Intermezzo Der Musikverein im Lockdown - FEBRUAR 2
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Inhalt Editorial 4 Stimmen aus dem Lockdown 8 Wie erleben europäische Konzerthäuser die Krise? Träumen, atmen, tun 12 Friedrich Cerha Der Elefant im Goldenen Saal 15 Fasching im Musikverein Offen hinter geschlossenen Türen 18 Die Konzertkassa im Musikverein „Mehr für einen Caruso als für einen Paganini“ 22 Erich Wolfgang Korngold und sein Violinkonzert The Maestro 26 Gustavo Dudamel Nur das halbe Vergnügen? 30 Musik, reproduziert und reduziert Standards 34 Chronik 3
Liebe Musikfreundinnen und Musikfreunde, oder einem Streichquartett live auf der Bühne zuzuhören! Und zwar gemeinsam, als Publikum, als gemeinsame musikalische Erfahrung, an der alle teilhaben können. Musik und Kultur sind lebensnot- wendig – das wird uns allen nun, da Kultur aufgrund der Pandemie aktuell nicht live möglich ist, umso mit dieser Ausgabe unserer Zeitschrift senden wir schmerzlicher bewusst. Ihnen herzliche Grüße aus dem Musikverein! Das ist uns umso mehr ein Anliegen, weil wir mit Ihnen in Selbstverständlich verstehen wir, dass die Gesundheit Kontakt bleiben möchten – in dieser Zeit, in der vorgeht! Und natürlich unterstützen wir die Maßnah- Live-Konzerte im Musikverein mit Publikum leider men der Bundesregierung, um die Pandemie in den nicht möglich sind. Ich schreibe Ihnen diese Zeilen in Griff zu bekommen. Aber zugleich brennen wir den letzten Jänner-Tagen, an denen noch keine darauf, Musik wieder möglich zu machen und die terminliche Perspektive vorlag, wann Konzerte wieder Konzertsäle im Musikverein wieder zu öffnen – für möglich sein werden. Daher enthält diese Ausgabe Sie, für die Künstlerinnen und Künstler und für uns. unserer Zeitschrift auch zum ersten Mal kein Und damit können wir nicht auf das Ende der Kalendarium, keine Vorschau auf Konzerte – eben Pandemie warten, sondern wir müssen jetzt Schritte weil wir derzeit, Ende Jänner, noch nicht planen setzen, damit Kultur in der Pandemie wieder möglich können. werden kann. Daher haben wir in der Kulturszene überlegt, was wir aktiv, konstruktiv und entschieden Wir setzen uns mit allen Möglichkeiten, die wir haben, dazu beitragen können, um die Wiedereröffnung der dafür ein, dass so schnell als möglich wieder Konzerte Kultur so bald als möglich realisieren zu können. stattfinden können. Die Musik darf nicht verstummen! Dazu haben sich führende Kulturinstitutionen zu Wir führen Gespräche in unterschiedlichsten einer bundesweiten Plattform von Theatern, Opern- Konstellationen, wir sind im Dialog mit politischen und Konzerthäusern zusammengeschlossen, um in Entscheidungsträgern, und wir sind vernetzt mit vielen einem gemeinsamen Positionspapier zur Wiedereröff- anderen Häusern und Kulturinstitutionen, in nung der Kultur Dialogbereitschaft zu signalisieren Österreich und Europa. Wir brennen darauf, den und gemeinsam zu formulieren, was für die Wieder Musikverein so bald es irgend möglich ist wieder zu eröffnung der Kultur notwendig ist. Diese konkreten öffnen – die Säle sind zu still, wir vermissen die Vorschläge und Forderungen der Kultur haben wir in Künstlerinnen und Künstler, und wir vermissen Sie, einem gemeinsamen Brief an Herrn Vizekanzler unser Publikum. Die Musik, davon sind wir zutiefst Werner Kogler und an Frau Kulturstaatssekretärin überzeugt, ist lebensnotwendig, sie bereichert jeden Andrea Mayer zusammengefasst, mit denen zuvor ein von uns, sie bringt uns zusammen, sie ermöglicht virtuelles Treffen mit einer Auswahl der großen Erfahrungen, die nicht zu ersetzen sind. Wie wertvoll, Kulturveranstalter des Landes stattgefunden hatte. schön und bereichernd ist es, einem Orchester, einer Sängerin, einem Pianisten, einem Chor, einer Geigerin Gerne möchte ich Ihnen einen Einblick geben in die Inhalte dieses Schreibens und in die konkreten, konstruktiven, praxisnahen, aus profunder Erfahrung heraus geborenen Vorschläge, die wir der Politik gemacht haben. Im Folgenden verwende ich Passagen aus diesem Positionspapier. Foto: Wolf-Dieter Grabner 4
Editorial Da niemand im Moment verlässlich vorhersagen kann, wann die Kulturinstitutionen wieder öffnen können, haben wir klar gemacht, dass es, um einen Zuallererst möchten wir daran erinnern, dass wir im möglichst raschen und geplanten schrittweisen Musikverein (so wie alle Kulturinstitutionen) über ein Neustart des kulturellen Lebens zu ermöglichen, einen bewährtes Präventionskonzept verfügen, mit dem wir mittelfristigen Stufenplan zur Wiedereröffnung der im September und Oktober mehr als 25.000 Kulturinstitutionen braucht, inklusive transparenter Besucher*innen im Musikverein hatten – ohne eine Voraussetzungen (Inzidenz etc.). Eine Institution wie bekannte Corona-Infektion im Publikum. Die der Wiener Musikverein ist ein komplexes Gefüge, ein Kombination aus einem behördlich genehmigten sehr großes Räderwerk, das sich nicht einfach von Präventionskonzept, der Maskenpflicht für das heute auf morgen wieder in Betrieb setzen lässt. Neue Publikum und den besonders leistungsfähigen Programme müssen erdacht, mit den Künstlerinnen technischen Einrichtungen für eine erhöhte Frischluft- und Künstlern abgestimmt, neue Konzertkarten zufuhr schützen unsere Besucher*innen konsequent angelegt, verkauft und alte storniert werden. Säle und bestmöglich vor schädlichen gesundheitlichen müssen gebucht und Proben disponiert werden. Folgen. Daher haben wir im Dialog mit der Politik Verträge werden neu verhandelt, Publikationen gefordert, dass diese bewährten Präventionskonzepte müssen neu konzipiert und die Kalendarien aktuali- und die darin enthaltenen Sitzpläne, über die alle siert werden … All dies ist die Voraussetzung, damit großen Kulturveranstalter verfügen, weiterhin Konzerte wieder stattfinden können – und das braucht anerkannt werden. einen zeitlichen Vorlauf. Daher unsere Forderung nach einem mittelfristigen Stufenplan. Die sehr positiven Erfahrungen aus dem letzten Herbst werden nun ganz aktuell auch von einer Wie Sie als unsere Besucherinnen und Besucher wissenschaftlichen Studie des Fraunhofer Heinrich- sicherlich im September und Oktober bereits erlebt Hertz-Instituts bestätigt. Diese Studie zeigt am haben, waren die maximalen Besucherzahlen in Beispiel des Konzerthauses Dortmund, dass die unseren Sälen gedeckelt (erst mit 1.500 Gefahr der Übertragung von Infektionen durch Besucher*innen, dann mit 1.000 im Großen Saal). Für Aerosolübertragung in Konzerthäusern unter den die