Kunststoff Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft - technologieland-hessen.de - Redaktions Netzwerk Hessen Agentur
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Vorwort Kunststoffe sind unglaublich vielseitig und leicht zu verarbeiten. Deshalb sind sie in unserem Alltag all- gegenwärtig, und ihre Produktion wächst exponentiell – mit ihr allerdings auch die Belastung unserer Umwelt durch Plastikmüll sowie die bei Herstellung, Verarbeitung und Verbrennung entstehenden Treib- hausgase. Wenn wir diesen so wichtigen und kaum zu ersetzenden Werkstoff weiter nutzen wollen, müssen wir die schädlichen Begleiterscheinungen seiner Herstellung und seines Gebrauchs minimieren. Ein Schlüssel zu einer zukunftsfähigen Kunststoffwirtschaft liegt in möglichst geschlossenen Stoffkreisläufen. Jedes Gramm wiederverwerteter Kunststoffe spart Ressourcen, vermindert Abfälle und vermeidet CO2-Emissionen. Wo unmittelbare Wiederverwertung nicht möglich ist, sind Alternativen zum Ausgangsmaterial Rohöl zu ent- wickeln. Diese können in Biomasse bestehen, aber auch in Technologien des chemischen Recyclings und der Nutzung von CO2. Diese Broschüre bietet einen Überblick über Risiken und Chancen des Werkstoffs Kunststoff und die Rahmenbedingungen einer nachhaltigen Kunststoffwirtschaft. Lesen Sie, welche konkreten Ansätze in Wirtschaft und Wissenschaft verfolgt werden. Ich wünsche eine anregende Lektüre. Tarek Al-Wazir Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen
Inhalt 01 02 03 04 Kunststoff Regelungen Strategien und Vernetzung Wachstumsmarkt und Rechtliche Rahmenbedingungen Lösungsansätze Starke Partner finden ökologische Herausforderung und Trends Zukunft durch Kreislauf Werkstoff des 21. Jahrhunderts 08 Zunehmend verbindliche europäische 28 Kunststoffabfälle vermeiden 38 DECHEMA 82 Verordnungen Zukunft durch Kreislaufwirtschaft 16 Stoffkreisläufe schließen 44 Kunststoff Cluster Nordhessen 83 Fördermöglichkeiten 30 Risiken und Chancen von Kunststoff 18 Neue Rohstoffe nutzen 60 Fraunhofer IWKS 84 Deutschlands Kreislaufwirtschaftsgesetz 32 Kunststoffwirtschaft in Hessen 22 und Umsetzung in Hessen Fraunhofer LBF 85 Handlungsziele für Unternehmen 24 Praxisbeispiele Kunststoff Innovationsnetzwerk Hessen 86 circolution GmbH 40 SuPRA – Sustainable Plastics 87 RIGK GmbH 46 Recycling & Automation plastship GmbH 47 Koziol ideas for friends GmbH 50 Technologieland Hessen 88 Technoform Bautec 51 Kunststoffprodukte GmbH Forschungsprojekt ReCircE 54 MKV GmbH Kunststoffgranulate 56 Sanner GmbH 64 Biowert Industrie GmbH 65 Forschungsprojekt VERENA 72 Quellen 92 Forschungsprojekt GAMES 77 Abkürzungsverzeichnis 93 Impressum / Bildnachweis 94
01 Kunststoff Kunststoffe sind allgegenwärtig und in vielen Branchen nicht mehr wegzudenken. Doch mit dem globalen Marktwachstum wächst auch die ökologische Herausforderung dra- matisch. Neue und nachhaltige Lösungen für Wachstumsmarkt und ökologische Herausforderung die Kunststoffwirtschaft werden drängender. 6 7
Werkstoff des Abfälle, Mikroplastik und Treibhausgase: Kunststoff als Risiko 21. Jahrhunderts 2050 1.800 Mt Kunststoffe erzeugen gravierende Probleme für falt und die Gesundheit des Menschen. Fast alle Kunststoffe sind in Industrie und Alltag un- unser Leben, unsere Erde und unsere Umwelt. Sie Kunststoffe und Kunststoffprodukte w erden nach verzichtbar. Sie haben sich zu einem zen- verursachen ein massives Abfallaufkommen und wie vor aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Indus- haben zahlreiche negative ökologische Konse- trielle Prozesse setzen in jeder Phase des Lebens- tralen Bestandteil unserer Konsummuster quenzen. Mit den global steigenden Produktions- zyklus Treibhausgase frei: von der Förderung und und modernen Technologien entwickelt. volumina wächst die Herausforderung: Die Menge dem Transport der Rohstoffe über die Raffinierung, Werkstoff des 21. Jahrhunderts Kunststoffe sind sehr wandelbar und in an Altkunststoffen, die unsere Umwelt belastet, Veredelung und Herstellung von Kunststoffen bis nimmt drastisch zu. Kunststoffe sind äußerst wider- zur Entsorgung von Kunststoffabfällen. Der Preis vielen Punkten anderen Werkstoffen über- standsfähig gegenüber Umwelteinflüssen, werden für Erdöl bestimmt weitgehend die Kosten des legen. Als Verpackung verlängern sie die bislang aber nur zu einem Bruchteil recycelt. Statt- gesamten Marktes. Über den Einsatz von Primär- Haltbarkeit von Lebensmitteln. Sie ermög- dessen sind zahlreiche Einwegprodukte im Ge- versus S ekundärkunststoffen wird in der Regel aus brauch und die meisten Kunststoffabfälle werden ökonomischen, nicht aus ökologischen Gesichts- lichen lebenswichtige Anwendungen in verbrannt oder landen auf Deponien. Mikroplastik punkten entschieden. der Medizin, tragen zu einer leichteren bedroht inzwischen weltweit die biologische Viel- Bauweise von Bussen, Bahnen, Autos und Flugzeugen bei und verbessern als Dämm- 01 und Isolierungsmaterial die Ressourcen effizienz im Bereich Bauen und Wohnen. Kunststoff 2030 700 Mt Wachstumsmarkt Kunststoff Wenn sich die Rahmenbedingungen bis 2050 nicht ändern Prognose Die Kunststoffbranche ist ein gigantischer Wachstumsmarkt. • wird sich das Abfallaufkommen durch Kunststoffe Die Analyse der Trends in der Kunststoffwirtschaft zeigt, dass die nahezu verdreifachen; 2018 globale Kunststoffproduktion in 359 Mt den nächsten Jahrzehnten (Grafik: Angaben in Millionen Tonnen) weiter exponentiell steigen wird. • werden Kunststoffe ohne Kreislaufwirtschaft für 13 Prozent der Treibhausgase weltweit verantwortlich sein. 1989 100 Mt 1950 1,5 Mt Quellen: PlasticsEurope; Consultic; Conversio (2020), GRID-Arenal (2018): Global plastic production and future 1950 1989 2018 2030 2050 trends, URL: www.grida.no/resources/6923. 8 9
