Kanton Graubünden - Schülerdokumentation Chur, im Januar 2016
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
INHALT 1 GRAUBÜNDEN, DIE SCHWEIZER FERIENREGION NR. 1 4 1.1 CHARAKTER VON GRAUBÜNDEN 4 1.2 GEOGRAFISCHE AUSPRÄGUNGEN 4 1.3 KLIMA 5 1.4 NATUR 5 1.5 TIERWELT 5 1.6 NATIONALPARK 6 1.7 TOURISMUS 6 1.8 SITTEN UND BRÄUCHE 7 1.9 ESSEN UND TRINKEN 7 1.10 KUNST 8 1.11 SPRACHEN 9 2 GEOGRAPHIE GRAUBÜNDENS 10 2.1 BEZIRKE UND KREISE IM KANTON GRAUBÜNDEN 13 3 GESCHICHTE AUF EINEN BLICK 13 3.1 DAS KANTONSWAPPEN 13 3.2 DER BAU DER RHÄTISCHEN BAHN 14 3.3 TOURISMUSGESCHICHTE 16 3.4 TOURISMUSENTWICKLUNG 17 4 TOURISMUS IN GRAUBÜNDEN 20 4.1 TOURISTISCHE FAKTEN ZU GRAUBÜNDEN 20 4.2 BEDEUTUNG DES TOURISMUS IM KANTON GRAUBÜNDEN 21 4.3 DAS 3.3 MRD.-UNTERNEHMEN „TOURISMUS GRAUBÜNDEN“ 21 4.4 SOMMERURLAUB IN GRAUBÜNDEN 22 4.4.1 SOMMER INSIDER TIPPS IN GRAUBÜNDEN 22 4.4.2 WEITERE AKTIV-SPORTMÖGLICHKEITEN IM SOMMER 22 4.5 WINTERURLAUB IN GRAUBÜNDEN 23 4.5.1 WINTER-INSIDER-TIPPS IN GRAUBÜNDEN 23 4.5.2 WEITERE AKTIV-SPORTMÖGLICHKEITEN IM WINTER 23 4.6 WAS BRINGT DIE ZUKUNFT 23 4.7 KLIMAERWÄRMUNG 24 4.8 PROJEKT „BÜNDNER TOURISMUSREFORM“ 25 4.9 ZIELE FÜR DEN BÜNDNER TOURISMUS 2014-2021 25 Schülerdokumentation 2
4.10 AUFGABENTEILUNG IM BÜNDNER TOURISMUSMARKETING 25 4.11 STRUKTUREN IM BÜNDNER TOURISMUS (STAND JANUAR 2013) 26 5 DAS BEDROHTE SPRACHEN-KALEIDOSKOP GRAUBÜNDENS 28 5.1 EIN HAUCH VON BABYLON 28 5.2 DIE RÖMER ALS SPRACHSCHÖPFER 28 5.3 RÄTOROMANISCH, SPRACHE OHNE HINTERLAND 29 5.4 DOMINANZ DER DEUTSCHEN SPRACHE 30 5.5 WALSERDEUTSCH IM CLINCH 30 5.6 ITALIANITÀ IN DEN BÜNDNER SÜDTÄLERN 31 5.7 DIE SPRACHENVIELFALT, EIN PRÜFSTEIN DER DEMOKRATIE 32 6. BÜNDNER LANDWIRTSCHAFT 33 6.1 ALPINE VIEH- UND MILCHWIRTSCHAFT 33 6.2 WO AUCH KÜHE FERIEN MACHEN 34 6.3 SELBSTBEWUSSTE, INNOVATIVE LANDWIRTE 34 7. UMWELT & NATUR 35 7.1 EMISSIONSFAKTOR TOURISMUS 35 7.2 GEWÄSSERSCHUTZ SEIT 1974 36 7.3 NICHT NUR VOM STAAT VERORDNETER UMWELTSCHUTZ 36 7.4 HOHE OZONWERTE, WENIG SCHWEBESTAUB UND KOHLENMONOXID 37 8 DIE MARKE GRAUBÜNDEN 39 9 BÜCHER ZU GRAUBÜNDEN 40 Die Schülerdokumentation mit allen wichtigen Links finden Sie online unter www.graubuenden.ch/geschichte Schülerdokumentation 3
1 Graubünden, die Schweizer Ferienregion Nr. 1 1.1 Charakter von Graubünden Graubünden ist eine eigenständige alpine Welt für sich, die schon topographisch, aber auch hinsichtlich des Klimas, Flora, Fauna, Kultur usw. von grosser Vielfalt ist. Land der 150 Täler wird es denn auch genannt, und jedes dieser Täler hat wiederum seinen ganz eigenen Charakter. Drei verschiedene deutsche Mundarten, fünf romanische Idiome (Sursilvan, Sutsilvan, Surmiran, Puter und Vallader) und mehrere italienisch-lombardische Dialekte in drei Talschaften werden in Graubünden gesprochen. Dazu kommt Rumantsch Grischun als einheitliche Schriftsprache der Rätoromanen. Die Autonomie und das Selbstbewusstsein der einzelnen Gemeinden sind wie in vielen schweizerischen Berggebieten sehr gross. Dass trotz der Vielfalt und der mangelnden geographischen Einheit ein einiges Graubünden entstanden ist und sich die Jahrhunderte hindurch hat halten können, ist der Geschichte und vor allem dem Transitverkehr zu verdan- ken. Der jahrtausendealte Verkehr über die Alpenpässe hat die einzelnen Talschaften durch die gemeinsamen Interessen am Offenhalten der Saumwege und durch den gemeinschaftlichen Saumverkehr einander näher gebracht. 1.2 Geografische Ausprägungen Graubünden liegt im östlichsten Teil der Schweiz, an der Grenze zwischen den West- und Ostalpen, sozusagen am Fenster der Alpen. Der höchste Punkt ist mit 4‘049 m ü. M. der Piz Bernina, der tiefste liegt bei San Vittore an der Tessiner Grenze bei rund 270 m ü. M. Die höchstgelegene ganzjährig bewohnte Siedlung ist Juf (2‘126 m ü. M.) in der Gemeinde Avers. Das tiefst gelegene Dorf ist San Vittore mit 279 m ü. M. Der Kanton Graubünden grenzt im Norden, Osten und Süden ans Ausland: Liechtenstein, Österreich und Italien. Im Südwesten, Westen und Nordwesten grenzen die vier schweizerischen Kantone (Tessin, Uri, Glarus, St. Gallen). Graubünden hat mit 701 km die längste Grenzlinie gegenüber dem Ausland und ist mit 7‘105 km2 der grösste Kanton der Schweiz. Das Land der 150 Täler zeigt eine fantastische Gliederung. Darauf weist schon die Tatsache hin, dass sich seine Gewässer in drei verschiedene Meere ergiessen: durch den Rhein in die Nordsee, durch Adige und Po ins Mittelmeer und durch Inn und Donau ins Schwarze Meer. Schülerdokumentation 4
1.3 Klima Die Höhenlage und die Situation im östlichen Teil der Schweizer Alpen sind für das Klima im nördlichen und mittleren Graubünden bestimmend, wozu noch die besondere lokale Lage und die Topographie kommen. Die hohe Lage bedingt eine niedrigere durchschnittliche Tempera- tur, der aber eine starke Sonneneinstrahlung tagsüber gegenübersteht. Auffallend wenig Niederschläge hat Graubünden im Gegensatz zu anderen Teilen der Alpen: Es liegt im Schatten der Westwinde, die ihre Wolken früher entladen. Die Süd Täler haben im Gegensatz zu den anderen Teilen Graubündens ein südliches Mittelmeer-Klima. 1.4 Natur Grössere Landwirtschaftskulturen finden sich im Domleschg und im unteren Rheintal, vor allem in der klimatisch milden „Bündner Herrschaft“ um Maienfeld, dem grössten Weinbau- gebiet des Kantons. In günstigen Lagen in den Hochtälern kommen da und dort Ackerbau und Obstkultur vor, sonst dominiert die Viehwirtschaft, neben Milchwirtschaft vor allem die Viehzucht. In den Hochtälern finden sich auch die sehr stark ausgeprägten Tourismusland- schaften, wie jene von Davos Klosters, Engadin St. Moritz, Engadin Scuol, Samnaun, Lenzer- heide, dem Oberhalbstein mit Savognin, Arosa im oberen Schanfigg, Flims Laax Falera, Disentis und Sedrun in der Surselva. 1.5 Tierwelt Im letzten Jahrhundert ist der früher so reiche Wildbestand in Graubünden stark zurückgegan- gen. Der letzte Luchs fiel 1872 der Kugel zum Opfer. 1972 ist aber heimlicherweise wieder ein Luchspaar im Nationalpark ausgesetzt worden, das dann ins Unterengadin abwanderte. Auch die Hirsche verschwanden, sind aber seit der Jahrhundertwende von Österreich her wieder eingewandert und haben sich stark entwickelt und weiterverbreitet. Im Frühjahr 2012 lebten 13'000 Hirsche im Kanton. Aufregung gab der Braunbär JJ3 im Herbst 2007. Nach dem er für Menschen und Siedlungen ein Sicherheitsrisiko wurde, erlegten Wildhüter das Tier im April 2008. Heute befindet sich JJ3 im Naturmuseum in Chur. Gleich erging es dem Braunbären M3, der sich lange im Valposchiavo aufhielt, die Scheu gegenüber Menschen verlor und so auch er zum Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung wurde. So wurde M3 von Wildhütern im Februar 2013 erlegt (nebst diesen zwei Bären „besuchten“ auf friedliche Art und Weise noch weitere Exemplare Graubünden). Auch das Wappentier Graubündens, der Steinbock, war im 17. Jahrhundert ausgerottet. Erst 1911 wurden wieder Steinböcke ausgesetzt, heute gibt es rund 6000 Steinböcke in Graubünden. Insgesamt rechnet man im Kanton mit einem GrossWildtier- Schülerdokumentation 5
