LASST BLUMEN BLÜHEN! - Naturschutzbund Österreich
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LASST BLUMEN BLÜHEN! ZEITSCHRIFT DES | naturschutzbund | BEILAGE ZU HEFT 2-2015 ZUR FÖRDERUNG EINGEREICHT BEI BUND UND EUROPÄISCHER UNION
EDITORIAL INHALT Fotonachweis Seite III (v. l. o.): Marlies Sperandio; Markus Grabher/UMG; Alfons Griesbauer/Saaten Zeller; Alexander Schneider; Marlies Sperandio; Markus Grabher/UMG. Tiere: Wolfgang Schruf (2); Josef Limberger (Rebhuhn) II Vorwort Lasst Blumen blühen! III Bildseite „Lasst Blumen blühen!“ IV Kampagne NATUR VERBINDET „Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt V Blühflächen gesucht! Meldeplattform mich,…“ – wer kennt es nicht, das nette VII Wiesenmeisterschaften Spiel mit der Wiesen-Margerite, bei dem die VIII Ohne Blumen keine Bienen weißen Zungenblüten ausgezupft werden und X Woran Bienen in der Kulturlandschaft die letzte verbleibende Blüte die erwartete oder nicht erhoffte scheitern Antwort gibt. Die Blüte als Wahrsagerin – als Tor zum Blick XII Initiative in Deutschland: in die Zukunft! Ja. Aber wo sind sie geblieben, die Margeriten Netzwerk Blühende Landschaft und ihre bunten Begleiterinnen? In einem Umfeld überdüng- XIV Initiative in Vorarlberg: Mach mit – ter, vierschüriger Futterproduktionsflächen und in Gärten mit bringen wir das Land zum Blühen! Golfrasen-Outfit? Sattes, monotones Grün ohne weiße, rote, XVII Das Potenzial verschiedener Flächen für den Wildbienenschutz blaue, gelbe und andersfarbige Lockobjekte für Bestäuber- XVIII Mit dem Klappertopf zur blühenden insekten und unser Auge. In einem Umfeld intensivster Pro- Wiese duktionsflächen mit Einsatz von Pestiziden aller Art? XX Mit regionalem Saatgut und ohne Humus Das Wechselspiel zwischen Pflanzen und ihren Bestäubern fin- zu artenreichen Blumenwiesen det nur mehr auf sehr begrenzten Flächen statt. Und wir wis- XXII Mahdtechniken und ihre Auswirkungen sen nicht, ob dies für das weitere Überleben vieler Pflanzen- auf die Tieröklolgie und Tierarten ausreicht. Denn Wildbienen, Honigbienen, XXIV Pflegeempfehlungen für Weg- und Straßenränder Schwebfliegen und Schmetterlinge sorgen dafür, dass sich nahezu alle Blütenpflanzen vermehren. In diesem Sinne sind XXV Bienentrachtpflanzen Schutzmaßnahmen, Ankauf und Sicherung von Lebensräu- XXVI Häufige Wildbienenarten men ein zentrales Anliegen des Naturschutzbundes: Denn hier XXVII Häufige Hummelarten können sich Arten frei entwickeln, ihr Potenzial ausschöpfen. XXVIII Worauf es bei Wildbienennisthilfen Damit geben wir den Blumen die Möglichkeit zu blühen – ankommt und was genau so wichtig ist – zu fruchten! Neu erworbene XXX Förderungen in der Landwirtschaft genetische Informationen können so an die kommende Gene- XXXI Links & Adressen ration ebenso weitergegeben werden wie die Lebensgrundlagen XXXII Hummel-Meldeaufruf (letzte Seite) für die blühenden Pflanzen und die mit ihnen verbundenen Tiere. Und wir Menschen können uns weiterhin am vielfälti- gen Blütenreichtum erfreuen. Geben wir den Blumen eine großflächige Chance! Titelbild: Streuobstwiese bei Willersdorf im Bur- Roman Türk, Präsident genland mit Knabenkraut (Dactylorhiza majalis), | naturschutzbund | Österreich Klappertopf u. a.. Foto: Josef Weinzettl Herausgeber, Eigentümer, Verleger: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Autors wieder und | naturschutzbund |, Museumsplatz 2, 5020 Salzburg, T 0043/(0)662/64 29 09 decken sich nicht unbedingt mit der Redaktion und des Herausgebers. Im Sinne Redaktionsleitung: ChefR Ingrid Hagenstein (HA) , T +43/(0)662/64 29 09-13, der Vereinfachung können u. U. geschlechtsspezifische Endigungen weggelas- natur-land@naturschutzbund.at sen werden. Selbstverständlich sind immer beide Geschlechter angesprochen. Redaktionsmitarbeit: Mag. Birgit Mair-Markart, Mag. Christine Pühringer Präsidium: Univ.-Prof. i. R. Dr. Roman Türk (Präsident), Hildegard Breiner, Prof. Univ.-Doz. Dr. Johannes Gepp, Univ.-Prof. Dr. Walter Hödl (Vizepräsidentin/en) ISSN: 0028-0607 Satz, DTP-Layout, Druckvorstufe: Ingrid Hagenstein DVR 0457884 Druck: Bubnik Druck, 5323 Ebenau, Am Kirchberg 1. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem zertifiziertem Papier. Offenlegung laut Mediengesetz: natur&land ist eine konfessions- und parteiun- gebundene Zeitschrift, die seitens des | naturschutzbund | herausgegeben wird. Der | naturschutzbund | ist Mitglied der Weltnatur- Redaktionelles Ziel: Kritische Information zu Fragen des Natur- und Umwelt- schutzorganisation „International Union for Conser- schutzes. vation of Nature“ Salzburger Sparkasse, 5020 Salzburg, IBAN AT342040400000018069, BIC SBGSAT2SXXX II Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015
Lassen wir Blumen blühen… …auf Verkehrsinseln Böhmische Kuckuckshummel …zwischen Maisfeldern …auf Berg- und Talwiesen …für Hummeln, Schmetterlinge & CO …auf Äckern Hauhechel-Bläuling …an Bahndämmen …an Straßenrändern
Beispiele für Blühflächen, wie sie Bienen und andere Bestäu- berinsekten brauchen: Bunte Ackerbegleitflora und eine „Blühschneise“ durch ein Maisfeld. Wildbienen (Foto o.) profi- tieren davon ebenso wie Feldhasen, Rehe und Rebhühner. NATUR VERBINDET NEUE KAMPAGNE FÜR MEHR NATUR IN DER KULTURLANDSCHAFT D ie Kulturlandschaft unseres Landes ist von Menschenhand UNTER DEM MOTTO „JEDER QUADRATME- geformt. Über viele Jahrhunderte haben Bauern eine artenreiche TER ZÄHLT“ STARTET DER | naturschutz- und blühende Landschaft hervorgebracht, in der Bienen, bund | GEMEINSAM MIT VIELEN PART- Schmetterlinge, Vögel und andere Wildtiere Lebensraum und NERN DIESE MEHRJÄHRIGE KAMPAGNE Nahrung gefunden haben. Schleichend hat sich das Landschaftsbild seit FÜR EINE ARTENREICHE KULTURLAND- den 1960ern verändert – einerseits durch den immer größer gewordenen SCHAFT IN ÖSTERREICH. IM ZENTRUM Flächenverbrauch, andererseits aufgrund der Rationalisierung und Spe- STEHT DER AUFRUF AN GRUNDBESITZER, zialisierung in der Landwirtschaft und den damit verbunden geänderten IHRE NATURFLÄCHEN AUF WWW.NATUR- Landbaumethoden, wie Vergrößerung der Feldstücke, Pflanzenschutz VERBINDET.AT ZU PRÄSENTIEREN. ZIEL maßnahmen und neue Erntetechniken. Trotz des Wettbewerbsdrucks, IST ES, IM GANZEN LAND MÖGLICHST VIE- dem die heimische Land- und Forstwirtschaft ausgesetzt ist, wurde und LE BLÜHFLÄCHEN ZU SCHAFFEN, ZU wird mit Hilfe einer Reihe freiwilliger Naturschutzmaßnahmen versucht ERHALTEN UND NATURNAH ZU PFLEGEN. entgegenzusteuern. INGRID HAGENSTEIN Die Situation für Wild- und Honigbienen, Schmetterlinge & Co hat sich jedoch nicht verbessert, sondern dramatisch verschlechtert: Jede zehn- te europäische Bienenart ist vom Aussterben bedroht. Was fehlt, sind Blühflächen, wie blumenreiche Straßen-, Weg- und