Netzwerken, mahnen, vermitteln, trösten: POLIZEILICHER ZEITUNG DER POLIZEI BRANDENBURG

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Netzwerken, mahnen, vermitteln, trösten: POLIZEILICHER ZEITUNG DER POLIZEI BRANDENBURG
ZEITUNG DER
                                                    POLIZEI
                                                    BRANDENBURG
                                                    02 | 2019
                   Netzwerken, mahnen, vermitteln, trösten:
                   POLIZEILICHER

                   OPFER
Außerdem
im Heft
Aktuell:
Innenminister
Schröter
im Interview
–
Polizeipraxis:
Wenn die DSGVO
Ermittlungen un-
möglich macht
Netzwerken, mahnen, vermitteln, trösten: POLIZEILICHER ZEITUNG DER POLIZEI BRANDENBURG
Editorial

                                                                                               Liebe Leserinnen, liebe Leser,

                                                                                                 „Der Täter im Mittelpunkt, das
                                                                                                 Opfer vergessen“ – ein wieder-
                                                                                                 kehrender Vorwurf, wenn es um
                                                                                                 die Rechte von Geschädigten
                                                                                                 geht. Spektakuläre Kriminalfälle
                                                                                                 der jüngsten Zeit, mögen diesen
                                                                                                 Vorwurf mitunter berechtigt er-
                                                                                                 scheinen lassen. Da steht das
                                                                                                 Alter eines des Sexualmordes
                                                                                                 Angeklagten wochenlang im
                                                           Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen. Das Leid der getöteten jungen
                                                           Frau und ihrer Familie wird zumindest in den Medien kaum disku-
                                                           tiert. Dies mag ein plakatives Beispiel sein. Medien inszenieren Reso-
                                                           zialisierungsmaßnahmen nicht selten als „tätscheln“ der Täter und
                                                           bemühen allzu oft das Thema des vermeintlich „vergessenen Opfers“.
                                                           Auch das gehört zur Wahrheit. Fernab der Titelblätter gibt es sehr
                                                           wohl vielschichtige Opferschutzaktivitäten. Um den polizeilichen
                                                           Opferschutz geht es in dieser Ausgabe. Die Beauftragten für den Op-
                                                           ferschutz in den vier Direktionen sind Vermittler und Netzwerker.
                                                           Ohne die Kooperation mit Vereinen wie der „Opferhilfe Land Bran-
                                                           denburg e.V.“ oder dem „Weissen Ring e.V.“ wäre polizeiliche Opfer-
                                                           schutzarbeit aber schlicht nicht möglich.
    IMPRESSUM                                              Diese Ausgabe nutzt Innenminister Karl-Heinz Schröter auch für
                                                           eine Bilanz seiner Amtszeit. Seit November 2014 lenkt er nun die
    Herausgeber: Ministerium des Innern
    und für Kommunales
                                                           Geschicke den Innenressorts. Es war Zeit für eine ganz persönliche
    des Landes Brandenburg                                 Rückschau auf die Dinge, die ihn bewegten und die er bewegte. Eines
    Redaktion: Jörg Müller (verantw.),                     dieser Themen war ganz sicher die unter schwierigen Bedingungen
    Katrin Böhme
                                                           erreichte Novellierung des Brandenburger Polizeigesetzes. Was ist
    Anschrift: Henning-von-Tresckow-
    Straße 9-13, 14467 Potsdam
                                                           nun neu und welche Maßnahmen finden sich entgegen erster Vor-
    E-Mail: info110@mik.brandenburg.de                     schläge nicht im Gesetz. Dazu berichten wir im Heft.
    polizei.brandenburg.de/info110
                                                           Natürlich gibt es auch wieder Einiges aus der Polizeipraxis. So zum
    Redaktionsbeirat: Ulrich Wiesicke, Tino
    Zitzmann, Anja Resmer, Dörte Röhrs,
                                                           Beispiel das (Reiz-)Thema Datenschutzgrundverordnung, kurz
    Ines Filohn, Ingo Heese, Heiko Schmidt,                DSGVO. Ob und in welcher Art die DSGVO polizeiliche Auskunfts-
    Christoph Koppe, Gabriele Krümmel,
    Robert Bechmann, Norbert Remus
                                                           ansprüche beschneidet und wann die Verordnung überhaupt Beach-
    ISSN 1430-7669
                                                           tung finden muss – wir klären auf. Unbedingt lesen.
    Layout: Rosenfeld.MRDesign
                                                           Außerdem: Seit einem Jahr arbeiten Einstellungsberater engagiert
    Druck: LGB (Landesvermessung und                       daran, Schülerinnen und Schüler für den Polizeiberuf zu begeistern.
    Geobasisinformation Brandenburg)
                                                           Mit Erfolg, wie unsere Geschichte aus den Direktionen West und
    Fotos: Kristin Baumert, Ronny
    Wunderlich, Katrin Böhme, Matthias
                                                           Nord zeigt.
    Rosenfeld, Archiv, AdobeStock
    27. Jahrgang, Nr. 2/2019                               Viel Spaß beim Lesen.
    Auflage 5.000
    Redaktionsschluss: 3. Juni 2019
    Wir danken allen Verfasserinnen und Verfas-
    sern für die in dieser Ausgabe veröffentlich-
    ten Beiträge. Die mit Namen versehenden
    Beiträge geben nicht in jedem Fall die Mei-
                                                           Katrin Böhme
    nung der Redaktion wieder. Die Redaktion               ­­­­­­­­info110-Chefredakteurin
    behält sich das Recht der Kürzung vor.

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INHALT

                                              Inhalt

                                              INTERVIEW

                                              5 Fragen an Uwe Madel                           10
                                              Gespräch mit Minister Karl-Heinz Schröter       12
                                              RECHT
                              Aktuelle

                         48
Das elektronische             Informationen   Das neue Brandenburgische Polizeigesetz         16
                              der Polizei
Warenhaus                     Brandenburg
                              finden Sie      TITElTHEMA
                              auch auf
                                              POLIZEILICHER OPFERSCHUTZ                       18
                                              „Den Job musst du mit Leib
                                              und Seele machen“                               20
                                              Wie sind wir aufgestellt?                       24
                                              Betroffene neigen zur Unterschätzung            28
                                              der Situation

                                              Psychosoziale Prozessbegleitung                 32
                                              Engagement mit Leidenschaft                     34
Einstellungsberater
bei der Polizei          52                   Aus der Praxis von Opferschutzbeauftragten

                                              Hilfe mit Kopf und Herz
                                                                                              36
                                                                                              38
                                              RECHT & WISSEN

                                              Brandenburg legt nach                           40
                                              Versammlungen in Bildern –
                                              von Pegida bis Fridays For Future               44
                                              PRAXIS

                                              Elektronisches Warenhaus                        48
                                              INTERN
Inspekteur der
Bereitschaftspolizeien   56                   Beratung – Praktikum – Einstellung

                                              Brandenburger ist Inspekteur
                                                                                              52
                                              der Bereitschafts­polizeien der Länder          56
                                              VERMISCHTES

                                              Soko Potsdam drückt Schulbank                   60
                                              Polizeikalender auf Reisen                      62
                                              „Blaulicht-Kita“ entsteht in Cottbus            64
                                              FEUILLETON

                                                                                              66
                         60
                                              Broadchurch – Ein Dorf unter Verdacht
TV-Kommissarinnen
in der Polizei-Praxis                         KNOBELECKE                                      77
                                                                                                    3
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     IM FOKUS

         tbedingu
    r Ech
Unte                                                                              Spezialeinsatz-
                                                                                  kommandos üben
                                                                                  Taktik und Medizin
          Wer rettet und versorgt Menschen in einer gefährlichen Einsatzlage,
          wenn die Täter noch aktiv handeln? Wenn die Gefahr noch nicht
          ­gebannt wurde - der Amokschütze beispielsweise weiter um sich
           schießt - können zivile Rettungskräfte nicht zu den Verletzten ge­
           langen. Die Gefahr, selbst verletzt zu werden, ist schlicht zu groß.

          Spezialeinsatzkräfte (SEK) der Polizei Brandenburg waren im April
          Gastgeber eines selbstorganisierten Ausbildungslehrganges für
          derartige Szenarien. Gemeinsam mit Spezialeinsatzkräften aus
          Hamburg, Berlin, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Rheinland-Pfalz,
          Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen sowie des Zolls wurde in Zu-
          sammenarbeit mit der Bundeswehr auf dem Truppenübungsplatz
          Lehnin eine Woche „unter Echtbedingungen“ trainiert. Erfahrene
          Mediziner der Bundeswehr und des polizeiärztlichen Dienstes
          ­standen den Übenden während des Rettungseinsatzes zur Seite. ­
           Um Verletzungsbilder möglichst authentisch darzustellen, wirkten
           Darsteller aus England als Statisten mit und simulierten die Verlet-
           zen. Diesen Männern fehlten durch vor Jahren tatsächlich erlittene
           Amputationsverletzungen ein oder mehrere Gliedmaßen. Derart
           schwerwiegende Verletzungen sind zum einen auch für die Einsatz-
           kräfte schockierend, zum anderen gehen sie mit ganz besonderen
           Herausforderungen einher. Wie bespielweise einen Schwerstverlet-
           zen aus dem Schussfeld tragen, wenn der Griff an Armen und Bei-
           nen nicht mehr funktioniert, weil eine Gliedmaße fehlt?