bestand von 60'000 Tieren. Und auch die Wiedereinwanderung des Wolfes in der Schweiz ist geglückt. 2011 wurde in Chur am Calanda ein Wolfspaar gesichtet, ein Jahr später brachten sie Jungwölfe zur Welt. Es war dies zum ersten Mal seit 150 Jahren in der Schweiz der Fall. Quelle: http://www.gr.ch/DE/kanton/ueberblick/Seiten/JagdundFischerei.aspx 1.6 Nationalpark Der Schweizerische Nationalpark ist ein Naturreservat, in dem die Natur von allen zweckfrem- den Eingriffen und Einflüssen vollständig geschützt wird. Die gesamte Tier- und Pflanzenwelt ist hier ganz der freien, natürlichen Entfaltung überlassen. Der Nationalpark umfasst 172 km2, was der Grösse des Kantons Appenzell entspricht und ist damit der zweitkleinste Park im Alpenbogen. Die Eidgenössische Nationalparkkommission lancierte am Ende der 90er Jahre ein Projekt für eine Erweiterung des Nationalparks um rund 300 km2. Die Park Flora ist mit über 640 Pflanzenarten - die diesem Trockengebiet der Zentralalpen entsprechen - überaus reich. Dreissig Arten von Säugetieren und über 100 Arten von Vögeln wurden im Nationalpark festgestellt. 1991 wurden erstmals in Österreich aufgezogene Bartgeier ausge- setzt, um zu beobachten, wie sich diese Vogelart in den Bündner Bergen wieder integrieren wird. www.nationalpark.ch 1.7 Tourismus Wirtschaftlich die grösste Bedeutung für den Kanton hat der Tourismus, vorbereitet durch den jahrhundertelangen Passverkehr. Eine Pioniertat war der Bau der Rhätischen Bahn (RhB). Diese Privatbahn, die mehrheitlich im Besitz des Kantons Graubünden ist, wuchs aus der Stammlinie Landquart-Klosters-Davos heraus, die auf Initiative des Davoser Hoteliers W.J. Holsboer in den Jahren 1888 - 90 gebaut wurde. Sie ist zweifellos die kühnste Alpenbahn, die mit dem Albulatunnel mit der höchsten Scheitelhöhe (1789 m ü. M.) und der Vereinatunnel mit 19,042 km der Längste. Ihr Schmalspurnetz umfasst 384 km, worunter sich 115 Tunnels mit 58,7 km, 42 Galerien mit 3,3 km und 592 Brücken von 15.4 km Länge befinden. Zu den eindrücklichsten Kunstbauten zählen etwa das Wiesner-Viadukt (das Höchste) zwischen Filisur und Wiesen, welches 89 m hoch und 210 m lang ist. Das Langwieser-Viadukt (das Längste) zwischen Langwies und Arosa mit 285 m und 65 m Höhe. Quelle: https://www.rhb.ch/de/unternehmen/kennzahlen/infrastruktur Schülerdokumentation 6
Graubünden mit seinen Topkurorten Davos, St. Moritz, Arosa und weiteren bekannten Ferienzentren wie Flims, Lenzerheide, und vielen anderen ist das bedeutendste Tourismusge- biet der Schweiz. Eine vielfältige Landschaft, reiche Winter- und Sommersportmöglichkeiten dank vielen attraktiven Bergbahnen, eine leistungsfähige Hotellerie und Parahotellerie, Mineralquellen und klimatische Vorzüge haben Graubünden zum Ferienparadies gemacht. Rund zwei Drittel der Bevölkerung lebt direkt oder indirekt vom Tourismus. 1.8 Sitten und Bräuche Besonders bei den rätoromanischen und katholischen Bündnern gibt es noch viele alte Bräuche. Bekannt ist die „Schlitteda“ im Engadin, bei der junge und auch ältere Paare in froher Fahrt mit ihren Schlitten durch die winterliche Landschaft ziehen und sich abends dann bei fröhlicher Unterhaltung vergnügen. Der ebenfalls im Engadin, in den Südtälern und dem Oberhalbstein festlich begangene „Chalanda Marz“ entspricht dem alten römischen Jahresbe- ginn „Calendae Mariis“ am 1. März. Mit Glocken und anderen Lärminstrumenten zieht dabei die Jugend, Gaben heischend, durchs Dorf. Grosse kirchliche Feste sind, vor allem in katholi- schen Gebieten, die Kirchweihen. Von der Januarmitte bis Aschermittwoch leben im ganzen Land alljährlich uralte Fasnachtssit- ten wieder auf. Mit dem Maskentreiben sollen die bösen Geister des Winters gebannt und vertrieben werden. 1.9 Essen und Trinken Die Vielfalt Graubündens zeigt sich auch beim Essen und Trinken. Wohlbekannt sind das luftgetrocknete Bündnerfleisch und der Bündner Rohschinken sowie der Salsiz und die Engadiner Würste. Dazu kommt die währschafte Bündner Gerstensuppe, Maluns (gebratene mit Weissmehl vermengte Kartoffelbrocken) oder Capuns (Krautknödel). Besonders reichhaltig sind die Bündner Gebäcke, was nicht verwundern kann, sind die Engadiner, Puschlaver, Davoser u.a. auch als Zuckerbäcker in alle Welt gekommen. Die Bündner Herrschaft ist dank dem milden Klima zu einem grossen Weinanbaugebiet Graubündens gewachsen. Zwischen den Dörfern Fläsch, Maienfeld, Jenins und Malans erstrecken sich die Rebberge. Chur, Felsberg und Zizers produzieren ebenfalls ihren eigenen Wein. Schülerdokumentation 7
Ein anderer bekannter Wein ist seit über 160 Jahren in ausländischem Besitz: Der Veltliner. Das Veltlin war jahrhundertelang Bündner Untertanengebiet. Am Wiener Kongress ging es dann aber aus kleinlichen Gründen an Italien. Seither, so sagen die Bündner, erobern sie das Veltlin „schluckweise“ zurück, denn der Hauptabsatz des Veltliners geht auch heute noch nach Graubünden. 1.10 Kunst Überaus reich an Kunstdenkmälern aus allen Epochen ist Graubünden, wobei südliche und nördliche Einflüsse in vielfältiger und reizvoller Weise sich begegnen. Interessante Streufunde hat die alpenländische Melaunerkultur aus der Bronzezeit und der beginnenden Eiszeit an verschiedenen Orten in Graubünden zurückgelassen. Dazu kommen „etruskische“ Helme (Fundorte Igis und Obersaxen) und schöne nordetruskische Geräte. Aus vorgeschichtlicher Zeit sind auch die Steinhütten auf Puschlaver Alpen, die an Bauten in Apulien und auf Kreta erinnern. Neben Hausfragmenten und vereinzelten Figürchen hat die Römerzeit im Wesentli- chen nur Münzen hinterlassen. Einige eindrückliche Baudenkmäler hat auch die romanische Zeit hinterlassen. Die Churer Kathedrale stammt aus dem Ende der Romanik und zeigt schon gotische Konstruktionselemen- te. Das bedeutendste romanische Kunstdenkmal aber ist die mit Malereien versehene Kirchendecke von Zillis, der ältesten, fast vollständig erhaltenen Holzdecke der abendländi- schen Kunst. Die über 150 Bildfelder erinnern in ihrer naiv-eindrücklichen Art an Buchmalerei- en. Zur romanischen Zeit sind auch die meisten Höhenburgen entstanden, von denen in Graubünden noch eine grosse Zahl eindrücklicher Ruinen zurückgeblieben ist. Aus der Epoche der Früh- und Hochgotik sind kaum kirchliche Baudenkmäler überliefert, hingegen einige Plastiken, Marienfiguren und - als eine Neuschöpfung dieser Zeit - Vesperbil- der, in denen sich schwäbischer Einfluss geltend macht. Auch hier hat die Malerei die wertvollsten künstlerischen Zeugen dieser Zeit hinterlassen. Im Gegensatz zur Früh- und Hochgotik sah die Spätgotik in Graubünden eine überaus vielfältige Kirchenbautätigkeit. Es waren die Österreicher Steffan Klain, A. Bühler, ein Bernhard von Poschiavo und weitere, die eine lange Reihe sehenswerter spätgotischer Kirchen errichte- ten. Schülerdokumentation 8
