Israel - PaulusRundbrief N 488 - Sankt Paulus
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
PaulusRundbrief Afgiftekantoor 1150 Brussel – P900350 Tervurenlaan 221, 1150 Bxl verantw. uitgever: W. Severin N°488 bimestriel Juni – Juli 2018 Die israelische Gesellschaft IsraelDie Sprache Israels Reise ins Heilige Land Seite 7 ff. Seite 14 ff. Seite 17 ff.
EDITORIAL IN H ALT Ein Wort voraus Liebe Gemeinde, Liebe Leserinnen, Ein Wort voraus 3 liebe Leser des PaulusRundbriefs! Thema: Israel 5 Das gelobte Land 5 Israel – Heiliges Land und Krisenregion, fast europäisch und doch Teil des Ori- ents, nah und fern zugleich, ist Thema Die israelische Gesellschaft Eine israelische Liebesgeschichte 7 10 des vorliegenden PaulusRundbriefes. Internship im Kibbuz 11 Schon für die Stammväter im AT war Is- Die Sprache Israels 14 rael das gelobte Land, und noch immer Checkpoint 300 19 ist dieses Land ein Ort der Sehnsucht, Wüstenwanderung 22 übt eine unerklärliche Anziehungskraft Und woher kommt das Wasser? 24 auf uns aus. Aber finden wir dort wirk- Die Klagemauer 27 lich, was wir suchen? Mit dieser Frage was für ein Urlaubs-Typ sind Sie? Genießen Sie es, immer wieder an den gleichen Ort zu setzt sich unser erster thematischer Ein Stück Italien im Heiligen Land 29 Am Anfang war das Wort? 32 fahren, um ohne großes Einleben direkt in die Entspannung eintreten zu können? Oder Beitrag auseinander. Tabgha 34 bevorzugen Sie es, immer wieder andere Orte zu entdecken und mit vielen neuen Eindrü- Danach wenden wir uns der israelischen cken nach Hause zurück zu kehren? Gesellschaft zu, die faszinierend ist in Ein Rezept für Schakschuka 38 ihrer Heterogenität und doch zusam- Buchbesprechung 39 menhält. Exemplarisch hierfür steht die An und für sich gehöre ich eher in die zweite Kategorie. Ein einziges Mal habe ich bis- Liebesgeschichte zweier junger Israeli Unsere Gottesdienste 40 her an einem Ort Urlaub gemacht, an dem ich wenige Jahre zuvor schon mal war. Das aus Welten, die nicht unterschiedlicher Herzlich Willkommen 42 war auch keine schlechte Entscheidung – aber ich glaube trotzdem nicht, dass ich das so sein könnten. Zudem bekommen wir Rückblick 44 schnell noch einmal machen werde. Mit einer Ausnahme: Israel. einen Einblick in das Leben in Kibbuzim. Neues aus dem KGR 44 Sehr wichtig ist in diesem Zusammen- Adia-Treffen 2018 45 Seit über 25 Jahren zieht es mich immer wieder in dieses Land; unter anderem habe ich hang auch die hebräische Sprache, die Kinderbibeltag 46 jahrhundertelang als althebräisch nur zwei Semester meines Studiums dort verbracht. An vielen Orten war ich schon mehrere Titelbild: Blick von der Dominus Flevit-Kirche auf Jerusalem © Bettina Appel gelesen, nun aber in moderner Form Stille für die Augen 48 Dutzend Mal und genieße es doch jedes Mal wieder, dorthin zurück zu kehren. Zugege- die Nationalsprache Israels ist und für Wächter der Stille 49 ben: Ich fahre nicht nach Israel, um Urlaub zu machen, und erholsam ist es dort selten. die meisten Einwanderer ein Herausfor- Bericht einer Tischkreismutter 50 Das wird allein schon durch die politische Lage verhindert: In Israel begegnet man dem derung darstellt. Erstkommunion 2018 51 Konflikt im Land auf Schritt und Tritt. Das beginnt damit, dass man bei der Abholung In den sich anschließenden Beiträgen Kantoreiwochenende 52 des Mietwagens unterschreibt, dass man nicht in die Westbank fährt, weil dann der Ver- nehmen uns die Israel-Pilger aus St. Ein Dankeschön aus Bangladesch 53 sicherungsschutz erlischt – und es endet mit den Soldatinnen und Soldaten mit Ihren Paulus mit auf die Reise von Hebron Kurz notiert/Familienanzeige 54 durch die Wüste, nach Jerusalem sowie Schusswaffen, die omnipräsent zu sein scheinen und einen nie vergessen lassen, dass an den See Genesareth und lassen uns Vorschau 55 das Land kein friedlicher Fleck Erde ist. In diesem Sinne war das „Heilige Land“ durch die an ihren vielfältigen Eindrücken im Kinderchor/Minifest/Senioren 55 Jahrhunderte und Jahrtausende auch selten „Heilig“ – was es zum Heiligen Land macht, Heiligen Land teilhaben. Unser thema- Festvortrag/Abendmusik 56 sind die Ereignisse, die wir dort verorten und die uns heilig sind. tischer Teil schließt mit einem traditio- Gemeindefest/Marmelade 57 nellen Rezept und der Vorstellung eines jüdischen Schriftstellers. Défi Belgique Afrique 58 Vor Ort muss man dann aber auch feststellen, dass die Sache mit diesen „Heiligen Orten“ Ich wünsche Ihnen eine Aus der Emmausgemeinde 59 ebenfalls nicht so einfach ist… In Bethlehem wird allein in drei Kapellen der Ort verehrt, anregende Lektüre! Zehn Fragen 61 wo den Hirten auf dem Feld die frohe Botschaft verkündet wurde. In Jerusalem ähnelt die Grabeskirche eher einem Labyrinth, weil sie über die Jahrhunderte so verbaut ist, oder Ihre Interna 63 einem Zirkus – besonders dann, wenn zwei Konfessionen gleichzeitig Gottesdienst feiern Gruppen & Kreise 64 und gegeneinander ansingen. Auch Prügeleien unter Messdienern soll es schon gegeben Termine im Überblick 66 haben. Das fühlt sich wenig heilig an und schockiert so manchen Pilger, der es zum ersten (A. Dohet-Gremminger) Kontakt 67 Mal erlebt. 2 3
Ein Wort voraus Thema: Israel Und doch lässt mich das Land nicht los. Inzwischen ist für mich natürlich jeder Ort mit vielen Erinnerungen „aufgeladen“ – an Menschen, denen ich dort begegnet bin, an Ge- Das gelobte Land schichten, die ich erlebt habe. Aber darüber hinaus ist Israel für mich auch ein Ort, an dem ich immer wieder für meinen Glauben Kraft schöpfen kann: Manche biblische Ge- Der Herr sprach zu Abraham: Zieh weg Milch und Honig fließen. Er zieht mit sei- schichte lässt sich leichter verstehen, wenn man die Landschaft oder den Ort kennt, in aus deinem Land, von deiner Verwandt- ner Sippe nach Kanaan. Wir wissen, wie der sie erzählt wird – den See Genesareth mit seinen nachmittäglichen Stürmen im Som- schaft und aus deinem Vaterhaus in das die Geschichte weitergeht, kennen die bib- mer, Jerusalem mit seinen engen Gassen und dem politischen Konflikt, den es in anderer Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde lischen Erzähltraditionen von den Stamm- Couleur vor 2000 Jahren ja auch gab, die Wüste, die einen auf das Wesentliche im Leben dich zu einem großen Volk machen, dich vätern Abraham, Isaak und Jakob. Das zurück wirft… Mit jedem Besuch gibt es neue Facetten, die sich zeigen, neue Einsichten, segnen und deinen Namen groß machen. Schicksal des Volkes Israel, wie die zwölf die ich gewinne, Gespräche, die mich bereichern. Deswegen rechne ich auch nicht mehr (Gen 12,1f) Stämme nach den zwölf Söhnen Jakobs damit, dass ich irgendwann genug habe von diesem Land. dann genannt werden, führt sie aus öko- Die Karawane des Abraham von Walter Tissot (1836-1902), Jüdisches Museum, New York © Gemeinfrei nomischen Gründen nach