Ackerränder, Blühschneisen zwischen Äckern, Wildblumenwiesen (v. a. Magerwiesen), Hecken, Ufergehölze, naturnahe Waldränder. Als verbindende Elemente fördern sie den für die Artenvielfalt so wertvollen Biotopverbund: Die Arten bleiben nicht isoliert und die Natur kann sich entwickeln. Aus diesem Grund hat der Naturschutzbund gemeinsam mit dem Umweltministerium, der Landwirtschaftskammer Österreich, den Bun- desforsten, der Initiative MUTTER ERDE und vielen weiteren Partnern NATUR VERBINDET ins Leben gerufen. „Wir wollen alle ansprechen, vom Landwirt über den Firmenchef bis hin zum Gartenbesitzer. Besonders wichtig dabei ist die Zusammenarbeit mit jenen, die Einfluss auf Art und Intensität der Bewirtschaftung haben. Sie alle sind herzlich willkommen, um mit uns das Naturnetzwerk dichter zu flechten“, sagt Naturschutz- Kampagnenstart war am 24. April d. J. v.r.n.l. Birgit Mair-Markart (GF ÖNB), Hermann bund-Geschäftsführerin Birgit Mair-Markart. „Ich freue mich auf viele Schultes (Präsident LWK Österreich), Andrä gemeldete Blühflächen, denn jeder Quadratmeter zählt!“ Ziel der neuen Rupprechter (Umweltminister) und Rudolf Kampagne ist es, mit einem breiten Maßnahmenpaket an Information, Freidhager (Vorstandssprecher ÖBf AG) Bewusstseinsbildung und Mobilisierung die Vielfalt in der Kulturland- schaft zu erhöhen. IV Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015
JEDER m2 ZÄHLT. Blühflächen für Bienen & Co Alle, die Blühflächen melden, erhalten auf Wunsch diese Tafel zum Aufstellen! BLÜHFLÄCHEN www.naturverbindet .at GESUCHT! HELFEN SIE UNS QUADRATMETER SAMMELN! 6 Das Herzstück der Kampagne NATUR VERBINDET ist die online-Meldeplattform www.naturverbindet.at. Jeder Bewirtschafter, jeder, der Blühflächen besitzt, ist einge- 6 laden, seine schönsten Flächen zu melden. Vorausset- zung ist, dass mindestens fünf verschiedene Blühpflan- zen blühen. So kann die Vielfalt der österreichischen Kulturlandschaft dargestellt werden. Es entstehen dadurch keine Verpflichtungen, die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Nur die jeweils aktuellste Mel- dung wird mit Fotos präsentiert (P), die wachsenden 6 Quatratmeter werden in einer Österreichkarte in Echtzeit dargestellt (P). Experten wählen nach Rücksprache und mit Zustimmung der Grundbesitzer die schönsten und wertvollsten Blüh- flächen aus – diese werden dann auf der Homepage vor- gestellt. Auf der Website findet sich ein ständig wachsender Info- pool zu allen Themen rund um Blühflächen und Gehölze: Merkblätter, Praxistipps, Anlaufstellen und Adressen für regionales Saatgut,Termine und Vorzeigeflächen (P). ONLINE-MELDEPL ATTFORM: WWW.NATURVERBINDET.AT Auch Umweltminister Andrä Rupprechter unterstützt NATUR VERBIN- DET: „Eine naturnahe, bunte und vielfältige Kulturlandschaft ist die Grundlage für ein lebenswertes Österreich. Das erreichen wir nur in einer breiten Basis von Naturschutz und Landwirtschaft. NATUR VERBINDET steht für diese positive Zusammenarbeit, weshalb ich diese Initiative gerne unterstütze.“ Die Landwirtschaftskammer Österreich hat als Vertreterin der Bau- ernschaft eine wichtige Rolle bei NATUR VERBINDET. „Nur ein verständ- nisvolles Miteinander kann ein vielfältiges Leben in Natur und Umwelt sichern. Mit der neuen Kampagne wollen wir aufzeigen, was unsere Bau- ernfamilien für die Erhaltung der Vielfalt in der Natur tagtäglich leisten. Unser Grundsatz `Schau drauf, wo´s herkommt` zeigt uns, dass auch wir vieles gut und manches noch besser machen können“, sagt Präsident Hermann Schultes. Rudolf Freidhager, Vorstandssprecher der ÖBf AG: „Die Bundesforste betreuen jeden zehnten Quadratmeter Natur in Österreich von den Partner des | naturschutzbund | Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015 V
Blattschneiderbiene Gemeinden und Straßenerhalter haben es in der Hand, dass wieder mehr Blumen auf Verkehrsbegleitflächen, an Stra- ßenrändern und -böschungen blühen! Die Beispiele stam- men aus Vorarlberg (l.) und dem Burgenland. Donau-Auen bis zum Arlberg. Wir bewirtschaften unsere Flächen im Ein- klang mit der Natur und fördern Artenvielfalt auf vielfache Weise – im Wald, auf Wiesen, an Waldrändern oder entlang von Fließgewässern. Bereits heute gedeihen auf Bundesforste-Wiesen in den Donau-Auen über 20 unterschiedliche Orchideen-Arten wie das Kleine Knabenkraut oder das Brand-Knabenkraut. Im Rahmen der Kampagne NATUR VERBIN- DET sollen in den Auen auf ehemaligen Ackerflächen neue Blühwiesen mit regional typischer Flora wie der Sibirischen Schwertlilie geschaffen werden. Nachhaltigkeit bleibt oberstes Prinzip – ökologische Anforde- rungen, gesellschaftliche Interessen und wirtschaftliche Erfordernisse werden dabei gleichermaßen berücksichtigt.“ VI
Auch für die Wiesenmeisterschaften werden artenrei- che Wiesen und Weiden gesucht, die wir auf www.naturverbindet.at sammeln wollen, z. B. Halbtro- ckenrasen (li.) oder Pfeifengraswiesen (M.). Zu den Partnern der ersten Stunde – Umwelt- und Landwirt- schaftsministerium BMLFUW, Landwirtschaftskammer Österreich LWK, ÖBf AG, Mutter Erde (Umweltinitiative von ORF und Umwelt- NGOs) –haben sich weitere gesellt: Netzwerk Blühende Landschaf- ten (D), Österr. Forstverein, Ländl. Fortbildungsinstitut LFI, Umwelt- dachverband UWD, Forschungsinstitut für biologischen Landbau FIBL-Österreich, Biene Österreich, Naturparke. Die Kampagne ist auf mehrere Jahre konzipiert – mit unterschied- lichen Schwerpunkten: 2015/16 liegt der Fokus auf Blühflächen, wie Blumenwiesen, blumenreiche Straßen-, Weg- und Ackerränder und Blühschneisen in Äckern. Danach werden es Hecken, Feld- und Ufer- gehölze sowie Waldränder sein. o Gesucht: die schönsten Blumenwiesen OBERÖSTERREICHISCHE WIESENMEISTERSCHAFT VORARLBERGER Die Wiesenmeisterschaft will jene Landwirte vor den Vorhang WIESENMEISTERSCHAFT holen, die sich besonders für die Erhaltung der Artenvielfalt ein- setzen. Auch soll die Bedeutung von artenreichen Wiesen einer Die Wiesenmeisterschaft – sie fand erstmals 2002 breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In diesem auf Anregung von Univ.