Was ist Kunststoff? Anteile verschiedener Kunststofftypen und deren Kennzeichnung mit Recycling- Kunststoffe bestehen aus Polymeren, langen Mole codes in Deutschland 2017 külketten aus Kohlenstoff. Die meisten Kunststoffe PET Polyesterfasern, Folien, sind keine Reinstoffe. Sie erhalten zusätzlich Ad- Polyethylen- Lebensmittelverpackungen, ditive wie etwa Weichmacher, Stabilisatoren oder terephthalat Lebensmittelflaschen Färbemittel. Dies erschwert ihr Recycling erheb- lich. Kunststoffe haben sehr unterschiedliche An- wendungsbereiche. Dafür werden sie auf vielfältige Art und Weise hergestellt, verarbeitet und designt. HDPE Auch ihre Nutzungsdauer variiert sehr stark: Wäh- Polyethylen Werkstoff des 21. Jahrhunderts rend Kunststoffe im Bausektor viele Jahrzehnte Koffer, CDs und DVDs, Seile, hoher Dichte überdauern können, werden sie als Verpackungen Fallschirme, Borsten für Zahnbürsten, Spielzeug, Gehäuse von 6% meist deutlich weniger als ein Jahr lang genutzt. Plastikflaschen, Reinigungsmittelbehälter, Elektrogeräten Rohre für Gas- und Trinkwasser, Haushaltswaren 13% 31% Thermoplaste, Duroplaste, Elastomere PVC ANDERE Polyvinylchlorid Verschiedene Kunststoffe 01 13% Kunststoffe lassen sich im Wesentlichen in drei (wie PC, PA, PMMA, PUR, Stiefel, Dusch- Gruppen unterteilen: Thermoplaste werden ABS, ASA, SAN, sonstige vorhänge, Fenster- Kunststoff durch Erhitzen weich und härten beim Abkühlen Thermoplaste) rahmen, Rohre, aus. Sie können zu hundert Prozent erneut ein- Bodenbeläge, geschmolzen und wiederverwertet werden. Duro- plaste bleiben, einmal in Form gebracht, dauerhaft 5% Elektrokabel, Kunstleder fest. Sie können dann nicht mehr geschmolzen oder geformt werden. Elastomere verhalten sich 15% unter Druck elastisch – sie lassen sich strecken und stauchen – und gelangen danach wieder in ihre 17% ursprüngliche Form zurück. PS Kunststoff und Verbundwerkstoffe Polystyrol LDPE Polyethylen Für viele Anwendungen werden aus Kunststoffen Lebensmittelverpackungen, niedriger Dichte PP Verbundwerkstoffe hergestellt. Diese bestehen aus Styroporverpackungen, Polypropylen zwei oder mehr Materialien, deren Kombination Dämmstoff Plastiktüten, Frischhaltefolien, Müllsäcke, dem Werkstoff neue Eigenschaften verleiht. Kunst- Tuben, Milchkartonbeschichtungen stoffe werden beispielsweise mit metallischen, keramischen und organischen Werkstoffen kom- biniert. Vielfach setzt die Kunststofftechnik Faser- verbundwerkstoffe ein. Dabei verstärken endliche oder endlose Fasern aus Glas oder Kohlenstoff die Lebensmittelverpackungen, Festigkeit der Materialien um ein Vielfaches. DVD-Hüllen, Innenraumverkleidungen, Stoßstangen, Kindersitze Quelle: Plastikatlas 2019, Umweltbundesamt. 10 11
Kunststoff Im Rahmen einer Themenanalyse des ISK-Instituts für Strategie & Kommunikation im Auftrag der Hessen Trade & Invest GmbH Die Analyse zeigt einen eindeutigen Überhang der negativen Themenbei- in der wurden für das Jahr 2020 webbasierte News und Social-Media- Beiträge analysiert, die dem Thema Kunststoffe zugeordnet werden träge. Positive Beiträge umfassen etwa positive Äußerungen zur Plastikreduk- öffentlichen können. Untersuchungsgegenstand waren das deutschsprachige Web mit öffentlich zugänglichen Foren, Blogs, Nachrichten und Funktions- kleidung tion und zu Recycling, aber auch die aktuelle Covid-19-Diskussion, in der Haushalt Debatte verschiedenen Social-Media-Plattformen. Im Ergebnis spiegelt der 64.667 Sicherheit Kunststoffe positiv besetzt sind. öffentliche Diskurs ein breites Spektrum von Einstellungen zum Thema Kunststoffe wider. Dieses reicht von pragmatisch orientierten Kleidung Befürwortenden über Personen, die Vor- und Nachteile abwägen, bis 38.277 positive Beiträge hin zu strikten Plastikgegnerinnen und -gegnern. Gute Funktionalität Bauen & Wohnen 32 % 28.966 Kunststoffe Werkstoff des 21. Jahrhunderts • Schutz vor Corona-Virus Initiativen & Interessen- Gesellschaft- licher Wandel Getränke im Alltag • hygienische, sterile Verpackung – gruppen 8.185 16.137 14.296 310.939 leicht, handlich, stabil Sport • 100 Prozent recyceltes Plastik Vermei- dung Zerowaste • Verbot von Einweg-Plastik Politik & • Mehrweg- und Pfandsysteme Bewusster Freizeit / Politik Gesellschaft Konsum • Plastikreduzierung 43.585 Verhaltens- Nachhaltigkeit Unterhaltung 139.746 änderung 48.815 131.102 111.140 „Ohne Plastikverpackungen würden Verpackungen viele Lebensmittel schneller verderben 156.508A und im Müll landen.“ 01 Plastikmüll Wissen- Wirkung schaft 44.448 vs. „Recycling von Plastik könnte viele Recycling & Körperpflege Umwelt Kunststoff 46.985 CO2-Emissionen einsparen“ Abfall- & Kosmetik management 33.411 87.966 Kreislauf- wirtschaft Umwelt & Auswirkungen Micro-/ Weich- negative Beiträge Müll- Klimawandel auf Natur & Nano- plastik macher 68 % trennung 407.908 Umwelt PET 3D - 163.673 Ängste Corona Druck 38.984 PVC 65.825 • Plastikmüll und Plastiktüten Trends Konta- 103 • Umweltverschmutzung 46.985 mina- tions- • Mikroplastik schutz • nicht abbaubare Verpackung Meere & Hygiene Gewässer Böden • Einweg-Plastikprodukte Energie Herstellung & Alternative Gesundheit Gesund- • PET und Plastikflaschen 9.421 Entwicklung Materialien 158.011 heits- schutz • Weichmacher 101.936 12.309 Metalle 14.994 Bio- kunst- „Die produzierten Mengen an Plastik Anwen- Produktion stoffe Papier müssen deutlich reduziert werden.“ dungen 85.135 Glas Holz 8.485 Fokus Pappe Hessen „Inzwischen findet sich Plastik nahezu 2.609 überall auf der Welt.“ „Noch immer sind viele Verpackungen nicht recyclingfähig und werden Als ein Ergebnis der Webanalyse stellt eine Themenkarte für das Thema Kunststoff relevante Kern- verbrannt.“ und Subthemen sowie deren Treiber dar. Dazu wurden die Beiträge mit Hilfe von Social Media- beziehungsweise Web Monitoring Tools gesammelt, gefiltert und geclustert. Die Größe der Kreise Summe der betrachteten Beiträge und die angegeben Zahlen zeigen, wie häufig einzelne Themen aufgegriffen wurden. n = 495.411 12 13
Werkstoff des 21. Jahrhunderts Die Kunststoffwirtschaft muss neue Wege gehen Mit der heutigen Kunststoffwirtschaft sind er- stoffwirtschaft müssen sowohl Abfälle ver- hebliche Risiken für unsere Lebenswelt ver- mieden als auch Stoffkreisläufe geschlossen bunden, die sich zukünftig verschärfen werden. und die rohstoffliche Basis für Kunststoffe ver- Es besteht dringender Handlungsbedarf. Wirt- ändert werden. Für den langfristigen Erfolg ist schaft, Politik und Gesellschaft sind gefordert, ausschlaggebend, dass diese drei Hebel in der gemeinsam Lösungen auf den Weg zu bringen. Praxis kombiniert werden. Dies fordert Unter- 01 Europa hat dabei eine Vorreiterfunktion. nehmen und bietet ihnen gleichzeitig neue Entwicklungschancen, sich als Akteure einer Kunststoff Im Jahr 2015 hat die UN-Generalversammlung Kreislaufwirtschaft zu positionieren. die nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, kurz: SDGs) verabschiedet. Auch die Öffentlichkeit reagiert zunehmend Die SDGs betreffen das Thema Kunststoff in vie- kritisch auf das Thema Plastik und Kunststoffe. len Aspekten. Für das Ziel nachhaltiger Konsum- Das Thema Kunststoffe ist im gesellschaftlichen und Produktionsmuster müssen Abfallmengen Diskurs verankert und überwiegend negativ be- wesentlich verringert werden, das heißt Abfälle setzt. Auf digitalen Diskussionsplattformen wer- deutlich stärker vermieden, recycelt und wieder- den Industrie und Herstellerfirmen in der Ver- verwendet werden. Dies erfordert eine immen- antwortung