1.11 Sprachen Graubünden ist der einzige dreisprachige Kanton der Schweiz. Die Amtssprachen sind Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch. Das romanische Sprachgebiet ist in verschiedene Regionen und Idiome unterteilt: Im Unterengadin und Val Müstair wird Vallader und Jauer gesprochen, im Oberengadin Puter, im Bündner Oberland Sursilvan, im Domleschg und im Schams Sutsilvan sowie im Oberhalbstein und im Albulatal Surmiran. Rumantsch Grischun findet vor allem als gemeinsame Schriftsprache und Amtssprache Verwendung. Für die Förderung der romani- schen Sprache und Kultur setzt sich die Lia Rumantscha ein. Die vier Südtäler Graubündens, in denen Italienisch gesprochen wird, werden die "valli" genannt. Es handelt sich dabei um die Mesolcina, das Val Calanca, das Val Bregaglia und das Valposchiavo. Sie zeichnen sich durch eine ausgesprochene sprachliche Eigenständigkeit und durch verschiedenste lokale Dialekte aus. Die Pro Grigioni Italiano setzt sich für die Erhaltung der Italienischen Sprachregionen ein. Weitere Informationen zu den Sprachen in Graubünden finden Sie unter Kapitel 5. Schülerdokumentation 9
2 Geographie Graubündens Bevölkerung (Stand Ende Dezember 2015) Einwohnerzahl 195‘885 (Schweiz: 8.1 Mio.) Sprachenaufteilung Deutsch 68% Romanisch 14% Italienisch 10% andere 8% Politische Gliederung (Stand Januar 2016) 11 Bezirke 39 Kreise 114 Gemeinden 11 Regionen Bodenfläche 7‘105 km2 (Schweiz: 41'300 km2) / grösster Schweizer Kanton 150 Täler 615 Seen 937 Gipfel Waldfläche 170‘000 ha Landwirtschaftlich genutztes Land 58‘442 ha (8.2% der Bodenfläche) Grösste und kleinste Gemeinde Chur ca. 37‘000 Einwohner (Jan.2015) Mulegns ca. 30 Einwohner Schülerdokumentation 10
Höchstes und tiefstes Dorf Juf (Avers) 2‘126 m ü. M. San Vittore 279 m ü. M. Höchster und tiefster Punkt Piz Bernina 4‘049 m ü. M. bei San Vittore 260 m ü. M. Verkehrswege in Graubünden Strassennetz 1‘632 km Rhätische Bahn 384 km Schweizer Bundesbahnen 20 km 92 Postautolinien mit 1561 Haltestellen 1‘560 km Schülerdokumentation 11
Kantonsgrenze des Kantons Graubünden 701 km davon mit: Tessin 103 km Uri 46 km Glarus 41 km St. Gallen 45 km Fürstentum Liechtenstein 12 km Österreich 123 km Italien 331 km Bruttoinlandprodukt (BIP), Jahr 2011 BIP pro Einwohner 69’252 CHF Beschäftigungsstruktur in % (2013) Land- und Forstwirtschaft 4.5% Industrie und Gewerbe 24,7% Dienstleistungen 70.8% Schülerdokumentation 12
2.1 Bezirke und Kreise im Kanton Graubünden (11 Bezirke, 39 Kreise, 114 Gemeinden) (Stand Januar 2016) Bezirke Kreise 1. Albula Alvaschein / Belfort / Bergün / Surses 2. Bernina Brusio / Poschiavo 3. Hinterrhein Avers / Domleschg / Rheinwald / Schams / Thusis 4. Imboden Rhäzüns / Trins 5. Inn Ramosch / Suot Tasna / Sur Tasna / Val Müstair 6. Landquart Fünf Dörfer / Maienfeld 7. Maloja Bregaglia / Oberengadin 8. Moesa Calanca / Mesocco / Roveredo 9. Plessur Chur / Churwalden / Schanfigg 10. Prättigau/Davos Davos / Jenaz / Klosters / Küblis / Luzein / Schiers / Seewis 11. Surselva Disentis / Ilanz / Lumnezia / Lugnez / Ruis / Safien http://geo.gr.ch/karten/admin_einteilung/einteilung_in_bezirke_kreise_gemeinden.pdf 3 Geschichte auf einen Blick 3.1 Das Kantonswappen Die heutige Darstellung des Bündner Wappens wurde vom kleinen Rat im Jahre 1932 festgelegt und vom Bundesrat genehmigt. Historische Rangfolge/ Bedeutung Grauer oder Oberer Bund (1395) gespaltenes Schild (weiss, schwarz) Gotteshausbund (1367) Schülerdokumentation 13
schwarzer, aufrechter Steinbock Zehngerichtebund (1436) gevierteltes Schild / Kreuz (blau, gelb) Der Steinbock (Romanisch: capricorn) gehört zu Graubünden wie das Wasser in den Bergseen. Der Steinbock ist überall präsent: nicht nur auf dem Kantonswappen, sondern auch auf Autokennzeichen, als Brunnenfigur oder gemaltes Wappen auf Hauswänden. Und nicht zuletzt lacht einem im Graubünden Logo ein Steinbock entgegen. 3.2 Der Bau der Rhätischen Bahn Vor über 100 Jahren wurde die Rhätische Bahn ins Leben gerufen. Sie ist heute eine Erfolgsge- schichte und meistert auch die grossen Berge wie den Bernina-Pass in Graubünden. Gut 1500 Menschen sorgen heute dafür, dass die Rhätische Bahn eine Jahrtausend alte Kulturlandschaft erfahrbar macht, dass die Rhätische Bahn auf schönste Weise Menschen miteinander verbindet und dass die Rhätische Bahn auch in Zukunft die Harmonie von Natur und Technik in aller Sinnlichkeit erlebbar macht. Die Idee einer Bündner Gebirgsbahn begann bereits 1888 Wirklichkeit zu werden. Auf die Initiative des Niederländers Willem-Jan Holsboer hin, wurde damals die Schmalspurbahn Landquart–Davos AG gegründet. Noch im selben Jahr erfolgte der Spatenstich und bereits 1890 fuhren die Dampfzüge von Landquart nach Davos hinauf. Als «jäher und zäher Aufstieg, der nicht enden zu wollen scheint», beschrieb Thomas Mann, der berühmte Schriftsteller, solch eine Fahrt in die «heilig-phantasmagorisch sich türmende Gipfelwelt». Nur ein Vierteljahrhundert nach dem ersten Spatenstich war fast das ganze Streckennetz der Rhätischen Bahn gebaut. Und seither bietet die Fahrt in der Rhätischen Bahn ein elementares Erlebnis: Im Blickfeld die erhabene Bergwelt zwischen Schrecken und Schönheit, erfahrbar in der Behaglichkeit des Zugabteils. Und wie einst winden sich die Züge auch heute noch auf abenteuerlichen Strecken ins Hochgebirge hinauf, immer noch sind die Tunnels gleich stockfinster wie ehedem, und immer noch ist es gleich beglückend, wenn nach dem finsteren Tunnel der Tag zurückkehrt – und mit ihm die grandiose Aussicht auf die Bergwelt. Auch das Postauto ist ein wichtiges Transportmittel für Graubünden. So engagiert sich PostAuto Graubünden für ein gutes Angebot im öffentlichen Verkehr. Zum Beispiel verbindet der gelbe Riese Chur mit St. Moritz via den Julierpass Schülerdokumentation 14
