Lesen NR. 2/2018 - Textbüro Marius ...

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Lesen NR. 2/2018 - Textbüro Marius ...
DAS MAGAZIN DER
BUCHHANDLUNGEN
VON ORELL FÜSSLI

                           Lesen                                                                 NR. 2/2018
                                                                                           IHR PERSÖNLICHES
                                                                                                 EXEMPLAR –
                                                                                           MIT WETTBEWERB!

                        Ein Kaleidoskop
                   verschiedener Wahrheiten
                                 NADJA SPIEGELMAN SEZIERT IHRE FAMILIE

    Geschichte schreibt                   Im Schaufenster                 Gratwanderung bewältigt
       Geschichten                     NEUE WERKE VON HUSTVEDT,               IDEALE SOMMERLEKTÜRE:
      HISTORISCHE EREIGNISSE –         SCHÄTZING
                                          LESEN 2/2018 UND   SEETHALER
                                                       – ORELLFÜSSLI.CH          LEICHT, ABER GUT
         PACKEND ERZÄHLT
Lesen NR. 2/2018 - Textbüro Marius ...
2                                                                                                                                                                                                                                                                                                      3
                                                                                                                                                                                           FILIALEN
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     EDITOR IAL & INHALT

AARAU –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––                           E M M E NB RÜ CK E –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––                                                W I N T E RT H U R –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                                                                                                                              Orell Füssli Emmen Center
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Liebe Leserin                  Jetzt erobern wieder die Bücher die Parks, Freibä-                  verdienen. Bücher, welche Sie die Zeit vergessen
 Orell Füssli Meissner                                                                                                                                                                                                                                                                   Orell Füssli Einkaufszentrum Rosenberg
      Bahnhofstrasse 41, 5000 Aarau                                                                                                               Stauffacherstrasse 1, 6020 Emmenbrücke                                                                                                     Schaffhauserstrasse 152, 8400 Winterthur                                                                                           Lieber Leser                   der und Balkone – und damit steigt auch das Verlan-                 lassen. Denn davon gibt es reichlich; natürlich
      Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr                                                                                                               Mo, Di, Do: 9 – 18.30 Uhr                                                                                                                  Mo – Fr: 8.30 – 20 Uhr | Sa: 8 – 18 Uhr                                                                                                                           gen nach unterhaltsamer und niveauvoller Lektüre.                   noch viel mehr, als wir Ihnen in dieser Ausgabe
      Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr                                                                                                             Mi, Fr: 9 – 21 Uhr | Sa: 8 – 16 Uhr                                                                                                                                                                                                                                                                          Gibt es die überhaupt? Die Unterscheidung zwi-                      vorstellen können. Es lohnt sich deshalb, sich in
                                                                                                                                                                                                                                                                                             Orell Füssli Marktgasse
      Orell Füssli Wirz                                                                                                                     F RAU E NF E LD                                       ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––         Marktgasse 41, 8400 Winterthur
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               schen leichter und hochstehender Literatur ist weit                 einer unserer Buchhandlungen beraten zu lassen.
      Hintere Vorstadt 18, 5000 Aarau                                                                                                         Orell Füssli                                                                                                                                   Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr                                                                                                                                        verbreitet. Dabei zählt doch eigentlich nur das Lese-               Wir freuen uns darauf, bei Ihrem nächsten Besuch
      Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr                                                                                                                  Bahnhofplatz 76, 8500 Frauenfeld                                                                                                           Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr                                                                                                                                   vergnügen. Manche mögen sprachliche Kapriolen                       exakt das Buch für Sie herauszusuchen, das Ihnen
      Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 8 – 17 Uhr                                                                                                             Mo – Fr: 8 – 20 Uhr | Sa: 8 – 18 Uhr                                                                                                                                                                                                                                                                         und komplexe Themenaufarbeitung – andere eine                       das grösste Lesevergnügen bereitet.
                                                                                                                                                                                                                                                                                        Z E R M ATT                        ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

BA DEN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––                         S C HA F F H AU S E N                                                 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––     ZAP                                                                                                                                                                  spannende und leicht zu lesende Geschichte.
 Orell Füssli                                                                                                                                 Orell Füssli                                                                                                                                   Hofmattstrasse 3, 3920 Zermatt                                                                                                                                                                                                        Herzlichst
      Langhaus beim Bahnhof, 5401 Baden                                                                                                           Vordergasse 77, 8200 Schaffhausen                                                                                                          Mo – Fr: 9 – 12 Uhr und 14 – 18.30 Uhr                                                                                                                            Unter den 80� 000 Titeln, die jährlich allein im
      Mo – Fr: 9 – 19 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr                                                                                                        Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr                                                                                                                 Während der Saison:                                                                                                                                               deutschsprachigen Raum erscheinen, schaffen                         Christine Roth
                                                                                                                                                  Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr                                                                                                            Mo – Fr: 9 – 12.30 Uhr und 14 – 19 Uhr
BA SEL                   ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––                                                                                                                                                    So: 16 – 19 Uhr                                                                                                                                                   viele den Spagat zwischen Unterhaltung und guter                    Leiterin Marketing & Kommunikation
 Orell Füssli Bahnhof SBB                                                                                                                   S C HÖ NBÜ H L ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––                                                                                                                                                                                                                  Qualität. Nur finden muss man sie! Wir haben für                    Orell Füssli Thalia AG
      Passerelle, Güterstrasse 115, 4053 Basel                                                                                                Orell Füssli Shoppyland                                                                                                                   Z Ü R I CH –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––                                                   Sie gesucht und präsentieren Ihnen auf Seite 20
      Mo – Fr: 7 – 21 Uhr | Sa: 8 – 21 Uhr                                                                                                        Industriestrasse 10, 3321 Schönbühl                                                                                                     Orell Füssli Kramhof                                                                                                                                                 ein paar Titel, die das Prädikat «leicht und gut»
      So: 9 – 20 Uhr                                                                                                                              Mo – Do: 9 – 20 Uhr | Fr: 9 – 21.30 Uhr                                                                                                 Orell Füssli The Bookshop
                                                                                                                                                  Sa: 8 – 17 Uhr                                                                                                                             Füsslistrasse 4, 8001 Zürich
      Orell Füssli                                                                                                                                                                                                                                                                           Mo – Fr: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 18 Uhr
                                                                                                                                            S IE RRE                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               4		Notizen                                  36		 In English, please!
      Freie Strasse 17, 4001 Basel                                                                                                                                      –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

      Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr                                                                                                               ZAP                                                                                                                                           Orell Füssli am Bellevue                                                                                                               23                                                                  16                         10 Ein Kaleidoskop                          		Englischsprachige
      Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 18 Uhr                                                                                                             Place de la Gare 2, 3960 Sierre                                                                                                            Theaterstrasse 8, 8001 Zürich                                                                                                                                                                                                            verschiedener                              Bücher
                                                                                                                                                  Mo – Fr: 9 – 12 und 13.30 – 18.30 Uhr                                                                                                      Mo – Fr: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 18 Uhr                                                                                                                                                                                                     Wahrheiten                               38		 Was da alles
B ERN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––                         Sa: 9 – 17 Uhr
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        «Was nie geschehen                          kreucht und
  Stauffacher                                                                                                                                                                                                                                                                                Orell Füssli Flughafen
                                                                                                                                            S PRE ITE N BACH                                                                                                                                 Airport Center, 8060 Zürich-Flughafen                                                                                                                                                                                                      ist» von Nadja                              fleucht
      Neuengasse 25 – 37, 3001 Bern                                                                                                                                                                           ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

