MAAT NACHRICHTEN AUS DEM STAATLICHEN MUSEUM ÄGYPTISCHER KUNST MÜNCHEN - Ausgabe 17 | 2020 - Staatliches Museum Ägyptischer Kunst
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MAAT NACHRICHTEN AUS DEM STAATLICHEN MUSEUM ÄGYPTISCHER KUNST MÜNCHEN Adam Ausgabe 17 | 2020 Werbung Zeitstrahl Digital Ferienaktion Erdmandelküchlein Harpokrates Sphingen Naga Statuenpuzzle Vorstellung Gender www.smaek.de
MAAT AUSGABE 17 02 ADAM SYLVIA SCHOSKE 11 WERBUNG SYLVIA SCHOSKE 13 ZEITSTRAHL SYLVIA SCHOSKE 15 DIGITAL ROXANE BICKER 28 SPHINGEN JAN DAHMS 17 DIGITALE FERIENAKTION 34 NAGA SONIA FOCKE ARNULF SCHLÜTER 21 ERDMANDELKÜCHLEIN 40 STATUENPUZZLE SONIA FOCKE KARLA KRÖPER 22 HARPOKRATES 44 VORSTELLUNG NADJA BÖCKLER CHRISTIAN PERZLMEIER 46 GENDER DIETRICH WILDUNG 52 AUTOREN | IMPRESSUM
MAAT 17 Liebe Leserschaft, positive Nachrichten sind in diesen Monaten selten. Umso mehr freuen wir uns, dass das Ägyptische Museum nicht in den Chor derer einstimmen muss, die unter den Einschränkungen durch die Corona-Krise leiden. Wenn am letzten August-Sonntag mehr als 1000 Besucher im Museum gezählt wurden, dann ist das umso erstaunlicher, als Touristen weitgehend entfallen. Es sind, wie die Kassen-Statistik zeigt, vor allem Besucher aus München und Umgebung, die das Museum entdecken, und für manche unter ihnen wird es nicht bei einer einmaligen Begegnung mit Altägypten bleiben. Erfreulich ist auch die Akzeptanz der digital angebotenen Vorträge, die derzeit nicht live im Museum gehalten werden können; wir erreichen auf diesem Weg ein Vielfaches der Zuhörerschaft der traditionellen Dienstagabende. Auch die Museumspädagogik hat sich auf digitale Programme verlegt und kann damit einen viel größeren Kreis erreichen als im traditionellen Programm. Das alles soll kein Dauerzustand werden, sondern schafft letztlich die Grundlage für ein (noch) breiteres Interesse an den Live-Programmen – sobald sie wieder stattfinden können. Für den neuen Volkssport Spazierengehen bieten wir in diesem MAAT-Heft ein echtes Schmankerl – eine Mischung aus Thomas Mann und Altägypten im Norden von Schwabing, Stichwort „Alektryonosphinx“; nie gehört – nun, dieser Begriff erlebt in MAAT 17 seine Weltpremiere. Und zur Stärkung bieten wir das Rezept einer altägyptischen Süßspeise. Bleiben Sie gesund und lassen Sie sich von unserem Optimismus anstecken! Das MAAT-Team MAAT Im Zentrum altägyptischer Wertvorstel- Die ägyptische Kunst hat für diese zent- lungen steht der Begriff Maat, der je nach rale Rolle der Maat ein schlüssiges Bild Kontext Wahrheit und Gerechtigkeit, gefunden: Beim Totengericht, in dem sich 01 aber auch Weltordnung bedeuten kann. der Verstorbene vor dem Jenseitsrichter Der Mensch soll nach den Regeln der Osiris für sein Leben verantworten muss, Maat leben, aber auch die Welt sich im wird sein Herz aufgewogen gegen die Zustand der Maat befinden, wofür der Maat, die als kleine hockende Figur mit König verantwortlich ist. Als Garant der einer Feder als Kopfputz dargestellt wird. Maat muss er diese stets aufs Neue ver- Diese Feder ist gleichzeitig das Schriftzei- wirklichen, dieser Begriff ist daher auch chen für Maat, ihre Namenshieroglyphe. Bestandteil zahlreicher Königsnamen.
MAAT 17 HOCHAKTUELL „ADAM, WO BIST DU?“ SYLVIA SCHOSKE Am Anfang war der Raum – ein leerer Raum, in dem, aus Plexiglas, mit der leeren Hülle eines Gekreuzigten fast ein wenig verloren, noch ein wenig zögerlich, die in Gestalt der Uniform eines KZ-Häftlings, blau-weiß Künstlerin steht. Obwohl sie ihn sich selbst ausge- gestreift mit dem gelben Judenstern auf der linken sucht hatte für ihr Projekt, an dem sie bereits mehrere Brust (Abb. 1). Obwohl – bei genauer Betrachtung ist es Jahre gearbeitet hatte und von dem sie später einmal gar kein Gekreuzigter, denn die Arme sind nicht ausge- gesagt hat, als die Überlegungen konkreter wurden: breitet, sondern klagend nach oben gestreckt. Klagend „Eigentlich habe ich immer von diesem Ort geträumt.“ – oder betend? Denn hier trifft sich die Haltung mit dem (Abb. 2). Die Rede ist vom Sonderausstellungsraum des Motiv des Oranten, des Betenden auf frühchristlichen Museums, der wie geschaffen ist für die Installation von Stelen und Reliefs (Abb. 3). Ilana Lewitan, diese fast brutale Betonkiste mit ihrer klaren Struktur, die keinerlei Ablenkung bietet, eine Vielfältig ist das Spiel mit den Symbolen, nicht nur Atmosphäre schafft, die die Objekte trägt und immer an dieser Stelle. Dies beginnt bereits oben im Foyer, wieder auf sie zurückverweist und so in ihrer Aussage wo der Besucher am Eingang zur Dauerausstellung mit verstärkt. einem schlichten Kreuz und der Frage konfrontiert wird, was er denn darin sehe – ein christliches Symbol, ein Obwohl dies kaum möglich und eigentlich auch nicht Zeichen bayerischen Brauchtums oder ein römisches nötig ist. Im Zentrum steht ein Kreuz, fast immateriell Folterinstrument? (Abb. 4) Worauf der Ägyptologe kundig 03 Abb. 2
Abb. 3 ergänzen würde, ursprünglich sei das Kreuz aus dem Die Thematik des Bildnisverbots hätte sich ohne die altägyptischen Schriftzeichen „Anch“ entstanden, der Allgegenwart ägyptischer Kunst andernorts vielleicht Hieroglyphe für „Leben“, und stehe für die Überwindung gar nicht ergeben. des Todes, als Garant für die Auferstehung und bilde so einen wichtigen Beitrag Altägyptens zu Ikonographie Darüber hinaus lassen sich wichtige ikonographische der Kunst des frühen Christentums (Abb. 5). Motive zu ihrem altägyptischen Ursprung zurückver- folgen. Im Zentrum der Installation steht das Kreuz, Spätestens jetzt wird klar, dass es nicht nur der Raum für viele das eine Symbol des Christentums. Auf früh- ist, der das Museum zum idealen Ort für diese Ausstel- christlichen Grabstelen zeigt es in Ägypten die Form lung macht. An vielen Stellen ergeben sich vielfältige der altägyptischen Hieroglyphe „Anch“, des Lebens- Verknüpfungen mit den Objekten des Museums, nicht zeichens. Es ist zu einem selbständigen ikonographi- nur bei den Motiven von Anch und Orant – die übrigens schen Element der frühchristlichen Kunst in Ägypten der Künstlerin nicht bewusst gewesen waren, die sie geworden. Hier steht es noch in seiner ursprünglichen aber mit lebhaftem Interesse zur Kenntnis nahm. Bedeutung und verheißt dem Verstorbenen Auferste- Taucht etwa dort die Frage im Titel unter anderen in hung und ewiges Leben; zu einem Symbol für den Tod aramäischer Sprache auf, die Christus gesprochen hat, Christi ist es erst in der westlichen Kunst geworden. finden sich deren Zeichen auch auf zwei einfachen Ton- scherben. Diese beiden Ostraka – ausgestellt im Raum Das Hauptinteresse von Ilana Lewitan ist die Identität – 04 „Schrift und Text“ – waren übrigens in den vergangenen die eigene und die des jeweiligen Gegenüber. In wech- Jahrzehnten oft auf Reisen, als Leihgaben zu Aus- selnden Konstellationen erkundet sie in verschiedenen stellungen in der ganzen Welt, vor allem in jüdischen Stationen das Verhältnis von individueller Identität zu Museen (Abb. 6). Zuschreibungen durch die Umwelt. Wer bist du? Wer bin ich? Und wer glaubst du, dass ich bin? ist ein Kapitel im Man könnte historischen Fragestellungen nachspüren, Katalog überschrieben. Ilana Lewitan fragt aus persön- schließlich spielen wichtige Episoden des Alten und licher Erfahrung. In der ausgehenden Nachkriegszeit des Neuen Testaments auf ägyptischem Boden. als Tochter jüdischer Eltern, die der Shoa entkommen