Ägypten, wo sie Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe unseres Rundbriefes waren zum größten sich irgendwann als Sklaven eines fremden Teil an Ostern mit einer Gruppe aus St. Paulus in Israel unterwegs. Sie beschreiben ihre Volkes fühlen und ihrem Führer Mose in eigenen Eindrücke oder haben im Nachhinein über Themen recherchiert, die Ihnen dort die Wüste folgen. Dort ziehen sie 40 Jahre begegnet sind. So ist eine Collage entstanden, die Ihnen hoffentlich vermitteln kann, wie umher, bevor sie es wieder erreichen, das faszinierend, vielseitig, „heilig“ und zerrissen dieser besondere Fleck Erde ist. Ich wün- gelobte Land. Ihre Kinder erst überschrei- sche Ihnen dazu eine gute Lektüre! ten die Grenze, Josua als Nachfolger des Mose führt sie schließlich über den Jordan. Was für eine kraftvolle Vorstellung und welch wirkmächtige Sehnsucht muss die Israeliten angetrieben haben! Schon an den Anfängen unserer re- ligiösen Erzählwurzeln wird von der Be- wegung hin zum gelobten Land als eine wechselvolle Angelegenheit erzählt. Und noch heute streiten im nahem Osten ethnische, politische und religiöse Ge- meinschaften um ein Land, eine Stadt, Siedlungsgebiete, den Tempelberg und vieles mehr, das in die Kämpfe um Besitz, Macht und Vorherrschaft mit hineinragt. ©Christina Schiltz Unsere Suche nach dem Land der Verheißtung Christinnen und Christen in Europa rei- sen oder pilgern gerne nach Israel, an die hi- storischen Orte der biblisch übermittelten Abraham glaubt an Gottes Verheißung, Geschehnisse. Das mag eindrucksvoll und ihn zu segnen, sein Volk zahlreich zu ma- spirituell vertiefend sein, doch erreichen wir chen wie die Sterne am Himmel und ihn dabei wirklich das „gelobte Land“? Wenn mit den Seinen in ein Land zu führen, wo wir im Land der Verheißung ankämen und 4 5
Thema: Israel damit unsere menschliche, weltliche Such- Gefühlen, unserem Sein, eine Richtung bewegung beendet wäre, wenn die Sehn- und einen Fokus geben. Die israelische Gesellschaft – sucht, die unser Menschsein bestimmt, er- In der Systemsichen Therapie- und Be- füllt wäre... wären wir dann nicht auch bei ratungsarbeit geht man davon aus, dass es bunt und facettenreich Gott angekommen, am Ziel unseres Seins? für jeden Menschen hilfreich ist, sich statt nur auf die erlebte Problematik auf die Vor- Israel heute ist geprägt von unter- Dazu ist Israel die Heimstatt Reich Gottes auf Erden? stellung von Lösungen auszurichten. Wenn schiedlichsten Strömungen, die oft der verfolgten Juden. Im zionis- Es kann also eigentlich gar nicht sein, wir unser gewünschtes Erleben gedanklich einander widerstreben und doch tischen Sinne von Theodor Herzl dass wir das gelobtes Land an einem Ort und mit körperlicher Vorstellungskraft un- von einigen Grundtatbeständen entstand durch Einwanderung und Zeitpunkt unseres weltlichen Men- ter Beteiligung aller Wahrnehmungsebe- bestimmt werden. Wir haben mit eine Nation der Überlebenden. schenlebens erreichen. Was für einen Sinn nen und Gefühle vorwegnehmen, uns ganz Israel einmal das „gelobte Land“, Der Antisemitismus, unter dem hat es dann, sich mit einem Sehnsuchts- in das hineinfühlen und -denken, was und in das Moses sein Volk zurückge- Juden in der Diaspora zu leiden ort zu befassen? So wie ja auch das Reich wie wir sein möchten, dann entfaltet diese führt hat, und das von Menschen hatten, und schließlich der Holo- Gottes, die Königsherrschaft Gottes, einer Imagination kraftvolle Wirkung in unserem jüdischen Glaubens als das ihnen caust machten es für viele Juden ist? Ort ist vielleicht missverständlich, Hier und Jetzt. Die Vision macht uns schon von Gott geschenkte Land begrif- deutlich, dass es nur eine Mög- denn es geht da ja nicht um einen räumlich ein Stück weit zu dem, was sein könnte, fen wird. Kanaan ist das Heilige lichkeit gab, dieser Verfolgung zu verstandenen Ort. Gerade wenn wir an das was in uns im Moment der Vorstellung Land, das Gott nach der Erzählung widerstehen – in dem sie einen Reich Gottes denken, zentraler Inhalt der schon irgendwie ist. der Genesis (13,14f) in der Bibel eigenen Staat gründen. Die isra- Verkündigung Jesu, wird das eindrücklich Könnte es vielleicht ähnlich sein mit Abraham für seine Nachkommen elische Gesellschaft von heute ist klar: Es ist nicht von dieser Welt, dennoch dem Reich Gottes und auch mit dem SEIN auf ewig versprach. Der moder- daher zutiefst religiös geprägt und hat es im Hier und Jetzt schon angefangen, in Gott, dem Sein in der Liebe (was wir ne Ausdruck ist „Land der Verhei- gleichzeitig gespalten. kann jeden Moment beginnen und gegen- nach den johannäischen Schriften der Bi- ßung“, auch (Ex 3,8) „Das Land wo wärtig werden. In Jesus ist es gegenwärtig bel gleichsetzen können), das Jesus per- Milch und Honig fließen“. Zupackende Gründerväter und in uns allen kann es seinen Anfang sonal und anschaulich verwirklicht hat? Wir haben die Gründerväter, finden, wenn wir uns – ja, wenn was? Wie Das Reich Gottes könnte unser „gelobtes Mehr als ein Nationalstaat die Pioniere (u.a. Golda Meir, Ariel bricht das Reich Gottes unter uns an? Ein Land“ sein, der Ort und Zustand, an den Die biblische Landverheißung Sharon, David Ben Gurion, Moshe Zustand des Wohlbefindens für alle Men- unsere Sehnsucht uns führen möchte. war neben dem Antisemitismus Daijan), die Israel zunächst den schen? Innerer Friede mit sich und und der Wenn wir die Kraft unserer Gedanken, das entscheidende Motiv für die Briten und dann den Palästinen- Welt und mit Gott? Wie kommen wir da- Wahrnehmungen und Gefühle darauf rich- jüdische Siedlung in Palästina seit sern abkämpften. Diese Genera- hin? Wie unterstellen wir uns dieser Herr- ten, beginnen wir, es Wirklichkeit werden dem 19. Jahrhundert und die Neu- tion, die langsam ausstirbt, war schaft des Friedens und der Liebe, die Gott zu lassen, es zu realisieren. Wenn wir un- gründung des Staates Israel 1948 sich bewusst, dass nur eine starke, uns in und mit seinem Königsreich anbie- seren Kurs danach ausrichten, richten wir auf der Grundlage des Zionismus. kämpferische und immer verteidi- tet? Wie und wodurch können wir uns auf unser ganzes Sein danach aus. Antizipieren Daraus erwachsen zwei für das gungsbereite Nation in der Lage den Weg machen zu diesem Ideal? sozusagen ein Stück der Erlösung, die uns Verständnis des Israels von heute ist, sich umringt von feindseligen erwartet, werden anfanghaft erlöste Men- wichtige Punkte: Das gelobte Land Nachbarn zu behaupten. Viele „Ideale sind wie Sterne am Himmel. Wir schen im Blick auf den Zustand, für den wir ist mehr als ein Nationalstaat. Es dieser Pioniere waren geprägt von erreichen sie niemals, aber wie die See- geschaffen sind. Erlöste Menschen, gelöst ist religiös aufgeladen. Und daraus dem Horror der Verfolgung durch fahrer auf dem Meer richten wir unseren von unseren Ängsten, von unserem Unver- entsteht der auf ewig unverhan- das Nazi-Regime und trugen meist Kurs nach ihnen.“ (Carl Schurz) mögen, Bewohnerinnen und Bewohner im delbare Anspruch auf Boden und den Verlust vieler Familienmit- Ein Anfang könnte sein, indem wir un- Land der Verheißung... Heiligtümer – und da im besonde- glieder mit sich. seren Blick auf dieses Ideal richten. Un- Karin Gotthardt ren Jerusalem. In der Gründerzeit Israels serer Aufmerksamkeit, unseren Gedanken, waren Menschen gefordert, die 6 7