      Mo – Mi, Fr: 9 – 19 Uhr                                                                                                                 Orell Füssli Tivoli                                                                                                                            Mo – Fr: 7 – 21 Uhr | Sa, So: 8 – 21 Uhr                                                                                                                                                                                                   Spiegelman                             		 Neue Kinderbücher
      Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 –17 Uhr                                                                                                              8957 Spreitenbach
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Ein Platsch!                  14		 Supercomputer                             über Erlebnisse
                                                                                                                                                  Mo – Sa: 9 – 20 Uhr                                                                                                                        Orell Füssli Zürich Hauptbahnhof                                                                                                                                                                                                                                                     draussen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     für die Liebe                      und Paralleluni-
      Orell Füssli im Loeb                                                                                                                                                                                                                                                                   Shopville, Halle Landesmuseum, 8001 Zürich
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     TRENDTHEMA                         versen                                 41 Am Rand der
      Spitalgasse 47/51, 3001 Bern                                                                                                          S T. GA L L E N –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––                                        Mo – Fr: 7 – 21 Uhr | Sa: 8 – 21 Uhr
      Mo – Mi: 9 – 19 Uhr | Do: 9 – 21 Uhr                                                                                                    Rösslitor Bücher – Orell Füssli Thalia AG                                                                                                      So: 9 – 20 Uhr                                                                                                                                                                                          MEERJUNGFRAUEN                		 «Die Tyrannei des                           Gesellschaft und
      Fr: 9 – 20 Uhr | Sa: 8 – 17 Uhr                                                                                                             Marktgasse/Spitalgasse 4, 9004 St. Gallen                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Schmetterlings» von                         mittendrin
                                                                                                                                                  Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr                                                                                                                 Orell Füssli Bahnhof Stadelhofen                                                                                                                                                                                                         Frank Schätzing                          		 «Olga» von
      Orell Füssli Bahnhof SBB                                                                                                                    Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr                                                                                                            Stadelhoferstrasse 8, 8001 Zürich                                                                                                                                                                          42                                                                        Bernhard Schlink
                                                                                                                                                                                                                                                                                             Mo – Fr: 8 – 20 Uhr | Sa: 9 – 19 Uhr                                                                                                                                                                                                  15		 Grundsätzlich
      Bahnhofplatz 10, 3001 Bern
      Mo – Sa: 7 – 22 Uhr | So: 9 – 22 Uhr                                                                                                        Orell Füssli Shopping Arena                                                                                                                So: 10 – 18 Uhr                                                                                                                                                                                                                            hinterfragt                            44		 Young Circle –
                                                                                                                                                  Zürcher Strasse 464, 9015 St. Gallen                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             		 «Die Illusion                                 zum Lesen gern
B RIG –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––                       Mo – Mi, Fr: 9 – 19 Uhr,                                                                                                                   Orell Füssli Bahnhof Oerlikon                                                                                                                                                                                                            der Gewissheit»                          		 Die neue Member-
  ZAP                                                                                                                                             Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr                                                                                                            Ladenpassage Mitte, Hofwiesenstrasse 369,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      von Siri Hustvedt                           Karte für junge Leute
      Furkastrasse 3, 3900 Brig                                                                                                                                                                                                                                                              8050 Zürich
      Mo – Fr: 9 – 18.30 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr                                                                                               S T. M A RG R E T H E N –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––                                                          Mo – Fr: 7 – 21 Uhr | Sa: 9 – 19 Uhr                                                                                                                                                                                                  19		 Könnten die Toten                      45		 Gekauft!
                                                                                                                                              Orell Füssli Einkaufszentrum Rheinpark                                                                                                         So: 10 – 19 Uhr                                                                                                                                                                                                                            reden                                        Kundinnen und
      ZAP Bürostore                                                                                                                               9430 St. Margrethen                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              		 «Das Feld» von                                 Kunden zeigen ihre
      Englischgrussstrasse 6, 3900 Brig
      Mo – Fr: 8.30 – 12 und 13.30 – 17 Uhr
                                                                                                                                                  Mo – Do: 9 – 19 Uhr | Fr: 9 – 21 Uhr
                                                                                                                                                  Sa: 8 – 17 Uhr                                                                                                                                                                                                                                                                Dossier «Geschichte                                                  Nicht allein
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     zum Trinken
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Robert Seethaler
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   20		 Gratwanderung
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Neuerwerbung
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               47		 Kreuzworträtsel
B RUGG ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
  Orell Füssli
                                                                                                                                            THU N ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                                                                                                                             Orell Füssli
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                schreibt Geschichten»                                                KOCHBÜCHER RUND
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     UMS BIER
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        bewältigt
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   		 Leichte Lektüre
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               48		 Veranstaltungen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                AUS AKTUELLEM ANLASS: SACHBÜCHER ÜBER HISTO-                                                                                                   50		 Der Lesen-
      Neumarktplatz 12, 5200 Brugg                                                                                                                Bälliz 60, 3600 Thun                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                mit Niveau
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                RISCHE EREIGNISSE UND DIE ENTWICKLUNG UNSERER                                                                                                       Fragebogen
      Mo – Do: 9 – 18.30 Uhr | Fr: 9 – 19 Uhr                                                                                                     Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                KULTUR                                                                                             32 Zwei Bücher zum                          		 Ausgefüllt von Anita
      Sa: 9 – 17 Uhr                                                                                                                              Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Kaffee                                      Siegfried
C H UR ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––                   V IS P –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––                                                                                                                                                                                                                                                         		 Die Debatte
  Orell Füssli Einkaufscenter City West                                                                                                       ZAP                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  34		 Das Buch zum Film
      Raschärenstrasse 35, 7000 Chur                                                                                                              Bahnhofstrasse 21, 3930 Visp                                                                                                               www.orellfüssli.ch                                                    0848 849 848                                                                                                                                                    		 Literatur jetzt im
      Mo – Fr: 9 – 20 Uhr | Sa: 8 – 18 Uhr                                                                                                        Mo – Fr: 9 – 12 und 13.30 – 18.30 Uhr
                                                                                                                                                  Sa: 9 – 17 Uhr                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Kino

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Die nächste Ausgabe von Lesen, dem Magazin der Orell Füssli Thalia AG, erscheint                   IMPRESSUM

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                am 30. August 2018. Sie erhalten Lesen kostenlos in jeder Filiale.                                 HERAUSGEBER: Orell Füssli Thalia AG, Dietzingerstrasse 3, Postfach, 8036 Zürich
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Bestellungen nehmen wir gern entgegen unter www.orellfüssli.ch,                                    GESAMTHERSTELLUNG UND REDAKTION: Textbüro Marius Leutenegger, Zürich
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   GESTALTUNG : Strichpunkt GmbH, Winterthur
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                orders@orellfuessli.ch und Telefon 0848 849 848.                                                   COVERFOTO : Sarah Shatz

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   FOLGEN SIE UNS AUF         Preisänderungen vorbehalten. Unsere aktuellen Verkaufspreise und                    Bücher mit diesen Zeichen sind auch als eBook bzw.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                FACEBOOK UND INSTAGRAM.        eine umfassende Auswahl an Büchern, Filmen und Spielen finden Sie                   Hörbuch erhältlich.
                                                                                                                                                                          LESEN 2/2018 – ORELLFÜSSLI.CH                                                                                                                                                                                                                         www.facebook.com/OrellFüssli   auf www.orellfüssli.ch.
Lesen NR. 2/2018 - Textbüro Marius ...
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                                                            NOTIZEN                                                                                                                                                                            N OT I ZEN

                                                   TEXT: MARIUS LEUTENEGGER

                                                                          «VON ALLEN WELTEN, DIE DER MENSCH ERSCHAFFEN
                                                                             HAT, IST DIE DER BÜCHER DIE GEWALTIGSTE.»

                                                                                      HEINRICH HEINE, DEUTSCHER DICHTER, 1797–1856

                                                                         Die von Mitte Juni bis Mitte Juli stattfindenden Fussball-                                 Nein, nein, wir geben die USA nicht auf – trotz allem! Denn das Land bleibt auch unter seinem aktuellen Präsidenten,
                                                                         Weltmeisterschaften in Russland lösen wie jede sportliche                                  den man wohl kaum als Buch-Aficionado bezeichnen kann, eine grosse Kulturnation, aus der immer wieder erstaun-
                                                                         Grossveranstaltung eine Flut neuer Bücher aus. Die                                         liche Leute und Werke hervorgehen. Wenn Sie ein wenig weiterblättern, stossen Sie zum Beispiel auf ein Interview
                                                                         meisten dieser Publikationen veralten schneller als das                                    mit der New Yorkerin Nadja Spiegelman, die ein fantastisches Buch über ihre Familie geschrieben hat. Und gleich
                                                                         letzte iPhone, weil sie auf Tagesaktualität abzielen –                                     zwei weitere jüngere weibliche Stimmen sind uns aufgefallen. Beide gehören Minderheiten im Land an.
                                                                         und diese naturgemäss eben kein langes Leben hat.
                                                                         Es gibt aber immer wieder Ausnahmen, die grundsätz-
                                                                         liche Aspekte in den Vordergrund rücken, und auf eine
                                                                         solche sei hier hingewiesen. Als Bücherwurm oder Leseratte
                                                                         haben Sie sich bestimmt auch schon einmal gefragt: Warum,
                                                                         zum Teufel, spielt diese Sportart weltweit eine derartige
                                                                         Rolle? Warum werden die besten Bücher schnöde zur Seite
                                                                         geschmissen, sobald volltätowierte Herren mit seltsamen
                                                                         Frisuren ihre Nockenschuhe schnüren? Mögliche Antworten
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Die andere bemerkens-
                                                                         bietet «Lob des Fussballs». Verfasst hat das bei C. H. Beck