          Inhalt der Ausbildungswoche waren theoretische und praktische
          Kenntnisse zur taktischen Einsatzmedizin. Die Erstbehandlung be-
          sonders schwerer Verletzungen wie Schusswunden oder der Verlust
          von Gliedmaßen standen dabei im Mittelpunkt. Wichtig für die zuerst
          am Einsatzort handelnden Beamten ist dabei die Priorisierung me-
          dizinischer Hilfeleistungen je nach Schweregrad der Verletzungen,
          die medizinische Erstversorgung und die anschließende Übergabe
          an den Rettungsdienst.

          Mario Heinemann

     Nico Neuendorf, stellvertretender Leiter
     der Spezialeinheiten in Brandenburg:
      „Das Thema schockt zunächst, Bilder derartiger Verletzungen sind
     selbst dann schwer zu ertragen, wenn es sich um Übungsszenarien
     handelt. Aber wir stellen uns der Verantwortung auch in diesen absolut
     fordernden Situationen. Durch die zusätzliche Ausbildung können un-
     sere SEK-Medics noch effektiver helfen, Menschenleben zu retten,
     denn jede Sekunde zählt.“

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IM FOKUS

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Netzwerken, mahnen, vermitteln, trösten: POLIZEILICHER ZEITUNG DER POLIZEI BRANDENBURG
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                             Masterstudiengänge
                             für Kriminalisten
                             Zukünftig wird die Hochschule der Polizei Branden-
                             burg besondere Masterstudiengänge für die Krimi-
                             nalistenausbildung anbieten. Die Module des neuen
                             Masterstudienganges werden sich mit der ganzen
                             Bandbreite der Kriminalität von Cybercrime über Fo-
                             rensik bis zu Organisierter Kriminalität, politisch
                             motivierter Kriminalität und besonderen Formen der
                             Schwerstkriminalität beschäftigen. Die ersten Kurse
                             starten im Oktober 2020 mit 25 Studienplätzen. Die
                             Hochschule der Polizei Brandenburg war die erste
                             polizeiliche Bildungseinrichtung mit einem auflagen-
                             frei akkreditierten Bachelorstudiengang zur Ausbil-
                             dung von Nachwuchs für den gehobenen Polizeivoll-
                             zugsdienst. Sie richtet in Kooperation mit dem Land
                             Berlin zur Hälfte den Masterstudiengang aus und bie-                 Hochschule
                             tet künftig neue Masterstudiengänge zur Vertiefung                   Polizei Brandenburg
                             kriminalistischen und polizeilichen Fachwissens an.

                               Verdienstorden für Jürgen Lüth
                                                                                    Der ehemalige Cottbuser Polizeipräsident Jürgen
                                                                                    Lüth hat das „Verdienstkreuz am Bande“ der Bun-
                                                                                    desrepublik Deutschland erhalten. Ministerpräsi-
                                                                                    dent Dietmar Woidke überreichte dem 72-Jähri-
                                                                                    gen den Verdienstorden und würdigte die uner-
                                                                                    müdliche Arbeit von Jürgen Lüth für eine Stär-
                                                                                    kung des Opferschutzes. Lüth leitet mit großem
                                                                                    ehrenamtlichen Elan den Landesverband des Op-
                                                                                    ferhilfevereins “Weisser Ring” und ist darüber hi-
                                                                                    naus vielfältig engagiert. Jürgen Lüth war von
                                                                                    1991 bis 2002 Polizeipräsident in Cottbus. Bereits
                                                                                    seit 1993 ist er im „Weissen Ring“ engagiert, seit
                                                                                    1996 ist er Landeschef des Vereins. Der „Weisse
                                                                                    Ring“ berät und unterstützt Kriminalitätsopfer. Er
                                                                                    leistet zudem Präventionsarbeit, um Straftaten zu
                                                                                    verhindern. Lüth wirkt darüber hinaus in weiteren
                                                                                    Organisationen ehrenamtlich mit. Unter anderem
    Quelle: Brandenburg.de                                                          gründete er das erste Jugendrechtshaus
                                                                                    Deutschlands in Cottbus und Brandenburgs Poli-
                                                                                    zeichor.

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                                                        Generation Z setzt
                                                        auf Familie und Job
                                                        Eine Vorstudie aus dem ersten Halbjahr 2018 be-
                                                        fasste sich erstmals mit der „Zukünftigen Arbeits-
                                                        welt der Generation Z – und der Rolle der Vereinbar-
         Digitales Leben                                keit“. Der Generation Z (kurz GenZ) werden überwie-
                                                        gend diejenigen zugerechnet, die von 1997 bis 2012
         100.500 Wörter lesen wir jeden Tag. Im­-
                                                        zur Welt gekommen sind. Die Jugendlichen und Jung-
         mer mehr davon digital, also auf dem
                                                        erwachsenen wurden zu wesentlichen personalpoli-
         Smartphone, Tablet oder PC. In einer Wo-
                                                        tischen Handlungsfelder befragt. Dazu zählten unter
         che entspricht das der Textmenge der Bi-
                                                        anderem Arbeitszeit, Arbeitsorganisation, Arbeitsort,
         bel. Dieser Zustand wird immer häufiger
                                                        Information und Kommunikation, Führung, Personal-
         als Informationsüberflutung wahrgenom-
                                                        entwicklung und finanzielle Zusatzleistungen. Etwa
         men. Zu viele Informationen werden über-
                                                        3/5 der VertreterInnen der Generation Z (58 %) bevor-
         mittelt und können nicht mehr zeitnah
                                                        zugt danach eine wöchentliche Arbeitszeit von 36 bis
         verarbeiten werden. Interessant: Alle 60
                                                        40 Stunden. Die auch als Digital Natives bezeichne-
         Sekunden werden weltweit 3,8 Millionen
                                                        ten Befragten sind aber durchaus bereit, mehr bzw.
         Suchanfragen auf Google gestellt, 400
                                                        länger zu arbeiten; nämlich ganz pragmatisch be-
         Stunden Videomaterial auf YouTube hoch-
                                                        sonders dann, wenn es Projekte bedürfen (92 %),
         geladen, 156 Mil­lionen Emails versendet
                                                        wenn daraus bessere Karrierechancen erwachsen
         und eine halbe Million Apps installiert.Sie-
                                                        (91 %) oder Gehaltszulagen (91 %) zu erwarten sind.
         ben Prozent aller deutschen Internet-Nut-
                                                        Gleichzeitig ist es der Generation Z (71 %) wichtig,
         zer gelten inzwischen als onlinesüchtig.
                                                        dass sie sich ihre Arbeitszeit flexibel einteilen kann.
                                                        Den Arbeitsort flexibel wählen zu können, zählt zu

Tätowierungen                                           einem Auswahlkriterium bzgl. ihres Arbeitgebers.
                                                        Quelle: berufundfamilie Service GmbH

bei Polizisten
Großflächige Tätowierungen bei Polizisten beschäftig-
ten schon mehrfach die Gerichte. Aktuell gibt es zwei
neue Urteile. Im ersten Fall urteilte das Magdeburger
Verwaltungsgericht, dass auch große Tätowierungen
kein Einstellungshindernis seien. Geklagt hatte ein
Mann, der sich für die Ausbildung zum Polizisten in
Sachsen-Anhalt beworben hatte. Er war mit dem
Verweis auf seine Tätowierung abgelehnt worden. Auf
der Wade des Mannes ist großflächig eine vermumm-                              Namensschilder
te Gestalt und das Logo des 1. FC Magdeburg täto-
wiert. Die Ablehnung war rechtswidrig, weil sich die
                                                                               rechtmäßig
Fachhochschule der Polizei ausschließlich auf das                              Brandenburger Polizeivollzugsbeamte müssen
äußere Erscheinungsbild des Mannes bezogen habe.                               Namensschilder auf ihrer Uniform tragen, bei Ein-
Auch das Oberverwaltungsgericht Münster bestätig-                              sätzen in geschlossenen Einheiten ist statt des Na-
te kürzlich ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Düs-                           mensschildes eine Nummerierung möglich. Dies
seldorf. Hier war ein Bewerber aus Mühlheim bei                                stellte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Branden-
der Polizei abgelehnt worden, weil er auf Innenseite                           burg jüngst in einer Entscheidung klar. Geklagt hat-
des linken Unterarms eine auffällig große Löwen-                               ten eine Polizeioberkommissarin und ein Polizei-
Tätowierung trägt. Das zuständige                                              hauptmeister. Beide befürchteten durch das Na-
Landesamt sah in der Tätowierung                                               mensschild für Dritte identifizierbar zu sein. Das
ein Problem, weil sie beim Tragen                                              OVG begründete die Entscheidung damit, dass auch
der Sommeruniform gut sichtbar                                                 das neue Polizeigesetz mehr Transparenz und Bür-
gewesen wäre. Das OVG Münster                                                  gernähe schaffen soll, Pflichtverletzungen können
hielt den regelnden Verwaltungser-                                             schneller aufgeklärt werden. Zudem wisse jeder Po-
lass für nicht ausreichend. Der Klä-                                           lizeibeamte mit Einstieg in den Beruf um das beson-
ger ist inzwischen vereidigt und ar-                                           dere Risiko. Ein Namensschild erweitere diese Risi-
beite als Polizist.                                                            ken lediglich, urteilte der Richter.