-Prof. Georg Grabherr statt – Rahmen suchen Bio Austria OÖ, der | naturschutzbund | OÖ und ist ein Wettbewerb der Bewirtschafterinnen und der Sensenverein Österreich in Zusammenarbeit mit dem Land OÖ Bewirtschafter standortgerecht genutzter Wiesen, die schönsten Blumenwiesen des Bundeslandes. also kein Mähwettbewerb. Sie soll die Leistungen Mitmachen können alle Landwirte mit artenreichen Wiesen oder der Bäuerinnen und Bauern für die Erhaltung der Weiden. Die Flächen werden – nach einer Begehung – von einer Kulturlandschaft bewusst machen und zeigen, dass Jury nach vorkommenden Pflanzenarten, Bewirtschaftungsweise nur eine standortangepasste Nutzung die Lebens- bzw. Maßnahmen zur Erhaltung der Wiesen bewertet. Im Herbst räume der Pflanzen- und Tierwelt bewahren kann. findet eine Festveranstaltung mit Auszeichnung der schönsten Die Wiesenmeisterschaft wird durch das Land Vor- Blumenwiesen statt. arlberg, den Vlb. Naturschutzrat und die Initiative In einer duftenden, bunten Blumenwiese mit summenden Bienen Grünes Vorarlberg der Vorarlberger Nachrichten und gaukelnden Schmetterlingen liegen und die Seele baumeln organisiert. Die Vorbegutachtung erfolgt durch UMG. lassen ist für viele der Inbegriff des Sommers. Doch dieses Idyll Eine Jury mit Vertretern der Landwirtschaft, des ist nicht selbstverständlich und der Erhalt von Blumenwiesen Naturschutzes und der Landesregierung Vorarlberg bedarf eines großen Aufwands. Da die Bewirtschaftung meist kürt dann die Siegerwiesen und Siegerbetriebe. weniger Ertrag bedeutet, müssen sie vielfach dem Einheitsgrün der stark gedüngten und vier- bis fünfmal im Jahr gemähten Anmeldung, Meldebogen und weitere Informationen: Intensivwiesen weichen. Doch Blumenwiesen haben nicht nur www.wiesenmeisterschaft.com einen ästhetischen Wert. Sie schützen den Boden, das Wasser und das Klima und sind vor allem Lebensraum für zahlreiche, zum Fotonachweis Seiten IV-VII (v.l.o.) Teil seltene Tier- und Pflanzenarten. Auch leisten diese artenrei- Seite IV: Josef Weinzettl; Arge NATURSCHUTZ/Roland Schiegl; chen Wiesen mit einem hohen Anteil an Kräutern einen wichtigen Alfons Griesbauer/Saaten Zeller; Christine Pühringer Beitrag zur Gesundheit des Viehs. Seite V: Arge NATURSCHUTZ/Ulrike Knely Seite VI: Marlies Sperandio; Josef Weinzettl; Helmut Höttinger Seite VII: Josef Weinzettl (2); BioAustria/Waltraud Müller; Weitere Information: BIO AUSTRIA OÖ, Waltraud Müller Josef Limberger T 0676/84 22 14-365, waltraud.mueller@bio-austria.at Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015 VII
Tonerdehummel Hauhechel-Bläuling Späte Gelbrandschwebfliege Brauner Weichkäfer Herrliche Wiesenlandschaft OHNE BLUMEN mit Knabenkraut und Hah- nenfuß am Kalbelesee in Vorarlberg KEINE BIENEN BEDEUTUNG VON BLUMENWIESEN FÜR BIENEN & CO Hahnenfuß-Scherenbiene Männchen Wildblumenwiesen, blumenreiche Ackerraine, Weg- und Uferränder sind für Bienen, Schmetterlinge und viele weitere bestäubende Insekten eine wich- tige Nahrungsquelle. Im Gegenzug dazu bestäuben sie die Blüten. Sie leis- ten damit einen unersetzlichen Service, da sie auch wichtige Nahrungs- pflanzen des Menschen bestäuben und damit gute Ernteerträge gewähr- leisten. Blütenmeere an Wegrändern und auf Wiesen verschönern zudem die Landschaft und sind ein Aushängeschild für unser Tourismusland. INGRID HAGENSTEIN Gemeine Sandwespe VIII Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015
BEDEUTUNG VON BLUMENWIESEN A n der Bestäubung von Kultur- und Wildpflanzen sind unzählige Arten von Blüten besuchenden Insekten beteiligt: Honigbienen, Wildbienen (zu denen auch die Hummeln gehören), Käfer, Schwebfliegen, Fliegen, Mücken, Schmetterlinge und Wespen. Etwa 80 % der einheimischen Blütenpflanzen sind auf die Fremdbestäu- bung durch Insekten angewiesen. Etwa ein Drittel der Nahrungspflanzen für uns Menschen weltweit werden von Insekten bestäubt. Dabei über- nehmen die Honigbienen je nach Landschaftstyp einen Anteil von 5 % INFOBOX der Bestäubungsleistung in vielfältiger, „intakter“ Kulturlandschaft und BIENEN-ZAHLEN 690 Bienenarten sind in Österreich bis zu 80 % in Intensivobstgebieten. Die verbleibenden 20 - 95 % der Blü- nachgewiesen, davon sind tenbestäubung leisten demnach die wildlebenden Blütenbesucher. Der 146 Sandbienenarten Wert der Bestäubung von Kulturpflanzen durch Bienen beträgt jährlich 103 Furchenbienenarten schätzungsweise 153 Mrd. Euro weltweit und 22 Mrd. Euro in Europa. 45 Mauerbienenarten 26 Blattschneiderbienenarten Ohne Blumen keine Bienen! 45 Hummelarten Das Blütenmeer am Wegesrand oder auf den Wiesen ist in den ver- gangenen Jahrzehnten ein seltener Anblick geworden. Der Wunsch nach Die Honigbiene ist nur eine der vielen grünem „Golfrasen“ und der Ordnungswahn auf öffentlichen Flächen und Bienenarten. Bienen sind Vegetarier und beziehen ihre gesamte Nahrung in vielen Privatgärten haben Wildblumen und -kräuter wegrationalisiert. aus Blüten: Kohlenhydrate aus dem Der großflächige Verlust und die Verschlechterung der Bienenlebens- Nektar und Eiweiß aus dem Blütenpol- räume zählen auch laut einer aktuellen Studie der Weltnaturschutzuni- len. on IUCN zu den größten Gefahren für Honigbienen und Wildbienen. Hauptursachen dafür sind die Intensivlandwirtschaft und die Verände- Etwa 1/3 aller österreichischen Bie- rung der landwirtschaftlichen Verfahren. Das sind u. a. die Konzentrati- nenarten gehören zu den Nahrungs- on auf Silageerzeugung anstelle der Heuerzeugung sowie der weitver- spezialisten. Diese Tiere sammeln nur breitete Einsatz von Insektiziden und Düngemitteln. Eine weitere Ursa- Pollen bestimmter Pflanzen – davon che ist die Klimaerwärmung, die besonders die Hummeln trifft, da es für hängt ihr Überleben ab. Die meisten von ihnen sind auf Weiden, Glocken- die kälteangepassten Arten eng wird. Von den 1.965 Bienenarten Euro- blumen und Korbblütler spezialisiert, pas – erstaunliche 690 davon sind in Österreich nachgewiesen – sind aber auch Spezialisten für Reseda, 9,2 % vom Aussterben bedroht, weitere 5,2 % werden es bald sein. Die Eisenhut oder Zahntrost kommen vor. Studie, die seitens der EU-Kommission finanziert wurde, entstand im Rahmen der Europäischen „Roten Liste für Bienen“. Die Ergebnisse ermöglichen es, Maßnahmen zur Verbesserung des Erhaltungszustan- des von Bienen zu treffen. „Wenn wir nicht die Ursachen für den Rück- gang des Wildbienenbestandes angehen und nicht umgehend Maßnah- men treffen, um diesen aufzuhalten, könnten wir einen sehr hohen Preis dafür bezahlen. Unsere Lebensqualität – und unsere Zukunft – sind abhängig von der Vielzahl der Dienste, die die Natur für uns kostenlos erbringt. Ein solcher Dienst ist die Bestäubung der Pflanzen – und es ist sehr besorgniserregend, dass unsere wichtigsten Bestäuberinsekten gefährdet sind!“ stellte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella bei der Prä- sentation der Studie im März 2015 fest. Blühflächen nutzen aber nicht nur der Landwirtschaft und dem Natur- haushalt. Blühende Wegränder und -böschungen verschönern vom Frühjahr bis in den Herbst das Landschaftsbild. Sie tragen damit unent- Hier tun sich Bienen, Schmetterlinge & Co schwer: Nach der Rapsblüte geltlich zu einem erhöhten Naturerlebnis und -genuss bei – ein wichti- verlieren sie schlagartig ihre Nah- ger Aspekt im Tourismusland Österreich. o rung und auf den Fettwiesen kommt es kaum mehr zur Blüte. Blühstrei- fen wären eine Abhilfe. Quellen: http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/11345_de.htm http://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/redlist/bees/ Fotonachweis (v.l.o.) introduction.htm Wolfgang Schruf (2); Josef Limberger; Helmut Höttinger; Holger Loritz, Leiter des „Netzwerk Blühende Landschaft“, Mellifera e.V. Markus Grabher UMG; Josef Limberger; Helmut Höttinger (2); Alexander Schneider Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015 IX