                                                                                                                                                      © Kevin Day
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        werte Stimme gehört der
                                                                         erschienene Buch ein intellektuelles Schwergewicht: Jürgen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        27-jährigen Brit Bennett.
                                                                         Kaube, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.                                                                                                                                                                        Die dunkelhäutige Autorin
                                                                         Leicht nachvollziehbar zeigt er auf, warum Fussball eben ganz                                                                                                                                                  beschäftigt sich in ihrem Werk, das bislang
                                                                                                                                                                    Da ist zum einen die 38-Jährige Celeste Ng mit Hongkonger Wurzeln. Sie sorgte bereits 2015 mit ihrem
                                                                         anders ist als jede andere Sportart, warum die rational betrach-                                                                                                                                               aus Kurzgeschichten und hochgerühmten
                                                                                                                                                                    Debütroman «Was ich euch nicht erzählte» international für Aufsehen. Die Familiengeschichte mit Thrillerele-
                                                                         tet unsinnige emotionale Bindung an einen bestimmten, sich                                                                                                                                                     Essays bestand, immer wieder mit Ras-
Geschichten, die sich über mehrere Bände ziehen, sind en                                                                                                            menten handelt von einer tragischen Mutter-Tochter-Beziehung und dem Schicksal von Emigranten. Amazon
                                                                         aber ständig verändernden Club entsteht, warum Nostalgie so                                                                                                                                                    senschranken in der US-amerikanischen
vogue – man denke nur an die aktuellen Erfolge von Elena                                                                                                            erklärte den in 20 Sprachen übersetzten Bestseller zum «Best Book of the year». Nun legt Celeste Ng ihren
                                                                         wichtig ist – und was dieser Sport mit unserem Leben zu tun                                                                                                                                                    Gesellschaft. Nun erscheint bei Rowohlt
                                                                                                                                                                    zweiten Roman vor: «Kleine Feuer überall», erschienen bei dtv. Diesmal geht es um zwei Familien, die
Ferrante oder Jeffrey Archer. Offenbar gibt es ein starkes               hat. Man kann sich der klugen Beweisführung kaum entziehen.                                                                                                                                                    ihr erster Roman: «Die Mütter». Brit
                                                                                                                                                                    in der leicht überregulierten Gemeinde Shaker Heights leben; in diesem schicken Vorort von Cleveland, Ohio,
Bedürfnis, so richtig tief und lang in eine literarische Welt            Und das Allerbeste: Das schmale Bändchen hat man in maximal                                wuchs die Autorin übrigens selber auf. Die Geschichte beginnt damit, dass das Haus der einen Familie kom-           Bennett begann damit, als sie noch zur
einzutauchen. Ob das mit der Gewöhnung an Fernsehserien                  neunzig Minuten durch. Es ist also die ideale Alternative, wenn                            plett niederbrennt. Es ist klar, dass jemand Feuer legte, und der Verdacht fällt sofort auf die etwas eigenartige   High School ging. Die Originalversion
                                                                         alle Kumpels und Freundinnen mal wieder unbedingt ein Spiel                                Tochter der Familie. Während man den raffiniert angelegten Roman voller Zwischentöne liest, wähnt man               räumte in den USA regelrecht ab; die New
zusammenhängt, die ebenfalls allmählich dem Kinofilm als
                                                                         schauen wollen und man partout nicht mitglotzen will.                                      sich zuweilen in einer hochstehenden Fernsehserie – Celeste Ng weiss genau, wie man heute eine Geschichte           York Times bezeichnete das Buch als eines
Einzelwerk den Rang ablaufen? Wer Buchserien mag, darf sich                                                                                                                                                                                                                             der bedeutendsten Literaturdebüts der
                                                                                                                                                                    erzählen muss. Und siehe da: Das Buch wird bereits als Serie verfilmt, mit Reese Witherspoon und Kerry Was-
jedenfalls freuen: dtv veröffentlicht seit bald drei Jahren und                                                                                                     hington in den Hauptrollen. Wer sich seine eigenen Bilder im Kopf machen will, sollte deshalb schnellstmöglich      Saison, und die Kritiker überschlugen
noch bis Ende dieses Jahrs die legendäre Romanfolge «A Dance                                                                                                        zu diesem doppelbödigen Lesevergnügen greifen.                                                                      sich förmlich vor Begeisterung. Man kann
                                                                                                                                                                                                                                                                                        sie verstehen. Im Zentrum des Buchs
to the Music of Time» des Londoner Autors Anthony Powell –
                                                                                                                                                                                                                                                                                        steht eine junge dunkelhäutige Frau,
unter dem deutschen Titel «Ein Tanz zur Musik der Zeit».                                                                                                                                                                                                                                deren Mutter Suizid beging. Es geht um
Sagenhafte zwölf Bände umfasst das Werk. Powell schrieb sie                                                                                                                           Und wenn wir schon bei Empfehlungen                                                               Abtreibungen und Familienkonstellati-
zwischen 1952 und 1975. Noch grösser ist der Zeitraum, in dem                                                                                                                         aus dem Land of the Free sind: William                                                            onen, Rassismus und Optimismus und
                                                                                                                                                                                      Finnegan ist zwar keine junge weibliche                                                           eben über die titelgebenden Mütter. Die
die Geschichte spielt: Der mit einer Adligen verheiratete Autor
                                                                                                                                                                                      Stimme, aber trotzdem sehr lesenswert.                                                            Coming-of-Age-Geschichte lässt einen
malte ein Sittengemälde der englischen Upperclass vom Ende                                                                                                                                                                                                                              nicht mehr los und macht einen tatsäch-
                                                                                                                                                                                      Der 66-Jährige New Yorker gehört zu den
des Ersten Weltkriegs bis in die späten 1960er-Jahre. Hauptfigur                                                                                                                      wichtigsten Journalisten der USA, seine                                                           lich klüger – weil man viel darüber lernt,
ist der Ich-Erzähler Jenkins, der natürlich niemand anderer ist                                                                                                                       Reportagen erscheinen unter anderem im                                                            welche Bedeutung Mütter haben. Das er-
                                                                                                                                                                                      New Yorker und auch in Buchform. Nun hat                                                          staunlichste an diesem lang nachklingenden
als Powell selbst – und der mit legendärem britischem Humor
                                                                                                                                                                    er ein autobiografisches Werk verfasst: «Barbarentage»,                                                             und oft traurigen Buch ist, dass es nicht
und Understatement durch die vielschichtige Geschichte                   Vor wenigen Jahrzehnten hätte man sich kaum vorstellen können, dass es
                                                                                                                                                                    auf Deutsch erschienen bei Suhrkamp. Es handelt von seiner                                                          direkt auf Erfahrungen der Autorin beruht;
                                                                         wieder zum Kampf der Religionen kommen könnte wie einst während
führt. Kritiker, die bekanntlich gern vergleichen, rücken das                                                                                                       lebenslangen Faszination fürs Surfen; Finnegan wuchs in Hawaii                                                      es riecht zwar nach Autobiografie, ist aber
                                                                         der Kreuzzüge. Doch gegenwärtig prallen die verschiedenen Glaubens-
umfangreiche Werk manchmal in die Nähe von Marcel Prousts                                                                                                           auf, und dort stehen die Kinder ja auf dem Brett, noch ehe sie                                                      keine. Brit Bennett verfügt offensichtlich in
                                                                         richtungen wieder so heftig aufeinander, als hätte es nie eine Aufklärung                                                                                                                                      grossem Mass über eine der wichtigsten
«Auf der Suche nach der verlorenen Zeit». Das ist natürlich              gegeben. Dass es auch anders geht, beweisen die Religionswissenschaft-                     richtig gehen können. Für «Barbarentage» wurde Finnegan mit
                                                                                                                                                                    dem Pulitzer-Preis in der Kategorie Biografie/Autobiografie                                                         Eigenschaften von Autoren und Autorin-
etwas hoch, denn Prousts Siebenbänder gilt gemeinhin als                 lerin und Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff                                                                                                                                                nen: Empathie. Auch dieses Buch ist idealer
                                                                         sowie der in Deutschland lebende irakische Schriftsteller Najem Wali.                      ausgezeichnet; eine höhere Weihe gibt es kaum. Seine Fähigkeit,
eines der besten Werke der Literaturgeschichte. Aber ein                                                                                                            die Schönheit des Moments in Worte zu fassen, ist beeindru-                                                         Filmstoff, und tatsächlich plant Warner
                                                                         In ihrem gemeinsamen, bei Suhrkamp erschienenen Werk «Abraham                                                                                                                                                  Brothers bereits eine Adaption – ebenfalls
grossartiges – und vergleichsweise sehr spassiges – Lesever-                                                                                                        ckend – und ebenso die Art, wie er auf ganz simple Weise tiefe
                                                                         trifft Ibrahîm» unternehmen sie so aufschlussreiche wie unterhaltsa-                                                                                                                                           mit Beteilung von Kerry Washington, die
gnügen bietet «Ein Tanz zur Musik der Zeit» auf jeden Fall.                                                                                                         Lebensweisheiten vermittelt: ohne erhobenen Zeigefinger,
                                                                         me «Streifzüge durch Bibel und Koran». Was haben die beiden Bücher der                                                                                                                                         wie erwähnt bereits bei der Fernsehserie
                                                                                                                                                                    ohne grosse Ankündigung und besondere Kniffe, sondern
                                                                         Bücher aus dem gemeinsamen Stofffundus gemacht? Denn viele Figuren                                                                                                                                             «Kleine Feuer überall» mittut.
                                                                                                                                                                    durch schlichtes Erzählen. Das ist kein Buch über das Surfen,
                                                                         kommen sowohl in Bibel wie Koran vor, Hiob zum Beispiel oder Lot. Wo
                                                                                                                                                                    sondern einfach eins über das Leben.
                                                                         liegt das Verbindende, was trennt die Narrative? Darüber zu schreiben, ist
                                                                         eine tolle Idee – die hier erst noch gut umgesetzt wurde.