gesehen, Produkte, Verpackungen se Anpassung der bisherigen Entsorgungs- und und Prozesse nachhaltiger zu gestalten. Die Recyclingstrukturen. Zudem formulieren zwei Corona-Pandemie macht die Ambivalenz des weitere SDGs den Schutz mariner Ökosysteme Themas deutlich: einerseits die grundsätzliche sowie Maßnahmen gegen den Klimawandel als Kritik an Kunststoff, andererseits die Erkenntnis, Ziele. dass es beispielsweise im Bereich Gesundheit und Hygiene kaum Alternativen gibt. Recycling Der European Green Deal gibt den Fahrplan hat ein insgesamt positives Image, allerdings für Nachhaltigkeits-Maßnahmen in Europa wird bemängelt, dass zu wenig Kunststoff in vor. Die EU-Kommission hat verdeutlicht, dass Deutschland recycelt wird. Mit der biologischen der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft ein Abbaubarkeit von Kunststoffen wird erwartet, wesentlicher Bestandteil des European Green dass weniger Plastikmüll entsteht, der die Um- Deals sein muss. In einer nachhaltigen Kunst- welt und auch die Menschen belastet. 14 15
Das lineare System ist nicht nachhaltig Bislang stammt nur ein Bruchteil Zukunft durch der jährlich verarbeiteten Kunststoffe aus Rezyklaten. Elektronik 0,94 Mt Kreislaufwirtschaft Rezyklat Fahrzeuge 1,1 Mt 1,9 Mt Kunststoffe Bau 12,3 Mt Kunststoffe 2,94 Mt Um das Dilemma von Kunststoff als Wachstumsmarkt einerseits und sei- aus fossilem 12,3 Mt nem erheblichen ökologischen Fußabdruck andererseits zu überwinden, Rohstoff Neuware stoffliche muss eine Transformation des bestehenden linearen Systems hin zu einer Verpackung Verwertung Zukunft durch Kreislaufwirtschaft 3,22 Mt 2,9 Mt ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft stattfinden. Kunststoff- abfälle 6,3 Mt energetische Sonstige Verwertung 3,93 Mt 3,3 Mt Nur langsame Fortschritte – die Transformation drängt 01 Produktion Verarbeitung Verbrauch Abfall- Verwertung Bisher ist das Zielbild einer Kreislaufwirtschaft lei Hinsicht aber auf Kunststoffe angewiesen Nutzung management Beseitigung noch bei Weitem nicht in die Realität umgesetzt. ist und diese vielfach eine – auch nach öko- Kunststoff Die klassische Kunststoffwirtschaft umfasst die logischen Kriterien – vorzuziehende Variante notwendige Wertschöpfungskette, um Kunst- zu alternativen Materialien darstellen, muss Alle Angaben in Millionen Tonnen für das Jahr 2019 in Deutschland. Da sich die Lebens- und Gebrauchsdauer von stoffe und Kunststoffprodukte zu erzeugen, die Kunststoffwirtschaft umdenken. Sie muss Produkten stark unterscheidet, fallen nicht alle Produkte im gleichen Jahr wieder als Abfall an. Zudem führen Exporte nutzbar zu machen und letztlich zu verwerten die gesamte Wertschöpfungskette vom De- und Prozessverluste zu einem verminderten Aufkommen an Abfällen und Rezyklaten. beziehungsweise zu entsorgen. Die Struktu- sign über die Nutzung bis zur Entsorgung ren sind weitgehend linear; es herrscht ein ganzheitlich zirkulär gestalten. So ändert sich Quelle: Conversio (2020): Stoffstrombild Deutschland System des „make-use-dispose“ vor. In Euro- nicht die grundlegende Wertschöpfung von pa bedeutet dies in erster Linie Verbrennung Kunststoffen (Produktion, Verarbeitung, Ver- und Deponierung am Ende des Lebenszyklus. brauch), sondern es wird zusätzliche Wert- Nachhaltige Ursprungsmaterialien oder Re- schöpfung durch die Wiederverwendung und Verbrauc h zyklate spielen noch keine große Rolle. Der die Reparatur von Kunststoffen erreicht. Die Ab- ng itu wichtigste Rohstoff für Kunststoff ist nach wie fall- und Sammellogistik sowie das Recycling rbe Ab a f vor das Erdöl. und die Aufbereitung von Rezyklaten werden r al Ve Ziel: ein geschlossener lsa an Bedeutung zunehmen und zusätzlich um mm Vor dem Hintergrund des erwarteten ex- Re-Design-Prozesse ergänzt werden. Kreislauf lun g ponentiellen Wachstums der Kunststoffwirt- Produktion schaft ist diese stark lineare Ausrichtung hoch Für die Weiterentwicklung des Rezyklatmarkts Um Stoffkreisläufe möglichst voll- problematisch. Dennoch gibt es erst sehr ver- ist der Rohölpreis von entscheidender Be- ständig zu schließen, ist nicht nur Stoffkreisläufe schließen einzelt kleinere Fortschritte im Hinblick auf eine deutung. Wenn Recyclingkunststoffe preislich eine hochwertige Abfallverwertung, ng zirkuläre Ausrichtung der Wertschöpfungskette. nicht marktfähig sind, ist die einzige Chance sondern auch das Design von Kunst- tieru Da unser Wertschöpfungssystem in vieler- eine politische Regulierung. stoffprodukten entscheidend. Flan- Sor kiert werden diese Ansätze durch Ve rw Sor (Re e r tung Abfallvermeidung und den Einsatz -) D neuer, nicht fossiler Rohstoffe, um es n e ch ig Verluste auszugleichen, die während t offl i g ks un der Verarbeitung, Nutzung und Ver- Rezy wer wert klat V er wertung unvermeidbar sind (siehe Kapitel 3). 16 17
Risiken und Chancen von 2 Mikroplastik und Verlust der Biodiversität Kunststoff In vielen Bereichen bedeuten Kunststoffe Chance und Ri- siko zugleich – dies betrifft die globale CO2-Problematik Mikroplastik ist in unserer Umwelt mittlerweile all- gegenwärtig. Es befindet sich in der Luft, in Lebens- mitteln, im Wasser sowie in vielen Kosmetika, Wasch- ebenso wie die praktischen Einsatzbereiche von Kunst- und Reinigungsmitteln. Im Mittel nimmt der Mensch stoffen, etwa im Lebensmittel- und Medizinbereich. jede Woche bis zu fünf Gramm Mikroplastik über die Nahrung zu sich. Erste Forschungsarbeiten zei- gen, dass mögliche gesundheitliche Langzeitfolgen Risiken und Chancen von Kunststoff wie Krebs in Zusammenhang mit den in Plastik bei- gemischten Chemikalien oder Zusatzstoffen stehen. 1 Laut einer Studie des Fraunhofer UMSICHT [2] sind die Hauptquellen von primärem Mikroplastik der Abrieb Kunststoffe und von Reifen, gefolgt von freigesetzten Partikeln bei der Abfallentsorgung. Kunststoffabfälle und Mikroplastik tragen zu einer Verschmutzung der Weltmeere bei, schädigen die mari- das CO2 -Problem nen Ökosysteme und führen zu einem gravierenden Rückgang der biologischen Vielfalt. Jedes Jahr gelangen über drei Millionen Tonnen Mikroplastik in die Umwelt; etwa die Hälfte davon schwimmt in den Weltmeeren [3]. Ein Hauptproblem bei Kunststoffabfällen Im Jahr 2019 haben die weltweite Kunststoffproduktion sind Einweg-Plastikflaschen und Plastiktüten. Es dauert Hunderte von Jahren bis diese sich und -verbrennung mindestens eine knappe Milliarde Ton- vollständig zersetzen. nen an Kohlenstoffdioxid (CO2) freigesetzt. Dies entspricht 01 etwa zwei Prozent der globalen Gesamtemissionen. Es 3 wird aber nicht nur CO2 emittiert, sondern auch andere Kunststoff Treibhausgase wie Methan. Diese werden dann in CO2- Äquivalenten