waren, in München geboren, hat sie als Kind diese Ausgrenzung persönlich erfahren – nicht unbedingt als dramatisches Ereignis, eher als latente Grund- stimmung, die aber doch so prägend war, dass sie bis heute ihr künstlerisches Schaffen bestimmt. Denn eigentlich hatte sie eine ganz andere berufliche Laufbahn eingeschlagen: Von 1980–1985 studierte sie Innenarchitektur und Architektur an der TU München und war auf dem Weg, sich als Architektin und Illus- tratorin in New York einen Namen zu machen, unter anderem in den Büros von Richard Meier und Dakota Jackson. Diese Karriere gab sie auf, um bei Hans Daucher und Markus Lüpertz Malerei zu studieren; seit 1995 arbeitet sie als freischaffende Künstlerin und ist in der Zwischenzeit auch als Dozentin tätig. 05 Abb. 4 Abb. 5
dieser Ausstellung um mehrere Kapitel erweitert werden musste – selten werden in einem ägyptischen Abb. 6 Museum tagesaktuellere Ereignisse thematisiert worden sein … Die Stationen Breiten Raum nehmen die Interviews der Zeitzeugen In der Ausstellung trifft der Besucher zunächst auf eine ein, die in Hör- und Sehskulpturen mit digitalem Dis- Frage: Was wäre gewesen, wenn Jesus im Dritten Reich play in Verbandskästen aus der ganzen Welt integriert gelebt hätte? Die Antwort – die einzig mögliche Ant- sind: Überlebende der Shoa, Mitglieder verschiedener wort – gibt ein überdimensionales Schutzhaftprotokoll, Glaubensrichtungen, ein Blinder, eine Transgender, ein abgehängt von der Decke (Abb. 7) und ergänzt um ein Flüchtling, sie alle berichten aus ihrem Leben, teilen Video, das zunächst zeigt, wie dieses Protokoll auf einer ihre Erfahrungen mit dem Besucher (Abb. 8–10). historischen Schreibmaschine getippt wird: Verhaftet Ein Stapel geschlossener, auf dem Boden liegender wurde der Jude Jeshua bzw. Jesus – kein Religions- Verbandskästen steht für die Schicksale der gründer, kein Schriftgelehrter; geboren in Nazareth, namenlos bleibenden Menschen. lebt er als Staatenloser in Deutschland. Es folgt, auf einem niedrigen Tableau arrangiert, eine In einer Zeitreise werden anschließend auf einem Com- Anzahl scheinbar wahllos zusammen gestellter Stühle puter antisemitische und fremdenfeindliche Vorfälle in mehreren Farben (Abb. 11) – eine Aufmerksamkeit seit 1945 im Internet recherchiert – eine unendliche für den in der Zwischenzeit etwas müde gewordenen Geschichte, die allein in den Monaten der Vorbereitung Besucher? Wohl kaum, denn beim Näherkommen zeigt 06 Abb. 7
MAAT 17 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 sich, dass kaum einer der Stühle benutzbar ist: Der eine Last not least: die Musik. Eigens für die Ausstellung ist umgekippt, dem nächsten fehlt ein Bein, einem komponiert von dem französischen Komponisten anderen die Sitzfläche. Eine sehr anschauliche Form Philippe Cohen Solal, aufgeführt in einem Dialog mit der Ausgrenzung, denn nun klärt sich ein Rätsel zum dem israelischen Dirigenten und Akkordeonisten Omer Auftakt: Mit dem Erwerb der Eintrittskarte hat nämlich Meir Wellber, führt sie westliche und östliche (Klang-) jeder Besucher einen farbigen Klebepunkt erhalten, Welten zusammen, spreizt sich anfangs irritierend in nach dem Zufallsprinzip, der ihm nun eine Sitzgelegen- die Installation ein, erzeugt eine gespannte, ja nervöse heit zuweisen würde – gäbe es denn einen brauchbaren Aufmerksamkeit beim Besucher und umschließt ihn Stuhl in seiner Farbe! Schicksal als Zufall, wenn auch endlich wie selbstverständlich (zu hören jeweils zur in einer spielerischen Form. vollen Stunde – oder in einer eigenen Hörstation). Und bevor man sich nun endgültig der Konfrontation Die Interventionen mit dem beim Näherkommen immer größer werden- den, fast fünf Meter aufragenden Kreuz stellen muss, Über den Sonderausstellungssaal hinaus greift die kann man noch einmal ausscheren, auf einer massiven Installation auch aus in die Dauerausstellung des Treppe hinauf steigen zu einem großen gelben Cube, der schon allein durch ein Guckloch auf der Vorderseite neugierig macht. Die Farbe ist eine Wiederaufnahme des Judensterns, und rund 6000 davon sind auf der Vorderseite aufgedruckt, die beiden Seiten zeigen Vari- ationen anderer Symbole, die seit dem Mittelalter zur Kennzeichnung der Juden dienten (Abb. 12). 07 Geschichtsträchtig auch die drei großen Würfel, schein- bar zufällig im Ausstellungsraum verteilt, die auf allen Seiten Jahreszahlen tragen (Abb. 13). Aufklärung liefern die entsprechenden Erklärungen dazu: Die Zah- len erinnern an tragische Ereignisse in der jüdischen Geschichte, von der Antike bis in die Nachkriegszeit – to be continued … Abb. 11
Museums. Oder anders formuliert: Mit dem ersten Saal dringen einzelne Kunstobjekte von Ilana Lewitan – die Interventionen – in die Vitrinen zwischen die altägypti- schen Formate ein und treten in Dialog mit der jahrtau- sendealten Kunst. Den Auftakt macht ein durchsich- tiger Würfel mit der Büste der Künstlerin im Inneren, der gleich ihr Hauptthema, die Frage nach der Identität, anspricht (Abb. 14). Erinnerung und Gedächtnisspeicher heute und im alten Ägypten (Abb.15) greift eine Gegen- überstellung von Festplatte und Hieroglyphenschrift auf, die Verknüpfung von jüdischer Geschichte und Ägypten, im Alten und Neuen Testament vielfach mit- einander verbunden, wird durch ein Stück Mazze in der Chronologie-Vitrine angesprochen, Hinweis auf die Wanderung durch die Wüste (Abb. 16). Kieselsteine auf einer ägyptischen Grabstele erinnern an den jüdischen Brauch, kleine Steine als Erinnerungszeichen auf Gräber zu legen. Und die zwischen Elfenbeinobjekte eingestreuten Würfel in einer Vitrine im Raum „Kunst- Abb. 12 08 Abb. 13