                                                      LESEN 2/2018 – ORELLFÜSSLI.CH                                                                                                                                                    LESEN 2/2018 – ORELLFÜSSLI.CH
Lesen NR. 2/2018 - Textbüro Marius ...
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                                                                                                                                                           N OT I ZEN                                                                                                                       N OT I ZEN

                                                                                                                                                                                                                                                                           Mathematik. Ist das ein Reizwort für Sie? Verbinden Sie damit
       G E F E C H T S TOT E                                                                                     Menschen so empfunden. Wir hatten alle die Bilder von Hiroshima                              Vor 30 Jahren veröffentlichten die                           leidvolle Erfahrungen zu Schulzeiten – und sind Sie froh darü-
                                                                                                                                                                                                              Basler Künstlerin Betha Sarasin
       Gefechtstote pro Million Menschen
                                                                                                                 und seinen Opfern vor Augen. In den Nachrichten wurden die
                                 2013                                                                            Supermächte gezeigt, die wie gedopte Bodybuilder ihre Muskeln
                                                                                                                 spielen ließen und einen Bombentest nach dem anderen durch-
                                                                                                                                                                                                              und der China-affine Zürcher Jour-
                                                                                                                                                                                                                                                                           ber, dass Sie heute im Alltag kaum mehr damit zu tun haben?
                                                                                                                 führten. Im Jahr 1985 beschloss das Friedensnobelpreiskomitee,
                                                                                                                 dass die nukleare Abrüstung der wichtigste Schritt zu weltweitem
                                                                                                                 Frieden wäre. Man zeichnete mich mit dem Preis aus, das heißt,                               nalist und Klangcollagist Markus         Ach, das meinen Sie alles nur: dass Sie die Mathematik nichts angeht – und dass
                                                                                                                 nicht mich direkt, sondern die IPPNW, die Internationalen Ärzte
                                                                                                                 für die Verhütung des Atomkriegs (International Physicians for
                                                                                                                                                                                                              Ganz mit «Die Reise zu den Seen»         dieselbige wehtut. Das französische Mathematik-Genie Mickaël Launay beweist
                                                                                                      12
                                                                                                                 the Prevention of Nuclear War), und ich war stolzes Mitglied die-
                                                                                                                 ser Organisation.
                                                                                                                                                                                                              ein extravagantes Werk, das ein Bio-     Ihnen das gern mit seinem bei C. H. Beck erschienenen Sachbuch «Der grosse
                        Quellen: Gleditsch(2016) einschließlich PRIO, Correlates of War Project und UCDP[1]
                                                                                                                     1986 gab es 64 000 nukleare Sprengköpfe in der Welt, heute
                                                                                                                 gibt es in militärischen Einrichtungen 15 000. So kann der Ins-
                                                                                                                                                                                                              Tech-Märchen auf Deutsch, Englisch       Roman der Mathematik». Munter erzählt er, warum es überhaupt Mathema-
                                                                                                                 tinkt der Angst dazu beitragen, schlimme Dinge aus der Welt zu              und Chinesisch erzählte und mit Kunstbildern und
       Wenn die Zahl der Todesopfer 200 000 erreicht, würde sie immer
                                                                                                                 schaffen. Bei anderen Gelegenheiten kann er aber außer Kontrol-
                                                                                                                 le geraten, unsere Risikoeinschätzung verzerren und katastropha-            Musik verband. Das hochwertige Buch hatte seinen
                                                                                                                                                                                                                                                       tik gibt – die ersten Bauern musste ja irgendwie ihre Kühe zählen und ihr Land
       noch unterhalb der Opferzahlen der Kriege in den 1980er-Jahren
       liegen. Das ist natürlich keinerlei Trost für die, die diesem Horror
                                                                                                                 le Unglücke verursachen.
                                                                                                                     Am 11. März 2011 ereignete sich am Meeresboden des Pazifik,             Preis, verkaufte sich aber trotzdem hervorragend.         vermessen – und wie sich diese Mutter aller Wissenschaften
                                                                                                                                                                                             Nun hat Markus Ganz mit «Zurück zu den
       ausgesetzt sind, aber die Tatsache, dass die Kriegstoten von Jahr-                                        13 Kilometer unter der Wasseroberfläche und direkt vor der japani-
       zehnt zu Jahrzehnt zurückgehen, sollte uns andere etwas zuver-                                            schen Küste, ein gewaltiges Seebeben. Es versetzte die japanische                                                                     im Verlauf der Jahrtausende entwickelte. Bei der Lektüre kann
                                                                                                                                                                                             Seen» eine wiederum dreisprachige Fortsetzung
       sichtlich stimmen.                                                                                        Hauptinsel um 2,4 Meter ostwärts und löste einen Tsunami aus,
           Der allgemeine Trend zu weniger Gewalt ist nicht nur eine
       weitere Verbesserung, er ist der schönste Trend, den es gibt. Mit
                                                                                                                 der die Küste eine Stunde später erreichte und etwa 18 000 Men-
                                                                                                                 schen das Leben kostete. Die Mauer, die gebaut worden war, um
                                                                                                                                                                                                                                                       sich einstellen, worauf man in der Schulzeit jahrelang vergeb-
       der Ausbreitung des Friedens in den letzten Jahrzehnten wurden                                            das Atomkraftwerk von Fukushima zu schützen, war kein Hinder-               der Geschichte geschrieben und mit vielen Ge-             lich hoffte: dass es plötzlich «Klick!» macht und man die ganze
       all die anderen Verbesserungen möglich, die wir miterleben konn-                                          nis für die riesige Wasserwalze. Die Provinz dahinter wurde vom
                                                                                                                                                                                             mälden und Zeichnungen der 2016 verstorbenen
                                                                                                                                                                                                                                                       Sache zu verstehen beginnt. Und sogar zu mögen. Wenn Sie
       ten. Wir müssen auf dieses fragile Geschenk sehr achtgeben,                                               Wasser überflutet und die Nachrichten in aller Welt von der Furcht
       wenn wir unsere anderen hohen Ziele auch erreichen wollen, wie
       die Zusammenarbeit für eine nachhaltige Zukunft. Ohne Welt-
                                                                                                                 vor körperlichen Schäden und radioaktiver Kontamination.
                                                                                                                     Die Menschen flohen, so schnell sie konnten, doch weitere               Betha Sarasin ergänzt. Auch diesmal erleben die
       frieden kann es keinen globalen Fortschritt geben.                                                        1600 Menschen kamen ums Leben. Ihr Verhängnis war aber
                                                                                                                 nicht die austretende Radioaktivität. Es wurde keine einzige Per-           reiselustigen Pflanzen mit wundersamen Mischwesen,        das nicht glauben, schauen Sie am besten einmal in Launays
           KONTA MINATION
                                                                                                                 son gemeldet, die an dem gestorben wäre, wovor sie eigentlich
                                                                                                                 floh. Diese 1600 Menschen starben, weil sie flohen. Es handelte
                                                                                                                                                                                             einem arglistigen Biocomputer und einem macht-            Youtube-Kanal «Micmaths» rein – und schon sind Sie ein Fan.
       Die Bedrohung durch einen Dritten, nuklearen Weltkrieg war
                                                                                                                 sich meist um ältere Leute, die aufgrund des mentalen und phy-
                                                                                                                 sischen Stresses während der Evakuierung starben oder weil sie
                                                                                                                                                                                             hungrigen Schwarzen Loch allerlei Abenteuer –
       während meiner Kindheit in den 1950er-Jahren und auch in den
       drei Jahrzehnten danach sehr real. Dies wurde von den meisten
                                                                                                                 in Notunterkünften leben mussten. Es war nicht die Radioakti-
                                                                                                                 vität, die sie tötete, es war ihre Angst vor dieser. (Selbst nach dem
                                                                                                                                                                                             eine hintersinnige Geschichte voller Komik.

                                                   142                                                                                           143

   Hätten Sie das gedacht: Trotz den Konflikten in Syrien, in Jemen, in der Ukraine usw. gibt es immer weniger Gefechtstote auf der Welt!

                     Am Anfang des                                                                            Denken und teilen stets in zwei
                     bei Ullstein                                                                             Gruppen ein – arm und reich, gut
                     erschienenen                                                                             und böse usw. Und wir neigen dazu,
                     Buchs «Factful-                                                                          Extreme zu vergleichen: ganz arm
                     ness» stellt der                                                                         und ganz reich. Dabei übersehen
                     schwedische                                                                              wir gern den immens viel grösse-
                     Professor Hans                                                                           ren Bereich dazwischen. Vor allem
                     Rosling 13 Fra-                                                                          aber hängen wir überkommenen

