Netzwerken, mahnen, vermitteln, trösten: POLIZEILICHER ZEITUNG DER POLIZEI BRANDENBURG
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ZEITUNG DER POLIZEI BRANDENBURG 02 | 2019 Netzwerken, mahnen, vermitteln, trösten: POLIZEILICHER OPFER Außerdem im Heft Aktuell: Innenminister Schröter im Interview – Polizeipraxis: Wenn die DSGVO Ermittlungen un- möglich macht
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, „Der Täter im Mittelpunkt, das Opfer vergessen“ – ein wieder- kehrender Vorwurf, wenn es um die Rechte von Geschädigten geht. Spektakuläre Kriminalfälle der jüngsten Zeit, mögen diesen Vorwurf mitunter berechtigt er- scheinen lassen. Da steht das Alter eines des Sexualmordes Angeklagten wochenlang im Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen. Das Leid der getöteten jungen Frau und ihrer Familie wird zumindest in den Medien kaum disku- tiert. Dies mag ein plakatives Beispiel sein. Medien inszenieren Reso- zialisierungsmaßnahmen nicht selten als „tätscheln“ der Täter und bemühen allzu oft das Thema des vermeintlich „vergessenen Opfers“. Auch das gehört zur Wahrheit. Fernab der Titelblätter gibt es sehr wohl vielschichtige Opferschutzaktivitäten. Um den polizeilichen Opferschutz geht es in dieser Ausgabe. Die Beauftragten für den Op- ferschutz in den vier Direktionen sind Vermittler und Netzwerker. Ohne die Kooperation mit Vereinen wie der „Opferhilfe Land Bran- denburg e.V.“ oder dem „Weissen Ring e.V.“ wäre polizeiliche Opfer- schutzarbeit aber schlicht nicht möglich. IMPRESSUM Diese Ausgabe nutzt Innenminister Karl-Heinz Schröter auch für eine Bilanz seiner Amtszeit. Seit November 2014 lenkt er nun die Herausgeber: Ministerium des Innern und für Kommunales Geschicke den Innenressorts. Es war Zeit für eine ganz persönliche des Landes Brandenburg Rückschau auf die Dinge, die ihn bewegten und die er bewegte. Eines Redaktion: Jörg Müller (verantw.), dieser Themen war ganz sicher die unter schwierigen Bedingungen Katrin Böhme erreichte Novellierung des Brandenburger Polizeigesetzes. Was ist Anschrift: Henning-von-Tresckow- Straße 9-13, 14467 Potsdam nun neu und welche Maßnahmen finden sich entgegen erster Vor- E-Mail: info110@mik.brandenburg.de schläge nicht im Gesetz. Dazu berichten wir im Heft. polizei.brandenburg.de/info110 Natürlich gibt es auch wieder Einiges aus der Polizeipraxis. So zum Redaktionsbeirat: Ulrich Wiesicke, Tino Zitzmann, Anja Resmer, Dörte Röhrs, Beispiel das (Reiz-)Thema Datenschutzgrundverordnung, kurz Ines Filohn, Ingo Heese, Heiko Schmidt, DSGVO. Ob und in welcher Art die DSGVO polizeiliche Auskunfts- Christoph Koppe, Gabriele Krümmel, Robert Bechmann, Norbert Remus ansprüche beschneidet und wann die Verordnung überhaupt Beach- ISSN 1430-7669 tung finden muss – wir klären auf. Unbedingt lesen. Layout: Rosenfeld.MRDesign Außerdem: Seit einem Jahr arbeiten Einstellungsberater engagiert Druck: LGB (Landesvermessung und daran, Schülerinnen und Schüler für den Polizeiberuf zu begeistern. Geobasisinformation Brandenburg) Mit Erfolg, wie unsere Geschichte aus den Direktionen West und Fotos: Kristin Baumert, Ronny Wunderlich, Katrin Böhme, Matthias Nord zeigt. Rosenfeld, Archiv, AdobeStock 27. Jahrgang, Nr. 2/2019 Viel Spaß beim Lesen. Auflage 5.000 Redaktionsschluss: 3. Juni 2019 Wir danken allen Verfasserinnen und Verfas- sern für die in dieser Ausgabe veröffentlich- ten Beiträge. Die mit Namen versehenden Beiträge geben nicht in jedem Fall die Mei- Katrin Böhme nung der Redaktion wieder. Die Redaktion info110-Chefredakteurin behält sich das Recht der Kürzung vor. 2
INHALT Inhalt INTERVIEW 5 Fragen an Uwe Madel 10 Gespräch mit Minister Karl-Heinz Schröter 12 RECHT Aktuelle 48 Das elektronische Informationen Das neue Brandenburgische Polizeigesetz 16 der Polizei Warenhaus Brandenburg finden Sie TITElTHEMA auch auf POLIZEILICHER OPFERSCHUTZ 18 „Den Job musst du mit Leib und Seele machen“ 20 Wie sind wir aufgestellt? 24 Betroffene neigen zur Unterschätzung 28 der Situation Psychosoziale Prozessbegleitung 32 Engagement mit Leidenschaft 34 Einstellungsberater bei der Polizei 52 Aus der Praxis von Opferschutzbeauftragten Hilfe mit Kopf und Herz 36 38 RECHT & WISSEN Brandenburg legt nach 40 Versammlungen in Bildern – von Pegida bis Fridays For Future 44 PRAXIS Elektronisches Warenhaus 48 INTERN Inspekteur der Bereitschaftspolizeien 56 Beratung – Praktikum – Einstellung Brandenburger ist Inspekteur 52 der Bereitschaftspolizeien der Länder 56 VERMISCHTES Soko Potsdam drückt Schulbank 60 Polizeikalender auf Reisen 62 „Blaulicht-Kita“ entsteht in Cottbus 64 FEUILLETON 66 60 Broadchurch – Ein Dorf unter Verdacht TV-Kommissarinnen in der Polizei-Praxis KNOBELECKE 77 3
ngen IM FOKUS tbedingu r Ech Unte Spezialeinsatz- kommandos üben Taktik und Medizin Wer rettet und versorgt Menschen in einer gefährlichen Einsatzlage, wenn die Täter noch aktiv handeln? Wenn die Gefahr noch nicht gebannt wurde - der Amokschütze beispielsweise weiter um sich schießt - können zivile Rettungskräfte nicht zu den Verletzten ge langen. Die Gefahr, selbst verletzt zu werden, ist schlicht zu groß. Spezialeinsatzkräfte (SEK) der Polizei Brandenburg waren im April Gastgeber eines selbstorganisierten Ausbildungslehrganges für derartige Szenarien. Gemeinsam mit Spezialeinsatzkräften aus Hamburg, Berlin, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen sowie des Zolls wurde in Zu- sammenarbeit mit der Bundeswehr auf dem Truppenübungsplatz Lehnin eine Woche „unter Echtbedingungen“ trainiert. Erfahrene Mediziner der Bundeswehr und des polizeiärztlichen Dienstes standen den Übenden während des Rettungseinsatzes zur Seite. Um Verletzungsbilder möglichst authentisch darzustellen, wirkten Darsteller aus England als Statisten mit und simulierten die Verlet- zen. Diesen Männern fehlten durch vor Jahren tatsächlich erlittene Amputationsverletzungen ein oder mehrere Gliedmaßen. Derart schwerwiegende Verletzungen sind zum einen auch für die Einsatz- kräfte schockierend, zum anderen gehen sie mit ganz besonderen Herausforderungen einher. Wie bespielweise einen Schwerstverlet- zen aus dem Schussfeld tragen, wenn der Griff an Armen und Bei- nen nicht mehr funktioniert, weil eine Gliedmaße fehlt? Inhalt der Ausbildungswoche waren theoretische und praktische Kenntnisse zur taktischen Einsatzmedizin. Die Erstbehandlung be- sonders schwerer Verletzungen wie Schusswunden oder der Verlust von Gliedmaßen standen dabei im Mittelpunkt. Wichtig für die zuerst am Einsatzort handelnden Beamten ist dabei die Priorisierung me- dizinischer Hilfeleistungen je nach Schweregrad der Verletzungen, die medizinische Erstversorgung und die anschließende Übergabe an den Rettungsdienst. Mario Heinemann Nico Neuendorf, stellvertretender Leiter der Spezialeinheiten in Brandenburg: „Das Thema schockt zunächst, Bilder derartiger Verletzungen sind selbst dann schwer zu ertragen, wenn es sich um Übungsszenarien handelt. Aber wir stellen uns der Verantwortung auch in diesen absolut fordernden Situationen. Durch die zusätzliche Ausbildung können un- sere SEK-Medics noch effektiver helfen, Menschenleben zu retten, denn jede Sekunde zählt.“ 4