MAAT 17 Abb. 14 Handwerk“ verweisen voraus auf eben dieses Motiv und die damit verknüpfte Thematik des Zufalls wenig später im Sonderausstellungsraum. Abb. 15 Kontaminierter Boden Schließlich bildet auch der Standort des Museums eine Anknüpfung an die einführende Fragestellung „Was wäre gewesen, wenn Christus während der Nazi- zeit gelebt hätte?“ Auf dem Areal, auf dem sich heute das Museum und die Hochschule für Fernsehen und Film befinden, sollte ab 1938 ein Kanzleigebäude der NSDAP errichtet warden (Abb. 17). Hierfür wurden die Besitzer der Wohnhäuser an der Gabelsberger- und der Arcisstraße enteignet und die Gebäude abgebro- chen. Als Parteikanzlei wurde ein fünfstöckiger Bau mit mehreren Trakten und einer Länge von 180 Metern 09 geplant – gegenüber der Alten Pinakothek. Als die Bau- arbeiten wegen des Krieges eingestellt wurden, waren lediglich die unterirdischen Bunkeranlagen (mit vier Meter dicken Wänden, Böden und Decken aus Stahl- beton) fertiggestellt. Zwischen 1965 und 1970 wurde das Grundstück mit Institutsgebäuden der Technischen Universität teilweise überbaut – unter Beibehaltung der Abb. 16 Ruinen aus den 30er Jahren, die einfach zugeschüttet
Grundriss: Hochschule für Fernsehen und Film I SMÄK Grundriss: Unterirdische Ausstellungsräume Staatliches Museum Ägyptischer Kunst Abb. 17 wurden. Damals scheute man den Aufwand und beließ Digitale Version diese im Boden, wie eine kariöse Zahnwurzel. Deshalb Um dem Besucher eine Vor- oder auch Nachberei- waren die Institutsgebäude auch nach hinten versetzt tung zu ermöglichen, gibt es einen digitalen Rundgang von der Gehsteigkante errichtet worden. Erst im Zuge durch die Ausstellung, aufzurufen unter www.smaek. der Bauarbeiten für Museum und Hochschule wurden de/digital. Dort kann man auch die Interviews mit ab 2007 die Bunkeranlagen gesprengt, nachdem die den Zeitzeugen nachhören oder -lesen, sich mit Hilfe Institutsgebäude abgerissen worden waren. von Panorama-Aufnahmen in die einzelnen Stationen einklicken, die jeweiligen Beschriftungen lesen oder Es sind gerade die unterirdischen Räume des Museums, Vergrößerungen ansehen. Der Katalog der Ausstellung 10 die heute den Platz der unvollendet gebliebenen Bunker- . (siehe Unschlaginnenseite) ist an der Kasse erhältlich, anlagen der geplanten Kanzleigebäude einnehmen – auch erhält jeder Besucher ein Leporello, das ihn zu sozusagen kontaminiertes Gelände der NS-Zeit. Künftig den verschiedenen Interventionen führt sollen die Besucher bereits im Foyer auf die Vergangen- (Bis 10. Januar) heit dieses Areals hingewiesen und durch die Stolper- steine an seine früheren Bewohner erinnert werden.
MAAT 17 MAGIE RELOADED WERBUNG IM AUSSENBEREICH SYLVIA SCHOSKE Es begann mit einem Baum – genauer gesagt mit Das Absägen des Baumes war von den Stadtwerken einem fehlenden Baum. Eines Morgens im Spätwinter veranlasst worden, die an der Ecke Arcis-Gabelsber- fehlte plötzlich eine der Kastanien in der Nähe des gerstraße die Erneuerung einer Gasdruckregelanlage Fahrradständers entlang der Arcisstraße. Sauber planten. Und schlichtweg vergessen hatten, die HFF abgesägt, knapp oberhalb des Rasens – Baumfrevel? zu informieren, geschweige denn das Museum. Erste Anlaufstelle für eine Rückfrage war die Verwal- tung der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) Hinter dem hochtrabenden Namen verbarg sich ein als grundstücksverwaltende Institution – doch dort kleines Häuschen (mit den Maßen H. 2,60m x L. 6,00m wusste man auch nichts, hatte noch nicht einmal das x Br. 2,00m) in einem hässlichen Grau und beschmiert Fehlen des Baumes bemerkt. Doch man versprach, mit Graffiti, das uns seit vielen Jahren ein Dorn im sich um Informationen zu kümmern. Auge gewesen war – eigentlich seit mehr als 10 Jah- ren, nahezu seit dem Beginn der Planungen für das Und nach mehrtägiger Detektivarbeit konnte Dieter neue Haus. Auch Bauamt und Architekt konnten nichts Guggenmoos, leitender Haustechniker der HFF, bewegen, nicht einmal eine optische Verbesserung war uns die Ergebnisse seiner Recherche übermitteln: möglich. 11 Abb. 1
Koordinationsstelle für das Kunstareal erbrachte die Rückmeldung, dass man durchaus daran interessiert sei, an dieser prominenten Stelle ebenfalls vertreten zu sein – und die Bereitschaft, sich auch finanziell an der Gestaltung zu beteiligen. Wichtiges Stichwort – die Kosten lagen immerhin im niedrigen fünfstelligen Bereich, da auch gewisse Vorgaben hinsichtlich der technischen Ausführung zu beachten waren. Also nochmal ein Anruf bei den Stadtwerken – und wieder zeigte sich Herr Triebel Abb. 2 sehr aufgeschlossen, der zwischenzeitlich nicht nur dem eingereichten Entwurf zugestimmt hatte, sondern So war ich nicht allzu optimistisch, als ich telefonisch darüber hinaus von diesem auch überaus angetan war. den benannten Ansprechpartner kontaktierte, Matthias Und daher sogar bereit war, einen Großteil der Kosten Triebel, einen Mitarbeiter der Stadtwerke, Abteilung Inf- hierfür zu übernehmen! rastruktur, zuständig für Netzausbau und -erneuerung. Doch dieser erwies sich als ausgesprochen liebens- Und so zieren nun Darstellungen ägyptischer Könige würdig und erläuterte nicht nur geduldig die geplante sowie mehrere Männer- und Frauenfiguren die Außen- Baumaßnahme – Errichtung eines neuen Häuschens, seiten, deren Vorbilder auf Reliefs im Museum zu Verlagerung der Leitungen, Abriss der alten Anlage – finden sind (Abb. 1). Die beiden Königsfiguren, die auf und deren zeitlichen Rahmen, sondern zeigte sich auch den Eingang und den barrierefreien Zugang auf der gegenüber meiner vorsichtig vorgebrachten Frage nach Rückseite der Portalwand hinweisen, (Abb. 2) werden einer Möglichkeit einer etwas freundlicheren Außenge- ebendort wieder aufgegriffen durch den Pharao, der staltung überaus aufgeschlossen! den Besuchern den Abreissblock mit dem aktuellen Programm präsentiert. Die zweite Längswand ist mit Wir stürzten uns sofort in die Planung – coronabedingt Hieroglyphen bedeckt, die sich im Eingangsbereich des war das Museum gerade geschlossen worden, und Museums wiederfinden: „Die Vorsteherin der Kultstätte wegen des Ausfalls sämtlicher Veranstaltungen hatten (= die Direktorin), sie sagt, ‚Das Krokodil gegen den im wir ein wenig Kapazitäten frei. Schnell war klar, dass Wasser, die Schlange gegen den an Land, der etwas die Wände für die Außenwerbung des Museums genutzt tut gegen das Haus des Sammelns, Schützens und werden sollten. Eigentlich sind wir mit dem großen, Präsentierens (= das Museum)‘ (vgl. Maat 4, S. 22f.). immerhin vier Meter langen Leuchtkasten, drei stän- Das altägyptische Vorbild für diese – hier leicht abge- dig bestückten Fahnenmasten und einer doppelseitig wandelte – Formel steht auf der Scheintür des Meni beschrifteten Stele in der Mitte der Freitreppe vor der aus dem Alten Reich. Und wenn man schließlich vom Portalwand nicht schlecht aufgestellt, dennoch gibt Königsplatz her kommt, läuft man auf eine Karte des 12 es immer noch Besucher, die ums Haus irren und Kunstareals zu. den Eingang suchen! So ist aus einem anfänglichen Ärgernis ein schöner Rasch einigten wir uns auf ein Konzept, das dann Hingucker geworden, der immer wieder auch Foto- von den Grafikern der Werft umgesetzt wurde: ägyp- grafen anzieht und hoffentlich noch mehr Besuchern tische Figuren und Hieroglyphen, Hinweise auf den den Weg ins Museum weist. Und wir drücken uns die . Eingang und den barrierefreien Zugang, dazu die Daumen, dass er lange unversehrt bleibt. Vielen Dank Logos von Museum und Freundeskreis, der auch einen an die Stadtwerke – manchmal braucht es eben einen finanziellen Zuschuss leistete. Eine Anfrage bei der langen Atem …