1889 Landquart-Klosters 1890 Klosters-Davos 1896 Chur-Thusis 1903 Thusis-Celerina 1903 Reichenau-Ilanz 1904 Celerina-St. Moritz 1908 Samedan-Pontresina 1909 Davos-Filisur 1910 St. Moritz-Tirano 1912 Ilanz-Disentis 1913 Bever-Scuol-Tarasp 1914 Chur-Arosa 1926 Furka-Oberalp (Glacier Express) 1999 Klosters-Scuol (Vereinatunnel) 2008 Albula /Bernina Landschaft als UNESCO Welterbe Schülerdokumentation 15
3.3 Tourismusgeschichte Eine noch vor 200 Jahren als feindselige und schwer zugänglich erscheinende Natur und Landschaft bildet heute die Grundlage eines florierenden Sport-, Erholungs- und Gesundheits- tourismus. Es waren vor allem die intensive Verbesserung der Verkehrswege, aber auch die neuen Erkenntnisse über die Heilwirkung des Gebirgsklimas und der Mineralquellen, welche zur Entwicklung des modernen Tourismus in Graubünden beitrugen. 15 v.Chr. Unterwerfung der Bündner durch die Römer 8. Jh. n.Chr. Eingliederung Rätiens durch Karl den Grossen 1000 n.Chr. Allmähliche Germanisierung Currätiens 13. Jh. Einwanderung der Walser 1352 Werdenberg-Belmont-Fehde 1512 Eroberung des Veltlins 1524 Verfassung der Drei Bünde 1618-1639 Bündner Wirren während des Dreissigjährigen Krieges 1803 Untergang des Freistaates und Anschluss an die Eidgenossenschaft 1815 Veltlin nach Wienerkongress endgültig verloren 1830-1870 Blüte des Transit 1854 Neue Verfassung, Einteilung des Kantons in Bezirke, Kreise und Gemeinden 1880 Beginn des Tourismus 1926 Zulassung des Automobilverkehrs 1938 Anerkennung des Romanischen als 4. Landesprache Schülerdokumentation 16
3.4 Tourismusentwicklung Es dauerte bis zur zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts, bevor der Tourismus seinen eigentlichen Aufschwung in Graubünden nahm. Zuerst beschränkt auf wenige Sommermonate entwickelte sich der Tourismus mit dem Aufschwung des Wintersports vor 100 Jahren in rasantem Tempo mit St. Moritz, Davos und Arosa als Vorreiter. Zahlreiche andere Orte nutzten die Gunst der Stunde und setzten auf die Karte Tourismus. So spielt Graubünden seit Anfang dieses Jahrhunderts eine entscheidende Rolle im Tourismus. Aufschwung und Belle Epoque (1880 – 1914) Der touristische Aufschwung erzeugte in den Tourismusorten und Nachbardörfern Graubün- dens positive Bevölkerungszahlen. Die Abwanderung konnte jedoch nicht in allen Regionen gestoppt oder gar umgekehrt werden. Krisen (1914 – 1945) Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs setzte der Belle Epoque ein abruptes Ende. Die einen Hotels wurden geschlossen, andere verzeichneten drastische Abnahmen, so dass Beschäftigte im Fremdenverkehr ihre Stellung verloren und die Gewerbebetriebe ohne Aufträge dastanden. Die nachfolgende Zwischenkriegszeit kann gesamthaft auch als Krisenzeit bezeichnet werden. Bis 1930 kamen wieder vermehrt Gäste ins Bündnerland, die Weltwirtschaftskrise 1929/30 schwächte den Aufwärtstrends jedoch wieder markant ab. Die berühmte Wette von Johann Badrutt, 1864/1865 – Beginn des Wintertourismus Anfangs September 1864 schloss der St. Moritzer Hotel-Pionier, Johannes Badrutt, mit vier britischen Sommergästen folgende Wette ab: Sie sollten doch einmal im Winter kommen. Falls es ihnen nicht gefalle, zahle er ihre Reisekosten ab London und zurück. Wenn aber St. Moritz ihnen im Winter zusage, lade er sie als seine Gäste ein, so lange zu bleiben, wie sie wollten. Den Engländern gefiel diese Wette, bei der sie so oder so gewinnen würden. Sie akzeptierten, kamen an Weihnachten und blieben bis Ostern. Sie waren die ersten Wintertouristen der Alpen, und sie entdeckten eine neue Welt - die "weissen Winterferien". Schülerdokumentation 17
Meilensteine des Wintertourismus in Graubünden (Stand: Januar 2012) 1864 St. Moritz, erster Verkehrsverein „Verschönerungskommission“ 1883 Gründung des ersten Schweizer Schlittelclubs in Davos 1888 RhB, längste Privatbahn; seit 1888; 384 km lang-> Erschliessung d. Winter- Orte in GR 1892 erstes elektrisches Tram der Schweiz in St. Moritz zwischen Dorf und Bad (vor allen Schweizer Städten!) 1899 Inbetriebnahme der Schatzalp-Bahn, Davos 1904 Inbetriebnahme des Olympia Bobrun St. Moritz-Celerina, der ältesten Bobbahn der Welt und zugleich die letzte noch übriggebliebene Natureisbahn der Erde 1906 erstes Pferderennen auf Schnee 1907 Eröffnung Muottas Muragl Bahn (2007: 100 Jahr Jubiläum) 1907 erstes offizielles Pferderennen auf gefrorenem See in St. Moritz 1923 1. Austragung des Spengler Cups in Davos (Eishockey) 1928+1948 Olympische Winterspiele in St. Moritz (neben Innsbruck einziger 2-facher Olympiaort) 1929 erste Skischule der Schweiz in St. Moritz 1934 erster Bügelskilift der Welt (Bolgenlift in Davos) 1945 erste kuppelbare Sesselbahn der Schweiz (Flims) 1964 erste Pauschalskiwochen der Schweiz (Savognin) 1965 erster automatischer Schnee- und Pistenbericht (Savognin) 1978 erste Gross-Beschneiungsanlage der Schweiz in Savognin (30 ha) 1977 erster bargeldloser Ferienort Europas (Savognin) 1979 erstes Golfturnier Europas auf schneebedecktem, gefrorenem See in St. Moritz 1984/85 erste Snowboardschule der Schweiz in Scuol 1985 erstes Poloturnier auf schneebedecktem, gefrorenem See in St. Moritz 1987 erste Snowboard-Weltmeisterschaft in St. Moritz 1995/96 erste Doppelstockbahn der Welt in Samnaun (grösste Schweizer Seilbahnkabi- ne) 1998 erster Snowboardolympiasieger der Welt: Gian Simmen, Arosa (Olympiade Nagano) 2002 erste Skateline/Eisweg der Schweiz im Albulatal 2003 FIS Alpine Ski Weltmeisterschaften, St. Moritz-Pontresina (Kandidatur Ski-WM 2013) 2005/06 erster Sessellift der Schweiz mit geheizten Sitzen, Flims Laax 2007/08 erster Coaster der Schweiz für Tschuggen Grand Hotel, Arosa 2011 erster Solarskilift der Welt in Tenna, Safiental 2012 erstes Plushotel der Alpen Muottas-Muragl http://www.engadin.stmoritz.ch/winter/de/aktivitaeten/bergerlebnis/bergbahnen/muottas-muragl- bergerlebnis/fuehrungen-im-1-plusenergie-hotel-des-alpenraums/ Schülerdokumentation 18
