Korruptionsverdacht: Pharmafirmen finanzieren Abschiedssymposium
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Nichtraucher-Info Nr. 95 – III/14 Korruptionsverdacht: Pharmafirmen finanzieren Abschiedssymposium Der stellvertretende Direktor des Zen- Die Vorträge sollen laut Programm- tralinstituts für Seelische Gesundheit Flyer an beiden Tagen in den Reiss- (ZI) in Mannheim strahlt eine gewisse Engelhorn-Museen, Mannheim, statt- Jovialität aus. Wer mit ihm zu tun finden. Für Freitagabend, 7. März, ist hat(te), kann kaum glauben, was in angekündigt: Zusammenhang mit seinem Abschied aus dem Berufsleben bekanntgewor- den ist. Doch urteilen Sie selbst. Ende November 2013 erschien auf der Webseite des ZI (www.zi-mannheim. de) ein Programm-Flyer mit der Einla- dung für ein "Abschiedssymposium Am 20. Januar 2014 wurde die PDF- für Professor Dr. med. Karl F. Mann" Datei des Programm-Flyers abgeändert am 7. März 2014 von 12:15 bis 18:00 und danach auf die Webseite gestellt. Uhr und 8. März 2014 von 9:00 Uhr bis Statt "Reception" und "Dinner" wurde 13:00 Uhr. Als Veranstalter des Ab- angekündigt: schiedssymposiums sind aufgeführt: - Zentralinstitut für Seelische Gesund- heit (ZI) - Deutsche Gesellschaft für Suchtfor- schung und Suchttherapie (DG- Auf beiden Ausgaben des Flyers ist in Sucht) kleiner Schrift ( 7 Punkt vs. 9 Punkt ) zu - European Federation of Addiction lesen: "Wir danken den Firmen Pfizer Societies (EUFAS) und Lundbeck für die Unterstützung."
Seite 2 MANIPULATION Warum der Ortswechsel? Der größte Raum im Maritim hat bei Bankettbestuhlung Platz für maximal 120 Personen. Der Festsaal des Stei- genberger Mannheimer Hof lässt bei Bankettbestuhlung bis zu 200 Perso- nen zu. Offensichtlich hat die Zahl der Anmeldungen die Erwartungen weit übertroffen, was zur Folge hat, dass das Dinner teurer kommt als ange- nommen. Festsaal des Mannheimer Hofs Prof. Anil Batra Warum die Programmänderung? - ist Präsident der DG-Sucht (seit Der Festsaal, den das Hotel für "Ro- 2010), mantische Hochzeitsfeiern" anpreist, ist - war Vizepräsident der DG-Sucht für eine "Wissenschaftliche Abendver- (2006 bis 2010), anstaltung" mit Vorträgen völlig unge- - ist Leiter der Sektion Suchtforschung eignet. Die Änderung kann deshalb nur und Suchtmedizin an der Universi- als Täuschungsmanöver interpretiert tätsklinik Tübingen, werden und stützt die Vermutung, dass - ist Vorsitzender des Wissenschaftli- bei der Finanzierung der gesamten chen Aktionskreises Tabakentwöh- Veranstaltung, besonders aber des nung (WAT). Dinners, nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Prof. Andreas Mayer-Lindenberg - ist Direktor des ZI. Die drei Veranstalter (ZI, DG-Sucht, EUFAS) sind Stiftungen bzw. Vereine, Sowohl Prof. Mann als auch Prof. Batra die laut Satzung wegen Gemeinnützig- fordern persönlich und als Vorstands- keit kein Dinner (Festessen) bezahlen mitglieder ihrer Vereine die volle Kos- dürfen. tenerstattung der Tabakentwöhnung einschließlich der Medikamente durch Bei den drei Veranstaltern liegt eine die Gesetzliche Krankenversicherung – personelle Verquickung vor: und das heißt: durch die Beitragszah- ler. Sie blenden dabei völlig aus, dass Prof. Karl Mann *) dies selbst die Raucher zu 70% ableh- - ist stellvertretender Direktor des ZI , nen (GfK-Umfrage August 2013). Of- - ist Ärztlicher Direktor der "Klinik für fensichtlich ist den Tabakkonsumenten Abhängiges Verhalten und Suchtme- im Gegensatz zu den beiden Psychia- dizin" am ZI*), tern bewusst, dass schon ein Jahr oh- - ist Präsident der EUFAS, ne die tägliche Schachtel Zigaretten - war Präsident der DG-Sucht (2006 eine Ersparnis von 1.800 Euro bringt. bis 2010). Warum also engagieren sich Mann und *) bis zu seinem Ruhestand Batra für die volle Kostenerstattung?
MANIPULATION Seite 3 Ein Grund ist sicher in der Erwartung in dieser Funktion ist ausnahmslos zu sehen, bei einer Bezahlung der Ta- alles zu vermeiden, was auch nur im bakentwöhnung durch die Krankenkas- Ansatz den Verdacht aufkommen las- sen leicht(er) Geld verdienen zu kön- sen könnte, die Interessen der Pharma- nen, denn gesetzlich Krankenversicher- industrie zu vertreten. te haben eine fast natürliche Abnei- gung gegen Privatrechnungen und Warum unterstützt die Pharmafirma Privatrezepte. Und auch die Private Pfizer das Abschiedssymposium? Krankenversicherung bietet keinen Ausweg. Denn nach § 5 der Musterbe- Pfizer ist ein Wirtschaftsunternehmen. dingungen besteht keine Leistungs- Es handelt nach ökonomischen Ge- pflicht "für auf Vorsatz beruhende sichtspunkten. Sein Interesse ist es, Krankheiten und Unfälle einschließlich den Verkauf von Champix (Mittel zur deren Folgen sowie für Entziehungs- Raucherentwöhnung) zu fördern, des- maßnahmen einschließlich Entzie- seb Wirkstoff Vareniclin die Nikotin- hungskuren". Entzugserscheinungen mindern soll. Sowohl Prof. Mann als auch Prof. Batra Weil man rechtlich gegen die Private haben schon finanzielle Zuwendungen Krankenversicherung (PKV) keine von Pfizer erhalten, beide für "For- Chance hat, versuchen es die Anbieter schungsvorhaben oder Mitarbeiter", von Tabakentwöhnung bei der Gesetz- Prof. Mann auch für "Berater- bzw. lichen Krankenversicherung (GKV) mit Gutachtertätigkeit oder bezahlte Mitar- Musterprozessen. 55.000 Euro sam- beit". melte der WAT (Vorsitzender: Prof. Batra) bisher zur Unterstützung von Warum unterstützt die Pharmafirma Klagen zur Durchsetzung der Über- Lundbeck das Abschiedssymposium? nahme der Kosten der Raucherent- wöhnung durch die Krankenkassen Ziel von Lundbeck ist es, ihr Medika- (Beitragszahler). In einer rechtsstaatli- ment Selincro mit dem Wirkstoff Nal- chen, pluralistischen Demokratie ist mefen(e) zur Reduzierung (nicht zur dies ein völlig legitimer Weg zur Durch- Beendigung!) des Alkoholkonsums zu setzung von Interessen. vermarkten. Sie ließ dazu drei Wissen- schaftler drei Studien durchführen, mit Nicht zum Wesen einer solchen Demo- denen die Wirksamkeit von Nalmefene kratie gehört es allerdings, ein Ab- belegt werden sollte. An allen drei Stu- schiedssymposium auf die Interessen dien waren auch Angestellte der Firma von Pharmaunternehmen auszurichten Lundbeck beteiligt. Sie haben wohl die und es von diesen finanzieren zu las- "Kärrnerarbeit" übernommen. sen. Das gilt erst recht dann, wenn wie hier die beiden Hauptpersonen seit Aus der Studie "A randomised, double- 2011 die Erstellung der Behandlungs- blind, placebo-controlled, efficacy study leitlinien Tabak (Batra) und Alkohol of nalmefene, as-needed use, in pati- (Mann) leiten und in den steuernden ents with alcohol dependence" stammt und den Entscheidungsgruppen star- die folgende Erklärung der Interes- ken Einfluss ausüben können. Gerade senskonflikte:
