Seht, ich mache alles neu
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68. Jahrgang · Nr. 1 · Pfingsten 2013 Pfarrblatt »Seht, ich mache alles neu« Schwerpunkt Der Heilige Geist: Gaben, Unterscheidung, Charismen · Aus-Wirkungen · Neues wagen Dompfarre Mitarbeiterausflug · Tondo: Johannes Paul II. · Chromotop St. Stephan III · Steffl-Kirtag Spirituelles St. Stephan – ein Mariendom · Die Unwissenden lehren · Zum Nachdenken Literatur „Mein Vater – mein Freund“ · „Ungehorsam · „Religionen im 21. Jahrhundert“
Inhalt Editorial n Editorial 2 n Wort des Dompfarrers n Der Heilige Geist, die Kirche und die Charismen 3 4 Grüß Gott! n »Prüfet alles, das Gute behaltet« 5 Die gemeinsame Geschichte eines quer- n Die 7 Gaben des Heiligen Geistes 6 schnittsgelähmten französischen Adeli- n Das jüdische Schawuot und gen und eines algerischen Kleinkriminel- das christliche Pfingsten 8 n Das II. Vatikanische Konzil len klingt, objektiv betrachtet, nicht ge- 10 n Das Schiff des Petrus rade nach großem Kino. Doch wer „Ziem- und die Beichte 11 lich beste Freunde“ gesehen hat, weiß, n Erfolgsprojekt YOUCAT – YouAsk! 12 dass es anders ist: Bei aller Tragik über n APG damals und heute 14 das erzählte Schicksal – die Leichtigkeit n Predigt zum Steffl-Kirtag 2012 15 und der Humor sind so spontan und ehr- n Ein Kind aus Liebe aufnehmen: lich, dass man auch über Szenen lacht, Pflege- und Adoptivkinder 16 n Im Sterben Leben schenken die einem im realen Leben leicht den Ruf 17 n Pionier der Weltraumforschung 18 einbringen könnten, behindertenfeind- n Wenn die Neugierde lich und gefühllos zu sein. zur Sucht führt 19 Als der 41-Jährige Philippe Pozzo di n Benedikt XVI. – Borgo, Direktor der Champagnerhäuser In der Gestalt des Heiligen Geistes ein historisches Pontifikat 20 Pommery und Lanson, beim Paragliding bietet Gott sich uns als Kraft an, die wir n »Der Geruch der Schafe« 21 abstürzt, verletzt er sich so schwer an in Anspruch nehmen dürfen. Gott möch- n »Wie beginnen Sie der Wirbelsäule, dass er vom Hals ab- te unser „mit dir“ sein (Edith Piaf). Wenn ein neues Werk?« 22 n FAIRTRADE wärts gelähmt und deshalb seither kom- er uns verheißt: „Seht, ich mache alles 24 n Spendenaktionen der Dompfarre 25 plett auf die Hilfe anderer angewiesen neu“2, wie der Titel des Pfarrblattes lau- n Im Weinberg des Herrn 25 ist. Nach monatelangem Kampf (medizi- tet, dann soll uns das nicht Angst ma- n Miteinander unterwegs 26 nisch und mental) kehrt er jedoch ins Le- chen – denn die Vorstellung, dass „alles“ n Firmvorbereitung 2012/13 27 ben zurück. In einer Dokumentations- neu wird, überfordert uns tief innen n Gebetsgruppe der sendung1 sagt er rückblickend: „Ich habe wohl auch irgendwie. Gott möchte uns Charismatischen Erneuerung 28 mein erstes Leben [vor dem Unfall] ge- mit dieser Zusage jedenfalls ermutigen: n Der selige Johannes Paul II. liebt. Ich habe es geliebt, aber es war ein die Tränen, die Anstrengungen, das Kla- im Wiener Stephansdom 28 n Chromotopia St. Stephan III Irrtum, eine Sackgasse. Ich bereue nichts. gen und Jammern werden Vergangen- 30 n Besonderheiten in St. Stephan 32 Man darf nicht bereuen. Wenn Sie bereu- heit sein, wenn wir zulassen, dass Gottes n Vor 60 Jahren 33 en, sind Sie tot. Wenn man bereut, fängt Geist in uns wirkt, wenn Gott in unserer n Chronik 33 man nicht noch einmal von vorne an. Be- Mitte wohnt.3 Damit ist nicht das Negie- n Geburtstagsbrief für reuen richtet sich gegen das Leben. ‚Ich ren von Gefühlen oder das Schönreden †Prälat Karl Hugel 34 bereue nichts‘, das ist Edith Piaf: ‚Je ne re- von kleinen oder großen persönlichen n Flammender Vorkämpfer grette rien‘. Ein schönes Chanson. Am Tragödien gemeint. Gott lädt uns ein zu der Moderne 34 n Anstelle eines Nachrufs Ende heißt es: ‚Nein, ich bereue nichts. einer Haltung, die nicht stecken bleibt in 35 n Ungehorsam Denn heute fängt alles von vorne an – den Fehlern, Missgeschicken und Schick- 36 n Religionen im 21. Jahrhundert 36 mit dir‘“. n Mein Vater – mein Freund 37 Hinweis. n Das vollkommene Ganze 37 Ermutigung zur Zukunft Wir bitten Autoren und Leser um Ver- n Buchempfehlungen ständnis, dass wir aus Gründen der bes- 38 „Noch einmal von vorne anfangen“, ein n Umbau Dommuseum seren Lesbarkeit und der Unversehrtheit 39 Thema, das uns alle betrifft. In einer n »Die beliebteste Wienerin« der Sprache Bezeichnungen wie „Christ“, 40 Welt, die immer schneller, komplexer n Die Unwissenden lehren „Katholik“ etc. so wie das ebenfalls gram- 42 n Mariazeller-Fest und weniger durchschaubar wird, sind matikalisch maskuline Wort Mensch als 43 n Steffl-Kirtag wir alle gefordert: Ein Anruf, ein SMS, der inklusiv, also geschlechtsneutral verste- 44 n Neue Herz Jesu-Tradition jahrelang verdeckte Steuermissbrauch hen und verwenden. Die Redaktion. 44 n Die Lange Nacht der Kirchen in einem EU-Nachbarland, ein Tsunami 45 Reaktionen. n Termine in St. Stephan in Japan – alles kann unser Leben verän- 46 Wenn Sie uns etwas mitteilen wollen, n »Und schaut der Steffl …« 48 dern. Von vorne anfangen meint dabei dann zögern Sie nicht: Schreiben Sie an: n Induktiv Hören in St. Stephan 49 keinen existentiellen Neubeginn. Viel- Dompfarre St. Stephan, „Pfarrblatt“, n Diözesanwallfahrt 2014 50 mehr müssen wir oft von Augenblick zu Stephansplatz 3, A-1010 Wien, od. per n Zum Nachdenken 52 Augenblick umdenken, improvisieren, E-Mail: dompfarre-st.stephan@edw.or.at n Impressum 52 anders weitermachen. 2 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013
Wort des Dompfarrers Liebe Freunde! salsschlägen der Vergangenheit; er er- Im Frühjahr bringt die Kraft der Sonne mutigt uns zu einer Lebens-Einstellung, die Natur wieder zum Blühen. Wie sehn- die sich vertrauensvoll, großherzig und süchtig erwarten die Menschen – beson- dankbar auf die Zukunft ausrichtet. ders nach einem langen Winter – dieses Schauspiel des Neubeginns! Jedes Jahr In diesem Sinne wünsche ich uns ein bin ich aufs Neue fasziniert von der Ma- Pfingsterlebnis, das uns ermöglicht dem rillenblüte in der Wachau. Dieses Wun- Heiligen Geist zu sagen: „Heute fängt al- derwerk der Natur verhilft mir dazu, das les von vorne an – mit dir.“ Das aber auch frühlinghafte Neuwerden mit den Sin- zulassen kann, dass der Heilige Geist zu nen zu erfahren: der Duft, die Farben- jedem von uns sagt: „Heute fängt alles pracht, die Vorfreude auf die Früchte – all von vorne an – mit dir.“ das macht Herz und Geist offen und frei. Die meisten erleben den Jahreszeiten- wechsel von Winter auf Frühling positiv. Für mich ist es aber nicht nur ein zu be- zuzusprechen, ist für mich eine beson- wunderndes Naturereignis, sondern ein ders verwandelnde Erfahrung der Nähe Ausdruck für all das, was wir in unserem Gottes. Intensiviert wird das Erlebnis, Leben von Gott zu Recht erwarten dürfen. wenn ich die Jugendlichen schon kenne, Susanne Leibrecht, Redaktionsleitung Und ich darf so oft dafür Zeuge sein: weil sie von mir getauft oder zur Erst- Die Freude der Eltern, Verwandten und kommunion geführt wurden. Freunde bei einer Taufe über das, im wei- Wenn ich von den Hochzeiten zu 1 „Ziemlich beste Freunde – Was im Leben ßen Taufkleid, strahlende Kind, das nie- schwärmen beginne, finde ich kein Ende. wirklich zählt“; 37 Grad Sendung (ZDF) vom manden unberührt lässt. In den Momen- Ich heirate ja sehr gerne – und das gleich 31.01.2013; nachzusehen z.B. auf ten des Feierns treten die riesigen He- öfters, pflege ich gerne mit einem Lä- www.zdf.de/37-Grad/Ziemlich-beste-Freun- de-25435440.html?mediaType=Video rausforderungen und Anstrengungen cheln zu sagen (um keine Missverständ- 2 Offb 21,5 der Mutter- und Vaterschaft mit durch- nisse aufkommen zu lassen). 