Magazin für Amateurtheater und Kulturpolitik І Bund Deutscher Amateurtheater e. V - 2021 І Jahrgang 48
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2021 І Jahrgang 48 Magazin für Amateurtheater und Kulturpolitik І Bund Deutscher Amateurtheater e. V.
Thema Diversität, Rassismus und Geschlechtergerechtigkeit 04 Impressum und Redaktionskollektiv 05 Editorial Empowerment 06 Intro І Empowerment heißt Selbstermächtigung 08 Ein offenes Gespräch über Rassismus und Theater Wer D(iversität) sagt, 10 muss auch R(assismus) sagen! Ein Crash-Kurs in Sachen 44 Die Erfindung einer Rassismus-Kritik gemeinsamen Sprache 16 Ein Rezeptvorschlag Olmak ya da Olmamak? 47 Bleiben oder nicht bleiben? Fragen für 20 Theater-Frauen Ist das so ein türkisches Kammerspiel? Fremde schauen 29 فرصتی برای شنیده شدن،تئاتر آماتور 50 Ein Blick zurück in die Geschichte rassistischer Darstellungspraktiken im europäischen Theater 30 Zuhören im Theater 54 Auf Augenhöhe Auszüge aus einer Textsammlung von Hannah-Sofie Schäfer 34 Amateurtheater und 57 junge PoC-Künstler*innen Was ist Eine Recherche Inhalt – Spiel und Bühne 2021 transkulturelles Theater? 37 Lesenswertes 60 Outro І Diversität – viel mehr als „nur“ ein Jahresthema Opening 61 Vom Hören und Zuhören 38 Diversität im Amateurtheater Sichere Räume für Begegnungen 62 Autor*innen und Redaktion 41 Barrierearmut im Theater Das Beispiel Kunstdruck CentralTheater 63 Veranstaltungen des BDAT 2022 03 І Inhalt
Dominik Eichhorn Selen Şahinter Referent für Bildung BDAT, Assistenz Diversitätsentwicklung BDAT Projektkoordination „Land in Sicht!“, Stephan Schnell Endredaktion Spiel und Bühne 2021 Referent für Bildung und Internationales BDAT Sigrid Haase Pädagogische Referentin und Moujan Taher Koordinatorin Bundesfreiwilligendienst Freie Künstlerin (BFD) / BDAT Babette Ulmer Nils Hanraets Künstlerische Leiterin Kultur- und Vizepräsident BDAT, Leiter TPZ Lingen Theaterensemble Stage Divers(e) e. V. / United Unicorns, Esslingen Hülya Karci freie Dramaturgin, Patricia Vester Theaterpädagogin, Dozentin (D/T) Illustrationen Katrin Kellermann Benjamin Weisheit Öffentlichkeitsreferentin BDAT, Gesamtlayout Redaktionsleitung und Dr. Ali Fathi Lektorat Spiel und Bühne Fachliche Begleitung im Irene Ostertag persisch-deutschen Austausch Geschäftsführerin BDAT Helga Lienenbrink ManuEla Ritz Korrekturen Teamerin gegen Diskriminierung Kontakt Redaktion: und für machtkritische Diversität BDAT, Katrin Kellermann: kellermann@bdat.info Hinweis zur Genderschreibweise: Der BDAT verwendet in seinen Beiträgen das Gender- Sternchen (*). Wir schließen damit alle Menschen ein, auch jene, die sich nicht in der binären Geschlechterordnung einordnen möchten. Wir respektieren alternative gendergerechte Schreibweisen unserer Gastautor*innen und verändern ihre Schreibweise nicht. Impressum und Redaktionskollektiv 2021 Herausgeber: Bund Deutscher Amateurtheater e. V. Präsident: Simon Isser, Lützowplatz 9, 10785 Berlin Fon +49 (0)30 2639859-0 , berlin@bdat.info www.bdat.info ISSN 1616-6809, Gerichtsstand ist Berlin Anzeigenservice BDAT Melvin Neumann, Fon +49 (0) 30 2639859-17, neumann@bdat.info Preise Einzelheft: 8,00 Euro Abonnement (1 Heft): 7,00 Euro (inkl. Versand) Förderer Bund Deutscher Amateurtheater e. V. 04 І Impressum und Redaktionskollektiv
