Sport Uni Leipzig startet durch - Heft 4/2011 www.uni-leipzig.de /journal
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Heft 4/2011 · www.uni-leipzig.de /journal Sport Uni Leipzig startet durch journal Universität Leipzig 4/2011 1
Beim Leipziger Firmenlauf 2011. Sport und Bewegung – Kulturgut, Bildungsinhalt, Gesundheitsfaktor Soeben wurde kungen von Sport (Verletzungen) ebenso angesprochen Foto: Swen Reichhold auf der Berliner wie juristische Streitfragen der Sportübertragungen im »Hasenheide« der Fernsehen und trainingswissenschaftliche Fragestellun- Gründung des ers- gen am Beispiel des Frauenfußballs. Die hohe Bedeutung ten Turnplatzes im gesundheitsorientierten Sports findet sich in mehreren Jahre 1811 durch Beiträgen, in denen präventive und rehabilitative gesund- Friedrich Ludwig heitliche Wirkungen (Krebs, Adipositas, Herz-Kreislauf- Jahn gedacht. Die Funktionen, Kognitionen) besprochen werden. Schließ- sogenannte Turn- lich wird in den Beiträgen des Journals auch deutlich, bewegung ist damit dass Bewegung und Sport in unterschiedlichen Kontexten nunmehr 200 Jah- (Kletterwald, Firmenlauf, Hochschulsport) und Altersgrup- re alt und kann als pen (Kinder, Erwachsene, Ältere) stattfindet. ein Ausgangspunkt So vielfältig wie das vorliegende Journal ist auch das unserer heutigen Fach Sportwissenschaft und seine Forschung. Dies zeigt vielfältigen Sport- sich sowohl bei der Deutschen Vereinigung für Sportwis- und Bewegungs- senschaft (dvs) mit ihren elf Sektionen und elf Kommissi- kultur angesehen onen, die das gesamte Spektrum sportwissenschaftlicher werden. Unter dem Forschung und Lehre repräsentieren. Es findet sich auch Motto »Sport für alle« ist eine Angebotsstruktur entstan- in der Sportwissenschaftlichen Fakultät wieder, die mit den, die in Sportvereinen ebenso wie bei privaten Anbie- ihren derzeit zwölf Professuren und dazu gehörigen Wis- tern nachgefragt wird. senschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Das gilt für alle Leistungsniveaus, für die gesamte Le- vielfältigen Fragestellungen von Sport und Sportwissen- bensspanne (vom Säuglingsschwimmen bis zum Sport schaft in Forschung und Lehre bearbeitet. für Hochbetagte), für beide Geschlechter, für alle sozi- Nach der jahrzehntelangen Dominanz des Leistungs- und alen Gruppierungen. Sport meint auch nicht nur Wett- Wettkampfsports in den Zeiten der Deutschen Hochschu- kampf und Leistungsvergleich, wie es der Mediensport le für Körperkultur hat sich die Sportwissenschaftliche nahelegt, sondern ist für viele, wenn nicht für die Mehr- Fakultät inzwischen zunehmend Fragestellungen des Ge- heit der Sporttreibenden, insbesondere eine Quelle von sundheits-, Schul- und Breitensports zugewendet, ohne Spaß und Freude, ein Mittel zur sozialen Kontaktpflege den Leistungs- und Wettkampfsport zu vernachlässigen. und ein Beitrag zur Gesundheitsförderung. In der eng- Fast 20 Jahre nach Gründung der Fakultät ist sie damit in lischsprachigen Terminologie wird daher unterschieden der Mitte der Sportwissenschaft und mit ihren Koopera- zwischen sports zum einen und exercise zum anderen, tionen zu anderen Fakultäten in der Mitte der Universität was im Deutschen in etwa mit den Begriffen Sport und angekommen. Bewegung umschrieben werden kann. Prof. Dr. Dorothee Alfermann, Prodekanin der Sportwis- Diese Vielfalt der Inhalte und Ziele des Sporttreibens spie- senschaftlichen Fakultät und Präsidentin der Deutschen gelt sich auch in den Beiträgen des vorliegenden Journals Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) wider. Aus dem Bereich des leistungs- und wettkampf orientierten Sports werden die unerwünschten Nebenwir- journal Universität Leipzig 4/2011 1
UniVersum Rektorin feierlich ins Amt eingeführt. 4 Bootcamp des Projektes AlmaWeb. 5 Shannon Cain, Autorin und Picador Impressum Gastprofessorin über ihren Aufent- halt in Leipzig. 6 Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen und Freunde der Universität Leipzig Arthur Conan Doyle – Herausgeber: seine unbekannte Seite. 7 Rektorin der Universität Leipzig, Ritterstraße 26, 04109 Leipzig Erste Karrierewoche des Career Chefredaktion und V.i.S.d.P.: Centers – positive Bilanz. 8 Dr. Manuela Rutsatz Redaktion: Dipl.-Journ. Katrin Henneberg, Teil vier der Serie zur Ausstellung Telefon: 0341 97-35024 »Brisante Begegnungen«. 9 Telefax: 0341 97-35029 E-Mail: journal@uni-leipzig.de »Braille-Tag in Deutschland« fin- Namentlich gekennzeichnete Beiträge det im September auf dem Campus geben die Meinung der Autoren wieder. Augustusplatz statt. 10 Gestaltung, Herstellung und Anzeigen: wpunktw kommunikation und »Gender-Kritik«-Reihe lädt ein. 11 werbung gmbh Telefon: 0341 2267070 Studentenwerk feiert 20-jähriges E-Mail: unijournal@wpunktw.com Jubiläum. / Gedenken an Druck: Sprengung der Universitäts Messedruck Leipzig GmbH kirche. 12 Auflage: 10.000 Titelbild: Swen Reichhold Leipziger Public Relations Foto: Wikipedia Studenten e.V. ist Bestandteil der Das Journal kann gegen Übernahme der Versandkosten bezogen werden bei: Ausbildung in Kommunikations management/PR. 13 Leipziger Universitätsverlag GmbH Oststraße 41, 04317 Leipzig Telefon/Fax: 0341 9900440 E-Mail: info@univerlag-leipzig.de Titelthema Die Redaktion behält sich vor, eingesand- Einem Schriftsteller auf te Artikel zu redigieren und zu kürzen. Einblicke in die Sportwissen der Spur Bei unverlangt eingesandten Manu- schaftliche Fakultät. 15 Leipziger Anglistik beleuchtet die skripten besteht keine Gewähr für einen unbekannte Seite von Arthur Conan Abdruck. Doyle – dem Kämpfer für Empire und Frauenfußball: weltweit einzigar- Der Nachdruck von Artikeln ist gestattet, Elfen, dem Sportler, Spiritisten und sofern die Quelle angegeben wird. Ein tiges Forschungsprojekt für mehr Autofan. Belegexemplar an die Redaktion wird Schnelligkeit auf dem Platz. 16 7 erbeten. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: Medienrechtsexperte Prof. Dr. 10.06.2011 Christoph Degenhart im Interview ISSN 1860-6709 zu Sportübertragungsrechten. 18 Sport als Medikament bei Adipositas-Erkrankungen. 19 2 journal Universität Leipzig 4/2011