infoMagazin Masterstudiengänge für Kriminalisten Zukünftig wird die Hochschule der Polizei Branden- burg besondere Masterstudiengänge für die Krimi- nalistenausbildung anbieten. Die Module des neuen Masterstudienganges werden sich mit der ganzen Bandbreite der Kriminalität von Cybercrime über Fo- rensik bis zu Organisierter Kriminalität, politisch motivierter Kriminalität und besonderen Formen der Schwerstkriminalität beschäftigen. Die ersten Kurse starten im Oktober 2020 mit 25 Studienplätzen. Die Hochschule der Polizei Brandenburg war die erste polizeiliche Bildungseinrichtung mit einem auflagen- frei akkreditierten Bachelorstudiengang zur Ausbil- dung von Nachwuchs für den gehobenen Polizeivoll- zugsdienst. Sie richtet in Kooperation mit dem Land Berlin zur Hälfte den Masterstudiengang aus und bie- Hochschule tet künftig neue Masterstudiengänge zur Vertiefung Polizei Brandenburg kriminalistischen und polizeilichen Fachwissens an. Verdienstorden für Jürgen Lüth Der ehemalige Cottbuser Polizeipräsident Jürgen Lüth hat das „Verdienstkreuz am Bande“ der Bun- desrepublik Deutschland erhalten. Ministerpräsi- dent Dietmar Woidke überreichte dem 72-Jähri- gen den Verdienstorden und würdigte die uner- müdliche Arbeit von Jürgen Lüth für eine Stär- kung des Opferschutzes. Lüth leitet mit großem ehrenamtlichen Elan den Landesverband des Op- ferhilfevereins “Weisser Ring” und ist darüber hi- naus vielfältig engagiert. Jürgen Lüth war von 1991 bis 2002 Polizeipräsident in Cottbus. Bereits seit 1993 ist er im „Weissen Ring“ engagiert, seit 1996 ist er Landeschef des Vereins. Der „Weisse Ring“ berät und unterstützt Kriminalitätsopfer. Er leistet zudem Präventionsarbeit, um Straftaten zu verhindern. Lüth wirkt darüber hinaus in weiteren Organisationen ehrenamtlich mit. Unter anderem Quelle: Brandenburg.de gründete er das erste Jugendrechtshaus Deutschlands in Cottbus und Brandenburgs Poli- zeichor. 6
infoMagazin Generation Z setzt auf Familie und Job Eine Vorstudie aus dem ersten Halbjahr 2018 be- fasste sich erstmals mit der „Zukünftigen Arbeits- welt der Generation Z – und der Rolle der Vereinbar- Digitales Leben keit“. Der Generation Z (kurz GenZ) werden überwie- gend diejenigen zugerechnet, die von 1997 bis 2012 100.500 Wörter lesen wir jeden Tag. Im- zur Welt gekommen sind. Die Jugendlichen und Jung- mer mehr davon digital, also auf dem erwachsenen wurden zu wesentlichen personalpoli- Smartphone, Tablet oder PC. In einer Wo- tischen Handlungsfelder befragt. Dazu zählten unter che entspricht das der Textmenge der Bi- anderem Arbeitszeit, Arbeitsorganisation, Arbeitsort, bel. Dieser Zustand wird immer häufiger Information und Kommunikation, Führung, Personal- als Informationsüberflutung wahrgenom- entwicklung und finanzielle Zusatzleistungen. Etwa men. Zu viele Informationen werden über- 3/5 der VertreterInnen der Generation Z (58 %) bevor- mittelt und können nicht mehr zeitnah zugt danach eine wöchentliche Arbeitszeit von 36 bis verarbeiten werden. Interessant: Alle 60 40 Stunden. Die auch als Digital Natives bezeichne- Sekunden werden weltweit 3,8 Millionen ten Befragten sind aber durchaus bereit, mehr bzw. Suchanfragen auf Google gestellt, 400 länger zu arbeiten; nämlich ganz pragmatisch be- Stunden Videomaterial auf YouTube hoch- sonders dann, wenn es Projekte bedürfen (92 %), geladen, 156 Millionen Emails versendet wenn daraus bessere Karrierechancen erwachsen und eine halbe Million Apps installiert.Sie- (91 %) oder Gehaltszulagen (91 %) zu erwarten sind. ben Prozent aller deutschen Internet-Nut- Gleichzeitig ist es der Generation Z (71 %) wichtig, zer gelten inzwischen als onlinesüchtig. dass sie sich ihre Arbeitszeit flexibel einteilen kann. Den Arbeitsort flexibel wählen zu können, zählt zu Tätowierungen einem Auswahlkriterium bzgl. ihres Arbeitgebers. Quelle: berufundfamilie Service GmbH bei Polizisten Großflächige Tätowierungen bei Polizisten beschäftig- ten schon mehrfach die Gerichte. Aktuell gibt es zwei neue Urteile. Im ersten Fall urteilte das Magdeburger Verwaltungsgericht, dass auch große Tätowierungen kein Einstellungshindernis seien. Geklagt hatte ein Mann, der sich für die Ausbildung zum Polizisten in Sachsen-Anhalt beworben hatte. Er war mit dem Verweis auf seine Tätowierung abgelehnt worden. Auf der Wade des Mannes ist großflächig eine vermumm- Namensschilder te Gestalt und das Logo des 1. FC Magdeburg täto- wiert. Die Ablehnung war rechtswidrig, weil sich die rechtmäßig Fachhochschule der Polizei ausschließlich auf das Brandenburger Polizeivollzugsbeamte müssen äußere Erscheinungsbild des Mannes bezogen habe. Namensschilder auf ihrer Uniform tragen, bei Ein- Auch das Oberverwaltungsgericht Münster bestätig- sätzen in geschlossenen Einheiten ist statt des Na- te kürzlich ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Düs- mensschildes eine Nummerierung möglich. Dies seldorf. Hier war ein Bewerber aus Mühlheim bei stellte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Branden- der Polizei abgelehnt worden, weil er auf Innenseite burg jüngst in einer Entscheidung klar. Geklagt hat- des linken Unterarms eine auffällig große Löwen- ten eine Polizeioberkommissarin und ein Polizei- Tätowierung trägt. Das zuständige hauptmeister. Beide befürchteten durch das Na- Landesamt sah in der Tätowierung mensschild für Dritte identifizierbar zu sein. Das ein Problem, weil sie beim Tragen OVG begründete die Entscheidung damit, dass auch der Sommeruniform gut sichtbar das neue Polizeigesetz mehr Transparenz und Bür- gewesen wäre. Das OVG Münster gernähe schaffen soll, Pflichtverletzungen können hielt den regelnden Verwaltungser- schneller aufgeklärt werden. Zudem wisse jeder Po- lass für nicht ausreichend. Der Klä- lizeibeamte mit Einstieg in den Beruf um das beson- ger ist inzwischen vereidigt und ar- dere Risiko. Ein Namensschild erweitere diese Risi- beite als Polizist. ken lediglich, urteilte der Richter. 7