Liebe*r Leser*innen der globalen Mehrheit, die folgenden Seiten sind ganz speziell Dir gewidmet! ir leben in spannenden Zeiten! Frauen* machen bereits seit vier Jahren unter dem Hashtag #MeToo männlichen Machtmiss- brauch offensichtlich. Die Black Lives Matter Bewegung ver- schaffte sich im vergangenen Jahr weltweit und lautstark Gehör und prangert auch hier in Deutschland strukturellen Rassismus an. Auf- und Umbruch allerorten, so nun auch im Bund Deutscher Amateurtheater. Und so kommt es, dass die traditionsreiche Zeitschrift „Spiel und Bühne“ im 48. Jahr ihres Erscheinens erstmals einen Empowerment-Teil von und für Menschen mit Rassismuserfahrungen beinhaltet. Besser spät als nie! Der Weg zu dieser Entscheidung war diskussionsreich. Manche der weißen Redaktionsmitarbeiter*innen fanden die Idee gar nicht gut. „Wir wollen doch keine Spaltung, wir wollen Einigkeit“, meinten sie. Der Vorwurf der Spaltung ist oft zu hören, wann immer Menschen Empowerment-Räume einfordern. Ich verrate unseren weißen Mitleser*innen an dieser Stelle mal ein Geheimnis, das wir rassismuserfahrene Menschen längst kennen: Die Spaltung zwischen weißen Menschen und Menschen, zu deren Lebensrealität die Konfrontation mit Rassismus gehört, haben wir nicht erfunden. Es gibt sie schon ewig, um die 500 Jahre, um genau zu sein. Doch nun, da weiße Menschen, die von ihren Vorfahren initiierte und aufrechterhaltene Spaltung namens Rassismus auch erkennen, rufen sie reflexhaft und laut nach Einigkeit und Verbindung. Viele von ihnen wissen nicht, welche Verletzungen Rassismus und Sexismus in Menschen hinter- lässt. Vielleicht ahnen sie nicht, wie groß das Misstrauen gegenüber Angehörigen von Dominanzgesellschaften in einem Menschenleben werden kann, das von Diskriminierungserfahrungen geprägt ist. Sicher (er)kennen sie nicht den Wert, den Empowerment-Räume für marginalisierte Menschen haben können. Wenn Du selbst rassismuserfahren bist, weißt Du, dass unsere Geschichten nicht selten Gewalterfahrungen widerspiegeln. Das ist im Empowerment-Teil dieses Heftes nicht anders als im restlichen Leben. Für manche von uns kann es manchmal solidarisierend wirkend, sich bestätigend anfühlen oder gar heilsam sein, sich in den Schmerzerfahrungen anderer wiederzufinden. Aber manchmal Empowerment heißt Selbstermächtigung bewirkt das Teilen und Lesen solcher Erfahrungen auch genau das Gegenteil. Für diesen Fall sind manche Texte mit folgendem Zeichen versehen. Artikel, die mit solch einer Trigger-Warnung versehen sind, solltest Du mit Vorsicht oder auch gar nicht lesen, falls es grad TW nicht in Deine Zeit und zu Deinem Gemütszustand passt. Empowerment heißt nicht zuletzt Präsenz zu zeigen, unsere eigenen Geschichten zu erzählen, und zwar so wie wir es wollen, in den Sprachen, in denen wir uns wohlfühlen. Und genau das tun wir in diesem Teil der Zeitschrift, der ganz speziell Dir gewidmet ist, liebe*r Leser*in der globalen Mehrheit. Viel Erhellendes und Verbindendes beim Lesen wünsche ich auch stellvertretend für meine rassismuserfahrenen Mitstreiter-/Schreiber*innen und unsere Illustratorin. ManuEla Ritz 07 І Intro Empowerment
TW An die Leser*innen der weißen Dominanzgesellschaft Empowerment-Räume sind in der Regel geschützte Räume, zu denen Du keinen Zutritt hast. Nun ist eine Zeitschrift kein Raum und so kann kaum verhindert werden, dass Du Dich auf den folgenden Seiten umsiehst. Wenn Du das tust, nimm Texte, die Du liest als Geschenk, denn viele von uns offenbaren hier Intimes und Privates. Halte Dich mit Beurteilungen zurück. Spür lieber und erkenne, was Diskriminierungsformen wie Rassismus und Sexismus bewirken: Verletzungen, Macht- und manchmal Mutlosigkeit, aber auch Kraft, Widerstand und Weisheit. er wissen möchte, warum weißen deutschen Frau adoptiert. das Amateurtheater nicht alle Das ging damals im Osten, dass auch Menschen erreicht, muss ‚alleinstehende Frauen‘ (so hieß das nachfragen! Wir haben die damals) Kinder adoptieren konnten. Theatermacherin, Dramaturgin Meine Adoptivmutter arbeitete in dem und Künstlerin Moujan Taher eingeladen, über