Thema: Israel anpackten, sich um das Gemein- hen und so immer größere Teile Und trotzdem findet sich die moderne is- drei Kindern ist Israel das Land in der OECD wesen kümmerten und soziale des sozialen Lebens kontrollieren raelische Gesellschaft als heterogene, vom mit der höchsten Reproduktionsrate. Die Strukturen schafften, die dem ge- möchten, suchen modernere Isra- nationalen Gedanken zusammengehal- Gesellschaft ist sehr jung, und der durch- sellschaftlichen Zusammenleben elis einen Lebensstil zwischen Un- tene verschworene Gemeinschaft. Mehr schnittliche Israeli hat eine Lebenserwar- dienlich waren. Die ersten Jahr- sicherheit (Terrorismus und immer als jedes andere Land ist Israel darauf an- tung von über 80 Jahren. Auch in puncto zehnte des Aufbaus brauchten wieder aufziehende Kriegsgefahr), gewiesen, einig zu sein, wenn es darauf Lebensqualität liegt Israel auf den vorde- Menschen, die nicht den ganzen großem Leistungsdruck und einem ankommt, und das ist für jeden Israeli auch ren Plätzen im OECD-Vergleich. Tag in der Bibel lasen, sondern Sol- Sich-Irgendwie-Arrangieren (d.h. heute noch eine tiefe Prägung. Einander daten, Bauern, Maurer, Mechani- unter anderem auch eine Lösung zu helfen und zusammenzustehen ist bei Wachsende Fliehkräfte ker, Lehrer und Ärzte. Das gab der für die Palästinenserfrage). allem gelebten Streit und Diskurs in Zeiten Doch sind in den letzten Jahren die ursprünglichen israelischen Ge- Die Traditionalisten, wie sie der Not oberstes Gebot. Trotz sozialer Sys- Fliehkräfte im Lande größer geworden. Die sellschaft eine basisdemokratische in den ultraorthodoxen Parteien teme ist die nachbarschaftliche und famili- Ermordung Jitzchak Rabins beendete den Prägung, wie sie z.B. von den Kib- und der Schas-Partei organisiert äre Solidarität groß. Friedensprozess. Die Intifada (1987 und buzim am radikalsten gelebt wur- sind, und die derzeitige nationa- Man weiß zu feiern. Es gibt eine ausge- 2000) und die traurige Logik des Konflikts de. Die Arbeit dieser Männer und listische Regierung unter Netan- prägte Streitkultur und Neugier auf das Le- „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ verheißen Frauen (der Frauenanteil bei den jahu (Likud-Partei) machen es ben in jeder Beziehung. Israel ist trotz allem nichts Gutes. Politisch besinnt sich Israel Beschäftigten und z.B. der Armee derzeitig unmöglich, eine Lösung Traditionalismus eine durch und durch nicht auf seine Pioniertage und den damit ist wesentlich höher als sonst in der Palästina-Frage anzustreben. in der heutigen Zeit angekommene Gesell- verbundenen Optimismus, sondern lässt Europa) ließen in kürzester Zeit Die Likud-Partei, die man als na- schaft. Es gibt einen Boom an IT- und High- sich auf eine Logik ein, die Konflikte eher ein blühendes Land entstehen, das tionalistisch bezeichnen kann, be- Tech-Unternehmen, die Israels Wirtschaft anheizt als eindämmt. jung, modern, demokratisch und kommt mit jedem militärischen radikal transformiert haben. Kultur und Die Pilger, die von ihrer Reise nach Is- egalitär war. Trotz Krieg und An- Konflikt Zulauf. Sehr viele Israelis Vergnügen sind für den größten Teil der rael zurückgekehrt sind, können dennoch feindungen gab es überall Grund sind sich ihrer militärisch prekären Bevölkerung mindestens so wichtig wie bei sicher bestätigen, dass es im modernen für Optimismus und Zuversicht. Situation voll bewusst, und je- den Europäern. Das angenehme mediter- Israel vielerorten wirklich wie in einem der Anschlag, der in Israel verübt rane Klima macht es leicht, im Freien sei- gelobten Land aussieht. Wollen wir uns Religiöse Traditionalisten wird, führt zu einer Stärkung der nen Vergnügungen nachzukommen, seien wünschen, dass auch die Zukunft diesen Durch den auch nach dem Sieg nationalistischen Kräfte. Ebenso es Sport, Spiel oder einfach nur der Genuss Eindruck bestätigen kann. über die Nazis anhaltenden Ver- schwierig ist es, mit der radikalen eines schönen Essens auf einer Terrasse. Matthias Rollmann folgungsdruck speziell in Russland Siedlerbewegung, die das West- © Bettina Appel, Birgitta Pabsch Und die Gesellschaft wird immer bun- und seinen Ex-Republiken kamen jordanland als historischen Teil Is- ter. Inzwischen leben in Israel 1.5 Mio über die Jahre sehr viele ortho- raels (Eretz Israel) betrachtet, eine Araber (bei einer Gesamtbevölkerung von doxe Juden (sie stellen heute ca. Übereinkunft zu finden. 8,3Mio), weiterhin tragen auch der Zu- 20% der Bevölkerung) nach Israel. zug z.B. von französischen Juden, die sich Weiterer Lesestoff: Ihre Präsenz hat das Leben dort Zukunftsgewandt, jung und opti- in Frankreich nicht mehr wohl fühlen, die Gisela Dachs (Hrsg.), Länderbericht Isra- stark und immer stärker beein- mistisch Einwanderung äthiopischer Juden (1991 el, Bundeszentrale für politische Bildung, flusst. Ihr Einfluss steht im Konflikt Es stehen sich also unverein- durch eine Luftbrücke aus Äthiopien) oder Bonn 2016 Bilder: Gesichter Israels zum legeren, säkularen Lebensstil bare Kräfte gegenüber, die jedoch die unverminderte Immigration russischer Simon Schama, The Story of the Jews, der Israelis, die sich eher nach das Gleiche mit unterschiedlichen Juden dazu bei. Das starke Bevölkerungs- The Bodley Head 2013 westlichen Vorbildern orientieren. Mitteln erreichen wollen: Ein wachstum und die Immigration haben zu Während die orthodoxen Traditi- friedliches Miteinander und eine einer hohen Bevölkerungsdichte von heute Simon Sebag Montefiore, Jerusalem – die onalisten auf der strikten Einhal- Anerkennung des Existenzrechtes 372 Einwohnern pro km² geführt. Biographie, S. Fischer Verlag Frankfurt tung der religiösen Gebote beste- Israels durch seine Nachbarn. Mit einer Geburtenrate von nahezu 2011 8 9