Inhalt Körperliche Aktivität und Herz erkrankungen. 20 Uni und Sport Stammzellentheraphie für Das Schwerpunktthema dieser Ausgabe Sportverletzungen. 21 widmet sich dem Sport. Dabei berichten wir Wissenswertes aus der Sportwissen- Ein Erfahrungsbericht vom schaftlichen Fakultät der Universität Leipzig, ebenso Beiträge aus der Medizin und Leipziger Firmenlauf. 22 Rechtswissenschaft rücken in den Fokus. Un nicht zuletzt spielt auch das Thema Freizeit- Alumni im Porträt: Foto: Swen Reichhold sport eine wichtige Rolle. Lesen Sie mehr zu Kletterwaldchef Steffen Cramer. 23 alldem ab Seite 14 Die Angebote des Hochschulsports. 24 Uni-Mitarbeiter und ihre sportlichen Hobbys. 26 Sportpsychologie: Fähigkeit zu Investitur Multitasking schwindet im Alter. 27 Die Rektorin der Universität Leipzig, Prof. Dr. Beate A. Schücking (hier mit Erziehungswissenschaftliches Pro- den neuen Prorektoren Prof. Dr. Claus jekt bringt Kinder in Bewegung. 28 Altmayer, Prof. Dr. Matthias Schwarz Foto: Swen Reichhold und Prof. Dr. Thomas Lenk, v.l.n.r.), ist am 31. Mai feierlich in ihr Amt einge- Guter Geist: Markus Wulftange führt worden. ist Sporttherapeut für krebskranke 29 4 Kinder. Forschung Chemie: neue Methode zur ökolo- gischen Schädlingsbekämpfung. 30 Millionenförderung für Polymer- Forschung. 31 Fakultäten und Institute Afrikanisten verabschieden Swahili-Lektor Abdilatif Abdalla. 32 Foto: Swen Reichhold Tutoren als authentische Wissensvermittler. 34 Eine weitere Perspektive auf das Institut für Wirtschaftspolitik. 35 Jubiläum am 1. Juli 2011 Das Studentenwerk Leipzig wird 20 Jahre alt. Nach zwei erfolgreichen Jahrzehnten wurde im Juni auch das letzte voll- ständig sanierte Wohnheim offiziell übergeben. Hier: Blick in ein bewohntes Apartment im Wohnheim Talstraße 12a. Brisante Begegnungen 9 12 Kurz gefasst 33 Personalia 36 journal Universität Leipzig 4/2011 3
UniVersum Forschung Foto: Swen Reichhold Zur Podiumsdiskussion zum Thema »Weltoffene Leipziger Universität – Welche Handlungsstrategien brauchen wir?« hatte die Rektorin (Mitte) Prof. Dr. Angela Friederici (Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neuro wissenschaften), Prof. Dr. Jürgen Jost (Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften), Dr. Wilhelm Krull (links, Volkswagenstiftung) und Prof. Dr. Svante Pääbo (rechts, Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie) eingeladen. Rektorin feierlich ins Amt eingeführt D ie Rektorin der Universität Leipzig, Prof. Dr. Beate A. Schücking, ist am 31. Mai 2011 feierlich in ihr Amt einge- führt worden. Sie erhielt von ihrem Amtsvorgänger und Inte- senschaften), Dr. Wilhelm Krull (Volkswagenstiftung) und Prof. Dr. Svante Pääbo (Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie). »Eigentlich lässt sich die Antwort auf die Fra- rimsrektor Prof. Dr. Martin Schlegel die Amtskette überreicht ge nach einer noch weltoffeneren Universität auf eine Formel und sprach vor etwa 450 Gästen im Hörsaal 9 im Hörsaalge- bringen. Die Universität muss für Studierende aus der ganzen bäude am Campus Augustusplatz über ihre Zukunftsvorstel- Welt attraktiv werden und gleichzeitig ihre Studierenden für lungen für die Leipziger Universität. die ganze Welt fit machen", erklärte Pääbo. Friederici plädier- Ausgehend vom Leitmotto »Aus Tradition Grenzen über- te deutlich dafür, an der Universität Leipzig wissenschaftliche schreiten« stellte sie die aus ihrer Sicht aktuell zu überschrei- Schwerpunkte zu setzen, »und zwar aus der Mitte der Wis- tenden Grenzen für die Leipziger Universität dar. Die Alma senschaftler heraus«. Für diese Schwerpunktsetzung gelte es mater solle sich weiterentwickeln, um künftig wieder eine füh- dann, Anreize zu bilden. rende Rolle unter den deutschen Universitäten einzunehmen, Die Rektorin fragte Prof. Dr. Jürgen Jost nach seinen Eindrü- so Schücking. Einen Grenzbereich, den es zu überwinden gelte, cken von Erfahrungen mit Strukturen für die Wissenschaft. stellte sie bezugnehmend auf die »nationale Begrenzung« fest. Der Mathematiker riet dazu, gemeinsam fachübergreifend wis- Ein wichtiges Ziel sei es, die Öffnung der Universität weit über senschaftliche Fragen und auf diese Art neue Kooperationen die Grenzen Europas hinaus zu forcieren und den Anteil von sowohl innen als auch nach außen zu entwickeln: »Wir brau- zehn Prozent ausländischer Studierender an der Gesamtstu- chen Persönlichkeiten, die motivieren und die Wissenschaftler dentenzahl deutlich zu erhöhen. »Diese große und traditions- wie Studierende gleichermaßen mitziehen«, unterstrich Jost. reiche Universität weiter zu entwickeln, ist eine Aufgabe, der In ihrem Schlusswort sagte die Rektorin, sie habe durch die ich mich gerne und mit Enthusiasmus gestellt habe«, sagte die Diskussion wichtige Anregungen für ihre Arbeit in den kom- Rektorin. menden Jahren bekommen. Es müsse eine Kommunikations- Im Anschluss diskutierte sie mit ihren Podiumsgästen zum kultur entstehen, in der Pläne entwickelt werden, die dann von Thema »Weltoffene Leipziger Universität – Welche Handlungs- internen und externen Experten diskutiert werden. Die Uni- strategien brauchen wir?« Zur Diskussion eingeladen hatte versität müsse mehr englischsprachige Angebote unterbreiten die Rektorin: Prof. Dr. Angela Friederici (Max-Planck-Institut und zugleich die deutsche Kultur und Sprache pflegen. für Kognitions- und Neurowissenschaften), Prof. Dr. Jürgen Susann Huster Jost (Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwis- 4 journal Universität Leipzig 4/2011
Foto: AlmaWeb Rund 60 Mitarbeiter der Universität lernten bei den Bootcamp-Workshops das Campus Management System der Datenlotsen kennen. Bootcamp des Projektes AlmaWeb beflügelt Austausch zwischen Universität und Software-Anbieter V on Mitte Mai bis Anfang Juni wurde im Rahmen des hoch- schulweiten Projektes AlmaWeb ein sogenanntes Boot- camp (to boot, engl. starten) ausgerichtet. An diesem breiten Fakultäten zu Optimierungsmöglichkeiten umgesetzt würden, werde das neue System von Konsens statt von Skepsis getra- gen. Wissensaustausch nahmen rund sechzig Vertreter der Fakul- Dem Projektteam hat das Bootcamp einmal mehr gezeigt, täten, der Zentralverwaltung, des Rechenzentrums, des Pro- dass die Standardfunktionen des Campus Management Sys- jektes sowie mehrere Mitarbeiter des gewählten Software- tems bereits ein breites Spektrum der definierten Anforderun- Unternehmens Datenlotsen teil. In teilweise mehrtägigen gen abdecken. Das System hat in den Workshops eine große Workshops wurden einerseits die Teilnehmer mit dem Campus Flexibilität sowie eine breite Vernetzung der Aufgaben für die Management System der Datenlotsen vertraut gemacht, ande- Verwaltung von Studium und Lehre bewiesen. Klar herausge- rerseits erhielten die Datenlotsen einen tiefen Einblick in den stellt haben sich jedoch auch die vielfältigen Herausforderun- Aufbau und die Abläufe der Alma mater Lipsiensis. gen, die die flächendeckende Einführung eines standardisier- »Hinter uns liegen elf Tage intensiven Arbeitens, die ange- ten Campus Management Systems an der Universität mit sich füllt waren mit einem vertieften Kennenlernen des Datenlot- bringt. »Wir konnten uns im Bootcamp davon überzeugen, dass sen-Projektteams und der Software in Kombination mit den das System der Datenlotsen fast alles kann. Die Aufgabe be- Besonderheiten und Spezifika der Prozesse an unserer Univer- steht nun in einer intelligenten Synthese aus Machbarem und sität. Durch die große Fülle der Diskussionsbeiträge, Anregun- zwingend Nötigem«, resümiert Bootcamp-Teilnehmer Werner gen und Kommentare konnten wir äußerst wertvolle Hinweise Reutter, Prüfungsamtsleiter der Fakultät für Mathematik und für die weitere Projektarbeit gewinnen«, erklärt Gesamtpro- Informatik. »Die Erfahrung lehrt, dass zu viele voreingestellte jektleiter Dr. Gunnar Auth. Details in einem System die Handhabung erschweren und vor Diesen positiven Eindruck bestätigt auch Bootcamp-Teilneh- allem kaum Sonderfälle zulassen.