Seite 4 MANIPULATION Antoni Gual has received honoraria Übersetzung: and travel grants from Lundbeck, has received hat erhalten Janssen, D&A Pharma und Servier. honoraria Honorar Wim van den Brink has received travel grants Reisekosten honoraria from Lundbeck, Merck, speaker fees Vortragshonorare Serono, Schering-Plough, Reckitt research grants Forschungsmittel Benckiser, Pfizer, and Eli Lilly, paid consultant bezahlter Berater speaker fees from Lundbeck, investi- gator initiated industry grants from Alk- Angesichts so vieler gemeinsamer ermes, Neurotech, and Eli Lilly, is a Pharmabeziehungen ist nicht verwun- consultant to Lundbeck, Merck, derlich, dass Prof. Mann seine zwei Serono, Schering-Plough, and Teva, Kollegen eingeladen hat, ihre Studien and has performed paid expert testi- bei seinem Abschiedssymposium vor- mony for Schering-Plough. zustellen, und deren Reisekosten den großzügigen Unterstützern aufzubür- Karl Mann has received research den: Lundbeck und Pfizer. grants from Schering-Plough, Alker- mes, Lundbeck, McNeil, and Merck. He has been a paid consultant to Lundbeck and Pfizer, and has re- ceived speaker fees from Lundbeck. Yuan He und Lars Torup are Lund- beck employees (Angestellte). Abwiegelung statt Aufklärung Prof. Mann behauptet in einer E-Mail ren Angaben. Offenbar wurden Dan- an den Verfasser, "dass die Sponso- kesreden in Vorträge umdeklariert rengelder lediglich für das Symposium selbst verwendet wurden. (...) Das Das ZI ist eine gemeinnützige Stiftung, Abendessen wurde vom ZI, mir persön- deren Betrieb vom Land Baden- lich und den Teilnehmern bezahlt." In Württemberg finanziert wird. Wenn die einer Mail an die Deutsche Hauptstelle Stiftung ausschließlich und unmittelbar für Suchtfragen fehlt der dritte Kosten- gemeinnützigen Zwecken im Sinne der träger "und den Teilnehmern". Mit kei- steuerlichen Bestimmungen dient, dann nem Wort geht er darauf ein, warum gehört dazu sicher nicht die Finanzie- das "Dinner" in "Wissenschaftliche rung eines Abendessens von mindes- Abendveranstaltung" umbenannt wur- tens 68 Euro/Teilnehmer. Dem Auf- de. Der kaufmännische Vorstand des sichtsrat gehören u.a. Vertreter dreier ZI teilte der Staatsanwaltschaft Mann- Landesministerien sowie der Oberbür- heim schriftlich mit, dass bei der wis- germeister der Stadt Mannheim an. Sie senschaftlichen Abendveranstaltung müssen sich fragen lassen, ob es rich- von mehreren Personen Vorträge zum tig ist, Steuergelder für Festessen bei Thema Suchtforschung gehalten wor- einer Pharma-gelenkten Veranstaltung den seien, macht dazu aber kein nähe- zu verwenden.
MANIPULATION Seite 5 Bundesgerichtshof zur Vorteilsannahme Der Bundesgerichtshof verlangt in sei- und – als natürliche Personen – deren nem Urteil vom 21. Juni 2007 unter drei Vertreter, ist gegeben, ebenso das Aktenzeichen 4 StR 69/07 (Vorteilsan- gewisse Maß an Heimlichkeit und Ver- nahme durch die Aufnahme einer un- deckung durch die Umbenennung des genehmigten aber angemessen vergü- Dinners. teten Nebentätigkeit, §§ 331 und 333 StGB) eine "Gesamtschau aller Indi- Die Behauptung, eine externe Wirt- zien". Bei dieser Gesamtschau ist das schaftsprüfungsgesellschaft (welche? "sachliche Näheverhältnis" von beson- warum so schnell?) hätte keine Verstö- derer Bedeutung: "Je enger das Nähe- ße feststellen können, sagt nichts dar- verhältnis zwischen Vorteilsgeber und über aus, welche schriftlichen Unterla- Vorteilsnehmer ist, desto mehr drängt gen vorgelegt worden sind, z.B. "Din- sich aber die Annahme einer Verknüp- ner im Maritim" oder "wissenschaftliche fung des Vorteils mit einer vom Vor- Abendveranstaltung im Steigenberger". teilsgeber erwünschten und vom Vor- Verstoß gegen Beamtenstatusgesetz teilsnehmer gebilligten Klimapflege auf". Darüber hinaus sieht es der BGH Laut § 42 Beamtenstatusgesetz dürfen in dem entschiedenen Fall als bedeut- Beamte "keine Belohnungen, Ge- sam an, dass ein "gewisses Maß an schenke oder sonstigen Vorteile für Heimlichkeit und Verdeckung" stattge- sich oder eine dritte Person in Bezug funden hatte. Der Amtsträger hatte auf ihr Amt fordern, sich versprechen dem Dienstherrn die Nebentätigkeit lassen oder annehmen". Ausnahmen nicht angezeigt. bedürfen der Zustimmung des Dienst- herrn. Die Zustimmung der Universität Die Nähe zwischen den Geldgebern Heidelberg ist nicht beantragt worden, (Lundbeck und Pfizer) und Geldneh- weil sie mit hoher Wahrscheinlichkeit mern, das sind die drei juristischen nicht genehmigt worden wäre. Personen ZI, DG-Sucht und EUFAS Ernst-Günther Krause Der Newsletter 1/2014 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) widmet sich u.a. der Frage: Was ist dran an Nalmefen? Große Aufmerksamkeit erzeugt in den Ziel, weitere Behandlungsoptionen für letzten Monaten die Werbung und Lob- Menschen mit einer Alkoholproblematik byarbeit für Nalmefen (www.kompendi zu entwickeln, ist löblich, denn nicht um-news.de/2013/06/nalmefen-als-alko alle Betroffenen sind in der Lage oder holtherapeutikum-zugelassen-und-in- bereit, vollständig auf Alkohol zu ver- europa-verfugbar/#more-241). Von den zichten, sich für ein alkoholabstinentes Nalmefenherstellern und -forschern Leben zu entscheiden. Eine Erweite- wird ein "Paradigmenwechsel", ja eine rung der Behandlungsoptionen wäre Revolution in der Behandlung Alkohol- daher ein begrüßenswerter Schritt. kranker versprochen. Ihr formuliertes Doch hält Nalmefen tatsächlich, was
Seite 6 MANIPULATION uns die Hersteller und Forscher ver- Einschätzung des Medikaments geben sprechen? die beobachteten Nebenwirkungen. Diese sind bei der Interventionsgruppe Schauen wir uns die Ergebnisse der wesentlich stärker ausgeprägt als in vielzitierten, aber kaum diskutierten der Placebogruppe, was auch den ho- randomisierten, doppelblind-placebo- hen "drop-out" erklären kann. kontrollierten Studie zu Nalmefen ge- nauer an. Auf den ersten Blick schei- Folgerung 4: Die Medikamentenein- nen sie beeindruckend: Eine Reduzie- nahme birgt erhöhte Risiken für die rung des Alkoholkonsums um 60% in Betroffenen aufgrund starker Neben- der Gruppe derjenigen, die das Medi- wirkungen. kament erhalten haben (Interventions- gruppe). Doch vergleicht man diesen Folgerung 5: Der Kreis derjenigen, für Erfolg mit den Ergebnissen der Kon- die das Medikament eine Alternative trollgruppe, die das Placebo erhalten darstellen kann, ist äußerst begrenzt. hat, so stellt man fest, dass sich auch Aufgrund der unangenehmen Neben- in dieser der Konsum stark reduziert wirkungen setzt es ein großer Teil der hat, um ebenfalls beachtliche 50%. Studienteilnehmer ab. Bleibt zu fragen: Wiegen die geringfügig besseren Er- Folgerung 1: Das Medikament wirkt gebnisse (1), die unter Berücksichti- nur wenig besser als das Placebo. gung der drop-out Rate noch schmaler ausfallen (3), die Risiken der Einnahme Folgerung 2: Es liegt nahe, dass et- (4) auf? Und haben sie überhaupt eine was anderes als das Medikament, z.B. Relevanz für die zu behandelnden die parallel durchgeführten motivieren- Menschen (5)? Und: Wie die Behand- den Interventionen, für das Ergebnis lungsergebnisse nach einem oder zwei verantwortlich ist. Jahren aussehen, darüber wissen wir noch gar nichts. Betrachtet man nun die so genannte "drop-out" Quote, so zeigt sich, dass in Unter diesen Voraussetzungen einen der Interventionsgruppe wesentlich Paradigmenwechsel zu beschwören, mehr Studienaussteiger/-innen zu ver- scheint maximal hoch gegriffen und zeichnen sind. Was mit den Studien- voreilig. Aber es bleibt ein Trost: Eine aussteigern geschieht, wird in der Stu- Behandlung mit Nalmefen scheint auch die nicht weiter diskutiert. Die Vermu- nicht wesentlich schlechter als mit ei- tung liegt nahe, dass sie wieder mehr nem Placebo! (Ganz am Rande: An der Alkohol trinken. aktuellen Nalmefen-Studie waren Mit- arbeiter des Herstellers Lundbeck be- Folgerung 3: Unter Berücksichtigung teiligt. Das wirkt ein wenig irritierend.) der "drop-out" Quoten sähen die Stu- Dass der Begriff "Paradigmenwechsel" dienergebnisse prozentual noch deut- wohl allenfalls umgangssprachlich ver- lich fragwürdiger aus. wendet wurde, fällt da kaum noch ins Gewicht. Weitere Hinweise für eine realistische www.dhs.de/index.php?id=348