Die Meilensteine des Alpinismus in Graubünden Der Begriff Alpinismus umfasst verschiedene Formen des Bergsteigens in den Alpen und in anderen Gebirgen der Welt. Bis ins ausgehende Mittelalter wurden die Alpengipfel von Menschen gemieden. Sie waren von Sagen und Legenden umwoben und galten als Sitz von Dämonen. Als Geburtsstunde des Alpinismus wird einerseits die Erstbesteigung des Mont Ventoux am 23. April 1336 durch Francesco Petrarca, andererseits 1492 die Besteigung des Mont Aiguille durch eine Söldnertruppe, befohlen von Karl VIII, betrachtet. Meilensteine um 1730 älteste Bergfahrtenschilderung aus den Ostalpen „Schesaplana Bergreis“ von Niklaus Serehards 1789 Erstbesteigung des Rheinwaldhorns (3402 m ü. M.) durch Placidus a Spescha (1752 - 1833), Pater in Disentis 1846 Erstbesteigung des Piz Lischana (3105 m ü.M.) durch Johann Wilhelm Fortnunat Coaz (1822 – 1918), Topograf im Dienste Dufours 1848 Erstbesteigung des Piz Quattervals (3165 m ü.M.) durch J. Coaz 1850 Erstbesteigung des Piz Bernina (4049 m ü. M.) durch Johann Wilhelm Fortunat Coaz 1865 Erstbesteigung des Piz Buin (3312 m ü. M.; ist rätoromanisch und heisst „Ochsen kopf“) durch Joseph Anton Specht und Jakob Johann Weilenmann mit den Führern Jakob Pfitscher und Franz Pöll 1860 erste „Hüttenunterkunft“ ist das „Hotel Colani“ nicht weit von der heutigen Boval-Hütte 1863 Gründung des Schweizer Alpen-Club (SAC) 1863 Erste SAC-Hütte (Grünhornhütte am Tödi) 1868 Erster Bündnerischer Bergführerkurs, veranstaltet durch J. Coaz fand im Engadin statt. 1871 Gründung der ersten Bergführervereinigung Graubünden in Pontresina (Erste Bergführervereinigung der Schweiz 1857) 1877 Bau der Chamanna da Boval 1880 Bau der Capanna Marinelli 1890 Erstbegehung des Piz Roseg (3937 m ü.M.) durch Christian Klucker und Ludwig Normann-Neruda 1899 Erstellung der Tschiervahütte als Ausgangspunkt für den Biancograt. 1907 erster kantonaler Bergführerkurs (durchgeführt in Pontresina) Schülerdokumentation 19
4 Tourismus in Graubünden 4.1 Touristische Fakten zu Graubünden Schülerdokumentation 20
4.2 Bedeutung des Tourismus im Kanton Graubünden Jährlich besuchen schätzungsweise sechs Millionen Gäste den Kanton Graubünden. Die eine Hälfte als Ausflügler, die andere Hälfte als Feriengäste. Letztere übernachteten jährlich rund 12 Millionen Mal in den insgesamt 47‘000 Bündner Hotelbetten Von den total 156‘000 Woh- nungen im Kanton Graubünden fallen rund 45% auf Ferien- und Zweitwohnungen. Die gesamte touristische Wertschöpfung beträgt in Graubünden pro Jahr rund CHF 3.3 Mia. (rund 30% des kantonalen BIP). Diese Gästeausgaben treiben die Bündner Volkswirtschaft an und sind Grundlage eines weitverzweigten Wirtschaftslebens im Kanton. So sichern die Einnahmen aus dem Tourismus jedem dritten Bündner seinen Arbeitsplatz, einerseits direkt z.B. in der Hotellerie, im Gastgewerbe, den Bergbahnen oder den Gäste- informations-Stellen. 17% aller Unternehmen und 15% aller Arbeitsplätze in Graubünden sind im Gastgewerbe angesiedelt (im nationalen Vergleich Spitzenwerte). Andererseits sichern sie indirekt Arbeitsplätze im Einzelhandel, bei Garagen und Tankstellen, in Coiffeurgeschäften, Bäckereien und Metzgereien, bei der Eisenbahn und dem Postbetrieb, in der Bauwirtschaft, bei Banken und Versicherungen, im Gesundheitswesen und vielen anderen Wirtschafts- und Verwaltungsstellen. Damit trägt der Tourismus entscheidend zur Erhaltung des einheimischen Gewerbes bei und verhindert in vielen Fällen die Abwanderung aus den Bergtälern. 4.3 Das 3.3 Mrd.-Unternehmen „Tourismus Graubünden“ Die folgenden Zahlen illustrieren eindrücklich die Wichtigkeit des Tourismus in Graubünden: - Ca. 780 Hotels - Rund 60 000 Ferienwohnungen (inkl. Zweitwohnungen) - Rund 365 Bahnanlagen (6 Standseilbahnen, 28 Pendelbahnen, 23 Gondelbachnen, 106 Sesselbahnen, 130 Skilifte und 72 Kinderanlagen) - Rhätische Bahn - 45 Campingplätze - Ca. 800 Restaurants Schülerdokumentation 21
4.4 Sommerurlaub in Graubünden 10 000 km Wanderwege und 39 Bergbahnen stehen dem Gast in Graubünden zur Verfügung, von der Schlenderwanderung bis zur Bergtour findet jeder seine ideale Route. Im Trend liegen auch die Weitwanderungen in Graubünden, bei welchen man während mehreren Tagen von Ort zu Ort wandert. Die grösste Ferienregion der Schweiz ist auch ein Bikeparadies. Rund 4000 km signalisierte Bike Routen machen die Bündner Bergwelt zum ultimativen Fahrvergnügen. Gemütliche Touren für Familien oder eine anstrengende für Bike-Freaks - die Auswahl ist riesig. Golfer kommen in Graubünden besonders zum Zug. Insgesamt 15 Golfclubs bieten dem Profi wie auch Anfängern höchsten Golfgenuss mit ausgezeichneten Greens. Graubünden ist sehr kinderfreundlich. Dies zeigen zahlreiche durch Schweiz Tourismus ausgezeichnete „Familien willkommen“ Orte, welche sich durch Familienfreundlichkeit einsetzen. Ihre Angebote sind speziell auf die Wünsche der kleinen ausgerichtet, damit sich Familien so richtig wohl fühlen können. Immer häufiger findet man „all inklusive“ Angebote, sprich Angebote mit einem höheren Wert für denselben Preis. Beispielsweise die gratis Benützung der Bergbahnen, freie Nutzung von Hallenbad und Sauna, Elektrobikes oder Museumsbesuche. 4.4.1 Sommer Insider Tipps in Graubünden Längste Rodelbahn in Pradaschier, Seilpark Savognin, Globi Wanderwege in der Lenzerheide, Themenwege in Brigels, Handy-Schatzsuche in Brigels etc. 4.4.2 Weitere Aktiv-Sportmöglichkeiten im Sommer Kanu, River-Rafting, Canyoning, Segeln, Tauchen, Fischen, Delta-Segeln, Gleitschirmfliegen, Ballonfahren, Go-Kart, Indoor-Klettern, Lamatrekking, Mountainbiking, Klettern, Gletscher- Touren, Pfeilbogenschiessen, Tontaubenschiessen, Dart, Aerobic, Yoga, Judo, Tanzen, Joggen, Badminton, Ballspiele, Turnen und Fitnessprogramme für die ganze Familie, Kiten etc. Schülerdokumentation 22
4.5 Winterurlaub in Graubünden In Graubünden, der Schweizer Ferienregion Nr. 1 warten 86 Ferienorte auf Gäste. Rund 1/3 dieser Orte sind höher als 1500 m ü. M. Insgesamt 2200 km präparierte Pisten versorgen die Wintersportler. Schneesporthungrige finden in den Top Skigebieten wie Davos, Arosa, Laax, Engadin St. Moritz, Lenzerheide oder auch familiären Gebieten wie beispielsweise Brigels ideale Voraussetzungen. Für alle, die gerne auf Kufen unterwegs sind bietet Graubünden abwechslungsreiche Schlittenpisten. Im Winter lässt sich in Graubünden auch gut wandern. Auf insgesamt 1400 Kilometer präparierten Winterwanderwegen darf Graubünden zu Fuss erkundet werden. Im Trend liegen die Schneeschuh-Touren. Abseits vom Rummel lässt sich da die Natur besonders geniessen. Graubünden bietet ausgeschilderte Routen in traumhaften Landschaften. 4.5.1 Winter-Insider-Tipps in Graubünden Schatzsuche im Schnee mit GPS Gerät, Skateline Alvaneu, Bobtaxi in St. Moritz, Snowboard Freeride auf der Pischa in Davos, Schlitteln in Bergün, Nachtlanglaufen in Lenzerheide oder Trin. 4.5.2 Weitere Aktiv-Sportmöglichkeiten im Winter Eislaufen, Eishockey, Eissurfen, Bob, Skeleton, Skibob, Skispringen, Skiakrobatik, Telemark, Carving, Schneeschuhwandern, Skitouren, Skiwandern, Wintergolf, Indoor-Golf, Skijöring, Deltasegeln, Gleitschirmfliegen, natürlich Aprés-Ski und Tanzen, Airboard, Curling, Eisklettern, Eisfischen, Hundeschlitten, Snowbike, Snowkiting, Snowtubes, Reiten, Biken, Wintergolfen etc. 4.6 Was bringt die Zukunft Graubünden setzt auf einen leistungsstarken, wettbewerbsfähigen Tourismus. Während in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Gebiete neu entwickelt und erschlossen wurden, hat sich seit Anfang der 80er Jahre die Situation gewandelt. Die zukünftige Entwicklung wird in erster Linie auf der Verbesserung des bereits Bestehenden gründen. Der touristische Erschliessungs- grad ist hoch, so dass die Verbesserung und die Anpassung des bereits Bestehenden und nicht Neuerschliessungen im Vordergrund stehen. Schülerdokumentation 23