3 Vgl. Offb 21,3f. wachten Nächten hinter der Festfreude Selbst die bedrängenden Erfahrun- zurück. Ich denke an viele Taufpaten, die gen menschlicher Schuld und lebensbe- nicht selten wegen der Übernahme des drohlicher Krankheit können zu Erfah- Patenamtes ihre eigene Glaubensge- rungen der neuschaffenden, vergeben- schichte neu schreiben. den und heilenden Liebe Gottes werden. Auch die vielen Erstkommunionkin- Und sogar der Tod von geliebten Men- »Alles Alte, der der letzten Wochen sind mir in le- schen, die uns einfach entrissen werden, bendiger Erinnerung: ihre freudige Vor- ist für mich und so viele andere nach soweit es den bereitung, ihre Ungeduld und Aufre- dem Abklingen der ersten Trauer schon gung, endlich – ganz wie die Großen – zu einer Schule des neuen, dankbaren Le- Anspruch darauf den Leib Christi empfangen zu dürfen. Da wird ein ganz neues Kapitel des Le- bens geworden. Wir wissen nicht, wie lange wir le- verdient hat, bens aufgeschlagen, das für die Zukunft tragend bleibt, auch wenn das Kind dem ben. Nützen wir unser Leben, um jeden Tag eine neue Spur der Liebe zu hinter- sollen wir lieben; Erstkommunionskleid schon lange ent- wachsen ist. lassen. Ihr aber für das Mir ist es geschenkt, im Auftrag des Bischofs in rund 20 verschiedenen Pfarr- Neue sollen wir gemeinden Jugendlichen das Sakrament des Erwachsenwerdens, also die Firmung, Toni Faber, Dompfarrer zu spenden. Junge Menschen nach einer eigentlich leben.« intensiven Vorbereitung salben und stär- ken zu dürfen, ihnen in all die Verände- Theodor Fontane rungen und Unsicherheiten der Pubertät hinein die Kraft und die Gaben Gottes Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013 3
Seht, ich mache alles neu Der Heilige Geist, die Kirche und die Charismen Von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz Niemand hat die Kraft, die Welträtsel zu em. Univ.-Prof. rungen zu reden. Aber der Geist wirkt lösen. Nicht Wissenschaft, nicht Philoso- Dr. phil. Dr. theol. hc. weit über vordergründiges Wünschen phie, nicht Geheimwissen aller Art kom- Hanna-Barbara und Träumen hinaus. Normalerweise ar- men hinter den Sinn des Weltlaufs. Fre- Gerl-Falkovitz leitet beitet die Heizung unsichtbar im Keller; velhaft-dumm ist aber die Behauptung, das Europ. Institut die Ölwanne steht nicht im Wohnzim- die Welt sei sinnlos, alles zerstäube am für Philosophie und mer. Ganz da sein, alles tragen, alles be- Ende ins Leere. Nein: Der Sinn des Gan- Religion an der leben und sich doch nicht aufdrängen – zen, so sagt die Geheime Offenbarung, Phil.-Theol. Hoch- das ist die Kunst des Heiligen Geistes. bleibt zwar jetzt siebenfach versiegelt. schule Benedikt XVI. Wie souverän zeigt sich immer wieder, Aber nicht für immer. Denn das blutende in Heiligenkreuz dass Er die Kirche insgeheim erwärmt, Lamm kann die Siegel öffnen, und dann richtet und aufrichtet. Hat es sich nicht kommt ein Sturzbach an Erkenntnis, an weiter Anmut und Grazie. Wir sind nicht unerwartet bei der Wahl des neuen Paps- Freude: ein „herzsprengendes Entzücken“ (mehr) gewohnt, von der Kirche als Trä- tes bestätigt? Von „Irgendwo“ kam ein über die geheimnisvolle Auflösung des gerin der Schönheit zu sprechen. Aber es Unbekannter – und schon nimmt das Rätselhaften. Denn dabei tut sich überra- stimmt doch: Der Heilige Geist gibt An- Schiff wieder Fahrt auf. Ach, wir Klein- schend auf: Immer schon durchglüht der teil nicht nur an Macht, an Reinheit, an gläubigen! Unverdient reißt der göttliche Geist Gottes das Undurchschaubare. Im- Lebendigkeit, an Speise, am Neuen – er Schwung sogar unsere Trägheit mit. n mer schon führt Er, auch im Weglosen. gibt auch Anteil an Schönheit. Wenn von den Gaben des Geistes die Rede ist, tauchen halb vergessene, halb Verborgen und souverän verstandene Worte auf: Furcht Gottes, Wer ist nun aber der Heilige Rat, Weisheit, Stärke ... Ja, all das ist ver- Geist? Offenbar mehr als alle sprochen, aber noch viel mehr. Die Gehei- Gaben zusammen: Er ist ihre me Offenbarung schüttet einen übervol- Quelle. Und deshalb ist es len, unerschöpflichen Korb aus. Das schwer, ihn wahrzunehmen. Lamm „richtet“ zuerst die sieben Gemein- Der „demütig Göttliche“ den. Sie zeigen sieben leuchtende Bega- wirkt in seinen Gaben, aber er bungen, darunter tapferes Bekenntnis, verbirgt sich als Urheber. Da- aber auch sieben Absturz-Gefahren der rin steckt ein wunderbares Kirche: Lauheit, Götzendienst ... Richten Geheimnis. Denn wenn wir meint immer „aufrichten“: Alle Gemein- etwas schenken, gibt es zwei den erhalten Lob und Tadel, und beides ist Fehlformen: Entweder schen- Liebe, beides ist Gnade. Nach der uner- ken wir aus „Pflicht“ und blei- bittlich-wunderbaren Reinigung kom- ben dabei selbst gleichgültig. men unvorstellbare Gaben: Die Standhaf- Oder umgekehrt: Wir setzen ten erhalten die Frucht vom Baum des Le- aufdringlich unsere „Duft- bens (diesmal ohne Sünde), den Kranz des marke“ im Geschenk, damit Lebens, das verborgene Manna, den neu- man uns ja nicht übersieht. en Namen auf weißem Stein, Macht über Das richtige Schenken sieht die Völker, ein weißes Gewand, sie werden anders aus: In der Gabe gibt zur Säule im Tempel Gottes, sie nehmen sich der Geber ganz, aber sogar Platz auf dem Thron Gottes! ganz selbstvergessen. Und über allem steht noch ein Kenn- Es ist weithin üblich ge- zeichen: Diese Gaben, die Charismen worden, die Kirche (in Eu- Der Heilige Geist ist die dritte Person des Dreifaltigen sind schön und sie machen leuchten. ropa) totzusagen. Oder ankla- Gottes, der an Pfingsten auf die Jünger Jesu aus- Charis heißt Gabe, dann auch Dank, und gend von überfälligen Ände- gegossen wurde; seither wirkt er unaufhaltsam fort 4 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013