MAAT 17 OPTIMIERUNG DIE ETWAS ANDERE WELTGESCHICHTE SYLVIA SCHOSKE Eigentlich war mit der Einrichtung der beiden Münzvit- flach. Andererseits sollte aber gerade dieser Bereich rinen im Raum „Nach den Pharaonen“ die Erstausstat- eine gewisse Aufwertung erfahren, ist er doch leider tung des Museums abgeschlossen. Eigentlich – denn in vielen Museen eher lieblos gestaltet, das höchste immer wieder gibt es Ideen zur Verbesserung des der Gefühle ist meist eine Pinwand für Plakate, die für Leit- und Informationssystems für die Besucher. andere Museen oder (längst abgelaufene) Ausstellun- So sollten auf der langen Wand gegenüber den Toiletten gen werben. ursprünglich in Schaukästen Ergebnisse museums- pädagogischer Aktivitäten präsentiert werden, um Nun hatten wir vor einiger Zeit die Türen zu den einerseits den Kindern die Möglichkeit zu geben, ihre Toiletten mit den Kennzeichnungen für „Damen“ Arbeiten auszustellen und um andererseits für genau und „Herren“ in mehreren Sprachen und Schriften diese Aktivitäten zu werben – hinter dieser Wand (einschließlich ägyptischer Hieroglyphen) gestaltet liegen die Ateliers der Museumspädagogik. (Abb. 2), was sie zu den vermutlich am häufigsten fotografierten Toilettentüren zumindest in München Doch als der Bau fertiggestellt war, wurde rasch klar, gemacht hat. Nun brauchte es noch ein entsprechendes dass der Gang schlichtweg zu eng war, um hier auch Äquivalent auf der anderen Seite. noch Vitrinen zu installieren, seien sie auch noch so 13 Abb. 1
So entstand schließlich die Idee, an dieser Stelle bereits erwarten und einen Zeitstrahl zu installieren – wir die Besucher ein wenig einzustimmen auf die zeitlichen haben über dieses Projekt bereits ausführlich berichtet Dimensionen, die sie dann in den Ausstellungsräumen (vgl. Maat 14, S. 17 ff.). Die Umsetzung und praktische Ausführung dauerten jedoch eine Weile: Zunächst sollten die Bauarbeiten der Toilettensanierung im vergangenen Jahr abgewartet werden, dann verzögerte der Lockdown die Fertigstel- lung. Auch gestalteten sich die Auswahl der Materialien sowie deren Beprobung zeitlich deutlich aufwändiger als gedacht. Doch nun ist es soweit: Auf acht Metern Länge umfasst der Zeitstrahl (Abb. 1) sechs Jahrtausende – von der ägyptischen Vorgeschichte um 4000 v. Chr. bis in die Gegenwart. Auf zwei Ebenen stellt er wichtige Epochen und Meilensteine der Geschichte Ägyptens und des Sudans anderen Kulturen aus allen Zeiten der Weltge- . schichte gegenüber. Zur Einstimmung auf den Rund- gang durchs Museum oder als dessen Abschluss – Abb. 2 oder einfach zur Überbrückung von Wartezeiten Maskottchen Seit Wochen sind viele Familien im Museum – und seit Beginn der Sommerferien werden die Kinder gleich am Eingang, im Windfang, von den Museums-Maskott- chen begrüßt. Isi, die Spitzmaus, und Usi, das Ichneu- mon, begleiten die jüngsten Besucher auch auf der neuen „Pharaonenjagd“ durchs Museum, finden sich auf Prospekten zur Markierung des Kinderprogramms oder auch auf dem archäologischen Rucksack. 14
MAAT 17 AUS DEM AUDITORIUM NACH YOUTUBE DIGITALE VORTRÄGE ROXANE BICKER Corona hat uns alle eiskalt erwischt – das Museum klappen wie gewohnt? Vorträge sind für uns alle nichts umso schlimmer, da 2020 unser Jubiläumsjahr ist und neues – diese ohne Publikum zu halten und eine Stunde wir ganz viele Veranstaltungen rund um 50 Jahre SMÄK freundlich lächelnd in eine Kamera zu sprechen, und geplant hatten, die nun ausfallen müssen. auch immer in selbige zu schauen, schon! Nach nur 15 Minuten mussten wir den ersten Versuch abbrechen Doch die Pandemie schränkt nicht nur ein, sie bietet – der Akku der Kamera war alle! Kein Strom mehr für auch Chancen und Möglichkeiten, und wenn die Besu- die Aufnahme des Vortragenden, und natürlich kein cher nicht ins Museum zu Veranstaltungen kommen Ersatzakku, der aber umgehend gekauft wurde. können, dann muss das Museum, sprich der Vortrag, Dann wurde der Vortrag weiter aufgezeichnet. zu ihnen kommen. Schon länger hatten wir uns über- legt, ab und an einen besonders interessanten Vor- Nun reden wir alle nicht perfekt vom Blatt, manches trag zu filmen und ihn ins Netz zu stellen, doch an Äh oder Ähm wird Ihnen im Vortrag vielleicht gar nicht der Umsetzung scheiterte es bisher. auffallen. Ab und an verklicken wir uns auch mal und eine falsche Präsentationsfolie taucht auf. Wenn man Dabei ist eigentlich alles ganz einfach. Ein Teil der das Ganze aufzeichnet, und dann „für die Ewigkeit“ ins Vorträge unserer Jubiläumsreihe „Wie wir wurden, Netz stellt, will man natürlich einen möglichst fehler- was wir sind“, wurde bereits gehalten. Die Vortragen- freien Vortrag haben. Wir brauchen also noch ein weite- den hatten also schon ihre PowerPoint-Präsentationen res Programm – ein Filmschnittprogramm, das uns vorbereitet, die Vorträge standen. Auch eine gute aus den Rohdaten einen schönen Film macht und mit Spiegelreflexkamera für Videoaufnahmen befindet sich dem man auch noch ein Intro und einen Abspann an im Museumsbesitz. Wir wollten allerdings nicht nur die den Vortrag schneiden kann. Vortragspräsentation im Bild haben, sondern auch den Vortragenden – so wie es im Auditorium bei den Live- Wir verwenden hierfür ebenfalls ein freies Programm: Vorträgen ist. ShotCut. Wenn man ein solches Schnittprogramm das erste Mal öffnet, ist es ziemlich überwältigend, aber Dazu nutzen wir das Programm „OBS“. OBS steht für dankenswerterweise finden sich auf YouTube zahlreiche Open Broadcaster Software; dabei handelt es sich um Einführungsvideos, die die wichtigsten Funktionen ein Programm, das einerseits den Computerbildschirm erklären. aufzeichnen kann, andererseits aber auch Livestreams direkt ins Internet ermöglicht. Und nicht nur das – es Danach ist der digitale Vortrag schon fast fertig und kann auch mehrere Eingangsquellen miteinander ver- die Produzentin hat jeden Vortrag mindestens binden. Bei uns ist das die auf dem Computer ablau- dreimal gehört … fende PowerPoint-Präsentation, die Aufnahme des Vortragenden mit der Spiegelreflex-Kamera, sowie Damit Sie unserer Vortragsreihe auch lauschen können, 15 der Sprecherton über Mikrofon. müssen wir Ihnen die Datei noch zur Verfügung stellen. Dies geschieht über den YouTube Kanal des Museums Als „Aufnahmestudio“ haben wir uns die Museums- – dort wird dem Video noch ein Titelbild hinzugefügt, es bibliothek ausgesucht, denn sie bietet einen bibliophi- bekommt eine Beschreibung und Stichworte, sog. Tags, len Hintergrund für die Vortragenden. Nach einigen damit es auch in der Suche gefunden wird. Testläufen und -aufnahmen war es soweit – Jan Dahms durfte die Premiere einsprechen. Nervosität auf Seiten Falls Sie die Vorträge mit Untertiteln schauen (auch des Vortragenden und der Aufzeichnenden: Wird alles das ist möglich), dann wundern Sie sich bitte nicht über