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Foto: © Annette Pohnert
                     gen über den Zu-                                                                         Vorstellungen nach und idealisie-
stand der Welt – zum Beispiel, ob                                                                             ren die Vergangenheit. Das führt
sich der Anteil der in extremer                                                                               dazu, dass Menschen den Eindruck                                                                       Gibt es eine weibliche
Armut lebender Menschen in den                                                                                haben, alles werde immer schlim-                                                                       Entsprechung für «Tausendsas-
letzten 20 Jahren erhöht oder                                                                                 mer – auch wenn nachweislich                                                                           sa»? Wie auch immer dieser
verringert habe. Schockierend ist:                                                                            alles immer besser wird: weniger                                                                       Ehrentitel lautete, Nina
Die meisten Menschen liegen mit                                                                               Arme, weniger Kriegstote, weni-                                                                        George hätte ihn verdient. Die
ihren Einschätzungen völlig falsch,                                                                           ger Kindersterblichkeit, weniger
                                                                                                                                                                                                                     Frau ist vielleicht vielseitig!                                                                                                                      Eine unwiderstehliche
                                                                                                                                                                                                                     Unter dem Pseudonym Anne                                                                                                                            Mischung aus Phantasie,
im Schnitt beantworten sie nur zwei                                                                           Feinstaub, weniger Atomwaffen.
                                                                                                                                                                                         West schreibt sie äusserst erfolgreiche Erotik-Sachbücher
Fragen richtig. Der Professor wollte                                                                          Es ist faszinierend, wie Rosling                                           wie «Gute Mädchen tun's im Bett – böse überall».                                                                                                                             teuflischem Witz und dunkler
wissen: Was steckt hinter den ver-                                                                            aufzeigt, wo wir überall irren und                                                                                                       1995 rief die Unesco den «Welttag des Buches» ins Leben: Jeweils am 23. April,
                                                                                                                                                                                         Gemeinsam mit ihrem Mann Jo Kramer verfasst sie als
                                                                                                                                                                                                                                                       dem vermuteten Geburts- und Todestag von William Shakespeare, wird die                                           Magie. »Wer Philip K. Dick,
breiteten Irrtümern? Und wie kann                                                                             an Fake News glauben. Au weh!                                              «Jean Bagnol» die beliebte Krimireihe mit Commissaire
man einer faktenbasierten Welt-                                                                               Zum Glück gibt einem Hosling gute                                          Mazan. Und schliesslich ist sie eben Nina George, die
                                                                                                                                                                                                                                                       Kultur des geschriebenen Worts zelebriert. Als grösster Buchhändler der Schweiz                                Pynchon, Comics und Matrix-
sicht zum Durchbruch verhelfen?                                                                               Instrumente zur Hand, wie man                                              Romanautorin, deren 2013 erschienene Liebesgeschichte         feiert Orell Füssli natürlich mit. Dazu lädt das Unternehmen in Zusammenar-                                    Filme mag, liegt hier richtig.«
Gemeinsam mit Sohn und Schwie-                                                                                selber faktenbasiert urteilen kann.                                        «Das Lavendelzimmer» in 34 Sprachen übersetzt wurde.          beit mit dem Verlag Random House Schulklassen in die Filiale ein. Die Kinder
gertochter machte er sich an die Ar-                                                                                                                                                     Gerade hat sie bei Knaur ein neues Buch veröffentlicht:       erhalten einen Blick hinter die Kulissen einer Buchhandlung, erfahren, wie                                               Peter Körte, F. A. Z.
beit. Bald merkte er: Gewisse Vorur-                                                                                                                                                     «Die Schönheit der Nacht». Es geht um Sinnlichkeit,           ein Buch entsteht – und bekommen alle ein Exemplar von «Ich schenk dir eine
teile, die uns zu falschen Schlüssen                                                                                                                                                     Aufbruch, das tolle Ambiente der Bretagne – und den           Geschichte». Dieses jährlich zum Welttag erscheinende Buch stammt jeweils
                                                                                                                                                                                         Rausch des Lebens. Das geht runter wie Honigmilch und         von einer beliebten Autorin oder einem beliebten Autor und ist ein attraktives
führen, haben mit unserer Evoluti-
                                                                                                                «BEIM LESEN GUTER BÜCHER                                                 ist immer wieder sehr klug. Auf Seite 20 dieser Ausgabe       Instrument zur Leseförderung; es wird von Buchhandlungen in der Regel zum
on zu tun. Wir überdramatisieren,
                                                                                                                WÄCHST DIE SEELE EMPOR.»                                                 von Lesen finden Sie Bücher, die sich leicht lesen und        Selbstkostenpreis abgegeben. Unser Bild zeigt eine dritte Klasse aus dem Schul-
weil uns das vor Gefahren bewahrt.                                                                                                                                                       gleichzeitig ein hohes Niveau aufweisen – «Die Schönheit
Wir haben eine Neigung zu binärem                                                                                                                                                                                                                      haus Fluntern beim Besuch der Filiale von Orell Füssli am Zürcher Bellevue.                                        Ü.: Anna Leube und Wolf Heinrich Leube
                                                                                                                VOLTAIRE, FRANZÖSISCHER SCHRIFT-                                         der Nacht» gehört fraglos auch in diese Kategorie.                                                                                                                              432 Seiten. Gebunden. Farb. Vorsatzpapier
                                                                                                                        STELLER, 1694–1778                                                                                                                                                                                                                                       Auch als E-Book erhältlich
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             www.hanser-literaturverlage.de

                                                                                                                                           LESEN 2/2018 – ORELLFÜSSLI.CH                                                                                                            LESEN 2/2018 – ORELLFÜSSLI.CH
Lesen NR. 2/2018 - Textbüro Marius ...
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                                                                                      N OT I ZEN                                                                                                                                N OT I ZEN

                                                           Jahrestage                                                                                                                                                                                               WAS LESEN SIE GERADE?
                                                                                     Manche Autoren finden auf verschlungenen
                                                                                     Wegen zu ihrer Berufung, andere wissen von                                                                                      «JE MEHR ICH LAS,
                                                                                     Anfang an, wo sie hingehören. Der britische                                                                                        UMSO NÄHER
                                                                                     Bestsellerautor Ian McEwan gehört zur zwei-                                                                                       BRACHTEN DIE
                                                                                     ten Sorte: Der Sohn eines Berufssoldaten,                                                                                          BÜCHER MIR
                                                                                     der unter anderem in Singapur und Libyen
                                                                                                                                                                                                                      DIE WELT, UM SO
                                                                                     aufwuchs, strebte seine Autorenkarriere
                                                                                                                                                                Am 30. Juli jährt sich die Geburt von Emily             HELLER UND
                                                                                     sehr gezielt an, er studierte Literatur und
                                                                                                                                                                Brontë zum 200. Mal. Die jüngere Schwes-
                                                                                     besuchte schon als junger Mann Kurse in                                                                                           BEDEUTSAMER
                                                                                                                                                                ter der noch berühmteren Charlotte
                                                                                     kreativem Schreiben. Mit 27 veröffentlichte                                Brontë schrieb nur einen einzigen Roman –            WURDE FÜR MICH
                                                                                     er seinen ersten Kurzgeschichtenband «Erste                                aber was für einen: Die leidenschaftliche,              DAS LEBEN.»
                                                                                                                                     And now for something
Friedrich Hölderlin gilt                                                             Liebe, letzte Riten». Er erschien auf Deutsch                              zum Beispiel im Insel-Verlag erschienene
                                                                                                                                     completely different:
als einer der grössten                                                               beim Diogenes-Verlag, dem der                                              Liebesgeschichte «Sturmhöhe» zählt zu                    MAXIM GORKI,                                                                      FIASKO
                                                                                                                                     Otto Waalkes wird am                                                                                                                                                  Stanislaw Lem
Dichter der abendlän-                                                                Autor seither treu geblieben                                               den Klassikern der englischen Literatur und           RUSSISCHER SCHRIFT-
                                                                                                                                     22. Juli ebenfalls 70.
                           © Christian Altorfer

                                                                                                                                                                                                                                                                                                           428 Seiten, CHF 21.90
dischen Literatur. Sein                                                              ist – und dem er zahlreiche                                                ist eines der ersten Werke aus viktoriani-             STELLER, 1868–1936
                                                                                                                                     Das kann man kaum                                                                                                                                                     Suhrkamp
Todestag jährt sich                                                                  Bestseller bescherte, zuletzt                                              scher Zeit mit einer bösartigen Hauptfigur.
                                                                                                                                     glauben, schliesslich
diesen Sommer zum                                                                    «Nussschale». Am 21. Juni feiert                                           Die Autorin aus Yorkshire galt auch selber
                                                                                                                                     macht er uns noch im-
175. Mal. Zur Welt kam                                                               McEwan seinen 70. Geburtstag                                               nicht gerade als Sympathieträgerin – sie war
                                                                                                                                     mer den ewig jugend-
Hölderlin 1770 in                                                                                                                    lichen Frechdachs.         zwar blitzgescheit, aber auch sehr schroff