Zukunft haben wir eine Alternative vorgeschlagen: vorab beschriebenen Bedingungen nahezu ausge- Die maximalen Zuschauerzahlen sollen abhängig schlossen werden kann. von der Größe der Spielstätte definiert werden – und zwar als Prozentsatz der verfügbaren Plätze, nicht in Daher ist uns auch entscheidend wichtig zu fordern, absoluten Zahlen. Denn: Jede zahlenmäßige dass die Kultur nicht schlechter gestellt wird als die Beschränkung des Publikums hat Auswirkungen auf Gastronomie. Wir sind zudem davon überzeugt, dass die Finanzierung der jeweiligen Produktion. Um die das Tragen einer FFP2-Maske kombiniert mit Wiederaufnahme des Spielbetriebs und die betriebs- unseren starken Präventionskonzepten und den wirtschaftliche Integrität der kulturellen Einrichtungen besonderen Lüftungsanlagen eine echte Alternative abzusichern, brauchen die kulturellen Einrichtungen zum Testen darstellt. klare Vorgaben über mögliche Beschränkungen der Zuschauerzahlen, die immer in Bezug zur Größe und Qualität der jeweiligen Spielstätte zu sehen sind. Sämtliche Gebäude der großen Kulturveranstalter, und so auch der Musikverein, sind mit technischen Lüftungsanlagen ausgestattet, die die vorgeschriebene Frischluftzufuhr (Kubikmeter Frischluft Volumen pro Person/Stunde) deutlich übertreffen. In Spanien ist 5
Editorial man auf dieser Basis bereits den Weg gegangen: Dort Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Zeilen einen konnte der Spielbetrieb der Theater, Opern- und Einblick geben in die Themen und Fragen, die uns im Konzerthäuser vor Wochen mit einer prozentualen Musikverein beschäftigen und für die wir – im Dialog Beschränkung der Sitzplatzkapazität wieder aufge- und Schulterschluss mit den Kolleginnen und nommen werden. Kollegen der anderen Häuser – Lösungen suchen. Diese sachlichen Forderungen sind natürlich getragen Eine Wiederaufnahme der Spielbetriebe setzt vom Schmerz über die aktuelle Situation. Wir vorangehende Proben voraus. Auch wenn der möchten unseren Musikverein wieder mit Leben Probenbetrieb in Folge von Kurzarbeit teilweise füllen! Musik hören! Künstlerinnen und Künstler bei eingeschränkt funktioniert, ist die Weiterführung der uns wieder willkommen heißen – und Sie, unser Probenarbeit, auch bei geschlossenen Häusern, Publikum. Es ist zu still geworden. Es muss wieder notwendig und Voraussetzung für die Wiederaufnah- Musik erklingen. So bald als möglich – in der me. Wie oben bereits erwähnt, müssen viele organisa- Pandemie, und unter den oben genannten torische Hebel in Bewegung gesetzt werden, mit Perspektiven. großem zeitlichem Vorlauf, um Konzerte zu ermög lichen. Wesentlicher Bestandteil ist dabei die Disposi Wir halten Sie auf unserer Website ständig auf dem tion der Proben – daher ist der mittelfristige zeitliche Laufenden – auf www.musikverein.at sowie über Planungshorizont von so großer Bedeutung. unsere sozialen Medien veröffentlichen wir laufend alle Neuigkeiten. Sie können sich dort auch für Die Corona-Pandemie hat nicht nur enorme unseren Newsletter registrieren – dann bekommen Sie künstlerische Ausfälle mit sich gebracht, sondern in sofort per E-Mail Nachricht, wenn es wieder Konzerte den Kulturinstitutionen auch massiven finanziellen im Musikverein gibt. Ich hoffe, es geht Ihnen gut und Schaden hinterlassen. Daher haben wir gefordert, dass Sie sind gesund. Gemeinsam mit dem ganzen Team die Regierung vollen Kostenersatz leisten muss für die im Musikverein hoffen wir, dass wir Sie bald wieder in durch die Verordnung verursachten betriebswirt- unseren Sälen begrüßen können. schaftlichen negativen Folgen, da ansonsten alle Kulturveranstalter in finanzielle Probleme geraten Und bereits heute möchte ich Ihnen sagen, dass wir werden, die auch mittelfristig nicht von den Veranstal- bald schon unsere neue Saison 2021/22 veröffentlichen tern selbst gelöst werden können. werden – voraussichtlich bereits im April. Es wird dies mein erstes Programm, die erste von mir gemeinsam All diese Aspekte können nur in bestmöglicher Weise mit dem Team und den Künstler*innen gestaltete realisiert werden, wenn man im Gespräch miteinander Saison sein. Ich freue mich schon darauf, Ihnen die bleibt. Daher haben wir abschließend einen regelmä- Pläne für die kommende Saison vorstellen zu dürfen ßigen direkten Austausch mit Vizekanzler Kogler – auch dies als ein Zeichen der Zuversicht, dass Musik und Staatssekretärin Mayer gefordert. Damit soll und Kultur wieder möglich sein werden und wir die gewährleistet werden, dass die die Kultur betreffenden Pandemie hinter uns lassen. Verordnungstexte durch Einbeziehung der fachlichen Expertise dieser Gruppe praxistauglich sind. Nur so Für heute wünsche ich Ihnen viel Freude mit dieser ist es möglich, dass unter dem selbstverständlichen Ausgabe der „Musikfreunde“, die unsere gemeinsame Vorrang der Gesundheit künstlerisch sinnvolle Verbundenheit mit der Musik auch in diesen stillen Programme zu wirtschaftlich vertretbaren Konditio- Zeiten vielfältig zum Ausdruck bringt. nen realisiert werden können. Herzlich So weit eine Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte des Positionspapiers zur Wiedereröffnung des Kulturbetriebs, das die großen Kulturveranstalter in einer erstmalig bundesweiten Plattform gemeinschaft- Intendant der Gesellschaft der Musikfreunde lich veröffentlicht haben. in Wien 7
Foto: unbezeichnet / Barbican Centre Sir Nicholas Kenyon, Was erwarten oder erhoffen Sie von der Politik? Managing Director der Barbican Hall Idealerweise würden wir uns einen klaren London Zeitplan für die Wiedereröffnung wünschen, aber wir wissen, dass es unmöglich ist, eine endgültige Wie ist die Situation der Barbican Hall derzeit – von Aussage zu treffen. Die Botschaften der briti- den Fakten her betrachtet? Von der Stimmung? schen Regierung waren widersprüchlich, einige Seit Jänner 2021 ist das Barbican Centre wie alle ermutigten zu einer baldigen Öffnung, aber die Londoner Kulturstätten aufgrund der öffentli- jüngste Empfehlung lautete, dass es besonders in chen Gesundheitssituation geschlossen. Wir London zu gefährlich sei, Veranstaltungen zu hatten eine erfolgreiche Wiedereröffnung im erlauben. Die jüngste unbeantwortete Frage ist, Herbst 2020, mit einer Reihe von Hybrid-Kon- ob der breite Einsatz eines Impfstoffs das zerten unter dem Titel „Live from the Barbican“, Vertrauen schaffen wird, die Beschränkungen zu also gestreamte Konzerte mit wenig Publikum im lockern. Saal. Die Veranstaltungen wurden sehr kurzfris- tig