kreative Wortschöpfungen wie den „Münchner Opel“ auch nicht von uns beeinflussbar! Aber sie haben statt des „Münchner Obelisken“ – die Untertitel werden einen gewissen Unterhaltungswert … durch einen automatisierten YouTube-Algorithmus erzeugt und sind nicht immer zuverlässig. Und leider Und nun sind Sie dran! Schauen Sie bei unseren Vor- trägen im Internet vorbei – jeden Dienstag gibt es einen neuen! Hinterlassen Sie uns dort gerne auch ein Like und einen Kommentar – das verhilft uns zur Sichtbar- keit! Durchstöbern Sie auch den Rest unseres YouTube- Kanals, wir versprechen Ihnen, dass Sie viele interes- sante Dinge entdecken werden. Und: Kommen Sie uns bald einmal wieder besuchen! Wie Sie dem beiliegenden Quartalsprogramm entneh- men können, starten wir wieder Sondervorträge – wenn auch nur im kleinen Rahmen. Da wir nur eine geringe Anzahl von Besuchern zulassen können, werden wir natürlich auch diese Vorträge digital bereitstellen! . Vielleicht haben Sie jetzt auch Lust aufs Filmen bekom- men? Dann schicken Sie uns doch eine kleine filmische Grußbotschaft! obsproject.com shotcut.org youtube.com/ÄgyptischesMuseumMünchen Abb. 1: Blick hinter die Kulissen bei der Pressekonferenz zum 50. Jubiläum 16 Abb. 2: Das Filmschnittprogramm ShotCut im Einsatz
MAAT 17 FERIENAKTION FROM HOME: HERAUSFORDERUNGEN UND INNOVATION SONIA FOCKE Wie jede bayerische Institution, musste auch das Staat- So konnten wir jede Woche neue Malvorlagen oder liche Museum Ägyptischer Kunst wegen der Corona- kleine Spielchen online stellen, inklusive unserer Krise für einige Monate seine Türen schließen. So allerersten Malvorlagen für Erwachsene – man mussten auch wir nach Lösungen suchen, wie wir mit muss ja mit der Zeit gehen. unseren Besuchern weiter in Kontakt bleiben konnten. Eine Zielgruppe stellte eine besondere Herausforde- Als das Museum wieder öffnen durfte, flaute das rung: unsere jungen Besucher, die nun zu Hause bleiben Interesse am digitalen Angebot im Bereich Museum- mussten und Beschäftigung brauchten. Wir hatten spädagogik kurz ab. Kinder konnten wieder selber ins Möglichkeiten zu finden, sie weiter für das alte Ägypten Museum kommen, den archäologischen Rucksack zu begeistern – und ganz nebenbei die Gelegenheit zu ausleihen und durch seine Fragen und Aktivitäten nutzen, durch Social Media einem neuen Kreis von mehr über das Alte Ägypten lernen. Das haben sie Eltern und Kindern das Museum vorzustellen. auch mit solcher Begeisterung getan, dass es an der Kasse sogar zu Auseinandersetzungen um den letzten Rucksack kam! Zunächst waren Gruppenführungen und Ein digitales Angebot erstellen –werkstattprogramme noch untersagt, und als diese Ein erster Schritt war es, einiges an museumspädago- Vorschrift etwas gelockert wurde, entschieden wir gischem Material, das sich über die Jahre angesammelt uns, weiterhin zum Schutz der Besucher und unserer hatte, einfach als Download auf der Webseite des Führungskräfte auf jeden Fall keine Gruppenangebote Museums zu präsentieren. So konnten Kinder relativ anzubieten. schnell einige Malvorlagen, Zahlenbilder und Masken zum Basteln finden. Doch Altgedientes geht nicht weit Doch der August drohte – August, in dem normaler- – Wiederholungstäter, die beim Museum Inspiration für weise unsere Ferienaktionen etwas Abwechslung Aktivitäten suchen, kennen schon alles; im Lockdown bieten konnten. Da blieb natürlich nur eine Lösung haben auch neue Besucher schnell alles ausgemalt. – die Ferienaktionen online zu stellen! Wir brauchten dringend neues Material. Doch wie unsere Besucher, saßen auch die meisten unserer Mitarbeiter nun zu Hause. So mussten auch wir in die digitale Welt des Content-Sharings, Task- Managements und anderer digitaler Arbeits- und Austauschmöglichkeiten mit schmissigen englischen Namen eintauchen, die von unserer kleinen Beleg- schaft bisher als unnötig empfunden worden waren. Einen Glückstreffer gab es schon: Auf dem heimischen 17 Rechner war bereits ein Zeichenprogramm installiert, das durch die Erstellung von Vektorgrafiken die Sorge nahm, mit schlechten Scans arbeiten zu müssen, die anschließend eine mühsame digitale Bearbeitung gebraucht hätten. Dank Vektorgrafik ließen sich klare Linien in jeglicher Bild- und Dateigröße problemlos Abb. 1 erstellen.
Abb. 2 So gab es während der gesamten Schulferien jeden griechische Mythologie gerne durchgenommen; Mär- Montag zwei neue Downloads. Jede Woche hatte ein chenbücher oder –verfilmungen hat fast jeder im Regal; eigenes Thema: Mode, Ernährung, dann die Götter doch die altägyptischen Märchen bleiben weitestgehend der ägyptischen Neunheit. unbekannt. So können sich Kinder aller Altersgruppen das wunderschöne altägyptische Märchen „Die Goldene Schlange“ mit Roxane Bicker anhören. Beim Internati- Digitale Museumspädagogik: Eine Herausforderung onalen Museumstag und der Langen Nacht der Münch- Wir hatten schon einiges in unserem Digitalen Portfolio: ner Museen waren Märchenstunden schon immer ein Medienstationen und einen MedienGuide im Museum, fester Teil des Angebots – nun kann man sie auch zu online eine aktive Präsenz in den sozialen Medien. Hause genießen! Auch der Download-Bereich unserer Webseite war nicht leer: Lehrer konnten sich Suchspiele für ihre Für die digitale Ferienaktion im August haben wir auch Schulklasse oder einige themenbezogene Lehrerhand- Anleitungen zu altägyptischen Kinderspielen online reichungen herunterladen. Doch für den individuellen gestellt; um sie zu spielen, braucht man fast nichts – Besucher war wenig vorhanden, denn bisher wurden außer den Kindern (ein Ballspiel ist dabei). Diese Spiele sie direkt im Museum bedient. sind auf den Wänden von Gräber aus dem Alten und 18 Mittleren Reich dargestellt und bieten mit ihren detail- Was musste man alles bedenken, um ein museums- reichen Bildern eine rührende Einsicht in den Alltag pädagogisches Angebot für Kinder zuhause zugänglich altägyptischer Kinder. Manche Spiele, wie „Zicklein vom zu machen? Zunächst geht es darum, mit Materialien Felde“, werden heute immer noch in Ägypten gespielt. zu arbeiten, die fast jeder schon zu Hause hat oder zumindest leicht besorgen kann. Eine erste Hürde ist Es wäre natürlich auch schön gewesen, Online- bzw. natürlich, dass nicht jeder einen Drucker hat. Das ist Browser-Spielchen anzubieten. Diese sind aber in der für Bastelbögen und –anleitungen ein Handicap. Es Entwicklung zeitaufwendig und teuer. Doch wer weiß, gibt aber andere Möglichkeiten. In der Schule wird die was die Zukunft bringt?