                                                                                                                                                                                                                                                   © Frank Blaser
Württemberg. Schon                                                                                                                                              und eigenbrötlerisch. Als sie mit gerade ein-
                                                                                                                                     Hinter seinen Albern-
zu Lebzeiten galt er als                                                                                                                                        mal 30 Jahren an einer sich bald als tödlich
                                                                                                                                     heiten – und die meis-
grossartiger Lyriker,                                                                                                                                           erweisenden Lungenentzündung erkrankte,
                                                                   Und noch ein Autor wird 70: Am 6. Juli hat der Deutsche           ten seiner Gags sind
                                                                                                                                                                verweigerte sie jede medizinische Hilfe und
doch nach einigen                                                  Bodo Kirchhoff Grund zum Feiern. Erst war er Theater-             ebensolche – steckt viel
                                                                                                                                                                verlangte, der Natur ihren Lauf zu lassen.
                                                                                                                                                                                                                                                                    ANDREAS HOMOKI, INTENDANT AM
schweren psychi-
schen Abstürzen und
                                                                   autor, 1990 erlebte er auch seinen Durchbruch als
                                                                   Romancier – mit dem Bestseller «Infanta». Zudem hat er
                                                                                                                                     Kompetenz: Die besten
                                                                                                                                     Nummern schrieb Otto
                                                                                                                                                                                                                 DAS SIND DIE                                       OPERNHAUS ZÜRICH:
grauenvollen Zwangs-                                               Drehbücher für den Tatort geschrieben. Unser Lesetipp:            mit den deutschen                                                           GEWINNER                                           «Ich las gerade ‹Fiasko› von Stanislaw Lem. Das Buch
therapien wurde er                                                 «Schundroman», eine glänzende Satire auf Trivialliteratur.        Humorgrössen Robert                                                                                                            war ein Geschenk von Christian Gerhaher, dem wunder-
                                                                                                                                                                                                                 In jeder Ausgabe von Lesen
für unheilbar wahn-                                                                                                                  Gernhardt, Bernd                                                                                                               baren Bariton in unserer jüngsten Uraufführung am
                                                                                                                                                                                                                 finden Sie einen Kreuzwort-
sinnig erklärt. Seine                                                                                                                Eilert und Peter Knorr.                                                                                                        Opernhaus, ‹Lunea›. Er meinte, das könnte vielleicht ein
                                                                                                                                                                                                                 rätsel-Wettbewerb; in dieser
zweite Lebenshälfte                                                                                                                  Passend zum runden                                                                                                             guter Opernstoff sein.
                                                                                                                                                                                                                 Ausgabe auf Seite 47. Zu
verbrachte der Dichter                                                                                                               Geburtstag veröffent-                                                       gewinnen gibt’s jeweils zehn
zurückgezogen und                                                                                                                    licht der Komiker im                                                                                                           Obwohl ich immer ein Lem-Fan gewesen bin, kannte ich
                                                                                                                                                                                                                 Büchergutscheine im Wert
weitgehend verkannt                                                                                                                  Heyne-Verlag nun seine                                                                                                         dieses Buch noch nicht. Es geht um eine Weltraum-Ex-
                                                                                                                                                                                                                 von 20 bis 200 Franken. Beim
in einer Turmstube in                                                                                                                Autobiografie, betitelt                                                                                                        pedition zu einem Lichtjahre von der Erde entfernten
                                                                                                                                                                                                                 letzten Wettbewerb – das Lö-
Tübingen, wo er am                                                                                                                   nach einer seiner be-                                                                                                          Sternensystem, in dem eine ausserirdische Zivilisation
                                                                                                                                                                                                                 sungswort lautete «Buecher-
7. Juni 1843 starb. Was                                                                                                              kanntesten Nummern:                                                                                                            vermutet wird. Am Ende zeigt sich jedoch, dass die
                                                  Vor 125 Jahren, am 21. Juli                                                                                                                                    koenig» – wurden folgende
für ein Mensch er war,                                                                                                               «Kleinhirn an alle».                                                                                                           Kontaktaufnahme mit einer gänzlich andersartigen
                                                  1893, kam Hans Fallada zur                                                                                                                                     drei Teilnehmende als Gewin-
lässt sich bei einem                                                                                                                                                                                                                                                Lebensform im Grunde von vornherein zum Scheitern
                                                  Welt. Nun gut, eigentlich hiess                                                                               Eine andere kluge Frau, deren wir jetzt          ner ausgelost:
anderen Grossen der                                                                                                                                                                                                                                                 verurteilt war. Wie immer bei Lem nimmt er auch hier
Literatur nachlesen:                              der Autor Rudolf Wilhelm                                                                                      gern gedenken, ist Dorothy Parker. Sie
                                                                                                                                                                                                                 1. PREIS                                           eine Geschichte zum Anlass, um die Grenzen unserer
Stefan Zweig porträtier-                          Friedrich Ditzen, aber man                                                                                    kam am 22. August 1893 zur Welt, also vor
                                                                                                                                                                                                                 (200 FRANKEN):                                     eigenen Erkenntnisfähigkeit aufzuzeigen und scheinba-
                                                  kennt ihn nur unter seinem                                                                                    125 Jahren, und ist die Schriftstellerin aus
te ihn in «Der Kampf                                                                                                                                                                                                                                                re Gewissheiten unserer Existenz infrage zu stellen.
                                                  Pseudonym. Seine gesell-                                                                                      der goldenen Zeit von New York schlecht-         Stefan Fahrni, Moosseedorf
mit dem Dämon»,
                                                  schaftskritischen Milieustu-                                                                                  hin. Einen Namen machte sie sich zunächst        2. PREIS
zusammen mit Fried-                                                                                                                                                                                                                                                 Wie alle Geschichten Lems ist auch sein letzter Roman
                                                  dien gehören zum Besten,                                                                                      vor allem als scharfzüngige Theaterkritikerin,   (100 FRANKEN):
rich Nietzsche und                                                                                                                                                                                                                                                  nicht nur für Science-Fiction-Fans interessant. Aber da
                                                  was die deutsche Literatur                                                                                    doch das Magazin Vanity Fair feuerte sie         Hana Prochazka, Bad Zurzach
Heinrich von Kleist.                                                                                                                                                                                                                                                es sich bei den Expeditionsteilnehmern ausschliesslich
                                                  im zweiten Viertel des 20.                                                                                    1920, weil sie einfach zu sarkastisch für        3. PREIS
                                                                                                                                                                ihre Zeit war. Also wurde Dorothy Parker         (50 FRANKEN):                                      um Männer handelt, taugt die Geschichte vielleicht doch
                                                  Jahrhunderts hervorbrach-
                                                                                                                                                                Schriftstellerin. Später landete sie in Holly-   Larissa Iseli, St. Gallen                          nicht ganz zum Opernstoff: Ohne Frauenfiguren macht
                                                  te. Herausragend sind die
                                                                                                                                                                wood, wo sie für ein Drehbuch gar eine                                                              eine Oper zumindest mir keinen rechten Spass.»
                                                  Romane «Kleiner Mann,
                                                  was nun?» oder «Jeder stirbt
                                                                                                                                                                Oscar-Nomination erhielt. Sie starb 1967         Herzliche Gratulation!
                                                                                                                                                                in ihrem geliebten Big Apple. Der Verlag         Die Gewinnerinnen und
                                                  für sich allein». Der Ancon-
                                                                                                                                                                Kein & Aber hat einige ihrer besten Er-          Gewinner der Preise 4 bis 10
                                                  da-Verlag gibt jetzt gerade
                                                                                                                                                                zählungen in einem Band herausgebracht:          werden schriftlich benach-
                                                  beide Bücher neu heraus.
                                                                                                                                                                «New Yorker Geschichten».                        richtigt.

                                                                              LESEN 2/2018 – ORELLFÜSSLI.CH                                                                                                             LESEN 2/2018 – ORELLFÜSSLI.CH
Lesen NR. 2/2018 - Textbüro Marius ...
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                                                                                                                                                                                      INTERVIE W

                                                                                                                             Warum sind unsere Mütter so, wie sie sind? Unter anderem, weil auch unsere Grossmütter so sind,
                                                                                                                         wie sie sind. Und deren Mütter auch. Um sich selber besser zu verstehen, hat sich die New Yorkerin Nadja
                                                                                                                        Spiegelman die Geschichte der Frauen ihrer Familie erzählen lassen. Mit ihrem aufwühlenden und spannungs-
                                                                                                                           reichen Buch «Was nie geschehen ist» lässt sie uns an dieser Recherche teilhaben – zu unserem Glück.