angegeben. Werden diese anderen Treib- Weniger Lebensmittelverschwendung hausgase berücksichtigt, kommt man auf viel höhere Emissionen. Nach einer Hochrechnung des „Center for durch Kunststoff International Environmental Law“ werden sich die Treib- hausgas-Emissionen aus der Produktion und Verbrennung von Kunststoffen bis 2050 zusammengenommen auf circa Kunststoffverpackungen verlängern die Haltbarkeit von Lebensmitteln und schützen 56 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente belaufen [1]. Nach empfindliche Nahrungsmittel. Ohne Kunststoffverpackungen wäre die Menge an Lebens- dieser Schätzung wäre die Kunststoffwirt- mittelabfällen im globalen Ernährungssystem um ein Vielfaches größer. Der damit ver- schaft bis dahin für zehn bis dreizehn Pro- bundene Ressourcenverlust würde in der Regel auch den Aufwand für die Herstellung, zent der globalen Treibhausgas-Emissionen die Nutzung und das Recycling der Kunststoff-Verpackungen bei Weitem übersteigen. verantwortlich. Mehr Rezyklate könnten Allerdings setzt die Nahrungsmittelindustrie auch viele Verpackungen ein, die in erster diesem Trend entgegenwirken. Der Treib- Linie Marketingzwecken dienen. Diese Verpackungen verursachen einen großen Teil der hausgas-Ausstoß hängt auch vom jeweili- überflüssigen Abfälle: Viele Produkte in Einweg-Plastikver- gen Kunststoff-Polymer und dessen Her- packungen könnten ebenso gut ohne Verpackung oder in stellungsverfahren ab. Inzwischen gibt es Mehrwegverpackungen angeboten werden. Auch hat der sogar erste Pilotprojekte, die CO2 als Roh- Rezyklatanteil im Verpackungssektor noch deutliches Ver- stoff nutzen und wieder für die Kunststoff- besserungspotenzial: 2017 bestanden 90,9 Prozent der produktion verwerten (siehe Seite 76). Kunststoff-Verpackungen in Deutschland aus Neuware [4]. Im Lebensmittelbereich sind insbesondere rechtliche As- pekte der Grund für den geringen Einsatz von Sekundärroh- stoffen. Es gelten spezifische Vorgaben für die Qualität von Rezyklaten mit Lebensmittelkontakt. 18 19
4 Kunststoffverpackungen in der Ökobilanz 6 Kunststoffe für die Medizin Wiederverwendbare Kunststoffverpackungen können auch ökologische und öko- Für unzählige Anwendungen in der Me- nomische Vorteile gegenüber alternativen Verpackungslösungen aus anderen Mate- dizin und Medizintechnik sind Kunststoff- rialien bieten. So sind etwa Mehrwegpfandflaschen aus PET-Kunststoff Mehrweg-Glas- Produkte praktisch unverzichtbar. Typische flaschen in fast allen Umweltaspekten überlegen: Anders als bei PET-Einwegflaschen ist Produkte sind beispielsweise Spritzen, Ka- ihre Treibhausgasbilanz deutlich besser als die von Glas [5]. Selbst bei dem Verbrauch nülen oder Infusionsbestecke, aber auch von Rohöl-Äquivalenten schneidet die PET-Mehr- Orthesen und Inlays für Hörgeräte. Kunst- wegflasche besser ab als die Glasflasche: Durch stoffe sind steril, beständig gegen Flüssig- ihr weit geringeres Materialgewicht verbraucht keiten und nehmen keine Gerüche an. Sie Risiken und Chancen von Kunststoff der Transport weniger Kraftstoff. Dazu ist die sind auf vielfältige Weise form- und an- Glasproduktion sehr energieintensiv. Allerdings passbar und bergen so gut wie kein Risiko dominieren derzeit nicht Mehrweg- sondern PET- für Allergien. Besonders häufig kommen Einwegflaschen den Markt – insbesondere im Thermoplaste zum Einsatz, da sie isolieren- Discounter-Bereich. Ihre CO2-Bilanz ist etwa dop- de Eigenschaften haben und nicht knicken. pelt so schlecht wie die der Mehrwegflaschen. In Aus ihnen entstehen etwa wiederverschließbare Infusionsbeutel, Beatmungsschläuche oder der Produktion benötigen sie mehr Rohstoffe. Die exakt dosierbare Spritzen. Zwei besonders häufig eingesetzte Thermoplaste sind PEEK- und mehrfache Verwendung von Mehrwegflaschen ABS-Kunststoffe, die sich durch eine große Temperaturbeständigkeit auszeichnen. Glasfaser- spart etwa ein Drittel von fossilen Rohstoffen. verstärkte Kunststoffe erhöhen nochmals die Robustheit. Da Kunststoff vergleichsweise günstig in der Produktion ist, werden viele der verwendeten Materialien nach einmaligem Gebrauch entsorgt. Dies spart eine aufwändige Sterilisation und schützt vor Infektionen, erzeugt jedoch ein hohes Abfallaufkommen. Methoden wie die Dampfsterilisation erfüllen die Anforderungen, 01 um die Wiederverwendung von Kunststoffen in der Medizin zu erleichtern. Kunststoff 5 Energie sparen durch Kunststoffe im Leichtbau 7 Kunststoffabfälle als Exportgut Das geringe Gewicht von Kunststoffen macht diese zum idealen Werkstoff für den Leicht- bau. Im Automotive-Sektor ersetzen leichtere und neuartige Kunststoffe zunehmend andere Werkstoffe wie etwa Aluminium. Die Gewichtseinsparungen sind nennenswert. Abfall ist ein international gehandeltes Wirtschaftsgut. Kunststoffabfälle stellen dabei einen Sie verringern den Kraftstoffverbrauch und reduzieren CO2-Emissionen. Angepasste der bedeutendsten Abfallströme dar. Lange Zeit war China der größte Importeur von deut- Konstruktions- und Fertigungstechniken, die auf Kunststoffen basieren, erhöhen zu- schen Altkunststoffen. Die chinesischen Umweltstandards hinsichtlich der Verwertung und dem die Sicherheit. Der Leichtbau-Anteil wird in Zukunft zunehmen und auch auf Entsorgung liegen allerdings weit unter den deutschen. Während die Sortierreste aus dem neue Anwendungsbereiche wie mobile Energieerzeugungsanlagen, Kliniken oder Recycling in Deutschland einer hochwertigen thermischen Ver- Containerstädte ausgeweitet werden. Allerdings sind wertung zugeführt werden, werden diese in China ohne weitere die Entsorgungs- und Verwertungsfragen am Ende des Vorbehandlung entsorgt und vermüllen massiv die Weltmeere. Lebenszyklus meist noch ungeklärt. Traditionelle Ver- Anfang 2018 setzte ein länger angekündigtes Verbot für den Im- wertungskonzepte stoßen durch den geringeren Materi- port diverser Abfälle in China ein. Dies führte jedoch lediglich zu al-Footprint der Leichtbauprodukte an ihre Grenzen. Die einer Verlagerung des Problems und der Exporte nach Indien, Abfallhierarchie, welche den Umgang mit anfallenden Indonesien, Malaysia, Vietnam und in die Türkei. Die dortigen Ver- Abfällen, insbesondere Kunststoffabfällen, regelt, findet wertungssysteme sind drastisch überfordert; Vietnam verhängte in diesem Bereich nicht automatisch Anwendung. Um bereits erste Importbeschränkungen. Seit 2021 dürfen nur noch dies zu ändern, muss gewährleistet sein, dass Leicht- sortenreine und störstofffreie Kunststoffabfälle, die nachweis- bau-Produkte so designt sind, dass eine vermehrte lich zum Recycling bestimmt sind, mit anderen Ländern frei ge- Nutzung durch Refurbishment („Second Life“) oder ein handelt werden. Es müssen sinnvolle Entsorgungsstrukturen in vollständiges mechanisches oder chemisches Recycling diesen Ländern gefördert, primär aber nach Recyclinglösungen möglich werden. in Deutschland gesucht werden. 20 21