Datenschnüffler auf vier Pfoten Polizeihund Ivo kann Daten erschnüffeln, beziehungs- weise deren Träger. Die Idee, einen Hund für die Suche Polo- nach Hardware einzusetzen hatte die Brandenburger shirt ist Polizeikommissarin Lydia Marquardt. Die 37-Jährige hatte Ivo für 800 Euro gekauft und auch seine Ausbil- Bestseller dung finanziert. Nun ist Ivo der bislang einzige „Daten- Seit Sommer 2018 gehört schnüffler“ in Brandenburg. Bei der Suche nach Da- das neue Uniform-Poloshirt tenträgern zahlt sich der empfindliche Geruchssinn zum Sortiment des elektroni- von Hunden aus, dieser sei bis zu zehn Millionen Mal schen Warenhauses des empfindlicher als beim Menschen. ZDPol. Das neu gestaltete Shirt ist einfarbig dunkelblau und besteht zu je 50% aus Baumwolle und Polyes- ter Bioactive. Das Tragegefühl gleicht dadurch einem klassischen Poloshirt. Das Vorgänger- modell bestand noch vollständig aus Polyester. Brandenburger Polizistinnen und Polizisten bestellten das Poloshirt bisher knapp 12.300- mal. Auch die Berliner Polizei sowie die Kolle- gen der Justiz in Berlin und Brandenburg kön- nen das neue „Blaue“ ordern, natürlich mit entsprechender Beschriftung und Hoheitsab- zeichen. Insgesamt 75.094 Poloshirts wurden an diese Kundengruppen des ZDPol verschickt. Diff./ Diff./ Pro- Wert Beschreibung 2012 2014 2015 2016 2017 2018 zent 2017- 2017- 2018 2018 VU unter Beteiligung von Senioren (ab 65 Jahren) 13.986 15.167 16.149 16.685 17.794 18.321 527 3,0% Personenschaden 1.862 2.070 2.123 2.351 2.376 2.448 72 3,0% Getötete 52 43 47 41 45 47 2 4,4% Verletzte 2.328 2.646 2.735 3.044 3.089 3.197 108 3,5% davon Schwerverletzte 601 668 674 770 793 837 44 5,5% VU mit Verursacher Senioren (ab 65 Jahren) 9.839 10.827 11.528 11.965 12.627 12.972 345 2,7% Unfälle mit Senioren nehmen zu Senioren über 65 Jahren sind immer häufiger in Verkehrsunfälle verwickelt. Seit 2012 steigt ihr Anteil bei der Unfallbeteiligung. Ähnliche Steige- rungen sind auch bei den durch über 65-Jährige verursachten Unfällen festzustellen. 8
infoMagazin Aus der Puppenkiste Die Polizei Brandenburg lässt die Puppen tanzen und intensiviert ihre Kompetenzen im Bereich der Ver- kehrs- und Kriminalitätspräventi- on. Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter der Prävention nutzen neueste Erkenntnisse der pädagogisch- didaktischen Wissensvermittlung und veranschaulichen mit Hand- puppen bereits den Kleinsten ge- fährliche Situationen und richti- ges Verhalten. Im Mai gab es ein erstes Präventionsseminar zur griff ist, vermittelte kompetent Methodenkompetenz des Puppen- und unterhaltsam wichtige spiels an der Hochschule der Poli Grundlagen des Puppenspiels. zei Brandenburg. Christian Bahr- Mit einem echten Praxistest vor mann – Puppenspieler, Sänger kritischen Zuschauern endete und Moderator aus Berlin – der das Seminar mit der Urauffüh- vor allem dem jungen Publikum rung des erarbeiteten Stückes des Kindersenders KiKa ein Be- zur Verkehrserziehung. CARTOON VON THOMAS LEONHARDT Mit Humor und spitzem Stift 9
INTERVIEW Revierpolizei, Wach- und Wechseldienst, Kripo, Verwaltung – es gibt fast 60 verschiedene „Berufe“ bei der Polizei. Eigentlich ist dieser Platz fest für Brandenburger Polizistinnen und Polizisten reserviert. Hier zeigen sie Gesicht. Wir haben es mit der Vielfalt unseres Berufes in dieser Ausgabe einmal ganz genau genommen. 5 Fragen an .... Kristin Baumert Uwe MadelSeit Mai 1992 arbeitet Uwe Madel für den ORB/rbb und moderiert seitdem das Kriminalmagazin „Täter-Opfer-Polizei“, für das er auch als Autor arbeitet. Die Brandenburger Polizei ernannte den gebürtigen Frankfurter für seine Arbeit bei „Täter, Opfer, Polizei“ zum Ehrenkom- missar. Nachdem der Plan, als Handballer im Profisport Karriere zu ma- chen nicht aufging, studierte Uwe Madel von 1988 bis 1993 in Leipzig und Madrid Journalistik. Der Vater von zwei Töchtern im Alter von 15 und 13 Jahren lebt mit seiner Familie in Berlin. Ehrensache, unseren „Kollegen“ hier vorzustellen. 10
INTERVIEW 1 Hand auf’s Herz, wann hatten Sie das letzte Mal mit der Polizei zu tun? Beruflich natürlich fast jeden Tag. Bei der Recherche, bei Veranstal- tungen oder als Gesprächspartner in meiner Sendung. Aber Sie mei- nen vermutlich privat und da hatte ich am Osterwochenende eine be- sondere Begegnung. Ich kam mit meiner großen Tochter nachts um 1 Uhr von einem Besuch bei Freun- den. Wir waren in der Nähe unserer Wohnung und weit und breit das einzige Auto auf der Straße. Plötz- lich hinter uns Blaulicht und die deutliche Aufforderung rechts ran- zufahren. Begründung: Den Beam- ten sei meine unsichere Fahrwei- se aufgefallen. Meine Tochter und ich schauten uns verwundert an, dete sich ein Mann bei der Polizei seit vielen Jahren kontinuierlich ab- so etwas kannte sie bislang nur aus und stellte sich. Ein Autodieb, der nimmt. Ich kann unterscheiden zwi- amerikanischen Filmen. Ich muss- dachte, dass nach ihm gefahndet schen objektiver Lage und subjek- te dann „pusten“ - dabei hatte ich würde. Er war aber gar nicht der Ge- tivem (Un-)Sicherheitsgefühl. Aber den ganzen Abend nur Wasser und suchte. Den richtigen Täter konn- natürlich gibt es einige Dinge, die Kaffee getrunken. Am Ende wirkten te die Polizei wenig später fassen. ich heute anders mache, als früher. die Polizisten irgendwie enttäuscht. Ein Fahndungsaufruf, zwei Taten Dazu gehört z.B. das Thema Ein- Meine Tochter meinte, als wir wei- geklärt. Das war schon besonders. bruchsschutz oder der Umgang mit ter fuhren: Vielleicht hatten sie ein- dem eigenen Bauchgefühl. Wenn 3 fach Langeweile... Und welcher Fall geht Ih- ich mich nachts am Geldautoma- nen nicht mehr aus dem ten oder in Bus oder Bahn unwohl 2 Gab es einen Ermittlungs- Sinn? fühle, dann versuche ich schnellst- erfolg, den Sie „Täter-Op- möglich die Situation zu verlassen. fer-Polizei“ zuschreiben Das sind all die Fälle, bei denen 5 können und auf den Sie be- Kinder die Opfer waren. Der Tod Viele Polizisten brauchen sonders stolz sind, sozusa- von Ulrike aus Eberwalde gehört einen Ausgleich zum mit- gen das schönste Erlebnis? dazu oder von Elias aus Potsdam unter belastenden Job. Sie oder auch das Verschwinden von auch? Da gab es in all den Jahren natür- Georgine Krüger in Berlin. Hier hal- lich eine Vielzahl von Fällen, bei te ich bis heute Kontakt zur Fami- Ein guter Ausgleich zu belastenden denen Zuschauerhinweise den Er- lie. Die kleine Schwester von Ge- Arbeitsinhalten ist immer wichtig. mittlern helfen konnten. Etwa