« merin Kathrin Tolksdorf vom Prüfungsamt der Medizinischen Bedenken wie diese kennt auch das Projektteam. Wie sollen Fakultät: »Das AlmaWeb-Bootcamp war eine sehr gute Gele- künftig Prozesse an der Universität Leipzig gestaltet werden? genheit sowohl mit den Datenlotsen als auch dem Projektteam Personendaten, Prüfungsleistungen, Moduldaten – wie können im persönlichen Austausch Fragen, Probleme und künftige diese bestehenden Daten in das neue System migriert werden? Aufgaben zu besprechen. Diese Kommunikation hat allen Be- Welchen Zeitraum wird dies in Anspruch nehmen? Dieser Viel- teiligten durchaus den Blick geschärft für die weiteren Schrit- zahl an Herausforderungen werden sich nun die Teilprojekte te. Gleichzeitig hat der Kontakt zu den Kollegen der verschie- annehmen, die im Juli 2011 starten sollen. In deren Feinplanung denen Fakultäten interessante Einblicke über den Tellerrand werden sämtliche Erkenntnisse des Bootcamps einfließen. ermöglicht.« Die Arbeit an der Bedienungsoberfläche habe sie Virginie Michaels technisch von der Handhabbarkeit des Systems überzeugt und sie sei sich sicher, wenn die Hinweise der mit Modellierung und www.uni-leipzig.de/almaweb Administration bisher befassten Kollegen der Universität und journal Universität Leipzig 4/2011 5
UniVersum Forschung Fotos: Shannon Cain Leipziger Bilder, die sich der Autorin eingeprägt haben. Vom Klopfen auf Tischen I n diese schöne Stadt auf der anderen Seite des Erdballs kam ich aus der schönen Stadt, in der ich lebe. Vom Fenster mei- nes Apartments mit Blick über einen schönen Park hörte ich chige Männer in Lederhosen und vollbusige Kellnerinnen mit kräftigen, durch überdimensionierte Bierkrüge trainierten Oberarmen denkt. Der Tag war wunderschön. In dem weißen Jubelgeschrei: freudig, spontan, in plötzlichen Ausbrüchen. Pavillon spielte ein Klarinettist Duke Ellington. Kinder hops- Es war diese Art des Geschreis, von der man hofft, sie an ei- ten in einer Hüpfburg herum. Ich ging auf das glänzend weiße nem späten Samstagnachmittag aus einem öffentlichen Park Klo. Auf ein kleines Regal hatte dort jemand eine frische rote zu vernehmen. Ich streifte einen Pullover über und folgte dem Tulpe in einer weißen Keramikvase gestellt. Sound. Eine Gruppe Amerikaner war mit einem schwedischen Als ich mein erstes Seminar beendete, begannen die Studen- Spiel beschäftigt, bei dem man Holzstückchen auf andere Holz- ten auf die Tische zu klopfen. Der Raum füllte sich mit dem Ge- stückchen wirft. Sie gaben mir Wein in einem Plastikbecher räusch von auf Holz klopfenden Knöcheln, so, als ob sich eine und steckten mich in eine der Mannschaften, und ich warf ein Menschenmenge vor meiner Tür versammelt hatte und fröh- Holzstückchen auf ein anderes Holzstückchen und schmiss es lich um Einlass bat. »Was bedeutet das?«, fragte ich erschro- um und jubelte zur Feier auf diese schöne Stadt auf der anderen cken. »Was tut ihr?« Sie grinsten vergnügt: Die neue Dozentin Seite unseres schönen Erdballs. war ratlos! »Wertschätzung zeigen«, erklärten sie mir. An einem Donnerstagnachmittag fand ich mich in der Tho- Das Wetter bringt mich durcheinander. In der schönen Stadt, maskirche ein, als der Organist gerade probte. Die Geschich- in der ich lebe, kommt der Sommer und bleibt. In dieser schö- te dieses Ortes nahm mich völlig ein. Welche Schönheit diese nen Stadt auf der anderen Seite des Erdballs kommt der Som- Wände gesehen haben. Ich saß auf der Kirchenbank, schloss mer und zieht wieder ab. Darauf bin ich nicht vorbereitet. Ich meine Augen und weinte. Touristen starten mich an. habe nur leichte Pullis und Sommerkleider mitgebracht. Ich Nicht wissend um die Verkehrsregeln für Fahrradfahrer fuhr gehe also in ein Kaufhaus, um mir einen vernünftigen Regen- ich falsch und wurde beinahe von einem Auto angefahren. Mir mantel zu kaufen und komme nach Haus mit einer protzigen wurde gesagt, dass die Deutschen hinterm Steuer schnell wü- Lederjacke. tend werden. Dass sie ungeduldig hupen, dass sie ihre Fäuste Das passiert mir wieder und wieder: Ich brauche Anweisun- zeigen, dich verfluchen. Auf dem Gesicht dieses Fahrers, der gen, brauche Hilfe, brauche jemanden, der mir den Weg erklärt. mich ohne Schuld fast überfahren hatte, lag ein Schrecken, ein »Sprechen Sie Englisch?«, frage ich: den Angestellten in der Bä- Schock, Schuld. Erleichterung. ckerei, den Kellner, den Studenten auf der Straße. Sie sind ver- Am Muttertag fuhr ich mit meinen Fahrrad in einen großen, legen. Sie zucken mit den Schultern, vermeiden Blickkontakt. erstaunlich herrlichen Park. Ich fuhr den Fluss entlang, auf und Ein wenig, sagen sie, fast entschuldigend, mit beunruhigten ab, fuhr rings um die Wiesen, die mit Freunden und Decken ge- Gesichtern. Ich schmunzle, stelle meine Frage. Fließend, hilfs- füllt waren. Menschen mit Hunden, Kinder auf Rollschuhen. Ich bereit und freigiebig antworten sie. hielt an einem Biergarten an, diesem Ort, den ich bisher nur Shannon Cain , Autorin und Picador Gastprofessorin im Sommer- vom Hörensagen kannte, diesem Ort, bei dem man an dickbäu- semester 2011; Übersetzung: Gordon Florenkowsky 6 journal Universität Leipzig 4/2011
Darwin und die Elfen Eine Konferenz über den unbekannten Conan Doyle N eben Edgar Allan Poe gilt Arthur Conan Doyle (1859-1930) als der Vater der Detektivliteratur. Man verwechselt ihn gern mit seinem Detektiv Sherlock Holmes, so lebensnah war dieser gestaltet. Aber er wurde dem Autor auch lästig. Als er ihn schließlich in der Schweiz verschwinden ließ, trug London Trauer; zehn Jahre später musste Doyle ihn wiederauferstehen lassen. Die Leipziger Anglistik wollte sich nicht mit dem Klischee des Krimiautors zufriedengeben und widmete sich auf einer Konferenz am 20. und 21. Mai 2011 dem unbekannten Doyle: dem Kämpfer für Empire und Elfen, dem Sportler, Spiritisten und Autofan – er war der erste britische Autor, der wegen überhöhten Tempos einen Strafzettel bekam. Daneben schrieb er ein kaum ausgelotetes Werk, das historische Romane und Dokumentarwerke, Pamphlete gegen die Unterdrückung der Schwarzen im Kongo und Science Fiction umfasst. Auf der Tagung wurde beschlossen, die Erwähnung des Na- mens Sherlock Holmes mit einem Euro Strafgebühr zu ahnden. Die anwesenden Sherlockianer waren nicht amüsiert, das Pu- Foto: Wikipedia blikum schon. Ein Schwerpunkt war Doyles bekanntestes Werk außerhalb des Holmes-Kanon, der Abenteuerroman »The Lost World« (1912). Es wurde nicht nur ein Vorbild für »Jurassic Park«, son- dern auch als Film der erste, der je an Bord eines Flugzeugs Sir Arthur Conan Doyle im Jahr 1913. gezeigt wurde. Wie kein anderer wurde der Roman vom Dar- winismus geprägt. 