Förderungsmassnahmen zielen in erster Linie auf Qualitätsverbesserungen bei den touristi- schen Anlagen und Dienstleistungen, auf den Erhalt der natürlichen Umwelt und Landschaft und auf eine bessere Auslastung bestehender Kapazitäten, sei es in Hotels und Ferienwohnun- gen, bei Sportanlagen und Bergbahnen. Die touristische Weiterentwicklung soll dort ihre Grenzen finden, wo der Schutz der Umwelt höher einzustufen ist, als die weitere Ausdehnung des Tourismus. Dabei wird er auch der bündnerischen Eigenart, Vielfalt und Eigenständigkeit, Rechnung tragen und dafür sorgen, dass sowohl Gäste wie Einheimische zufrieden sein können. Der Bündner Tourismus wird auch in Zukunft einen gewichtigen Beitrag an die kantonale Volkswirtschaft und an eine regional ausgewogene Entwicklung leisten müssen und dazu beitragen, einen wirtschaftlich, ökologisch und gesellschaftlich lebenswerten Kanton zu erhalten. 4.7 Klimaerwärmung Die Klimaerwärmung wirkt sich auf den Wintertourismus aus. Bei einem Temperaturanstieg um vier Grad wird die Schneesicherheit in tieferen Skigebieten gefährdet. Vor allem die kleinen und nicht so hoch gelegenen Orte brauchen Alternativen, um mit weniger Schnee auszukommen. Glücklicherweise sind die meisten Skiorte in Graubünden verhältnismässig hoch gelegen, jedoch können auch schon Temperaturanstiege von nur einem Grad Auswirkungen haben. Der durchschnittliche Temperaturanstieg war in den vergangenen zweieinhalb Jahren drei Mal grösser als im globalen Durchschnitt. Die Jahre 1994, 2000, 2002 und 2003 waren die wärmsten der letzten 500 Jahre. Die Modell-Rechnungen zeigen, dass in den kommenden Jahrzehnten die Entwicklung noch schneller fortschreiten dürfte. Es gibt aber auch positive Aspekte. So würden viele Gäste wegen den heissen Temperaturen am Mittelmeer in die kühleren Alpenregionen gelockt. Auch die Gletscher sind in Gefahr und ziehen sich zurück. Diese Entwicklung ist nicht mehr zu übersehen und bringt grosse Gefahren wie Flutwellen oder Abbrüche. Mit Gletscherabdeckun- gen will man das kostbare Eis gegen die Sonneneinstrahlung schützen. Schülerdokumentation 24
4.8 Projekt „Bündner Tourismusreform“ Der Bündner Tourismus soll auch in Zukunft das sichern, was er in den vergangenen knapp 150 Jahren war: Die natürliche Ferienregion für erholungssuchende Gäste aus aller Welt sein und gleichzeitig lebenswerter Kanton für Einheimische bleiben. Um die durch den Tourismus generierte Wertschöpfung zur Ankurbelung der Bündner Wirtschaft wieder zu erhöhen, Arbeitsplätze im Tourismus zu sichern und neue zu schaffen, hat der Kanton im Jahr 2005 zusammen mit Tourismusorganisationen und dem Institut für Öffentliche Dienstleistungen und Tourismus der Universität St. Gallen das Reformprojekt „Wettbewerbsfähige Strukturen und Aufgabenteilung im Bündner Tourismus“ (nachfolgend Tourismusreform) lanciert. 4.9 Ziele für den Bündner Tourismus 2014-2021 Aufbauend auf der Vision sind folgende strategischen Grundsätze einzuhalten: • Die Wettbewerbsfähigkeit des Bündner Tourismus ist nachweislich gestärkt • Die Position in den Märkten ist ausgebaut. • Die Mehrwerte der Kooperationsprojekte und Systemvorteile sind nachweisbar. • Die Destinationen und Standorte funktionieren verlässlich und sind weiter profiliert. • Die strategische und operative Führung (Governance) im Bündner Tourismus schafft Mehrwerte Durch das Erreichen dieser Ziele soll die Grundlage geschaffen werden, damit die Bündner Tourismusdestinationen weiter aus eigener Kraft an Wettbewerbsfähigkeit dazugewinnen können und das Tourismussystem Graubünden gestärkt werden kann. 4.10 Aufgabenteilung im Bündner Tourismusmarketing Damit die Tourismusorganisationen in der Lage sind, die Marktbearbeitung professioneller und internationaler anzugehen, drängt sich eine Konzentration der Marketingmittel und Marketing Kompetenzen auf die kantonale Organisation Graubünden Ferien, vier bis sechs Des- tinationsmanagement-Organisationen für grössere Tourismusregionen und einige regionale Tourismusorganisationen auf. Die drei Typen von Tourismusorganisationen haben unter- Schülerdokumentation 25
schiedliche Aufgaben, die sich gegenseitig ergänzen und damit optimale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vermarktung der Tourismusdestination Graubünden schaffen (vgl. Abb. 6): • Destinationsmanagement-Organisationen (DMO): Eine DMO verfügt über eine explizit formulierte Strategie für ihre Tourismusregion und über ein strategisches Führungs- und Controllingsystem. Sie ist in der Lage, eine wirkungsvolle, effiziente Marktbearbeitung im In- und Ausland umzusetzen und verfügt über frei verfügbare Marketingmittel im Umfang von mindestens CHF 4 bis 7 Mio. pro Jahr. Die Schlüsselfunktionen Marketing und Verkauf sowie PR sind mit fachlich ausgewiesenem Personal besetzt. Gegen eine finanzielle Ent- schädigung übernehmen die DMO das Marketing aller ihr angeschlossenen ReTOs. • Regionale Tourismusorganisationen (ReTO): Als ReTO werden selbständige Organisatio- nen bezeichnet, die für die Aufgaben zuständig sind, welche bisher traditionellerweise von den Verkehrsvereinen wahrgenommen wurden, wie z.B. Informationsschalter vor Ort, Pflege und Betrieb von touristischen Infrastrukturen (z.B. Langlaufloipe, Eisfeld), Interes- senvertretung nach innen, Durchführung von kleineren Veranstaltungen als Rahmenpro- gramme für die Gäste vor Ort. Die Marktbearbeitung ist hingegen nicht Aufgabe der ReTO. Sie wird mittels eines Mandats an eine geeignete DMO delegiert. • Graubünden Ferien: Während sich die DMO primär auf die Bearbeitung der Kernmärkte fokussieren, ist das wichtigste Ziel von GRF, Aufbau- und Zukunftsmärkte zu erschliessen (z.B. Grossbritannien, Benelux), um neue Gäste für Graubünden zu gewinnen. Ein weiteres Ziel von GRF ist die Verbesserung der Auslastung der touristischen Kapazitäten in der Nebensaison. Die Massnahmen erfordern eine enge Zusammenarbeit mit den DMO. 4.11 Strukturen im Bündner Tourismus (Stand Januar 2013) Im Zuge der Tourismusreform sind in allen Regionen des Kantons Graubünden die Touris- musstrukturen überprüft worden und aus über 90 meist lokalen Tourismusorganisationen sind gemeindeübergreifende Organisationen entstanden. Die klare Aufgabenteilung, die Verschlankung von Strukturen, die Ausrichtung des Marketings auf die Gewinnung neuer Gäste und eine sichere Finanzierung stärken Graubünden im internationalen Wettbewerb. Per Januar 2013 zählt Graubünden 4 Destinationsmanagement- Organisationen (DMO), 11 Regionale Tourismusorganisationen (ReTO) sowie 3 lokale Tourismusorganisationen (TO). Schülerdokumentation 26