»Prüfet alles, das Gute behaltet« Marianne Schlosser über die Gabe der Unterscheidung1 Die Frage ist alt – und zugleich zu allen Zei- ist sie „eigenmächtige Auslegung“6? Liegt ten aktuell: Wie kann man unterscheiden, das Ziel wirklich in der Vertiefung von Univ.-Prof. „aus welchem Geist heraus“ jemand redet Glauben, Hoffnung und Liebe? Im Hinblick Dr. Marianne und Glauben beansprucht? Was kommt auf die Person des Boten galten als deutli- Schlosser ist wirklich von Gottes Geist und Auftrag, und che Warnzeichen stets materieller Eigen- Ordinaria für was ist möglicherweise bloß eingebildet – nutz, aber auch der leichte Anhauch von Theologie der oder gar bewusst vorgetäuscht? Gibt es Gefallsucht und Geltungsbedürfnis7. Spiritualität an Kriterien, wann man jemandem trauen der Kath.-Theol. darf, oder umgekehrt: Warnzeichen? Erfahrene Gnade Fakultät der Mehrfach begegnet uns in den Brie- Notwendig ist die „Unterscheidung“ auch Universität Wien fen des Neuen Testaments die Mahnung im geistlichen Leben: Wie kann ich in mir zu „prüfen“.2 Jesus selbst warnt vor „fal- selbst – oder im Fall der geistlichen Be- auch wenn er mit Schmerz und Strenge schen Propheten“3 und vorgeblichen gleitung: bei anderen – gute Anregungen spricht. Und schließlich bringt die Erfah- Heilsbringern, denen man „nicht nach- von Phantastereien oder gar Gefährdun- rung der Gnade den intensiven Wunsch laufen“ soll. Welche Gefahr die Irrefüh- gen unterscheiden? Welche Anzeichen hervor, das eigene Leben nach Gottes Wil- rung bedeutet war auch im Alten Testa- lassen auf die Tragfähigkeit einer Begeis- len zu führen; d. h., die Erfahrung wird ment sehr bewusst: Der Prophet Elija terung oder eines Vorhabens schließen? nicht als Erlebnis „konserviert“, was sie beispielsweise musste es mit einer Schar Was bedeuten Empfindungen beim Ge- unfruchtbar machen würde. von 450 Baalspropheten aufnehmen, bet – kann man sich da täuschen? Zum ähnlich wie der Prophet Micha Ben Jim- Beispiel dürfte jemand, der trotz Reue Wachsende Gabe la4; und Jeremija stand allein gegen sei- und empfangener Vergebung nicht gleich Paulus nennt die Fähigkeit, in geistlichen nen theologisch durchaus versierten zum fühlbaren Frieden der Seele zurück- Dingen einen klaren Blick zu haben, eine Gegner Hananja5. kehren kann, deswegen nicht an der Wirk- Gabe des Heiligen Geistes. Sie kann für ei- Die Notwendigkeit der „Unterschei- samkeit des Buß-Sakramentes zweifeln; nen bestimmten Fall als außerordentliche dung“ bezieht sich nicht nur auf die Prü- er würde sonst sein subjektives Empfin- Hellsichtigkeit geschenkt sein – wie etwa fung auftretender Charismen in der Kir- den über den Glauben stellen. Daniel den Prozess gegen Susanna als che, sondern auch auf die rechte Ein- Aus dem reichen Schatz der geistli- Justizmord erkannte8, oder Petrus die Ab- schätzung der Vorgänge im eigenen in- chen Ratschläge sei nur einer erwähnt, sichten von Hananias und Saphira durch- neren Leben. Der erste Bereich betrifft der mit erstaunlicher Einmütigkeit durch schaute9. Doch sie ist nicht nur außerge- den Wahrheitsanspruch einer Lehre: An- die Jahrhunderte hindurch wiederholt wöhnliches „Charisma“. Als Gabe muss gesichts besonderer Vorkommnisse, wie wird: Wer wirklich Gott nahe kommt, der und kann sie von Gott erbeten werden; z. B. Privatoffenbarungen, stellt sich un- nimmt unweigerlich an Demut zu. Eine und jeder Glaubende kann und soll auch weigerlich die Frage nach der Echtheit. echte Erfahrung der Gnade oder Beru- etwas dazu tun, diese Gabe nach seinen Aber auch Therapie-Vorschläge, wie Pro- fung lässt den Menschen nämlich die Kräften zu entwickeln. Frömmigkeit al- bleme in der Kirche oder in einer religiö- Unverdientheit der überwältigenden Zu- lein, das wussten bereits die Kirchenväter, sen Gemeinschaft gelöst werden kön- wendung Gottes und die Größe des bewahrt nicht immer hinreichend vor nen, müssen sich auf ihre geistliche Soli- Glaubens erfahren, den man als einzel- Täuschung; wichtig ist dazu eine gute dität hin überprüfen lassen. ner Mensch nicht ausschöpfen kann. Die Kenntnis des Glaubens der Kirche. Das Weder Erfolg (nicht einmal Wunder- Demut – in der man auch jemand ande- schützt davor, sich in eigenen Ideen zu kraft!), noch ein äußerlich tadelloses Le- ren um Rat fragen wird und sich etwas verfangen. Als drittes Element muss ein ben (was nicht gleichbedeutend ist mit sagen lässt – wird begleitet von tiefer aufrichtiges Leben aus dem Glauben hin- „Früchten“!) sind ein zweifelsfreies Kriteri- Freude, Geduld und Stärke: von der Zuver- zukommen. Diese drei: Gebet, Glaubens- um für das Wirken des Heiligen Geistes – sicht, dass sich Gottes Wort und Wirken wissen und Leben aus dem Glauben, las- auch wenn sittliche Integrität ein wichti- nicht aufhalten lassen. Sie hat als Frucht sen die Unterscheidungsgabe wachsen. n ges Kriterium für einen „Freund Gottes“ Barmherzigkeit und Vergebungsbereit- 1 Buchempfehlung 5 Jer 28 ist. Entscheidend für die Beurteilung einer schaft und eine aufrichtige Liebe, die sich siehe Seite 38 6 vgl. 2 Petr 1,18-23 Botschaft ist der Inhalt. Steht sie in Konti- im fürbittenden Gebet auswirkt. Der ech- 2 1 Kor 12,10; 1 Joh 5,1 7 vgl. 1 Thess 2,3-7 nuität zur Offenbarung, wie sie im Glau- te Prophet, Mystiker und Freund Gottes 3 Mt 7,15-23 8 Dan 13,45 ben der Kirche weitergegeben wird, oder erhebt sich nicht über „die anderen“, 4 1 Kön 22 9 Apg 5,3 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013 5
Seht, ich mache alles neu Die sieben Gaben des Heiligen Geistes Von Peter van Briel gen retten kann. Mancher gewinnt sie Verstand – auf hartem Wege durch – mitunter lei- Liebe ist nicht bloß Gefühl der auch schmerzliche – Erfahrungen. Nicht wenige Menschen denken, dass Besser wäre es, als junger Mensch an der Peter van Briel, diejenigen, die sich verlieben, eine Lie- Weisheit der Alten teilhaben zu können. Schulpfarrer in besbeziehung eingehen oder einer Reli- Oder, noch besser: an der Weisheit Got- Recke/Nordrhein- gion angehören, dies nicht mit ihrem tes. Wenn einer weiß, was im anderen Westfalen, ist u.a. Verstand tun. Liebe und Religion seien vorgeht, dann Er. Sprecher der Karl- vollkommen irrational – behaupten eini- Leisner-Jugend ge. So, als wären wir nur ein willenloser Spielball von Gefühlen, Hormonen und Mitunter wird die Wirkung des Heiligen religiöser Erziehung. Geistes mit „Begeisterung“ umschrieben Auf die Frage, was man tun muss, um – was ja auch ziemlich nahe liegt, wenn das ewige Leben zu erlangen, antwortet wir auf das Pfingstereignis schauen: Die ein Gesetzeslehrer, indem er aus dem Al- zuvor ängstlichen Apostel und Jünger ten Testament zitiert: „Du sollst den trauen sich nach der heilenden Wirkung Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem des Geistes auf die Straße und predigen Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Jesus Christus. Aber ist diese Wirkung an Kraft und all deinen Gedanken, und: Dei- Pfingsten nicht eher mit „Mut“ zu um- nen Nächsten sollst du lieben wie dich schreiben? Die Wirkung des Heiligen selbst.