ihre Heim, in das ich gebracht wurde, als ich Erlebnisse und Erfahrungen in Deutschland zu berichten. sechs Wochen alt war. ManuEla Ritz, Teamerin gegen Diskriminierung, war ihre Gesprächspartnerin. Begleitet und unterstützt wurden die Wir lebten in einer kleinen Stadt Gespräche von Dr. phil. Ali Fathi und Selen Şahinter. zwischen Dresden und Leipzig. Dort Ali Fathi, 1953 im Iran geboren, lebt seit 1985 in Deutsch- ging ich in den Kindergarten, zur land und arbeitet u. a. als Coach im Bereich machtkritische Schule, dort machte ich meine Aus- Prozessbegleitung. Selen Şahinter, in Berlin geboren, lebt bildung zur Krippenerzieherin. Im seit ihrer Kindheit abwechselnd in der Türkei, Spanien Frühjahr 1989 zog ich nach Berlin. Ich und Deutschland. Die Studentin der Rechtswissen- landete in Hohenschönhausen, wo schaften arbeitet derzeit als Assistenz für Diversitätsent- ich noch drei Jahre lang als Krippen- erzieherin arbeitete. Ein offenes Gespräch über Rassismus und Theater wicklung beim BDAT. „Was erleben Menschen mit Rassismus-Erfahrungen, Im Herbst desselben Jahres fiel die welche Lebensläufe, Ereignisse und Erfahrungen prägen Mauer, das heißt eigentlich ist sie ja sie, welche Konsequenzen ziehen sie – und was hat das nicht einfach so umgefallen, sondern Ganze mit Theater zu tun?“ Moujan Taher und ManuEla wurde von den Ostdeutschen zum Ein- Ritz war es wichtig, ganz persönlich über ihre Biographien sturz gebracht. Ich habe an keiner der zu sprechen und diese in Teilen öffentlich zu machen. Montagsdemos teilgenommen. Diese Mehrere Gespräche fanden über Zoom statt, dazwischen Menschenmassen machten mir Angst! gab es viel Austausch über Messenger Dienste. In den Ich dachte: „Jetzt passiert Geschichte, folgenden Beiträgen gewährt zunächst ManuEla Ritz aber irgendetwas fühlt sich nicht gut (Manu) einen Einblick in ihren Lebenslauf, dann stellt dabei an.“ „Wir sind das Volk“, klang für sich Moujan Taher vor. In einem weiteren Beitrag gibt mich als Schwarze Person irgendwie ManuEla Ritz einen „Crash-Kurs in Sachen Rassismus- unheilvoll. Und das Unheil hat sich ja Kritik“ mit Praxis-Check am Beispiel der von Moujan dann auch bewahrheitet. Aus „Wir sind erzählten Geschichte. das Volk“ wurde „Wir sind ein Volk“ und als in den 1990er Jahren Wohnhäuser Biographisches von eingewanderten Menschen und Unterkünfte für Asylbewerber*innen in ManuEla Ritz: Ich wurde in Meißen geboren, das ist in Brand gesteckt und Menschen aufgrund Sachsen. Ich bin das Ergebnis eines Seitensprungs einer ihrer Herkunft und/oder Hautfarbe weißen deutschen Frau und eines kenianischen Studenten. ermordet wurden, wurde deutlich, wer Ich wurde zur Adoption ‚freigegeben‘ und von einer anderen fortan zum Volk gehören sollte, konnte und durfte und wer nicht. 08 І Empowerment
Wenn ich über die Wende und die Ost- und Westdeutschland als Dis- Die permanente Frauenunterdrückung Nachwendezeit nachdenke, ergibt kriminierungsverhältnis entlarven. im Iran brachte mich dazu, dass ich sich in meinem Kopf ein Dreiklang eine Aktion plante und zu einem be- „Wir sind das Volk“, „Wir sind ein Moujan Taher: Meine Geschichte stimmten Zeitpunkt halbnackt auf die Volk“ und dann „Deutschland den beginnt damit, dass ich 1979 – Straße ging. Ich hatte auf verschiedene Deutschen“. Nazis zogen in mein Haus während der Iran-Revolution – Körperteile geschrieben, z. B. „I’d rather und an den Hausflurwänden und im gezeugt wurde. Ich bin das älteste be a Rebel not a Slave“ („Eher wäre Fahrstuhl tauchten Hakenkreuze auf. Kind von drei Schwestern. Meine ich eine Rebellin als eine Sklavin“). Eines Nachts schrien Männer auf der Kindheit verbrachte ich in den acht Dieser Protest war ein Schrei in eine Straße: „Ey komm raus, wir schlagen Jahren des Iran-Irak-Krieges. Meine schlafende Gesellschaft hinein, um klar dich tot!