Thema: Israel Eine israelische Liebesgeschichte Internship im Kibbuz Noam und Yuval waren 21 Jahre alt, als sie war es stockdunkel. Die junge Frau lächel- Unsere Autorin Frederike Kaup, eine Freundin unserer Praktikantin Sophia Anders, sich zum ersten Mal begegneten. Noam te verdutzt und streckte ihm ihre Hand lebte ein Jahr in Israel. Davon verbrachte sie einige Monate in zwei Kibbuzim. Eindrück- kam aus einer religiösen Familie und lebte hin: „Ich bin Noam.“ Die beiden redeten lich schildert sie ihre Erfahrungen aus dieser für uns recht fremden Welt. mit ihren Eltern und vielen Geschwistern die ganze Busfahrt bis zur Endstation mit- in einem jüdischen Dorf, unweit von Be’er einander, lachten viel und tauschten Wenn ich noch vor einem Jahr an Israel ge- dung des Staates Israel 1948 entstanden. Sheva. Yuval hingegen kam aus Tel Aviv schließlich ihre Handynummern aus. dacht habe, kam mir vor allem eine Menge Die Ideen der Gründer waren vor allem und hatte mit Religion nicht viel zu tun. Die nächsten Wochen über trafen sie Wüste, das Tote Meer und eine unsichere zionistisch geprägt, was bedeutet, dass sie Als beide die Schule beendeten, mussten sich häufig an den Wochenenden. Eines politische Lage in den Sinn. Dies sollte sich eine klassenlose israelische Gesellschaft im sie den Militärdienst absolvieren. Noam Donnerstagabends fragte Noam, ob Yuval jedoch schnell ändern, weil ich nach dem Heiligen Land etablieren wollten. Nach ei- wurde jedoch wegen chronischen Gelenk- am nächsten Abend ihre Familie in ihrem Abschluss eines Freiwilligen Ökologischen niger weiterer Recherche und Papierkram schmerzen vom Militärdienst in den sozi- kleinen Dorf kennenlernen wollte. So kam Jahres auf einem Bauernhof in Berlin be- beschloss ich also, eine Zeit lang in einem alen Dienst geschickt. Von nun an diente es, dass sie sich am Freitagnachmittag an schloss, für einige Zeit nach Israel zu ge- Kibbuz zu leben und zu arbeiten. Yuval an der Grenze zum Westjordanland den Pforten des Dorfes trafen. Yuval wun- hen. Mit dieser Idee stieß ich bei vielen auf und Noam als Reiseführerin in Jerusalem. derte sich, dass es so leer auf den Straßen positive und überraschte Reaktionen, an- Kibbuz Grofit Eines Tages verletzte sich Yuval bei ei- war. Als Noam ihn ihrer Familie vorstellte, dere begegneten mir etwas skeptisch und Am Tag nach Jom Kippur begab ich ner Übung. Er wurde nach Jerusalem zu waren alle sehr freundlich. Dann fragte No- wiesen mich vor allem auf die komplizierte mich kurzerhand zum Kibbutz Program Bild: Israelisches Liebespaar im Bus © David Ortmann, 2008, https://www.flickr.com, CC BY-NC 2.0 einem Arzt geschickt und sollte bei Son- ams Mutter ihn jedoch, ob er Challa backen politische und auch militärische Situation Center in Tel Aviv. Nach einer Einschät- nenuntergang zurück sein. Nachdem der könnte, schließlich sei bald Shabbat und hin. zung meiner Interessen wurde ich von der Arzt ihn untersucht hatte, er hatte lediglich die Familie veranstaltete jeden Shabbat Da ich jedoch schon immer ein großes freundlichen Beratung dem Kibbuz Gro- eine Prellung, war es jedoch schon fast ein großes Essen für die ganze Familie und Interesse an Landwirtschaft nicht nur in fit zugeteilt, einem kleinen Kibbuz in der dunkel und Yuval musste rennen, um den Freunde. Das also war die Erklärung dafür, Deutschland, sondern vor allem interna- Arava-Wüste, nahe Eilat am Roten Meer. Bus zu erwischen. Er schaffte es in letzter weshalb sie auf der Straße fast niemandem tional habe und viel von der besonderen Mit zwei Freunden machte ich mich also Sekunde und setzte sich schwer atmend begegnet waren. Yuval, der noch nie in sei- landwirtschaftlichen Situation in Israel auf den Weg in die Wüste. In den Abend- neben eine junge Frau, die ihn anlächelte. nem ganzen Leben Challa gebacken hatte, hörte und las, packte mich der Wunsch, die stunden standen wir dann schließlich vor Dann wollte sie sich die Kopfhörer in ihre dies aber nicht zugeben wollte, sagte, dass israelische Landwirtschaft selbst kennen- den Toren Grofits, mit der Aufschrift „Call Ohren stecken und Musik hören. Yuval er gerne für die ganze Familie backen wol- zulernen. Weitere Recherche brachte mich your host“. Wir müssen ein wirklich inte- spürte, dass es, wenn er sie jetzt nicht an- le. Mit Noams Hilfe wurde es sogar sehr auf die Idee, freiwillig in einem Kibbuz zu ressantes Bild abgegeben haben, mitten in sprach, zu spät wäre. Also machte er eine lecker, und in der Dunkelheit saßen alle arbeiten. Kibbuzim sind Siedlungen in Isra- der Nacht, inmitten der Wüste mit ratlosen Bemerkung über das Wetter – mittlerweile gemeinsam im gemütlichen Wohnzimmer el, die mit einem basisdemokratischen und Gesichtern. Ich rief die Nummer an, die mir und aßen das Shabbat-Mahl. landwirtschaftlichen Ideal seit der Grün- in Tel Aviv gegeben wurde, und wir wurden Die Monate vergingen und Yuval und Noam trafen sich sehr oft. Als sie ihren Dienst beendeten, beschlossen sie, in ei- nen Kibbuz zu ziehen. Sie wollten etwas Geld verdienen und außerdem lockte sie das friedliche Leben, die landwirtschaft- liche Arbeit und vor allem die besondere Erfahrung von Gemeinschaft im Kibbuz. Sophia Anders 10 11
Thema: Israel schließlich von Nimrod, meinem Chef, bezeichnen. In Jerusalem, und vor allem der Austausch mit Palästinensern vor Ort herzlich willkommen geheißen. auf dem Tempelberg beim Felsendom, hat mich sehr bewegt und meine Gedan- Am nächsten Tag lernte ich dann die habe ich jedoch eine spirituelle und trans- ken angestoßen. anderen Menschen kennen, mit denen zendente Energie gespürt, die diesem Ort ich die nächste Zeit zusammenarbeiten ganz eigen ist. Das einzige, was diese be- Green Apprenticeship im Kibbuz Lotan würde. Außer mir arbeiteten viele andere sondere Energie meiner Meinung nach Neben dem Kibbuz Grofit habe ich je- Freiwillige von überall aus der Welt im Kib- störte, waren die vielen Soldaten und Sol- doch auch noch einen Monat in einem buz sowie Israelis, die entweder dort auf- datinnen, die schwer bewaffnet überall in anderen Kibbuz, Lotan, verbracht und dort gewachsen sind, nach dem Militärdienst Jerusalem, aber auch im ganzen Rest Is- ein sogenanntes Green Apprenticeship ab- etwas Geld verdienen wollten oder einfach raels anzutreffen waren. In Israel herrscht solviert. Dass nun zur praktischen Arbeit, vom einfachen und gemeinschaftlichen Le- Wehrpflicht, die entweder zwei oder drei die ich ja bereits aus der Dattelplantage ge- ben im Kibbuz angezogen wurden. Schon Jahre dauert. Besonders irritiert hat mich, wöhnt war, auch theoretischer Unterricht vor meiner Anreise hat der Chef des Kib- dass die Soldaten und Soldatinnen alle zum Thema nachhaltiges Landwirtschaften buz Arbeitskleidung und Schuhe für mich ungefähr in meinem Alter waren und mit und Bauen dazu kam, bereicherte mich bestellt, sodass ich sofort mit der Arbeit schweren Maschinengewehren und Uni- sehr und ich hatte große Freude daran, mit beginnen konnte. Ich arbeitete in der groß- formen in Cafés oder im Bus saßen, als den anderen motivierten Teilnehmern zu en Dattelplantage des Kibbuz, die dessen wäre es das Normalste auf der Welt. Für leben und zu lernen. Israel benutzt eine Haupteinnahmequelle darstellte, und mich vermittelte dies kein Bild der Sicher- besondere Technik, um Landwirtschaft zu lebte so mit den Datteln in einem Rhyth- heit, sondern eher der ständigen Bedro- betreiben, die