Destinationsmanagement-Organisationen (DMO) 10 Prättigau 1 Davos Klosters 11 San Bernardino, Mesolcina/Calanca 2 Scuol Samnaun Val Müstair 12 Savognin Bivio Albula 3 Engadin St. Moritz 13 Surselva (inkl. Safiental) 4 Flims Laax 14 Valposchiavo 15 Viamala Regionale Tourismusorganisationen (ReTO) 5 Arosa (inkl. Schanfigg) Lokale Tourismusorganisationen (TO) 6 Bregaglia Engadin 16 Bergün Filisur 7 Bündner Herrschaft 17 Disentis Sedrun 8 Chur 18 Vals 9 Lenzerheide Schülerdokumentation 27
5 Das bedrohte Sprachen-Kaleidoskop Graubündens 5.1 Ein Hauch von Babylon "Kaleidoskop" ist die passende Bezeichnung für die Sprachenkarte Graubündens; nur wenige Landstriche der Erde warten mit einer vergleichbaren Vielfalt von Sprachen auf. Die Lage erweist sich als so unübersichtlich und kompliziert, dass selbst manche Einheimische nicht sagen können, wo die Sprachgrenzen verlaufen. Die Sprachengeographie Rätiens wird noch dadurch kompliziert, dass sie sich stetig - zugunsten des Deutschen - verschiebt. Von den 193‘400 Einwohnern Graubündens sprechen rund 68% als Muttersprache deutsch, 15% rätoromanisch, 10% italienisch und knapp 7% andere Sprachen. Was die Volkszählungs- Computer in Bern ausgespuckt haben, ist jedoch höchstens eine Annäherung an das sprachli- che Kaleidoskop Rätiens. So ist Rätoromanisch nicht eine Sprache, sondern eine Familie von (je nach Definition) fünf bis sieben Idiomen. Bergeller und Puschlaver sprechen Italienisch; die Dialekte unterscheiden sich jedoch stark. Wagt man sich gar an die Ausscheidung der erstaunlichen Schattierungen der deutschen Dialekte, so ergibt sich ein äusserst buntes Bild. 5.2 Die Römer als Sprachschöpfer In den Geschichtsbüchern weit zurückblättern muss, wer die heutige sprachliche Wirklichkeit Graubündens verstehen will. Als die Römer im Jahre 15 vor Christi Geburt unter den Feldher- ren Drusus und Tiberius in Rätien einbrachen, lebten in den gegeneinander abgeschotteten Gebirgstälern mehrere Volksstämme, deren Sprache wir nicht genau kennen. Nach dem aktuellen Forschungsstand gelten die Rätier als nicht indogermanisch; ihre Sprache war also in ihrem Kern unseren heutigen europäischen Sprachen nicht verwandt. Die in der Poebene lebenden Etrusker und die Kelten, ein indogermanischer Volksstamm in Mittel- und Westeuro- pa wirkten sprachlich und kulturell auf das Rätien vor der Okkupation durch das grosse italienische Kulturvolk ein. Es gehört zur Magie Graubündens, dass die Unterlagen der heutigen Sprachgeographie nicht voll erhellt sind. Römische Sprache, römisches Wesen, Brauchtum und Staatsorganisation überlagerten und durchdrangen im Laufe der Jahrhunderte die ursprüngliche Lebensweise und die Sprachen in den rätischen Tälern. Entlang der Passwege gewann das Latein verhältnismässig rasch an Bedeutung; doch die Romanisierung des Schülerdokumentation 28
Alpenbogens dauerte viele Generationen. Am Hinterrhein oder im Engadin sprachen die Menschen nicht das Latein der Metropole Rom. Bis die Sprache in die entfernten Bergtäler eingesickert war, hatte sie sich längst in ein Volkslatein umgeformt. Von Tal zu Tal, ja von Dorf zu Dorf entwickelte die Sprachfamilie, die wir heute mit rätoromanisch bezeichnen, ein zum Teil frappant unterschiedliches Vokabular und unterschiedliche grammatikalische Strukturen. Das sogenannte Vulgärlatein entstand, als das römische Reich seinen Zenit bereits überschrit- ten hatte. Kaum aufgekeimt, sahen sich die romanischen Sprachen der Alpen bereits den ersten bedrohenden Kräften ausgesetzt. Soziale Unrast und Bürgerkriege erschütterten drei Jahrhunderte nach der Eroberung Rätiens das Römische Imperium und liessen es schliesslich unter dem germanischen Ansturm aus dem Norden zusammenbrechen. Und damit begann, wenige Jahrhunderte nach seiner Entstehung bereits wieder der Rückzug des Romanischen, der bis heute anhält. 5.3 Rätoromanisch, Sprache ohne Hinterland Der Zeitraffer offenbart teils dramatische Ereignisse, teils einen unspektakulären Abbröcke- lungsprozess, der die romanische Sprache zurückdrängt. Am 27. April 1464 äscherte ein Grossbrand fast die ganze, damals noch romanisch sprechende Stadt Chur ein. Nach dem verheerenden Feuer strömten viele deutsch sprechende Handwerker in die rätische Kapitale. Innert weniger Jahre machte das "Churwälsch", wie das Romanische der Bündner Hauptstadt genannt wurde, dem Churerdeutschen Platz. Nach dem Verlust der Hauptstadt schwand das Gewicht der romanischen Sprache rasch. Heute zerfällt der Sprachraum in mehrere, kaum mehr zusammenhängende Teile. Die Surselva (das Bündner Oberland) umfasst das ausge- dehnte nordwestliche Gebiet; mit 17'000 romanisch sprechenden die grösste und kompakteste romanisch sprechende Region Graubündens. Eine, freilich brüchig gewordene, Brücke zum Engadin bilden die teilweise noch romanisch sprechenden Täler Mittelbündens und das Oberhalbstein. Das östliche Sprachgebiet umfasst das Engadin und das Val Müstair. Fünf verschiedene Idiome; gesprochen und zum Teil geschrieben von 51'000 Menschen (davon sind 16'000 aus dem Sprachgebiet abgewandert) bilden zwar einen erstaunlichen sprachlichen Reichtum, die Aufsplitterung ist jedoch heute auch eine grosse Hypothek. Dazu kommt, dass das sprachliche Hinterland fehlt; die Rätoromanen sind weitgehend von der deutschen Sprache eingekreist. Die Lia Rumantscha, die Dachvereinigung der Rätoromanen, lancierte 1983 das "Rumantsch Grischun", eine Überbrückungssprache, welche auf den verbindenden Elementen Schülerdokumentation 29
