben, in dem sie die Therapie, all ihre Erlebnisse, nicht leichtgefallen. Seine Freunde und die alte Klas- Gedanken und Gefühle loswerden und sortieren se fehlten ihm doch sehr. Viele haben sich während konnten. Der enge Kreis, der ehrlich interessiert am seiner Behandlungszeit zurückgezogen, was er bis Verlauf der Dinge war, wurde nun eingeladen, in heute nicht ganz verstehen kann. Das macht ihn sehr einem anonymisierten Blog mitzulesen. Die Eltern er- traurig, vor allem, weil er einfach gerne verstehen stellten kurzerhand eine Verteiler-Gruppe mit 40-50 würde, warum? Wieso melden sich seine engeren Personen, über die sie in regelmäßigen Abständen Freunde von jetzt auf gleich nicht mehr? Was geht von Fabian und ihnen als Familie berichteten. wohl in denen vor? Am Ende standen da 250 Seiten ungeschönte Fabian versucht optimistisch in die Zukunft zu nackte Wahrheit. Nicht um eine Reaktion zu erhalten. schauen, und es tut ihm gut, zu merken, dass seine Aber der Blog gab die Möglichkeiten, gezielte Fragen neue Klasse ihn gut aufnimmt, seine Lehrer ihn sehr zu dem Geschriebenen zu stellen und so teilzuhaben. unterstützen. Er wünscht sich nichts mehr, als end- Und er ist auch Selbst-Therapie – bis heute. Die Rück- lich wieder „ganz normal“ richtig zurück ins Leben meldungen zeigten, dass diese ganz persönlichen kehren zu können. Mit allem Drum und Dran. Einblicke sehr dabei halfen, die Situation der Familie Dabei begleitet ihn auch eine ganz besondere besser zu verstehen und die Sprachlosigkeit, die sie Vorfreude: Bald darf er seinem Spender persönlich im Umfeld oft ausgelöst hatte, zu überwinden. begegnen, der ihm mit einer Knochenmarkspende das Leben gerettet hat. Von Beginn an gab es einen Zurück in den Alltag regen Briefkontakt zu ihm. Nicht nur Fabian, auch Heute, gut 1,5 Jahre nach der Behandlung geht es seine Schwester Finja tauscht sich in Briefen gerne Fabian gut. Nach Ende der stationären Therapie mit ihm aus. Post, die bisher noch von der Klinik zum musste er noch einige Monate Immunsuppressiva Schutz des Spenders geprüft und anonymisiert wird. nehmen und die ganze Familie musste zu seinem Die ganze Familie fiebert dem Moment entgegen, Schutz vor Infektionen strenge Hygienevorkehrun- nach Ende dieser Schutzzeit dem jungen Mann in die gen einhalten. Mitten in diese Zeit, als sich Fabians Augen schauen zu dürfen, der ihnen das allergröß- Immunsystem endlich weitestgehend stabilisierte te Geschenk auf Erden gemacht hat. Irgendwann und die Medikamente reduziert werden sollten, kam möchte Familie H. auch noch dem Laboranten dan- jedoch der nächste Dämpfer: Corona. Für Fabian ein ken, der so gründlich hingeschaut hat, dass Fabians harter Schlag. schwere Krebserkrankung erkannt wurde, noch ehe Nun wurde er erneut – dieses Mal durch die sich Symptome zeigten. n Ria Kortum Pandemie – ausgebremst: „Ich habe das alles doch 14 2/21 DLFH
Wie machen es eigentlich die anderen Angeregter Austausch der Hausleute: Gerade in der Pandemie ein wichtiger Impuls Virtueller Austausch der Elternhaus-Teams: Im Mittelpunkt standen die Aktivitäten während der Pandemie. Wenn das Wörtchen „eigentlich“ nicht wäre: Haus- liche psychosoziale Elternvereins-Team derzeit nicht leute aus allen Teilen des Landes wären nach Krefeld möglich sei. „Das ist ein Dilemma, da wir die betrof- gekommen, um sich ein Wochenende lang über ihre fenen Familien vorher zu Hause unterstützt haben.