sich Tröpfchen-Bewässe- mus – als ich begann in Grofit zu arbeiten, hung. Als ich versuchte, mit einigen meiner rung nennt. Dadurch können auch in der war gerade Erntezeit. israelischen Freunde in Grofit über den trockenen Wüste Obst und Gemüse ange- Zu Beginn war ich noch etwas unsicher Militärdienst zu sprechen, stieß ich jedoch baut und Tiere gehalten werden. Zudem in der neuen Umgebung. Alle meine Kolle- nicht auf besonders großes Mitteilungsbe- beschäftigten wir uns in Lotan mit dem As- gen und die Bewohner des Kibbuz waren Jerusalem dürfnis. In Grofit war zwar weniger Militär pekt des nachhaltigen Bauens und lernten, jedoch sehr offen und sprachen hervorra- Mit einigen Freiwilligen fuhr ich nach zu sehen als in den großen Städten wie wie Häuser, sogenannte geodätische Kup- gend Englisch, sodass wir schnell Freunde Jerusalem und besuchte dort Yad Vashem, Jerusalem, Tel Aviv oder Haifa, dennoch peln, aus Lehm und anderen erneuerbaren wurden und viele Abende am Feuer in der die Holocaust Gedenk- und Aufarbeitungs- patroullierte auch hier das Militär jeden Ressourcen gebaut werden können. Wüste mit israelischer Musik und israe- stätte, um den Ort und die Arbeit vor Ort Tag an der jordanisch-israelischen Gren- In Israel habe ich besonders gelernt, wie lischen Köstlichkeiten verbrachten. Gro- kennenzulernen. Yad Vashem ist weltweit ze entlang, da Grofit direkt danebenliegt. es ist, auf sich alleine gestellt zu sein und fit war zwar kein religiöser Kibbuz, aber die bedeutendste Gedenkstätte, die an Mein Chef hatte zudem immer eine Waffe in einem anderen Land, dessen Sprache dennoch trafen sich alle Bewohner jeden die nationalsozialistischen Verbrechen bei sich. man nicht beherrscht, zurecht zu kommen Freitag um 19 Uhr zum Shabbat-Abendes- erinnert und wurde 1953 durch einen Be- Auf weiteren Reisen durch das Land, und somit selbstbewusster zu werden. Das sen, bei dem man vor allem das besonde- schluss der Knesset als eine staatliche Be- besuchte ich zudem Givat Haviva, eine Land bot mir unendliche Möglichkeiten, re Challa-Brot aß und den Shabbat-Wein hörde gegründet. Jerusalem hat mich sehr Bildungs- und Begegnungsstätte zwischen und ich habe eine ganz besondere Frei- trank. Challa kann ich mittlerweile auch fasziniert und vor allem, wenn man zu Fuß Tel Aviv und Haifa, die sich für jüdisch-ara- heit dort gespürt. Ich bin dankbar für alles, selbst zubereiten. Zudem durfte ich an ei- durch die Stadt schlendert, hatte ich das bische Verständigung einsetzt. Dort haben was ich erleben und lernen durfte, und für ner jüdischen Bar Mitzwa, zusammen mit Gefühl, die Stadt und ihre Impressionen wir an einem Seminar teilgenommen, das all die neuen Freundschaften, die ich ge- Bilder © Frederike Kaup allen Bewohnern des Kibbuz teilnehmen. richtig in mir aufnehmen zu können, und uns über die Geschichte Israels aufklärte. schlossen habe. Je länger ich in Grofit lebte und je mehr genoss die vielen neuen Eindrücke. Zudem haben wir viel über den israelisch- Frederike Kaup Zeit ich mit den anderen Bewohnern ver- Ich bin zwar christlich aufgewachsen, palästinensischen Konflikt gelernt, sind brachte, umso mehr schloss ich den Ort würde mich jedoch nicht als einen beson- zu einem Checkpoint des Westjordanland und die Menschen ins Herz. ders religiösen oder gläubigen Menschen und über die Grenze gefahren. Besonders 12 13
Thema: Israel Hat man unser Beispielwort als „ “ die den dazugehörigen Verben meist einen Die Sprache Israels entziffert (hier jetzt mit der masoretischen reflexiven Sinn gibt („einander schreiben“). Punktierung versehen, einem kleinen T un- Es ist also manchmal möglich, von wich- Als ich vor 17 Jahren aus den Diensten der nicht diesen Namen, sondern heißt „Ivrit“) ter dem ersten Buchstaben und einem _ tigen Grundworten auf die Bedeutung wei- Europäischen Kommission schied, hatte ich wird bekanntlich von rechts nach links ge- unter dem Tav in der Mitte; diese Zeichen terer Vokabeln im hebräischen Wortschatz mir manche Pläne für meinen Ruhestand schrieben. Daran und an die markanten stehen für die A-Laute; wer gute Augen zu schließen. Wenn man „katav“ kennt, zurechtgelegt, darunter das Vorhaben, He- Blockbuchstaben (es gibt keine Groß- und hat, entdeckt auch noch den kleinen Punkt wird es einen zum Beispiel nicht erstau- bräisch zu lernen. Zwei Gründe bestimm- Kleinschreibung, doch heutzutage eine innen im Anfangsbuchstaben „Kaph“ – er nen, dass ein „michtav“ ein „Brief“ ist. ten mich dazu: Ich würde mich auf diese Kursivschrift, die in den meisten Kursen bedeutet, dass dieser Laut als „k“ gespro- Doch in der Bibel kommt man mit sol- Weise bald besser in der Bibel auskennen verwendet wird) gewöhnte ich mich schon chen wird; ohne Punkt würde man ihn als chen Schrittchen leider nicht weit. Denn es und ich würde mein alterndes Gedächtnis nach wenigen Wochen. Schwieriger ist es, „ch“ lesen) so hat man den ersten Schritt in tauchen dort immer wieder neue Vokabeln trainieren. Manche meiner damaligen Vor- richtig auszusprechen, denn was ein komplexes Verbalsystem getan. auf, die man bei allem Fleiß noch nie gese- sätze habe ich wieder aufgegeben, beim hier steht, das sind (wie gesagt von rechts) heißt nicht etwa „schreiben“ sondern „er hen hat. Geläufiges Lesen der Bibel in der Hebräischen bin ich geblieben. Und doch nur die Konsonanten Kaph, Taw und Beth. schrieb“. Hebräische Verben bezeichnen Ursprache ist daher ein fernes Ziel. In den fühle ich mich auch nach so vielen Jah- Zum Glück haben jüdische Gelehrte, die entweder einen abgeschlossenen oder ei- Kursen arbeitet man sich Vers um Vers vor- ren noch immer als Anfänger. Das Lernen sogenannten „Masoreten“ (wörtlich: nen erst noch bevorstehenden Vorgang. an, man schlägt immer wieder in Lexikon, dieser Sprache lehrt mich Bescheidenheit; Überlieferer), ab 600 n.Chr. die Schrift mit Ein Präsens gibt es nicht (man kann es aber Grammatik oder Konkordanz nach. Die be- auch war ich sicher nicht fleißig genug. Vokal-Zeichen (meist Strichlein und Punk- durch ein Partizip ausdrücken: „ich bin ein kannten Bibelübersetzungen helfen zwar, ten) versehen und frühere Abschreibfehler Schreibender“ – so geschieht es im moder- lassen aber die Feinheiten der Konjugati- Althebräisch – die Sprache der Bibel behutsam korrigiert. Sie und die späteren nen Hebräisch). Die berühmte Antwort, die onen und andere Besonderheiten oft nicht Ich begann mit Kursen in biblischem Kopisten sind mit ungemeiner Sorgfalt vor- Gott dem Moses aus dem Dornbusch auf erkennen. Man freut sich als Schüler des- Hebräisch und konnte nach dem ersten gegangen. Das sieht man daraus, dass die dessen Frage nach dem Namen des Ewigen halb über jeden selbständig analysierten Jahr mit wohlwollender Anleitung des Pro- ältesten Handschriften des Tanach (z.B. der gab (Exodus 3,14), lautet jedenfalls „Ich