                                                                                                                                      7
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Datenschnüffler
    auf vier Pfoten
    Polizeihund Ivo kann Daten erschnüffeln, beziehungs-
    weise deren Träger. Die Idee, einen Hund für die Suche
                                                                                                             Polo-
    nach Hardware einzusetzen hatte die Brandenburger                                                        shirt ist
    Polizeikommissarin Lydia Marquardt. Die 37-Jährige
    hatte Ivo für 800 Euro gekauft und auch seine Ausbil-
                                                                                                           Bestseller
    dung finanziert. Nun ist Ivo der bislang einzige „Daten-                                            Seit Sommer 2018 gehört
    schnüffler“ in Brandenburg. Bei der Suche nach Da-                                                   das neue Uniform-Poloshirt
    tenträgern zahlt sich der empfindliche Geruchssinn                                                   zum Sortiment des elektroni-
    von Hunden aus, dieser sei bis zu zehn Millionen Mal                                                 schen Warenhauses des
    empfindlicher als beim Menschen.                                                                    ZDPol. Das neu gestaltete
                                                                                                     Shirt ist einfarbig dunkelblau und
                                                                                       besteht zu je 50% aus Baumwolle und Polyes-
                                                                                       ter Bioactive. Das Tragegefühl gleicht dadurch
                                                                                       einem klassischen Poloshirt. Das Vorgänger-
                                                                                       modell bestand noch vollständig aus Polyester.
                                                                                       Brandenburger Polizistinnen und Polizisten
                                                                                       bestellten das Poloshirt bisher knapp 12.300-
                                                                                       mal. Auch die Berliner Polizei sowie die Kolle-
                                                                                       gen der Justiz in Berlin und Brandenburg kön-
                                                                                       nen das neue „Blaue“ ordern, natürlich mit
                                                                                       entsprechender Beschriftung und Hoheitsab-
                                                                                       zeichen. Insgesamt 75.094 Poloshirts wurden
                                                                                       an diese Kundengruppen des ZDPol verschickt.

                                                                                                                               Diff./
                                                                                                                      Diff./
                                                                                                                                Pro-
                                                                                                                      Wert
     Beschreibung                                              2012    2014     2015      2016      2017     2018               zent
                                                                                                                      2017-
                                                                                                                               2017-
                                                                                                                      2018
                                                                                                                               2018
     VU unter Beteiligung von Senioren (ab 65 Jahren)      13.986     15.167   16.149    16.685   17.794   18.321       527     3,0%
     Personenschaden                                           1.862    2.070    2.123     2.351    2.376     2.448       72     3,0%
     Getötete                                                     52      43       47         41       45        47        2     4,4%
     Verletzte                                                 2.328    2.646    2.735     3.044    3.089     3.197      108     3,5%
      davon Schwerverletzte                                      601     668      674        770      793      837        44     5,5%
     VU mit Verursacher Senioren (ab 65 Jahren)                9.839   10.827   11.528    11.965   12.627   12.972       345     2,7%

                                                                                Unfälle mit Senioren
                                                                                nehmen zu
                                                                                Senioren über 65 Jahren sind immer häufiger in
                                                                                Verkehrsunfälle verwickelt. Seit 2012 steigt ihr
                                                                                Anteil bei der Unfallbeteiligung. Ähnliche Steige-
                                                                                rungen sind auch bei den durch über 65-Jährige
                                                                                verursachten Unfällen festzustellen.

8
Netzwerken, mahnen, vermitteln, trösten: POLIZEILICHER ZEITUNG DER POLIZEI BRANDENBURG
infoMagazin
Aus der
Puppenkiste
Die Polizei Brandenburg lässt die
Puppen tanzen und intensiviert ihre
Kompetenzen im Bereich der Ver-
kehrs- und Kriminalitätspräventi-
on. Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter der Prävention nutzen neueste
Erkenntnisse der pädagogisch-
didaktischen Wissensvermittlung
und veranschaulichen mit Hand-
puppen bereits den Kleinsten ge-
fährliche Situationen und richti-
ges Verhalten. Im Mai gab es ein
erstes Präventionsseminar zur         griff ist, vermittelte kompetent
Methodenkompetenz des Puppen-         und unterhaltsam wichtige
spiels an der Hochschule der Poli­    Grundlagen des Puppenspiels.
zei Brandenburg. Christian Bahr-      Mit einem echten Praxistest vor
mann – Puppenspieler, Sänger          kritischen Zuschauern endete
und Moderator aus Berlin – der        das Seminar mit der Urauffüh-
vor allem dem jungen Publikum         rung des erarbeiteten Stückes
des Kindersenders KiKa ein Be-        zur Verkehrserziehung.

CARTOON VON THOMAS LEONHARDT

Mit Humor und spitzem Stift

                                                                                       9
Netzwerken, mahnen, vermitteln, trösten: POLIZEILICHER ZEITUNG DER POLIZEI BRANDENBURG
INTERVIEW

                 Revierpolizei, Wach- und Wechseldienst, Kripo, Verwaltung – es gibt fast
                 60 verschiedene „Berufe“ bei der Polizei. Eigentlich ist dieser Platz fest
                 für Brandenburger Polizistinnen und Polizisten reserviert. Hier zeigen sie
                 Gesicht. Wir haben es mit der Vielfalt unseres Berufes in dieser Ausgabe
                 einmal ganz genau genommen.

      5 Fragen
      an ....                                                                                 Kristin Baumert

          Uwe MadelSeit Mai 1992 arbeitet Uwe Madel für den ORB/rbb und moderiert
                   seitdem das Kriminalmagazin „Täter-Opfer-Polizei“, für das er auch als
                   Autor arbeitet. Die Brandenburger Polizei ernannte den gebürtigen
                   Frankfurter für seine Arbeit bei „Täter, Opfer, Polizei“ zum Ehrenkom-
                   missar. Nachdem der Plan, als Handballer im Profisport Karriere zu ma-
                   chen nicht aufging, studierte Uwe Madel von 1988 bis 1993 in Leipzig
                   und Madrid Journalistik. Der Vater von zwei Töchtern im Alter von 15
                   und 13 Jahren lebt mit seiner Familie in Berlin. Ehrensache, unseren
                   „Kollegen“ hier vorzustellen.

10
INTERVIEW

1
      Hand auf’s Herz, wann
      hatten Sie das letzte Mal
      mit der Polizei zu tun?

Beruflich natürlich fast jeden Tag.
Bei der Recherche, bei Veranstal-
tungen oder als Gesprächspartner
in meiner Sendung. Aber Sie mei-
nen vermutlich privat und da hatte
ich am Osterwochenende eine be-
sondere Begegnung. Ich kam mit
meiner großen Tochter nachts um
1 Uhr von einem Besuch bei Freun-
den. Wir waren in der Nähe unserer
Wohnung und weit und breit das
einzige Auto auf der Straße. Plötz-
lich hinter uns Blaulicht und die
deutliche Aufforderung rechts ran-
zufahren. Begründung: Den Beam-
ten sei meine unsichere Fahrwei-
se aufgefallen. Meine Tochter und
ich schauten uns verwundert an,          dete sich ein Mann bei der Polizei     seit vielen Jahren kontinuierlich ab-
so etwas kannte sie bislang nur aus      und stellte sich. Ein Autodieb, der    nimmt. Ich kann unterscheiden zwi-
amerikanischen Filmen. Ich muss-         dachte, dass nach ihm gefahndet        schen objektiver Lage und subjek-
te dann „pusten“ - dabei hatte ich       würde. Er war aber gar nicht der Ge-   tivem (Un-)Sicherheitsgefühl. Aber
den ganzen Abend nur Wasser und          suchte. Den richtigen Täter konn-      natürlich gibt es einige Dinge, die
Kaffee getrunken. Am Ende wirkten        te die Polizei wenig später fassen.    ich heute anders mache, als früher.
die Polizisten irgendwie enttäuscht.     Ein Fahndungsaufruf, zwei Taten        Dazu gehört z.B. das Thema Ein-
Meine Tochter meinte, als wir wei-       geklärt. Das war schon besonders.      bruchsschutz oder der Umgang mit
ter fuhren: Vielleicht hatten sie ein-                                          dem eigenen Bauchgefühl. Wenn

                                         3
fach Langeweile...                             Und welcher Fall geht Ih-        ich mich nachts am Geldautoma-
                                               nen nicht mehr aus dem           ten oder in Bus oder Bahn unwohl

2
      Gab es einen Ermittlungs-                Sinn?                            fühle, dann versuche ich schnellst-
      erfolg, den Sie „Täter-Op-                                                möglich die Situation zu verlassen.
      fer-Polizei“   zuschreiben         Das sind all die Fälle, bei denen