MAAT 17 Die nächste Stufe der Zugänglichkeit sind Spiele oder Damit kamen noch mehr Ideen. Kinder essen doch Bastelbögen, bei denen man nur Papier und Stifte gerne Eis; mit den Stielen lassen sich altägyptische braucht. Sind Malstifte oder Filzstifte nicht greifbar, Wurfstäbe basteln, die man als Würfel für Brettspiele kann man sie preiswert in Papierläden oder Drogerie- benutzen kann, und schon kann man mit einem ange- märkten erwerben. Also sind Malvorlagen ein ideales passten Kniffelspiel loslegen! Fast jeder hat Kleber zu Medium. Bisher benutzten wir die vor langer Zeit Hause, und in der Küche gibt es irgendetwas im Karton von Frau Schmalix, unserer damaligen Graphikerin, – ob Müsli, Teebeutel oder Semmelknödel; der Karton liebevoll entworfenen Zeichnungen, die jahrelang als kann als Unterlage von Spielkarten benutzt werden: Blattsammlung in einer Mappe zu kaufen waren. Wir Karten, die für ein altägyptisches Galgenmännchenspiel wollten schon lange richtige, gebundene Malbücher eine Große Fresserin bilden (Abb. 3), Karten für ein entwickeln, in denen wir noch mehr von unseren Objek- Kartenspiel Horus gegen Seth, Memo-Karten, um Isis ten zum Ausmalen bereitstellen. Jetzt ist der Anfang zu helfen, den geheimen Namen des Sonnengottes zu gemacht: Einige Stelen und einer unserer Särge sind stehlen. Solche Spiele, die altägyptische Geschichten zum Ausmalen schon online, weitere Motive folgen im erzählen, wurden bisher nicht angeboten; der Fokus Herbst. Dazu kamen einige einfache Bastelbögen, um lag meistens darauf, ägyptische Objekte nachzubasteln. sich altägyptisch verkleiden zu können: Göttermasken und ein schöner Blumenkragen, inspiriert vom Sarg Müslikartons sind schön und gut, aber in diesen sehr der Herit-Ubechet (Abb. 1). verwirrende Zeiten hatte sich außerdem jeder Haushalt ausgiebig mit einem tollen Bastelrohstoff versorgt – Doch eine geniale Idee von Frau Bicker hat eine ganze mit Toilettenpapier. Aus den leeren Rollen lassen sich Reihe von neuen Möglichkeiten eröffnet. Ich bekam den Fangspiele oder Kegel basteln und vieles mehr. Die Auftrag, eine altägyptische Variante des Schiffe-Ver- Frage ist nun, wie weit man geht. Dünne Pappe und senkens zu entwickeln. Das ist sehr einfach mit Papier und Stift zu spielen, es war ein ideales Lockdown- Spielchen. So kam das Printable (wie solche Spiele und Bastelvorlagen zum Ausdrucken für zu Hause im Fachjargon heißen) „Grabräuber!“ online (Abb. 2). Die Gegner spielen als zwei konkurrierende altägyptische Grabräuberbanden, die als erstes alle Schätze des Königsgrabes rauben sollen – ganz im altägyptischen Sinne ist das nicht nur Gold vom Sarg, sondern auch ein Salbgefäß voller duftender Öle (guter Wiederver- kaufswert, wenn umgefüllt keine Provenienzfragen aufkommen) oder ein Totenbuchpapyrus. Denn in viele Königsgräber wurde schon in der Antike kurz nach der Beisetzung eingebrochen! Ein Schurke namens Paneb wurde sogar erwischt, wie er sich auf dem Königssarg betrank. 19 Zum Vatertag musste natürlich ein Vater-Kind spiel her. So sollten Väter mit ihren Kindern genau wie damals König Sethos und sein Sohn Ramses (abgebildet im Tempel des Sethos I. in Abydos) gemeinsam einen wilden Stier fangen. Nicht ganz so leicht, Schwanz und Lasso an die richtigen Stellen zu bringen, wenn einem Abb. 3 die Augen verbunden werden!
ganze Menge Garn nötig, das wirklich nicht jedes Kind im Nähkästchen der Mutter findet. Auch für unsere leckeren altägyptischen Rezepte braucht man Zutaten, die nicht jeder im Vorratsschrank hat. Sind Linsen und Gewürze für die Linsensuppe nach einem Rezept aus dem 3. Jh. n. Chr. (auf einem Papyrus in Heidelberg aufgezeichnet) relativ leicht zu kriegen, ist das beim Erdmandelmehl für die Süßigkeiten, deren Herstellung auf den Wänden des Grabes des Rechmire dargestellt wird, schon etwas problematischer. Daher haben wir etwas herkömmlichere, alternative Zutaten vorgeschla- gen. Wir hoffen auch, dass in solchen Fällen die Ent- täuschung, an eine Zutat für das Basteln oder Kochen nicht ranzukommen, dadurch etwas abgemildert wird, dass während der Ferienaktion immer zwei Basteleien gleichzeitig online gestellt wurden. Die post-pandemische Zukunft Diese Art der Kindervermittlung wird sicherlich nicht ewig stattfinden. Vielleicht muss auch noch unsere Herbstferienaktion digital angeboten werden; vielleicht aber werden wir da Kinder schon wieder live betreuen können. Ob früher oder später, nach altem Schema oder mit einem neuen Maß an „Normalität“ – Ferien- aktionen, Schulwerkstätten und Kindergeburtstage Abb. 4 werden wieder im Museum stattfinden. Ganz werden wir aber sicherlich nicht von der digitalen Fläche ver- Klorollen – für jeden leicht zu kriegen. Doch kann jeder schwinden. Kleine digitale Filmchen, Printables oder einen kleinen Knopf finden, um die Sonnenscheibe für sonstige Spiele sind eine schöne Erinnerung, dass es das Fangspiel zu beschweren? Wahrscheinlich, denn das Museum gibt: zu Weihnachten, zum Muttertag, zu Ersatzknöpfe gibt es bei vielen Kleidungsstücken. Ostern, oder warum nicht auch zu Eid Mubarak oder Was benutzt man als Spielfiguren für das Senetspiel? Chanukka? Nicht zuletzt hat dieser digitale Ausflug als 20 Modelliermasse hat nicht jeder, vor allem keine, die Kollateralnutzen auch viele neue Anregungen für unser relativ schnell trocknet. Dafür können die Kinder aber Schulprogramm oder die Kinderaktionen bei großen vielleicht die kleinen Kappen von Ketchup- und Senf- Veranstaltungen erbracht. tuben sammeln – dann haben auch Oma und Opa und alle Nachbarn was zu tun. Denen soll ja auch nicht Und damit auch Erwachsene etwas Abwechslung langweilig werden. und Spaß haben, finden Sie in diesem Heft noch ein . leckeres Rezept! Die aufwändigste Anforderung war bisher unser alt- ägyptisches Frisierbild (Abb. 4), denn dafür ist eine Erdmandelmehl not included