Vers wie über ein gelöstes Kreuzworträtsel. fessors einfache Texte aus der Schrift lesen, Aleppo-Kodex von 920 n. Ch.) verblüffend werde sein, der ich sein werde“. Danach sollte man die so erarbeiteten Ab- die ich übrigens in Unterrichtsklassen mit genau dem Text der Jesaja-Rolle entspre- Als braver Schüler lernt man dann schnitte laut vor sich hin lesen, wieder und jüdischen Lehrern und Mitstudenten nicht chen, die 1947 in Qumran gefunden wurde die Konjugation des Wortes „katav“, also wieder, bis man sie fast auswendig kennt. gerne als „Altes Testament“ bezeichne. Ein und etwa aus dem Jahr 200 v. Chr. stammt. zum Beispiel „katavti“ – ich schrieb, oder Wenige schaffen das (ich nicht). Aber nur neutraler Ausdruck dafür ist „Tanach“ – die- Sie ist übrigens im „Schrein des Buches“ in „echtov“ – ich werde schreiben. Doch das so kann man am Ende fließend im Tanach ses Wort setzt sich aus den Abkürzungen Jerusalem zu besichtigen. ist erst der Anfang! Wer erinnert sich noch lesen. für die wesentlichen Teile der jüdischen daran, dass es im Lateinischen 4 Konju- Bibel zusammen: der Tora (d.h. den 5 Bü- gationen gibt, die sich im Wesentlichen Neuhebräisch – die Wiederbelebung der chern Mose), den Propheten („Prophet“ im dadurch unterscheiden, dass der Stamm Bibelsprache Singular heißt „Navi“) und den sonstigen eines Verbs mit –a, – e, – i oder mit einem Nach etwa drei Jahren solcher Bemü- Schriften („Ketuvim“, abgeleitet vom Wort Konsonanten endet? Im Hebräischen gibt hungen beschloss ich, einen Abkürzer zu „katav“ – „schreiben“). Dass die Reihenfol- es ein paar Konjugationen mehr und sie nehmen: Ich ging zu intensiven Sprach- ge der biblischen Texte im Tanach oft eine unterscheiden sich nicht nur im Klang, son- kursen nach Jerusalem. Wie beim Wan- andere ist, als in unserem AT, das sei nur dern verändern den Wortsinn eines Verbs. dern im Gebirge sparen Abkürzer oft Zeit, am Rande bemerkt. Ich kann beispielsweise aus unserem „ka- führen aber manchmal auch in die Irre. Bleiben wir bei dem Wort „schreiben/ tav“ durch das Vorsetzen einer Silbe das Ein Irrweg war das moderne Hebräisch für katav“ – im Original . Der Laut Verb „hitkatev“ machen. Es bedeutet „er mich nicht. Das ist Leuten wie Eliezer Ben- „k“ steht hier rechts – denn das „Hebrä- korrespondierte“, denn man wechselt mit Yehuda (1858 – 1922) zu verdanken. Zu ische“ (die Sprache Israels trägt übrigens Fragment der Jesaja-Rolle aus Qumran © Wikipedia dieser Vorsilbe in die Konjugation „hitpaël“, einer Zeit, als die zionistische Bewegung, 14 15
Thema: Israel also die Idee entstand, in Palästina ein moderne Ivrit nicht übernommen: Vokal- neues Israel als Heimat für Juden aus aller zeichen gibt es nur im Tanach, nicht in is- Welt zu gründen, setzte dieser Gelehrte raelischen Zeitungen, Reklamen, Büchern! es sich in den Kopf, die alte Sakralsprache Und doch: das heutige Hebräisch deckt sich wiederzubeleben, die schon zu Jesu Zeiten mit der Sprache der Bibel – angepasst an nicht mehr Umgangssprache war (damals unsere Zeit. So bezeichnet etwa „kisseh“ in sprach man meist Aramäisch). Ben-Yehuda der Bibel den Thron, auf dem Jesaja Gott war rigoros und lehrte seine Kinder von sitzen sah (Jes. 6,1) oder den Thron Salo- klein auf ausschließlich Hebräisch – dass mos (1 Kön. 1,14); doch heute wird „kisseh“ sie damit nicht einmal von ihren Spielge- für jeden beliebigen Stuhl verwendet. Eine fährten verstanden wurden, war ihm egal. „menorah“ ist nicht nur das Wahrzeichen Wenn heute jemand vorschlagen würde, Israels, der siebenarmige Leuchter, son- Latein solle Umgangssprache der EU wer- dern (schon in der Bibel, 2 Kön. 4,10) auch den, so wäre das ein leichtes Unterfangen jede alltägliche Lampe. Für viele Begriffe im Vergleich zu Ben-Yehudas Werk. Denn unserer Zeit muss man freilich alte Ausdrü- die romanischen Sprachen sind den rö- cke umdeuten. Als 1892 der erste Zug von mischen Lauten immer noch nahe; auch Jaffa nach Jerusalem fuhr, war Ben-Yehuda im Deutschen gibt es viele Anklänge dazu. selbst dabei und empfahl, die Eisenbahn Ivrit ist aber keine indogermanische, son- „rakevet“ zu nennen – biblisch ein Pferde- dern eine semitische Sprache – hat also gespann oder Streitwagen. Die Elektrizität einen Wortschatz, den die in Israel ein- bezeichnet man mit dem nur bei Ezechiel wandernden Menschen sich ganz neu er- vorkommenden Wort „chaschmal“ (Ez. arbeiten müssen. Wie schwer sich manche 1,4, dort wohl „Funke“ oder „Schein“). Die Flüchtlinge, denen wir derzeit helfen wol- neu belebte Sprache entwickelt sich also len, mit unseren Sprachen tun – ich kann weiter, wenn sie auch, wo immer mög- es nachvollziehen, denn nach all meinen lich, an alte Formen anknüpft. So heißt ein Anstrengungen kann auch ich mündliches Computer „machschev“, in etwa: „Denk- Hebräisch nur ein bisschen radebrechen maschine“ (von „machshava“ – Gedanken, – und Geschriebenes kaum lesen, denn ein Wort das z.B. bei Jesaja 55,8 vorkommt die Technik der Masoreten wurde in das – „Meine Gedanken sind nicht eure Gedan- ken“). Habe ich nun meinen Vorsatz aus der Zeit meiner Pensionierung verwirklicht? Ob mein Gedächtnis ohne das Hebräische (noch!) schwächer wäre, kann ich natürlich nicht sagen. Ein großer Schriftgelehrter bin ich nicht geworden. Aber wenn ich die Grüße aus Bibel aufschlage, dann habe ich immerhin dem Heilig ein vertrautes Gefühl und kann mich des ursprünglichen Wortlauts wichtiger Stellen en Land Sammelbüchse für die Höhle von Machpela – ob Touristen die hebräische Aufforderung wohl verste- vergewissern. hen? © Bettina Appel Peter Troberg 16 17
Thema: Israel Checkpoint 300 Reise in ein (un)Heiliges Land1 Wer vom Flughafen Ben-Gurion in Israel lischen Neubausiedlungen in Ostjerusalem weiter nach Bethlehem fährt, muss durch umschließt. Diese Grenze folgt nicht strikt zwei Tore durch, die verschiedener nicht der der sogenannten „Grünen Linie” des sein könnten. Jerusalems neues „West Waffenstillstandes von 1948, sondern geht Gate”, eine futuristische Seilkonstruktion zum Teil deutlich ins palästinensische Ge- des spanischen Stararchitekten Calatrava, biet hinein, wenn Siedlungen und Sicher- soll die Modernität der Stadt betonen. heitsinteressen es erfordern. Bald aber steht man vor einer anderen Israel hat in diesen Tagen seinen 70. Realität Jerusalems, nämlich dem Tor von Geburtstag gefeiert. Mehr als 50 Jahre da- Checkpoint 300 an der Sperrmauer, die die von ist es her, dass das Westjordanland für Israel-Pilger au s St. Paulus vor de Stadt in vielen Teilen abschottet. Doppelt die einen befreit, für die anderen besetzt m Felsendom in so hoch wie die Berliner Mauer, zudem wurde. Wer die Realität des Westjordan- Jerusalem, Israe l © Nina Mülle r von Wachtürmen gesäumt und in Teilen landes konzentriert an einem Ort erleben mit Stacheldraht gekrönt, ist sie Teil einer will, sollte einen