Kunststoffwirtschaft in Hessen Der Schwerpunkt liegt auf der Produktion Kunststoffwirtschaft Hessen 2019 Die Kunststoffwirtschaft ist für Europa und schaft von weiteren Spezialanwendungen für Deutschland von großer Bedeutung – mit die unterschiedlichsten Sektoren. Während 6,8 Mrd. € Umsatzvolumen, davon 2,9 Mrd. € in der Primärkunststoffherstellung hohen Beschäftigungszahlen und Umsätzen. die Herstellung von sonstigen Kunststoffwaren In Hessen dominiert die Kunststoffproduktion: knapp ein Drittel des Gesamtumsatzes der deut- 7,56 % des deutschlandweiten Umsatzes der Kunststoffwirtschaft Die Herstellung von Primärkunststoffen er- schen Kunststoffwirtschaft ausmacht, ist diese 6,7 % der Bruttowertschöpfung auf Landesebene zielte im Jahr 2018 einen Anteil von über vier- Kategorie in Hessen für nicht einmal ein Fünftel 25.726 Beschäftigte in 213 Unternehmen zig Prozent am Gesamtumsatz der hessischen des Markts verantwortlich. Die Herstellung von Kunststoffwirtschaft – fast doppelt so viel wie Verpackungsmitteln aus Kunststoffen beläuft Davon 4.007 Beschäftigte in 24 Unternehmen in der Primärkunststoffherstellung Kunststoffwirtschaft in Hessen der deutsche Durchschnitt. Die ökonomische sich mit sieben Prozent des Gesamtumsatzes Bedeutung der Herstellung gegenüber der der hessischen Kunststoffwirtschaft auf etwa Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt (2019) Verarbeitung von Kunststoff ist daher in Hes- die Hälfte des bundesdeutschen Schnitts. Auch sen deutlich ausgeglichener als in Deutsch- die wirtschaftliche Bedeutung der Herstellung land i nsgesamt: Die kunststoffproduzierenden von Baubedarfsartikeln liegt mit sechs Prozent Unternehmen sind mit knapp 170 Mit- deutlich unter dem deutschen Mittel von zehn arbeitenden im Schnitt etwa anderthalbmal Prozent. Ausgeglichen wird dies zum einen Chemie- und Pharma-Standort so groß wie Unternehmen der kunststoffver- durch die größere Bedeutung der Herstellung arbeitenden Industrie. Als wichtigster An- von Platten, Folien, Schläuchen und Profilen in wendungsbereich sticht die Medizintechnik Hessen, aber vor allem durch den bedeutend Der größte Anteil der Primärkunststoffe wird in Hessen durch Unternehmen der chemischen Industrie 01 heraus. Dazu kommt eine mittelständisch ge- höheren Anteil der Herstellung von Primär- hergestellt und exportiert. Der Sektor der chemisch-pharmazeutischen Industrie liegt landesweit mit mehr prägte Unternehmens- und Wirtschaftsland kunststoffen. als einem Viertel des Gesamtumsatzes des verarbeitenden Gewerbes weit über dem Bundesschnitt von Kunststoff rund zehn Prozent. Viele Kunststoffe werden für die Medizintechnik produziert. Die Medizintechnik stellt insgesamt einen Schwerpunkt in der hessischen Wirtschaft dar. Kunststoffproduktion in Hessen nach Sektoren Platten, Folien, Primärkunststoffe Schläuche und Profile 25% 43% 7% Verpackungsmittel 6% Baubedarfsartikel 19% sonstige Kunststoffwaren Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt (2019) 22 23
Handlungsziele Der Verband der Kunststofferzeuger „Plastics Europe“ sieht in der Schließung der Kreisläufe eine Das Potenzial des Rezyklatmarkts ist noch lange nicht ausgeschöpft. Altkunststoffe und bisherige für Unternehmen effektive Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit Kunststoffabfälle werden zunehmend als poten- der europäischen Kunststoffwirtschaft zu steigern, zieller Rohstoff betrachtet und damit mehr und dem Klimawandel zu begegnen und damit einen mehr zu einem internationalen Wirtschaftsgut. Die Beitrag zum Erreichen der SGDs der Vereinten Circular Material Use (CMU) Rate, die Nutzungsrate Nationen zu leisten. Auch die Ellen MacArthur wiederverwendbarer Materialien, ist in Europa je- Foundation verweist auf die enormen Kosten- doch sehr niedrig. Je höher der CMU-Wert, desto Der Markt für kreislauforientierte Kunststoff- einsparpotenziale, die sich aus innovativen, zirku- mehr Primärrohstoffe wurden durch Sekundär- Konzepte entwickelt sich zunehmend zu einem lären Geschäftsmodellen mit Lösungen zur Ver- materialien eingespart. Von 2014 bis 2019 ist der Schlüsselsektor für die Wettbewerbsfähig- meidung, Wiederverwendung und Neugestaltung CMU-Wert für die EU-Mitgliedsstaaten von 11,1 auf Handlungsziele für Unternehmen keit. Unternehmen können zukünftig nur dann von Kunststoffabfällen ergeben könnten. Darüber 11,9 Prozent nur geringfügig angestiegen [6]. Auch erfolgreich sein, wenn sie sich aktiv für die Faktoren für die hinaus steigern zirkuläre Geschäftsmodelle die in Deutschland gibt es noch Luft nach oben. Im Jahr Kreislaufführung engagieren und das Ziel der Kreislaufführung Resilienz eines Unternehmens, indem es sich 2019 wurden hier über vierzehn Millionen Tonnen CO2-Neutralität ernst nehmen. Bisher sind in unabhängig von etwaigen Preisvolatilitäten und Kunststoffe verarbeitet, aber nur für weniger als Europa die Fortschritte in Richtung zirkulärer Kursschwankungen für Erdöl und andere Primär- ein Siebtel dieser Menge Rezyklate eingesetzt [7]. Wertschöpfungsketten – sowohl auf techno- rohstoffe positionieren kann. Alternative Rohstoffe Ein wichtiger Faktor ist der überwiegende Export • Entwicklung von logischer als auch in Form innovativer Geschäfts- und Sekundärrohstoffe gewinnen immer stärker an von Kunststoffabfällen, die anderorts durch Ver- modelle auf ökonomischer Ebene – äußerst ge- innovativen Produkten, Bedeutung. Insbesondere Biokunststoffe haben brennung zur Energiegewinnung genutzt, nicht ring. Bislang freiwillige Selbstverpflichtungen Geschäftsmodellen in den letzten Jahren mit zehn bis dreißig Prozent aber recycelt werden. Das exportierte Recycling- werden jedoch zunehmend durch verbindliche Aufwuchs pro Jahr stark zugenommen. potenzial liegt jährlich bei rund einer Million Ton- Vorgaben abgelöst. Zukünftig müssen sich alle und Technologien nen und besitzt einen Wert von über dreihundert Akteure auf strengere rechtliche Vorgaben und Millionen Euro. 01 wachsende Kundenanforderungen einstellen, die • Kooperationen in der neue Lösungsansätze erfordern. Seit Januar 2021 Kunststoff gilt etwa ein EU-weites Exportverbot für schwer Wertschöpfungskette recycelbare Kunststoffabfälle, die vermischt oder verschmutzt sind; seit Juli 2021 ein Produktions- verbot für viele vermeidbare Einwegplastik- produkte. Verschiedene Akteure der Kunststoffwirtschaft