Ausgedehnte Rapsfelder, eintönige Fettwiesen – bis zu sie- benmal gemäht, Spritzmitteleinsatz allerorten und „berei- nigte“ statt wildblumenreiche Acker- und Straßenränder – sind nur einige Beispiele, woran (Wild)bienen scheitern. Was Vielfalt fördert uf den Rapsfeldern gäbe es beispielsweise Blüten in Hülle und Fül- und wozu Vielfalt nützt A le und viele Äcker haben vor allem an den Rändern trockene offe- ne Bodenstellen, denen man nicht von vorneherein ihre Eignung als Nistplätze absprechen kann. Und sogar das Totholzangebot in Fich- WORAN tenforsten kann beträchtlich sein, vor allem, wenn – immer häufiger – der Borkenkäfer mitwirkt. Woran liegt es also? WILDBIENEN Betrachten wir zuerst einmal, was Bienen wirklich brauchen Erstens: Bienen brauchen Nahrung. Sie brauchen Blüten, Blüten, Blü- IN DER KULTURLAND- ten… Am Blütenangebot scheitern Bienen sowohl im Grünland wie im Fichtenforst. Das Rapsfeld blüht zwar intensiv und die Kreuzblütlerspe- SCHAFT SCHEITERN zialisten unter den Bienen wie auch manche Generalisten, die zur Blü- tezeit des Rapses fliegen, profitieren ordentlich. Aber alle anderen, die z. B. Glockenblumen oder Klee brauchen, schauen gewissermaßen durch Intensiv genutzte Landschaften, die Finger und auch alle, die durchaus von Raps leben könnten, aber ob Ackerbaugebiete, Grünland einen Monat zu früh oder zu spät fliegen. Ebenso ist es zur Zeit der oder Fichtenforste, beherbergen Löwenzahnblüte in überdüngten Fettwiesen. Das heißt, weil nicht jede nur erbärmlich wenige Bienenar- Bienenart Nektar und Pollen jeder Pflanze nutzen kann und weil Bienen- ten. Woran es liegt und wie das arten zu verschiedenen Zeiten im Jahr auftreten, braucht es Vielfalt! Bestäuber-Netzwerk zwischen Zweitens: Bienen brauchen Nistplätze. Bienen tragen Nektar und Pollen Bienen und Blüten funktionieren in das Nest ein und die Larven leben von diesem Vorrat. Damit der Vorrat kann, soll hier gezeigt werden. nicht verdirbt, braucht es trockenes Substrat. Außerdem entwickelt sich VON JOHANN NEUMAYER in warmem, trockenem Substrat die Larve schneller. Freilich haben vie- le Arten auch chemische Mechanismen zur Schimmelabwehr entwickelt, trotzdem ist der geeignete Nistplatz eine unbedingte Voraussetzung für die Existenz von Bienen. Das können je nach Art eine offene Boden- stelle, eine Lösswand, ein Sandhaufen, ein Käferbohrgang in Totholz oder ein leeres Schneckenhaus sein. In dicht bestandenen Wiesen wird Diese Biene hat man solche Nistrequisiten nicht finden, ebenso gibt es in Fichtenfors- eine offene ten zwar manchmal viel Totholz, aber kein besonntes. Im Acker schließ- Stelle für ihr Bodennest lich werden die Bienennester durch das Pflügen jedes Jahr wieder zer- gefunden. stört. Eine Vielzahl an Nistmöglichkeiten gibt es z. B. in und unter Hecken, an nährstoffarmen Wiesenecken, Rainen und Waldrändern, in Streuobstwiesen und in Naturgärten. Drittens müssen Nahrung und Nistplatz nahe beieinander liegen. Bie- nen sind „central place forager“: Das heißt, das Bienenweibchen sam- Fotos v. o.: Helmut Höttinger (3); melt von ihrem Fixpunkt, dem Nest aus, Nektar und Pollen. Das wieder- Alexander Schneider um bedeutet, Bienen brauchen nicht nur Nahrung und Nistplätze, son- X Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015
WAS VIELFALT FÖRDERT dern diese müssen auch in erreichbarer Entfernung sein. Bei großen Bie- nenarten können diese Entfernungen bis zu einem Kilometer und mehr betragen, bei kleinen nur wenige hundert Meter. Und hierin besteht das Dilemma der modernen landwirtschaftlichen Entwicklung in weiten Tei- Wildbienen brauchen nah beieinander- len Europas: Erstens wurden die meisten Flächen durch intensivierte liegende Nist- und Nahrungsplätze… Nutzung massiv blütenärmer, zweitens fielen Biotopstrukturen der Flur- bereinigung zum Opfer und drittens wurden die Bewirtschaftungsein- heiten größer. Das gleiche Szenario spielte sich auch im siedlungsnahen Bereich, in den Gärten und an den Straßenrändern ab. Bienen mit ihren 690 heimischen Arten sind geradezu ein Indikator für Kleinräumigkeit und Strukturvielfalt. Dass zwischen Nistplatz und Nah- Foto: Helmut Höttinger rungsbiotop für Bienen uninteressante Flächen liegen, ist nicht das Pro- blem. Aber die Zahl der blütenreichen Flächen und der potenziellen Nist- plätze ist massiv gesunken und vor allem die Entfernungen zwischen Nistplätzen und Nahrungsbiotopen wurden größer und oft unüberwind- …an locker bestandenen Wegrändern bar für die Bienen. und Feldrainen Hummeln sind in dieser Hinsicht noch einmal speziell: Sie können zwar relativ weit fliegen (je nach Art 500 m bis über 2 km pro Sammelflug), aber ihr Nest liegt jedes Jahr woanders. Die meisten Hummelvölker werden in Kleinsäugernestern gegründet, oft relativ weit entfernt vom Gebiet, wo im Juni oder Juli die ergiebigsten Blütenangebote sind. Die Königin kann im April ja nicht wissen, wo es im Juli blühen wird. Artenreiche Hummel- gemeinschaften gibt es also dort, wo das Landschaftsmosaik vielseitig ist. Denn nur dort besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Hum- Foto: Wolfgang Schruf melvolk, das irgendwo begründet wurde, auch im Sommer und Herbst noch Nahrung findet. Gifte. Es versteht sich von selbst, dass die wilden Bienen auf Gifte min- destens gleich empfindlich reagieren wie die Honigbienen. Denn im …in stehendem, besonntem Totholz. Gegensatz zu diesen nisten Wildbienen ja auch noch oft direkt neben dem Feld, auf dem die Gifte ausgebracht werden. Außerdem nutzen vie- le Wildbienen kleine Bestände von Ackerunkräutern, während die Honig- biene auf die Massentrachten z. B. von Raps oder Obstbäumen fliegt. Das Verbot des Spritzens von Insektiziden in die Blüte meint immer nur die Foto: Alexander Schneider Massenblüte. Doch nach der Rapsblüte darf wieder gespritzt werden. Das trifft jene Bienenarten massiv, die die Wildkräuter am Feldrand nutzen, oft wohl letal. Eine massive Zurückdrängung des Gifteinsatzes und die Förderung der Bio-Landwirtschaft sind deshalb aus Sicht des Bienen- …an Waldrändern und unter Hecken. schutzes unbedingt zu fordern. Eine Kräuterwanderung mit Kindern kann dann eine Erlebnisreise in die Alle können etwas tun. Der zu beobachtenden Misere für Bienen in Welt der Bienen werden. intensiv genutzten Landschaften ist nur abzuhelfen, indem blütenrei- che Flächen erhalten bzw. geschaffen werden, ebenso Nistbiotope und vor allem, indem sie in räumlicher Nähe zueinander liegen. Um Bienen zu fördern, ist die Wiederherstellung einer gewissen Kleinräumigkeit, also von verschiedensten Biotoptypen auf kleinem Raum sowie die Schaffung eines Biotopnetzwerkes unabdingbar. Dabei spielen auch Straßen- und Text: MMag. Dr. Wegränder, Gärten und öffentliche Grünflächen sowie eine möglichst Johann Neumayer, unterschiedliche Nutzung von Flächen eine große Rolle. Dazu können Wildbienenfachmann mit alle ihren Beitrag leisten, Bauern, Gartenbesitzer und Gemeinden. Denn Schwerpunkt Hummeln, es braucht nicht große Flächen, aber viele kleine Elemente, die sicher- stellen, dass das Bestäubernetzwerk der Bienen und Blüten funktioniert. johann.neumayer@naturschutzbund.at Beispiele dazu auf den nächsten Seiten! Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015 XI
INITIATIVEN Beispielhafte NETZWERK BLÜHENDE LANDSCHAFT Initiative EIN NETZ FÜR BLÜTEN BESTÄUBENDE INSEKTEN Seit über 10 Jahren setzt sich das „Netzwerk Blühende Land- schaft“ für die Verbesserung der Lebensräume von Bienen, Hummeln, Schmetterlingen und Co. ein und macht auf die Notlage aufmerksam. D avon inspiriert, legte Landwirtsfamilie Klement aus Niederbayern (Bayerischer Wald) im Frühjahr 2008 eine Fläche von insgesamt drei Hektar mit verschiedenen mehrjährigen Blühmischungen als Insek- tenweide an. Die Blütenpracht war bereits im ersten Jahr eine Wonne für Tier und Mensch, wie auf dem Foto schön zu sehen ist. Landwirtsfamilie Klement säte drei Hektar Blüh- fläche. Die Insektenweide war eigentlich für fünf Jahre konzipiert, wurde aber sechs Jahre beibe- halten. Während dieser Zeit ist im Normalfall nach der Ansaat keine weitere Bearbeitung mehr nötig. Ein Feldschild des Netzwerks Blühende Landschaft informiert die Öffentlichkeit über die Maßnahme. Familie Klement nahm mit der Fläche an einer EU-geförderten agrarökologischen För- dermaßnahme aus Bayern teil. Foto: Klement XII Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015
INITITATIVEN „Straßenbegleitbunt“ statt Vielschnittrasen – Straßen- saum in Bad Saulgau Foto: Barbara Heydenreich/Netz- werk Blühende Landschaft BEREITS 2003 hatte die Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung Mellifera e.V. die Initiative ergriffen und die Trägerschaft für ein Netzwerk übernommen, in dem Landwirtschaft, Imkerei und Naturschutz an einem Strang ziehen. Gemeinsam mit den Partnern wurden insektenfreundliche INITIATIVE IM KOMMUNALEN „BUNT“ Konzepte gesammelt und weiterentwickelt, um sie möglichst vielen Ermutigt durch das Netzwerk Blühende Menschen zur Umsetzung an die Hand zu geben. Diese Konzepte sind in Landschaft haben sich das Bieneninstitut dem Handbuch „Wege zu einer blühenden Landschaft“ zusammenge- und der Bund Naturschutz Kirchhain in Hes- fasst und auf der Homepage des NBL veröffentlicht. sen vorgenommen, die Blütenverarmung ins öffentliche Bewusstsein zu bringen und Ver- AUF FACHVERANSTALTUNGEN wie der Tagung „Neue Wege zum öffentli- besserungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Als chen Bunt“ Mitte März 2015 in Berlin und in zahlreichen Vorträgen wer- ein erstes Ziel sollten die Blütenvielfalt im den Erfahrungen und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung des innerörtlichen Bereich vergrößert werden, sowohl auf kommunalen Flächen als auch in Blütenangebotes in der Landwirtschaft, im Hausgarten und im öffentli- privaten Gärten. Durch intensive Gespräche chen Grün weitergegeben. Fachfragen werden vom dreiköpfigen NBL- konnte die Handlungsbereitschaft von Politi- Team kostenlos beantwortet. Unter dem Dach und mit Unterstützung des kern und Verwaltungsmitarbeitern der Stadt NBL gibt es in Deutschland inzwischen über 20 regionale Gruppen und gewonnen werden. Im Jahr 2008 wurden auf zahlreiche aktive Einzelpersonen. Darüber hinaus initiiert das NBL drei ausgewählten Flächen erste Erfahrun- gemeinsam mit Partnerorganisationen und regionalen Initiativen Modell- gen mit der Aussaat von Blumenmischungen projekte und sucht immer wieder den Dialog mit betroffenen Interes- gesammelt. sensverbänden, politischen Parteien und der Agrarverwaltung, um eine Nach anfänglich langsamer Entwicklung und Lenkung der politischen Fördermittel zu erreichen. Schwerpunkte der einzelnen kritischen Nachfragen aus der Bevölkerung boten die eingesäten Flächen Aktivitäten in diesem Jahr sind die bestäuberfreundliche Gestaltung von ein buntes Farbenspiel und sind den Bürgern öffentlichen Flächen, die Unterstützung der NBL-Regionalgruppen und im wahrsten Sinne des Wortes eine Augen- die Erhöhung des Blütenangebotes auf landwirtschaftlichen Flächen. weide. Zugleich werden sie ihrer Funktion als Insektenweide gerecht – gerade in Zeiten, in DIE GENANNTEN UND VIELE ANDERE BEISPIELE von Initiativgruppen und denen die intensiv landwirtschaftlich Einzelpersonen kommen allesamt gut an und regen zum Nachahmen genutzten Flächen keine Nahrung bieten. an. Die Aktiven sind durch ihre ersten Schritte zu mehr Blütenreichtum in ihrer Umgebung Keimzellen neuer Initiativen und Gruppen für eine blü- hende Landschaft geworden. Jede Fläche, auf der nektar- und pollen- Text: Holger Loritz, Leiter Netz- spendende Wild- oder Kulturblumen zur Blüte kommen, erweitert das werk Blühende Landschaft Blütennetz in unserer Kulturlandschaft. Machen Sie mit – und setzen Sie bei Mellifera e.V. (Trägerver- für die Blütenbestäuber ein blumenbuntes Zeichen! Detaillierte Informa- ein des Netzwerks), tionen zu den erwähnten Maßnahmen, Downloads von praktischen Fischermühle 7, Handlungsanleitungen, kostenlose Flyer, Feldschilder, Hinweise zu För- D-72348 Rosenfeld dermöglichkeiten für Landwirte und vieles mehr finden Sie auch auf der T +49/(0)7428/945 24 90, Internetseite www.bluehende-landschaft.de. Das „Netzwerk Blühende info@bluehende- landschaft.de Landschaft“ und das „Netzwerk Blühendes Vorarlberg“ (siehe Beitrag nächste Seite) sind übrigens Partner. www.bluehende-landschaft.de Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015 XIII