Abstecher nach Hebron gigantischen Anlage, die das Kernland Is- machen. Seit dem Oslo II-Übereinkommen rael von den palästinensischen Gebieten von 1995 ist die West Bank in drei Zonen trennt. aufgeteilt: A ist komplett palästinensisch Willkommen in Bethlehem, willkom- kontrolliert und umfasst im Wesentlichen men in der West Bank, in den „besetzten” die Städte. In B liegen die meisten Dörfer. Gebieten, in „Judäa und Samaria”, in Pa- Israel und Palästinenser teilen sich hier die lästina, je nach Sichtweise. Als Reaktion Verantwortung in Sicherheitsfragen. C ist auf die sogenannten Zweite Intifada 2000- gänzlich in der Hand der Israelis geblieben 2004, als Anschläge von arabischen Selbst- und besteht zu einem großen Teil aus dem mordattentätern in Bussen, Cafés und an- Jordantal mit der Grenze nach Jordanien deren öffentlichen Plätzen zahllose Opfer sowie allen wichtigen Überlandstraßen auf jüdischer Seite forderten, beschloss und Gebieten mit strategischem Interesse Israel, das Westjordanland komplett und für Israel. In C liegen auch alle jüdischen gnadenlos abzuschotten. Nirgendwo wird Siedlungen. diese Trennung für den Touristen so sicht- Hebron als eine Stadt der A-Zone ist eine bar wie in Bethlehem, der Geburtsstadt der ältesten ununterbrochen bewohnten Jesu. In der Ferne sieht man die Mauer, Städte der Welt und Ort der sogenann- wie sie über Berg und Tal läuft und die im- ten Patriarchengräber von Abraham mit mer weiter ins Land vordringenden israe- Sara, Jakob und Lea, Isaak und Rebekka, ld ht für ins Bi © Copyrig 1 Entstanden unter dem Eindruck einer ökumenischen Pilgerfahrt der Paulus- und Emmausgemeinde Ostern 2018 18 19
Thema: Israel Die Wiederbesiedlung Hebrons durch jüdische Siedler begann schon wenige Jahre nach dem Sechstagekrieg 1967. Als Folge der Zweiten Intifada entstand eine zunehmend dichter werdende Grenze zwischen beiden Sektoren, bestehend aus Checkpoints, Zäunen und Wachtürmen, die Bewegungsfreiheit für die arabische Bevölkerung ist massiv eingeschränkt. Als wäre das nicht genug, haben sich 400 Ju- den einer bestimmten radikalen Glaubens- richtung mitten in der arabischen Altstadt niedergelassen, um dort an alte Traditi- onen anzuknüpfen. Der für sie notwendige Schutz durch die Sicherheitskräfte hat das Zentrum in eine Geisterstadt verwandelt. Die Vertreter von Friends of the Roots © Birgitta Pabsch Zusammenstösse und Schikanen sind an der Tagesordnung. sagen will, dass man sich ein Leben auch Lokaltermin auf einem Gelände zwi- in einem palästinensischen Staat vorstel- Die Patriarchengräber in Hebron © Ulrich Hüschen schen Bethlehem und Hebron mit zwei len könnte. Damit bilden sie aber eine ver- die sich in bzw. eigentlich unter einem bun- einen verletzt am Boden liegenden ara- Vertretern von Friends of the Roots. Diese schwindend kleine und heftig befehdete kerartigen Bau, der Machpela, aus herodi- bischen Attentäter kaltblütig in den Kopf Initiative bestehend aus Israelis und Palä- Minderheit in Israel. Es wäre schon ein anischer Zeit befinden. Das wuchtige Ge- schoss. stinensern hat sich zum Ziel gesetzt, den Wunder, ein echtes Wunder größer als alle bäude ist auf einer Seite Synagoge und auf Wenn man Hebron besucht, sollte man Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt, in der Bibel, wenn diese und andere Initi- der anderen Moschee. Hebron war zudem wissen, dass die Stadt seit dem Hebron- von Hass und Terror zu unterbrechen, und ativen zu einer Verbesserung der verfah- die Königsstadt Davids, bevor dieser Jeru- Abkommen von 1997 geteilt ist: H1 unter- zwar durch vertrauensbildende Aktivitäten renen Situation beitragen könnten. salem eroberte. Die Stadt ist für Juden und steht palästinensischer Verwaltung, H2 ist auf unterster Ebene, nämlich von Mensch Richard Schneider, ehemaliger ARD Moslems heilig – leider, muss man sagen. israelisch kontrolliert (vgl. Karte). zu Mensch. Hauptanliegen ist es, bei ge- Korrespondent in Tel Aviv, zitiert in seinem Hebron hat dadurch schlimme Dinge ge- meinsamen Essen, Sommercamps etc. kürzlich erschienen Buch einen drastischen sehen.1929 kam es zu einem Massaker an erst einmal gegenseitiges Wissen um die Ausspruch, der in Israel kursiert und die der jüdischen Bevölkerung mit 67 Toten, Leiden, Opfer und Ängste der jeweils ande- tragische Verstrickung beider Völker auf welches entscheidende Folgen für das zu- ren Seite zu erzeugen und so dem Gegner den Punkt bringen will: „Wir halten die Pa- künftige Verhältnis beider Volksgruppen wieder ein menschliches Gesicht in Würde lästinenser an ihren Eiern, und sie halten hatte in der „beiderseitigen Einsicht, dass und Respekt zurückzugeben. In Israel gibt uns an unserer Gurgel.“ das Verhältnis von Juden und Arabern von es nicht wenige Gruppen, die sich mit dem Ulrich Hüschen Gewalt nicht getragen, sondern auch kon- Verhältnis Israelis/Palästinenser beschäfti- stituiert wird”. So jedenfalls gerade erst gen, aber Friends of the Roots ist dahinge- der israelische Soziologe Nathan Sznaider. hend einmalig, als dass hier auf israelischer 1994 erschoss ein extremistischer jü- Seite Vertreter aus der umstrittenen Sied- discher Siedler 29 in der Moschee betende lerbewegung aktiv sind. Sie sagen unter Moslems. Eingebrannt hat sich auch das Karte von Hebron © Quelle: OCHA/ReliefWeb, https://reliefweb. anderem: „We belong to the land, but the int/map/occupied-palestinian-territory/settlement-affected-area-he- Bild des israelischen Soldaten, der 2016 bron-city-february-2018 land does not have to belong to us”, was 20 21
Thema: Israel Wüstenwanderung Schweigend gehen wir die ersten dreißig Minuten, nur das Knirschen der kleinen Steinchen unter unseren Schuhen ist zu hören, bis der bald sandige Boden auch diese mehr und mehr verschluckt. In die Stille hinein ist der Ruf eines Vogels zu hören. Trotz allem umgibt uns Leben! Schritt für Schritt, der Blick geht in die Weite – Steine, Sand, soweit das Auge reicht. Dann wieder die Stille, die Ruhe, die uns nach der ersten halben Stunde des Schwei- Das Auge kann sich an der Andersartigkeit nicht satt sehen. Und dennoch geht der gens weiterhin umgibt. Nachvollziehen kann man plötzlich, dass es einen in die Blick auch nach innen, viele Gedanken strömen einem durch den Kopf. Wo hat die Wüste ziehen kann – wie Johannes der Täufer oder Jesus, um sich selbst in der Wüste in der Bibel eine Rolle gespielt? Sind so die Israeliten auf der Flucht aus Ägyp- Einsamkeit zu finden. Mit sich und seinen Gedanken sind auch wir, trotz der jeweils ten auf dem Weg nach Kanaan durch die Wüste gezogen, erst dicht zusammen und weiteren dreißig Mitwanderer, allein. dann immer weiter auseinander, einzeln vor sich hin trottend, bis sie sich bei einem Halt wieder alle zusammenfanden? Immer wieder Steinvorsprünge oder klippenartige Felsen. – Ist Jesus auf einem solchen