                                                                                5
      können und auf den Sie be-         Kinder die Opfer waren. Der Tod              Viele Polizisten brauchen
      sonders stolz sind, sozusa-        von Ulrike aus Eberwalde gehört              einen Ausgleich zum mit-
      gen das schönste Erlebnis?         dazu oder von Elias aus Potsdam              unter belastenden Job. Sie
                                         oder auch das Verschwinden von               auch?
Da gab es in all den Jahren natür-       Georgine Krüger in Berlin. Hier hal-
lich eine Vielzahl von Fällen, bei       te ich bis heute Kontakt zur Fami-     Ein guter Ausgleich zu belastenden
denen Zuschauerhinweise den Er-          lie. Die kleine Schwester von Ge-      Arbeitsinhalten ist immer wichtig.
mittlern helfen konnten. Etwa im         orgine hat bei uns in der Produk-      Egal ob körperlich oder geistig. Ich
Fall Raymond S., der Ende der 90         tionsfirma ein Praktikum gemacht.      versuche, mindestens 1- 2 mal in der
Jahre in Berlin zwei Rentnerinnen        So haben wir versucht, der Fami-       Woche Sport zu treiben, das gehört
umbrachte und viele andere aus-          lie zu helfen und etwas Zuversicht     für mich als ehemaliger Leistungs-
raubte und sexuell missbrauchte.         zu geben in der Zeit größter Angst     sportler dazu. Meine neueste Ent-
Einmal hob er mit der EC-Karte ei-       und Unsicherheit.                      deckung ist Hot-Yoga, das bedeutet
nes seiner Opfer Geld ab. Das Foto                                              90 min Yoga-Training in einem 40

                                         4
vom Geldautomaten hat ihn dann                 Sind Sie ein ängstlicher         Grad warmen Raum. So habe ich
überführt.                                     Mensch – färbt die Sen-          noch nie geschwitzt in meinem Le-
Wirklich „schön“ aber war ein ande-            dung nach all den Jahren         ben, aber am Ende kommt der Kick
rer Fall. Da wurde in der Nähe von             ab?                              und man fühlt sich wach und stark.
Potsdam ein teures Auto gestohlen.                                              Ansonsten gehöre ich zu den Men-
Der Täter tankte später ohne zu be-      Zum Glück kann ich mit Ängsten         schen, die gern positiv auf die Welt
zahlen, deshalb gab es unscharfe Vi-     gut umgehen und die Sendung hilft      blicken, trotz aller Probleme und
deobilder von ihm. Die haben wir         mir dabei. Denn ich weiß, dass die     Unsicherheiten. Auch das hilft ne-
ausgestrahlt. Am nächsten Tag mel-       Zahl der Straftaten in Brandenburg     gativen Stress zu verarbeiten.

                                                                                                                                    11
INTERVIEW

             »GERADLINIG,
              GELEGENTLICH
              DICKKÖPFIG…«
     Karl-Heinz Schröter ist seit Ende 2014 Minister des Innern                                     Das mit den Sektkorken, ist damals
                                                                                                    tatsächlich in irgendeiner Zeitung
     und für Kommunales des Landes Brandenburg. Als Chef des
                                                                                                    erschienen. Vielleicht war der Plural
     Innenressorts ist er auch für die Polizei des Landes verant­                                   hier falsch gewählt. Es kann sein,
     wortlich. ­Eine bewegte Zeit als „Polizeiminister“ liegt hinter                                dass ein Sektkorken knallte. Aber es
     Karl-Heinz Schröter. Es ist Zeit eine ehrliche Bilanz zu ziehen.                               gibt gelegentlich noch heute frühere
                                                                                                    Kollegen, die mich ansprechen. Dies
     Über Höhen, Tiefen und schwere Lasten sprach der Innen­
                                                                                                    wäre wohl nicht der Fall, wenn im
     minister mit der info110.                                                                      Allgemeinen eine schlechte Stim-
                                                                                                    mung in der Kreisverwaltung ge-
                  Wann hatten Sie das letzte Mal           konnte, die hier schon viele Jahre       herrscht hätte. Geradlinig, bis ge-
                  Kontakt zur Polizei, „nicht dienst-      über tätig sind. Ich bin diesen Kol-     legentlich am Rande zur Dickköp-
                  lich“?                                   leginnen und Kollegen jeden Tag          figkeit – ich denke das trifft mein
                                                           dankbar, dass sie mir den Einstieg       Wesen. Am Ende zahlt es sich in
                  In dieser Legislaturperiode bislang      sehr erleichtert haben. Angefan-         der Politik aber aus, nicht jedem
                  nur im Zusammenhang mit einem            gen bei den Mitarbeitern des Lei-        Mainstream, jeder neuen Haltung
                  Foto aus der Zentralen Bußgeld-          tungsbüros, die mich sozusagen in        hinterherzurennen. Ich bin davon
                  stelle. Der Klassiker: An einer Stel-    den Arm nahmen und mir meinen            überzeugt, dass es Werte gibt, die
                  le, die ich wirklich fast täglich pas-   Platz im Landtag zeigten. Bis hin        nicht ständig verhandelbar sind.
                  siere, bin ich mit leicht überhöhter     zu den Abteilungsleitern, die mir        Dickköpfigkeit ist also nicht aus-
                  Geschwindigkeit geblitzt worden.         auch deutlich zeigten wo die He-         schließlich negativ belegt.
                  Ich war wohl nicht einhundertpro-        rausforderungen ihrer Fachberei-
                  zentig konzentriert.                     che lagen. Es gibt viele mehr, sie al-
                                                           le wissen wie wichtig sie für mich           »ICH BIN DAVON
                  Seit November 2014 sind Sie In-          und unser Team sind.
                                                                                                     ­ÜBERZEUGT, DASS ES
                  nenminister des Landes Branden-
                  burg. Wie war Ihr erster Tag da-
                                                                                                    WERTE GIBT, DIE NICHT
                  mals – holprig oder samtweich?            »DER TAG WAR EHER                       ­STÄNDIG VERHANDEL-
                                                           DURCH ZAHNSCHMER-                               BAR SIND.“
                  Der erste Tag war der Tag meiner
                  offiziellen Berufung ins Amt. Und
                                                           ZEN GEPRÄGT, ALS VON                     Mein mitunter stures Wesen ist
                  diesen Tag habe ich sehr intensiv          HELLER BEGEISTE-                       manchmal auch ein Vorteil. Die
                  in Erinnerung. Er war eher durch         RUNG ÜBER DIE BERU-                      deutliche Anhebung der Polizeistel-
                  Zahnschmerzen geprägt, die mich             FUNG INS AMT.«                        len in Brandenburg ist uns nicht in
                  leider zu diesem Zeitpunkt quälten,                                               den Schoß gefallen. Sie ist gegen
                  als von heller Begeisterung über die     Als Sie in das Ministeramt beru-         eine ganze Reihe von Widerstän-
                  Berufung. Einen Tag später habe ich      fen wurden, schrieb eine Lokalzei-       den verabschiedet worden. Natür-
                  meinen Dienst im Innenministeri-         tung, im Landratsamt Oberhavel,          lich hatten diejenigen, die 2011 ei-
                  um angetreten. Alles war neu, alles      ihrer vorherigen Dienststelle, hät-      ne Zielzahl von 7.000 Polizisten für
                  erschien mir schwer überschaubar         ten die Sektkorken geknallt. Sie sa-     ganz Brandenburg entwickelten, gu-
                  und erdrückend zu sein. Aber auch        gen über sich selbst, mitunter ein       te Gründe. Sich dann korrigieren
                  dieser Tag verging. Es folgten viele     „dickköpfiger Mann“ zu sein. Ein         zu müssen, ist nicht immer einfach.
                  Weitere, die ich auch dank der gu-       Erfolgsrezept oder eher ein Hemm-        Die aktuelle Personalzielzahl für
                  ten Unterstützung derer meistern         schuh?                                   die Polizei Brandenburg liegt nun