im orgine hat bei uns in der Produk- Egal ob körperlich oder geistig. Ich Fall Raymond S., der Ende der 90 tionsfirma ein Praktikum gemacht. versuche, mindestens 1- 2 mal in der Jahre in Berlin zwei Rentnerinnen So haben wir versucht, der Fami- Woche Sport zu treiben, das gehört umbrachte und viele andere aus- lie zu helfen und etwas Zuversicht für mich als ehemaliger Leistungs- raubte und sexuell missbrauchte. zu geben in der Zeit größter Angst sportler dazu. Meine neueste Ent- Einmal hob er mit der EC-Karte ei- und Unsicherheit. deckung ist Hot-Yoga, das bedeutet nes seiner Opfer Geld ab. Das Foto 90 min Yoga-Training in einem 40 4 vom Geldautomaten hat ihn dann Sind Sie ein ängstlicher Grad warmen Raum. So habe ich überführt. Mensch – färbt die Sen- noch nie geschwitzt in meinem Le- Wirklich „schön“ aber war ein ande- dung nach all den Jahren ben, aber am Ende kommt der Kick rer Fall. Da wurde in der Nähe von ab? und man fühlt sich wach und stark. Potsdam ein teures Auto gestohlen. Ansonsten gehöre ich zu den Men- Der Täter tankte später ohne zu be- Zum Glück kann ich mit Ängsten schen, die gern positiv auf die Welt zahlen, deshalb gab es unscharfe Vi- gut umgehen und die Sendung hilft blicken, trotz aller Probleme und deobilder von ihm. Die haben wir mir dabei. Denn ich weiß, dass die Unsicherheiten. Auch das hilft ne- ausgestrahlt. Am nächsten Tag mel- Zahl der Straftaten in Brandenburg gativen Stress zu verarbeiten. 11
INTERVIEW »GERADLINIG, GELEGENTLICH DICKKÖPFIG…« Karl-Heinz Schröter ist seit Ende 2014 Minister des Innern Das mit den Sektkorken, ist damals tatsächlich in irgendeiner Zeitung und für Kommunales des Landes Brandenburg. Als Chef des erschienen. Vielleicht war der Plural Innenressorts ist er auch für die Polizei des Landes verant hier falsch gewählt. Es kann sein, wortlich. Eine bewegte Zeit als „Polizeiminister“ liegt hinter dass ein Sektkorken knallte. Aber es Karl-Heinz Schröter. Es ist Zeit eine ehrliche Bilanz zu ziehen. gibt gelegentlich noch heute frühere Kollegen, die mich ansprechen. Dies Über Höhen, Tiefen und schwere Lasten sprach der Innen wäre wohl nicht der Fall, wenn im minister mit der info110. Allgemeinen eine schlechte Stim- mung in der Kreisverwaltung ge- Wann hatten Sie das letzte Mal konnte, die hier schon viele Jahre herrscht hätte. Geradlinig, bis ge- Kontakt zur Polizei, „nicht dienst- über tätig sind. Ich bin diesen Kol- legentlich am Rande zur Dickköp- lich“? leginnen und Kollegen jeden Tag figkeit – ich denke das trifft mein dankbar, dass sie mir den Einstieg Wesen. Am Ende zahlt es sich in In dieser Legislaturperiode bislang sehr erleichtert haben. Angefan- der Politik aber aus, nicht jedem nur im Zusammenhang mit einem gen bei den Mitarbeitern des Lei- Mainstream, jeder neuen Haltung Foto aus der Zentralen Bußgeld- tungsbüros, die mich sozusagen in hinterherzurennen. Ich bin davon stelle. Der Klassiker: An einer Stel- den Arm nahmen und mir meinen überzeugt, dass es Werte gibt, die le, die ich wirklich fast täglich pas- Platz im Landtag zeigten. Bis hin nicht ständig verhandelbar sind. siere, bin ich mit leicht überhöhter zu den Abteilungsleitern, die mir Dickköpfigkeit ist also nicht aus- Geschwindigkeit geblitzt worden. auch deutlich zeigten wo die He- schließlich negativ belegt. Ich war wohl nicht einhundertpro- rausforderungen ihrer Fachberei- zentig konzentriert. che lagen. Es gibt viele mehr, sie al- le wissen wie wichtig sie für mich »ICH BIN DAVON Seit November 2014 sind Sie In- und unser Team sind. ÜBERZEUGT, DASS ES nenminister des Landes Branden- burg. Wie war Ihr erster Tag da- WERTE GIBT, DIE NICHT mals – holprig oder samtweich? »DER TAG WAR EHER STÄNDIG VERHANDEL- DURCH ZAHNSCHMER- BAR SIND.“ Der erste Tag war der Tag meiner offiziellen Berufung ins Amt. Und ZEN GEPRÄGT, ALS VON Mein mitunter stures Wesen ist diesen Tag habe ich sehr intensiv HELLER BEGEISTE- manchmal auch ein Vorteil. Die in Erinnerung. Er war eher durch RUNG ÜBER DIE BERU- deutliche Anhebung der Polizeistel- Zahnschmerzen geprägt, die mich FUNG INS AMT.« len in Brandenburg ist uns nicht in leider zu diesem Zeitpunkt quälten, den Schoß gefallen. Sie ist gegen als von heller Begeisterung über die Als Sie in das Ministeramt beru- eine ganze Reihe von Widerstän- Berufung. Einen Tag später habe ich fen wurden, schrieb eine Lokalzei- den verabschiedet worden. Natür- meinen Dienst im Innenministeri- tung, im Landratsamt Oberhavel, lich hatten diejenigen, die 2011 ei- um angetreten. Alles war neu, alles ihrer vorherigen Dienststelle, hät- ne Zielzahl von 7.000 Polizisten für erschien mir schwer überschaubar ten die Sektkorken geknallt. Sie sa- ganz Brandenburg entwickelten, gu- und erdrückend zu sein. Aber auch gen über sich selbst, mitunter ein te Gründe. Sich dann korrigieren dieser Tag verging. Es folgten viele „dickköpfiger Mann“ zu sein. Ein zu müssen, ist nicht immer einfach. Weitere, die ich auch dank der gu- Erfolgsrezept oder eher ein Hemm- Die aktuelle Personalzielzahl für ten Unterstützung derer meistern schuh? die Polizei Brandenburg liegt nun 12
INTERVIEW Wie setzt man „Arbeitspakete“ in Szene? Vielleicht so. Innenminister Karl-Heinz Schröter auf den Stufen vor seinem Büro – bepackt mit Themen seiner bisherigen Amtszeit: Von der Erhöhung der Einstellungs- zahlen bei der Polizei über die Verbesserung der Ausrüstung bis zur Novellierung des Polizeigesetzes. „Viel erreicht und doch alles auf Wiedervorlage“, sagt Karl-Heinz Schröter über die bewältigten Aufgaben. »DIE DEUTLICHE Karl Heinz Schröter ist seit dem 4. November 2014 Minister des Innern und für Kom- ANHEBUNG DER munales des Landes Brandenburg. Schröter war Mitglied des zwölften Deutschen POLIZEISTELLEN Bundestages und von 1990 bis 2014 Landrat des Kreises Oranienburg bzw. des Land- IN BRANDENBURG kreises Oberhavel. AUF 8.293 IST UNS NICHT IN DEN SCHOSS also bei 8.293 Stellen. Das heißt: Verhandlungen zur Aufstockung GEFALLEN.