WISSENSCHAFT Seite 7 Wes Brot ich ess, ... – Interessenkonflikte von Ärzten Die Erstellung von Behandlungsleitlinien für Ärzte bietet ein breites Feld für die Einbringung von Interessen verschiedenster Art: Von rein ideellen bis zu rein finanziellen Interessen ist alles zu finden. Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten gibt es zwar, aber über die Deklaration von Inte- ressenkonflikten hinaus werden meist keine weiteren Schlussfolgerungen gezogen. Die Wissenschaftsjournalistin Heike Dierbach widmet sich dem Thema in http://praxis.medscapemedizin.de. Können sich Ärzte ihre Fortbildungen "Es muss also nicht erst ein Schaden von Pharmaunternehmen oder anderen eingetreten sein", sagte Prof. Dr. Klaus Sponsoren bezahlen lassen? Oder Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie beeinflusst das ihre Unabhängigkeit, und Psychotherapie der Universitäts- und sei es nur unbewusst? medizin Mainz. Daher sei der Begriff "potenzielle Interessenkonflikte" letzt- Die Frage ist nicht neu, es gibt jedoch lich überflüssig. Entweder es gibt weite- stets Anlässe, sich ihr erneut zu wid- re, sekundäre Interessen, etwa weil men – nicht zuletzt, weil der Umgang Honorare gezahlt wurden, oder es gibt mit Interessenkonflikten in Deutschland sie nicht. noch kaum reguliert ist. Das zeigte sich auch auf der öffentlichen Veranstaltung Sekundäre Interessen können bei- "Interessenkonflikte in Medizin und spielsweise durch Nebentätigkeiten für Forschung" am 15. Januar in Berlin. Pharmaunternehmen, aber auch durch Eingeladen hatte die Deutsche Krebs- Zielvereinbarungen mit einer Klinik gesellschaft (DKG). Wie aktuell die entstehen. Sie können auch in dem Diskussion ist, bewies einer der Beiträ- Bestreben bestehen, die eigenen Pra- ge aus Berlin: Das "Forum rauchfrei" xiseinnahmen zu sichern. "Interessen- kritisierte eine Verbindung zwischen konflikte sind deshalb nicht per se der Berliner Krebsgesellschaft und dem schlecht", sagte Lieb, "es kommt darauf Tabakkonzern Reemtsma. an, wie man sie handhabt." "Man hält sich selbst weiter für Ärzte misstrauen den unabhängig." Kommissionen – und setzen Prof. Dr. Klaus Lieb Leitlinien nicht um Ein Interessenkonflikt liegt immer dann vor, wenn zum primären Interesse des Auf jeden Fall sind Interessenkonflikte Arztes – seinen Patienten bestmöglich in der Medizin offenbar weit verbreitet: zu behandeln – noch weitere, sekundä- Thomas Langer vom Bereich Leitlinien re Interessen hinzukommen. Die Defini- der Deutschen Krebsgesellschaft tion verlangt indes nicht, dass der Pati- (DKG) hat 60 deutsche Leitlinienkom- ent deshalb eine schlechtere Behand- missionen darauf untersucht, ob ihre lung erhalten hatte, oder ein Studiener- Mitglieder Interessenkonflikte hatten. gebnis tatsächlich verfälscht wurde. Ergebnis: Bei 55% der Kommis-
Seite 8 WISSENSCHAFT sionen hatte die Mehrheit der Autoren Zuwendungen beeinflussen die mindestens einen Interessenkonflikt. In Informationsverarbeitung jeder fünften Kommission waren es sogar fast alle Beteiligte (76 bis 100%). Dabei ist dies den Betroffenen nicht unbedingt bewusst, betont Lieb. "Man "Da wird dann gesagt, wir haben so hält sich selbst weiter für unabhängig." einen schweren Job, das steht uns zu." Doch die Eigenschaften, die anfällig für Prof. Dr. Klaus Lieb Verzerrungen machen, sind normal und "Das besagt noch nicht, dass die Leitli- menschlich. Wer etwas geschenkt be- nien beeinflusst wurden", sagte Langer. kommt, möchte das erwidern. Informa- Doch allein der Verdacht gefährdet die tionen, die zum Interesse des Sponsors Glaubwürdigkeit der Kommission, "und passen – etwa bei Wirksamkeitsnach- das wiederum gefährdet die Implemen- weisen – werden stärker wahrgenom- tierung der Leitlinie." In einer Studie mit men als solche, die dem widerspre- 194 Berliner Hausärzten wurden diese chen. befragt, warum sie bestimmte Leitlinien nicht anwenden. Häufigster Grund: Sie "Manche Ärzte versuchten auch, den misstrauen der Unabhängigkeit der Konflikt zu rationalisieren", weiß Lieb. Autoren. "Da wird dann gesagt, wir haben so einen schweren Job, das steht uns zu." Dass Interessenkonflikte tatsächlich Anders lasse sich kaum erklären, wa- Studienergebnisse beeinflussen kön- rum Ärzte ihre Fortbildungen nicht nen, zeigte Prof. Dr. Dr. Daniel Strech selbst bezahlen. Lieb nimmt nach eige- vom Institut für Geschichte, Ethik und nen Angaben seit 2007 persönlich gar Philosophie der Medizin an der Medizi- keine Gelder mehr von der Industrie, nischen Hochschule Hannover anhand nur im Rahmen von Studien gibt es mehrerer Studien. Untersucht wurde, Kooperationen der Klinik. ob privatwirtschaftlich finanzierte Un- tersuchungen eher im Sinne des Spon- Interessenkonflikte, da waren sich alle sors ausfallen. Referenten einig, bergen also ein Risi- ko und sollten reguliert werden. Doch Ergebnis: Wenn Gelder von privater wie könnte das konkret aussehen? "Als Seite fließen, erzeugen sowohl klini- erstes brauchen wir ein Bewusstsein sche Studien als auch Übersichtsarbei- für das Thema", sagt Lieb. Das ist in ten eher Ergebnisse, die im Interesse Deutschland nach wie vor nur schwach des Sponsors liegen. "Bei den Über- ausgeprägt. sichtsarbeiten ist dies eigentlich nicht "Wir brauchen Standards, ab anders begründbar, als dass die Sicht- wann ein Autor als befangen gilt." weise der jeweiligen Autoren verzerrt Thomas Langer wurde", sagt Langer. Während in den Vereinigten Staaten "Manchmal führt das Offenlegen von fast alle Medical Schools längst klare Interessenkonflikten sogar eher dazu, Regeln für den Umgang mit Interes- dass sich der Autor exkulpiert fühlt." senkonflikten haben und diese auch Prof. Dr. Klaus Lieb veröffentlichen, fehlen entsprechen-
WISSENSCHAFT Seite 9 de Erklärungen bei uns, erläuterte zustimmen. Bei Verstößen gegen den Strech. Doch das Offenlegen allein löst Kodex kann die FSA bereits jetzt Ord- das Problem noch nicht, meint Lieb: nungsgelder und öffentliche Rügen "Manchmal führt es sogar eher dazu, gegen ein Unternehmen beschließen. dass sich der Autor exkulpiert fühlt." Er "Das ist seit 2004 auch rund 35 Mal plädiert daher dafür, einen Interessen- passiert." konflikt immer durch Dritte bewerten zu "Künftig sollen alle geldwerten lassen – und wo möglich, ihn zu redu- Zuwendungen veröffentlicht werden." zieren. "Für Konflikte, die sich nicht Dr. Holger Diener reduzieren lassen, brauchen wir adä- quate Regeln." Bei der Vielzahl der Auf die in den Strukturen unseres Ge- klinischen Studien, die ohne die Finan- sundheitssystems begründeten Ursa- zierung und Teilfinanzierung der phar- chen von Interessenkonflikten wies Dr. mazeutischen Industrie nicht zustande Wolfgang Wodarg hin, Internist und kämen, ist das kein marginales Prob- Vorstandsmitglied bei Transparency lem. International Deutschland: "Das deut- sche Gesundheitssystem ist völlig un- Ab wann ist