“1 Von Hormonen ist dort verblüf- Geistes mit (lauter) Begeisterung gleich- fender weise gar nicht die Rede. Liebe ist zusetzen, würde der Genialität des Geis- tatsächlich weniger ein Gefühl, als viel- tes Gottes nicht gerecht werden. Die Ga- mehr eine Entscheidung. Nur der liebt be des Geistes ist vielmehr die „Heilig- wirklich, der sich frei dazu entschließt! keit“. Und „Heiligkeit“ ist letztlich nichts Klug handeln, klar erkennen, verant- anderes als unsere Fähigkeit zu einer er- wortungsvoll entscheiden – das sind kei- füllten Beziehung. „Beziehungsfähig- ne Einschränkungen der Liebe und unse- keit“ – also „Heiligkeit“ – ist aber eine Ga- rer Beziehungen, sondern deren Voraus- be, die nicht nur auf die Gottesbezie- setzungen. Nur wer bei klarem Verstand hung beschränkt bleiben kann, sondern ist, kann auch wirklich und wahrhaftig uns in jeder möglichen Beziehung fähi- lieben. Das heißt nicht, dass wir nun nur ger macht. Darin liegt das Glück des aus kühler Berechnung Beziehungen Menschen begründet. Selbst die Men- knüpfen, sondern dass wir auch den Ver- schen, die scheinbar nur nach Geld, stand in den Dienst der Liebe stellen. Macht und Besitz streben, glauben, da- durch attraktiver zu werden – und in ih- Weisheit – ren Beziehungen glücklicher. Diesen Einfühlungsvermögen gewinnen Umweg haben wir Christen nicht nötig: Großväter spielen in Kinderfilmen die Gott schenkt uns unmittelbar, was wir gleiche Rolle wie die erfahrenen Richter zu unserem Glück brauchen: seinen in Gerichtsfilmen: Sie sind lebenserfah- Geist der Heiligkeit. Nun gibt es unter- ren, ehrlich, unbestechlich – und weise. schiedliche Mängel und Defizite, die un- Sie wissen Bescheid; nicht etwa, weil sie sere Beziehungen (auch unsere Bezie- klüger als andere sind, sondern weil sie Der Heilige Geist möchte mit (mindestens) hung zu Gott) gefährden. Deshalb hat sich in die Lage des anderen hineinver- sieben Gaben bei den Menschen wirken. die Kirche immer schon mehrere Gaben setzen können und in ihrem langen Le- Für viele klingen diese heutzutage „alt- unterschieden, die dem entgegenwirken ben schon einige Erfahrungen in solchen modisch“: Verstand/Einsicht, Weisheit, – genauer: sieben Gaben. Mindestens Lebenslagen gewonnen haben. Weisheit Rat, Stärke, Erkenntnis/(heilige) Wissen- sieben, sollte man hinzufügen. ist eine Eigenschaft, die viele Beziehun- schaft, Frömmigkeit, Gottesfurcht. Der 6 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013
Rat – Wissen, was zu tun ist unterscheiden. Der beste Berater ist Gott oder lateinische Gebete aufsagen zu Rat ist das Wissen um das, was zu tun ist; selbst – und seine diplomatische Vertre- können, sondern Gott zu lieben, wie er ist der Entschluss, das Gute zu lieben tung in meinem eigenen Gewissen ist ist – und es Ihm auf die schönste und und das Böse zu meiden. In der Praxis ist der Heilige Geist. beste Art und Weise zu zeigen, die uns es nicht immer leicht, den rechten Weg möglich ist. vom Weg des Unheils zu unterscheiden. Stärke – Mut, das Richtige zu tun Darf ich in bestimmten Situationen lü- Es gibt nicht nur die Gabe, die richtige Gottesfurcht – Respekt haben gen? Muss ich ein Geheimnis bewahren, Vorgehensweise zu erkennen, sondern Mit Furcht (Gottesfurcht) ist nicht etwa selbst wenn es andere ins Unglück auch den Mut, das Richtige zu tun bzw. Angst gemeint. Furcht ist das alte deut- stürzt? Viele Fragen stellen sich, deren das Falsche zu lassen – was oft noch viel sche Wort für Respekt und Anerken- Antwort gelegentlich schwer fällt. In sol- schwerer ist. Stark zu sein heißt, konse- nung. Dazu gehört selbstverständlich chen Situationen sehnt sich auch der In- quent in Freundschaft mit Gott, dem der Respekt vor dem Geliebten – aber telligenteste nach einem guten Berater, Nächsten und seiner eigenen Natur zu eben auch die Anerkennung, dass ich, um den rechten Weg vom falschen zu leben. Der Geist des Menschen hat zu- wenn ich geliebt werde, diese Liebe nicht nächst die Möglichkeit, das Gute als er- verdient habe und nicht einklagen kann. strebenswert zu erkennen. Der vom Hei- „Ehrfurcht“ vor der Liebe des Anderen ist ligen Geist geheilte menschliche Geist aber nicht ein ständiges Zittern um des- hat außerdem die Fähigkeit, das Gute sen Gunst, sondern eine permanente gegen alle Widerstände auch zu ergrei- Freude über das ungeschuldete Ge- fen. Jede Liebesbeziehung braucht gele- schenk seiner Liebe. Eine echte Liebesbe- gentlich Heldenmut; ganz besonders in ziehung „hat“ man also nicht irgend- den ganz kleinen und einfachen Gesten. wann; eine wahre Liebe respektiert die Gut, dass es Gott gibt, der ein Meister Freiheit aller in dieser Beziehung – auch der kleinen und großen Taten ist. die Freiheit für Überraschungen. Überraschungen? Ja: Zur Gottes- Erkenntnis – furcht gehört nämlich auch die Einsicht, die Wirklichkeit annehmen nicht selbst Gott zu sein und Gott nie- Erkenntnis ist die schlichte Gabe, die mals ganz zu verstehen. Anzuerkennen, Dinge so zu sehen, wie sie sind. Natürlich dass wir Geschöpfe sind und eben keine hat jeder seine eigene Brille auf, die ihm Götter, ist der Anfang der Freundschaft vor allem das zeigt, was er gerne sehen mit sich selbst. Die eigenen Grenzen an- will. Was aber ist wirklich? Die Fähigkeit, zunehmen und Gott als Gott anzuer- auch dann die Wirklichkeit zu akzeptie- kennen – das ist wahre Liebe und Beja- ren, zu ihr Ja zu sagen, wenn sie nicht hung der eigenen Existenz. Nur so kön- meinen Wünschen entspricht – also in nen wir auch dem anderen in Liebe be- Freundschaft mit der Realität zu leben – gegnen: Weil wir wissen, dass der Ande- ist eine Gabe des Geistes. Der Verliebte re Fehler hat, können wir verzeihen und sieht in einer scheinbar gewöhnlichen um Verzeihung bitten. Letztlich kommt Person das Unwiderstehliche, Einmalige alles seelische Leid – alle Sünde – aus und Großartige – wie Gott. der Unzufriedenheit des Menschen, nicht Gott zu sein und sich an seine Stel- Frömmigkeit – le zu setzen. der Liebe Ausdruck verleihen Der Geist will uns heilen, damit wir „Frömmigkeit“ klingt heutzutage nicht in das göttliche Liebesgeschehen hi- gut. In jeder Liebesbeziehung bedarf es neingenommen werden können. Die aber genau dieser Fähigkeit, der Liebe Aus- Gabe des Heiligen Geistes ist zunächst druck zu verleihen – mit großen Gesten, nur eine: Sie befähigt den Menschen, poetischen Worten und der Treue im Klei- seine eigene Geistigkeit als Gottes darin verborgene Sinn und Inhalt ist nen. Frömmigkeit ist die Zusammenfas- höchste Gabe anzuerkennen und als jedoch alles andere als altmodisch – viel- sung all unserer individuellen Fähigkeiten, geistiger Mensch zu leben; wieder frei mehr verhelfen uns diese Gaben unser um sie – indem wir unsere Liebe ausdrü- zu werden und „Ja“ zu Ihm und Seiner Leben so zu leben, wie Gott es uns wünscht cken – in den größten Dienst zu stellen. Schöpfung zu sagen. n und für uns vorgesehen hat: in seiner Frömmigkeit bedeutet also nicht, be- 1 Lk 10,27 ganzen Fülle, in Liebe und Glück-Seligkeit sonders viele Kniebeugen zu machen Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013 7