“ Brandenburg braucht in Zukunft der Stellen als schwierig. Es gab weiterhin mehr Polizei. Wir stel- ein gewisses Beharrungsvermö- Es gab auch andere Dinge, bei de- len inzwischen zwei Mal im Jahr gen. Ich bin dem Ministerpräsi- nen die mir nachgesagte Sturheit Polizeianwärterinnen und -anwär- denten dankbar, dass er bereits in am Ende wichtig war. Zum Bei- ter ein. Die Zeit des Personalab- seiner Dienstzeit als Innenminister, spiel die Polizeiliche Kriminalsta- baus ist vorbei. Frühere Pläne, die den Irrsinn von 7.000 Polizeistellen tistik. Da gab es Leute, die an der Personalstärke der Polizei zu redu- für ganz Brandenburg gestoppt hat alten, der umstrittenen Art der Er- zieren, wurden mittlerweile verwo- und auf 7.800 Dienstposten orien- fassung festhalten wollten. Dick- fen. Die Terror- und Gefährdungsla- tieren konnte. Er hat maßgeblich köpfig wie ich bin, habe ich fest- ge in Deutschland und somit auch dabei geholfen, die neue Personal- gelegt: Wir müssen die Erfassung in Brandenburg bleibt weiter ange- zielzahl festzulegen und den Per- verändern und uns an der Richt- spannt. Planungen, die den Abbau sonalabbau bei der Polizei endgül- linie des BKA ausrichten. Zu ent- der Polizeistellen vorsehen, passen tig zu stoppen. Ohne seine Unter- scheiden, wir machen es anders als nicht mehr in die Zeit. stützung, allein mit Dickköpfigkeit, bisher, stieß nicht durchgehend auf Allen erschreckenden Entwick- hätte ich es nicht geschafft. Begeisterung. Schließlich hieß das lungen zum Trotz, erwiesen sich die auch, wir hatten jahrelang die Zahl 13
INTERVIEW der Straftaten zumindest strittig er- fasst. Die Polizeiliche Kriminalsta- »POLITIK IST MEIST EIN »ICH HÄTTE MIR tistik bildet die Grundlage wesentli- KOMPROMISS.« GEWÜNSCHT, WIR cher Entscheidungen, sie zeigt Ent- WÄREN WEITER BEIM wicklungen auf, anhand derer wir Gibt es Kisten, die eigentlich INTERNAT FÜR UNSERE zum Beispiel über mehr Personal schon lange in besagtem Regal AUSZUBILDENDEN UND in einzelnen Bereichen entschei- stehen sollten? den. Wenn wir die Zahl der Straf- STUDIERENDEN AN taten nicht einheitlich erfassen, ist Ja. Ich hätte mir zum Beispiel ge- DER HOCHSCHULE das erstens unglaubwürdig und wir wünscht, wir wären weiter beim In- DER POLIZEI.« ziehen zweitens vielleicht sogar die ternat für unsere Auszubildenden falschen Schlüsse. Daran können und Studierenden an der Hochschu- Was ist Ihnen in den fünf Jahren wir kein Interesse haben. le der Polizei. Aber zumindest ist Ihrer Amtszeit ganz besonders das Fundament in Form der Ent- in Erinnerung geblieben? Würde man die vielen Themen scheidung für eine solche Unter- Ihrer Amtszeit in Kisten packen, kunft gelegt. Vielleicht erlebe ich in Das Jahr 2017! Der Mord an unse- beschriften und geordnet ver- meiner Amtszeit noch den symbo- ren beiden Polizeibeamten im Fe- stauen: Welche Pakete stehen lischen Akt der Grundsteinlegung. bruar 2017 und der schreckliche im Regal und was ist noch in Aber wir haben in wenigen Jahren Unfall im September des gleichen Arbeit? wirklich viel geschafft. Im Prinzip Jahres, bei dem zwei freiwillige Feu- haben wir jede einzelne Baustel- erwehrmänner im Einsatz ums Le- So richtig erledigt ist kein einziger le, die übernommen wurde und ein ben kamen. Diese furchtbaren Ge- Vorgang. Keines der Pakete steht paar Baustellen mehr, die vorab gar schehnisse und die Gespräche mit auf dem Dachboden. Sie wissen ja, nicht zu erkennen waren, abgear- den Hinterbliebenen werde ich nie dort verstaut man Dinge, die man beitet. Zu denen die man nicht vor- vergessen. Und doch geben mir die eigentlich nie wieder braucht und hersehen konnte, gehörten zum Bei- Konsequenzen Kraft, die wir dar- sich doch nicht traut, sie zu ent- spiel die Abschaffung der Straßen- aus ableiten konnten. Ich mache sorgen. Auf allen unseren Paketen baubeiträge oder der erbitterte Streit mir bewusst, dass der tragische Tod steht „Wiedervorlage“. Wann wir sie um rückwirkende Beiträge für Ka- dieser Männer trotz allem etwas be- wieder anpacken müssen, steht bei nalisationsanschlüsse und die Erst- wirken konnte. Nach dem Unfall- manchen in den Sternen. Bei ande- aufnahme von Geflüchteten nicht tod der beiden Feuerwehrmänner ren ist es jetzt schon absehbar. Selbst nur während der dramatisch zuge- haben wir Unterschiede in der Ver- das frisch verabschiedete Polizei- spitzten Situation im Jahr 2015. Es sorgung von Hinterbliebenen aus- gesetz wird irgendwann wieder auf heißt Ministerium des Innern und geglichen. Zuvor gab es bei der ein- den Prüfstand kommen, weil sich für Kommunales. Unser Haus hat maligen Unfallentschädigung Diffe- die Sicherheitslage ständig verän- es in den vergangenen fünf Jahren renzen von mehreren 10.000 Euro dert. Die Novellierung des Polizeige- mit vielen anderen Themen zu tun zwischen den Gruppen der Beam- setzes war aber durchaus eines der gehabt, um die in Teilen mindestens tinnen und Beamten, Tarifbeschäf- größten „Pakete“. Ich weiß, dass der ebenso hart gefochten wurde, wie tigten und Ehrenamtlichen. Nun Prozess der Einigung über die Er- um das Thema Polizei. können in Brandenburg Angehöri- gänzungen in der Polizei auch auf ge von allen Feuerwehrfrauen und Unverständnis stieß. Aber Politik -männern, die im Einsatz ihr Leben ist meist ein Kompromiss. Wir sind lassen, unbürokratisch und schnell mit vielen Forderungen in die Ver- eine finanzielle Soforthilfe in glei- handlungen eingestiegen und ha- cher Höhe erhalten – unabhängig ben einen ganzen Teil davon nun davon, welcher Gruppe der verstor- gesetzlich verankern können. Ich bene Angehörige angehörte. Neben empfinde das als Erfolg. Ehepartnern und eingetragenen Le- 14
INTERVIEW benspartnern sind auch nicht einge- tragene und nicht verheiratete Le- benspartner erfasst. Die Regelungen gelten nicht nur für die Feuerwehr, sondern auch für die Polizei und alle anderen Mitglieder der „Blau- lichtfamilie“. Brandenburg ist das einzige Bundesland mit einer sol- chen Regelung. Die Umstände, un- ter denen wir diese Neuregelung ge- troffen haben, sind unsagbar trau- Gibt es inzwischen Lieblingster- rig. Die Entscheidung, Angehörige »DAS BILD DER HIN- mine als Innenminister? sofort und unbürokratisch finanzi- TERBLIEBENEN, UM- ell zu unterstützen, unabhängig da- RINGT VON POLIZISTEN Ja! Die Einstellungen und die Ver- von, ob der Verunglückte haupt- DIE MIT EHRENSALUT eidigungen an der Hochschule der beruflich oder freiwillig im Feuer- Polizei in Oranienburg sind meine IHRER VERSTORBENEN wehrdienst tätig war, ist bei aller zweitliebsten Termine. Uneinhol- Tragik etwas Positives. KOLLEGEN ERINNER- bar aber sind die Festveranstaltun- TEN, BRAUCHTE KEINE gen anlässlich der Zeugnisüberga- WEITEREN WORTE.« be. Es ist einfach schön, in die Ge- »ICH MACHE MIR sichter derer zu schauen, die eben noch Anwärterinnen und Anwär- BEWUSST, DASS DER Mich haben aber auch ganz allge- ter waren. Ausbildung oder Studi- TRAGISCHE TOD DIESER mein die Veränderungen bei der Po- um sind erfolgreich beendet und der MÄNNER TROTZ ALLEM lizei bewegt. Von der Anhebung des endgültige Wechsel in den aktiven ETWAS BEWIRKEN Eingangsamtes auf A8, über die Wie- Polizeidienst steht kurz bevor. Ein- KONNTE.