ein Experte befangen? übersichtlich. Niemand ist wirklich für eine gute, effiziente Versorgung ver- So sucht die Arzneimittelkommission antwortlich." Das öffne den Möglichkei- der Deutsche Ärzteschaft (AkdÄ) vor- ten, mit finanziellen Zuwendungen nehmlich nach Experten ohne Interes- Fehlanreize zu schaffen, Tür und Tor. senkonflikte. Nur wenn ein solcher Aber Beispiele aus dem ländlichen nicht gefunden wird, kann ein Autor Raum zeigten, dass bei anderen An- trotz eines vorhandenen Konflikts mit- reizsystemen u.a. viele Kranken- wirken. Allerdings darf er dann nicht hauseinweisungen vermeidbar wären. federführend die Bewertung eines Me- dikaments vornehmen. Auch Langer Die anschließende Diskussion mit dem plädiert für eine externe und frühzeitige Publikum nutzte die Initiative "Forum Einordnung von Interessenkonflikten: rauchfrei", um auf einen aktuellen Inte- "Wir brauchen Standards, ab wann ein ressenkonflikt in Berlin hinzuweisen: Autor als befangen gilt." Bisher disku- Die Vorsitzende des Kuratoriums der tiert das jede Kommission neu. Krebsstiftung Berlin, Dr. Claudia Not- helle, ist zugleich Mitglied in der Jury Die Pharmaindustrie selbst hat gerade des "Liberty Award" der Tabakfirma einen neuen Kodex verabschiedet, der Reemtsma. Der hoch dotierte Preis derzeit zur Überprüfung beim Bundes- wird an Journalisten verliehen, die sich kartellamt liegt. "Künftig sollen alle um die Meinungsfreiheit verdient ge- geldwerten Zuwendungen veröffentlicht macht haben. Lieb warnte aber davor, werden", sagt Dr. Holger Diener, Ge- konkrete Einzelfälle zu skandalisieren: schäftsführer des Vereins Freiwillige "Dahinter können sich dann die ande- Selbstkontrolle für die Arzneimittelin- ren gut verstecken." dustrie (FSA). Dabei werde jeder ein- zelne Arzt genannt. Aus Gründen des Datenschutzes muss er dem allerdings
Seite 10 NID-INTERN Mitgliederversammlung der Nichtraucher-Initiative Deutschland e.V. (NID) am 17. Mai 2014 in Würzburg 1. Protokoll Herr Dr. Thomas Stüven, Präsident der Herr Dr. Thomas Stüven wurde ohne NID, begrüßte um 14:00 Uhr im Ta- Gegenstimmen bei Enthaltung des gungsraum des Hotel Amberger, Lud- Kandidaten im Amt des Präsidenten wigstr. 17-19, 97070 Würzburg, 6 Ein- bestätigt. Mit demselben Ergebnis be- zelmitglieder, 3 Vertreter von Nichtrau- stätigte die Mitgliederversammlung cher-Initiativen und einen Gast. Nach Herrn Ernst-Günther Krause als Vize- einleitenden Worten übergab er das Präsidenten. Anstelle des bisherigen Wort an Herrn Ernst-Günther Krause, Vize-Präsidenten, Herrn Peter Treitz, geschäftsführender Vizepräsident der der angekündigt hatte, nicht mehr kan- NID. didieren zu wollen, wurde Herr Dr. Diet- rich Loos, Kardiologe, ohne Gegen- Dieser trug den Rechenschaftsbericht stimmen bei drei Enthaltungen zum des Vorstands für das Geschäftsjahr Vize-Präsidenten gewählt. Herr Dr. 2013 vor, der von den Anwesenden mit Loos war bei der Versammlung nicht Diskussionsbeiträgen und Berichten anwesend, seine Bereitschaft zur Kan- rege ergänzt wurde. didatur lag jedoch schriftlich vor. Herr Günter Feldt bestätigte dem Vor- Die Vertreter der Nichtraucher- stand die ordnungsgemäße Rech- Initiativen bestimmten einstimmig Herrn nungsführung. Die Prüfung der Unter- Horst Keiser und Herrn Dr. Wolfgang lagen hatte er zusammen mit Herrn Schwarz (beide Nichtraucher-Initiative Wolfgang Behrens im Januar 2014 Wiesbaden e.V.) sowie Frau Ikuko vorgenommen. Der Antrag auf Entlas- Koyama-Krause (Nichtraucher-Initiative tung des Vorstands wurde bei Enthal- München e.V.) zu Mitgliedern des drei- tung der Vorstandsmitglieder einstim- köpfigen Beirats der Nichtraucher- mig angenommen. Initiativen (§ 9 der Satzung). Von Herrn Dr. Wolfgang Schwarz lag eine schrift- Herr Günter Feldt, Vorsitzender der liche Bereitschaft zur Kandidatur vor. Nichtraucher-Liga Nordrhein-Westfalen Herr Günter Feldt regte eine Ände- e.V., übernahm die Leitung der laut rung/Streichung von § 9 an. Satzung alle zwei Jahre fälligen Neu- wahlen. Die Beschlussfähigkeit war Die beiden bisherigen Rechnungsprü- durch die fristgemäße Einladung und fer, Herr Günter Feldt und Herr Wolf- die Zahl der anwesenden Mitglieder gang Behrens, wurden einstimmig wie- gegeben. Da kein Antrag zum Wahlver- dergewählt. fahren gestellt wurde, erfolgte die Ab- stimmung per Handzeichen. Alle anwesenden Gewählten nahmen
NID-INTERN Seite 11 die Wahl an. Dem Protokoll liegt die schriftliche Be- stätigung von Dr. Dietrich Loos bei, Die Mitgliederversammlung endete dass er die Wahl annimmt. ohne weitere Beschlüsse um 17:45 Uhr. Ernst-Günther Krause 2. Rechenschaftsbericht 25 Jahre nach Gründung der NID im den Weg zu rauchfreien Gaststätten Jahr 1988 möchte ich daran erinnern, bereitete. dass in diesen zweieinhalb Jahrzehn- ten keine andere Einrichtung so um- In ihrem Leitfaden zum Nichtraucher- fangreiche Informationen und so viel schutz bei rauchenden Nachbarn bietet konkrete Hilfestellung zur Durchset- die NID vor allem Informationen über zung des Rechts auf Nichtraucher- die Rechtslage, zeigt aber auch, wie schutz geboten hat wie die NID. Es konkret vorzugehen ist, um eine Ver- begann mit dem 40-seitigen Ratgeber besserung der Lebensverhältnisse zu für Nichtraucher. Darauf folgte ein 28- erreichen. Da dieses Thema rechtli- seitiger Leitfaden mit dem Schwerpunkt ches Neuland ist, gewährt die NID zur- "Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz". zeit gemäß ihrer Satzung einem Ehe- Wer wissen wollte, wie konkret vorzu- paar, das Rauchen auf dem Balkon gehen ist, um rauchfreie Versammlun- nach dem Grundsatz der gegenseitigen gen durchsetzen, erhielt von der NID Rücksichtnahme geregelt sehen will, wertvolle Tipps. Die 32-seitige Bro- Rechtsschutz. In dritter Instanz wird schüre "Rauchfrei aufwachsen!" zielte nun der Bundesgerichtshof voraus- mit umfangreichen Informationen auf sichtlich Mitte 2015 eine Grundsatz- alle, die für Kinder Verantwortung tra- entscheidung über das Recht auf gen. Die NID finanzierte die deutsche Schutz vor Tabakrauchimmissionen im Übersetzung zweier wichtiger wissen- Wohnbereich fällen. schaftlicher Studien zur Passivrauchbe- lastung in Innenräumen. Als Mandatsträger der NID arbeitete ich auch 2013 weiter an der Erstellung der Von der NID stammt das Motiv "Kin- "S3 Leitlinie Tabak" mit. Diese hat zum desmisshandlung Passivrauchen", das Ziel, das Wissen über effektive Be- als Aufkleber, Postkarte und Plakat bis handlungsmethoden der Tabakabhän- zur Größe einer Plakatwand gedruckt gigkeit zusammenzutragen und in der und verbreitet wurde. Das Motiv "Rau- Praxis verfügbar zu machen. Probleme chen während der Schwangerschaft bereiteten dabei vor allem die Interes- macht Ihr Kind süchtig" erschien – für senkonflikte vieler Teilnehmer. Die Mit- die NID kostenlos – mehr als ein Dut- arbeit an der Tabakleitlinie war mit dem zendmal ganzseitig in drei verschiede- Lesen mehrerer hundert Seiten wis- nen Zeitschriften für Eltern des Welt- senschaftlicher Studien verbunden, bild-Verlages. Es war die NID, die jah- erforderte die Ausarbeitung von mehr relang einen im Zwei-Jahres-Rhythmus als 80 Seiten Text auf vergleichbarem aktualisierten Gastronomieführer für Niveau und die Teilnahme an vier zwei- Nichtraucher herausgab und dadurch tägigen Konferenzen.