12
INTERVIEW

Wie setzt man „Arbeitspakete“ in Szene?
Vielleicht so. Innenminister Karl-Heinz Schröter auf den Stufen vor seinem Büro –
bepackt mit Themen seiner bisherigen Amtszeit: Von der Erhöhung der Einstellungs-
zahlen bei der Polizei über die Verbesserung der Ausrüstung bis zur Novellierung
des Polizeigesetzes. „Viel erreicht und doch alles auf Wiedervorlage“, sagt Karl-Heinz
Schröter über die bewältigten Aufgaben.                                                              »DIE DEUTLICHE
Karl Heinz Schröter ist seit dem 4. November 2014 Minister des Innern und für Kom-                   ­ANHEBUNG DER
munales des Landes Brandenburg. Schröter war Mitglied des zwölften Deutschen                        ­POLIZEISTELLEN ­
Bundestages und von 1990 bis 2014 Landrat des Kreises Oranienburg bzw. des Land-                  IN BRANDENBURG
kreises Oberhavel.
                                                                                                  ­AUF 8.293 IST UNS
                                                                                                NICHT IN DEN SCHOSS
                  also bei 8.293 Stellen. Das heißt:    Verhandlungen zur Aufstockung                   GEFALLEN.“
                  Brandenburg braucht in Zukunft        der Stellen als schwierig. Es gab
                  weiterhin mehr Polizei. Wir stel-     ein gewisses Beharrungsvermö-          Es gab auch andere Dinge, bei de-
                  len inzwischen zwei Mal im Jahr       gen. Ich bin dem Ministerpräsi-        nen die mir nachgesagte Sturheit
                  Polizeianwärterinnen und -anwär-      denten dankbar, dass er bereits in     am Ende wichtig war. Zum Bei-
                  ter ein. Die Zeit des Personalab-     seiner Dienstzeit als Innenminister,   spiel die Polizeiliche Kriminalsta-
                  baus ist vorbei. Frühere Pläne, die   den Irrsinn von 7.000 Polizeistellen   tistik. Da gab es Leute, die an der
                  Personalstärke der Polizei zu redu-   für ganz Brandenburg gestoppt hat      alten, der umstrittenen Art der Er-
                  zieren, wurden mittlerweile verwo-    und auf 7.800 Dienstposten orien-      fassung festhalten wollten. Dick-
                  fen. Die Terror- und Gefährdungsla-   tieren konnte. Er hat maßgeblich       köpfig wie ich bin, habe ich fest-
                  ge in Deutschland und somit auch      dabei geholfen, die neue Personal-     gelegt: Wir müssen die Erfassung
                  in Brandenburg bleibt weiter ange-    zielzahl festzulegen und den Per-      verändern und uns an der Richt-
                  spannt. Planungen, die den Abbau      sonalabbau bei der Polizei endgül-     linie des BKA ausrichten. Zu ent-
                  der Polizeistellen vorsehen, passen   tig zu stoppen. Ohne seine Unter-      scheiden, wir machen es anders als
                  nicht mehr in die Zeit.               stützung, allein mit Dickköpfigkeit,   bisher, stieß nicht durchgehend auf
                    Allen erschreckenden Entwick-       hätte ich es nicht geschafft.          Begeisterung. Schließlich hieß das
                  lungen zum Trotz, erwiesen sich die                                          auch, wir hatten jahrelang die Zahl

                                                                                                                                     13
INTERVIEW

                 der Straftaten zumindest strittig er-
                 fasst. Die Polizeiliche Kriminalsta-      »POLITIK IST MEIST EIN                         »ICH HÄTTE MIR
                 tistik bildet die Grundlage wesentli-        KOMPROMISS.«                              ­GEWÜNSCHT, WIR
                 cher Entscheidungen, sie zeigt Ent-                                                 ­WÄREN WEITER BEIM
                 wicklungen auf, anhand derer wir          Gibt es Kisten, die eigentlich           INTERNAT FÜR UNSERE
                 zum Beispiel über mehr Personal           schon lange in besagtem Regal
                                                                                                    AUSZUBILDENDEN UND
                 in einzelnen Bereichen entschei-          stehen sollten?
                 den. Wenn wir die Zahl der Straf-                                                     STUDIERENDEN AN
                 taten nicht einheitlich erfassen, ist     Ja. Ich hätte mir zum Beispiel ge-          DER HOCHSCHULE
                 das erstens unglaubwürdig und wir         wünscht, wir wären weiter beim In-              DER POLIZEI.«
                 ziehen zweitens vielleicht sogar die      ternat für unsere Auszubildenden
                 falschen Schlüsse. Daran können           und Studierenden an der Hochschu-        Was ist Ihnen in den fünf Jahren
                 wir kein Interesse haben.                 le der Polizei. Aber zumindest ist       Ihrer Amtszeit ganz besonders
                                                           das Fundament in Form der Ent-           in Erinnerung geblieben?
                 Würde man die vielen Themen               scheidung für eine solche Unter-
                 Ihrer Amtszeit in Kisten packen,          kunft gelegt. Vielleicht erlebe ich in   Das Jahr 2017! Der Mord an unse-
                 beschriften und geordnet ver-             meiner Amtszeit noch den symbo-          ren beiden Polizeibeamten im Fe-
                 stauen: Welche Pakete stehen              lischen Akt der Grundsteinlegung.        bruar 2017 und der schreckliche
                 im Regal und was ist noch in              Aber wir haben in wenigen Jahren         Unfall im September des gleichen
                 Arbeit?                                   wirklich viel geschafft. Im Prinzip      Jahres, bei dem zwei freiwillige Feu-
                                                           haben wir jede einzelne Baustel-         erwehrmänner im Einsatz ums Le-
                 So richtig erledigt ist kein einziger     le, die übernommen wurde und ein         ben kamen. Diese furchtbaren Ge-
                 Vorgang. Keines der Pakete steht          paar Baustellen mehr, die vorab gar      schehnisse und die Gespräche mit
                 auf dem Dachboden. Sie wissen ja,         nicht zu erkennen waren, abgear-         den Hinterbliebenen werde ich nie
                 dort verstaut man Dinge, die man          beitet. Zu denen die man nicht vor-      vergessen. Und doch geben mir die
                 eigentlich nie wieder braucht und         hersehen konnte, gehörten zum Bei-       Konsequenzen Kraft, die wir dar-
                 sich doch nicht traut, sie zu ent-        spiel die Abschaffung der Straßen-       aus ableiten konnten. Ich mache
                 sorgen. Auf allen unseren Paketen         baubeiträge oder der erbitterte Streit   mir bewusst, dass der tragische Tod
                 steht „Wiedervorlage“. Wann wir sie       um rückwirkende Beiträge für Ka-         dieser Männer trotz allem etwas be-
                 wieder anpacken müssen, steht bei         nalisationsanschlüsse und die Erst-      wirken konnte. Nach dem Unfall-
                 manchen in den Sternen. Bei ande-         aufnahme von Geflüchteten nicht          tod der beiden Feuerwehrmänner
                 ren ist es jetzt schon absehbar. Selbst   nur während der dramatisch zuge-         haben wir Unterschiede in der Ver-
                 das frisch verabschiedete Polizei-        spitzten Situation im Jahr 2015. Es      sorgung von Hinterbliebenen aus-
                 gesetz wird irgendwann wieder auf         heißt Ministerium des Innern und         geglichen. Zuvor gab es bei der ein-
                 den Prüfstand kommen, weil sich           für Kommunales. Unser Haus hat           maligen Unfallentschädigung Diffe-
                 die Sicherheitslage ständig verän-        es in den vergangenen fünf Jahren        renzen von mehreren 10.000 Euro
                 dert. Die Novellierung des Polizeige-     mit vielen anderen Themen zu tun         zwischen den Gruppen der Beam-
                 setzes war aber durchaus eines der        gehabt, um die in Teilen mindestens      tinnen und Beamten, Tarifbeschäf-
                 größten „Pakete“. Ich weiß, dass der      ebenso hart gefochten wurde, wie         tigten und Ehrenamtlichen. Nun
                 Prozess der Einigung über die Er-         um das Thema Polizei.                    können in Brandenburg Angehöri-
                 gänzungen in der Polizei auch auf                                                  ge von allen Feuerwehrfrauen und
                 Unverständnis stieß. Aber Politik                                                  -männern, die im Einsatz ihr Leben
                 ist meist ein Kompromiss. Wir sind                                                 lassen, unbürokratisch und schnell
                 mit vielen Forderungen in die Ver-                                                 eine finanzielle Soforthilfe in glei-
                 handlungen eingestiegen und ha-                                                    cher Höhe erhalten – unabhängig
                 ben einen ganzen Teil davon nun                                                    davon, welcher Gruppe der verstor-
                 gesetzlich verankern können. Ich                                                   bene Angehörige angehörte. Neben
                 empfinde das als Erfolg.                                                           Ehepartnern und eingetragenen Le-