                                                                                                                                                                  TEXT: MARIUS LEUTENEGGER               FOTO: SAR AH SHATZ

                                                                                                                    Dass man sich für seine Familie und seine Wurzeln
                                                                                                                                                                                    Nadja                         Ich bin, wer ich bin, auch als Kind berühmter Eltern.
                                                                                                                    interessiert, ist weit verbreitet. Seltener ist, daraus ein
                                                                                                                    Buchprojekt zu machen. Was gab Ihnen den Anstoss
                                                                                                                                                                                    Spiegelman                    «Maus» handelt von Ihrer Familie väterlicherseits, Sie
                                                                                                                    dazu, Ihre Familiengeschichte zu recherchieren – und            kam 1987 in New York          beschreiben jetzt die Frauen mütterlicherseits, und
                                                                                                                    zu veröffentlichen?                                             zur Welt. Ihre Eltern         das in umgekehrter Chronologie: Sie beginnen mit
                                                                                                                         Nadja Spiegelman: Als Kind war ich von meiner              sind der Cartoonist           Ihrer Mutter Françoise und gehen dann zurück zu Ihrer
                                                                                                                    Mutter sehr beeindruckt: Sie war so stark, sie schlief          Art Spiegelman und die        Grossmutter Josée, Ihrer Urgrossmutter Mina und
                                                                                                                    nie, ass nie, es gab nichts, was sie nicht konnte. Ich          Französin Françoise           Ihrer Ururgrossmutter Mélanie. Gibt es Verbindendes
                                                                                                                    verstand nicht, wie sie diese Frau wurde, die so anders         Mouly, Art Editor beim        zwischen diesen Frauen – über die Verwandtschaft
                                                                                                                                                                                    New Yorker. Gemeinsam
                                                                                                                    ist, als ich es bin. Fragte ich sie nach ihrer Vergan-                                        hinaus?
                                                                                                                                                                                    mit ihrer Mutter publi-
                                                                                                                    genheit, sagte sie immer: «Das erzähle ich dir, wenn            ziert Nadja Spiegelman            Ja, das gibt es. Alle diese Frauen waren ganz
                                                                                                                    du älter bist.» Kurz vor meinem College-Abschluss               das Magazin Resist! mit       anders als jene um sie herum. Alle entsprachen nicht
                                                                                                                    fragte ich mich, wie es für mich weitergehen könnte.            politischen Comics von        den zu ihrer Zeit vorherrschenden Erwartungen
                                                                                                                    Meine Mutter sagte mir, alles komme gut, und ich                Frauen. Darüber hinaus        an eine Frau. Sie lebten sehr unabhängige Leben,
                                                                                                                    antwortete: «Das kannst du leicht sagen, du wusstest            hat sie drei Graphic No-      forderten sich ständig selber heraus und lernten
                                                                                                                    immer, wer du bist und was du tun willst!» Da lachte            vels für Kinder verfasst.     viel. Und ich glaube, es kümmerte alle vier herzlich
                                                                                                                                                                                    «Was nie geschehen
                                                                                                                    sie und begann mir aus einer Zeit zu erzählen, in der                                         wenig, was andere über sie dachten.
                                                                                                                                                                                    ist» ist ihr erstes Werk,
                                                                                                                    sie sehr verletzlich war. Als sie damit anfing, ent-            das auch auf Deutsch
                                                                                                                    wickelte ich eine Art Plan meiner Selbstfindung.                erscheint.                    Die Geschichten der Frauen, die hauptsächlich in
                                                                                                                    Ich dachte: Wenn ich verstehe, wie meine Mutter                                               Frankreich spielen, klingen dramatisch. Es geht um
                                                                                                                    jene Frau wurde, die sie ist, kann ich vielleicht auch                                        schwierige Beziehungen – vor allem zu den eigenen
                                                                                                                    verstehen, wie ich selber zur Frau werde.                                                     Töchtern und Müttern –, um tiefe Verletzungen, die
                                                                                                                                                                                                                  weitergegeben werden, ums Scheitern und Aufstehen.
                                                                                                                    Ihr Vater Art Spiegelmann wurde mit «Maus – A sur-                                            Nüchtern betrachtet, sind die Biografien Ihrer Vor-
                                                                                                                    vivor’s Tale» weltberühmt. Die mit dem Pulitzer-Preis                                         fahrinnen aber gar nicht so aussergewöhnlich, sondern
                                                                                                                    ausgezeichnete Graphic Novel erzählt, wie seine Eltern                                        in vielem alltäglich. Glauben Sie, dass letztlich jede
                                                                                                                    Auschwitz überlebten. Basis für das Werk bildeten                                             Lebensgeschichte erzählenswert ist?
                                                                                                                    Gespräche, die er mit seinem Vater führte; die Paral-                                              Auf jeden Fall! Davon bin ich tief überzeugt.
                                                                                                                    lelen zu Ihrer Arbeit sind offensichtlich. Ihre Mutter,                                       Lebensgeschichten müssen aber interessant erzählt
                                                                                                                    die aus Paris stammende Françoise Mouly, ist ebenfalls                                        werden. Nicht jede und jeder hat ein Talent dafür,
                                                                                                                    berühmt: Sie zählt als Art Editor des New Yorkers zu                                          die eigene Biografie zu erzählen, doch meine Mutter
                                                                                                                    den einflussreichsten Persönlichkeiten im Bereich des                                         und meine Grossmutter verfügen fraglos über diese
                                                                                                                    Comics und der Illustration. Man kann sich vorstellen,                                        Gabe. Sie haben zum Beispiel einen feinen Sinn für
                                                                                                                    dass es nicht einfach ist, als Kind zweier so bekannter                                       Ursache und Wirkung.
                                                                                                                    Leute zu bestehen. Und nun schreiben Sie sogar noch
                                                                                                                    über Ihre Mutter! Befürchten Sie nicht, jetzt noch stär-                                      Ihr Buch ist von einer liebevollen Grundhaltung ge-

     Ein Kaleidoskop
                                                                                                                    ker vor allem «die Tochter von» zu sein?                                                      prägt, aber stellenweise geradezu schonungslos ehrlich.
                                                                                                                         Egal, worüber ich schreibe, ich werde wohl                                               Man weiss vom Fall der norwegischen Autobiografen
                                                                                                                    immer als Tochter von Art Spiegelman wahrgenom-                                               Karl Ove Knausgård, dass solche detailreichen Famili-
                                                                                                                    men. Meine eigenen Leistungen scheinen angesichts                                             enberichte für viel böses Blut sorgen können. Wie ist
                                                                                                                    meiner Herkunft manchmal unsichtbar zu werden.                                                das bei Ihnen?

verschiedener Wahrheiten
                                                                                                                    Ich brauchte tatsächlich einige Zeit, um mich damit                                                Meine Grossmutter spricht nicht mehr mit mir,
                                                                                                                    wohlzufühlen, das Kind meiner Eltern zu sein.                                                 seit das Buch veröffentlicht wurde. Sie arbeitete
                                                                                                                    Einerseits bewunderte ich sie, andererseits wollte ich                                        einst selber als Ghostwriterin, und als ich ihr sagte,
                                                                                                                    als Künstlerin als eigenständige Person gesehen wer-                                          dass ich ein Buch über sie schreiben möchte, dachte
                                                                                                                    den. Dieser Konflikt hat sich mittlerweile aufgelöst:                                         sie, ich würde einfach genau das schreiben, was sie

      Nadja Spiegelman mit ihrer Mutter Françoise Mouly – einer der Protagonistinnen von «Was nie geschehen ist».                                                                 LESEN 2/2018 – ORELLFÜSSLI.CH
Lesen NR. 2/2018 - Textbüro Marius ...
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                                                                   I N T ERV I E W                                                                                                                                                    I N T ERV I E W

                                                                                                           Man kann ja verstehen, dass Sie Ihre Grossmutter ken-     Wahrheiten. Ich glaube, die Frauen meiner Familie                                         Tochter haben möchte: Ich möchte meine Mutter als
                                                                                                           nenlernen und Ihre Erkenntnisse festhalten wollten –      haben ihre Geschichten stark geformt. Sie sagten                                          Grossmutter einer Enkelin sehen.
                                                                                                           aber wieso müssen Sie die Inhalte der zuweilen doch       sich: «So möchte ich die Dinge haben, so werden sie
                                                                                                           sehr intimen Gespräche veröffentlichen?                   sein – und so möchte ich die Dinge gehabt haben                                           Ihr Buch liest sich bei aller Tiefe sehr flüssig und unter-
                                                                                                               Weil das Geschichten über Frauen sind, die sonst      und so werden sie gewesen sein.» Wie sie sich an                                          haltsam – auch deshalb, weil es viel formale Abwechs-
                                                                                                           nie erzählt werden! Diese Frauen haben so viel erlebt.    ihr Leben erinnern, ist für sie bedeutender als die                                       lung bietet. Es gibt stark dialoglastige Teile, in denen
                                                                                                           Ich fand meine eigene Jugend ja auch schwierig –          Genauigkeit der Fakten. Das liebe ich an den Frauen                                       sie die Gespräche mit ihrer Mutter und Grossmutter
                                                                                                           aber verglichen mit der Jugend meiner Mutter und          meiner Familie: Sie berichten nicht einfach nur                                           wiedergeben. Und dann wieder romanhafte Elemente,
                                                                                                           erst recht mit jener meiner Grossmutter war das alles     über ihre Vergangenheit, sie kreieren ihr eigenes                                         in denen Sie einfach die Geschichte der Frauen erzäh-
                                                                                                           nichts. Es ist tief beeindruckend, was unsere Mütter      Leben und ihre Geschichte. Ich bewundere und                                              len. Das alles kommt so natürlich daher. Fiel es Ihnen
                                                                                                           durchmachen mussten. Und es gibt in ihren Biografi-       respektiere das.                                                                          leicht, die Form zu finden?
                                                                                                           en ein zeitloses Drama, das meines Erachtens viel zu                                                                                                     Im Gegenteil: Die Struktur festzulegen, war der
                                                                                                           selten thematisiert wird: jener Moment, in dem ein        Sie überlassen dem Leser und der Leserin viel Raum                                        aufwändigste Teil der Arbeit. Ich führte über 200
                                                                                                           Mädchen zur Frau wird, wenn es sich der eigenen Se-       für eigene Gedanken und Interpretationen – trotzdem                                       Stunden Interviews mit meiner Mutter und Gross-
                                                                                                           xualität bewusst wird. In diesem Moment wird man          bekommt man das Gefühl, die beschriebenen Frauen so                                       mutter. Ich transkribierte alles, druckte das Material
                                                                                                           entweder stark oder sehr verletzlich. Doch darüber        gut kennenzulernen wie Mitglieder der eigenen Familie.                                    aus, markierte und ordnete es. Dann verteilte ich es
                                                                                                           sprechen die älteren Frauen kaum mit den jüngeren.        Deutlich unschärfer bleiben die Männer. Tritt eine                                        auf dem Boden meiner Wohnung – und wartete auf
                                                                                                           Ich habe mit meiner Mutter und meiner Grossmutter         männliche Figur auf, dann nur in Bezug auf eine weibli-                                   den magischen Moment, in dem sich alles zusam-
                                                                                                           darüber gesprochen, und ich schrieb das Buch dann         che Protagonistin – als Ehemann, Vater, Liebhaber ...                                     menfügt. Wie das in Filmen eben geschieht. Leider
                                                                                                                                                                                                                                 Was nie geschehen ist
                                                                                                           mit grosser Zuversicht. Die beiden wussten ja auch,            Ich wollte ja auch keine Familienchronik schrei-           Nadja Spiegelman
                                                                                                                                                                                                                                                               stellte sich dieser Moment nie ein, obwohl ich die
                                                                                                           dass ich unsere Gespräche in einem Buch verarbeite.       ben, sondern über diese vier Frauen aus vier Genera-           394 Seiten, CHF 33.90      Blätter sechs Monate lang auf dem Boden liegen
                                                                                                           Ich habe sie auch das Manuskript lesen lassen, bevor      tionen. Ich wollte Erzählungen hören und erfahren,                     Aufbau             liess. Nun, letztlich war es einfach sehr viel Arbeit,
                                                                                                           es in Druck ging.                                         wie wir unsere Geschichte formen.                                                         eine gute Struktur zu finden. Ich wollte, dass alles
                                                                                                                                                                                                                                                               Resonanz hat und miteinander zusammenhängt.
                                                                                                           Sie haben dann auch Dinge gestrichen?                     Die Geschichte der Frauen Ihrer Familie geht einem so
                                                                                                               Ja, es gab einige Aspekte, welche die beiden nicht    nahe, dass man gern wissen würde, wie sie weitergeht –                                    Hatten Sie Unterstützung bei diesem Prozess?
                                                                                                           erwähnt haben wollten, und darauf nahm ich Rück-          weiter in der Vergangenheit, weiter in der Zukunft.                                          Nun, ich hatte einen Lektor.
                                                                                                           sicht. Aber ich konnte doch nicht das ganze Projekt            Das war wirklich eine interessante Erfahrung,
                                                                                                           aufgeben – ich arbeitete schliesslich rund sieben         die ich machte. Ich hatte zuerst das Gefühl, meine                                        Und Ihr Vater, der ja ein grosser Geschichtenerzähler
                                                                                                           Jahre lang daran.                                         Geschichte beginne bei meiner Mutter. Aber um sie                                         ist – hat er Ihnen geholfen?
                                                                                                                                                                     komplett zu verstehen, musste ich zu ihrer Mutter                                              Nein, er sah das Buch erst, als es fertig war.
                                                                                                           Wie geht es denn jetzt weiter mit Ihrer Grossmutter       zurückgehen – und um diese zu verstehen zu derer
                                                                                                           und Ihnen?                                                Mutter und so weiter. Irgendwann löst sich dann                                           Und was sagte er dazu?
                                                                                            © Sarra Ryma