Für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft sind Multi-Stakeholder-Ansätze notwendig. Diese müssen sämtliche Akteure aus allen Phasen der Wertschöpfungskette berücksichtigen. Anwender, Inver- kehrbringer und Recycler müssen sich stärker austauschen und abstimmen. Hier ist auch die Politik • Akteure in Forschung an und Entwicklung von innovativen gefragt, entsprechende Anreize zu setzen. Bereits die klassische „lineare“ Kunststoffwirtschaft be- Kunststoffen, zieht eine Vielzahl von Akteuren in den unterschiedlichen Bereichen der Produktion, Verarbeitung, • Akteure im Bereich Design und Re-Design (Design for x), Nutzung und Verwertung beziehungsweise Entsorgung ein. Eine Kreislaufführung von Kunststoffen muss zukünftig zusätzliche Wertschöpfungsstufen und Akteure berücksichtigen. • Rohstoffproduzenten, • Hersteller von Kunststoffen, • Kunststoffverarbeiter, • Nutzende (gewerbliche Endverbraucher und private Haushalte), • Verwerter von Kunststoffen (Sammel-, Sortier- und Rücknahmelogistik, Recycling, Energiegewinnung, etc.), • Entsorger von Kunststoffen (Deponierung). 24 25
02 Regelungen Die rechtlichen Vorgaben für die Kunststoff- wirtschaft werden in Europa und Deutsch- land verbindlicher. Die Umwelt- und Wirt- schaftspolitik verfolgen das Leitbild einer Circular Economy, die den gesamten Rechtliche Rahmenbedingungen und Trends Lebenszyklus von Produkten im Blick hat. 26 27
Zunehmend verbindliche Der Europäische Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft europäische Verordnungen (veröffentlicht im März 2020) • hat zum Ziel, die europäische Wirtschaft vom Ressourcen- verbrauch zu entkoppeln und den Wandel von einer Weg- werfgesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit zu unterstützen; • etabliert Normen und Rechtsvorschriften für eine nachhaltige Produktpolitik; • beinhaltet konkrete Maßnahmen, Vorgaben und Quoten und adressiert damit die gesamte Wertschöpfungskette der Kunststoffwirtschaft; • fordert einen höheren Rezyklatanteil von Kunststoffen; • setzt einen Fokus auf Mikroplastik sowie biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe; • stellt die Vermeidung von Abfall und dessen Umwandlung 02 in hochwertige Sekundärressourcen in den Vordergrund; Regelungen • prüft ein EU-weites Modell für die getrennte Sammlung von Abfällen und Kennzeichnung; • minimiert die Ausfuhr von Abfällen aus der EU und be- kämpft illegale Abfallverbringungen; • zielt auch auf global verbindliche Abkommen ab. Die EU-Kommission hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Richtlinien und Verordnungen er- lassen, die von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden müssen. Als Konsequenz der „European Strategy for Plastics in a Circular Economy 2018“ werden Themen wie die Vermeidung von Kunst- stoffabfällen, ein erhöhter Einsatz von Rezyklaten und die Reduktion des Kunststoffeintrags in die Umwelt die kommenden Regulierungen der EU maßgeblich beeinflussen. In den letzten Jahren wurden bereits einschneidende Verordnungen erlassen, die vor allem den Einwegverpackungs- markt nachhaltig verändern werden. Weitere Regulierungen sind zu erwarten. Ein Hauptpfeiler Globale Verantwortung der EU-Politik und zentrales Element des europäischen Green Deals ist der 2020 veröffentlichte, europäische Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft, in dem Kunststoffe eine prominente Rolle spielen. Auf der globalen Ebene gibt es bisher keine verpflichtenden Abkommen, die zum Beispiel die Produktver- antwortung von Herstellern oder den Einsatz von Rohöl als Rohstoff für die Kunststoffproduktion regulieren. In unserem globalisierten Wirtschaftssystem werden Kunststoffabfälle jedoch zu großen Teilen exportiert und verursachen steigende Umweltbelastungen im globalen Süden. Ein System zirkulärer Wertschöpfung erfordert eine erweiterte Herstellerverantwortung, die nicht an der deutschen oder europäischen Grenze endet, sondern global gilt. Die EU übernimmt in diesem Prozess eine Führungsrolle. 28 29
Förderung für nachhaltige Verschiedene europäische Förderprogramme unterstützen den Forschungsbedarf im Bereich und Einrichtungen der Kommunen und Länder bereit. Schwerpunkte liegen auf der Förderung Produkte und Nutzungsmuster der Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe. Aktuell sind dies insbesondere Ausschreibungen zum Euro- pean Green Deal und Schwerpunkte innerhalb des von Sortierlösungen für Kunststoffabfälle, der Weiterentwicklung von werkstofflichen, rohstoff- lichen und chemischen Recyclingverfahren, der Forschungsrahmenprogramms Horizon Europe. Entwicklung von Ansätzen für mehr Kunststoff- Europäische Strategien, Förderprogramme und Richtlinien geben die rezyklate sowie der Entwicklung von Design-for- Richtung für die Umsetzung auf nationaler Ebene vor. Daran orientie- Im Rahmen der deutschen Nachhaltigkeits- Sustainability-Konzepten für Kunststoffprodukte in strategie wurde das Förderprogramm zur For- den Bereichen Verpackungen, Bauprodukte, Elek ren sich Gesetze und Programme für ganz Deutschland und münden auf schung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) ins tro- und Elektronikaltgeräte und Fahrzeuge. Das Landesebene beispielsweise in der Strategie zur Plastikvermeidung und Leben gerufen. Das zugehörige Förderprogramm Bundesumweltministerium (BMU) fördert Prozess- dem Abfallwirtschaftsplan Hessen. zu Kunststoffrecyclingtechnologien (KuRT) stellt innovation in der Kunststoffaufbereitung und Mittel für Verbundvorhaben zur Erforschung neuer weitere Forschungsvorhaben im Rahmen eines Technologien, Produkte und Prozesse von Unter- Fünf-Punkte-Plans und seines Umweltinnovations- nehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen programms. Übersicht und Wirkungsgefüge der politischen Rahmenbedingungen EU: Strategien und Förderprogramme Richtlinien 02 European Green Deal Horizon 2020 EEA-Report: Ökodesign Horizon Europe Preventing EU Strategie für Kunststoffe in plastic waste Einwegkunststoffe Regelungen der Kreativwirtschaft in Europe Verpackungen und Verpackungsabfälle EU Kunststoffstrategie Aktionsplan Kreislaufwirtschaft 2.0 Abfallrahmen Bund: Strategien und Förderprogramme Gesetze Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie FONA3 (Forschung ZSVR KrWG (Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft) für Nachhaltigkeit) (Zentrale Stelle 5-Punkte-Plan des BMU Verpackungsregister) VerpackG (Verpackungsgesetz) Rohstoffstrategie 2020 ElektroG (Elektrogesetz) ProgRess (Maßnahmen zur Steigerung KuRT (Kunststoff- LUCID (Melderegister) EVPG (Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz) der Ressourceneffizienz) Recyclingtechnologien) Hessen: Strategien und Pläne Gesetze Ressourcenschutzstrategie Abfallwirtschaftsplan Hessen HAKrWG (Hessisches Ausführungsgesetz zum Kreislaufwirtschaftsgesetz) Plastikvermeidungsstrategie Nachhaltigkeitsstrategie 30 31