« dereinführung der Freien Heilfür- deutig mein Lieblingstermin! Ich sorge, die Investitionen in Tech- freue mich eigentlich immer, wenn In Potsdam gibt es auf dem Gelän- nik und Ausstattung, bis zur Zu- ich die Gelegenheit bekomme zu de des Polizeipräsidiums seit dem lage für die Bereitschaftspolizei – es zeigen, dass ich stolz bin auf un- vergangenen Jahr eine Gedenkstät- war an vielen Stellen wirklich Zeit sere Brandenburger Polizistinnen te für im Dienst getötete Polizisten. für Neues und es war Zeit für ein und Polizisten. Da ist es gleich, ob Dies soll eine Stätte der Erinnerung Zeichen. Die Wiedereinführung der es die Berufsanfänger sind, die sich und Mahnung für Angehörige, Kol- Freien Heilfürsorge ist neben einem durch eine anspruchsvolle Ausbil- leginnen und Kollegen sein. Einen Plus in der Lohntüte vor allem auch dung gekämpft haben, oder ob es solchen zentralen Ort zum Trau- Ausdruck der besonderen Zuwen- die erfahrenen Beamten sind, die ern und Gedenken gab es vorher dung des Dienstherren gegenüber auch unter schwierigen Bedingun- nicht. Ich wünschte, wir bräuch- seinen Polizistinnen und Polizis- gen professionell agieren. Als na- ten ihn nicht – aber die Wirklich- ten. Die Heilfürsorge gibt es aus- hezu unsere gesamte Bereitschafts- keit ist nicht erst seit dem Tod von schließlich für Polizeibeamte und polizei anlässlich des G20-Gipfels Torsten Krautz und Torsten Paul das wird wohl auch so bleiben. Aus in Hamburg im Einsatz war, habe eine andere. Die Witwen und Kin- gutem Grund, denn kein Beruf ist ich eine schlaflose Nacht gehabt. der unserer beiden Polizisten waren so stark mit einer Treueverpflich- Die Bilder waren beängstigend, ich bei der Einweihung der Gedenk- tung verbunden, wie der Polizei- habe mehrfach mit unserem verant- stelen dabei. Ich weiß, das hat sie beruf. Eine Prämie in gleichem fi- wortlichen Kollegen vor Ort telefo- viel Kraft gekostet und doch war nanziellen Umfang wäre weit we- niert und ich war erleichtert, als alle ihre Anwesenheit ein besonderes niger Anerkennung für die Arbeit Kolleginnen und Kollegen gesund Zeichen. Das Bild der Hinterblie- der Polizistinnen und Polizisten ge- aus Hamburg zurückgekehrt wa- benen, umringt von Polizisten, die wesen, als es aus meiner Sicht die ren. Wir haben uns dann die Schür- mit Ehrensalut ihrer verstorbenen Freie Heilfürsorge ist. zen umgebunden und für die Mit- Kollegen erinnerten, brauchte kei- arbeiterinnen und Mitarbeiter der ne weiteren Worte. Die Branden- Bereitschaftspolizei gegrillt. Auch burger Polizei ist eine Familie; sich »ICH BIN SEHR STOLZ wenn ich nicht alle erreichen und gegenseitig beizustehen und sich bewirten konnte, ich wollte ganz AUF UNSERE Kraft zu geben – das ist selbstver- einfach Danke sagen. ständlich in einer Familie. BRANDENBURGER POLIZISTINNEN UND POLIZISTEN.« 15
RECHT DAS »NEUE« BRANDENBURGISCHE POLIZEIGESETZ Was sich am 2. April 2019 verändert hat Das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Branden- Erkennungsdienstliche burgischen Polizeigesetzes ist in Kraft getreten. Maßnahmen, polizeiliche Ausschreibung, anlass- Wie auch in anderen Bundesländern reagiert der bezogene automatische Gesetzgeber auf die Terror- und Gefährdungslage Kennzeichenfahndung sowie den technischen Fortschritt. Auch sind Vor- Die allgemeinen Befugnisse für erkennungsdienstliche gaben der Rechtsprechung umgesetzt worden. Maßnahmen, die Ausschreibung zur polizeilichen Be- Die wesentlichen Änderungen im Überblick: obachtung sowie die anlassbezogenen automatische Kennzeichenfahndung werden ergänzt um einen er- Besondere Befugnisse weiterten Kreis möglicher Betroffener. zur Abwehr von Gefahren des Terrorismus Der Kern der Änderung des Polizeigesetzes besteht Aufenthaltsvorgabe in der Einführung von besonderen Befugnissen zur und Kontaktverbot Abwehr von Gefahren des Terrorismus. Diese wer- den rechtssicher in Anlehnung an die Regelungen des Personen kann untersagt werden, sich an bestimm- Bundeskriminalamtgesetzes definiert. Folgende Be- ten Orten aufzuhalten oder bestimmte Orte zu verlas- fugnisse werden „zur Abwehr von Gefahren des Ter- sen (Aufenthaltsvorgabe). Ihnen kann auch der Kon- rorismus“ eingeräumt. takt zu bestimmten Personen untersagt werden (Kon- taktverbot). Befragung, Identitätsfeststellung Ingewahrsamnahme In Anlehnung an § 11 Abs. 3 BbgPolG können im öf- fentlichen Verkehrsraum angetroffene Personen be- Schließlich können Personen in Gewahrsam genom- fragt werden. Eine Identitätsfeststellung ist zulässig, men werden, wenn dies unerlässlich ist, um die un- wenn Erkenntnisse vorliegen, dass am Ort der Maßnah- mittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung me terrorsistische Straftaten begangen werden sollen. einer terroristischen Straftat zu verhindern. 16
RECHT deutsame Maßnahme muss nun nicht mehr auf die polizeiliche Generalklausel zurückgegriffen werden. Einsatz von Explosivmitteln Richtervorbehalte In Ausnahmefällen dürfen Explosivmittel (z. B. Hand- bei verdeckten granaten) gegen Personen eingesetzt werden, die Kriegs- Maßnahmen waffen oder Sprengmittel mit sich führen. Der Einsatz darf nur durch Spezialeinheiten und auf Anordnung In Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsge- des Behördenleiters erfolgen. Die Gefährdung Un- richts bedürfen der Einsatz von Vertrauenspersonen beteiligter muss mit an Sicherheit grenzender Wahr- und verdeckten Ermittlern sowie längerfristige Ob- scheinlichkeit ausgeschlossen werden können. servationen einer gerichtlichen Anordnung. Im Ge- genzug wurde die Dauer der kurzfristigen Observati- Neue und erweiterte Befugnisse on, die ohne richterlichen Beschluss erfolgen kann, von 2 auf 3 Tage verlängert. Guter Kompromiss nach Ausweitung der Schleierfahndung intensiven Beratungen Die Novelle ist das Ergebnis eines langen Abwägungs- Eine wichtige Neuerung ist auch die Ausweitung der und Abstimmungsprozesses. Das Ministerium des In- sog. Schleierfahndung. Sie ist nun auch außerhalb nern und für Kommunales hat den Referentenentwurf des 30 km-Radius auf Bundesfernstraßen und Euro- mehrfach innerhalb der Landesregierung sowie unter pastraßen sowie in öffentlichen Einrichtungen des anderem mit der Landesdatenschutzbeauftragten so- internationalen Verkehrs möglich. Erforderlich sind wie dem BDK, der DPolG und der GdP abgestimmt. dokumentierte polizeiliche Erkenntnisse. Die Schlei- Im Ergebnis dieser Abstimmungen sind die ursprüng- erfahndung darf dabei