“ Arbeit, ihre Ideen und Gedanken auszutauschen. Für die Magdeburger Elternhaus-Mitarbeiter öffnen „Ich denke an all die Treffen, die es in den 30 Jahren sich hingegen einmal wöchentlich nach einem gab. Eigentlich hätten wir jetzt mit einer Klinik- oder Test und mit einer Maske die Stationstüren. „Somit Hausbesichtigung begonnen“, sagt Peter Hennig können wir Kontakt mit den Eltern halten. In die etwas wehmütig. Patientenzimmer gehen wir nicht“, so Sandra Matz. Dennoch schätzt er genauso wie die circa 20 Eltern, die ihre Kinder auf der Tübinger Station Teilnehmer die Chance, mit den Haus-Kollegen an begleiten, dürfen die Klinik nach der Aufnahme einem Samstagnachmittag in einem Online-Meeting nicht verlassen und in einem der beiden Elternhäu- ins Gespräch zu kommen. „Digital funktioniert vieles. ser übernachten oder diese als Rückzugsort nutzen. Wir wollen mit dem virtuellen Treffen Mut machen In Heidelberg gelten im Haus die gleichen Auflagen und zeigen, dass man nicht nur in der Warteposition wie in der Klinik, nur Klinikbesucher können die verharren muss“, unterstreicht Dr. Ria Kortum von der Zimmer im Haus nutzen. In Frankfurt können zwei Deutschen Kinderkrebsstiftung das Anliegen. Und Mitarbeiterinnen Dinge in die Klinik bringen bzw. dass ein Austausch vor dem Rechner intensiv und holen. „Wir haben die Zeit genutzt und in allen Zim- ergiebig sein kann, zeigte das dreistündige Mitei- mern des Elternhauses eine Küche eingebaut. Damit nander. Ein Motto hatte quasi Gisela Dingert vom haben die Familien künftig die Möglichkeit, sich Elternverein Frankfurt mit ihrer Frage beigesteuert: zurückzuziehen“, berichtet Gisela Dingert. Detailliert „Wie machen es eigentlich die anderen?“ tauschen sich die Teilnehmer auch dazu aus, ob und wie Tests in den Häusern angeboten und wie diese Arbeiten in Corona-Zeiten finanziert werden. * Die Corona-Bedingungen beeinflussen die Arbeit aller: Die strengeren Hygienevorschriften sind Trotz alledem aktiv notwendig, schützen sie so die erkrankten Kinder Groß waren die Sorgen zu Beginn der Pandemie, und Jugendlichen. Aber für die Fachkräfte aus den wie sich die Unterstützung von Spendern in diesen Elternvereinen ist es jetzt oft schwieriger, die Patien- Zeiten entwickeln würde. Als Peter Hennig davon ten und ihre Familien auf den Stationen zu begleiten. berichtet, nicken viele Teilnehmer zustimmend. Der „Wir dürfen derzeit die Station nicht betreten“, sagt Essener Vorstandsvorsitzende berichtet, sein Team Dagmar Hildebrandt-Linn, Geschäftsführerin des habe nach alternativen Akquisewegen gesucht: Un- Göttinger Elternvereins. Sie erzählt, dass beispiels- ter anderem erschienen in Zeitungen Beiträge über weise eine palliative Begleitung durch das hauptamt- die Arbeit des Elternvereins, und man nutze nun neue 2/21 DL FH 15
Spendenplattformen. „Berührt haben uns Nachrichten über unsere Arbeit. Es ist durchaus passiert, dass die von Erstspendern. Sie schrieben uns: Es ist wichtig, Euch Zimmerpatenschaft verlängert wurde“, so Geschäfts- in dieser Zeit zu unterstützen“, sagt Hennig. führerin Cornelia Völklein. Zwar fehle es allen, Aktionen zu starten, aber Vertieft wurden die Gespräche abschließend in verschiedene kreative Ideen wurden trotz Pande- kleineren Gruppen. Ein Aspekt, den unter anderem mie umgesetzt. In Frankfurt treten beispielsweise Sandra Matz sehr schätzte: „Es war ein guter Impuls Musiker bei Online-Konzerten auf. Diese, so Gisela zum weiteren Austausch.