programmiert, und wegen mangelnder Was und wie können Sie derzeit planen? Auftrittsmöglichkeiten für Künstler konnten wir Wir entwickeln eine Planung auf der Basis von hervorragende klassische und nicht-klassische drei Szenarien: einem Good Case, einem Base Musiker gewinnen. Die Konzerte liefen gut, weil Case und einem Worst Case. Diese reichen von sich Publikum und Interpreten sicher fühlen der Planung des Neustarts einiger Veranstaltun- konnten. Wir hatten eine weitere Konzertreihe für gen von Ende März bis in den Sommer hinein. das neue Jahr geplant, die allerdings wegen der Für das Barbican als Multi-Arts Centre, also ein aktuellen Situation verschoben werden musste: Zentrum mit verschiedenen Kunstformen, sind Die Regierung rät derzeit, zu Hause zu bleiben die Planungszyklen oft unterschiedlich, und die und nicht zu reisen, wenn es nicht notwendig ist. Umstände bzw. Möglichkeiten der Wiedereröff- nung z. B. eines Konzertsaals mit Social Wie reagiert Ihr Publikum auf die Situation, wie die Distancing sind nicht die gleichen wie die einer Künstlerinnen und Künstler? Kunstgalerie. Das ergibt ein komplexes Bild von Wir halten den Kontakt mit unserem Publikum Optionen und Zeitplänen. über digitale Inhalte in einem „Read, Watch, Listen“-Bereich auf unserer Website, und das Wann rechnen Sie wieder mit einem Spielbetrieb wird gut angenommen. Die Künstler wollen wie vor der Krise? natürlich auftreten, aber sie sind sich der Gefahr Niemals. Wir sind uns darüber im Klaren, dass für ihre eigene Gesundheit wie auch für die die Krise – insbesondere wenn wir noch die Gesundheit anderer bewusst, wenn sie unterwegs Auswirkungen des Brexit, die Notwendigkeit sind. Und wir als Veranstalter wollen niemanden einer stärkeren gesellschaftlichen Repräsentanz gefährden. Wir stellen einige frühere Konzerte in unserem Programm und ganz allgemein die online. Wir binden unsere privaten Unterstützer Klimakatastrophe mit bedenken – zu einer mit speziellen Veranstaltungen ein, und das läuft radikalen Veränderung des Konzertbetriebs gut, weil sich Künstler, die bei uns engagiert führen wird: Zum Beispiel werden internationale gewesen wären, zur Verfügung stellen. Zum Tourneen von großen Ensembles fraglich, es Beispiel hat Gustavo Dudamel kürzlich einen wird eine stärkere Betonung des Dienstes an Live-Chat mit unseren Förderern geführt. lokalen Gemeinschaften geben. Darauf mit neuen Modellen zu reagieren ist eine große Herausforderung für die kommenden Wochen und Monate. 8
Stimmen aus dem Lockdown Wie erleben europäische Konzerthäuser die Krise? Der Musikverein ist eng ver- bunden mit Konzertveranstal- tern auf internationaler Ebene. Wir haben uns bei Intendantinnen und Intendan- Foto: Priska Ketterer ten in Europa umgehört, wie sie die aktuelle Situation Ilona Schmiel, Intendantin der Tonhalle-Gesellschaft erleben. Zürich Anruf in Zürich, bei der Intendantin der Tonhalle- aufgebaut, „die uns erlaubt“, so Schmiel, „miteinan- Gesellschaft Zürich. Ilona Schmiel bittet, zehn Mi- der im Gespräch zu bleiben. Man muss vor Ort prä- nuten nach der vereinbarten Zeit zurückrufen zu sent sein, um weiter zu begeistern!“ Die enge Ver- können: Noch ist sie in einer Besprechung mit Paa- bindung zu Förderern und Gönnern ist da ein wich- vo Järvi, dem Chefdirigenten des Tonhalle-Orches- tiger Aspekt: Ohne sie könnten das Top-Orchester ters Zürich. „Wir streamen heute Abend“, erzählt der Schweiz und sein Haus nicht auf diesem Spit- sie. Erstmals präsentiert sich das Orchester im Rah- zenniveau existieren. Nur zu 50 Prozent ist die Ton- men der Idagio Global Concert Hall. „Heute, da wir halle subventioniert, der Rest muss eingespielt und mitten in einer Produktion sind“, sagt sie, „bin ich von privater Hand aufgebracht werden. Eine enor- total begeistert, wie motivierend es ist, wieder auf me Herausforderung, die auch in diesen schwieri- der Bühne zu sein und dafür alles zu tun – zugleich gen Zeiten gemeistert wird. Im September 2021 merken wir, wie schmerzlich wir das Publikum im wird die renovierte Tonhalle im ebenfalls renovier- Saal vermissen. Die letzten Wochen haben uns be- ten Kongresshaus an den Ufern des Zürichsees wie- sonders spüren lassen, warum wir das, wofür wir da dereröffnet. Der Termin steht fest, Ilona Schmiel sind, so gerne tun – und was dabei an Essenziellem plant ein fulminantes Programm für die Eröffnung fehlt.“ Konzerte ohne Publikum zu spielen ist die und die erste Saison im erneuerten Haus. „Was es jüngste in einer ganzen Reihe Corona-bedingter genau sein wird, kann ich Ihnen jetzt noch nicht ver- Varianten, mit denen man auch in Zürich auf die raten, aber klar ist: Wir planen in zwei Varianten – vielfach geänderten Bedingungen reagierte. Schach- in der optimistischen, dass wir vor vollem Haus spie- brett-Sitzplan, Maske im Saal – alles schon da gewe- len können, und einer, die nur von einer halben sen. Zuletzt, von August bis Oktober, konnte vor Saalbelegung ausgeht.“ Wie es dann sein wird, wer 550 Menschen gespielt werden, knapp der Hälfte kann es heute wissen? Eines freilich steht fest: Auch der Saalkapazität. Nun wird aus dem publikumslee- wenn der Saal nicht voll wäre, wird es künstlerisch ren Saal gestreamt. Dass das auf allerhöchstem Ni- keine halben Sachen geben. veau passiert, ist für Ilona Schmiel und ihr Orches- ter unabdingbar. „Wir wollen, dass das, was wir tun, wertgeschätzt und auch bezahlt wird. Ich bin durch- aus auch dafür, die Verwertungsketten beim Strea- ming genau anzuschauen.“ Daneben wurde in Zü- rich eine zweite Schiene digitaler Kommunikation 9