14
INTERVIEW

benspartnern sind auch nicht einge-
tragene und nicht verheiratete Le-
benspartner erfasst. Die Regelungen
gelten nicht nur für die Feuerwehr,
sondern auch für die Polizei und
alle anderen Mitglieder der „Blau-
lichtfamilie“. Brandenburg ist das
einzige Bundesland mit einer sol-
chen Regelung. Die Umstände, un-
ter denen wir diese Neuregelung ge-
troffen haben, sind unsagbar trau-                                               Gibt es inzwischen Lieblingster-
rig. Die Entscheidung, Angehörige          »DAS BILD DER HIN-                    mine als Innenminister?
sofort und unbürokratisch finanzi-        TERBLIEBENEN, UM-
ell zu unterstützen, unabhängig da-     RINGT VON POLIZISTEN                     Ja! Die Einstellungen und die Ver-
von, ob der Verunglückte haupt-           DIE MIT EHRENSALUT                     eidigungen an der Hochschule der
beruflich oder freiwillig im Feuer-                                              Polizei in Oranienburg sind meine
                                        ­IHRER VERSTORBENEN
wehrdienst tätig war, ist bei aller                                              zweitliebsten Termine. Uneinhol-
Tragik etwas Positives.                   KOLLEGEN ERINNER-                      bar aber sind die Festveranstaltun-
                                         TEN, BRAUCHTE KEINE                     gen anlässlich der Zeugnisüberga-
                                           WEITEREN WORTE.«                      be. Es ist einfach schön, in die Ge-
    »ICH MACHE MIR                                                               sichter derer zu schauen, die eben
                                                                                 noch Anwärterinnen und Anwär-
 ­BEWUSST, DASS DER
                                        Mich haben aber auch ganz allge-         ter waren. Ausbildung oder Studi-
TRAGISCHE TOD DIESER                    mein die Veränderungen bei der Po-       um sind erfolgreich beendet und der
MÄNNER TROTZ ALLEM                      lizei bewegt. Von der Anhebung des       endgültige Wechsel in den aktiven
   ETWAS BEWIRKEN                       Eingangsamtes auf A8, über die Wie-      Polizeidienst steht kurz bevor. Ein-
       KONNTE.«                         dereinführung der Freien Heilfür-        deutig mein Lieblingstermin! Ich
                                        sorge, die Investitionen in Tech-        freue mich eigentlich immer, wenn
In Potsdam gibt es auf dem Gelän-       nik und Ausstattung, bis zur Zu-         ich die Gelegenheit bekomme zu
de des Polizeipräsidiums seit dem       lage für die Bereitschaftspolizei – es   zeigen, dass ich stolz bin auf un-
vergangenen Jahr eine Gedenkstät-       war an vielen Stellen wirklich Zeit      sere Brandenburger Polizistinnen
te für im Dienst getötete Polizisten.   für Neues und es war Zeit für ein        und Polizisten. Da ist es gleich, ob
Dies soll eine Stätte der Erinnerung    Zeichen. Die Wiedereinführung der        es die Berufsanfänger sind, die sich
und Mahnung für Angehörige, Kol-        Freien Heilfürsorge ist neben einem      durch eine anspruchsvolle Ausbil-
leginnen und Kollegen sein. Einen       Plus in der Lohntüte vor allem auch      dung gekämpft haben, oder ob es
solchen zentralen Ort zum Trau-         Ausdruck der besonderen Zuwen-           die erfahrenen Beamten sind, die
ern und Gedenken gab es vorher          dung des Dienstherren gegenüber          auch unter schwierigen Bedingun-
nicht. Ich wünschte, wir bräuch-        seinen Polizistinnen und Polizis-        gen professionell agieren. Als na-
ten ihn nicht – aber die Wirklich-      ten. Die Heilfürsorge gibt es aus-       hezu unsere gesamte Bereitschafts-
keit ist nicht erst seit dem Tod von    schließlich für Polizeibeamte und        polizei anlässlich des G20-Gipfels
Torsten Krautz und Torsten Paul         das wird wohl auch so bleiben. Aus       in Hamburg im Einsatz war, habe
eine andere. Die Witwen und Kin-        gutem Grund, denn kein Beruf ist         ich eine schlaflose Nacht gehabt.
der unserer beiden Polizisten waren     so stark mit einer Treueverpflich-       Die Bilder waren beängstigend, ich
bei der Einweihung der Gedenk-          tung verbunden, wie der Polizei-         habe mehrfach mit unserem verant-
stelen dabei. Ich weiß, das hat sie     beruf. Eine Prämie in gleichem fi-       wortlichen Kollegen vor Ort telefo-
viel Kraft gekostet und doch war        nanziellen Umfang wäre weit we-          niert und ich war erleichtert, als alle
ihre Anwesenheit ein besonderes         niger Anerkennung für die Arbeit         Kolleginnen und Kollegen gesund
Zeichen. Das Bild der Hinterblie-       der Polizistinnen und Polizisten ge-     aus Hamburg zurückgekehrt wa-
benen, umringt von Polizisten, die      wesen, als es aus meiner Sicht die       ren. Wir haben uns dann die Schür-
mit Ehrensalut ihrer verstorbenen       Freie Heilfürsorge ist.                  zen umgebunden und für die Mit-
Kollegen erinnerten, brauchte kei-                                               arbeiterinnen und Mitarbeiter der
ne weiteren Worte. Die Branden-                                                  Bereitschaftspolizei gegrillt. Auch
burger Polizei ist eine Familie; sich    »ICH BIN SEHR STOLZ                     wenn ich nicht alle erreichen und
gegenseitig beizustehen und sich                                                 bewirten konnte, ich wollte ganz
                                              AUF UNSERE
Kraft zu geben – das ist selbstver-                                              einfach Danke sagen.
ständlich in einer Familie.
                                           ­BRANDENBURGER
                                         ­POLIZISTINNEN UND
                                              POLIZISTEN.«

                                                                                                                                       15
RECHT

                     DAS »NEUE« BRANDENBURGISCHE
                     POLIZEIGESETZ

                 Was sich am 2. April 2019 verändert hat

     Das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Branden-                                                   Erkennungsdienstliche
     burgischen Polizeigesetzes ist in Kraft getreten.                                              Maßnahmen, polizeiliche
                                                                                                    Ausschreibung, anlass-
     Wie auch in anderen Bundesländern reagiert der                                                 bezogene automatische
     Gesetzgeber auf die Terror- und Gefährdungslage                                                Kennzeichenfahndung
     sowie den technischen Fortschritt. Auch sind Vor-
                                                                           Die allgemeinen Befugnisse für erkennungsdienstliche
     gaben der Rechtsprechung umgesetzt worden.
                                                                           Maßnahmen, die Ausschreibung zur polizeilichen Be-
     Die wesentlichen Änderungen im Überblick:                             obachtung sowie die anlassbezogenen automatische
                                                                           Kennzeichenfahndung werden ergänzt um einen er-
                 Besondere Befugnisse                                      weiterten Kreis möglicher Betroffener.

                 zur Abwehr von Gefahren
                 des Terrorismus
                 Der Kern der Änderung des Polizeigesetzes besteht                                  Aufenthaltsvorgabe
                 in der Einführung von besonderen Befugnissen zur                                   und Kontaktverbot
                 Abwehr von Gefahren des Terrorismus. Diese wer-
                 den rechtssicher in Anlehnung an die Regelungen des       Personen kann untersagt werden, sich an bestimm-
                 Bundeskriminalamtgesetzes definiert. Folgende Be-         ten Orten aufzuhalten oder bestimmte Orte zu verlas-
                 fugnisse werden „zur Abwehr von Gefahren des Ter-         sen (Aufenthaltsvorgabe). Ihnen kann auch der Kon-
                 rorismus“ eingeräumt.                                     takt zu bestimmten Personen untersagt werden (Kon-
                                                                           taktverbot).

                                           Befragung,
                                           Identitätsfeststellung
                                                                                                    Ingewahrsamnahme
                 In Anlehnung an § 11 Abs. 3 BbgPolG können im öf-
                 fentlichen Verkehrsraum angetroffene Personen be-         Schließlich können Personen in Gewahrsam genom-
                 fragt werden. Eine Identitätsfeststellung ist zulässig,   men werden, wenn dies unerlässlich ist, um die un-
                 wenn Erkenntnisse vorliegen, dass am Ort der Maßnah-      mittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung
                 me terrorsistische Straftaten begangen werden sollen.     einer terroristischen Straftat zu verhindern.

16
RECHT

                                                          deutsame Maßnahme muss nun nicht mehr auf die
                                                          polizeiliche Generalklausel zurückgegriffen werden.

                          Einsatz von
                          Explosivmitteln
                                                                                    Richtervorbehalte
In Ausnahmefällen dürfen Explosivmittel (z. B. Hand-                                bei verdeckten
granaten) gegen Personen eingesetzt werden, die Kriegs-                             Maßnahmen
waffen oder Sprengmittel mit sich führen. Der Einsatz
darf nur durch Spezialeinheiten und auf Anordnung         In Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsge-
des Behördenleiters erfolgen. Die Gefährdung Un-          richts bedürfen der Einsatz von Vertrauenspersonen
beteiligter muss mit an Sicherheit grenzender Wahr-       und verdeckten Ermittlern sowie längerfristige Ob-
scheinlichkeit ausgeschlossen werden können.              servationen einer gerichtlichen Anordnung. Im Ge-
                                                          genzug wurde die Dauer der kurzfristigen Observati-

Neue und erweiterte Befugnisse                            on, die ohne richterlichen Beschluss erfolgen kann,
                                                          von 2 auf 3 Tage verlängert.