MAAT 17 SCHAT-KUCHEN EINE ALTÄGYPTISCHE SÜSSSPEISE SONIA FOCKE . Die Herstellung dieser Schat-Kuchen wurde um gehackten Mandeln oder Pistazien) gerollt werden, 1400 v. Chr. auf den Wänden des Grabes des Rechmire damit sie beim Essen nicht zu sehr an den Fingern (TT 100) in Theben im Kontext der Vorbereitungen für ein kleben (Abb. 2) Fest des Gottes Amun dargestellt (Abb. 1). Aus diesen Bildern lassen sich die Zutaten ablesen: Erdmandeln, eine erdnussartige Knolle (auch Tigernuss oder Chufa genannt), und Honig. Der Honig machte daraus eine echte Festspeise; obwohl Bienen im alten Ägypten durchaus gehalten wurden, wurde im Alltag eher mit einer Paste aus Datteln oder Carob, den roten Früchten des Johannisbrotbaums, gesüßt. Zutaten: −− 500 ml Erdmandelmehl (bei manchen Drogerie- märkte in der Bio-Abteilung oder in Biomärkten zu finden; als Ersatz bieten sich gemahlene Mandeln oder Haselnüsse an) −− 250 ml Honig −− Ca. 2 EL Bratfett oder Kokosfett (die Ägypter hätten Gänsefett benutzt!) Abb. 2 −− (wahlweise noch gehackte Mandeln oder Pistazien dazu) Das Vorbereiten von Schat-Kuchen für Amun (Abb. 1) Erdmandelmehl und Honig zusammenkneten, bis eine feste Paste entsteht. Die Masse und das Fett in eine 1. Abmessen von Erdmandeln erhitzte Pfanne geben. Wenn das Fett anfängt zu bro- 2. Zermahlen der Erdmandeln deln, eine Weile bei niedriger Hitze und gelegentlichem 3. Sieben des Erdmandelmehls Umrühren köcheln lassen. Wenn die Masse ungefähr 4. Auskochen des Honigs die Festigkeit von Marzipanrohmasse erreicht, sie von (die Waben sind hier rechts abgeschnitten) der Platte nehmen und abkühlen lassen. Aus der 5. Herstellung des Teigs abgekühlten Masse mit dem Teelöffel kleine Klößchen 6. Kochen und Zugeben von Fett formen, die in etwas Erdmandelmehl (wahlweise auch 7. Formen der Kuchen 21 Abb. 1
22 Abb. 1: Sitzender Harpokrates aus Bronze, ÄS 5312.
MAAT 17 HARPOKRATES IM MUSEUM EIN RUNDGANG ZUM ÄGYPTISCHEN KINDGOTT NADJA BÖCKLER Bereits in vergangenen Ausgaben der MAAT haben Sitzfläche angeschrägt ist. Die Beine sind geschlossen, wir Sie auf Rundgänge zu einzelnen Themen durch die leicht angewinkelt, die Füße stehen flach auf der Basis Ausstellung des SMÄK geführt. Der Rundgang in dieser der Figur. Der Oberkörper ist aufgerichtet, die linke Ausgabe beschäftigt sich mit der Gottheit Harpokra- Hand liegt zur Faust geballt auf dem linken Knie, der tes, die nicht nur in ihrer Ikonographie, sondern auch rechte Zeigefinger ist an den Mund gelegt. Augen, Nase Bedeutung sehr vielseitig ist. Sie eignet sich daher und Mund sind fein ausgearbeitet. Der Junge trägt eine besonders gut als Leitmotiv, da sie Ihnen bei Ihren Doppelkrone, deren äußerer Teil mit kleinen Spiralen Besuchen immer wieder an verschiedenen Stellen in dekoriert ist. An der rechten Seite der Krone sitzt die der Ausstellung begegnen wird: sei es als Beispiel für Jugendlocke. Besonders deutlich ist ihre Flechtung und eine Kindgottheit in einer Vitrine, die religiöse Vorstel- die nach außen gedrehte Volute zu sehen. Auf der Brust lungen erklärt oder weil sie chronologisch einsortiert trägt das Kind ein Herzamulett. wurde. An anderen Orten steht ein Harpokrates, weil das Material des Objektes dort im Fokus steht oder Die Elemente Nacktheit, Jugendlocke und Finger am weil seine Ikonographie zum Konzept des Raumes Mund weisen die Person als kindlich aus. Es handelt oder der Vitrine beiträgt. sich hierbei um einen Kindgott, konkreter Harpokrates. Entgegen dem Zitat aus den Pyramidentexten legt der Die altägyptische Religion kennt mit Chons, Nefertem Junge aber den Finger lediglich an die Lippen und oder Ihi bereits seit alters her Kindgötter, die Teil einer nimmt ihn nicht in den Mund. Aus dieser Geste ent- Götterfamilie, bestehend aus Mutter, Vater und Kind stand, nebenbei bemerkt, eine Fehlinterpre- sind. Die Anzahl an Kindgöttern ist zunächst noch tation des Gottes durch die griechischen und überschaubar, in der Spätzeit hingegen werden zahl- römischen antiken Autoren. Sie erklärten reiche neue Kindgötter geschaffen und ihre Bedeutung Harpokrates zum Gott des Schweigens: gestärkt – einer dieser Götter ist Harpokrates. Mit die- sem Namen, der griechischen Version des ägyptischen „Den Harpokrates der Ägypter darf man nicht für Abb. 2: Das Herz Hor.pa-chered, „Horus das Kind“ wird der kindliche einen unvollkommenen und kindlichen Gott halten, als Hieroglyphe. Sohn von Isis und Osiris bezeichnet. sondern für den, der über die Rede der Menschen be- züglich der Götter gesetzt ist, die nur unvollkommen, Der kindliche Horus findet sich bereits in den Pyrami- stammelnd und unartikuliert ist, und zugleich den, dentexten des Alten Reiches (§663b–c; §664a; §1214b– der sie reguliert und korrigiert; wobei der Finger an c; §1215a–b; § 1320c). Die Textstellen schildern sein Aufwachsen und betiteln ihn als „Horus, das kleine Kind, dessen Finger in seinem Mund ist“ (§ 664a; Über- Die Ortschaft Chemnis ist vor allem aus dem Osiris- 23 setzung von SANDRI, 2006, 7). Das Ende der Kindheit mythos bekannt. Hier wird das Horuskind von seiner des Horus wird in diesen Texten ebenfalls beschrieben: Mutter vor seinem Onkel Seth versteckt. Archäologisch Er wird bekleidet und verlässt Chemnis, den Ort, an lässt sich dieser Ort jedoch nicht identifizieren; in Texten dem er versteckt und geschützt vor seinem Onkel Seth wird er als ein Ort im Papyrusdickicht des Deltas in aufgewachsen ist, um seinen Vater Osiris zu suchen. „Laufnähe“ zu Buto beschrieben. Dort ist das Horus- kind sicher vor den Nachstellungen durch seinen Onkel Im Raum „Religion“ findet sich in einer Wandvitrine eine Seth. Isis schützt ihr Kind aber auch vor Schlangen und 19,5 cm hohe Bronzefigur, ÄS 5312, aus der Spätzeit Skorpionen. Die „Horusstelen“, auf denen der Kindgott (8. – 4. Jh. v. Chr.), die ein sitzendes Kind zeigt (Abb. 1). dargestellt ist, tragen Zaubersprüche gegen Schlangen- Das Kind ist nackt und sitzt auf einem Podest, dessen bisse und Skorpionstiche.