Christoph Lieben-Seutter, Intendant der Elbphilharmonie Foto: Michael Zapf Hamburg Der Luxusliner liegt vor Anker. Die Elbphilharmo- nie, das 2017 eröffnete spektakuläre Konzerthaus in der HafenCity Hamburg, ist derzeit fürs Konzertpub- likum gesperrt. „Auch wenn wir uns unglaublich ge- „nach Corona“ nicht mehr genau so sein wird wie die übt haben in Flexibilität und Erfindungsgabe“, sagt Zeit „davor“, darauf stellt sich Lieben-Seutter kreativ Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seut- ein. „Internationale Orchester werden nicht mehr un- ter, „zehrt die Situation an den Nerven. Sicher: Es gibt unterbrochen auf ausgedehnten Tourneen rund um genug zu tun im Haus, es wird geprobt, aufgenom- den Globus sein – dieser Orchester-Touren-Zirkus men, gestreamt, wir renovieren und ziehen Wartungs- wird sich sicher reduzieren, das hat sich vor der Pan- arbeiten vor – aber so ein Konzerthaus ohne Publi- demie schon aus Klimaschutz-Gründen abgezeich- kum bleibt einfach eine traurige Sache.“ Gleichwohl net.“ Und dann – da geht er vollkommen d’accord mit möchte er nicht einstimmen in die Klage, dass die Ilona Schmiel, die auch genau diese Trends nennt: Kultur speziell so stiefmütterlich behandelt werde. „Die kürzeren Konzertformate, die wir nun prakti- Die Elbphilharmonie, räumt er ein, „ist da sicher auch ziert haben, finden viel positive Resonanz. Ich kann in einer privilegierteren Situation. Wirtschaftlich ha- mir vorstellen, dass das teilweise so bleibt. Außerdem ben wir keine allzu großen Sorgen, weil wir dem hätte ich nichts dagegen, wenn die Planungsvorläufe Foto: Mats Lundqvist Stadtstaat Hamburg gehören, der uns quasi alle un- und die Vorverkaufszeiten etwas kürzer bleiben. Es mittelbaren, durch die Stilllegung des Konzertbe- hat mich schon immer gestört, dass man sich drei Jah- triebs bedingten Einnahmenausfälle kompensiert. re im Vorhinein festlegen muss, wenn man gute Dazu haben wir viel Unterstützung von privater Seite, Künstlerinnen und Künstler engagieren will. Ich ge- von Förderern und Sponsoren, die uns gewogen blei- nieße das jetzt gerade: dass man tolle Leute zu einem ben und auch Extra-Aktivitäten wie Streaming er- Projekt engagieren kann, das nächste Woche stattfin- möglichen.“ Der Kontakt zum Publikum bleibt eng, det. Das haucht der ganzen Sache frisches Leben ein.“ nun gepflegt vor allem über die digitalen Medien, über Newsletter und Social Media, „aber es kommen Stefan Forsberg, auch“, freut sich Lieben-Seutter, „ganz liebe Briefe Intendant des Konserthuset von treuen Abonnenten, sogar die eine oder andere Stockholm Bonbonniere“ – Dank und süße Ermutigung fürs Der vieldiskutierte schwedische Sonderweg in der Durchhalten. Die Frage, wann und wie wieder geöff- Corona-Krise – auch er führt nicht daran vorbei, dass net werden kann, sieht Lieben-Seutter im Kontext ei- das Konserthuset Stockholm derzeit fürs Publikum ner großen Diskussion, die in der politischen Öffent- geschlossen sein muss. Aber es bleiben Optionen of- lichkeit geführt werden müsse. „Dass wir etwa als In- fen. „Die schwedische Regierung“, berichtet Stefan stitution am Eingang Tests machen, das ist weder lo- Forsberg, Intendant des Konserthuset, „hat es den gistisch darzustellen noch steht es uns zu, darüber zu CEOs überlassen, entsprechend den Empfehlungen befinden: Du darfst rein – und du nicht. Das muss ge- und gesetzlichen Vorgaben zu entscheiden: Könnt ihr samtgesellschaftlich geklärt werden, und das betrifft spielen, wollt ihr spielen?“ Seine Entscheidung war natürlich dann auch den Umgang mit den Geimpften. klar: „Wir spielen!“ Wie in der Tonhalle Zürich ge- Da sehe ich noch eine große Debatte auf uns zukom- hört auch im Konserthuset ein Orchester zum Haus: men.“ Künstlerisch wird selbstverständlich intensiv weitergeplant in der Elbphilharmonie. Dass die Zeit 10 Foto: May Zircus
Joan Oller i Cuartero, Intendant des Palau de la Música Catalana Spanien ist die Ausnahme. Trotz gleichbleibend ho- das Königliche Philharmonische Orchester. Forsberg, her Infektionszahlen darf gespielt werden – unter als Intendant für beide zuständig, beschloss, das Kon- strengen Auflagen versteht sich, aber ein Haus wie zerthaus zu einem großen „Green Room“ fürs Or- der Palau de la Música Catalana Barcelona, als Archi- chester umzubauen. Gleichsam jeder Quadratmeter tekturjuwel weltberühmt und als Zentrum der Musik- wurde Corona-konform für die Philharmoniker adap- welt hochgeschätzt, darf geöffnet halten. Und diese tiert. Und so meldet sich das Orchester jetzt per Live- Möglichkeit wird mit Leidenschaft genützt, auch Stream regelmäßig aus dem eigenen Haus. „Wir ha- wenn, wie Joan Oller i Cuartero, Intendant des Hau- ben zuvor schon viel aufgenommen“, erzählt Fors- ses, erklärt, die ökonomische Situation prekär ist. Die berg. „Aber in dieser Situation haben wir entschlos- staatlichen Subventionen sind gering, sie liegen bei 13 sen einen großen weiteren Schritt gewagt und mit der Prozent des Aufwands. Der Rest muss selbst finan- bestmöglichen Technik, darunter einem 4K-Aufnah- ziert werden. In besten Zeiten, die vor einem Jahr mesystem, ein fantastisches Live-Studio eingerich- noch normale Zeiten waren, tragen dazu Ströme mu- tet.“ Neben den wöchentlichen Symphoniekonzerten sikbegeisterter Touristen bei. Nicht weniger als 25 gibt es im Live-Stream des Konserthuset auch Kam- Prozent kommen aus dem Ausland, und auch aus mermusik und Jazz. „Wir gewinnen damit neues Pub- Spanien reisen viele Kulturbegeisterte zum Jugend- likum“, sagt Forsberg, bestätigt durch hohe Zugriffs- stil-Musentempel in Barcelona. Sie fallen jetzt aus – zahlen aus ganz Schweden, ja aus der ganzen Welt. die geltenden Pandemie-Regeln Spaniens begrenzen Der so geöffnete Weg wird auch in Zukunft wichtig strikt auch die Mobilität im eigenen Land. Dazu sein, daran lässt Forsberg keinen Zweifel. Aber ge- kommt, dass nicht wenige jetzt aus Vorsicht auf einen nauso unzweifelhaft steht fest: „Die Leute wollen Konzertbesuch verzichten. Von Gesetzes wegen dürf- kommen, sie wollen die Musik live hören.“ te vor der Hälfte der vollen Besucherzahl gespielt Das Konserthuset ermöglichte dieses Live-Erlebnis werden – tatsächlich hält man, wie Joan Oller ein- selbst dann, als die Corona-bedingten Restriktionen räumt, derzeit bei einer Auslastung von 25 Prozent. nur 50 Zuhörer im Saal zuließen. „Das Orchester Aber die Zahlen sind das eine. Ein anderes ist, was wollte auf diese Resonanz nicht verzichten und spür- seelisch zählt: Musik zu machen, Musik erklingen zu bar die Musik mit anderen teilen.“ Erst als die Regeln lassen, auch in schwierigen Zeiten. „Der Enthusias- nur noch acht Menschen im Auditorium erlaubten, mus derer, die jetzt bei uns Musik erleben, ist über- ging Forsberg nicht mehr mit. Derzeit erreicht er sein wältigend“, sagt Oller. Und so wird, so lange es irgend Publikum auch mit digitalen Medien und dem Kon- tragbar ist, hier Musik live ermöglicht. Ausgewählte serthuset-Magazin „Lyssna“. „Es ist eine historische Konzerte werden auch gestreamt – ein Bach-Magnifi- Epoche, die wir gerade erleben. Es ist wichtig festzu- cat, im Dezember gesungen von einem Kammerchor halten, was wir empfinden und wie wir mit den Her- mit Masken, dokumentiert da beispielhaft die unge- ausforderungen umgehen.“ bremste Musizierlust. „Auch die Sponsoren haben Wann wird er wieder vor vollem Haus spielen kön- uns bislang die Treue gehalten“ – ein weiteres Zei- nen? Forsberg, so begeistert er auch von seinem Tun chen, das Joan Oller optimistisch bleiben lässt. Frei- spricht, bleibt vorsichtig. „Vielleicht können wir ab lich: Auch er muss Realist genug sein, um sich auf eine September wieder Konzerte vor 300, 400, 500 oder herausfordernde Zukunft einzustellen. Was wird sich 600 Menschen geben – das hängt von der Impfung ab. ändern nach der Krise? Bei der Konzertplanung, Aber ein ganz ausverkauftes Haus, in dem sich jeder schätzt Oller, werden Künstlerinnen und Künstler aus sicher fühlt, werden wir wohl kaum vor 2022/23 der Region eine stärkere Rolle spielen, auch wenn die haben.“ internationale Strahlkraft nicht nachlassen soll. Bleibt zu hoffen, dass in absehbarer Zeit auch wieder die Musikbegeisterten aus aller Welt nach Barcelona kommen. Die Interviews führte Joachim Reiber. 11