INITIATIVEN Beispielhafte MACH MIT – BRINGEN WIR DAS Initiative LAND ZUM BLÜHEN! Mit diesem Slogan ruft das „Netzwerk blühendes Vorarlberg“ die Bevölkerung auf, sich mit vereinten Kräften für die Lebensräume von Bienen, Schmetterlingen & Co einzu- setzen. D ie Gemeinschaftsinitiative der Bodensee Akademie, dem Land Vor- arlberg und dem Imkerverband hat seit der Gründung 2011 viele Partner gewonnen, so auch den Naturschutzbund Vorarlberg. Inzwischen ist ein leistungsfähiges Netzwerk aufgebaut worden, das weit über Vorarlberg hinaus Beachtung findet. Das gemeinsame Ziel ist, die Vorarlberger Kulturlandschaft bienen- und insektenfreundlich zu 4-seitiger gestalten, zu bewirtschaften und zu pflegen. Die Bodensee Akademie, Info-Folder eine NGO, die sich seit 20 Jahren in Form von Gemeinschaftsinitiativen zur Initiative für eine nachhaltige Entwicklung einsetzt, koordiniert das Netzwerk. „Netzwerk blühendes Vorarlberg“, Entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung ist es, dass alle Akteure www.bluehendes-vorarlberg.at an einem Strang ziehen und das Thema über viele Jahre hinweg im Auge behalten. Landesrat Erich Schwärzler bringt es auf den Punkt: „Sowohl für die Landwirtschaft als auch für die Erhaltung der Naturvielfalt sind gesunde Bienen unverzichtbar. Im Rahmen der Ökolandstrategie haben wir eine Reihe von Maßnahmen vereinbart, die eine rasche Hilfe und eine Verbesserung der Situation erwirken sollen. Die Aktivitäten des Netz- werks sind integrierter Bestandteil dieser Maßnahmen.“ Rochus Schert- ler, Obmann-Stv. des Naturschutzbundes Vorarlberg meint zur Initiative: Geballte Synergie: Gemeinsame Pres- „Im beginnenden 21. Jhdt. ist die wirklich besorgniserregende Situation sekonferenz des „Netzwerks“ im März der verschiedenen Honig- und Wildbienen leider nur ein Aspekt der Fol- 2015 in Dornbirn: Von links: Rochus Schertler (Naturschutzbund Vorarlberg), Egon Gmeiner (Vbg. Imkerverband), LR Erich Schwärzler (Landwirtschaftsressort), Bgm. Martin Summer (Gemeinde Rankweil), Ernst Schwald (Bodensee Akademie), LR Johannes Rauch (Umweltressort), Simone König (Bodensee Akademie), Markus Amann (Verband Obst- und Gartenkultur Vbg.), Reinhard Spiegel (BZV Dornbirn) XIV Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015
INITIATIVEN gen, die unsere moderne, rohstoff- und energieintensive Lebensweise für die Natur unserer Erde hat. Deshalb sind wir auch Teil des Netzwer- kes, zumal wir mit der Bodensee Akademie seit über 15 Jahren bestens Der blühende Schulgarten an der zusammenarbeiten. Letztlich geht es bei allen diesen Initiativen um ein Michael Ende Schule in Oberschleiß- gedeihliches Entwickeln unserer Landschaften hin zu mehr typischer heim ist zum Erlebnisort der Kinder geworden. Artenvielfalt.“ Die Fachplanung wurde von Dr. Rein- Aktivitäten hard Witt, Naturgarten e.V., begleitet. o Bewusstseinsbildung für den Sinn und die Notwendigkeit einer blü- Fotos: Katrin Löning/Ökologiesinstitut Vorarlberg henden Landschaft: Vorträge, Infostände bei Messen und Märkten, Website, Medienkooperation (ORF, VN, Artikelserien für kommunale Medien) o Qualifizierung der Netzwerkpartner: Bedarfsorientierte Aus- und Wei- terbildung, Erfahrungsaustausch, themenbezogene Arbeitsgruppen, Merkblätter, Handbücher etc. o Pilotprojekte initiieren, begleiten und umsetzen in Gemeinden, Lehr- bienenständen, Schulen und Kindergärten, inatura, bei Siedlungs- und Betriebsflächen, bei der Grünland-Bewirtschaftung, beim Obst- bau, Straßenbau, Wasserbau o Informations- und Beratungspools aufbauen, Vermittlung fachkun- diger Dienstleistungspartner, Pflanz- und Saatgut-Lieferanten, Ein- beziehung aktueller Förderprogramme (z. B. Greeningmaßnahmen im neuen ÖPUL-Programm) etc. o Dokumentation von Praxisbeispielen, Sicherung und Aufbereitung des erworbenen Wissens o Aufbau und Pflege des Netzwerkes inkl. der länderübergreifenden Zusammenarbeit; Sicherstellen einer kontinuierlichen Themenbear- beitung – wirkungsvolle Umsetzung braucht Zeit: 10 Jahre, 20 Jahre und mehr! „…Eine naturnahe Gestaltung von öffentlichen Flächen schaut nicht nur schöner aus, sondern ist auch kostengünstiger in der Erhaltung und hilft somit dem Gemeindebud- get.“ Rankweiler Bgm. Martin Summer Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015 XV
INITIATIVEN Interesse und Resonanz sind überaus erfreulich Die bisherige Erfahrung zeigt, dass sich das Prinzip der „offenen Ein- Eine Gruppe beim Anlegen ladung“ und der Umsetzung in Eigeninitiative sehr bewährt. Es gibt kein einer Wildblumenwiese ‚Aber die müssten doch!‘, sondern es werden im bestmöglichen „Mitei- Foto: Simone König nander“ taugliche Umsetzungsmöglichkeiten gesucht und realisiert. Und – herzlich eingeladen zum Mitmachen sind alle. Viele Menschen bringen dem Thema „Bienen & Co“ große Sympathien entgegen. Sie spüren intuitiv: „Da geht es um etwas Wesentliches, da geht es um grundlegende Zusammenhänge Mensch-Natur-Landschaft“. Das Interesse und der Wille hier mit anzupacken, zeigen sich bei vielen Akteuren und gehen quer durch die ganze Bevölkerung. inhaltliche Umsetzung ist eine anspruchsvolle Aufgabe Es zeigt sich aber auch, dass das erforderliche Knowhow für die prak- tische Umsetzung oftmals nicht gegeben ist: Im privaten Bereich, bei Architekten, Siedlungsgesellschaften, Kommunen, Landwirten usw. braucht es fachliche Information, Beratung und praktische Umset- zungshilfen. Ein ausgesprochener Glücksfall ist hier die enge Zusam- menarbeit mit dem Landesprogramm „Naturvielfalt in der Gemeinde“ und die Integration der Netzwerkaktivitäten in der Vbg. Landwirtschaftsstra- tegie 2020 „Ökoland Vorarlberg – regional und fair!“ Synergien fallen nicht vom Himmel! Das Zusammenarbeiten von Vereinen, Interessensverbänden, ehren- amtlich Engagierten, professionellen Dienstleistungsanbietern und öffentlichen Einrichtungen ist nicht immer gleich eine runde Sache. Für den Aufbau eines solchen Netzwerkes als differenzierte, fachlich und sozial lernende Organisation braucht es neben dem Wollen der Beteilig- ten auch begleitende, zusammenführende und durchtragende Anschub- und Koordinationsleistungen. Dabei gilt es auch, den Gruppen Die Menschen im Sozialzen- und Länder übergreifenden Knowhow-Transfer zu fördern. In den Bil- trum Rankweil Klosterreben dungs- und Forschungseinrichtungen, den Fachabteilungen und Minis- genießen das neue Lebens- terien, bei NGOs und professionellen Dienstleistern sowie den Netzwer- gefühl, das sich mit der bie- ken „Blühende Landschaft“/„Naturnahe Landschaftsgestaltung“ gibt es nenfreundlichen Gartenge- eine Fülle von praktischem Umsetzungswissen und gut aufbereitete staltung eingestellt hat. Foto: Hansjörg Häußle Unterlagen. Dieses Wissen bekannt zu machen, weiter zu entwickeln, Erfahrungen auszutauschen, zu dokumentieren und wieder an neue Partner weiter zu geben sind wesentliche Aufgaben des Netzwerkes. Die Erfüllung der oben angeführten Aufgaben inkl. der Begleitung der gesamten Initiative erfordern vielfältige Ressourcen und auch ein ent- sprechendes Maß an finanziellen Mitteln. Netzwerkfinanzierung ist eine eigene Kunst und für uns alle noch ein absolut spannendes Lernfeld. Kontakt: Netzwerk blühendes Vorarlberg, c/o Bodensee Akademie, freie Lern- und Arbeitsgemeinschaft für nachhaltige Entwick- WEITERE PARTNER DES NETZWERKS BLÜHENDES VORARLBERG lung, 6850 Dornbirn, Steinebach 18, Flussbauamt und Fachabteilungen des Landes, Gemeinden, Umwelt- T +43(0)5572/330 64, verband Vorarlberg, Verband Obst- und Gartenkultur, Bildungs- und office@bodenseeakademie.at Knowhow-Träger wie Umweltbüro Markus Grabher (UMG), Ökologieinsti- tut Vbg., BSBZ Vorarlberg, BIO AUSTRIA Vorarlberg, Landwirtschafts- www.bluehendes-vorarlberg.at kammer Vorarlberg und LFI, Gärtner und Landschaftsplaner, inatura www.bodenseeakademie.at und in der konkreten Umsetzung viele weitere Partner vor Ort. www.vorarlberg.at/naturvielfalt/ XVI Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015