in den verschiedenen Idiomen basiert. Überraschend schnell hat das Rumantsch Grischun an Boden gewonnen. Gesetze, Inserate und Zeitungsartikel, ja bereits sogar literarische Texte sind in der neuen romanischen Schriftsprache verfasst worden. Ob sie wirklich tief im Volk verankert werden kann, wird erst die Zukunft weisen. 5.4 Dominanz der deutschen Sprache Deutsch ist die Haupt- und Verbindungssprache des Kantons. Die eingangs zitierten Zahlen spiegeln die wahre Macht des Deutschen jedoch nur unzulänglich. Sozusagen alle Rätoroma- nen und ein Grossteil der Italienischbündner sprechen auch deutsch. Durch die modernen Medien strömen "Schwiizertütsch" und Hochdeutsch ins romanische Sprachgebiet; eine Infiltration, der die romanische Medienwelt wegen ihrer schmalen Basis vergleichsweise wenig entgegenzusetzen hat. Unter der Macht der germanischen Sprachglocke verbiegen sich die Satzstrukturen des Rätoromanischen, und das Vokabular, wenn auch ständig aktualisiert, genügt oft den Anforderungen des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts nicht mehr. Unversehrt sind freilich viele Zeugen der rätoromanischen Kultur: Engadinerdörfer mit intakten, liebevoll restaurierten Dorfkernen und eine ganze Reihe eindrucksvoller Gotteshäuser wie die Kirche von Zillis mit ihrer farbigen, spätmittelalterlichen Holzdecke. 5.5 Walserdeutsch im Clinch In der Brandung des Hochdeutschen kämpft auch das originelle und melodische Walser- deutsch um seine Existenz. Zwischen dem 12. und dem 14. Jahrhundert nahmen die aus dem Wallis kommenden Einwanderer ausgedehnte, wenn auch damals noch kaum besiedelte Gebiete Romanischbündens in Beschlag. Im Valsertal, in Obersaxen, dem Schanfigg, dem Prättigau und in Davos konnte sich das Walserdeutsch mehr oder weniger ausgeprägt bis heute erhalten. Statt "schwatzen" sagen die Walser "bladara" und einem "Butterbrot" sagt man "Briitschi". Doch die Durchmischung der Bevölkerung durch Aus- und Zuwanderung und der Tourismus setzen dem walserischen zu. Auch die Erosion der Walsersprache vollzieht sich schleichend; wie bei den Rätoromanen ist jedoch auch bei den Walsern eine Rückbesinnung auf die gefährdete Sprache zu beobachten. Auch in den Walsergebieten entwickelte sich eine eigene Kultur, ein typischer Baustil. Die wohlproportionierten, alten Walserhäuser sind meist mit Sprüchen geschmückt; Holzbauten, die von einer hochentwickelten ländlichen Architektur zeugen. Schülerdokumentation 30
5.6 Italianità in den Bündner Südtälern Die kleinste einheimische Sprachgruppe bilden die Italienischbündner. Misox, Calanca, Puschlav, Bergell und die Oberhalbsteiner Enklave Bivio sind sprachlich und kulturell nur bedingt eine Einheit und geographisch so zersplittert wie die Rätoromanen. Verteilt auf 20 politische Gemeinden leben in Italienischbünden rund 13'000 Menschen. Ein Aktivposten für den Fortbestand der Sprache ist das grosse italienischsprechende Hinterland mit Italien und dem Kanton Tessin. Dennoch: jedes der "Valli" hat seine eigene Geschichte, seine eigene Tradition. Auch konfessionell sind die einzelnen Täler eigene Wege gegangen: Misox und Calanca sind praktisch ausschliesslich katholisch, das Bergell ist evangelisch und das Puschlav paritätisch, wobei die Zahl der Protestanten schwindet. Knappes Land und eine auf Landwirtschaft und Kleingewerbe basierende Wirtschaftsstruktur sind der Grund für die Emigration aus den Bündner Südtälern. Die Einwohnerzahl in den Valli nimmt ab, daran kann auch die bescheide- ne Zuwanderung nichts ändern. Anders als in rätoromanischen Gebieten ist jedoch die Sprache in den Bündner Südtälern nicht gefährdet, denn die Zuzüger lernen rasch italienisch; eine der grossen europäischen Sprachen mit Dutzenden von Millionen Sprechenden. Ja selbst den lokalen Dialekt lernen die Immigranten in der Regel schnell. Der Südbündner Ricardo Tognina schreibt zur Italianità der Valli: "Der Italienischbündner hat sein Sprach- und Kulturbewusst- sein, aber auch sein Gemeinschafts- und Staatsbewusstsein. Er würde um keinen Preis auf seine Sprach- und Kulturzugehörigkeit, aber auch auf seine staatspolitische Zugehörigkeit verzichten." Trotz der Nachbarschaft Italiens sind die Bewohner der Valli hundertprozentige Bündner und geradezu Superschweizer, was die Randlage und die Abgrenzung gegen Italien erklären. Die kulturelle Kapitale der Bündner Südtäler mag Mailand sein, die politische Hauptstadt ist Chur, wo im Übrigen Hunderte von Italienischbündner als Lehrer, Verwaltungs- beamte und in anderen Berufen arbeiten. Ihrem Einsatz und dem Wirken der Parlamentarier aus den Südtälern ist es zu verdanken, dass sich das Italienische als Kantons- und Amtssprache einen festen Platz gesichert hat. Was die Rätoromanen sich zum Teil erst jetzt, Schritt für Schritt erkämpfen, zum Beispiel der Gebrauch der Muttersprache vor Gericht, ist für die Italienischbündner längst selbstverständlich. Schülerdokumentation 31
5.7 Die Sprachenvielfalt, ein Prüfstein der Demokratie Die Bündner Sprachlandschaft ist in Bewegung. Vor allem das Rätoromanische muss seine Befestigungsanlagen verstärken, will es der Macht des anbrandenden Deutschen widerstehen. „Die entscheidende Frage für die Rätoromanen lautet, ob es möglich sein wird, ihre Mutter- sprache neben einer zweiten Sprache zu erhalten,“ schreibt der surselvische Sprachprofessor Iso Camartin, „alle Erfahrungen, die man mit sprachlichen Minderheiten hat, die zur Zweispra- chigkeit übergegangen sind, zeigen die Gefahr auf, dass die statusmässig schwächere Sprache allmählich ganz auf den privaten Bereich zurückgedrängt wird und aus dem öffentlichen Leben verschwindet.“ Wie in der restlichen Schweiz leben auch in Graubünden die Sprachgruppen eher nebeneinander als miteinander; fast wie in einem Haus mit vielen Wohnungen, deren Bewohner zwar freundlich miteinander umgehen, die sich aber nicht wirklich kennen. Die Sprachen sind der Prüfstein des Bündner Demokratieverständnisses. Und dazu kann auch der Einzelne beitragen: wer sich in einer romanisch oder italienisch sprechenden Gemeinde niederlässt, hat die Pflicht, die lokale Sprache zu lernen. Feriengäste haben mehr von ihrem Aufenthalt in Graubünden, wenn sie sich mit Sprache und Kultur etwas vertraut machen. Erst wenn es dem Kanton gelingt, auch den schwächeren Territorien der oszillierenden Sprachenlandschaft ihren Platz zu sichern, hat der bündnerische Völker- und Sprachenbund die Nagelprobe bestanden. Denn darüber sind sich alle Bündner und wohl auch die meisten Schweizer einig: Nichts wäre trauriger als ein Graubünden, in dem von Landquart bis Maloja und von Disentis bis Ramosch Schwiizertüütsch die Szene beherrscht. Schülerdokumentation 32
Sie können auch lesen