Träumen, atmen, tun Friedrich Cerha „Wie ich atme, so träume ich Musik.“ Dieser Satz, geäußert vor vielen Jahren in einer Fernsehdoku- D ie Stille in der weitläufigen Villa in Hiet- zing ist größer denn je. Besuche, die das Ehepaar Cerha stets gern empfangen hat, mentation, charakterisiert seinen kreativen Prozess des Komponierens wahrscheinlich am besten. Die Fähigkeit, eine erste, noch ganz undeutliche Idee, haben sich wegen der Corona-Pandemie naturge- wie sie als Rest eines Traumes ins Bewusstsein ge- mäß aufgehört, nur die beiden Töchter sind davon langen mag, zu bewahren, sie reifen zu lassen, bis sie ausgenommen. „Unser einziger regelmäßiger Kon- mit handwerklichen Mitteln fassbar wird, sie gleich- takt zur Außenwelt ist unsere Haushälterin Mira, sam großzuziehen, ohne Ungeduld oder Schaffens- die jetzt täglich kommt, wobei man einander gar druck oder verfrühte Kultivierungsmaßnahmen – nicht begegnen muss. Meine Tendenz zur Vorsicht darauf gründet sich eines der großen Geheimnisse ist im Herbst stark gestiegen. Aber, Gott sei Dank, von Friedrich Cerha. es geht uns wirklich gut“, versichert Traude Cerha bei unserem Telefongespräch Ende November. Gelassenheit, gepaart mit Disziplin „Wir konnten im Juni in unser Haus in Maria Lang Zehn Jahre sind von der Konzeption seines monu- egg fahren und dort bis Ende Oktober bleiben, da- mentalen „Spiegel“-Zyklus 1960/61 bis zur Fertig- mit war der Sommer gerettet.“ Den neuerlichen stellung der ersten gültigen Partitur vergangen. Die- Lockdown hat man gelassen hingenommen. „Uns ser lange Atem ist nicht denkbar ohne ein gewisser- stört das nicht. Wir sprechen auch nicht viel über maßen buddhistisches Ausmaß von Gelassenheit, das Thema Corona. Mein Mann und ich sind so in- gepaart mit Disziplin; sie muss auf einer gehörigen tensiv mit unseren eigenen Gedanken und Interes- Portion Vertrauen in das eigene Gedächtnis beru- sen beschäftigt, dass uns nichts abgeht.“ hen und nicht zuletzt auf der Gabe, sich gegen die Außenwelt abzugrenzen, Erwartungen zu ignorie- Keine Zeit zum Hadern ren und zu enttäuschen, auch wirtschaftliche Not- Für Friedrich Cerha hat die Stille freilich noch eine wendigkeiten auszuklammern, um konsequent der andere Dimension angenommen. Sein Gehör hat eigenen Inspiration zu folgen. Dass ihm dies mög- sich extrem verschlechtert. Dem schöpferischen lich war, verdankt Cerha zu einem wesentlichen Teil Kontinuum, in dem er seine Tage zubringt, ist das seiner Frau, die als Mittelschullehrerin über 37 Jah- vermutlich sogar zuträglich; so bleibt seine innere re für ein geregeltes Grundeinkommen sorgte und Musik von Störungen ganz unbehelligt. Deprimie- ihn auch sonst von der störenden Außenwelt ab- rend wirkt hingegen, dass ihn seine Augen allmäh- schirmte. Auftragswerke hat Cerha nicht geschrie- lich ganz im Stich lassen. Skizzen muss er sofort ins ben, vielmehr hat er sich erst nachträglich um Auf- Reine schreiben, weil er sie später nicht mehr lesen führungsmöglichkeiten bemüht und dabei oft Glück kann. Glück im Unglück: Was er im Kopf hat, be- gehabt; ganz besonders mit seiner Oper „Baal“, die schäftigt ihn so sehr, dass er sich nicht die Zeit von der Wiener Staatsoper und den Salzburger nimmt, mit dieser Einschränkung zu hadern. Die Festspielen gleichzeitig angenommen und mit Theo Verzweiflung muss warten. Er hat zu tun … Adam in der Titelrolle zu einem seiner nachhaltigs- ten Erfolge wurde, ihn auch einem breiten Publi- kum bekannt machte. 12
Am 17. Februar vollendet Friedrich Cerha sein 95. Lebensjahr. Nach- richten aus einem stillen Gebiet, wo schier unerschöpflich neue Ideen gedeihen und mit unveränderter Disziplin in ihre adäquate Form gefasst werden. 13
Fotos: Mirjam Reither / picturedesk.com Universelles Œuvre Dort hat Friedrich Cerha letzten Sommer auch wie- der zu malen begonnen. Man darf ja nicht vergessen, dass er ein universelles Œuvre geschaffen hat, das sich nicht auf die Komposition mit Tönen beschränkt. Mit gleicher Originalität hat er sich bildnerischer Mittel bedient, sodass über die Jahrzehnte an die tausend Bilder und Objekte entstanden sind, meist komple- Vitales Bedürfnis nach Ausdruck mentär zu bestimmten Kompositionen, gleichsam als Ein Grundprinzip von Cerhas Schaffen beruht auf der Blitzableiter für überbordendes Ausdrucksbedürfnis. Überzeugung, dass das jeweils vorgefundene Material Die Materialbilder aus jener Periode, in der er den die Regeln für seine Verarbeitung bereits in sich trägt. dritten Akt von Bergs „Lulu“ komplettierte, hinter- Diese Erkenntnis verdankt er dem Austausch mit sei- lassen in ihrer Wucht und Direktheit einen unvergess- nem Bildhauerfreund Karl Prantl und seiner eigenen lichen Eindruck. Nicht zuletzt ist Cerha, der einst ein praktischen Beschäftigung mit der Bildhauerei, die er Doktorat der Germanistik erworben hat, seinem Be- unter Prantls Anleitung erlernt hat. Der Arbeitspro- dürfnis nach künstlerischem Ausdruck auch im Um- zess unterliegt dabei nicht dem Willen, sondern folgt gang mit dem Wort gerecht geworden; das dokumen- einem vitalen Bedürfnis nach Ausdruck. tieren die leidenschaftlichen Gedichte seiner frühen Dieses vitale Bedürfnis scheint trotz körperlicher Be- Jahre ebenso wie die messerscharf ausformulierten einträchtigungen ungebrochen, auch wenn sich das Texte, in denen er eigene Werke zu kommentieren Pensum altersbedingt deutlich reduziert hat. Nach ei- pflegte, und nicht zuletzt all seine brillanten Reden, nem späten Frühstück, bei dem sich das Ehepaar min- die in punkto Angriffslust und Ironie an den Jugend- destens eine Stunde Zeit für Gespräche nimmt, ruht freund Thomas Bernhard gemahnen. er