gestanden, als Satan ihn in Versuchung führte? Hatte Am Anfang war die Erde wüst und leer – Berge und Sanddünen umgeben uns in ihrer auch er diesen Blick in die Weite des Himmels, in welchem er seinen Schutz wusste? kargen Schönheit! Mit dem Gedanken an die Schöpfungsgeschichte entdecken wir in der Wüste plötzlich immer wieder neu kleine Schöpfungswunder: einen ausgetrock- Vom Höhenzug ein wunderbarer Blick zurück auf das Tote Meer, neten Wadi, der durch sprudelndes Wasser einst geformt und immer wieder neu aus- auf unseren Weg, der uns bergan führte, das schöne Gefühl, gewaschen wird, bizarre Steinformationen, vereinzelt kleine Blümchen in verschie- dass alle es geschafft haben, und kurz danach der Blick auf denen Farben, die ihren Schatten auf den Boden werfen, Gräser, die sich grün vor unser Ziel: die alte Karawanserei Nabi Musa, in welcher Moses dem matten Braun des Sandes abheben, trockene Dornbüsche am Wegesrand, die seine Grabesstätte gefunden haben soll. an den brennenden Dornbusch erinnern, kleine weiße Schneckenhäuser, die im Sand © Birgitta Pabsch leuchten und in deren tiefstes Innere sich die Schnecken vor der Hitze zurückziehen. Wie nah sind wir uns, wie nah unseren christlichen Wurzeln, Plötzlich eine Schafherde am Horizont, später ein Hirte auf seinem Esel. – – wie reich beschenkt werden wir durch die Wüste! Ist so Josef mit Maria und Jesus nach Ägypten geflohen? Bild Birgitta Pabsch 22 23
Thema: Israel ganzes Jahr keinen Gewinn. In der Vergan- Meer gepumpt wird. Der Energieaufwand Und woher kommt das Wasser? genheit gab es nationale Kampagnen, wie für diese Wassergewinnung ist zwar im- „Israel trocknet aus“, die davor warnen mens, jedoch schaffen es die Konzerne, Wenn man durch Israel reist, begegnet man einer Landschaft, die ganz und gar nicht sollten, dass es an Wasser mangelt, doch Preise um die 30$ pro Monat zu halten, ausgetrocknet ist. Wenn man sich nicht gerade im Süden des Landes, in der Wüste Ne- hergezaubert werden konnte das Wasser niedriger als in den trockenen Gegenden gev oder am Toten Meer befindet, begegnet man eigentlich immer und überall Orten, auch nicht. Verschwinden konnte es jedoch, Kaliforniens in den USA (Los Angeles: 58$, die grün sind und wo die Pflanzen sprießen. Für uns Europäer, die eine grüne Natur wie man immer stärker am See Genesareth bezogen auf einen Durchschnittshaushalt). gewohnt sind, ist das wahrlich nicht ungewöhnlich. Doch wenn man die geographische und auch am Jordan sehen konnte, deren Bei der Wasserentsalzung kann Isra- Lage Israels betrachtet, muss einem auffallen, dass dort komplett andere klimatische Pegel immer mehr zurückgingen. Es wur- el wirklich als Vorreiter gesehen werden. Bedingungen herrschen, denn Israel befindet sich im Nahen Osten, einer Region, die de fast doppelt so viel Wasser verbraucht, Fünf der weltweit zwölf größten Meer- vor allem für ihre Hitze und Trockenheit bekannt ist. wie natürlicherweise zur Verfügung stand. wasserentsalzungsanlagen stehen in Is- Selbst das Rationieren von Wasser konnte rael. Mehr als 70% des Trinkwassers in Ressourcentechnisch gese- über 600mm. Dennoch ist dies die Situation nicht verbessern; eine andere Israel wird jetzt schon von diesen Anlagen hen ist das Wasser das größte im Vergleich zu unseren Brei- Lösung musste gefunden werden. produziert, bis 2020 soll das Trinkwasser Problem des Nahen Ostens: tengraden eine immer noch komplett von diesen zur Verfügung gestellt Während die Region einer der geringe Menge. Wie schaffen Technologische Meisterleistung werden. Um nur ein Beispiel zu nennen: größten Öl- und somit Energie- es also die Israelis trotzdem, Und diese Lösung kam: Durch giganti- Die größte Meerwasserentsalzungsanla- lieferanten der Welt ist, stellt aus diesen trockenen Be- sche Meerwasserentsalzungsanlagen wur- ge nördlich von Tel Aviv versorgt mit 500 das Wasser ihre große Heraus- dingungen so viel Grün und de es möglich, eine Alternative zu finden, 000 Kubikmeter Frischwasser um die eine forderung dar. Generell kann landwirtschaftliche Erträge zu um nicht den Jordan und den See Genesa- Million Menschen mit Wasser. Außerdem man sagen, dass die arabische erzielen? Immerhin passiert reth auspumpen zu müssen. Diese Anlagen gilt für israelische Haushalte ein bestimm- Halbinsel zum Großteil von es uns nicht selten im Super- funktionieren durch den sogenannten Pro- tes Wasserkontingent. Wenn dieses über- Trockenheit dominiert wird. markt, Schnittlauch, Basilikum zess der Umkehrosmose. Bei diesem wird schritten wird, wird der Hahn zwar nicht Dort fallen pro Jahr weniger als oder sogar Tomaten aus Israel das Wasser unter großem Druck durch komplett abgedreht, jedoch steigen dann 100mm Niederschlag, im Ver- Unser Oberministrant Chri- zu kaufen. Woher bekommen Röhren gepresst, die mit einer riesigen die Wasserpreise. So versucht der Staat, gleich zu Belgien mit immerhin stoph Pabsch in Jerusalem die Gewächshäuser, umgeben Menge von Kunststoffmembranen aus- den Wasserkonsum niedrig halten und die 1000mm pro Jahr eine enorm © Bettina Bruss von Wüste, Wasser? gestattet sind. Diese Membranen lassen Bevölkerung zum Sparen anzuhalten. geringe Menge. Israel hingegen ist zweige- Noch vor wenigen Jahren war die Si- Wassermoleküle durch, die Salzbestand- Eine weitere Art, wie Israel versucht, teilt. Am Küstenstreifen des Roten Meeres tuation in Israel dramatisch: Aufgrund teile bleiben auf der anderen Seite zurück. seinen Wasserverbrauch zu decken, ist in Eilat herrschen ähnlich trockene Bedin- mangelnden Regens oder Überreizung Somit entsteht auf der einen Seite salz- das Aufbereiten des Abwassers. Der gungen wie auf der gesamten arabischen der Wasservorräte aus Flüssen und Seen freies Trinkwasser, auf der anderen eine Großteil dieses Wassers wird nämlich Halbinsel. Von Eilat nach Norden erstreckt wurden zum Teil drastische Maßnahmen hochkonzentrierte Salzlake, die zurück ins nicht einfach gereinigt und abgelassen, sich die ebenfalls niederschlagsarme Wü- ergriffen. Nicht selten wurde israelischen ste Negev, in dessen Norden sich ein wei- Bauern und sogar Haushalten der Wasser- teres trockenes Gebiet anschließt, das sich hahn zugedreht. Aus wirtschaftlicher Sicht fast über das ganze Westjordanland er- für das Land nicht existenzgefährdend: streckt und sich erst nach Jerusalem lang- Lediglich 2,1% des israelischen Brutto- sam abschwächt. Im Gegensatz zum Süden inlandproduktes kommt aus dem Sektor ist der Norden Israels von subtropischem- der Landwirtschaft. Für die Bauern stellt Mittelmeerklima geprägt, dort misst man das Abdrehen des Wasserhahns jedoch am See Genesareth Niederschlagsmengen ein Horrorszenario dar, denn ohne Wasser von über 400mm pro Jahr, in Haifa sogar wächst nichts und der Bauer macht für ein Gewächshäuser in der Wüste Israels © Christoph Pabsch 24 25
Sie können auch lesen