1917 hatten zwei Mädchen angeblich Elfen fotografiert, die Öffentlichkeit war gespalten. Doyle schrieb sogleich ein Buch zu ihrer Verteidigung: »The Coming of the Fairies«. Jahrzehnte nach seinem Tod gaben sie zu, eine Fälschung fabriziert zu ha- hen für die geringe Wertschätzung, die derzeit Doyles Werk zu ben; sie hatten Sir Arthur nicht verletzen wollen. Eine Kunst- Teil wird. Wegen der Popularität seines Detektivs wird er zu historikerin zeigte einen neuen Rahmen auf, indem sie die Vor- Unrecht für trivial gehalten. Die erwähnte Strafgebühr wurde gänge als Teil des entstehenden Surrealismus interpretierte. dem Undershaw Trust gespendet. Die Vorträge werden im »In- Doyle, der als Arzt am Burenkrieg teilnahm, war möglicher- klings Jahrbuch« erscheinen. weise der erste, der einen Roman über die Geiselnahme westli- Prof. Dr. Elmar Schenkel, Professor für Englische Literatur cher Touristen durch islamistische Kämpfer im Sudan schrieb – wisschenschaft am Institut für Anglistik ein Vergleich zu Churchills Afrikareportage von 1899 war hier aufschlussreich. 1913 sah Doyle künftige Luftkriege voraus, wie eine phantastische Geschichte über einen Dschungel der Lüfte zeigt. Sherlock Holmes stattete dann doch der Konferenz einen Be- such ab – in Gestalt seines Widersachers Dr. Moriarty, dem be- rühmten Mathematiker, der in zahlreichen Zeitreisegeschich- ten fortlebt. Die Referenten kamen aus Schottland, Polen und Deutschland, und auch der wissenschaftliche Nachwuchs der Leipziger Anglistik war gut vertreten. Eine Doktorandin stellte abschließend den miserablen Zu- stand des Hauses Undershaw in Surrey vor, in dem Doyle seine wichtigsten Werke schrieb. Undershaw könnte symbolisch ste- journal Universität Leipzig 4/2011 7
UniVersum Fotos: Swen Reichhold Flyer des Career Centers zum Berufseinstiegstag. Eine Studentin am Infostand. Berufsorientierung im Studium Erste Karrierewoche des Career Centers kam gut an – 2.500 Interessierte M it 2.500 Besuchern zieht das Career Center der Universi- tät Leipzig eine positive Bilanz der ersten Karrierewoche. Unter dem Motto »Vorausschauen mit Weitblick, Orientieren bungsprozess, zu Auslandsaufenthalten, zu freiberuflicher Arbeit oder zum Arbeitsrecht klären. Bewerbungsunterlagen- Checks, eine Bewerbungsfoto-Aktion und die Gelegenheit, in mit Einblick, Starten mit Durchblick« hatten die Studierenden der Info-Lounge bei Kaffee und Kuchen mit Referenten ins Ge- Anfang Mai eine Woche lang die Möglichkeit, sich rund um die spräch zu kommen, sorgten für ein abwechslungsreiches Pro- Themen Praxisorientierung und Berufseinstieg zu informie- gramm. ren. Mit dem Ziel, Studierende dafür zu sensibilisieren, sich Außerdem haben die WIK-Leipzig, die Exkursionen zum bereits während des Studiums auch beruflich zu orientieren Umweltforschungszentrum und zu den Firmen Pluspol in- und sich Perspektiven zu eröffnen, wie es nach dem Studium teractive und Spreadshirt viel Raum für persönliche Gesprä- weitergehen könnte, bot die Woche ein vielfältiges Angebot. che mit Praktikern geboten. Großen Andrang gab es zur Po- »An einer Universität mit überwiegend Studierenden der diumsdiskussion mit Personalmanagern zum Thema »Als Geistes- und Sozialwissenschaften, bei welchen es häufig nicht Geisteswissenschaftler(in) in die Wirtschaft?« in der Univer- so klar definierte Berufsfelder gibt, wie zum Beispiel bei Medi- sitätsbibliothek Albertina. Personalverantwortliche diskutier- zinern oder Lehramtsstudierenden, ist es wichtig, Anregungen ten darüber, auf welche Qualifikationen und Fähigkeiten sie bei zur Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken, Schwächen Bewerbern besonders achten. So werden neben dem notwen- und beruflichen Vorstellungen zu geben. Wir bieten dabei ein digen Fachwissen Soft Skills wie Kommunikations- und Team- Stück weit Hilfe zur Selbsthilfe, nehmen jedoch niemandem die fähigkeit immer wichtiger. Nach ihrem ganz persönlichen Re- Verantwortung für die eigene Berufswegplanung ab«, so Prof. sümee gefragt, erklärt Sandra Engels-Rottleb, Politikstudentin Dr. Claus Altmayer, Prorektor für Bildung und Internationales an der Universität: »Die Angebote des Career Centers waren sowie Projektleiter des Career Centers. sehr hilfreich. Ich habe in dieser Woche wirklich viele Anre- Insgesamt gab es an den fünf Tagen über 30 Workshops, gungen mitgenommen und Unsicherheiten dagelassen. Das ist Vorträge, Podiumsdiskussionen, Info-Stände, Exkursionen doch sehr gut.« und mit der Wirtschafts- und Industriekontakte Leipzig (WIK- Bianca Stur Leipzig) auch eine Absolventenmesse. Höhepunkt der Woche war der »Berufseinstiegstag«. Hier konnten die Studierenden www.uni-leipzig.de/careercenter jede Menge Fragen zur beruflichen Orientierung, zum Bewer- 8 journal Universität Leipzig 4/2011
Brisante Begegnungen Ausstellung: Der SFB 586 präsentiert Ergebnisse in Hamburg* Teil 4/6 Zeugnisse von Wüstenn omaden in Leipzig Mit der Abschlussausstellung »Bri- sante Begegnungen« bietet der Son- derforschungsbereich (SFB) 586 »Differenz und Integration« ab dem Zeichnung: J. Helmbold-Doyé 17. November 2011 im Hamburger Museum für Völkerkunde einen Einblick in seine zehnjährige For- Foto: M. Wenzel schungsarbeit. Kuratiert wird die Exposition »Brisante Begegnungen« von Prof. Dr. Annegret Nippa und Dr. Andreea Bretan. Am SFB 586 sind neben der Universität Leipzig die Inv.-Nr. 4223, Ägyptisches Museum Leipzig Georg Steindorff Aniba, Friedhof N, Grab 60. Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg, das Institut für Länder- kunde, das Helmholtz-Institut sowie das Max-Planck-Institut für Ethnolo- Das Grabinventar zeigt die Charak- mit weiteren Beigaben, wie Keramikge- gische Forschung beteiligt. teristika nomadischer Kulturen. Es fäßen und Schmuck, in dem einfachen umfasst zumeist nur wenige, auch im Grubengrab Nr. 60. Im Ägyptischen Museum – Georg Alltag verwendete Objekte wie Kera- Es handelt sich um ein typisches Arte- Steindorff – der Universität Leipzig fin- mikgefäße, Lederbehälter, Schmuck, fakt der Pangrave-Kultur, das aus Nilton den sich zahlreiche Objekte, die den so- Toilettenartikel und Steinwerkzeuge. handgefertigt und in einer offenen Gru- genannten Pfannengräber-Leuten (Pan- Häufig wurden Bukranien (Tierschä- be gebrannt wurde. Durch Oxydations- grave) zugeschrieben werden – eine der del) im Kreis um das Grab herum oder und Reduktionsvorgänge während des aufschlussreichsten Gruppen der nubi- in separaten Gruben abgelegt. Die zu- Brennens sind die Innenseite und der schen Kulturgeschichte. Dabei handelt vor entfleischten Bukranien wurden äußere Rand geschwärzt, die sonstige es sich um Nomaden, deren ursprüng- vielfach mit ornamentalen Mustern in Oberfläche auf der Außenseite ist hinge- licher Lebensraum wohl die östliche rot, schwarz und weiß dekoriert. Die gen in einem dunklen Rot gestaltet. Vor Wüste Nubiens war. Zusammensetzung dieser Depots ist dem Brand wurde in die Randaußensei- Mit dem Ende des Mittleren Reichs nahezu konstant: zirka 75 Prozent Zie- te ein Muster eingeritzt, das aus Diago- (um 1700 v. Chr.) lassen sich deren gen, 20 Prozent Schafe und fünf Prozent nalen besteht. Die glänzende Oberfläche temporäre Ansiedlungen in kleinen Rinder – ein Verhältnis, das in etwa die ist das Resultat der Politur des Gefäßes Gruppen im Niltal belegen. Als Grund Mischung der realen Herden widerspie- mit einem Kiesel. für ihr Streben in das Niltal wird eine geln dürfte. ökonomische Krise vermutet. Ihre Grä- Im Zuge der geplanten Ausstellung Jana Helmbold-Doyé und Anne Seiler, berfelder umfassen meist nicht mehr werden in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im als 20 Bestattungen, die sich punktuell dem Ägyptischen Museum einige dieser DFG-Projekt »Das Gräberfeld S/SA in von Mittelägypten bis in das südliche Objekte zu besichtigen sein. So findet Aniba: Strukturen und Realitäten der Unternubien antreffen lassen. Die Form sich unter den Stücken auch ein Tonnapf ägyptischen Präsenz in Unternubien vom der Pfannengräber ist an der Oberflä- (Höhe 12,2 cm; ∅16 cm), der in dem nu- Mittleren Reich bis in die Dritte Zwischen- che nicht oder nur durch einen kleinen bischen Ort Aniba, zirka 230 Kilometer zeit« Steinkreis markiert. Ihre flachen, run- südlich von Assuan, bereits 1914 von (Universität Leipzig/Humboldt-Universi- den Grabgruben gaben der Kultur ihren Georg Steindorff im Nordfriedhof ge- tät zu Berlin) Namen. funden wurde. Dieser lag zusammen * Kuratiert von Prof. Dr. Annegret Nippa und Dr. Andreea Bretan Gefördert von journal Universität Leipzig 4/2011 9
UniVersum Foto: Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V./A. Friese Lesendes blindes Mädchen. Wissen und Teilhabe für blinde Menschen Im September findet der Weltkongress zur Blindenschrift »Braille21« statt Z ugänglicher, bezahlbarer, sichtbarer – so soll die Zukunft der Brailleschrift aussehen: Mit diesem Ziel lädt die Deut- sche Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (DZB) in Koopera- tergestützt. »Braille21« wird sich innovativ und kritisch mit den Entwicklungen der Brailleschrift im 21. Jahrhundert aus- einandersetzen, damit sie heute und zukünftig ein lebendiges tion mit der Universität Leipzig zum »Braille-Tag in Deutsch- Medium bleibt. Der internationale Kongress bietet für die Teil- land« (27.9.2011) sowie anschließend zum Weltkongress nehmer ein einzigartiges Forum zum Austausch und zur Dis- »Braille21« (28.-30.9.2011) auf den Campus am Augustusplatz kussion. Fachexperten aus über 30 Ländern werden referieren. ein. Thema der Veranstaltung, an der sich der Fachbereich So entstehen neue Forschungsprojekte; Initiativen werden ge- Buchwissenschaft (Prof. Dr. Siegfried Lokatis) des Instituts startet und Synergien erzeugt. für Kommunikations- und Medienwissenschaft sowie die Blin- den- und Sehbehindertenpädagogik (Dr. Friederike Beyer) des Braille-Tag in Deutschland Instituts für Förderpädagogik beteiligen, sind die Chancen und »Braille21« ist nicht nur ein Fachkongress zur Brailleschrift. Herausforderungen der Punktschrift heute und in der Zukunft. Anwender und Interessierte sind eingeladen, am 27. Septem- Schirmherrin des Projekts ist Bundeskanzlerin Angela Merkel. ber den »Braille-Tag in Deutschland« zu erleben. Das Pro- gramm umfasst Vorträge, Einsteiger-Workshops und zahlrei- Weltkongress Braille21 che Mitmachaktionen – sowohl zum Reinschnuppern als auch Das Kongressprogramm eröffnet Dr. Judith Dixon. Die Ame- für Experten. rikanerin besitzt als Referentin für Kundenbeziehungen beim Ein besonderes Highlight ist der Erlebnisgang der Christof- »National Library Service for the Blind and Physically Han- fel-Blindenmission auf dem Augustusplatz, der Blindheit für dicapped« in Washington umfangreiches Wissen über die sehende Menschen erfahrbar macht. Interessierte können sich Brailleschrift und Bibliotheken für blinde und sehbehinderte außerdem an einer Punktschriftschreibmaschine selbst aus- Menschen. In ihrem Vortrag wird Judith Dixon über die Chan- probieren und an der Station »Mein Lieblingstext in Braille« cen und Herausforderungen von Bibliotheken und Bildungs- verstehen, wie die Schrift der Sehenden in die Blindenschrift trägern für blinde Menschen sprechen. Essentiell ist dabei ihre umgewandelt wird. Vision, dass für alle blinden Menschen jedes Buch zu jeder Zeit Die Abschlussveranstaltung »Braille goes Germany« be- verfügbar sein soll. schließt den Tag mit einer abwechslungsreichen Show, die Seit ihrer Erfindung ist die Brailleschrift unersetzbar für spannende Inhalte zur Brailleschrift in Ausbildung, Beruf und Bildung, Berufstätigkeit und gesellschaftliche Teilhabe blinder Freizeit verspricht. Menschen. Zu Beginn konnte sie lediglich manuell hergestellt Jenni Schwan, Michael Wallies werden. Heute, im digitalen Zeitalter, wird an den Computer eine Braille-Zeile angeschlossen. Und auch die Übertragung www.braille21.net größerer Texte für Bücher und Zeitschriften erfolgt compu- www.dzb.de 10 journal Universität Leipzig 4/2011
»Gender-Kritik«-Reihe auf der Zielgeraden Abschlussveranstaltungen zur Leipziger Christopher-Street-Day-Woche und zu Alltagssexismen I m fünften Jahr Geschlecht an der Universität Leipzig disku- tieren: Mit diesem Anspruch und Ziel kann das Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (FraGes) im Sommerse- mester 2011 mit der transdisziplinären Vortragsreihe »Gen- der-Kritik« erneut aufwarten. Bereits innerhalb der seit 2007 erfolgreichen Durchführungen der Reihe bezeugte uns ein Foto: Stefan Hopp reges Publikumsinteresse, dass es lohnenswert ist, die inter- disziplinäre Geschlechterforschung stetig an der Universität Leipzig voranzutreiben. Seit seiner Gründung 2001 sieht sich das FraGes als universi- tärer Bestandteil differenzierter Forschung und akademischer Referentin Gwendolin Altenhöfer zur zweiten Lehre. Gegenwärtig fokussiert sich der Blick auf die »Gender- Gender-Kritik Sitzung Anfang Mai 2011. Kritik«-Reihe, die im April startete und im Zwei-Wochen-Takt noch bis zum 14. Juli die Köpfe interessierter Geschlechterfor- scher sowie zu weiterführenden Diskussion anregen möchte. In der Eingangssitzung luden wir zusammen mit Filmwis- senschaftler und Queertheoretiker Tim Stüttgen mit seinem Thema »Post Porn Politics« zu einem spannenden und noch recht jungen Bereich der Queer-Theory ein. Stüttgen veran- Mitte Juni reisten wir »[...] ins Europa der Geschlechts- staltete auf diesem Gebiet 2006 bereits das gleichnamige bestimmer« und erörterten gemeinsam mit Max Schochow Symposium, welches 2010 auch als Reader erschien. In seinem »Geschlechterdiskurse im 18. Jahrhundert«. Pünktlich zur Beitrag theoretisierte er queere Pornographie und Sexarbeit FiFa Frauen-Weltmeisterschaft griff die Sportsoziologin Pe- als subkulturelle Phänomena einer alternativen Produktion tra Tzschoppe Ende Juni den aktuellen Diskussionsstand zur von Vorstellungen von Subjektivität, Körperartikulation und Geschlechterordnung im Sport auf und ging auf Beispiele von Sexualität. Normierung und Diskriminierung im Sport (»Du kickst ja wie Im Mai referierte die lesbisch-feministische Polyamorie– ein Mädchen.