                                                          Guter Kompromiss nach
                          Ausweitung der
                          Schleierfahndung
                                                          intensiven Beratungen
                                                          Die Novelle ist das Ergebnis eines langen Abwägungs-
Eine wichtige Neuerung ist auch die Ausweitung der        und Abstimmungsprozesses. Das Ministerium des In-
sog. Schleierfahndung. Sie ist nun auch außerhalb         nern und für Kommunales hat den Referentenentwurf
des 30 km-Radius auf Bundesfernstraßen und Euro-          mehrfach innerhalb der Landesregierung sowie unter
pastraßen sowie in öffentlichen Einrichtungen des         anderem mit der Landesdatenschutzbeauftragten so-
internationalen Verkehrs möglich. Erforderlich sind       wie dem BDK, der DPolG und der GdP abgestimmt.
dokumentierte polizeiliche Erkenntnisse. Die Schlei-      Im Ergebnis dieser Abstimmungen sind die ursprüng-
erfahndung darf dabei nicht die gleiche Wirkung wie       lich vorgesehenen Maßnahmen der Online-Durchsu-
Grenzübertrittskontrollen haben.                          chung sowie der Fußfessel zur Terrorabwehr gestrichen
                                                          worden. Der im Oktober 2018 von der Landesregie-
                                                          rung beschlossene Gesetzentwurf sei ein „Kompro-
                                                          miss zwischen bürgerlichen Freiheitsrechten und not-
                                                          wendigen polizeilichen Eingriffsbefugnissen“, so Mi-
                                                          nister Schröter im Landtag.
                          Bodycam                            Dort folgte eine intensive Debatte im Fachausschuss.
                                                          Im Januar 2019 fand hier die Expertenanhörung statt.
Insbesondere zum Schutz der Polizeibeamtinnen und         Mit Blick auf die anhängigen Verfassungsbeschwerden
-beamten können nun bei Personen- und Fahrzeug-           gegen entsprechende Regelungen z.B. in Baden-Würt-
kontrollen mit einer körpernah getragenen Kamera          temberg und Bayern ist auf Empfehlung des Fach-
(sog. Bodycam) Bildaufnahmen sowie Bild- und Ton-         ausschusses auf die Quellen-TKÜ verzichtet worden.
aufzeichnungen hergestellt werden. Im Bereitschafts-
betrieb kann durch die pre-recording Funktion auch
ein Zeitraum von bis zu 60 Sekunden vor der Ak-
tivierung aufgezeichnet werden. In Wohn- und Ne-
                                                          Evaluierung
benräumen dürfen Bodycams jedoch nicht zum Ein-
satz kommen.                                              Die Änderungen des Polizeigesetzes sollen evaluiert
                                                          werden. Die Landesregierung hat dem Landtag dazu
                                                          bis zum Ende des Jahres 2022 einen Bericht vorzule-
                                                          gen. Dieser soll sich auch mit den die Änderungen der
                                                          Polizeigesetze anderer Länder zur Terrorabwehr und
                                                          zur Einführung von Quellen-TKÜ und Online-Durch-
                          Meldeauflagen                   suchung und der hierzu zu erwartenden Rechtspre-
                                                          chung befassen.
Es wurde eine ausdrückliche Befugnis für Meldeauf-
lagen geschaffen. Für diese insbesondere im Zusam-        Gunnar Gladisch (MIK, Ref. 45)
menhang mit Groß- und Sportveranstaltungen be-            Jens Bruns (MIK, LB)

                                                                                                                            17
TITELTHEMA

                  Polizeilicher Opferschutz umfasst viele ver-
                  schiedene Themen wie häusliche Gewalt,
                  Opfer von Stalking, kindliche/jugendliche
                  Opfer von Jugendgruppengewalt, ausländi-
                  sche Opfer, Opfer sexueller Gewalt, sexuel-
                  ler Missbrauch von Kindern, Kindeswohl-
                  gefährdung, Opfer von Verkehrsunfällen,
                  Senioren als Opfer und behinderte Opfer.
                  Derzeit wird der polizeiliche Opferschutz
                  des Landes Brandenburg in einer Arbeits-
                  gruppe unter Federführung des Polizeiprä-
                  sidiums überarbeitet und fortgeschrieben.

                                    TITELTHEMA

  OP
SCHU
18
TZ
FER
                               TITELTHEMA

19
     SYMBOLBILD / ADOBESTOCK
TITELTHEMA

  OPFER
SCHUTZ                                                   »DEN JOB MUSST DU MIT
                      HERZ UND SEELE                                    MACHEN«

                      Wer sich in Brandenburg der polizeilichen Opferschutzarbeit verpflichtet
                      fühlt, ist eine Mischung aus Netzwerker, Mahner und Tröster. In jeder Ins-
                      pektion des Landes gibt es mindestens einen Opferschutzbeauftragten.
                      ­Dieser beurteilt Straftaten, Unfälle oder schlicht polizeilich bekannt gewor­
                       dene Vorfälle mit dem besonderen Blick auf das Opfer. Nicht immer, aber ­oft
                       genug, fühlt sich der oder die „Geschädigte“ – wie es in sperrigem Polizei-
                       deutsch heißt – überfordert, hilflos und nicht in der Lage professionelle Hilfe
                       für sich und andere Betroffene zu organisieren. Hier beginnt die Arbeit der
                       Opferschutzbeauftragten.

                                                                                                         »WER DIESEN JOB
                                                                                                        NICHT FREIWILLIG
                                                                                                        MACHT, DER MACHT
                                                                                                          IHN NICHT GUT.«

                                                                                                      Bevor Ute Claßen und Claudia
                                                                                                      Sponholz für das Opfer einer Straf-
                                                                                                      tat oder eines Unglücksfalles tätig
                                                                                                      werden können, müssen sie zuerst
                                                                                                      einmal von relevanten Sachverhal-
                                                                                                      ten erfahren. Opferschutzbeauftrag-
                                                                                                      te sollten „in der Lage leben“, mei-
                                                                                                      nen Beide. Dazu liegt ihnen das
                                                                                                      polizeiliche Lagebild vor, in dem
                                                                                                      täglich wesentliche Ereignisse zu-
                                                                                                      sammengefasst werden. Vollständig
                                                                                                      – zumindest aus Sicht des Opfer-
                                                                                                      schutzes – ist es jedoch nicht. All-
     Claudia Spon-                                                                                    zu oft sind es gerade die Sachver-
     holz (li.) und                                                                                   halte, die der Polizei zwar bekannt
     Ute Claßen       Ute Claßen (54) und Claudia Spon-       beauftragten dem Sachgebiet Prä-        werden, die Schwelle zur Straftat
                      holz (55) sind Frauen der ersten        vention angehören, ist Zufall. Ge-      jedoch nicht erreichen.
                      Stunde. Zwei erfahrene Opfer-           regelt ist lediglich die Notwendig-        Viele Fälle recherchiert Ute Cla-
                      schutzbeauftragte der Polizeidirekti-   keit eines Opferschutzbeauftragten,     ßen deshalb auch über die Syste-
                      on West berichten im Gespräch mit       eine konkrete Zuordnung – etwa          me „Web-View“ und „ComVor“. So
                      der info110 von Ihrer Arbeit. Seit      zum Sachgebiet Prävention – gibt        kann sie sich ein detailliertes Bild
                      der Opferschutz 2003 per Konzept        es nicht. Es ist wohl in erster Linie   darüber machen, ob ihre Hilfe not-
                      als polizeiliche Aufgabe verankert      eine Herzensangelegenheit. „Man         wendig ist, welche Maßnahmen be-
                      wurde, sind die beiden „Präven-         kann niemanden für diesen Job be-       reits angestoßen wurden und wer
                      tionerinnen“ für den Opferschutz        stimmen. Opferschutz ist eine Sa-       betroffen ist. Claudia Sponholz hat
                      im Einsatz. Dass, zumindest in der      che, die musst Du mit Herz und          diese Möglichkeit nicht, sie muss
                      Direktion West, alle Opferschutz-       Seele machen“, sagt Ute Claßen.         sich auf die Informationen des Lage-