sich meist nochmals aus, ehe er sich an den Schreib- tisch begibt; den Mittagsschlaf, den sich der zwei Tage Neues zum 95. jüngere Freund György Kurtág seit langem gönnt, hat Die lebhaften geistigen Interessen hat sich das Ehe- Cerha nicht nötig. Er macht zwischendurch lieber ei- paar in unveränderter Frische bewahrt. Traude Cerha nen Abstecher in den Garten, sucht sein Glashaus ist nur zwei Jahre jünger als ihr Mann. „Ich habe gro- auf, wo er über Jahrzehnte Pflanzen aus aller Welt zu- ßes Glück“, sagt sie. „Ich bin, was die körperliche sammengetragen, gepflegt und studiert hat; ein sach- Konstitution betrifft, ihm gegenüber sehr privilegiert. kundiger Botaniker. Der Aufenthalt in der Natur hat Aber wir haben gute Ärzte und eine gute Physiothe- ihm zeitlebens viel bedeutet; das entspringe vielleicht rapie, wir versuchen die Übungen möglichst konse- seinem Bedürfnis, in einem „größeren Ganzen“ auf- quent zu machen, das hat auch ihm viel geholfen. Es zugehen, hat er im Gespräch einmal formuliert – für ist ja nicht nur seine Inspiration unerschöpflich. Auch den deklarierten Atheisten beinahe ein Glaubens die Fähigkeit, daraus dann wirklich etwas zu machen, bekenntnis. In der fantastischen Wildnis von Maria sein Bedürfnis, sich nicht geschlagen zu geben, ist un- Langegg konnte er dem geheimen Leben von Pflan- gebrochen.“ zen und Tieren besonders nahe kommen, sein Stu Rund um seinen 95. Geburtstag hatten mehrere Ver- Prof. Monika Mertl, dium der Vogelrufe hat sich in seiner Musik hörbar anstalter Konzerte zu seinen Ehren geplant. Und das Kulturpublizistin in Wien, ist niedergeschlagen. auch, wie nicht anders zu erwarten, mit Neuem aus Autorin der Biographien von seiner Feder. Zur Uraufführungen stehen an: ein neu- Nikolaus Harnoncourt (Vom es Orgelstück ebenso wie eine „Vocalise für Sopran Denken des Herzens) und und drei Klarinetten“ und acht Stücke („8 foglie“) für Michael Heltau (Auf Soloposaune. Der Musikverein, der Friedrich Cerha Stichwort). am 17. Februar mit einem Konzert geehrte hätte, schickt seinem Ehrenmitglied jetzt auf diesem Weg die herzlichsten Glückwünsche. Monika Mertl 14
Der Elefant im Goldenen Saal Fasching im Musikverein Vom Babyelefanten sprach noch kein Mensch in Wien. Aber vom Elefanten im Musikverein war natürlich die Rede. Er hatte sich bei einer Faschingsveranstal- tung in den Goldenen Saal geschlichen – mit Abstand der Höhepunkt einer rau- schenden Redoute, bei der auch Masken nichts als Freude machten. Fasching im Musikverein: ein historisches Panoptikum, präsentiert von Archivdirektor Otto Biba. 15
Alles Walzer F aschingsvergnügen war in Wien ursprüng- lich primär ein Ballvergnügen – erst im 20. Jahrhundert, besonders gegen dessen Ein kleiner Einblick in deren Namen? „Juristen- Ball“, „Techniker-Ball“, „Ball der Land- und Forst- wirte“, „Studenten-Ball“, „Ball des Gewerbe- Ende, hat sich da manches geändert. Bälle, Masken- bunds“, „Wiener Bürgerball“, „Concordia-Ball“, bälle, Redouten gab es in den etablierten Tanzsälen, „Ball des Jockey-Clubs“, „Ball des Künstlervereins in Sälen von großen Restaurants, in Mehrzwecksälen ,Hesperus‘“, „Elite-Ball des Schiller-Vereins ,Die und seit der Eröffnung des neuen Musikvereins Glocke‘“, „Ball des Vereins der Österreichisch- gebäudes im Jahr 1870 auch hier. Bei der Planung des Schlesier“, „Rumänen-Ball“, „Ball der Einjährig- Hauses wurde davon ausgegangen, dass darin auch Freiwilligen“, „Ball zugunsten des Hernalser Offi- Bälle veranstaltet werden sollten. Das neue Musik- zierstöchter-Instituts“, „Marienbader Militär-Cur- vereinsgebäude sollte ein Tempel der Musik und des haus-Ball“, „Elite-Ball der Wiener Handelsakade- Tanzes werden – als elegante Ball-Lokalität wurde es mie“, „Ball zum Besten der von der Überschwem- eine einschneidende Konkurrenz für bisherige Ball- mung Betroffenen“, „Ball zum Besten der Veranstaltungsorte. Nicht zu vergessen: Die Vermie- Versorgungsanstalt erwachsener Bilder“, „Redoute tungen für Bälle waren eine wichtige Einnahmequelle zum Besten der Armen der Stadt Wien“, „Redoute der Gesellschaft. zum Besten der Invalidenstiftung (mit der Kurzbe- zeichnung ,Invaliden-Redoute‘)“ … Unvergleich- Der Opernball im Musikverein lich hoch war im letzten Viertel des 19. Jahrhun- Die Gesellschaft der Musikfreunde hat ihre 1830 bis derts die Zahl der Maskenbälle bzw. -Redouten, die 1847 regelmäßig (davor und danach unregelmäßig) aufwendige Kostümbälle waren. Sie standen unter gegebenen Bälle 1870 im neuen Haus wieder als re- einem Motto, der Saal war diesem entsprechend de- gelmäßige Veranstaltungen etabliert, zumindest bis koriert, die Besucher konkurrierten in fantasievol- 1883, dann fanden sie wieder unregelmäßig bis selten len Kostümen, und auch die Elefanten, die man bei statt. 1949 gab es wieder einen Anlauf zum regelmäßi- einem solchen Anlass im Saal sehen konnte, waren gen Ball der Gesellschaft der Musikfreunde, der 1953 nur Verkleidung für mehrere Ballbesucher. Die Be- zugunsten des 1924 hier eingeführten Philharmoni- schreibung der Kostüme und der meist szenischen kerballs aufgegeben wurde. Die Bälle der Gesell- Dekorationen füllte Spalten in den Zeitungsberich- schaft der Musikfreunde hießen ausdrücklich „Künst- ten. lerball“. Man ging hierher aber auch auf Redouten, Mit der Zunahme der Zahl von Musikveranstaltun- veranstaltet von den Mitgliedern des K. K. Hofopern- gen war immer weniger Platz für Bälle im Musikver- theaters, oder auf den Ball des Pensions-Instituts der ein, und um die Mitte der 1950er Jahre reduzierte Hofoper. Um bei der Musik zu bleiben: Im Musikver- man die Ball-Vermietungen grundsätzlich. Man ein wurde anfangs auch der Opernball veranstaltet, wollte sich in einer sogenannten Ballwoche auf den der erst 1877 erstmals in der Hofoper stattfand und Philharmonikerball und den Techniker-Cercle kon- dort bescheiden „Hofopern-Soirée“ hieß. Es gab eine zentrieren, die heute noch jeder Wiener Ballbesu- solche Vielzahl von Bällen, dass es sich wirklich loh- cher mit dem Musikvereinsgebäude in Zusammen- nen würde, die Geschichte der Bälle im Musikverein hang bringt. Der letzte Ball, der sich eine andere als sozial- und kulturgeschichtliches Phänomen zu Lokalität suchen musste, war übrigens der traditio- schreiben. Das waren Bälle, die bestimmte Berufs- nelle und bei weitem nicht nur von Bewohnern des gruppen ansprechen sollten, Vereinsbälle, Bälle von dritten Bezirks besuchte Landstraßer Bürgerball, sogenannten Landsmannschaften in Wien, Militär- der in das Konzerthaus übersiedelt ist. bälle und Wohltätigkeitsbälle. Abbildungen: Archiv · Bibliothek · Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 16