Seht, ich mache alles neu Das jüdische Schawuot (Wochenfest) und Von Bernhard Dolna „Seit dem Tage, da uns die Stimme Got- die nicht nur die fünf Bücher des Moses „Chag HaKazir“ – Fest des ersten Getrei- tes am Sinai überwältigte, sind wir nicht und die darin sich befindenden 10 Gebo- deschnittes, und „Chag Habikkurim“ – mehr dieselben. Es ist für immer unmög- te umfasst, sondern die ganze Bibel, ein- Fest der Erstlingsfrüchte. In der jüdi- lich, dass wir uns in ein Zeitalter zurück- schließlich der mündlichen Lehre (Misch- schen Tradition gehören irdische Ernte ziehen, das vor dem Sinai-Geschehen na, Talmud …). und himmlische Offenbarung zusam- liegt. Etwas nie Dagewesenes hat sich men. Auf diese Parallele weist eine tief- ereignet: Gott offenbarte uns seinen Na- Die Bedeutung der Tora sinnige rabbinische Interpretation von men, und wir werden nach Ihm genannt. „Der wahrhaft freie Mensch ist einer, der Lev 23:17 hin, der Aufforderung, Erst- ‚Alle Völker der Erde sollen sehen, dass sich mit dem Studium der Tora befasst“, lingsgaben dem Herrn darzubringen: du den Namen des Herrn trägst‘1. Es gibt schreibt ein Rabbiner des 2. Jahrhun- „Am Wochenfest bringt der Mensch zwei hebräische Namen für Jude: Jehudi, derts. Er weist damit auf die „lebensnot- dem Herrn zwei Brote als Erstlingsga- dessen drei erste Buchstaben die drei wendige“ Bedeutung der Tora für das Ju- ben dar; und Gott reicht dem Menschen ersten Buchstaben des Unsagbaren Na- dentum hin, das seit dem Sinaiereignis die zwei Tafeln mit den 10 Geboten.“ mens sind, und Israel, dessen letzte Silbe zugleich in einer Beziehung zur Tora und Selbst die Synagogen werden aus die- ‚el‘ im Hebräischen ‚Gott‘ heißt.“ (Rabbi zu Gott steht. Ein gläubiger Jude ist nie sem Grund mit Zweigen, Girlanden und Abraham Joshua Heschel). allein vor dem Antlitz Gottes, die Tora ist Blumen geschmückt – zu Ehren der von Diese Worte weisen nachdrücklich immer mit ihm, sie ist ihm nicht nur Ge- Gott gegebenen Tora. darauf hin, welche Bedeutung Schawu- setz, sondern Quelle der Weisheit, sein ot, das Wochenfest, für das Judentum bis Atmen und sein Wesen. Von Sturm und Brausen begleitet zum heutigen Tag hat: Die Erlösung des Das Wochenfest (Schawuot) war ur- Zu den wichtigsten biblischen Texten, Volkes Israel nahm mit der Befreiung aus sprünglich ein Weizenerntefest. Es wird die zum Fest in den Synagogen gelesen Ägypten ihren Anfang und sie wurde am 50 Tage (7 Wochen) nach Pesach gefei- werden, gehören Exodus 19-20: die Of- Sinai mit der Gabe der Tora besiegelt. ert und vollendet es (parallel zum christ- fenbarung Gottes am Sinai und des Wei- Denn die Erlösung aus der ägyptischen lichen Pfingsten = Pentecost). Aus die- tern die Gabe der Tora. Diese Ereignisse werden als die eigentliche Geburtsstunde des Volkes Israel verstanden. Daraus ein kurzer Abschnitt: „Am dritten Tag, im Morgengrauen, begann es zu donnern und zu blitzen. Schwere Wolken lagen über dem Berg, und gewaltiger Hörnerschall erklang … Der ganze Berg Sinai war in Rauch ge- hüllt, denn der Herr war im Feuer auf ihn herabgestiegen. Der Rauch stieg auf wie der Rauch eines brennenden Ofens. Der ganze Berg bebte gewaltig“2. Die Apostelgeschichte 2,4ff berichtet von der Herabkunft des Heiligen Geistes während des Schawuotfestes. Dieser Au- Die Tora, die hebräische Bibel, umfasst unter anderem die fünf Bücher des Mose und die genblick wird zur Geburtsstunde der Kir- 10 Gebote; mit der Gabe der Tora wurde die Erlösung des Volkes Israel besiegelt, die mit che, des neuen Israel. Damit nimmt die der Befreiung aus Ägypten ihren Anfang genommen hat christliche Tradition die jüdische auf und führt sie weiter (theologisch gespro- Knechtschaft brachte, so eine Ausle- sem Grund trägt es auch den hebräi- chen: erfüllt sie). Im Pfingstbericht der gung, körperliche Befreiung. Aber mit schen Namen „Azeret“ – Schlussfest. Es Apostelgeschichte heißt es in einer dieser allein ist es nicht getan. Der ist der krönende Abschluss des Pesach- wörtlich kaum wiederzugebenden Wen- Mensch muss auch geistig frei sein. Die- festes mit der Gabe der Tora am Sinai. dung, die von Erfüllung spricht: se geistige Befreiung erlebte Israel erst Aber neben Schawuot und Azeret hat „Als sich der Tag der Pfingsten (= das am Berg Sinai, als der Ewige die Tora gab, das Fest noch zwei andere Namen: Wochenfest) erfüllte, befanden sich alle 8 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013
das christliche Pfingsten am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom teilte sie sich in die siebzig Sprachen der Himmel her ein Brausen, wie wenn ein Menschheit, so dass alle Völker sie ver- Prof. Mag. Dr. heftiger Sturm daher fährt und erfüllte stehen konnten“3. Bernhard Dolna, das ganze Haus, indem sie waren. Und es Professor für Neues erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, Gott sandte … Testament und die sich verteilten, auf jeden von ihnen Was ist nun das Weiterführende des Jüdische Studien, ist ließ sich eine nieder. Alle wurden mit christlichen Pfingsten? Der Ausdruck Studiendekan am dem Heiligen Geist erfüllt und began- „Als sich der Tag der Pfingsten erfüllte“ Internationalen nen, in fremden Sprachen zu reden, wie lässt an das Wort im Galaterbrief 4:2ff. Theologischen es der Geist ihnen eingab.“ denken: „Als die Fülle der Zeit kam, sandte Institut, Trumau Diesen Texten ist gemeinsam, dass Gott seinen Sohn … sandte Gott den Geist sie über göttliche Offenbarungen be- seines Sohnes in die Herzen, der da ruft ner Auferstehung empfängt er von Gott richten, die beide von Sturm und Brau- ‚Abba, Vater!‘“ den Geist in Fülle, um ihn allen mitzutei- sen begleitet sind. Der Zusammenhang Zweimal findet sich in dieser Stelle len, für die er Mensch wurde und für die von den „Zungen wie von Feuer“ und von von der Fülle der Zeit das Wort „Gott er sich kreuzigen ließ. „Durch die Rechte der Fähigkeit, „in fremden Sprachen zu sandte“: Er sandte den Sohn … er sandte Gottes erhöht, hat er die Verheißung, den reden“, wird dem einsichtig, der weiß, den Geist. Die Fülle der Zeit beginnt mit Heiligen Geist, vom Vater empfangen dass das hebräische Wort laschon so- der Sendung des Sohnes Gottes in die und diesen ausgegossen, wie ihr seht wohl ‚Zunge‘ als auch ‚Sprache‘ bedeu- Welt hinein (Inkarnation – Menschwer- und hört“, deutet Petrus in seiner ersten ten kann. Und auch die Lehre eines Rab- dung). Diese Sendung aber ist hin geord- Predigt das Pfingstgeschehen7. bis aus dem 2. Jahrhundert kann als ver- net auf die Sendung des Geistes seines Die Gabe der Tora und die daraus sich bindender Text zwischen den beiden Of- Sohnes in unsere Herzen inmitten der Kir- ergebenden Pflichten und die Gabe des fenbarungen gelesen werden. Er meinte: che. Im Gesamtkontext des Alten und Heiligen Geistes in die Herzen, beides „Als Gottes Stimme am Sinai hervorkam, Neuen Testaments wird mit Pfingsten sind bis zur Stunde Wege, die Menschen etwas erfüllt, woraufhin in der Welt ge- mit ihrem Leben bezeugen, um dadurch lebt und gewartet wurde und wird! der Menschenfreundlichkeit Gottes in Die Jünger, denen Jesus als letztes der Welt zu dienen, indem sie Seinen aufträgt, Jerusalem nicht zu verlassen, Willen erfüllen. sondern „die Verheißung des Vaters“4 zu Wohin wird uns Juden und Christen erwarten, vertreten in diesem Warten die Vorsehung Gottes noch führen, und sowohl ganz Israel, als auch die gesamte das trotz unserer so langen tragischen Menschheit. Was an dieser Stelle auf- gemeinsamen Geschichte? – Aus den fällt, ist, dass Jesus die Geistmitteilung biblischen Texten ist jedenfalls evident: schlechthin „die Verheißung des Vaters“ Aus dem Wunder sind wir gekommen nennt, sozusagen den Inbegriff aller und in das Wunder werden wir zurück- göttlichen Verheißung. kehren. n Von Wunder zu Wunder 1 Dtn 28:10 2 Ex 19.16-19 Wenn Jesus selbst der von Gott Verheiße- 3 Ex Rabbah 5:9 ne ist, der dem Abraham verheißene 4 Lk 24:49 und Apg 1:4 Nachkomme, in dem „alle Geschlechter 5 Gen 26:4 und 28:14 der Erde gesegnet werden sollen“5, dann 6 Jer 31:31-34, Ez 36:26ff. und 39:29, Joel 3:1-4 ist der Heilige Geist die Verheißung Got- 7 Apg 2:32 tes. Und die Segnung aller Geschlechter 8 Die Herabkunft des Heiligen Geistes, von Hans Alexander Brunner, Wien/Hernals besteht in der „Ausgießung des Heiligen Nach Jesu Worten ist das Ausgießen des Geistes über alles Fleisch“, wie sie beim Heiligen Geistes die Verheißung des Va- Propheten Jeremia, Ezechiel und Joel6 ters schlechthin, der Inbegriff aller göttli- verkündet wird. Auf diese Geistsendung chen Verheißung8 hin hat Jesus gelebt und gelitten. In sei- Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013 9