“. Die 1990er Jahre waren sehr Eltern waren in der Kultur aktiv und zu machen, was es bedeutet, nur wegen bedrohlich und ich wusste nicht, ob politisch engagiert gegen das System. seines Körpers so rechtlos zu sein. ich bleiben oder Deutschland lieber verlassen sollte. An der Universität in Teheran studierte Danach kam Deutschland und damit ich Film-Regie und Dramatische ein neues Leben, aber hier musste Nach und nach wurden die Kinder- Literatur (dazu gehörte das Verfassen ich erleben: Ja, ich bin als Frau krippen im Osten dicht gemacht, von Theaterstücken und Drehbüchern) willkommen, muss nun aber für wie so vieles andere auch. Das Gute und schloss mit dem Master ab. An meine Rechte als Mensch kämpfen. im Schlechten war, dass ich Sozial- der Uni war ich immer auch politisch pädagogik studieren konnte. Das aktiv. Aber das war ganz anders, Dann fand ich eine Theatergruppe gab‘s in der DDR gar nicht. Als ich mit als man es von Deutschland kennt. und dachte mir, ich kann meine dem Studium fertig war, dachte ich, Im Laufe der Jahre führte ich bei Stimme laut auf der Bühne dar- jetzt kann ich alles machen, was mit mehreren Kurzfilmen sowie Theater- stellen. Und ich dachte, ich könnte Menschen zu tun hat, und gleichzeitig stücken Regie; außerdem schrieb ich etwas verändern, sodass Leute wissen, hatte ich von nichts eine Ahnung. Das Theaterstücke und führte szenische was im Iran passiert. Daran arbeite führte dazu, dass ich ein Jahr lang Lesungen durch. Als Schauspielerin ich immer weiter. alles Mögliche machte: Ich habe ein sammelte ich in Kurzfilmen und auch Programmkino für Schwarze Filme auf der Bühne Erfahrungen. In Deutschland engagierte ich mich aufgebaut, ich habe eine afrikanische seit meiner Ankunft 2016 in ver- Band gemanagt – in Grund und Im Iran gehörte ich zu den Frauen, die schiedenen pädagogischen Projekten. Boden – by the way; und lauter Zeug nicht schwiegen, sondern ihre Stimme Ich arbeitete z. B. mit der Stuttgarter gemacht, was Spaß brachte, aber erhoben. Natürlich bezahlte ich dafür Gruppe „Freier Künstler*innen“ am KKT kein Geld. Und als das Geld alle war, auch einen Preis. Wir brachten in- Stuttgart zusammen. Auch mit dem dachte ich mir, ich muss mir eine offizielle Demonstrationen auf den BDAT gibt es eine enge, kontinuierliche Arbeit suchen, die Geld bringt. Ich Weg, vernetzten uns und gewannen Zusammenarbeit. dachte damals ziemlich pragmatisch: Leute für unsere Ideen. Dafür wurde Okay, Rassismus wird in diesem wi(e)- ich niedergeknüppelt oder verlor Und jeden Tag engagiere ich mich für dervereinigten Deutschland ein Thema meinen Job und so weiter. Ich kannte meine politischen Überzeugungen, für mich sein, also kann ich auch Geld meine Rechte: das Recht existierte in arbeite gegen Sexismus und Rassismus damit verdienen. So wurde ich also den Büchern, aber wenn ich als Frau und setze mich für Klimaschutz-Aktivi- Antirassismus-Trainerin und Ali Fathi auf die Straße ging, hatte ich keines täten in Deutschland ein. Kinder haben gehörte zu meinen Mentor*innen. mehr! Meine Tochter ist Perserin und für mich Priorität sowie die Zukunft im Iran geboren. Seit sie zwei Jahre alt unserer Erde und der Menschen auf So also bin ich jetzt seit 20 Jahren ist, wächst sie in Deutschland auf. ihr. Die Beziehungen zwischen uns freiberufliche Trainerin gegen Dis- Menschen sind mir ein großes Anliegen. kriminierung und Rassismus. Neben Im Iran dachte ich an meine Tochter Rassismus und Empowerment gehört und war in dem Dilemma, für sie Was für mich auch wichtig ist: noch das weite Feld von