Erst Brahms, dann Tanz! ihm komponierten bzw. arrangierten Werken wie Eine besondere Veranstaltungsform, die die Gesell- „Cactus tragicus“, „Die Schaffnerin aus Liebe“, „Eine schaft der Musikfreunde für ihr 1870 neu errichtetes nicht gerade kleine Nachtmusik“ und „Ankunftssym- Gebäude gefunden hat, waren die sogenannten phonie“. Ernstes und Heiteres mischten die Wiener „Künstler-Abende“ im Großen Saal, die nicht speziell Symphoniker bei ihrem letzten Faschingskonzert im ein Faschingsvergnügen waren, aber im Fasching ih- Musikverein 2012: Ingo Metzmacher dirigierte Werke ren Höhepunkt fanden. Für jeden Abend wurde das von Schönberg und Schostakowitsch, Lehár und Vestibül um 20.30 Uhr geöffnet, um 21.00 Uhr war Kálmán. Einlass in den Saal, um 21.30 Uhr begann der Musik- vortrag einer Regimentskapelle, danach war ein Kon- Spaß mit Ernst zert gemischten Programms mit namhaften Künstlern Seit 1994 und dann in dichterer Folge zwischen 1998 (auch Brahms konnte man da am Flügel erleben) und und 2017 veranstaltete die Gesellschaft der Musik- bedeutenden alten oder neuen Werken vorgesehen; freunde im Brahms-Saal eigene Faschingskonzerte: da konnte man Beethovens Septett neben einem neu- dies mit den philharmonischen Gruppierungen En- en Walzer von Johann Strauß (Sohn) oder ein Vokal- semble Wien und Wiener Virtuosen. Es waren quartett von Mendelssohn neben einer Arie aus Scherz- wie Frohsinns-Konzerte – bei den Wiener „Aida“ hören. Dem folgte ein kurzer Sprechtheater- Virtuosen konzipiert und oft auch moderiert von Beitrag, wie etwa zwei Szenen aus Grillparzers „Sap- Ernst Ottensamer, dem philharmonischen Solokla- pho“. Nach einer halb- oder einstündigen Pause gab rinettisten –, Konzerte mit vielen „lachhaften“ Ver- es Tanz. Die Damen hatten in Soirée- oder Balltoilet- fremdungen, manchmal aber auch nur Freude mit te zu erscheinen, die Herren ausschließlich in Balltoi- Musik vermittelnd, unterstützt mit dem einen oder lette. Eigens für die Abonnenten der Künstlerabende anderen passenden Arrangement von Dieter Flury gab es im Fasching zwei Tanzkränzchen und ein Kos- und anderen Kollegen. Werner Pirchner kompo- tümfest. Diese Abende bestanden bis 1883, im Jahr nierte für das Konzert im Jahr 2001 „Der Dunst des 1884 folgten gleich gestaltete „Künstlerabende der Fusels. Ein musikalisches Bühnendrama mit szeni- Wiener Kunstfreunde“, in der darauf folgenden Sai- schen Bewegungs-Kreationen für Violine, Viola, son „Wiener Gesellschafts-Abende“: verschiedene Cello, Kontrabass, Klarinette, Fagott und vier ge- Bezeichnungen für dieselbe Programmidee, die da- stimmten Weinflaschen“. Zwei Jahre später bot die nach nicht mehr vergleichbar verfolgt wurde. zweite Programmhälfte ein von Ernst Ottensamer höchst intelligent zusammengestelltes und die Lach- „Eine nicht gerade kleine Nachtmusik“ muskeln strapazierendes Potpourri unter dem eben- Faschingskonzerte gab es erst relativ spät im Musik- so vielversprechenden wie nichtssagenden Titel verein. Das erste wurde 1948 vom Wiener Männerge- „Ich lade gern mir Gäste ein … mit dem Circus sang-Verein veranstaltet; die Chorvereinigung „Jung Renz, Gartenschläuchen und anderen Kuriositä- Wien“ folgte 1957 und gab bis 1981 sieben weitere ten“. Und wenn 1999 „Sträusse, Blumen und Blü- Faschingskonzerte im Musikverein. Spektakulär wa- ten, überreicht von Ernst Ottensamer und den Wie- ren die von den Wiener Symphonikern in den Jahren ner Virtuosen“ angekündigt wurden, konnte man 1984 bis 1988 nach Ideen des Orchestermitglieds sich nichts vorstellen, aber musikalischer Unterhal- Peter Waite veranstalteten Faschings konzerte. Da tung im besten Sinn mit tollen Spaßeffekten sicher konnte man Magic Christian, Gottfried von Einem sein. Mit dem plötzlichen Tod von Ernst Ottensa- Prof. Dr. Dr. h. c. Otto Biba oder Orchestermitglieder im ihnen fremden Metier mer im Juli 2017 haben diese Konzerte keine Fort- ist Direktor von Archiv · des Dirigenten erleben, Fritz Muliar oder Gerhard setzung gefunden. Denn Faschingskonzerte lassen Bibliothek · Sammlungen der Bronner wirkten mit, es wurden originelle, wenn auch sich nicht programmieren wie andere, man muss in Gesellschaft der Musikfreunde nicht unbedingt faschingsaffine Kompositionen auf- und mit diesen Frohsinns- und Scherz-Facetten der in Wien. geführt, musiziert wurde auch auf dem einen oder Musik leben, um sie vermitteln zu können. anderen „Gerät“. 2005 leitete Peter Planyavsky ein Faschingskonzert der Wiener Symphoniker mit von Otto Biba 17
Offen hinter geschlossenen Türen Die Konzertkassa im Musikverein Der Musikverein im Lock- down. Und eine Konzertkassa, die derzeit nichts verkaufen darf. Hinter geschlossenen Türen aber leistet sie enorm viel und Außergewöhnliches. 18
Balsam im Lockdown D ieses „A“ bringt Musik ins Spiel. Dieses „A“ schwingt schon im Namen übers Ge- schäftliche hinaus. Dieses „A“, wie es nur Lob als Balsam im Lockdown. „In diesen schwieri- gen Zeiten“, wurde etwa an die Kassa gemailt, „war die Kommunikation, die Transparenz, die Einfach- das Österreichische kennt und wie es im Musikver- heit der Abwicklung abgesagter Konzerte und über- ein besonders gepflegt wird. „Kassa“ – um wie viel haupt die gesamte Handhabung absolut fantastisch schöner klingt das doch als das stumpfnormaldeut- und vorbildlich! Nochmals Danke für ein nicht- sche „Kasse“! Und die KONZERTKASSA, so selbstverständliches Service!“ – „Wunderbar! Sie steht es in großen Lettern am Musikvereinsgebäu- alle sind großartig!“ – „Thank you so much for this de, um wie viel musikalischer ist sie doch als alle extraordinary gesture in these very troubled times“ neudeutschen Ticketcenter und Box Offices. Mit – „Auch wenn Sie es schon x-mal von anderen ge- seinem schönen Austriazismus steht dieses „A“ im hört haben werden: Ihr Handling der Abos im Zu- Musikverein für Achtsamkeit. Klasse A! Sie zeigt sammenhang mit Konzertausfällen und -verschie- sich jetzt, in diesen herausfordernden Zeiten, auf bungen ist einfach gut und großzügig und lässt nichts besondere Weise. zu wünschen übrig: mit Informationen einen am Laufenden halten. Unkomplizierte Stornierungen „… wirklich beeindruckend!!!“ und Rücküberweisung der Beträge. Ankündigun- „Wir machen nichts von dem, was wir um diese Zeit gen halten … Neben der Professionalität ist die Ar- vor einem Jahr gemacht haben“, erzählt Nuria Val- beit offensichtlich auch von einem ,guten Geist‘ der laster, stellvertretende Leiterin im Verkauf und so- Mitarbeiter des Musikvereins getragen.