Seht, ich mache alles neu Das II. Vatikanische Konzil – 1 ein neues Pfingsten für die Kirche Von P. Martin Leitgöb CSsR Aufgrund der Begeisterung für den neu- in der Praxis der Seelsorge neu und an- en Papst ist die Tatsache in den Hinter- ders geworden. Die Kirche erschien nach grund getreten, dass sich die katholische manchen Erstarrungserscheinungen Kirche seit vergangenem Herbst in be- wieder auf der Höhe der Gegenwart und sonderer Weise des II. Vatikanischen Kon- in besserem Einklang mit der Botschaft P. Dr. Martin zils erinnert, das am 11. Oktober 1962 er- des Evangeliums. Leitgöb CSsR ist öffnet wurde und in vier Sitzungsperi- Vielleicht stehen wir ja – angestoßen Mitglied des oden bis zum Jahr 1965 gedauert hat. durch Papst Franziskus – derzeit auch Redemptoristen- Wir feiern also seit vergangenem Jahr am Beginn eines neuen Aufbruchs? Auf- ordens und und noch bis 2015 das 50-Jahr-Jubiläum fällig ist jedenfalls, dass der heutige Kirchenhistoriker des II. Vatikanums. Obwohl die Sitzungs- Papst ähnliche Sympathien auslöst wie perioden der Kirchenversammlung da- das dem großen Initiator des II. Vatikani- schen, der in den Konzilsdokumenten mals alle im Herbst stattfanden, gab es schen Konzils, Papst Johannes XXIII., ge- immer wieder deutlich wurde. Er ist ge- ein Frühlingserwachen in der Kirche. Vie- lang. Dieser hatte sich ebenfalls als ein wissermaßen das gemeinsame Grund- le haben das Konzil als ein „neues Pfings- leutseliges und unkonventionelles Kir- merkmal der Konzilsaussagen. ten“ oder als „Pfingsten des 20. Jahrhun- chenoberhaupt präsentiert, einfach und Vieles am II. Vatikanischen Konzil war derts“ gedeutet, und vieles ist damals in einprägsam in Worten, Gesten und Zei- pfingstlich. Denn, wo sich die Kirche öff- der konkreten Erfahrung der Kirche und chen, mit einem sehr offenen und net und nicht in sich verschlossen bleibt, furchtlosen Herzen. überall, wo sie sich bewegt und nicht auf der Stelle tritt, ist Pfingsten und wirkt Der Heilige Geist: „Frischluftzufuhr“ der Heilige Geist. Das Konzil war aber 1965, nicht einmal drei Monate nach sei- auch als Vorgang von pfingstlichem Cha- ner Wahl, hatte Johannes XXIII. ein Konzil rakter: Es war ein Beispiel für das freie angekündigt. Als man ihn fragte, was er Wort in der Kirche. Mutig kämpften ein- mit dieser Kirchenversammlung denn zelne Konzilsväter für Veränderungen, beabsichtige, soll er an ein Fenster seiner welche in dieser Konsequenz ja zunächst päpstlichen Wohnung gegangen sein gar nicht geplant waren. Zugleich war und es weit geöffnet haben. Durch das man aber stets auch bemüht, den größt- Konzil, so sagte er, möge frische Luft in möglichen Konsens zu erreichen, der die Kirche eindringen. In der Tat brachte mehr ist als ein bloßer Kompromiss zwi- das II. Vatikanische Konzil eine außeror- schen einander widerstreitenden Mei- dentliche Frischluftzufuhr für die Kirche. nungen. Es herrschte also ein intensives Besonders galt dies für das Kirchenver- Bemühen um Einigkeit, das wiederum ständnis. „Kirche“ war nicht mehr primär zur Basis hatte, dass die verschiedenen eine hierarchisch streng geordnete Gna- Positionen ausreichend dargelegt wer- denanstalt, sondern das „pilgernde Got- den konnten. Dies war nur möglich, weil tesvolk“, das sich als „Communio“ (Ge- man gemeinsam auf den Heiligen Geist meinschaft) verstand. Die Erneuerung vertraute. Auch darin ist das Konzil bei- der Liturgie war der sichtbarste Aus- spielhaft: Es beweist, dass Gott selbst es druck dieses neuen Kirchenverständnis- ist, der sein Volk leitet, und dass wir als ses. Revolutionär war aber auch das Zu- Gemeinschaft der Glaubenden Größeres gehen der Kirche auf die anderen christ- und Besseres erwarten dürfen, als wir Das II. Vatikanische Konzil wurde für lichen Konfessionen und auf andere Reli- selber zu planen wagen. n Franz Kardinal König, selbst prägende gionsgemeinschaften. In ihnen sah man Konzilsgestalt, zur Grundlage seines nicht mehr Gegner, sondern Verbündete 1 Nähere Informationen zum Buch von P. Dr. Martin Leitgöb CSsR finden Sie auf Seite 38 Denkens und Handelns im Dienst an der Welt und den Men- 10 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013
Das Schiff des Petrus und die Beichte Von Thomas Möllenbeck Das Wesentliche ist zu erkennen auf der die Vergeblichkeit eingestehen, die vie- Dr. Thomas Möllen- Skizze von Rembrandt, die im Louvre in len Versuchen zur Besserung des eige- beck gehört seit Paris bestaunt werden kann: Der Bug des nen Verhaltens anhaftet. Vergeblich er- Oktober 2012 zu Bootes ist angedeutet und das am Mast scheinen einem manchmal alle vorheri- den Seelsorgern in herabgelassene Segel, das auf Schulter- gen Bemühungen. Vergeblich – ein be- St. Stephan; höhe ein Kreuz bildet, gehalten von merkenswertes Wort in diesem Zusam- innerhalb kürzester oben. Markanter sind die Personen: Je- menhang! Vielleicht will die Geschichte Zeit hat er sich in sus, der sich ziemlich lässig in die Seile uns dies sagen: Nach langer Nacht har- die Herzen der lehnt, links; die Besatzung des Bootes, die ter Arbeit wird die Stunde kommen, in Gottesdienstbe- sich an der rechten Seite auf Abstand der Dir klar wird, dass der Meister Dir, sucher gepredigt. hält oder vom reichen Fischfang in den obwohl Du Dich schon so oft und so lan- Herzlich willkommen am Stephansdom Hintergrund gedrängt wird; und in der ge bemüht hattest, aufträgt, es erneut und Gottes Kraft und Segen für Mitte der Besitzer des Bootes, mit dem zu versuchen, allen schlechten Progno- Ihr Wirken als Seelsorger und Curpriester! etwas passiert ist. Auf Jesu Wort hin war sen zum Trotz – im Vertrauen auf ihn: er noch einmal auf den See hinausgefah- „Wenn Du es sagst …“. durch ernste Ermahnung und nicht ren und hatte das Netz auf der rechten Man kann das Evangelium so auf die mehr im Vertrauen auf die eigene Wil- Seite ausgeworfen, obwohl ihm die Auf- Erfahrung mit der Beichte beziehen, die lensstärke, sondern im Vertrauen auf forderung dazu zwecklos erscheinen man im eigenen Leben gemacht hat: den Herrn, der in der Beichte seinen musste – der erfahrene Fischer hatte die Endlich, nach vielen vergeblichen Versu- Geist verleiht, den Geist, den wir dort im- ganze Nacht vergeblich seine Netze aus- chen, ist es doch gelungen – aufgerüttelt mer empfangen. Dann, im Nachhinein, t geworfen, mitten am Tag war bestimmt vielleicht durch ein Wort der Schrift oder müssen wir aber auch die früheren, kein Fang mehr zu erwarten. Diese er- neute Ausfahrt war dann – wider Erwar- ten – doch nicht vergebliche Liebesmüh gewesen. Jetzt sehen wir den Fischer Petrus in der Mitte seines Bootes, der sich vor Je- sus auf die Knie geworfen hat, impulsiv, wie er war, und die Hände ringend, den Kopf zur Seite wendend etwas sagt. Was sagt er wohl? Er sagt nicht: „Danke, Herr, für die reiche Beute!