Seite 12 NID-INTERN Dass ein Verein mit den Zielen der NID zu verzeichnen. Über die Gründe kann auch Gegner hat, ist verständlich. Ihren nur spekuliert werden. Frust über den Erfolg der Nichtraucher zeigen diese Leute durch die Verun- Die Arbeitsbelastung durch den Ver- staltung von Online-Materialanforde- sand von Postkarten, Briefen, Postver- rungen oder -Mitgliedserklärungen. triebsstücken, Päckchen und Paketen Manchmal treffen drei, vier oder fünf sank geringfügig gegenüber dem Vor- Materialanforderungen zeitgleich ein. jahr. Dagegen nahm der E-Mail- Sie werden von mir innerhalb von zwei, Verkehr etwas zu. Im Durchschnitt drei Sekunden gelöscht. Gleiches ge- wurden mindestens fünf E-Mails am schieht auch mit E-Mails, in denen Tag versandt. Raucher sich über ihre durch die Rauchverbote erzwungene Situation Die Zahl der Mitglieder verringerte sich beklagen. Auf folgende E-Mail reagierte innerhalb des Jahres um 13 auf 584 ich mit einer Anzeige: "Für euch aso- (571 Einzelmitglieder, 7 Nichtraucher- zialen Dreckschweine sollten endlich Initiativen, 6 Betriebe). Fast alle der neue KZ's gebaut werden um euch neu hinzugekommenen 18 Mitglieder radikal auszurotten. Ich würde viel Geld (31 schieden aus) haben Probleme mit dafür bezahlen wenn ich die Zyklon B Tabakrauch aus Nachbarwohnungen. Kugeln einwerfen dürfte." Der NID-Vorstand dankt allen Mitglie- Die Webseite www.nichtraucherschutz. dern für ihre Unterstützung. de fand der Aufruf-Statistik zufolge Ernst-Günther Krause weiterhin viel Beachtung, wobei der Leitfaden zum Nichtraucherschutz bei Unser besonderer Dank gilt Peter rauchenden Nachbarn verstärkt ange- Treitz für sechs Jahre reibungslose und klickt wurde. Einige Zeitungen und gute Zusammenarbeit im NID-Vorstand! Zeitschriften übernahmen Texte aus Thomas Stüven, E.-Günther Krause dem Nichtraucher-Info (z.B. OEKO- TEST) oder den fünf Pressemitteilungen. Zum Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz kamen im gan- zen Jahr zwei konkrete An- fragen, zum Nichtraucher- schutz bei rauchenden Nachbarn beinahe hundert. Die Aufkleber, Postkarten, Plakate und Tischaufsteller der NID sind weiterhin gefragt. Es ist jedoch ein Kaffeepause machen (v.l.): Dr. Thomas Stüven, Horst leichter Nachfrage-Rück- Keiser, Gisela Keiser, Ernst-Günther Krause, Peter gang um etwa 10 Prozent Treitz, Günter Feldt
NID-INTERN Seite 13 Neuer Vizepräsident der NID: Dr. Dietrich Loos Kardiologie hat unsere Praxis als zwei- ten Schwerpunkt die Lungenheilkunde. Daraus ergibt sich ganz zwangsläufig, dass ich seit Jahrzehnten täglich mit den Folgen der Nikotinabhängigkeit konfrontiert bin. Bei so einer Konstella- tion ist es nicht nur äußerst nahelie- gend, sondern geradezu ärztliche Pflicht, das Übel an der Wurzel zu pa- cken: Der Hauptakzent unserer Arbeit sollte auf der Tabakprävention liegen. Statt in die Entwöhnung der bereits Suchtkranken zu investieren, müssen wir unsere begrenzten Mittel dazu ver- wenden, der jungen Generation Lust auf ein rauchfreies Leben zu machen. Für das Organisieren und Repräsentie- ren des Vereinslebens eigne ich mich wenig, der Hauptakzent meines Einsat- zes liegt im Dialog mit den Verantwort- lichen von Politik, Jugendarbeit und Als ein richtiges Münchner Gewächs Industrie. bin ich nach den Jahren im Maxgym- nasium zum Studium und dann als As- sistenzarzt bei der LMU München ge- landet. Nach einem kurzen Ausflug an das Londoner Herz- zentrum komplettierte ich meine Ausbildung am Deutsch Herzzen- trum München und an der TU München. Niedergelassen bin ich als Kardiologe seit über 30 Jahren in der Innenstadt Mün- Dr. Dietrich Loos mit Ernst-Günther Krause chens. Neben der in der Praxis des Kardiologen
Seite 14 NID-INTERN Nichtraucher-Initiative Deutschland e.V. Bericht über die Finanzbewegungen im Geschäftsjahr 2013 1. Steuerfreie Einnahmen 2012 2013 1.1 Mitgliedsbeiträge 17.898,33 15.039,13 1.2 Spenden 496,86 486,00 1.3 Zinserträge 312,80 216,74 1.4 Materialverkauf 811,05 391,90 1.5 Sonstige Einnahmen 251,63 0,01 1.6 Steuerfreie Einnahmen insgesamt 19.770,67 16.133,78 2. Ausgaben 2012 2013 2.1 Porto und Telefon 4.063,98 3.828,15 2.2 Versandmaterial 554,19 451,27 2.3 Bürokosten 283,65 269,57 2.4 Druck- und Kopierkosten 6.755,59 5.201,60 2.5 Fahrt- und Tagungskosten 890,90 1.840,10 2.6 Sonstige Ausgaben (u.a. Kontogebühren) 293,52 309,37 2.7 GfK-Umfrage 0,00 5.117,00 2.8 Infostand/Werbung 178,50 174,93 2.9 Rechtsschutz 0,00 1.301,08 2.10 Feinstaubmessungen 0,00 2.881,85 2.11 Ausgaben insgesamt 13.020,33 21.374,92 3. Schlussbestände 2012 2013 3.1 Kassenbestand 11,79 34,79 3.2 Postbankkonto 925,02 1.444,14 3.3 Festgeldkonto 34.147,28 28.364,02 3.4 Schlussbestände insgesamt 35.084,09 29.842,95 Erläuterungen: Die Ergebnisse der hält sowohl die Miete für das Fein- GfK-Umfrage zur Raucherentwöhnung staubmessgerät als auch die mit den vom August 2013 wurden im Nichtrau- Messungen in ganz Deutschland ver- cher-Info Nr. 92 – IV/13 veröffentlicht. bundenen Fahrt- und Übernachtungs- Der Posten Feinstaubmessungen ent- kosten.