POTENZIAL FÜR BIENEN DAS POTENZIAL LANDWIRT- SCHAFTLICHER FLÄCHEN, GÄRTEN UND ÖFFENTLICHER GRÜNFLÄCHEN FÜR DEN WILDBIENENSCHUTZ Die Ausräumung der Landschaft und die damit verbundene Blütenarmut haben viele Wildbienenarten an den Rand der Existenz gebracht. Hoffnung gibt das Potenzial an Blühflä- chen quer durch unser Land – man muss es nur nutzen. W ir wissen zwar nicht von sehr vielen definitiv ausgestorbenen Arten, aber erstens gibt es nicht so viele Bienenkundler, als dass man das Aussterben jeder Art verfolgen könnte. Bei Hum- meln wissen wir immerhin von drei in Mitteleuropa und auch in Österreich vollends ausgestorbenen Arten und von vielen mit starkem Rückgang. Zweitens sterben die Arten meist nicht auf einmal und überall aus, son- dern sie ziehen sich in Restbiotope, oft in Naturschutzgebieten, zurück. Als Folge davon führt die Verinselung in solchen Rückzugsbiotopen zum Abreißen des genetischen Austauschs und zur Verarmung des Genpools. Gelungene Beispiele für Blühflä- Auch wenn kleine Bienenpopulationen oft erstaunlich lang überleben chen und das Potenzial, das können, muss auf Dauer der genetische Austausch gewährleistet sein, Landwirte und Bewirtschafter auf um vitale Populationen zu erhalten. Auch ist das Aussterberisiko durch ihrem Grund und Boden haben: kleine „Katastrophen“ wie langes Schlechtwetter, Überschwemmungen Leinkultur zwischen Weingärten, Blühstreifen zwischen Getreide- oder Ähnlichem umso höher, je kleiner und isolierter eine Population ist. feldern und in Weingärten, Blüh- flächen im Randbereich von Welche Flächen haben Potenzial Äckern und Wegen (v. o.). für den Schutz von Bienenarten Fotos v. o.: Helmut Höttinger; Alfons Griesbauer/Saaten Zeller (2); Alexander ➔ Extensivflächen in der Landwirtschaft. Das Hauptpotenzial land- Schneider wirtschaftlicher Flächen besteht in deren großem Flächenausmaß. Wenn nur 5 oder 10 % der Flächen extensiver genutzt werden, und wenn diese Extensivflächen netzartig angelegt werden, hat das große Aus- wirkung auf das Nahrungs- und Nistplatzangebot für Bienen. Das Haupt- Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015 XVII
Naturnahe Gärten anzulegen, ist keine Hexerei: Färberka- millen, Disteln oder Wiesenmargeriten an sonnigen Plätz- chen bieten Nektar und Pollen. Und brauchen kaum Dünger im Gegensatz zu den handelsüblichen nektar- und pollenlo- sen Blumen, wie Pelargonien, Petunien oder Edelrosen. Fotos v. l.: Marlies Sperandio; Birgit Mair-Markart problem ist ein finanzielles: Der verminderte Ertrag extensiv genutzter Flächen und auch ihre Bewirtschaftung, die z. B. ob ihrer Steilheit sonst nicht mehr durchgeführt würde, muss abgegolten werden. Als Bienenle- bensräume müssen Landwirtschaftsflächen immer in Einheit mit den Randstrukturen betrachtet werden, da sehr viele Wildbienenarten, die auf Wiesen oder Äckern sammeln, Hecken und Waldränder als Nistbio- tope brauchen. Für alle heimischen Hummeln, hier z. B. die Ackerhummel, ist ➔ Naturnahe Gärten. Gärten nehmen viel weniger Flächenanteil ein. der Klappertopf eine wichtige Auch wenn viele Gärten „gestylt“ und naturfremd sind, finden sich in Nahrungspflanze. Siedlungsgebieten mit Gärten in Summe mehr Blütenangebot und Nist- plätze als in der Feldflur. Da auf Gärten oft kein Nutzungsdruck besteht bzw. die traditionelle Mischnutzung als Obst-, Gemüse- und Blumengar- ten ökologisch hochwertig ist, gibt es kaum finanzielle Probleme. Ganz im Gegenteil: Ein naturnaher Garten ist wesentlich pflegeleichter und kostensparender als ein naturferner. Für Gärten spricht auch die Klein- räumigkeit, die für viele Bienenarten ein ideales Lebensraummosaik bil- det. Spezialisten für Trockenrasen etc. wird man freilich in Gärten nicht erwarten dürfen. Haupthindernis für eine naturnahe Umgestaltung von Gärten sind die Schönheitsideale im Kopf der Besitzer und Nutzer. MIT DEM KLAPPERTOPF noch besser zwei Jahre vorher die ständen. Sollte die Vermehrung zu Gräser soweit schwächt, dass stark werden, kann man Klappertopf ZUR BLÜHENDEN WIESE andere Pflanzenarten auch eine leicht wieder loswerden, indem man Oft scheitert die Umwandlung einer Chance haben, aufzugehen. Dabei ihn vor der Samenreife mäht. Das ist Intensivwiese oder eines Rasens in kann Klappertopf die Gräser nicht auch der Grund, warum keine Gefahr eine blütenreiche Wiese an der Kon- ausrotten, weil er sie zu seinem besteht, dass er in landwirtschaftli- kurrenzstärke der Gräser. Eine Gedeihen ja braucht. che Intensivwiesen auswandert und geschlossene Grasdecke hindert dort Schaden anrichtet. Diese Wie- Samen von Kräutern und Blumen Auch in Mitteleuropa funktioniert sen werden viel zu oft gemäht, als daran, Fuß zu fassen, vor allem, dieses Vorgehen. Wichtig ist, dass der Klappertopf Früchte pro- wenn der Boden zu nährstoffreich Samen regional vorkommender duzieren könnte. und fett ist. In vielen naturnahen Klappertopfarten (u. a. Rhinanthus Wiesen können Gräser jedoch nicht minor, Rhinanthus alectorolophus) Viele Bauern kennen Klappertopf ungehindert wachsen, weil Halb- zu verwenden. Klappertopfarten noch als „Milchdieb“, weil er einer- schmarotzer wie Klappertopf (Rhi- sind ein heimisches Florenelement, seits wenig Nährwert hat und ande- nanthus spp.) und Wachtelweizen eine wichtige Hummelnahrungs- rerseits das Gras in der Umgebung (Melampyrum spp.) an ihren Wurzeln pflanze und einjährig. Wichtig ist, zurückdrängt. Inzwischen dominie- saugen und sie schwächen. den Samen im Herbst auszubringen, ren beinahe blumenfreie Wiesen. In einer Reihe von Studien haben weil der Klappertopf ein Frostkeimer Zunehmend mehr Menschen wün- englische Botaniker gezeigt, dass ist. Die Jungpflanzen sind sehr schen sich aber wieder blühende die Aussaat von Klappertopfsamen durchsetzungsstark und behaupten Wiesen. Und dafür ist Klappertopf mit den übrigen Blumensamen oder sich auch in relativ dichten Grasbe- ein probates Mittel. XVIII Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015