“ Er entschuldigt sich auch nicht mit seinem Fachwissen für irgendwelche Zweifel, die er am Ur- teilsvermögen des Mannes gehegt hät- te, der von seinem Boot aus das Volk be- lehrt hatte. Denn, als Jesus ihn aufforder- te, noch einmal hinauszufahren, hatte Simon für alle gesprochen und sein Ver- trauen heraus posaunt: „Meister, wir ha- ben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch, wenn Du es sagst, werde ich die Netze auswerfen.“ Versuchen und Scheitern Ist dies der Punkt der Geschichte, der mit der Beichte zu tun hat? Passen zu unserer Erfahrung würde es ja wohl: Je- Der „Fischzug Petri“ – eine Skizze des bekanntesten und bedeutendsten Barockkünstlers der, der regelmäßig beichtet, muss sich Rembrandt Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013 11
Seht, ich mache alles neu Neues über den Glauben lernen, diskutieren und ruhig auch mal streiten über wichtige Fragen des Lebens und des Glaubens: Jugendliche beim ersten Themenabend in s sogenannten vergeblichen Versuche Leben auf bestimmte moralische Verfeh- der „Echolot“-Reihe zum YouCat mit neu beurteilen. Sie haben uns vorberei- lungen zu durchforsten oder Tugenden Kardinal Schönborn tet: Weil es ernste Versuche waren, konn- auszuwählen, die man demnächst besit- te das vergeben werden, was wir vor- zen möchte – dazu würde eine gute psy- schnell „Scheitern“ nennen. So war es chotherapeutische Beratung auch hel- dann auch kein Scheitern mehr, nicht der fen. Das Fundament der Beichte ist viel- Punkt, an dem ich aufgegeben habe, son- mehr die Einsicht des Petrus: Mitten in dern der Ausgangspunkt für einen Neu- meinem Leben begegne ich Gott; und, beginn, viele Male vielleicht, und auf vie- weil Gott Gott ist, beuge ich das Knie lerlei Weise – Gott scheut davor nicht zu- und gestehe, dass ich nicht würdig bin, rück. Er gibt die Kraft der Vergebung, in- ihn in meinem Boot zu haben, weil er dem er mir die Last der Vergangenheit heilig ist, und ich nicht. Aber, da es inzwi- abnimmt, damit ich erleichtert neu be- schen die Beichte gibt, muss ich nicht sa- ginnen kann. Folglich können wir sagen: gen: „Geh weg, Herr!“ „Wir haben doch nicht einen Geist der Jesus antwortete dem Petrus da- Verzagtheit empfangen, sondern den mals, indem er ihn zum Jünger beruft Geist der Kraft und der Liebe …“1 und zum Menschenfischer bestimmt – wohlwissend dass Petrus auch die Erfah- Der Wurzelgrund der Beichte rung göttlicher Vergebung nötig haben Auf diese Weise lässt sich das Evangeli- wird. um lesen; die Beobachtungen sind auch nicht falsch, und von dem her, was Pe- Die Beichte – ein Neubeginn trus am Ende tatsächlich – händerin- gend und kopfschüttelnd über sich Wenn ich die erste Grundeinsicht vertie- fe durch das Bekenntnis all dessen, was Erfolgsprojekt selbst – sagt, ist klar, dass die Geschichte mir einfällt, was nicht passt zu Gott in Von Werner Pirkner etwas mit der Beichte zu tun hat. Aller- meinem Leben, was mich zum Sünder dings führen die Worte des Petrus in ei- macht in seinen Augen, dann sind Ein- Im Frühjahr 2011 erschien der YOUCAT. ne Tiefe, die man zuerst einmal ausgelo- sicht und Bekenntnis ein guter Aus- Rund um den Verleger Bernhard Meuser tet haben muss, bevor man überhaupt gangspunkt. Aber wohin geht es dann? haben Theologen mit etwa 50 Jugendli- mit Sinn und Verstand beichten kann: Gott sagt mir in der Beichte nicht nur, chen und jungen Erwachsenen in Deutsch- „Herr“, sagt Simon. Nachdem er erlebt dass er mich in seiner Nähe haben will, land einen Jugendkatechismus erarbeitet. hat, was auf dem See passiert ist, nennt sondern auch, dass er sogar etwas vor Die Österreichische Bischofskonferenz er Jesus nicht mehr bloß „Meister“, son- hat mit mir: Die Begegnung mit ihm soll unter Kardinal Schönborn ist Herausgeber dern „Herr“. Das erklärt, wie er sein Er- nicht damit enden, dass ich mich immer des Buches, Papst Benedikt XVI. schrieb lebnis deutet: Er ist Gott begegnet, hat heiligmäßiger mit mir selbst und mei- das Vorwort: „Studiert den Katechismus! die Gottheit Gottes wahrgenommen nen Sorgen beschäftige, sondern dass Das ist mein Herzenswunsch.“ und deshalb fährt er fort: „ … geh weg ich loslasse, um die Hände frei zu haben, Wie der „große Katechismus“ ist der von mir, ich bin ein Sünder!“2 um andere in seine Nähe zu holen. Die YOUCAT in vier Bereiche gegliedert: Das ist eine natürliche Reaktion, die Beichte ist also nicht nur ein Neubeginn Glaube, Sakramente, christliches Leben sinnvolle Schlussfolgerung aus seiner Er- für mich, sondern für alle, die Gott durch und Gebet. Auf 527 Fragen folgen eine fahrung mit dem reichen Fischfang auf mich erreichen will – im Vertrauen da- Antwort in eher lehramtlichem Stil und der einen und seiner Selbstwahrneh- rauf, dass es nicht an mir scheitern wird, ein auf jugendliche zugeschnittener mung auf der anderen Seite: wir passen wenn ich es auf sein Wort hin erneut ver- Kommentar, dazu gibt es eine umfang- nicht zusammen – der Herr und ich; wir suche. n reiche Sammlung von Bibelzitaten, Sprü- spielen in einer andern Liga; ich bin nicht chen von Heiligen und anderen Perso- wert, mit ihm in einem Boot zu sitzen. 1 2 Timotheus 1,7 nen sowie Begriffs-Definitionen. Ein in- 2 Lukas 5,8 Das, was Petrus da im Boot begriffen hat, teressantes Design mit Fotos und Strich- ist der Wurzelgrund der Beichte: Ihr Fun- männchen-Grafiken inklusive Daumen- dament besteht nicht darin, das eigene kino prägt das Bild. 12 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013
Mag. Werner Pirkner ist Diözesan- jugendseelsorger Fragen dürfen und Antwort finden Ich glaube, es sollte beim „YOUCAT-Ver- wenden“ um zweierlei gehen: Fragen be- antwortet bekommen und ermutigt wer- den, Fragen zu stellen. Der YOUCAT schafft es wie noch kein Katechismus davor, kurz und prägnant, zeitgemäß in Sprache und Design zu in- formieren. Wichtig ist meines Erachtens ein gesunder Umgang mit den vorgege- benen Antworten. Ich muss nicht jeden Antwort-Versuch als den bestmöglichen nehmen, an manchen Formulierungen und Aussagen darf noch weiter gearbei- tet werden. YOUCAT – YouAsk! Vor allem, glaube ich, braucht es mehr als „nur“ Antworten. Ich möchte Jugendliche (und alle) ermutigen, Fragen zu stellen, nicht nur vorgegebene Frage- Mittlerweile ist der YOUCAT in knapp Manche haben sofort begonnen, den Antwort-Sätze zu reproduzieren. Wo es 20 Sprachen veröffentlicht (weitere Über- YOUCAT intensiv in ihre pastorale Arbeit gelingt, so mit dem YOUCAT zu arbeiten, setzungen sind in Arbeit) und Millionen einzubeziehen: „Darauf habe ich schon dass die eigenen Themen Platz haben, mal verkauft; dazu noch andere Bücher im lange gewartet!