NICHTRAUCHERSCHUTZ Seite 15 Rauchfreie Wohnanlage in Halle (Saale) Am 14. Juni startete in Halle an der Saale im Süden des Bundeslandes Sachsen- Anhalt der Bau einer Wohnanlage mit 33 Wohnungen für Nichtraucher. Die Woh- nungsgenossenschaft Halle-Süd e.G. erfüllt damit den Wunsch vieler Mieter nach einem Leben ohne störenden Tabakqualm. Da es rechtlich kaum möglich ist, ein bestehendes Mehrfamilienhaus von einem Tag auf den anderen in eine rauch- freie Oase umzuwandeln, weil dazu die Zustimmung aller Bewohner erforderlich ist, setzt die WG Halle-Süd e.G. auf einen Neubau. Im Vorwort des "Konzepts für nachhaltigen Umweltschutz, modernes und gesundes Leben" heißt es: Die WG Halle-Süd e.G. strebt gesundes Wohnen und Leben für ihre Mieter und Mitarbeiter an. Im bewohnten Bestand ist die Umsetzung bestimmter Maßnahmen wirtschaftlich und juristisch entweder erschwert oder nicht möglich. Das Neubau- vorhaben im Schwalbenweg bietet sich daher an, im Rahmen eines Konzeptes die Themen "nachhaltiger Umweltschutz, modernes und gesundes Leben" nicht nur im Interesse unserer Wohnungsgenossenschaft zu planen und zu regeln, sondern auch im Interesse der künftigen Mieter. Ein solches Konzept bietet die Möglichkeit, dauerhaft besondere Zielgruppen anzusprechen, nämlich umwelt- und gesundheitsbewusste Menschen, Familien mit Kindern, Nichtraucher und Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, z.B. Allergiker. Ein solches Konzept passt auch gut zum barrierearmen bzw. barrierefreien Bauen/ Außenansicht der in Halle (Saale) geplanten rauchfreien Wohnanlage Schwalbenweg 1a und 2b mit 33 Wohnungen, die seit 14. Juni 2014 im Bau ist.
Seite 16 NICHTRAUCHERSCHUTZ Wohnen, und ist die Voraussetzung für das Zusammenleben von Jung und Alt, Menschen mit und ohne Behinderungen. Und zu den mietvertraglichen Regelungen ist im Konzept zu lesen: (..) Rechtzeitig aufgestellte und bekannt gemachte bzw. vereinbarte Regeln sor- gen dafür, dass wir eine Hausgemeinschaft bilden können, die diese Regeln von vorneherein kennt und die weiß, dass die Nachbarn die gleichen Regeln wün- schen und akzeptieren. So wird das nachbarschaftliche Miteinander von Beginn an von gemeinsamem Willen und Wollen getragen. Schwerpunkt der Betrachtungen war im Vorfeld die Tatsache, dass es im Mitein- ander von Mietern immer wieder Konflikte gab und gibt. Der markanteste Konflikt ist der Streit zwischen Nichtrauchern und Rauchern. Nichtraucher fühlen sich belästigt, wenn Rauch aus Fenstern/von Balkonen aus der unteren Etage in ihre darüber liegende Wohnung steigt. Wenn Geruch aus der "Raucherwohnung" ins Treppenhaus strömt, weil der Raucher seine Wohnungstür geöffnet hat, wird dies ebenfalls häufig als äußerst unangenehm empfunden – zumal wenn der Geruch dort längere Zeit verbleibt. Auch der häufige Gebrauch eines Holzkohlegrills sorgt dann für Unmut, wenn die so erzeugten Gerüche und Rauchschwaden den Weg in Nachbars Wohnung fin- den. Insbesondere zwischen rauchenden und nichtrauchenden Mietern bzw. zwi- schen der grillenden und der nicht grillenden Partei sind die Fronten mitunter so verhärtet, dass eine Schlichtung geradezu unmöglich ist. Auch die Rechtspre- chung ist sich nicht einig. Die Konsequenz ist nicht selten der Auszug der Miet- partei, die sich nicht weiter mit dem Nachbarn streiten will. (...) Wir wünschen uns für unsere Mieter ein komplett rauchfreies Haus. Das Rauchverbot soll nicht nur in den Treppenhäusern, auf den Gemeinschaftsflächen und den Grünflächen gelten, sondern auch in den Wohnungen und auf Balkonen/ Terrassen. Dies soll ebenfalls für Besucher gelten. (Für Gäste wird es im Hofbe- reich jedoch einen entsprechend ausgewiesenen Platz geben, damit diese nicht auf der Straße stehen müssen.) Die Inbetriebnahme von Holzkohlegrills oder an- deren offenen Feuerstätten soll generell untersagt sein. Die Benutzung von Elek- trogrills wird jedoch gestattet. Die konkrete Vereinbarung des Rauchverbotes und des Verbotes zum Betrieb von Holzkohlegrills und offenen Feuerstätten in den Mietverträgen ermöglicht es uns, gegen Verstöße ggf. gerichtlich vorzugehen und so den Schutz der anderen Mieter vor etwaigen Beeinträchtigungen zu gewähr- leisten. Wir schaffen damit eine eindeutige juristische Grundlage. (...) Unser Konzept soll allen an einer Wohnung im Schwalbenweg interessierten Menschen (Mitte Juni über 100 Anmeldungen) von vorneherein das Gefühl ver- mitteln, dass der Schutz vor den genannten Belästigungen und der Schutz ihrer Gesundheit Priorität hat.
NICHTRAUCHERSCHUTZ Seite 17 Entwurf zur privatrechtlichen Vereinbarung zwischen der WG Halle-Süd e.G. und zukünftigen Mietern der Häuser Schwalbenweg 1a und 2b: Präambel Die Wohnungsgenossenschaft Halle-Süd e.G. setzt sich seit Jahren für die Ge- sundheit ihrer Mieter und Mitarbeiter ein. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Ein- satzes ist die Rauchfreiheit bzw. der Nichtraucherschutz, was dazu führte, dass die Mitarbeiter WG Halle-Süd e.G., aber auch Vorstand und Aufsichtsrat, seit 2008 komplett Nichtraucher sind und auch alle Einrichtungen, welche die Genos- senschaft betreibt, rauchfrei sind. Unser Unternehmen erhielt dafür im Jahr 2009 von Frau Sabine Bätzing, damalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung, sowie Frau Helga Kühn-Mengel, damalige Präsidentin der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V., den ersten Preis beim Wettbewerb „Unser Betrieb macht rauchfrei“ in der Kategorie "5-10 Beschäftigte" und setzte sich damit gegen 36 Mitbewerber durch. Diese Auszeichnung war für uns Ansporn, nach weiteren Projekten für die Ge- sundheitsförderung und die Verbesserung des Nichtraucherschutzes zu suchen. Eine Umfrage unter unseren Mietern im Jahr 2011 ergab, dass 79,69 % das Rau- chen, auch von Gästen, in der Wohnung und auf dem Balkon ablehnen. 85,49 % der Befragten sind Nichtraucher. Da im bestehenden Mietverhältnis der Nichtrau- cherschutz nicht zu gewährleisten ist, wenn nicht alle betroffenen Mieter einver- standen sind, eignen sich die beiden neuen Häuser im Schwalbenweg ganz be- sonders für die Verbesserung des Nichtraucherschutzes. Jeder künftige Mieter wird deshalb langfristig über unser Anliegen „Rauchfreiheit“ informiert und kann entscheiden, ob er die nachfolgende Regelung mit Abschluss des Mietvertrages unterzeichnen möchte oder von der Anmietung einer Wohnung in unseren Schwalbennestern Abstand nimmt. Nachfolgender Text wird Bestandteil des Mietvertrages und ist explizit von beiden Parteien zu unterzeichnen, um die besondere Wertigkeit der Verein- barung zu betonen: Vermieter und Mieter vereinbaren freiwillig und im besten gegenseitigen Einver- nehmen, dass im Haus, in der vermieteten Wohnung einschließlich aller dazuge- hörigen Nebenflächen und auch auf dem Balkon/der Terrasse sowie auf dem gesamten zum Haus gehörigen Gelände mit Ausnahme des im hinteren Teil des Gartens ausgewiesenen Raucherplatzes absolutes Rauchverbot herrscht. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dieses Rauchverbot auch für Gäste und Besucher des Mieters gilt und dieser für die Einhaltung der Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung zu sorgen hat. Die Parteien sind sich einig, dass Verstöße gegen diese Vereinbarung nach 2- maliger schriftlicher Abmahnung mit der Kündigung des Mietvertrages geahn-