«) ein. Aktivistin Gwendolin Altenhöfer. Die Ethnologin und Mithe- Veranstaltungstipps: Anlässlich der Leipziger Christopher- rausgeberin der »Krake« stellte in Erweiterung der »Gender- Street-Day-Woche vom 2. bis 9. Juli 2011 veranstalten wir am Kritik«-Sitzung mit Robin Bauer und Gesa Mayer im April 7. Juli in Kooperation mit dem Gleichstellungsbeauftragten und dezidiert lebenspraktische Perspektiven nicht-monogamer dem Referat für Gleichbestellung und Lebensweisenpolitik des Lebens-, Liebes- und Beziehungsformen vor. Die enorme Pu- StudentInnenrates der Universität Leipzig eine Podiumsdis- blikumsresonanz bei beiden Sitzungen lässt vermuten, dass kussion zum Thema »Quo Vadis Community? Rein in die Szene der Bereich der Heteronormativitätskritik verstärkt auch von oder Rückzug ins Private?«. einer kritischen Auseinandersetzung mit Mononormativtät er- Der diesjährige Abschlussvortrag am 14. Juli wird von gänzt wird. Marion Gemende gehalten und nimmt »Alltagssexismen im Der gesellschaftlich tabuisierten und medizinisch problema- Kontext von Migration, Geschlecht und Gleichstellung« in die tisierten Thematik um geschlechtliche Uneindeutigkeit wid- Kontroverse. mete sich der im Mai gezeigte Film »Intersexuell – zwischen Wann: 19 bis 21 Uhr; Wo: Hörsaal 2010, Geisteswissen- den Geschlechtern. Von der Schwierigkeit weder Mann noch schaftliches Zentrum (GWZ), Beethovenstraße 15. Frau zu sein« von Thorsten Niemann (2002). In der anschlie- Britta Borrego und Uta Beyer ßenden Diskussion wurde die Brisanz der Situation interge- schlechtlicher Menschen weiterführend erörtert. www.uni-leipzig.de/~frages/ journal Universität Leipzig 4/2011 11
UniVersum Studentenwerk Leipzig feiert 20-jähriges Bestehen D as Studentenwerk Leipzig, zuständig für die soziale, wirt- schaftliche und kulturelle Betreuung der rund 37.000 Stu- dierenden am Hochschulstandort Leipzig, ist am 1. Juli 2011 gestalten«, sagt Dr. Andrea Diekhof, Geschäftsführerin des Studentenwerkes Leipzig. Dies sei unter anderem durch den Verwaltungsrat gewährleistet, dem Aufsichtsgremium des zwanzig Jahre alt geworden. Studentenwerkes, das zur Hälfte aus Studierenden besteht und Das Studentenwerk Leipzig hat sich in den vergangenen zwei derzeit einen studentischen Vorsitzenden hat. »Auch wenn das Jahrzehnten zu einem erfolgreichen Dienstleister entwickelt, Studentenwerk Leipzig einen hohen Anteil seiner Mittel selbst bei dem der soziale Auftrag – die Studierenden der sieben erwirtschaftet, werden doch einige Angebote, wie beispiels- Leipziger Hochschulen bei einem erfolgreichen Studium zu weise die Sozialberatung, direkt über den Semesterbeitrag unterstützen – im Vordergrund steht. Es gestaltet mit vielfäl- der Studierenden finanziert«, so Diekhof weiter. »Nur für das tigen Angeboten den Alltag der Studierenden mit. Neben den Mensaessen erhält das Studentenwerk noch finanzielle Mit- Hauptarbeitsbereichen Studentisches Wohnen, Verpflegung in tel vom Freistaat – 2011 insgesamt 1,5 Millionen. Euro. Aber Mensen und Cafeterien und Ausbildungsförderung nach dem auch hier ist der studentische Anteil an der Grundfinanzierung BAföG-Gesetz bietet die Einrichtung auch verschiedenste Be- aufgrund der stark gesunkenen Landeszuschüsse inzwischen ratungs- und Serviceleistungen an. Dazu gehören Angebote zur sehr hoch.« psychologischen Beratung, die Rechtsberatung, eine Jobver- In den Mensen des Studentenwerkes werden täglich rund mittlung und nicht zuletzt die Sozialberatung. Die Betreuung 10.000 Essen gekocht, daneben vermietet das Studentenwerk spezieller Studierendengruppen – dazu gehören Studierende mehr als 5.000 vollständig sanierte Wohnheimplätze. Das zu- mit einer Behinderung, ausländische Studierende und Studie- letzt dazu gekommene Wohnheim in der Talstraße 12a wurde rende mit Kind – ist ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich am 6. Juni 2011 offiziell übergeben. Die Sanierung des 1890 des Studentenwerkes. Leistungen wie das Semesterticket, die erbauten, denkmalgeschützten Gebäudes in Zentrumsnähe er- finanzielle Unterstützung von Kulturprojekten sowie der Be- folgte komplett aus Eigenmitteln des Studentenwerkes. Auch trieb von Kindereinrichtungen sind ebenfalls Bestandteil der die Mensa Jahnallee steht nach zwei Jahren des Umbaus und langen Liste an Angeboten. der grundlegenden Sanierung kurz vor der Wiedereröffnung, »Die Studierenden sind nicht nur unsere Kunden, sondern die voraussichtlich Mitte Juli stattfindet. unsere Partner, indem sie die Inhalte unserer Arbeit mit- Angela Hölzel Gedenken an die Universitätskirche A m 30. Mai jährte sich zum 43. Mal die Sprengung der Leip- ziger Universitätskirche St. Pauli. Aus diesem Anlass hat- ten die Rektorin Prof. Dr. Beate A. Schücking und der Erste Universitätsprediger Prof. Dr. Rüdiger Lux zu einer Gedenk- veranstaltung in das Leibnizforum im Innenhof des Campus Augustusplatz eingeladen. »Von Wunden in Herzen und Hirnen« durch die Sprengung der Kirche im Jahr 1968 sprach der Erste Universitätsprediger, nachdem die Rektorin betont hatte, dass sie schon nach kurzer Foto: Manuela Rutsatz Zeit in Leipzig sehr wohl verstanden habe, wie wichtig die Er- innerung an die Paulinerkirche für Leipzig und die Alma mater sei. Die Sprengung der Kirche sei nicht nur ein schändlicher Akt der Machtdemonstration gewesen, damit sei es um die Besei- tigung der letzten Bastion einer bürgerlichen Bildungskultur gegangen, so Lux weiter. »Die Kanzel der Paulinerkirche war Ansprache von Prof. Dr. Rüdiger Lux, Erster der letzte Ort der öffentlichen freien Rede«, betonte er. Erst Universitätsprediger. an dem Tag, an dem Leipzigs Universitätsgebäude-Ensemble am Augustusplatz fertig gebaut sei, würden auch die Wunden Hauptgebäude der Universität wird zu Beginn des Sommer- der Vergangenheit geheilt sein. Lux stellt sich den Neubau als semesters 2012 bezugsfertig, das Paulinum wird noch etwas Forum des Trialogs für Wissenschaft, Kunst und Religion, in länger dauern. dem keiner für sich allein das Sagen haben soll, vor. Das neue KH 12 journal Universität Leipzig 4/2011