Mehrjährige blühende Säume, besonders an wenig befahrenen Straßen, stellen keine Gefahr für den Ver- kehr dar, bringen aber Leben in die Landschaft. Und brauchen weniger Pflege, was das Gemeindebudget durchaus entlasten hilft. Fotos v. l.: piclease/Norbert Hirneisen; Marlies Sperandio ➔ Verbindende lineare Strukturen. Öffentliche Grünflächen, insbe- sondere Straßenränder haben ihr Hauptpotenzial in der linearen Form, das sie als Verbundbiotope prädestiniert. Entlang dieser Straßenrän- der, vor allem entlang wenig befahrener Straßen, können sich Arten aus- Auf einen Blick: breiten und kann genetischer Austausch stattfinden. Doch dazu müss- ten die Straßenränder ein- bis zweimal pro Jahr gemäht und das Mäh- DAS KÖNNEN LANDWIRTE FÜR BIENEN TUN: gut entfernt werden, damit keine Nährstoffanreicherung stattfindet. Das o Auf Pestizide verzichten Niederschlegeln oder die Mahd mit dem Saugmäher mehrmals pro Jahr o Ein- und mehrjährige Blühstreifen anlegen sind dagegen wahre Vernichtungsfeldzüge an allem was lebt, beim o insektenfreundlicher Mischfruchtanbau Schlegeln noch dazu mit Nährstoffanreicherung und Verlust seltener und Untersaaten Arten. Dem hohen Potenzial der Straßenränder stehen zum geringeren o Förderung von Ackerwildkräutern durch Teil juristische Beschränkungen, mehr aber Gewohnheiten, ein bereits geringere Aussaatdichten, Blühschneisen bestehender Maschinenpark und Arbeitskosten für die Entfernung des und Ackerrandstreifen ohne mechanische Mähguts gegenüber. Vielleicht ist aber einmal pro Jahr mähen mit Unkrautregulierung Schnittgutentfernung gar nicht teurer als zwei- oder dreimal pro Jahr o blühende Zwischenfrüchte und zu Tode zu schlegeln! Gründüngung o differenzierte Grünlandnutzung und das Erhalten artenreicher Wiesen Text: MMag. Dr. Johann Neumayer, o Insekten schonende Mähmethoden, d. h. Wildbienenexperte, johann.neumayer@naturschutzbund.at Verzicht auf Mähaufbereiter und keine Mahd bei hoher Flugtätigkeit von mehr als einer Biene pro Quadratmeter DAS KÖNNEN GÄRTNER, GEMEINDEN UND STRAßENERHALTER TUN: o Keine Pestizide einsetzen o Anlegen und Pflegen von Blumenwiesen, Blühstreifen, eines „wilden Ecks“ o Bepflanzung mit blühenden, insektenför- dernden Stauden und Bäumen o Anpassung der Schnitthäufigkeit an die Flächennutzung o Nicht schlegeln oder häckseln! o Zeitlich versetzte Mahd von Straßenrän- Wiese mit dern und Grünflächen Klappertopf, o Belassen von Saumstreifen bei Gehölzen Esparsette, o Erstellung eines verbindlichen Rotklee u. a. Pflegeplanes unter Berücksichtigung ökologischer und Insekten fördernder Aspekte Mehr dazu auf Seite 24 Foto: Arge NATURSCHUTZ/Roland Schiegl Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015 XIX
REGIONALES SAATGUT MIT REGIONALEM SAATGUT UND OHNE HUMUS ZU ARTENREICHEN BLUMENWIESEN Wildpflanzen haben sich über Generationen hinweg an regionale Klimabe- dingungen vor Ort angepasst. Daher sollten Blühmischungen immer regio- nales Saatgut und kein gebietsfremdes enthalten. Eine althergebrachte Methode im landwirtschaftlichen Anwendungsbereich sind dabei die Mäh- gutübertragung und Heublumen. Auch magere Böden ohne zusätzlichen Humus sind eine Voraussetzung für artenreiche Blumenwiesen. VON MARKUS GRABHER F ür Rekultivierungen, Renaturierungen oder Gartengestal- tungen werden jedes Jahr Millionen von Gräsern, Kräutern und Gehölzen gesät und gepflanzt. Das Pflanzgut stammt in vielen Fällen nicht aus der Region, in der es ausgebracht Naturräumliche Gegeben- wird. Durch das Vermischen von Pflanzen mit unterschied- heiten in Österreich Karte: Michael Strauch licher Herkunft gehen geographisch bedingte Unterschie- de verloren. Pflanzen aus der jeweiligen Region haben sich über Jahrhunderte am besten an die lokalen Witterungs- und Bodenverhältnisse angepasst. Daher unterscheidet sich eine Pflanze im Montafon von einer Pflanze in der pan- nonischen Tiefebene, auch wenn sie zur gleichen Art gehören. Über den Erfolg naturnaher Begrünungen entscheiden zumeist die drei Faktoren Bodenvorbereitung - Begrünungsmethode – anschließen- „Alte“ Begrünungsmethoden – wiederentdeckt HEUBLUMENANSAAT UND bezeichnet: Hierbei wird eine Wiese Begrünung auf den Zeitpunkt der mit der gewünschten Vegetation, Samenreife beschränkt ist und MÄHGUTÜBERTRAGUNG die sogenannte Spenderfläche, zum möglicherweise frühblühende oder Das sind althergebrachte Begrü- Zeitpunkt der Reife der meisten auch besonders spätblühende nungsmethoden, bei denen einer- Pflanzen gemäht. Dies sollte mög- Arten nicht im gewünschten Aus- seits Heublumen (Heudrusch), also lichst morgens, also taunass erfol- maß berücksichtigt werden. Aller- die Pflanzenreste einschließlich der gen, wenn die Samen noch an der dings haben Versuche gezeigt, Samen, die sich bei der Heutrock- Pflanze „kleben“. Das Mähgut wird in dass durchaus auch Frühblüher nung am Scheunenboden sammeln, frischem Zustand etwa im Verhält- übertragen werden, die offensicht- verwendet werden. Bauern wenden nis 1:1 bis 1:2 auf der Empfängerflä- lich als Samen noch in der Vegetati- diese Methode seit jeher zur Ansaat che gleichmäßig ausgebracht, on vorhanden waren. Aus diesem oder Sanierung von Wiesen an. Ein deren Standortverhältnisse jenen Grund muss das Mähgut auf der Vorteil von Heublumen ist, dass sie der Spenderfläche entsprechen Spenderfläche möglichst schonend garantiert aus der Region stammen; müssen. Wichtig ist, dass das Mäh- manipuliert werden. ein möglicher Nachteil ist, dass gut auf der Empfängerfläche trock- unerwünschte Pflanzenarten wie net, damit dort die Samen ausfallen. Schließlich gibt es noch die Mög- der ausgesprochen lästige Stumpf- Vorteile dieser Methode sind, dass lichkeit, Mähgutübertragung mit blättrige Ampfer enthalten sein regionaltypische Arten ausgebracht einer Heublumenansaat oder einer können. Daher sollten Heublumen werden, dass die wenige Zentimeter Ansaat mit Handelssaatgut zu kom- nur dann verwendet werden, wenn starke Mulchschicht für gute Kei- binieren, um die Vorteile der einzel- das Heu der artenreichen Wiesen mungsverhältnisse sorgt und auch nen Methoden zu vereinen. Auf Ver- separat gelagert wurde und garan- einen gewissen Erosionsschutz suchsflächen brachte die Kombina- tiert frei von „Problempflanzen“ ist. gegen Auswaschung durch Nieder- tion von Mähgutübertragung und schläge bietet – gerade in Hangla- einer Ansaat mit regionaltypischem Als weitere Möglichkeit bietet sich gen ein nicht zu vernachlässigen- Saatgut die größte Artenvielfalt. die Mähgutübertragung an, auch als der Faktor. Nachteile sind, dass der www.begruenung.net Direktbegrünung oder Heugrassaat Zeitraum für die Durchführung der www.naturtipps.com XX Beilage zur Sommerausgabe | natur&land | 101. JG. – Heft 2-2015
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