Abb. 3: Sitzender Harpokrates aus Bronze, ÄS 100. Abb. 4: Stehender Harpokrates aus Bronze, ÄS 230. seinem Mund ein Symbol für Schweigen und Harpokrates-Figuren aus Bronze sind als Votivgaben Verschwiegenheit ist.“ zu verstehen. Bei den meisten Figuren ist heute kein – Plutarch: Über Isis und Osiris Fundkontext mehr bekannt. Seltene Belege, wie etwa Hortfunde aus Athribis oder Sakkara lassen darauf Das Herzamulett entspricht in seiner Wiedergabe der schließen, dass sie aus Heiligtümern stammen (SAN- Hieroglyphe für Herz (Abb. 2). In der Regel wird dieses DRI 2006, 90). Darüber hinaus lassen sich in den Amulett als Schutzsymbol für die Kindgötter gedeutet. größeren Verehrungsorten dieses Gottes (Athribis, Darüber hinaus ist das Herz der Sitz des Verstandes, Memphis, Sais, Hermopolis, Theben u. v. m.) ab der aber auch der Schöpferkräfte, die Harpokrates im Dritten Zwischenzeit theophore Personennamen fest- Bereich der Nahrung und Fruchtbarkeit – wie noch stellen. Bei diesen Namen bildet Harpokrates einen gezeigt wird – bewirkt. Bestandteil des Vornamens der Privatperson, etwa wie: Ta-dit-Harpokrates „Die, die Harpokrates gegeben hat“. Harpokrates steht in dieser Vitrine in unmittelbarer Er wird auf Stelen von Privatpersonen genannt oder Nähe zu Isis und Osiris, seinen Eltern. Wenn Kindgötter in Tempeln, wie beispielsweise dem Isis-Tempel auf fast ausschließlich männlich sind, so drückt sich darin Philae, erwähnt. Der Anlass der Stiftung eines Votivs ihre Rolle für den König aus, der sich als Götterkind ist, wenn die Weihinschrift diesen nicht konkret nennt, versteht. heute zumeist nicht rekonstruierbar. Dies gilt auch für die Figuren des Hor-pa-chered, da Weihinschriften in In derselben Vitrine findet sich eine weitere spätzeit- diesem Fall lediglich allgemeingültige Wünsche, wie liche Bronzefigur des Harpokrates, ÄS 100 (Abb. 3): die Bitte um Leben, zum Ausdruck bringen. Die Iko- 24 Die Körperhaltung ist identisch zum vorherigen Stück, nographie des Harpokrates unterstreicht dies mit jedoch zeigt sich ein auffallender Unterschied im Kopf- Elementen wie Nackheit als Symbol von Wiedergeburt, schmuck: der Junge trägt eine sog. Hemhem-Krone, Erneuerung und Geburt. Auch Nemes-Kopftuch und das Nemes- Königskopftuch und die Jugendlocke. Hemhem-Krone können mit diesem Symbolgehalt Bei der Hemhem-Krone handelt es sich um eine verstanden werden. Kompositkrone aus Widdergehörn, Sonnenscheiben, Uräen und der Atef-Krone. Bei Harpokrates tritt Eine Bronzefigur aus der Ptolemäerzeit ist im Raum die Hemhem-Krone meist in Verbindung mit dem „Ägypten in Rom“ ausgestellt (Abb. 4). Bei der Figur ÄS Nemes-Kopftuch auf. 230 ist der Junge stehend dargestellt. Die Figur zeigt
MAAT 17 deutlich hellenistischen Einfluss. Das rechte Bein ist das Standbein, während das linke Bein als Spielbein unbelastet bleibt, wodurch die Hüfte leicht einknickt. Zusätzlich lehnt sich der Junge mit dem linken Ellbo- gen gegen einen Baum. Den rechten Zeigefinger legt er an sein Kinn, im linken Arm hält er ein Füllhorn, dessen oberer Abschluss sich an die linke Schulter des Jungen anlehnt. Das Füllhorn entstammt ursprünglich dem griechischen Kulturkreis und wird ab dem 3. Jh. v. Chr. in ägyptische Darstellungen des Harpokrates übernommen. Der Kopf ist leicht nach rechts geneigt und rundlich geformt. Der Junge hat runde Augen, eine kleine Nase und einen schmalen Mund. Die Wangen sind pausbäckig, die Ohren sind deutlich angegeben. Er trägt eine stark verkleinerte Doppelkrone mit einem Uräus an der Stirn. Über der linken Schulter und dem Arm hängt ein Mantel. Im Gegensatz zu den vorherigen Figuren zeigt dieser Harpokrates einen deutlichen Bauchansatz sowie akzentuierte Brüste. Der füllige Oberkörper versinnbildlicht Harpokrates als Nahrungs- spender. Dieser Kontext wird durch Reliefs bestätigt, in denen der Gott diverse Nahrungsmittel als Opfer- gaben empfängt und diese gleichermaßen dem König verspricht. Auch das Füllhorn ist als Indikator für diese Interpretation zu verstehen: Es symbolisiert die Fruchtbarkeit in der Landwirtschaft. Im Raum „Nach den Pharaonen“ findet sich ein weiterer Harpokrates aus Fayence (ÄS 2097) mit einem Mantel (Abb. 5): Dieser reicht am rechten Arm bis zum Ellbo- gen und lässt den Unterarm frei. Der abschließende Saum reicht bis in Knöchelhöhe. Eine Beischrift zu einem Relief in Kalabscha beschreibt diesen Mantel von blauer Farbe mit einer Borte aus blauen, roten, grünen und violetten Rechtecken. Als neues Medium treten ab der ptolemäischen Zeit – und vor allem in der römischen Epoche – die Terra- kotten in Ägypten auf. Die Technik selbst entstammt 25 dem griechischen Handwerk, wurde aber in Ägypten auch für ägyptische Gottheiten verwendet. Interessant ist an diesen Figuren, dass sie den griechischen und ägyptischen Stil miteinander verbinden. Ein Vorteil dieses Materials ist der günstigere Materialwert und damit eine leichtere Erschwinglichkeit. Terrakotten sind besonders vielfältig in ihren Themen und Darstellungs- varianten und waren vermutlich stark an der Nachfrage am jeweiligen Aufstellungsort orientiert. Zwei dieser Abb. 5: Mantelfigur aus Fayence ÄS 2097.
Harpokrates-Terrakotten sind in derselben Vitrine wie das eben besprochene Fayence-Objekt ausgestellt. Eine der Figuren (ÄS 7099) zeigt einen sitzenden Har- pokrates (Abb. 6). Der rechte Arm ist wie zum Gruß auf Schulterhöhe angehoben. Der linke Arm liegt neben dem linken Oberschenkel. Bauch und Brustbereich sind wie bei dem ptolemäischen Objekt deutlich ausgeformt. Das Gesicht ist schmal und länglich und zeigt eine dreieckige Nase und einen schmalen, leicht lächelnden Mund. Auf dem Kopf trägt der Junge einen Blütenkranz und eine Doppelkrone, an der rechten Schläfe liegt eine dünne Jugendlocke, die ihm auf die Schulter fällt. Diese Figur zeigt ein weiteres ikonographisches Element, das bereits in der ptolemäischen Zeit belegt ist: Zwischen den Oberschenkeln des Harpokrates liegt sein über- großer Phallus, der bis ans Knie reicht – eine weitere Anspielung auf die Fruchtbarkeit. Darüber hinaus findet man Harpokrates in der römi- schen Zeit auf einem Pferd, aber auch auf einer Gans reitend, wie beispielsweise ÄS 7098 (Abb. 7). Diese Figuren können für gesundes, fruchtbares Vieh stehen. Andere Interpretationen sehen die Gans als Tier des Seth, das durch den Ritt von Harpokrates gebändigt wird, wieder andere als verbindendes Element zu Isis. Abb. 6: Thronender Harpokrates als Terrakotte, ÄS 7099. 26 Abb. 7: Harpokrates auf einer Gans reitend, ÄS 7098. Abb. 8: Fayenceamulett in der Gestalt des Harpokrates, ÄS 1318.
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