Mit Eigeninitiative und Verantwortung in die PR-Branche I m Jahr 1994 wurde in Leipzig der bundesweit erste Universi- tätslehrstuhl für Public Relations (PR) eingerichtet. Zahlrei- che Auszeichnungen belegen, dass sich Leipzig als Standort für Wissenschaft und Ausbildung im Bereich Kommunikationsma- nagement/PR einen Namen gemacht hat. Fester Bestandteil dessen ist der LPRS (Leipziger Public Relations Studenten e.V.). 2004 gründeten sieben Studierende des Instituts für Kom- munikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig den LPRS mit dem Ziel, eine praxisnahe Ergänzung zum Studi- Foto: Tobias Tanzyna enangebot zu schaffen und einen Beitrag zur optimalen Hoch- schulausbildung zu leisten. In dem ständig wachsenden Verein gilt bis heute der Leitgedanke: »Mehr wissen, mehr kennen, mehr können.« Bei Veranstaltungen werden eigene Netzwerke mit PR-Fach- leuten aufgebaut und gepflegt. Vereinsmitglieder lernen von deren Expertise und Erfahrung und überzeugen sie von der Elisabeth Schick (Leiterin Unternehmenskommunikation, BASF SE), Jens Jessen (Ressortleiter Feuilleton, DIE ZEIT), Peggy Hoy (Moderatorin und Qualität der Leipziger PR-Lehre. »Der LPRS trägt als eine äu- LPRS-Alumna), Friedhelm Hengsbach (Sozialethiker) und Wolfgang ßerst aktive studentische Vereinigung, die sich auch vorbild- Tiefensee (MdB) auf dem 6. LPRS>>Forum (v.l.n.r.). lich um die Alumni-Arbeit kümmert, viel zum fruchtbaren Zu- sammenhang von Wissenschaft und Kommunikationspraxis bei. Er hat viel dafür getan, das Netzwerk zwischen Universi- tät und Praxis am Leben zu erhalten und immer wieder neu zu beleben«, äußert sich Prof. Dr. Günter Bentele, Inhaber des ersten deutschen Lehrstuhls für Öffentlichkeitsarbeit/Public Relations, über den Verein. Die Vereinsarbeit lebt von den Ideen der Mitglieder. Jeder organizations (NGOs) Leipziger PR-Alumni anzutreffen. Der kann sich einbringen, ausprobieren und viele neue Erfahrun- LPRS bringt sie beispielsweise beim jährlichen Treffen wieder gen sammeln: Pressemitteilungen schreiben, Newsletter und zusammen und ermöglicht ihnen den Austausch untereinan- Broschüren konzipieren und realisieren sowie verschiedene der und mit Studierenden. Veranstaltungen planen, organisieren, durchführen und eva- Aus den sieben studentischen Gründern ist ein lebendiger luieren. Außerdem liegt es an den Mitgliedern, den Verein Verein mit rund 150 Mitgliedern geworden. Unterstützt wird strategisch zu führen sowie Fördergelder zu akquirieren. So der LPRS durch branchenbekannte Beiräte und Förderer. Kre- erwerben die aktiven Mitglieder neue Kompetenzen und kön- ativität, außeruniversitäres Engagement, Fachwissen und die nen diese ausbauen. interdisziplinäre Denkweise der Mitglieder werden auch zu- Der Höhepunkt jedes Vereinsjahres ist das »LPRS>>Forum«, künftig den Verein prägen. Interessierte Studierende sind je- zu dem Studierende, Alumni, Wissenschaftler und hochkaräti- derzeit willkommen. ge Branchenvertreter zu einer Podiumsdiskussion mit einem Judith Krause, Mitglied im LPRS e.V. und Studentin im Master aktuellen Thema des Kommunikationssektors geladen wer- Communication Management den. Im April diesen Jahres diskutierten Wolfgang Tiefensee (MdB), Elisabeth Schick (Leiterin Unternehmenskommunika- www.lprs.de tion, BASF SE), Jens Jessen (Ressortleiter Feuilleton, Die Zeit) und Friedhelm Hengsbach (Sozialethiker) zum Thema: »Ein- stimmig dafür. Mehrheitlich dagegen. Kommunikation im Kon- flikt mit der Gesellschaft«. Die PR-Ausbildung an der Universität Leipzig hat zahlreiche Absolventen hervorgebracht. Heute sind in vielen namhaften Agenturen, Unternehmen, Verbänden und Non-governmental journal Universität Leipzig 4/2011 13
Titelthema Foto: Swen Reichhold 14 journal Universität Leipzig 4/2011
Sechs sportliche Schwerpunkte A uf dem Campus Jahnallee befindet sich die sportwissen- schaftliche Fakultät der Universität Leipzig. Etwa 1.300 Studierende lernen und forschen dort an sechs Instituten, die Hartmann selbst ist seit Jahren im Leistungssport tätig. Als ausgebildeter Biologe und Sportwissenschaftler forscht, ent- wickelt, lehrt und verbessert er Trainingsanwendungen und sich interdisziplinär mit Themen rund um den Sport beschäf- -methoden auch für den Spitzensport. Durch wettkampfbe- tigen. »Die Lehr- und Forschungsgebiete der Professuren er- gleitende Stoffwechseluntersuchungen und entsprechende strecken sich von der Bewegungs- und Trainingswissenschaft Trainingsanpassungen versucht er unter anderem, die Ath- über den Gesundheitssport und Public Health, die Sportbiome- leten zu einer höheren Leistungsfähigkeit zu führen. China, chanik, das Sportmanagement, die Sportmedizin und Präventi- wo er mehrere Gastprofessuren wahrnimmt, ist eines seiner on, die Sportpädagogik, die Sportphilosophie und -geschichte, nächsten Reiseziele, später im Jahr steht in Brasilien eine Fort- die Sportpsychologie bis zu Sport und Umwelt«, erklärt Prof. bildung von wissenschaftlichem Personal zur Vorbereitung auf Dr. Ulrich Hartmann, Leiter des Instituts für Bewegungs- und die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro an. Trainingswissenschaft der Sportarten II. Wer zu uns kommt, So vielfältig und international wie die Forschung und Lehre um Sportwissenschaften zu studieren, wird theoretisch und der Fakultät sind auch die späteren Tätigkeitsfelder der Absol- praktisch umfassend ausgebildet. venten. Ein Großteil, etwa ein Viertel aller Studierenden, wird Um sportpraktische Inhalte zu vermitteln, besitzt die Fakul- Sportlehrer(in), ein weiteres Viertel wird im Bereich Fitness, tät zahlreiche Einrichtungen: Hallen für verschiedene Spiel- Prävention und Rehabilitation tätig. Die Anderen finden ihren sportarten, Geräteturnen, Fechten, Gymnastik, Judo, Boxen, Weg im Leistungssport, in der Sportartikelindustrie, in der Fitness und Kraftübungen. Außerdem gibt es eine Leichtath- Forschung oder auch im Sportmanagement. letikanlage, eine eigene Schwimmhalle mit angrenzendem Sandra Hasse Schwimmkanal sowie Anlagen für den Wasserfahrsport, Ru- dern beispielsweise. Für eine effiziente Forschung gibt es La- bore, etwa für Biomechanik, Sportpsychologie und Gesund- heitssport. Neu hinzu kommen wird ein humanphysiologisches Labor für die Trainings- und Leistungsdiagnostik. Die Forschungsaktivitäten und -schwerpunkte der Sport- Die sportwissenschaftliche Forschung in Leipzig blickt wissenschaftlichen Fakultät sind sehr vielfältig und reichen auf eine über 100-jährige Tradition zurück. Das erste von grundlagen- und