“ Auch für Dagmar Hilde- Dingert, könnten perspektivisch zu Live-Auftritten brandt-Linne war die Online-Runde eine gute Gele- werden. Musikalisch wurde es auch in der Kölner genheit, um ins Gespräch zu kommen. Sie freut sich Uni-Klinik bei Balkon-Konzerten. „Man sollte den aber auch darauf, gemeinsam mit den anderen dazu Spendern zeigen, welche Aktionen man anbie- ein Glas Wein oder einen Kaffee zu trinken, wenn es tet“, ist Pia Gohla von der Elterninitiative Erlangen wieder möglich ist. n (us) überzeugt. Mit dem Abschluss einer einjährigen Zimmerpatenschaft können in Erlangen die Unter- *Nach der Veranstaltung hat sich die Deutsche Kinder stützer hautnah erleben, wie das gespendete Geld krebsstiftung mit der Gesellschaft für pädiatrische eingesetzt wird. Zudem erhalten die Spender eine Onkologie und Hämatologie (GPOH) ausgetauscht. Urkunde, und an der Zimmertür wird ein Schild mit Psychosoziales Personal und Betreuung ist in den Klini Namen aufgehangen. Ein Projekt, mit dem der Stutt- ken erwünscht. Elternvereine oder Elternhäuser sollen garter Elternverein bereits sehr gute Erfahrungen mit den Klinik-Abteilungen vor Ort Kontakt aufnehmen gesammelt hat: „Zum Ende der Patenschaft bedan- und gemeinsam die Möglichkeiten von Tests und / oder ken wir uns bei unserem Spender und berichten ihm Impfungen eruieren. Alternative digital?! Verschiedene Online-Formate helfen, die psychosoziale Begleitung aufrecht zu erhalten Genau wie die Waldpiraten haben viele der ande- ren psychosozialen Teams vor einer Veranstaltung Päckchen mit Materialien verschickt. „Das hat für unsere Bastelaktion gut funktioniert“, sagt Janine Langner aus Magdeburg. Auch in Chemnitz wurde mit der Gruppe verwaister Eltern gebastelt sowie Eltern zum Frühstück eingeladen. In der Vorweihnachtszeit habe man Lebkuchen- häuser gebaut, erzählt Franziska Blessing vom Stuttgarter Nachsorgeteam. In Braunschweig sind hingegen über den Postweg Backzutaten zu den Familien gelangt, damit in den heimischen Küchen Brot gebacken werden konnte. Online gemeinsam backen: Der Braunschweiger Verein Weggefährten hat mit Familien Brote gebacken. Sport vor der Kamera Die digitale Kommunikation hat in den vergangenen Während der Magdeburger Verein in den kommen- Monaten einen kräftigen Schub bekommen: Aber ist den Monaten Tai Chi anbieten möchte, gab es im es wirklich d e r Weg, um miteinander in Verbindung Dresdener Verein Sonnenstrahl bereits zweimal Yoga. zu bleiben? In einer Online-Veranstaltung, zu der das Waldpiraten-Camp gemeinsam mit der Deutschen Kinderkrebsstiftung eingeladen hatte, berichteten Mitarbeiter aus dem psychosozialen Bereich der El- ternvereine über ihre neuen Projekte. Dabei stellten sie verschiedene Formate vor. Gemeinsam mit den Teilnehmern spielte die Kona in München beispielsweise Roulette und Exit-Spie- le. Jetzt plane das Team der Koordinierungsstelle gerade einen Cocktailabend – parallel als Präsenz- veranstaltung und als digital-hybride Variante, so Ja- queline Fischbach, Mitarbeiterin der Kona. Ein Weg, den auch das Waldpiraten-Camp geht: „Dadurch ist man flexibel und in alle Richtungen offen, aber es ist Für Bücherfans hat der Dresdener Verein Sonnenstrahl zu einer Vorlese auch viel Arbeit, doppelt zu planen“, schlussfolgert reihe eingeladen. Beim Finale hielten die Zuhörer Danke-Schilder in die Camp-Leiterin Sonja Müller. PC-Kameras. 16 2/21 DLFH
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