Bundesweite Strategien und Gesetze Deutschlands Kreislauf- wirtschaftsgesetz • Der 5-Punkte-Plan des Bundesumweltministeriums für weniger Plastik und mehr Recycling von 2018 soll zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung von Kunststoffen beitragen und definiert Maß- nahmen zu den Schwerpunkten Abfallvermeidung, Ökodesign, Rezyklateinsatz und internationales Engagement gegen Meeresmüll. Als gesetzliche Rahmenbedingung für eine zirkuläre Kunststoffwirtschaft auf nationaler Ebene ist ins- • Die Fortschreibung der Rohstoffstrategie 2020 zielt auf eine möglichst hohe Substitution von besondere das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) als das zentrale Gesetz des deutschen Primärrohstoffen durch Sekundärrohstoffe ab – und fordert damit auch mehr Kunststoffrezyklate. Abfallrechts zu nennen. Dieses gibt eine fünfstufige Abfallhierarchie vor. An oberster Stelle steht die Abfallvermeidung. Dann erst folgen die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling, die • Das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm ProgRess hält Leitideen und Handlungsansätze für den Schutz der natürlichen Ressourcen fest. sonstige, vorwiegend energetische Verwertung und Verfüllung sowie die Beseitigung. Das Kreis- laufwirtschaftsgesetz verpflichtet die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen zur ordnungsgemäßen • Das Abfallvermeidungsprogramm (AVP) hat 2013 erstmals sämtliche Abfallvermeidungsmaß und schadlosen Verwertung. Weitere Verordnungen zur Umsetzung der EU-Vorgaben konzentrieren nahmen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene zusammengefasst und bewertet. sich stark auf das Thema Verpackungen. • Das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) verpflichtet seit 2015 unter anderem die Hersteller, Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte zu übernehmen. Um der Abfallhierarchie gerecht zu werden und eine höhere Wiederverwendungs- und Recycling- • Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) ist das zentrale Gesetz des deutschen Abfallrechts. quote zu erreichen, sind die dualen Entsorgungssysteme seit 2019 zur ökologischen Gestaltung der Es fördert die Kreislaufwirtschaft zur Schonung natürlicher Ressourcen und definiert dafür eine Beteiligungsentgelte verpflichtet. Die Systeme müssen dementsprechend Anreize schaffen, damit Abfallhierarchie. Hersteller von Verpackungen besonders recyclingfähige Materialien einsetzen und einen hohen Rezyklateinsatz absichern. Zukünftig sollen weitere Regulierungen gesetzlich verankert werden, • Das Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz (EVPG) setzt die europäische Ökodesign- darunter auch eine Zielvorgabe von siebzig Prozent Mehrweg-Getränkeverpackungen. Richtlinie in deutsches Recht um. 02 • Laut dem 2019 verabschiedeten Verpackungsgesetz (VerpackG) hat die Vermeidung von Regelungen Verpackungsabfällen oberste Priorität. Abfallhierarchie nach KrWg 273 • Das öffentliche Verpackungsregister LUCID der zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) sorgt für Transparenz im Verpackungsbereich. • Die 2020 beschlossene Einwegkunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV) verbietet das Inverkehr bringen von bestimmten Einwegkunststoffprodukten und generell von Produkten aus besonders Vermeidung schlecht recycelbaren, nicht wiederverwendbaren Kunststoffen (oxo-abbaubare Kunststoffe). Vorbereitung zur Wiederverwendung Recycling sonstige Verwertung, insb. energetische Verwertung und Verfüllung Umsetzung in Hessen Beseitigung Die bundesweit erlassenen Gesetze gelten auch auf Landesebene. Hessen hat neben dem Hessischen Aus- führungsgesetz zum Kreislaufwirtschaftsgesetz (HAKrWG) zusätzlich konkrete Maßnahmen zur Vermeidung von Plastik in einem Katalog veröffentlicht [8]. Die Reduktion von Kunststoffen spielt dabei eine wichtige Rolle. Bereits 2008 hat Hessen eine Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet, die die gute Lebensqualität, die vielfältige Landschaft und die hohe Wirtschaftskraft Hessens auch für zukünftige Generationen erhalten soll. 32 33
03 Strategien und Lösungsansätze Die Transformation in eine Kreislaufwirtschaft erfordert Veränderungen entlang der gesam- ten Wertschöpfungskette. Für die Kunststoff- wirtschaft sind die wichtigsten Ansatzpunkte: Abfälle vermeiden, Stoffkreisläufe schließen und die rohstoffliche Basis für Kunststoffe Zukunft durch Kreislauf verändern. 34 35
Mit integrierten Lösungen zum Ziel Für ein nachhaltiges Wirtschaften ist es entscheidend, Um Stoffkreisläufe möglichst vollständig zu schließen, müssen Strategien entlang der die komplexen Wechselwirkungen entlang der Wert- gesamten Hierarchie und der Wertschöpfungs- ren ie Re schöpfungskette für jeden spezifischen Fall zu analysie- kette ineinandergreifen. duz pa re ri ren und zu bewerten – von unterschiedlichen Rohstof- h er uc en fen und dazu passenden Herstellungsverfahren bis hin bra Ver zu möglichen Lebenszyklen, Verwertungsszenarien und Stoffkreisläufen. Angesichts der enormen ökologischen Abfälle Herausforderung ist die Kombination unterschiedlicher vermeiden Lösungsansätze zwingend notwendig für einen Wandel in der Kunststoffwirtschaft. Dabei ist die Priorisierung Verbrauch n de entsprechend der Abfallhierarchie einzuhalten: Können ng eitu en rb Ab Kunststoffabfälle nicht vermieden werden, so sollen die- ra f rw e e rv se möglichst umfassend und häufig stofflich verwertet Ve al ie d ls a W werden. Ist auch das nicht mehr möglich, so sind weitere mm Verwertungsoptionen zu prüfen. lu ng n Produktio 03 Stoffkreisläufe Strategien und Lösungsansätze schließen ng ti er u Kunststoffabfälle vermeiden Sor (R e Zur Abfallvermeidung gehören sowohl der quantitative Verzicht auf unnötiges -) D Material wie auch der qualitative Verzicht auf besonders umweltbelastende gn es und schwer recycelbare Inhaltsstoffe. Ressourcenschonende Produktdesigns i und zirkuläre Nutzungsmuster ergänzen sich gegenseitig. ng tu Rez w er yklat Ve r Stoffkreisläufe schließen Stärker geschlossene Kreisläufe erhalten den Wert von Produkten, ver- arbeiteten Materialien oder Rohstoffen über den Produkt-Lebenszyklus hin- neue Rohstoffe Ve rw Sor e r tung weg. Neue Entwicklungen für intelligente Sammel- und Verwertungsprozesse und ein recyclingfreundliches Design leisten wichtige Beiträge. nutzen Neue Rohstoffe nutzen Alternativen zu Erdöl als Rohstoff für die Kunststoffproduktion sind auf dem Weg in eine CO2-neutrale Wirtschaft essenziell. Mögliche Lösungen bieten etwa biobasierte Produkte, die Verwertung von Gasen und Ölen aus dem chemischem Recycling und CO2-basierte Kunststoffe. 36 37