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TITELTHEMA

                                                                                 an. Haben Sie von einem Sachver-
                                                                                 halt erfahren, heißt es, Kontakt zum
                                                                                 Opfer aufzunehmen. Wenn sie nicht
                                                                                 direkt und ohne Zeitverzug infor-
                                                                                 miert werden, was eher selten vor-
                                                                                 kommt, bleibt oft nur der Brief.
                                                                                 Schriftlich wird der oder die Be-
                                                                                 troffene vom Opferschutzbeauftrag-
                                                                                 ten informiert. Erstens stellt dieser
                                                                                 sich als Ansprechpartner vor, zwei-
bildes, der Kollegen aus dem Strei-                                              tens benennt er Wege und Opfer-
fendienst und der Kriminalpolizei          »WER SCHLÄGT,                         hilfevereine, die kontaktiert wer-
verlassen. Auch die Art und Wei-         DER GEHT. DAS OPFER                     den können.
se, wie die Opferschutzbeauftrag-             BLEIBT!«                              Manche melden sich auf einen
ten der Inspektionen von in Fra-                                                 solchen Brief, viele aber auch nicht.
ge kommenden Fällen erfahren, ist                                                Manchmal sind es Verwandte oder
nicht konkret geregelt.                 Ein Viertel der in Deutschland le-       Freunde, die das Kontaktangebot
                                        benden Frauen hat bereits Gewalt         in die Hände bekommen und anru-
  »ALLZU OFT SIND ES                    durch (Ex-)Partner erlebt. Die Ge-       fen, weil sie selbst beim Opfer nicht
                                        walt erleiden die Betroffenen in viel-   weiterkommen. Keineswegs sind al-
  DIE SACHVERHALTE,
                                        fältigen Erscheinungsformen: psy-        le Opfer dankbar für das Hilfsan-
  DIE JENE SCHWELLE                     chische und physische wie auch se-       gebot der Polizei. Trauer, Schmerz,
  ZUR STRAFTAT NICHT                    xualisierte Gewalt. Und doch ist das     erlebte psychische oder physische
     ERREICHEN.«                        Dunkelfeld groß, Gewalt in der Part-     Gewalt und ganz besonders die Su-
                                        nerschaft wird in der Regel nicht        che nach einem Schuldigen verwa-
Aber auch Claudia Sponholz kann         angezeigt. Viele Betroffene schwei-      schen manche Grenze.
sich auf die Kolleginnen und Kolle-     gen. Erdulden ihr Martyrium, weil
gen des Wach-und Wechseldienstes        sie sich schlicht und einfach nicht        »KEINESWEGS SIND
verlassen. Fällt ihnen direkt am Ein-   trauen, nach Hilfe zu suchen. Selbst
                                                                                 ­ALLE OPFER DANKBAR
satzort etwas auf, informieren Sie      wenn es zum Äußersten kommt und
ihre Opferschutzbeauftragte. Wenn       die Polizei gerufen wird, schwei-
                                                                                  FÜR DAS HILFSANGE-
einer Ruhestörung eigentlich häusli-    gen die Frauen oft immer noch. Die          BOT DER POLIZEI.«
che Gewalt vorausgegangen war, die      Angst vor dem Partner, Sorge um
Frau sich in Gegenwart ihres Man-       die Kinder, das Kleinreden des Pro-      Ute Claßen betreute vor Jahren eine
nes jedoch schweigsam und zurück-       blems durch Verwandte, die Scham         Frau, die sich während einer Ein-
gezogen gibt, sind es die Streifen-     und Angst vor Gerede, all das sind       bruchsschutzberatung an ihren Kol-
beamten, die dies registrieren. Zum     Gründe, weshalb die Opfer schwei-        legen gewandt hatte. Die Sicherung
Schutz vor häuslicher Gewalt ist die    gen. Das Gewaltschutzgesetz trat         des Hauses hatte für diese Frau in
Polizei vor Ort zudem befugt, un-       2002 in Kraft und soll eine Person       erster Linie das Ziel, den Ex-Part-
mittelbar eine Wohnungsverweisung       vor allen Formen von Gewalt im           ner fernzuhalten. Der Mann terro-
und ein Rückkehrverbot für bis zu       privaten häuslichen Umfeld schüt-        risierte sie mit Briefen und Anru-
zehn Tage auszusprechen. Dabei gilt     zen. Andere Rechtsordnungen ver-         fen. Ute Claßen nahm Kontakt auf
in erster Linie der Grundsatz: Wer      folgen solche Gewaltakte nur im          und wurde in der Folgezeit eine Art
schlägt, der geht. Das Opfer bleibt!    Rahmen des gewöhnlichen Straf-           Stütze für diese Frau. Sie kam zum
Dieser Zeitraum kann durch zivil-       rechts, etwa als Körperverletzung        Reden, fühlte sich von Ute Claßen
rechtlichen Schutz nach dem Ge-         oder Nötigung. Mit Inkrafttreten         verstanden und dokumentierte auf
waltschutzgesetz (GewSchG) ver-         des Gesetzes rückten die Belange         den Rat der Opferschutzbeauftragen
längert werden. Diese Zeit wird der     der Opfer von Gewalt in der Part-        hin jeden Annäherungsversuch des
Betroffenen eingeräumt um sich          nerschaft in den Fokus. Zeitgleich       Mannes. Gemeinsam öffneten sie
zu überlegen, wie sie weiter vor-       wurden die Opferschutzbeauftrag-         Briefe, die der Ex-Partner schrieb.
gehen möchte. Es ist auch die Zeit,     ten der Polizei eingeführt und wa-       Der Inhalt - oft nah an einer Bedro-
in der die Opferschutzbeauftragte       ren fortan mit der Aufgabe betraut,      hung, jedoch keine Straftat.
den Kontakt aufnimmt, um über           in eben solchen Fällen aktiv auf das        Nach Monaten rief ein Ermitt-
mögliche weitere Schritte zu in-        Opfer zuzugehen und Hilfsangebo-         ler der Polizei Hannover an. Ge-
formieren.                              te zu unterbreiten.                      gen den Ex-Partner wurde dort we-
                                           Für die Opferschutzbeauftragen        gen einer Vergewaltigung ermittelt.
                                        Claßen und Sponholz fängt die Ar-        Die Polizei war an einer Aussage
                                        beit daher an einem solchen Punkt        seiner ehemaligen Lebensgefähr-

                                                                                                                                      21
TITELTHEMA

  OPFER                                                                                            einer deutlichen Beweispflicht, das

SCHUTZ                                                                                             geht irgendwie am Ziel vorbei“,
                                                                                                   mahnen die Opferschutzbeauftrag-
                                                                                                   ten Claßen und Sponholz. Zuwei-
                                                                                                   len hätten sie bereits den Ratschlag
                                                                                                   erhalten, möglichst viele Straftaten,
                                                                                                   die in Verbindung mit der Nach-
                                                                                                   stellung stehen, wie etwa Körper-
                                                                                                   verletzung oder Sachbeschädigung,
                                                                                                   zur Anzeige zu bringen. Wird das
                                                                                                   Stalking-Verfahren eingestellt, blie-
                                                                                                   ben zumindest diese „handfesten“
                                                                                                   Straftaten. Das mag ein Weg sein,
                                                                                                   befriedigend ist es nicht.

                                                                                                    »DEM OPFER BEISTE-
                                                                                                     HEN UND DIE STRAF-
                                                                                                    VERFOLGUNG SICHER-
                                                                                                    STELLEN – ES BLEIBT
                                                                                                        EIN SPAGAT.«

                                                                                                   „Umso erleichterter bin ich, wenn
                                                                                                   wir wirklich helfen können. Aber
                                                                                                   das gelingt nur mit unseren Part-
                                                                                                   nern. Ohne den direkten Draht zu
                                                                                                   den Frauenhäusern in der Region
                                                                                                   und den Opferhilfevereinen, könn-
                                                                                                   ten wir die Schlachten nicht schla-
                  SYMBOLBILD / ADOBESTOCK
                                                                                                   gen“, sagt Claudia Sponholz. So
                                                                                                   geschehen, als Kollegen des Wach-
                  tin interessiert. Nach einem langen     bleibt ein Spagat“, meint Claudia        und Wechseldienstes bei einer Kon-
                  Ermittlungsverfahren kam es zur         Sponholz.                                trolle eine Fahrzeugführerin mit 0,8
                  Anklage und damit zur Verhand-                                                   Promille Alkohol im Blut ertapp-
                  lung. Für die von Ute Claßen be-        »DAS OPFER EMPFAND                       ten. Die Frau brach in Tränen aus
                  treute Frau schlug an dieser Stelle                                              und offenbarte sich an Ort und Stel-
                                                          DAS TÄTIGWERDEN DER
                  das Gefühl des „umsorgt seins“ in                                                le. Ihr Partner war gewalttätig und
                  Aggression gegenüber der Polizei
                                                           POLIZEI ALS VERRAT.«                    erniedrigte sie ohne Unterlass. Sie
                  um. Aus ihrer Sicht, hatte die Poli-                                             hatte zudem gerade ihren Job ver-
                  zei dafür gesorgt, dass sie als Opfer   Ein echtes Reizthema für die Bei-        loren. Finanziell abhängig vom ge-
                  aus der vermeintlichen Anonymität       den ist der Paragraph 238 des Straf-     walttätigen Partner und vollkom-
                  ins Licht gezerrt wurde. Auch wenn      gesetzbuches – Stalking, besser die      men überfordert mit der Situation,
                  der Mann am Ende zu vier Jahren         Nachstellung. Nach Meinung von           hatte sie getrunken und war oh-
                  Haft verurteilt wurde, konnte seine     Ute Claßen werden noch immer             ne Ziel mit dem Auto losgefahren.
                  ehemalige Partnerin das Tätigwer-       90 Prozent aller Stalking-Verfah-
                  den der Polizei nicht akzeptieren       ren eingestellt. Obwohl die Nach-           Ganz ähnlich ging es einer Se-
                  und empfand dies offenbar als Ver-      stellung seit 2007 unter Strafe steht,   niorin nahe Zossen. Nach einem
                  rat. Ute Claßen belehrt seither sehr    gehen die Auffassungen darüber,          einfachen Auffahrunfall mit gerin-
                  eindringlich. „Wir als Opferschutz-     welche Taten „geeignet sind, deren       gem Sachschaden war die adrett ge-
                  beauftragte der Polizei können Hil-     Lebensgestaltung schwerwiegend           kleidete und zuvor selbstsicher wir-
                  fe aufzeigen, wir können den Be-        zu beeinträchtigen“, weit auseinan-      kende Frau absolut aufgelöst. Uni-
                  troffenen ihre Rechte erklären und      der. Gemeint ist die Lebensgestal-       formierte Polizisten versuchten zu
                  wir sind auch einfach nur zum Re-       tung der Opfer und es ist offenbar       trösten und merkten schnell, dass
                  den da. Wenn wir jedoch von einer       schwierig, objektiv einzuschätzen        mehr dahinter steckte als der bloße
                  Straftat erfahren, ist eine Anzeige     welches Verhalten die Tatbestände        Schreck über den Unfall. Die Da-
                  unsere Pflicht“, erklärte sie.          des §238 StGB erfüllt und was das        me stand daheim unter dem Schef-
                     „Dem Opfer beistehen und die         Opfer „nur“ so empfindet. „Als Op-       fel eines Ehegatten, der sie bereits
                  Strafverfolgung sicherstellen - Es      fer ist man bei der Nachstellung in      über Jahre hinweg misshandel-

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