“ zusagen am ersten Pult der Konzertkassa. „Wir kön- nen jetzt, im dritten Lockdown und ohne mögliche „A“ wie „Achtsamkeit“ Planung für die nächsten Wochen, keine Karten Was diesen „guten Geist“ ausmacht, lässt sich nicht verkaufen, wir können keine Vorbestellungen ent- so einfach analysieren. Viele Komponenten kom- gegennehmen. Und doch sind wir ganz intensiv be- men da zusammen. Und ganz wichtig dabei: die Lie- schäftigt.“ 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter be zur Musik und zu denen, die diese Liebe teilen, kümmern sich um die Anliegen der Abonnentinnen eben den Mitgliedern der Gesellschaft der Musik- und Kartenkäufer, darunter eine Agenda, für die freunde in Wien, den Kundinnen und Kunden aus ein weniger schönes Wort mit „A“ stehen könnte: aller Welt. An der Kassa sitzen selbst oft Menschen, „Abwicklung“. Gleich im ersten Lockdown, im die Musik studiert haben, Absolventinnen der Mu- Frühjahr 2020, mussten von jetzt auf nachher weit sikwissenschaft und anderer musischer Fächer – und mehr als 100.000 Konzertkarten storniert werden. wie auch immer: Leute mit Gespür fürs Künstleri- Hier galt es, so rasch und unbürokratisch wie nur sche. Diese Affinität bringen sie ein in einen Beruf, möglich zu agieren. „Ich bin sprachlos“, schrieb eine der eben weit mehr meint als nur Verkauf und Bu- Kundin, „wie schnell das ging – ganz großes Kom- chung. Kundenbetreuung heißt hier, bleiben wir pliment an Ihre Organisationslogistik und an alle, nochmals beim Konzert-Kassa-„A“, größtmögliche die daran mitarbeiten, das ist wirklich beeindru- Achtsamkeit in allen Belangen. ckend!!!“ Für die Konzertkassa sind solche Zeilen Peter Hamm, Verkaufsleiter der Gesellschaft der eine kostbare Bestätigungen ihrer Arbeit hinter ge- Musikfreunde in Wien, erläutert, welchen Balance- schlossenen Türen. akt das in Zeiten wie diesen bedeutet: „Unser Ziel ist generell, unsere Kunden immer so schnell wie 19
möglich zu informieren. Gleichzeitig müssen wir da- Foto: Wolf-Dieter Grabner rauf bedacht sein, dass diese Informationen nicht schon im nächsten Augenblick wieder überholt sein wieder so voll wie nur möglich werden konnte. Be- können oder Fragen auslösen, die wir noch nicht be- sonders achtsam – im Musikverein ein A & O! – antworten können. Wenn es beispielsweise in einer ging man mit den Abonnentinnen und Abonnenten Abonnementreihe Änderungen beim übernächsten um, als die Saison im Herbst wieder beginnen konn- Konzert gibt, sollten wir auch Klarheit darüber ha- te. „Es war uns ganz wichtig“, erläutert Peter ben, wie es mit dem nächsten Konzert aussieht. Es Hamm, „Abonnementkonzerte nicht zu stornie- gibt vieles, das man dabei bedenken muss – hier den ren.“ Ein minuziös ausgetüftelter Plan machte es Überblick zu bewahren und dann auch zu wissen, möglich: Um die nun erforderlichen Corona-Sicher- was man wem wann mitgeteilt hat, ist schon eine heitsabstände zu wahren, wurden Abonnentinnen große Herausforderung.“ Dass das bestmöglich ge- und Abonnenten auf gleichwertige Plätze umge- lingt, bestätigen die Kunden mit großer Empathie: setzt oder in eigens veranstaltete Zusatzkonzerte „Danke für die prompte Antwort und: gute Nerven umgebucht. Und bei all dem blieb den Musikfreun- für die vielen Umstellungen, Verständigungen und den die Wahl: Das sonst so bewährte System der sicher auch Kummerkasten-Funktion!“ „Kommissionskarten“ wurde in diesen speziellen Zeiten durch die Möglichkeit ersetzt, gebuchte Kar- Digitale Wege ten der Abonnements bis vierzehn Tage vor dem Der persönliche Kontakt ist wichtig, auch und gera- Konzert zurückzugeben. Nur sehr wenige Musik- de in Zeiten der geschlossenen Kassa. Der Musik- freunde machten davon Gebrauch. In der kurzen verein – berühmt auch für legendäre Telefonaktio- Zeit der Öffnung – Ende September bis zum zwei- nen, mit denen er bei kurzfristigen Konzertabsagen ten Lockdown Anfang November – kamen mehr als das Publikum eines ausverkauften Goldenen Saals 25.000 Besucherinnen und Besucher ins Haus. komplett an einem Tag „durchtelefoniert“ – setzt „Möglich“, schrieb ein begeisterter Musikfreund an jetzt so viel wie möglich auf Kommunikation per die Kassa, „wird das Konzerterlebnis dank unserer E-Mail: sicherlich der beste Weg, um einen direkten besten Musiker, SängerInnen und Ihrer Dirigenten, Draht zum Empfänger zu haben und den Fluss der dem großartigen Musikvereinssaal und Ihnen, die Informationen auch jederzeit nachvollziehen zu sie dort arbeiten … Bleiben Sie gesund und bis hof- können. „Viele, mit denen wir in den vergangenen fentlich bald!“ Monaten telefoniert haben“, erzählt Nuria Vallas- ter, „haben uns ihre E-Mail-Adresse gegeben.“ Was jetzt schon sicher ist Die digitalen Wege sind derzeit einfach die effizien- Dem Wunsch kann man sich einmal mehr nur mit testen – wir alle lernen die Lektion im Lockdown: Emphase anschließen. „Bleiben Sie gesund und bis Wenn (fast) alles heruntergefahren wird, fahren wir hoffentlich bald!“ Im Frühjahr startet der Abonne- den Computer hoch, um zu wissen, was (allenfalls) mentverkauf für die Saison 2021/22. Jede Menge gespielt wird. Daneben ist auch der klassische Brief exzellente Konzerte wurden dafür geplant: ein nicht ausgestorben. Bei Kundinnen und Kunden, Abonnementprogramm in einer Top-Qualität und die keine E-Mail-Adresse hinterlegt haben, bemüht Vielfalt, wie man sie von diesem Haus in seinen bes- die Kassa schon auch einmal die gute alte Post. ten Zeiten erwarten darf. Dass diese Zeiten wieder kommen dürfen, dass die Türen dazu wieder aufge- Dr. Joachim Reiber ist Das A & O hen, darauf hoffen wir zuversichtlich. Chefredakteur der Zeitschrift So wird mit enormer Flexibilität auf die sich ändern- Eines freilich ist jetzt schon sicher: Was auch immer „Musikfreunde“ und den Umstände reagiert. Als im Lockdown Numero sein mag, was auch immer zu klären ist rund um Programmheftredakteur der eins erst alle Konzerte abgesagt und storniert wer- ein gesuchtes, gebuchtes Musikvereinskonzert: Die Gesellschaft der Musikfreunde den mussten, dann aber plötzlich wieder Veranstal- Kassa ist hundertprozentig für Sie da. in Wien. tungen für 100 Personen zugelassen wurden, setzte der Musikverein fast im Handumdrehen 40 Konzerte Joachim Reiber neu auf – und die Kassa sorgte dafür, dass das Haus 21
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