Kunststoffabfälle vermeiden Eine konsequente Abfallvermeidung soll das wirtschaftliche Wachstum der Kunststoffbranche von der Umwelt- Qualitativ und quantitativ belastung durch Abfälle so weit wie umdenken möglich entkoppeln. Die Abfallver- meidung steht an oberster Stelle der Kunststoffabfälle vermeiden Erstens müssen die Abfallmengen in Europa und Deutschland gesetz- insgesamt kleiner werden. Zwei- tens ist es gerade bei Kunststoffen lich verankerten Abfallhierarchie. Ab- wichtig, zwischen verschiedenen fälle sollen in erster Linie vermieden Arten von Abfällen und ihrem jewei- und erst in zweiter Linie recycelt oder ligen ökologischen Fußabdruck zu unterscheiden. Ziel ist der möglichst thermisch verwertet werden. Nur vollständige Verzicht auf kritische in Ausnahmefällen kann die abfall- Inhaltsstoffe, die bei der Produktion, wirtschaftliche Planung von diesen Nutzung oder Entsorgung Gesund- heit oder Umwelt gefährden. Vorgaben abweichen, etwa wenn Die Abfallvermeidung setzt an Weniger Verpackungs- Quote für Reparieren, Teilen, Lebenszyklusanalysen darauf hin- verschiedenen Stellen entlang der abfall durch Design und Mehrweglösungen Erhalten weisen, dass abweichende Ansätze Wertschöpfungskette an und kann Re-Design 03 somit auch von unterschiedlichen vorteilhafter für die Umwelt sind. Akteuren initiiert werden. Im Idealfall Strategien und Lösungsansätze fließt sie konzeptionell bereits in das Produktdesign ein und wird durch Ein durchdachtes Produktdesign Neben dem Verpackungsdesign Die Nutzungsintensität von geeignete Nutzungsmuster und kann entscheidend zur Abfall- sind Mehrweglösungen ein kunststoffhaltigen Produkten zirkuläre Modelle fortgeführt. vermeidung beitragen. Gerade entscheidender Hebel für die lässt sich durch zirkuläre Modelle der Verpackungsbereich hat Abfallvermeidung. Da Mehrweg- verlängern. Dazu gehören etwa noch deutliches Verbesserungs- produkte aufgrund der Anforde- Reparatur und Remanufacturing potenzial. Obwohl Verpackungen rungen an ihre Haltbarkeit in der oder Konzepte des Sharings und im Durchschnitt bereits deutlich Regel schwerer sind, reduzieren Leasings. Produktdienstleistungs- leichter geworden sind – weniger sie Abfälle zwar erst ab einer systeme setzen durch die Garantie Unverpackt im Trend Gewicht senkt die Materialkosten produktabhängigen Mindestan- einer gewissen Dienstleistung und spart gewichtsabhängige zahl von Nutzungen – dann aber Anreize für Kunden, langlebigere In „Unverpackt”-Läden werden die Pro- Lizensierungsgebühren – hat deutlich. Die Gesetzgebung sieht Produkte zu erwerben. Gerade dukte ohne Verpackung und stattdessen sich das Plastikverpackungsauf- für Getränkeverpackungen eine im Bereich der Alltags-Elektronik- beispielsweise an Abfüllstationen an- kommen pro Kopf in den letzten Zielvorgabe von siebzig Prozent produkte wie Waschmaschinen, geboten. Mittlerweile sind etwa drei- zwanzig Jahren mehr als verdop- Mehrweganteil vor. Diese Quote Wecker und Staubsauger, sind hundert Läden beim Bundesverband pelt. Grund sind eine Reihe von wird jedoch seit Jahren deutlich solche Veränderungen wichtig. registriert. Noch handelt es sich um ein Negativtrends, die der verbesser- unterschritten: 2018 betrug sie Allein diese Produkte binden Nischenphänomen. Allerdings starten ten Materialeffizienz entgegen- nur etwa vierzig Prozent [9]. rund 940.000 Tonnen Kunststoff bereits erste Pilotprojekte der großen stehen. Dazu gehören kleinere im Jahr [10]. Akteure auf dem Lebensmittel- und Verpackungseinheiten, Sammel- Drogeriemarkt. verpackungen von portionierten Einheiten und der zunehmend wachsende Onlinehandel. 38 39
Praxisbeispiel:circolution GmbH 2021 wurden die Gründer von circolution mit ein erster Test-Pilot unter realen Bedingungen dem „Hessen Ideen Stipendium“ für wissens- in einigen Supermärkten in Frankfurt erfolgen, Mehrwegverpackungen für basierte Gründungsideen aus den hessischen Hochschulen ausgezeichnet. Das vierköpfige um die unkomplizierte Implementierung in die Abläufe des Einzelhandels zu beweisen. Die Lebensmittel als Service Gründerteam will mit circolution ein un- abhängiges Pool-Mehrwegsystem für Lebens- komplette Automatisierung des vollen Mehr- wegkreislaufs inklusive Logistik, Rückholung und mittelverpackungen schaffen, das auf alle Reinigung wird im zweiten g rößeren Test-Piloten Lebensmittelsegmente, Einzelhändler und 2023 im Rhein-Main-Gebiet in dreißig bis sech- Lebensmittelproduzenten skalierbar ist. 2022 soll zig Supermärkten getestet. Kunststoffabfälle vermeiden Mehrwegverpackungen zu mieten, an- statt sie zu kaufen, spart Geld, Platz und Zeit. Das Startup circolution hat dafür ein Mehrwegsystem mit einer modu- laren Verpackungslösung entwickelt, das auf vorhandener Infrastruktur und bestehenden Standards aufbaut und dadurch schnell skaliert werden kann. Modulare Verpackungen aller Größen sollen zukünftig Transport und Reinigung vereinfachen und eine ökologisch sinn- vollere Lösung zu Einwegverpackungen bieten. Die White-Label-Verpackung lässt sich durch abwaschbare Etiketten 03 individuell an Marken anpassen. Neben dem Bereitstellen der Verpackung ist Strategien und Lösungsansätze das Management der gesamten Liefer- kette der Service von circolution: von der Anlieferung der Verpackungen bis zur Abholung, Sortierung, Inspektion und Reinigung. Eine Pay-per-Cycle-Gebühr erspart Kapitalinvestitionen und dank einer bedarfsgerechten Lieferung ist nur eine begrenzte Lagerung erforderlich. Einfache Formen und zueinander stimmige Größen bieten viel Platz zur Differenzierung für die Etiketten der unterschiedlichen Marken. Die Zukunftsvision von circolution: Mit der herstellern und Verkaufsstellen zugänglich und flächendeckenden Einführung des neuen Mehr- schafft gleichzeitig eine bequeme und kosten- wegsystems wird der Übergang zu einer Welt günstige Lösung für Konsumentinnen und ohne Verpackungsmüll beschleunigt. Dank Konsumenten. Während der Skalierungsphase des Open Access-Prinzips wird das System von entsteht für Pioniere somit viel Wachstums- Anfang an für jede Größe von Lebensmittel- potenzial. „Unser Mehrwegsystem, inklusive Verpackung, schafft eine bequeme und nachhaltige Lösung für die Industrie sowie für Konsumentinnen und Konsumenten. Mehrweg richtig ge- dacht, ist eine sinnvolle Alternative zu Einweg.“ Kirils Jegorovs, Mitgründer www.circolution.com 40 41
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