“ Einige Pfarren schen- wird es fruchtbar. Wenn es gelingt, dass selben Design und Geist wie Jugendkalen- ken ihn Jugendlichen zur Firmung oder ( junge) Menschen zu ihren gerade rele- der oder Firmkurs samt Begleiterbuch. Ein Erwachsenen beim Wiedereintritt. vanten Fragen im Kontext des kirchli- Sozialkatechismus und eine Jugendbibel 700.000 Teilnehmer beim Weltjugend- chen Glaubensschatzes ihre eigenen sind in Arbeit. Hinzu kommt eine intensi- tag in Madrid bekamen ein Gratis-Exem- Antworten finden können, dann kommt ve Internet-Nutzung mit Facebook-Profil plar. Nicht nur junge Menschen gründen das Evangelium an! n (über 2400 Freunde), jede Menge Videos Austauschrunden, ich weiß sogar in ei- auf YOUCATchannel bei YouTube, 20 Study ner Pfarre von einer Senioren-YOUCAT- Echolot-YouCat-Abend. Groups per Facebook und, und, und. All Runde. diese Projekte werden im Youcat-Zentrum Von anderen kommt deutliche Kritik Der zweite der drei Echolot-YouCat- in Augsburg koordiniert. wie „Das sind nicht meine Fragen“ oder Themenabende für interessierte „Die Antworten sind teilweise zu ver- Jugendliche und junge Erwachsene Erlebte Reaktionen kürzt oder immer noch zu hochtheolo- findet statt am 24. Mai mit Weihbi- Viele Menschen staunen über die enor- gisch.“ Mitunter höre ich auch „Beim schof Stephan Turnovszky in der Ju- me Verbreitung und bewundern den Ein- Katechismus vermisse ich eine Hierar- gendkirche. satz, der dahintersteht. Ich kenne kaum chie der Wahrheiten: Was ist zentral für Katholische Jugend und Ministran- Menschen, die sich vom YOUCAT-Design unseren Glauben?“ oder „Da und dort tenseelsorge der Erzdiözese Wien la- nicht positiv angesprochen fühlen. Und bin ich anderer Meinung, hier steckt ein den herzlich ein! trotzdem erlebe ich sehr unterschiedli- Kirchenzugang dahinter, der nicht mei- che Reaktionen! ner ist.“ Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013 13
Seht, ich mache alles neu Apostelgeschichte damals und heute Von Andrea Geiger „Manchmal erscheint der Heilige Geist und Wunder in ihren Hausgemeinschaf- der Kirche nicht nur in Form einer Taube, ten und in den immer größer werdenden sondern in Form eines Pleitegeiers.“ Die- Gemeinden. Und sie haben sich gegen- se nüchterne Aussage des evangelischen seitig erzählt, was der Herr mit ihnen zu- Pastors Eckart Krause bei der ersten Diö- sammen wirkt. So ist Kirche entstanden – zesanversammlung 2009 im Stephans- damals. Davon wollen wir lernen – heute. dom hat bei vielen ein Schmunzeln her- Andrea Geiger ist vorgerufen, anderen ist das Lachen im Projektleiterin Perspektivenwechsel Hals steckengeblieben. Mir zum Beispiel. der Apg 2010 Vielleicht ist es gut, die letzten beiden Ich träume gerne von einer Kirche als bzw. Apg 2.1 Kapitel der Apostelgeschichte zu lesen. „Wohlfühlgeschichte“, über der der Hl. In 2000 Jahren hat sich nämlich wohl Geist friedlich als Taube schwebt. Der Wortes) leibhaftig er wirkt, da Gottes auch etwas Ballast angesammelt, ein Pleitegeier stört mein Bild. Doch noch Wort Fleisch wurde in ihr. Schiffbruch scheint naheliegend. Im Ver- haben wir genug. Noch sind wir Viele. Al- trauen darauf, dass alle gerettet werden, lerdings sind wir ein bisschen staubig Der Heilige Geist wirkt können die Jünger auch das ihnen Not- geworden. Wie das halt so ist, wenn man In diesem Setting passiert das erste wendigste und Liebgewordenes über in die Jahre kommt. Pfingstfest, also die Bevollmächtigung Bord werfen4. Es macht sie frei und ange- Damals, als noch niemand katholisch durch den Heiligen Geist!3 Kein Stein wiesen auf die Gastfreundschaft ande- war, als es weder Kirche, noch (Ordens-) bleibt auf dem andern. Aus Angst wird rer. In diesem Moment, wo das Vertrauen Gemeinschaften gab, gab es laut der lu- Freude, Staunen, Dankbarkeit und eine ineinander, auf die Fremden und auf den kanischen Apostelgeschichte ein intensi- große Liebe zum Leben. Gottes Geist Herrn auf die Spitze getrieben wird, ge- ves Zusammentreffen der Apostel mit schafft Einheit und Geschwisterlichkeit. schehen Zeichen, Wunder und Heilun- dem auferstandenen Jesus. „Wirst du Die menschlichen Macken der Jünger gen5. Ich glaube, das ist auch heute so. jetzt das Reich für Israel wieder herstel- Jesu sind nicht weggezaubert. Darum Wenn wir heute in der Erzdiözese len?“1, fragen die Jünger. Da klingt etwas kann man sie auch nicht entzaubern. Wien manche Strukturen ändern müs- mir Vertrautes mit: „Jesus, mach doch Vielleicht bezaubert Gottes Geist die sen, weil sie zu groß und zu teuer gewor- endlich was! z. B. eine große, starke, Menschen – heute sagen wir gerne „ent- den sind, weil das Programm zu umfang- mächtige Kirche oder zumindest eine flammt“, entzündet ein Feuer, tief innen reich geworden ist, dann wird auch bei freundliche, weltoffene Kirche, in der drin, leidenschaftlich und dennoch gelas- uns das Vertrauen auf die Spitze getrie- man fröhliche Lieder singt und sich des sen, leicht, aber immer voller Hoffnung ben. Dann sind vielleicht tatsächlich wie- Lebens freut…“ Ist das denn so falsch? Je- und niemals zweideutig auf der Seite des der die fünf Brote und zwei Fische ge- sus antwortet: „Euch [also auch mir] Lebens und der Liebe. Barmherzigkeit ist fragt6, die ein kleiner Junge bei sich hat- steht es nicht zu (darüber zu befinden)… ein gutes Wort dafür. Der Hl. Geist ist te. Und ja, der Heilige Geist fegt nach wie Aber ihr [also auch ich] werdet die Kraft nicht harmlos – weder damals, noch heu- vor in Menschen auch in unserer Erzdi- des Heiligen Geistes empfangen und ihr te. Klar und eindeutig bewirkt er das özese, die Ja sagen (wie Maria). Gottes werdet meine Zeugen sein …“ Und dann Fleischwerden von Gottes Wort. Wort wird heute Fleisch, ganz konkret, „verschwindet“ er, die Apostel werden Und so sind sie damals hinausgegan- Menschen bilden sich zu Gemeinden, angehalten keine Löcher in die Luft zu gen in die große Welt und in ihren klei- lassen sich verwandeln in Christi Leib. starren, sondern sich bereit zu machen nen Alltag. Hatten von Anfang an ge- Manchmal muss ich möglicherweise für sein Wiederkommen. Die ziehen sich merkt, dass sie sich gegenseitig brau- meine Perspektive verändern, um das dann zurück nach Jerusalem, ins Oberge- chen, zur Ermutigung und zur Ermah- Neue zu entdecken, um zu staunen, um mach2, hinter verschlossene Türen (man nung. Sie haben gestritten und gefeiert mich darüber zu freuen und es zu för- kann ja nicht wissen), einmütig im Gebet in ihren Häusern. Vor allem aber haben dern. Der Hl. Geist ist Beistand, hilft, verharrend (aus Angst oder der Verhei- sie sich daran erinnert, was Jesus ihnen treibt an, tröstet, schenkt Freude und Zu- ßung vertrauend wird nicht geklärt) mit gesagt hatte. Wir sagen heute dazu „Bi- versicht. n den Frauen und mit Maria, der Mutter bel teilen“ oder Jüngerschaftsschulung. Jesu. Sie hat schließlich am meisten Er- Sie haben sich gefragt, was Er jetzt tun 1 Apg 1,4-11 4 Apg 27,33ff fahrung mit dem Heiligen Geist, weiß, würde, wohin und zu wem Er sie heute 2 Apg1,13f 5 Apg 27,39-28,10 wie konkret und (im wahrsten Sinne des sendet. Sie haben gebetet um Zeichen 3 Apg 2,1 6 Joh 6,1-14 14 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Pfingsten 2013
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