nicht die gleiche Wirkung wie lich vorgesehenen Maßnahmen der Online-Durchsu- Grenzübertrittskontrollen haben. chung sowie der Fußfessel zur Terrorabwehr gestrichen worden. Der im Oktober 2018 von der Landesregie- rung beschlossene Gesetzentwurf sei ein „Kompro- miss zwischen bürgerlichen Freiheitsrechten und not- wendigen polizeilichen Eingriffsbefugnissen“, so Mi- nister Schröter im Landtag. Bodycam Dort folgte eine intensive Debatte im Fachausschuss. Im Januar 2019 fand hier die Expertenanhörung statt. Insbesondere zum Schutz der Polizeibeamtinnen und Mit Blick auf die anhängigen Verfassungsbeschwerden -beamten können nun bei Personen- und Fahrzeug- gegen entsprechende Regelungen z.B. in Baden-Würt- kontrollen mit einer körpernah getragenen Kamera temberg und Bayern ist auf Empfehlung des Fach- (sog. Bodycam) Bildaufnahmen sowie Bild- und Ton- ausschusses auf die Quellen-TKÜ verzichtet worden. aufzeichnungen hergestellt werden. Im Bereitschafts- betrieb kann durch die pre-recording Funktion auch ein Zeitraum von bis zu 60 Sekunden vor der Ak- tivierung aufgezeichnet werden. In Wohn- und Ne- Evaluierung benräumen dürfen Bodycams jedoch nicht zum Ein- satz kommen. Die Änderungen des Polizeigesetzes sollen evaluiert werden. Die Landesregierung hat dem Landtag dazu bis zum Ende des Jahres 2022 einen Bericht vorzule- gen. Dieser soll sich auch mit den die Änderungen der Polizeigesetze anderer Länder zur Terrorabwehr und zur Einführung von Quellen-TKÜ und Online-Durch- Meldeauflagen suchung und der hierzu zu erwartenden Rechtspre- chung befassen. Es wurde eine ausdrückliche Befugnis für Meldeauf- lagen geschaffen. Für diese insbesondere im Zusam- Gunnar Gladisch (MIK, Ref. 45) menhang mit Groß- und Sportveranstaltungen be- Jens Bruns (MIK, LB) 17
TITELTHEMA Polizeilicher Opferschutz umfasst viele ver- schiedene Themen wie häusliche Gewalt, Opfer von Stalking, kindliche/jugendliche Opfer von Jugendgruppengewalt, ausländi- sche Opfer, Opfer sexueller Gewalt, sexuel- ler Missbrauch von Kindern, Kindeswohl- gefährdung, Opfer von Verkehrsunfällen, Senioren als Opfer und behinderte Opfer. Derzeit wird der polizeiliche Opferschutz des Landes Brandenburg in einer Arbeits- gruppe unter Federführung des Polizeiprä- sidiums überarbeitet und fortgeschrieben. TITELTHEMA OP SCHU 18
TZ FER TITELTHEMA 19 SYMBOLBILD / ADOBESTOCK
TITELTHEMA OPFER SCHUTZ »DEN JOB MUSST DU MIT HERZ UND SEELE MACHEN« Wer sich in Brandenburg der polizeilichen Opferschutzarbeit verpflichtet fühlt, ist eine Mischung aus Netzwerker, Mahner und Tröster. In jeder Ins- pektion des Landes gibt es mindestens einen Opferschutzbeauftragten. Dieser beurteilt Straftaten, Unfälle oder schlicht polizeilich bekannt gewor dene Vorfälle mit dem besonderen Blick auf das Opfer. Nicht immer, aber oft genug, fühlt sich der oder die „Geschädigte“ – wie es in sperrigem Polizei- deutsch heißt – überfordert, hilflos und nicht in der Lage professionelle Hilfe für sich und andere Betroffene zu organisieren. Hier beginnt die Arbeit der Opferschutzbeauftragten. »WER DIESEN JOB NICHT FREIWILLIG MACHT, DER MACHT IHN NICHT GUT.« Bevor Ute Claßen und Claudia Sponholz für das Opfer einer Straf- tat oder eines Unglücksfalles tätig werden können, müssen sie zuerst einmal von relevanten Sachverhal- ten erfahren. Opferschutzbeauftrag- te sollten „in der Lage leben“, mei- nen Beide. Dazu liegt ihnen das polizeiliche Lagebild vor, in dem täglich wesentliche Ereignisse zu- sammengefasst werden. Vollständig – zumindest aus Sicht des Opfer- schutzes – ist es jedoch nicht. All- Claudia Spon- zu oft sind es gerade die Sachver- holz (li.) und halte, die der Polizei zwar bekannt Ute Claßen Ute Claßen (54) und Claudia Spon- beauftragten dem Sachgebiet Prä- werden, die Schwelle zur Straftat holz (55) sind Frauen der ersten vention angehören, ist Zufall. Ge- jedoch nicht erreichen. Stunde. Zwei erfahrene Opfer- regelt ist lediglich die Notwendig- Viele Fälle recherchiert Ute Cla- schutzbeauftragte der Polizeidirekti- keit eines Opferschutzbeauftragten, ßen deshalb auch über die Syste- on West berichten im Gespräch mit eine konkrete Zuordnung – etwa me „Web-View“ und „ComVor“. So der info110 von Ihrer Arbeit. Seit zum Sachgebiet Prävention – gibt kann sie sich ein detailliertes Bild der Opferschutz 2003 per Konzept es nicht. Es ist wohl in erster Linie darüber machen, ob ihre Hilfe not- als polizeiliche Aufgabe verankert eine Herzensangelegenheit. „Man wendig ist, welche Maßnahmen be- wurde, sind die beiden „Präven- kann niemanden für diesen Job be- reits angestoßen wurden und wer tionerinnen“ für den Opferschutz stimmen. Opferschutz ist eine Sa- betroffen ist. Claudia Sponholz hat im Einsatz. Dass, zumindest in der che, die musst Du mit Herz und diese Möglichkeit nicht, sie muss Direktion West, alle Opferschutz- Seele machen“, sagt Ute Claßen. sich auf die Informationen des Lage- 20
TITELTHEMA an. Haben Sie von einem Sachver- halt erfahren, heißt es, Kontakt zum Opfer aufzunehmen. Wenn sie nicht direkt und ohne Zeitverzug infor- miert werden, was eher selten vor- kommt, bleibt oft nur der Brief. Schriftlich wird der oder die Be- troffene vom Opferschutzbeauftrag- ten informiert. Erstens stellt dieser sich als Ansprechpartner vor, zwei- bildes, der Kollegen aus dem Strei- tens benennt er Wege und Opfer- fendienst und der Kriminalpolizei »WER SCHLÄGT, hilfevereine, die kontaktiert wer- verlassen. Auch die Art und Wei- DER GEHT. DAS OPFER den können. se, wie die Opferschutzbeauftrag- BLEIBT!« Manche melden sich auf einen ten der Inspektionen von in Fra- solchen Brief, viele aber auch nicht. ge kommenden Fällen erfahren, ist Manchmal sind es Verwandte oder nicht konkret geregelt. Ein Viertel der in Deutschland le- Freunde, die das Kontaktangebot benden Frauen hat bereits Gewalt in die Hände bekommen und anru- »ALLZU OFT SIND ES durch (Ex-)Partner erlebt. Die Ge- fen, weil sie selbst beim Opfer nicht walt erleiden die Betroffenen in viel- weiterkommen. Keineswegs sind al- DIE SACHVERHALTE, fältigen Erscheinungsformen: psy- le Opfer dankbar für das Hilfsan- DIE JENE SCHWELLE chische und physische wie auch se- gebot der Polizei. Trauer, Schmerz, ZUR STRAFTAT NICHT xualisierte Gewalt. Und doch ist das erlebte psychische oder physische ERREICHEN.