                                                                                                               Ich habe ihr viele Briefe geschrieben, und ich        aber alles auf, und es fehlen die Erinnerungen. Das                                          Er sei glücklich darüber, dass ich nicht über ihn
                                                                                                           gebe ihr Zeit. Ich vermisse sie schrecklich. Ich wollte   ist in unserer Familie bei meiner Ururgrossmutter                                         schrieb! Und er sei sehr stolz auf mich.
                                                                                                           sie mit meinem Buch nicht angreifen, ich wollte ihr       Mélanie der Fall. Ich wünschte, ich wüsste, welche
                                                                                                           damit zeigen, wie sehr ich sie bewundere. Ich hoffe,      Beziehung Mélanie zu ihrer Mutter hatte!                                                  Sehen Sie sich selbst als Schriftstellerin, oder war das
möchte – wie sie das eben einst selber tat. Interes-            «ICH VERMISSE                              dass sie das eines Tags erkennt.                                                                                                                    ein einmaliges Projekt?
sant ist, dass für meine Mutter und meine Grossmut-         MEINE GROSSMUTER                                                                                         Aber Sie können die Geschichte ja immerhin selber                                             Ich bin Schriftstellerin. Ich verfasste ja bereits
ter nicht etwa jene Teile schwierig zu lesen sind, in           SCHRECKLICH.                               Im Epilog beschreiben Sie die Reaktion Ihrer Mutter       fortsetzen.                                                                               drei Kinderbücher.
denen ihre Geschichte erzählt wird, sondern jene, in                                                       nach dem Lesen des ersten Teils des Buchs. Sie sagte,          Ich würde liebend gern eine Tochter haben. Ich
                                                               ICH WOLLTE SIE
denen sie aus meiner Perspektive oder aus jener der                                                        sie erkenne sich teilweise nicht ...                      wäre natürlich auch mit einem Sohn glücklich, aber                                        Das heisst, es wird auch ein nächstes Buch geben?
anderen beschrieben werden. Meine Grossmutter                MIT MEINEM BUCH                                    Sie erkannte sich vor allem dann nicht, wenn         ich habe mir immer vorgestellt, eine Tochter zu                                               Ich habe bereits damit begonnen. Seit letztem
musste von klein auf lernen, in dieser Welt zu beste-       NICHT ANGREIFEN,                               ich sie als meine Mutter beschrieb. Ich erinnere          haben. Es liegt einfach etwas Kräftiges in einer Bezie-                                   Jahr arbeite ich allerdings beim Magazin Paris
hen. Sie möchte die Kontrolle haben, sie hat ja sogar         ICH WOLLTE IHR                               mich daran, dass ich in meiner Jugend viel mit ihr        hung zwischen Mutter und Tochter. Diese Beziehung                                         Review als Lektorin. Ich liebe diese Arbeit, aber ich
bereits ihre Beerdigung bis ins letzte Detail geplant.          DAMIT ZEIGEN,                              stritt. Meistens ging es dabei um meine Figur. Für        ist sehr komplex, schwierig und interessant. Und ich                                      komme gegenwärtig etwas wenig zum Schreiben.
Doch wie sie von anderen wahrgenommen wird,                  WIE SEHR ICH SIE                              mich waren diese Streitigkeiten ein zentraler Aspekt      weiss: Selbst wenn ich eine gute Mutter wäre, hätte
kann sie eben nicht bestimmen.                                                                             unserer Beziehung. Doch sie erinnert sich gar nicht       meine Tochter Gründe, wütend auf mich zu sein in                                          Und wovon wird das nächste Buch handeln?
                                                                BEWUNDERE.»
                                                                                                           daran! Sie glaubt nicht, meine Figur jemals kritisiert    ihrer Jugend. Und sie würde vielleicht auch wissen                                           Nicht von meiner Familie!
Dass Ihre Grossmutter auf diese Veröffentlichung                                                           zu haben! Wir haben einfach eine ganz unterschied-        wollen, wie ich als junge Frau war. Und ich würde
schlecht zu sprechen ist, dürfte Sie nicht allzu sehr                                                      liche Erinnerung an diese Zeit.                           vielleicht auch antworten, dass ich ihr alles erzählen
überraschen. Sie beschreiben im Buch den Fall einer                                                                                                                  werde, wenn sie älter ist.
Publikation Ihres Vaters, in der Ihre Grossmutter                                                          Die Subjektivität der Erinnerung gehört zu den zentra-
vorkommt, und schon damals reagierte sie wütend. Sie                                                       len Themen Ihres Buchs. Spielt überhaupt eine Rolle,      Und wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihre Tochter
haben den Bruch mit ihr wissentlich riskiert!                                                              was wirklich war – oder zählt am Ende nur, wie wir        eines Tags Gespräche mit Ihrer Mutter hätte, wie Sie
    Aber wenn ich dieses Buch nicht geschrieben hätte,                                                     etwas wahrgenommen haben?                                 sie mit Ihrer Grossmutter hatten?
hätte ich sie überhaupt nie kennen gelernt! Ich hatte                                                          Möglichst nah an der Wahrheit zu bleiben, ist             Ich wäre gerührt. Meine Tochter würde in vie-
zuvor keine Beziehung zu ihr. Und ich bin so dankbar                                                       schon wichtig, wir sollten nicht in einer Welt der        lerlei Hinsicht eine viel engere Beziehung zu meiner
dafür, dass ich sie kennengelernt habe. Ich bin dankbar                                                    alternativen Fakten leben. Aber wenn Familien-            Mutter haben als zu mir. Die Grossmutter-Tochter-
für die Zeit, die ich mit ihr verbringen durfte – und ich                                                  mitglieder von ihrer Wahrheit erzählen, muss man          Beziehung ist von einer grossen Sicherheit geprägt.
wünschte, sie könnte mein Buch als einen einzigen                                                          akzeptieren, dass es eben viele Wahrheiten gibt –         Meine Mutter wird eine unglaubliche Grossmutter
Liebesbrief an sie sehen. Denn das ist es!                                                                 oder die kaleidoskopische Version verschiedener           sein, und das ist mit ein Grund, weshalb ich eine

                                                            LESEN 2/2018 – ORELLFÜSSLI.CH                                                                                                                                      LESEN 2/2018 – ORELLFÜSSLI.CH
Lesen NR. 2/2018 - Textbüro Marius ... Lesen NR. 2/2018 - Textbüro Marius ... Lesen NR. 2/2018 - Textbüro Marius ...
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