Seite 18 NICHTRAUCHERSCHUTZ det werden. Der Mieter macht sich mit dem Verstoß gegen diese Vereinbarung ersatzpflichtig für Schäden, die der Vermieter hierdurch erleidet. Der Vermieter sichert zu, dass diese Klausel in allen Mietverträgen für das Haus enthalten ist und von den jeweiligen Mietern rechtsverbindlich unterzeichnet wird, so dass alle Mietparteien die Sicherheit haben, dass das vereinbarte Rauchverbot ggf. auf gerichtlichem Wege durchgesetzt werden kann. Interessenten dieser rauchfreien 1-, 2-, 3- und 4-Zimmer Wohnungen wenden sich an: Wohnungsgenossenschaft Halle-Süd e.G. Telefon 0345/4442497 Vogelweide 13 info@wg-hs.de 06130 Halle (Saale) www.wg-hs.de Deutscher Mieterbund gegen rauchfreie Wohnanlagen Nach Ansicht des Deutschen Mieterbundes sind die Pläne für eine komplett rauchfreie Wohnanlage rechtlich nicht durchsetzbar. Ulrich Ropertz, Geschäfts- führer des Deutschen Mieterbundes, sagte dem Mitteldeutschen Rundfunk, er könne sich nicht vorstellen, dass solche Vereinbarungen gerichtsfest formuliert werden könnten. Nach derzeitiger Rechtslage dürfe das Rauchen in der Woh- nung im Mietvertrag nicht generell ausgeschlossen werden. Auch sei es absurd, Besuchern das Rauchen per Mietvertrag zu verbieten. Offensichtlich hat der Jurist Ropertz noch nichts vom Grundsatz der Vertragsfrei- heit gehört. Danach dürfen Geschäftsfähige alles vereinbaren, was nicht gegen Gesetz oder gute Sitten verstößt. Im Urteil des Amtsgerichts Rastatt vom 26. April 2005 unter Aktenzeichen 3 C 341/04 heißt es: "Zwar gehört Rauchen grundsätz- lich zum vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters, aber individualvertraglich lässt sich ein Rauchverbot vereinbaren." Der Deutsche Mieterbund sollte seinem ah- nungslosen Geschäftsführer eine Fortbildung anraten. Jutta Bastian, langjähri- ges Mitglied der NID und eines Mieterschutzvereins, schreibt dazu an ihn: Ich habe gerade in einer Zeitungsnotiz tung eines Hundes? Niemand wird ge- gelesen, dass Sie Pläne für eine zwungen, eine Wohnung in einem Wohnanlage für Nichtraucher kritisie- Haus zu mieten, in dem er keine Hunde ren. Das finde ich nicht gut! Konkreter: halten darf. Und ebenso wird niemand Ich bin von Ihrer Kritik maßlos ent- gezwungen, eine Wohnung in einer täuscht. Wohnanlage zu mieten, in der absolu- tes Rauchverbot herrscht (noch dazu, Warum sollte ein freiwilliges Rauchver- wenn er sich zuvor freiwillig verpflichtet bot, auf das sich ein Mieter verpflichtet, hat). eine andere juristische Qualität haben als beispielsweise das Verbot der Hal- Ich persönlich warte schon seit vie-
NICHTRAUCHERSCHUTZ Seite 19 len Jahren darauf, dass es solche men sollten doch gerade Sie anstre- Wohnanlagen gibt. Das Rauchverbot ben: Wie viele Streitereien unter Miet- an Arbeitsstätten, in öffentlichen Spei- parteien sowie zwischen Mieter und selokalen, Theatern, öffentlichen Ver- Vermieter könnten allein dadurch ver- kehrsmitteln, Taxis, auf Bahnsteigen, in mieden werden, dass man rauchfreie Kindertagesstätten, auf Friedhöfen, auf Wohnanlagen baut?! Spielplätzen, in Schulen, Kliniken, Arztpraxen, Museen oder wo auch im- Zitat: "Auch sei es absurd, Besuchern mer – fast überall wurde es zu Anfang das Rauchen per Mietvertrag zu verbie- bestenfalls belächelt, meist nicht für ten." durchsetzbar gehalten. Da Besucher Gäste in einem Haus/ Und jetzt? Mehr als zwei Drittel der einer Wohnung sind, ist der Wohnungs- Bevölkerung findet diese Regelungen inhaber jederzeit berechtigt, diesen das gut, darunter ein hoher Anteil rauchen- Rauchen in seiner Wohnung bzw. im der Menschen. Nicht nur das: Viele Haus zu untersagen. Er hat Hausrecht Raucher haben sich durch diese "Hilfe und kann jeden, der sich nicht daran von außen" inzwischen das Rauchen hält, des Hauses verweisen. Das ist abgewöhnt – und das ist gut so. heute schon so. Darüber braucht man Warum sollte ausgerechnet in einem so sich nicht aufzuregen. Jeder Woh- sensiblen und persönlichen Bereich, in nungsinhaber kann seinen Gästen ver- dem sich Menschen stundenlang auf- bieten, was er will. halten und regenerieren sollen (junge Leute, alte Leute, Kinder, gesunde Eine Passage in die Mietverträge Menschen, kranke Menschen), ein (Hausordnung!) aufzunehmen, wonach Rauchverbot nicht sinnvoll oder nicht Gästen ebenfalls das Rauchen im ge- durchsetzbar sein? samten Wohnkomplex untersagt ist, halte ich für genauso sinnvoll, wie viele Genau da ist es meiner Ansicht nach andere in Mietverträgen üblichen Klau- am wichtigsten! seln, in denen der Mieter für die Einhal- tung der Hausordnung durch seine Ich als langjähriges Mitglied in einem Gäste haftet. Wenn man das Abstellen Mieterschutzverein kann Ihre Haltung von Kinderwägen und Fahrrädern im ehrlich nicht verstehen: Wer wenn nicht Treppenhaus untersagen kann, wenn der Mieterbund/Mieterschutzverein soll man das Spielen der Kinder in Haus- denn uns Mieter in dem Wunsch unter- durchgängen und Höfen verbieten stützen, frei von Tabakrauch und sons- kann, wenn man das Trocknen der tigen Belästigungen durch andere Mie- Wäsche auf dem Balkon und anderes ter wohnen und leben zu können? mehr untersagen kann, dann kann man auch das Rauchen im Haus und in der Den Schutz der Mieter vor uner- gesamten Wohnanlage untersagen. wünschtem Tabakrauch in den eigenen vier Wänden, im Garten, auf dem Bal- Was soll denn daran absurder sein als kon, im Treppenhaus und in allen wei- an anderen Vorschriften für eine Haus- teren gemeinschaftlich nutzbaren Räu- gemeinschaft?