« Dunkelfeld groß, Gewalt in der Part- Gewalt und ganz besonders die Su- nerschaft wird in der Regel nicht che nach einem Schuldigen verwa- Aber auch Claudia Sponholz kann angezeigt. Viele Betroffene schwei- schen manche Grenze. sich auf die Kolleginnen und Kolle- gen. Erdulden ihr Martyrium, weil gen des Wach-und Wechseldienstes sie sich schlicht und einfach nicht »KEINESWEGS SIND verlassen. Fällt ihnen direkt am Ein- trauen, nach Hilfe zu suchen. Selbst ALLE OPFER DANKBAR satzort etwas auf, informieren Sie wenn es zum Äußersten kommt und ihre Opferschutzbeauftragte. Wenn die Polizei gerufen wird, schwei- FÜR DAS HILFSANGE- einer Ruhestörung eigentlich häusli- gen die Frauen oft immer noch. Die BOT DER POLIZEI.« che Gewalt vorausgegangen war, die Angst vor dem Partner, Sorge um Frau sich in Gegenwart ihres Man- die Kinder, das Kleinreden des Pro- Ute Claßen betreute vor Jahren eine nes jedoch schweigsam und zurück- blems durch Verwandte, die Scham Frau, die sich während einer Ein- gezogen gibt, sind es die Streifen- und Angst vor Gerede, all das sind bruchsschutzberatung an ihren Kol- beamten, die dies registrieren. Zum Gründe, weshalb die Opfer schwei- legen gewandt hatte. Die Sicherung Schutz vor häuslicher Gewalt ist die gen. Das Gewaltschutzgesetz trat des Hauses hatte für diese Frau in Polizei vor Ort zudem befugt, un- 2002 in Kraft und soll eine Person erster Linie das Ziel, den Ex-Part- mittelbar eine Wohnungsverweisung vor allen Formen von Gewalt im ner fernzuhalten. Der Mann terro- und ein Rückkehrverbot für bis zu privaten häuslichen Umfeld schüt- risierte sie mit Briefen und Anru- zehn Tage auszusprechen. Dabei gilt zen. Andere Rechtsordnungen ver- fen. Ute Claßen nahm Kontakt auf in erster Linie der Grundsatz: Wer folgen solche Gewaltakte nur im und wurde in der Folgezeit eine Art schlägt, der geht. Das Opfer bleibt! Rahmen des gewöhnlichen Straf- Stütze für diese Frau. Sie kam zum Dieser Zeitraum kann durch zivil- rechts, etwa als Körperverletzung Reden, fühlte sich von Ute Claßen rechtlichen Schutz nach dem Ge- oder Nötigung. Mit Inkrafttreten verstanden und dokumentierte auf waltschutzgesetz (GewSchG) ver- des Gesetzes rückten die Belange den Rat der Opferschutzbeauftragen längert werden. Diese Zeit wird der der Opfer von Gewalt in der Part- hin jeden Annäherungsversuch des Betroffenen eingeräumt um sich nerschaft in den Fokus. Zeitgleich Mannes. Gemeinsam öffneten sie zu überlegen, wie sie weiter vor- wurden die Opferschutzbeauftrag- Briefe, die der Ex-Partner schrieb. gehen möchte. Es ist auch die Zeit, ten der Polizei eingeführt und wa- Der Inhalt - oft nah an einer Bedro- in der die Opferschutzbeauftragte ren fortan mit der Aufgabe betraut, hung, jedoch keine Straftat. den Kontakt aufnimmt, um über in eben solchen Fällen aktiv auf das Nach Monaten rief ein Ermitt- mögliche weitere Schritte zu in- Opfer zuzugehen und Hilfsangebo- ler der Polizei Hannover an. Ge- formieren. te zu unterbreiten. gen den Ex-Partner wurde dort we- Für die Opferschutzbeauftragen gen einer Vergewaltigung ermittelt. Claßen und Sponholz fängt die Ar- Die Polizei war an einer Aussage beit daher an einem solchen Punkt seiner ehemaligen Lebensgefähr- 21
TITELTHEMA OPFER einer deutlichen Beweispflicht, das SCHUTZ geht irgendwie am Ziel vorbei“, mahnen die Opferschutzbeauftrag- ten Claßen und Sponholz. Zuwei- len hätten sie bereits den Ratschlag erhalten, möglichst viele Straftaten, die in Verbindung mit der Nach- stellung stehen, wie etwa Körper- verletzung oder Sachbeschädigung, zur Anzeige zu bringen. Wird das Stalking-Verfahren eingestellt, blie- ben zumindest diese „handfesten“ Straftaten. Das mag ein Weg sein, befriedigend ist es nicht. »DEM OPFER BEISTE- HEN UND DIE STRAF- VERFOLGUNG SICHER- STELLEN – ES BLEIBT EIN SPAGAT.« „Umso erleichterter bin ich, wenn wir wirklich helfen können. Aber das gelingt nur mit unseren Part- nern. Ohne den direkten Draht zu den Frauenhäusern in der Region und den Opferhilfevereinen, könn- ten wir die Schlachten nicht schla- SYMBOLBILD / ADOBESTOCK gen“, sagt Claudia Sponholz. So geschehen, als Kollegen des Wach- tin interessiert. Nach einem langen bleibt ein Spagat“, meint Claudia und Wechseldienstes bei einer Kon- Ermittlungsverfahren kam es zur Sponholz. trolle eine Fahrzeugführerin mit 0,8 Anklage und damit zur Verhand- Promille Alkohol im Blut ertapp- lung. Für die von Ute Claßen be- »DAS OPFER EMPFAND ten. Die Frau brach in Tränen aus treute Frau schlug an dieser Stelle und offenbarte sich an Ort und Stel- DAS TÄTIGWERDEN DER das Gefühl des „umsorgt seins“ in le. Ihr Partner war gewalttätig und Aggression gegenüber der Polizei POLIZEI ALS VERRAT.« erniedrigte sie ohne Unterlass. Sie um. Aus ihrer Sicht, hatte die Poli- hatte zudem gerade ihren Job ver- zei dafür gesorgt, dass sie als Opfer Ein echtes Reizthema für die Bei- loren. Finanziell abhängig vom ge- aus der vermeintlichen Anonymität den ist der Paragraph 238 des Straf- walttätigen Partner und vollkom- ins Licht gezerrt wurde. Auch wenn gesetzbuches – Stalking, besser die men überfordert mit der Situation, der Mann am Ende zu vier Jahren Nachstellung. Nach Meinung von hatte sie getrunken und war oh- Haft verurteilt wurde, konnte seine Ute Claßen werden noch immer ne Ziel mit dem Auto losgefahren. ehemalige Partnerin das Tätigwer- 90 Prozent aller Stalking-Verfah- den der Polizei nicht akzeptieren ren eingestellt. Obwohl die Nach- Ganz ähnlich ging es einer Se- und empfand dies offenbar als Ver- stellung seit 2007 unter Strafe steht, niorin nahe Zossen. Nach einem rat. Ute Claßen belehrt seither sehr gehen die Auffassungen darüber, einfachen Auffahrunfall mit gerin- eindringlich. „Wir als Opferschutz- welche Taten „geeignet sind, deren gem Sachschaden war die adrett ge- beauftragte der Polizei können Hil- Lebensgestaltung schwerwiegend kleidete und zuvor selbstsicher wir- fe aufzeigen, wir können den Be- zu beeinträchtigen“, weit auseinan- kende Frau absolut aufgelöst. Uni- troffenen ihre Rechte erklären und der. Gemeint ist die Lebensgestal- formierte Polizisten versuchten zu wir sind auch einfach nur zum Re- tung der Opfer und es ist offenbar trösten und merkten schnell, dass den da. Wenn wir jedoch von einer schwierig, objektiv einzuschätzen mehr dahinter steckte als der bloße Straftat erfahren, ist eine Anzeige welches Verhalten die Tatbestände Schreck über den Unfall. Die Da- unsere Pflicht“, erklärte sie. des §238 StGB erfüllt und was das me stand daheim unter dem Schef- „Dem Opfer beistehen und die Opfer „nur“ so empfindet. „Als Op- fel eines Ehegatten, der sie bereits Strafverfolgung sicherstellen - Es fer ist man bei der Nachstellung in über Jahre hinweg misshandel- 22
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