anwendungsorientierten, sportartspezi- Sportinstitut der Universität entstand im Jahr 1906 fischen Ansätzen bis zu interdisziplinären und internationalen und war stark praxisorientiert ausgerichtet. Erst im Projekten in unterschiedlichen Teildisziplinen mit zum Teil Jahr 1925 kam mit der ersten deutschen Professur für interessanten Anknüpfungspunkten zu den profilbildenden Sportwissenschaften, der Professur für Didaktik der Forschungsbereichen der Universität Leipzig. Eine wichtige Leibesübungen, eine intensive Forschungsarbeit und das Maxime ist die Effektsteigerung von und durch Sport bezie- Promotions- und Habilitationsrecht hinzu. An der 1950 hungsweise körperliche Bewegung – sei es im Bereich Rehabi- gegründeten Deutschen Hochschule für Körperkultur litation, Unterricht an Schulen oder auch im Bereich Training (DHfK) wurden in der Zeitspanne bis 1990 etwa 18.000 und Leistungssport. Sportlehrer und Trainer für verschiedenste Tätigkeits- »Sport ist eben nicht nur die Ertüchtigung selbst, Sport hängt felder ausgebildet. genauer betrachtet mit psychischer Motivation, mit physiolo- Die Sportwissenschaftliche Fakultät wurde 1993 neu gischen Vorgängen im Körper, mit Biomechanik der Muskeln gegründet. Heute gibt es sechs Institute – Allgemeine und des Skeletts, mit Gesundheit und Krankheit, mit Lernen, Bewegungs- und Trainingswissenschaft und die beiden Wirtschaft, Freizeit und mit kulturellen und Umweltaspekten Institute für Bewegungs- und Trainingswissenschaft zusammen«, erklärt Hartmann. »Das alles beforschen und leh- der Sportarten I und II, Gesundheitssport und Public ren wir.« Eine Juniorprofessur widmet sich zum Beispiel der Health, Sportmedizin und Prävention, Sportpsychologie Interaktion von Sport und Umwelt, etwa wie Landschaftsscho- und Sportpädagogik. Sie alle arbeiten regional, national nung trotz Expansion von Wintersportgebieten gelingen kann. und zum Teil international mit anderen Forschungsein- Andere Bereiche beschäftigen sich damit, wie Bewegungsab- richtungen, Schulen und auch Sportverbänden zusam- läufe verschiedenster Sportarten im Detail funktionieren und men – zum Beispiel mit dem Olympiastützpunkt Leipzig wie diese am besten analysiert und optimiert werden können. und dem Deutschen Turner-Bund. So können die Wissenschaftler beispielsweise verschiede- ne Gangstile analysieren, um herauszufinden, »was da schief läuft«, um zu korrigieren. journal Universität Leipzig 4/2011 15
Titelthema Auf dem Weg zu mehr Schnelligkeit Auch eine Blutentnahme im 15-Minuten-Takt wäh- Leipziger Wissenschaftler entwickeln mit rend der 90-minütigen Großuntersuchung, hier durchgeführt von Trainingswissenschaftler Prof. einem weltweit einzigartigen Forschungs Dr. Ulrich Hartmann, ließen die Damen der ersten projekt erstmalig ein klares Anforderungs- und zweiten Mannschaft vom 1. FC Lokomotive profil im Mädchen- und Frauenfußball Leipzig im Dienste der Wissenschaft bereitwillig über sich ergehen. F rauenfußball kann noch schneller werden, davon sind Wis- senschaftler der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Uni- versität Leipzig überzeugt. Wie das gehen könnte, untersucht Nachwuchswissenschaftlerin Vanessa Martinez Lagunas in ihrer Doktorarbeit. Seit 2008 absolviert die ambitionierte Mexikanerin ihr Promotionsstudium in Leipzig und forscht am Institut für Bewegungs- und Trainingswissenschaft der Sportarten II. Der Schwerpunkt der 29-Jährigen liegt auf Un- tersuchungen zur Entwicklung eines physiologischen Anfor- derungsprofils im Frauenfußball. Ihren Aufenthalt finanziert sie sich durch ein Stipendium der mexikanischen Organisation CONACYT, die dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) vergleichbar ist. Neben ihrer Tätigkeit an der Uni ar- beitet sie zudem sehr engagiert in der FIFA-Trainerausbildung des Frauen- und Mädchenfußballs sowie als Assistenz-Traine- rin beim DFB (U17/U16, Juniorinnen). Zum Zeitpunkt des In- terviews war Martinez Lagunas zu einem Fußballlehrer-Lehr- Die ehemalige mexikanische Nationalspielerin gang außerhalb Leipzigs unterwegs. Auf dem internationalen Vanessa Martinez Lagunas, die sich auch in der »World Congress on Science & Football 2011« in Nagoya, Japan, Sportwissenschaft mit Leidenschaft ihrer Fußball- hat sie mit ihrem Forschungsthema kürzlich den 1. Preis für liebe widmet, überprüft bei einer Probandin den den besten Beitrag gewonnen. korrekten Sitz des Atemgas-Analysegeräts. Zum Fußballfrauentraining liegen weltweit keine wissen- schaftlichen Ergebnisse aus Analysen von Atemtechnik, Sau- erstoffaufnahme, Kohlendioxidabgabe, Herzfrequenz oder Laufwegen vor. »Ein physiologisches und konventionelles An- forderungsprofil im Frauenfußball ist gar nicht vorhanden. und Drittliga-Kickerinnen von Lok, für Ihre Feldforschungen Höchste Zeit, das zu ändern«, dachte auch Prof. Dr. Ulrich Hart- schnell gewinnen können. Für die 90-minütige Großuntersu- mann, Direktor des Instituts für Bewegungs- und Trainings- chung im August letzten Jahres verkabelt und mit einem soge- wissenschaft II, der mit großem Interesse Martinez Lagunas‘ nannten Spirometer (Atemgas-Analysegerät) sowie Puls- und Promotion, die im Sommer 2012 fertig werden soll, betreut. Herzfrequenzmesser ausgestattet war auch Elisabeth Hoh- Möglich wurde diese erst durch die gestiegene Popularität mann von der zweiten Mannschaft. Trotzdem, dass die kostba- des Frauenfußballs in den letzten Jahren. »Mit unseren Unter- re Technik beim Spielen ein kleines bisschen hinderte, gab sie suchungen sind wir international die Ersten und hoffen, mit alles für den Belastungstest. »So habe ich auch für mich per- den Ergebnissen die körperlichen Reserven der Spielerinnen sönlich herausgefunden, wo ich noch abrufbares Leistungspo- zukünftig richtig aktivieren und nutzen zu können«, sagt er. tential habe«, sagt die 24-Jährige, die drei Mal pro Woche trai- Zur Erkenntnisgewinnung dienten dabei unter anderem auch niert, selbst Sportwissenschaften studiert und derzeit an ihrer neueste technische Methoden wie GPS, um Laufwege nachzu- Diplomarbeit im Zusammenhang mit ’der Qualität von GPS- vollziehen und zu messen, welche Kilometerzahl eine Spielerin Messsystemen schreibt. »Ich fand die ganze Prozedur im Feld- im Verlauf eines Spiels zurücklegt. versuch ganz klasse, sie hat mein wissenschaftliches Interesse Martinez Lagunas, die von 1999 bis 2004 mexikanische Fuß- im Sportbereich auf jeden Fall noch verstärkt«, schwärmt sie. ballnationalspielerin war und heute noch beim 1. FC Lokomotive Zum 1. FC Lok wechselte die gebürtige Eisenacherin im Jahr Leipzig als Trainerin aktiv ist, hat ihre Probandinnen,die Erst- 2009, um ihre Leistungen zu steigern und eine neue Herausfor- 16 journal Universität Leipzig 4/2011
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