Seite 20 NICHTRAUCHERSCHUTZ Regeln der Ottawa Wohnungsgesellschaft zum Nichtraucherschutz Die Bundeshauptstadt Kanadas liegt im östlichen Teil der Provinz Ontario am Fluss Ottawa, unmittelbar an der Grenze zur Provinz Québec. Zum Welt-Nichtrauchertag am 31. Mai hat die Ottawa Community Housing (OCH) ein Informationsblatt zu ihrer Rauchfrei-Politik herausgebracht (Übersetzung: Volkmar Fiedrich): Warum führt die OCH eine Rauchfrei-Politik ein? Die gravierenden gesundheitlichen Gefahren des Rauchens und Passivrauchens sind heute sehr gut bekannt. Tabakrauch verbreitet sich über Luftdurchlässe und Balkone in benachbarte Wohneinheiten. OCH erhält Anfragen nach rauchfreien Wohnungen und Beschwerden von Mietern, die fremden Tabakrauch in ihren Wohnungen bemerken. Mehr und mehr Wohnungsanbieter führen eine Rauch- frei-Politik ein, um sichere und gesunde Wohnumgebungen für alle zu schaffen. Der OCH-Verwaltungsrat hat eine Rauchfrei-Politik mit folgenden Zielen be- schlossen: Rauchverbot in allen OCH-Immobilien, wirksam ab 31. Mai 2014; Gegenwärtige Mieter ohne Nichtraucher-Klausel in ihrem Mietvertrag dürfen bis zur ihrem Auszug weiterhin in ihrer Wohnung rauchen; Jeder neue OCH-Mieter und jeder OCH-Mieter, der in eine andere Wohnung von OCH umzieht, muss einen Mietvertrag unterschreiben, der das Rauchen in der Wohnung und allgemein im OCH-Eigentum verbietet. 1. Wenn das Rauchen legal ist, haben dann Vermieter überhaupt das Recht, das Rauchen in Mietwohnungen zu verbieten? Ja, denn Vermieter sind befugt, Richtlinien zum Schutz von Gesundheit und Si- cherheit ihrer Mieter aufzustellen und ihr Eigentum zu schützen. Die Einführung eines Rauchverbots ist vergleichbar mit Festlegungen wie das Verbot des Gril- lens. 2. Gibt es in Ontario andere Wohnungsanbieter mit Rauchfrei-Politik? Ja, es gibt 70 Wohnungsanbieter in Ontario, die bereits eine Rauchfrei-Politik in ihren Gebäuden umgesetzt haben. Die "Region of Waterloo Housing" hat das Rauchen in ihren 2.700 Sozialwohnungen am 1. April 2010 verboten. Am Ort hat die "Centretown Citizens Ottawa Corporation" (CCOC) eine rauchfreie Gemein- schaft in der Beaver-Kaserne begründet. OCH hat die Crichton-Straße und die neuen Wohneinheiten an der Carson-Straße als Nichtraucherbereiche geplant. 3. Haben Mieter nicht das Recht, im privaten Bereich ihrer eigenen Woh- nungen zu rauchen? So etwas wie das Recht auf Rauchen gibt es nicht. Ein rauchender Mieter ent- scheidet sich zwar dafür, die mit dem Rauchen verbundenen Gefahren für sich
NICHTRAUCHERSCHUTZ Seite 21 selbst zu akzeptieren, aber er hat nicht das Recht, seine Nachbarn diesen Gefah- ren auszusetzen. 4. Schließt eine Rauchfrei-Politik Raucher vom Leben in OCH-Gemein- schaften aus? Nein, das Rauchen ist nur in den gemieteten Räumen und in den OCH- Immobilien untersagt. Ziel der Rauchfrei-Politik ist es, den OCH-Mietern zu sau- berer Luft zu verhelfen. 5. Dürfen gegenwärtige Mieter und ihre Gäste weiterhin in ihren Wohnungen rauchen? Ja. Gegenwärtige Mieter dürfen weiterhin rauchen, solange sie in der Wohnung leben. Wenn ein gegenwärtiger Mieter intern umzieht, muss er einen Mietvertrag mit Rauchverbot unterschreiben. OCH wird weiterhin Programme zur Raucher- entwöhnung für alle Mieter fördern. 6. Wie wird die Rauchfrei-Politik durchgesetzt? OCH verfolgt eine Politik der Zusammenarbeit mit den Mietern, um Probleme zu lösen und Verhalten zu ändern, das den angenehmen Aufenthalt in den Räumen unzumutbar beeinträchtigt. Zusätzlich zu Kontakten mit den Mietern und der Erör- terung der eingegangenen Beschwerden wird OCH die Mieter zur Raucherent- wöhnung ermutigen und ihnen Empfehlungen dafür liefern. 7. Können Mieter zum Auszug gezwungen werden, wenn sie sich nicht ent- sprechend der Rauchfrei-Politik verhalten? Mit welcher Begründung kann das geschehen? Es ist nicht das Ziel der Rauchfrei-Politik, Mieter zu vertreiben. Außer in ernsten Situationen, die die Sicherheit anderer Mieter betreffen, wendet OCH eine Kündi- gung nur als letztes Mittel an. OCH will mit den Mietern mit dem Ziel zusammen- arbeiten, Kündigungen wegen Rauchens zu vermeiden. Es ist aller-dings möglich, einen Mieter zum Auszug zu zwingen, wenn er nachweislich entgegen dem Miet- vertrag fortgesetzt raucht. Letztlich müssen Vermieter und Mieter-Beirat ent- scheiden, ob das Verhalten eine Räumung zur Folge haben soll. Nichtraucherschutz in bestehenden Wohnungen weiterhin erforderlich 33 Wohnungen in Halle (Saale) ändern tagtäglich von morgens bis abends und nichts daran, dass hunderttausende zum Teil auch nachts dem gesund- Nichtraucher in ihren gegenwärtigen heitsschädlichen und stinkenden Ta- Wohnungen unter Tabakrauchimmissi- bakqualm ausgesetzt sind, den rück- onen leiden. 33 Wohnungen sind ein- sichtslose rauchende Nachbarn freiset- fach nur ein winziger Tropfen auf einem zen. Die NID kämpft gemeinsam mit heißen Stein angesichts der Tatsache, den Betroffenen um das Recht auf ein dass hunderttausende Nichtraucher rauchfreies Wohnen. egk
Seite 22 AKTIONSTAGE Presseerklärung der NID zum Welt-Nichtrauchertag am 31. Mai Tabaksteuern und Nichtraucherschutz senken Tabakkonsum! Der Tabakkonsum hängt in hohem Maß von der Höhe der Tabaksteuer und dem Niveau des Nichtraucherschutzes ab. Das zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes und die Repräsentativstudien der GfK Marktforschung. "Die Tabaksteuern senken vor allem die Zahl der gerauchten Zigaretten, während der verbesserte Nichtraucherschutz die Zahl der Raucher mindert", erläutert Dr. Thomas Stüven, Präsident der Nichtraucher-Initiative Deutschland e.V. (NID). 2002 wurden 145 Milliarden Zigaretten versteuert, 2013 sind es nur noch 80 Milli- arden. Das ist ein Rückgang um 45 Prozent. Diese annähernde Halbierung ist sowohl auf fünf größere Erhöhungen der Tabaksteuer zwischen 2002 und 2005 – zwei davon zur Finanzierung von Maßnahmen zur Terrorabwehr – zurückzufüh- ren als auch auf den Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz (ab Oktober 2002) und den Nichtraucherschutz in der Öffentlichkeit (beginnend ab Mitte 2007). So stieg der Anteil der Nie-Raucher von 38,5 Prozent im Januar 2007 über 42,5 Prozent im Dezember 2011 auf 45,1 Prozent im August 2013. "Rauchen verursacht allein in Deutschland Kosten in Höhe von mehreren Dut- zend Milliarden Euro. Leider hören viele Raucher erst dann auf, wenn irreversible Schäden eingetreten sind", erklärt NID-Präsident Dr. Thomas Stüven, "denn Ex- Raucher sind um mehr als 40 Prozent häufiger krank als Nie-Raucher. Unser aller Anliegen muss deshalb sein zu verhindern, dass junge Leute mit dem Rauchen anfangen. Prävention hat Vorrang." Versteuerte Zigaretten 160 140 Milliarden Stück 120 48 13 65 3 14 46 15 14 5 14 88 13 77 13 44 6, 13 29 62 13 44 2 3 5 12 3 100 5, 5, 13 ,1 60 3 14 2, 6 15 2 0 9, 0 8, 7, 8 6, 5, 4, 2, 1, 1 80 13 76 13 27 1, 91 5 97 60 86 9 82 6 6 07 11 ,8 87 5 05 ,4 7 5 75 ,4 6 ,9 ,5 95 ,6 93 ,5 ,4 40 ,2 87 83 80 20 0 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 19 19 19 19 19 19 19 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Jahr Quelle: Statistisches Bundesamt, Genesis Online, Mai 2014 NID Motto 2014: Gesundheit auf der Kippe – Tabaksteuern rauf, Tabakkonsum runter!
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