Adultismus1 das Beste zu wollen, aber das war Ich habe eine Theorie kennengelernt in mein Portfolio und Workshops, in dieser patriarchalen Gesellschaft (RC2), die mir geholfen hat, weiter für die die Dynamiken zwischen nicht möglich. Ich wagte den Schritt, meine Anliegen zu kämpfen. woanders hinzugehen, um sie nicht in einer rechtlosen Umgebung auf- 1 Der Begriff Adultismus leitet sich von dem wachsen sehen zu müssen. Ich wollte später nicht von meinem Kind gefragt 2 RC steht für Re-evaluation Co-Counseling, englischen Begriff „adult“ für „erwachsen“ Peer-basiertes Beratungsverfahren nach ab und benennt das ungleiche Machtver- werden, warum ich mir das alles habe Harvey Jackins; mehr dazu unter: hältnis zwischen Erwachsenen und Kindern gefallen lassen und nichts an der www.rc.org / Anm. d. Red. und Jugendlichen / Anm. d. Red. Situation geändert habe. 09 І Empowerment
MUSS AUCH R(ASSISMUS) SAGEN! TW Ein Crash-Kurs in Sachen Rassismus-Kritik WER D(IVERSITÄT) SAGT, I m Jahr 2000 wird N‘deye Mareame Sarr in ihrer Wohnung in Aschaffenburg vor den Augen ihrer Kinder von einem Polizisten erschossen. Ein Jahr später stirbt Achidi John nach einem Brechmitteleinsatz durch die Polizei in Hamburg. Das gleiche tragische Ende wartet auf Laye-Alama Condé im Jahr 2005 im Bremer Polizeigewahrsam. Ebenfalls 2005 verbrennt Oury Jalloh bei lebendigem Leib in einer Gewahrsamszelle der Dessauer Polizei. 2011 wird Christy Schwundeck in einem Jobcenter in Frankfurt am Main von einem Polizisten erschossen. 2019 stirbt William Tonou-Mbobda, nachdem er gewaltsam von Sicherheitskräften in einer Hamburger Klinik fixiert worden war. Keiner dieser Morde – viele bleiben hier ungenannt – weißer Polizisten und Sicherheitskräfte, verübt an Schwarzen Menschen hier in Deutschland, hat in der Öffentlichkeit ManuEla Ritz, Moujan Taher nennenswerte Effekte gezeitigt. Offensichtlicher und zugleich seltsamer Weise brauchte es ein weiteres Schwarzes Todes- opfer weißer Polizeigewalt in den fernen USA, damit sich die Black Lives Matter Bewegung auch in Deutschland Gehör ver- schaffen konnte. Der Bewegung, die bereits im Jahr 2013 mit einer ersten Demonstration in Berlin aufwartete, gelang es erst 2020, zigtausende Menschen zu mobilisieren und auch hier in diesem Land lautstark zu bekunden, dass Rassismus nicht nur ein Produkt made in USA ist. 10 І Empowerment
„Rassismus? In Deutschland?“, dachten sich da vielerorts Die Einteilung der Menschheit in ver- weiße Menschen in ihren weißen Vereinen, weißen Schulen schiedene Personengruppen beginnt und Universitäten, in ihren weißen Theatern und sonstigen mit dem Glauben an eine Norm, eine kunstschaffenden oder auch nicht kulturschaffenden, auf Art Maßstab, an dem sich alles messen alle Fälle aber weißen Institutionen. „Problem erkannt!“, lassen muss. Diese Norm begreift dachten sie sich wohl und schritten mit der sprichwört- sich gern als ein „Wir“. In Deutschland lichen deutschen Effizienz zur Tat. Quasi über Nacht gehört zu diesem Wir, wer in diesem schossen Anfragen nach diversitätssensiblen, diversitäts- Land als Weiße*r geboren wird und die orientierten, diversitätsöffnenden, diversitätssonstwas deutsche Sprache akzentfrei spricht. Workshops und Prozessbegleitungen wie Pilze aus dem Mit diesen drei Aspekten (Land, Haut- Boden. Weniger gefragt waren und sind hingegen macht- farbe und Sprache) verhält es sich und rassismuskritische Ansätze. „Ja, wir sind zwar schon wie mit der Heiligen Dreifaltigkeit, sie ein ziemlich … oder … naja … Hand auf’s Herz … ein aus- funktionieren nur im Dreierpack. Wer schließlich weißes Team – aber rassistisch? Nein, rassistisch – so wie ich – in diesem Land geboren sind wir nicht!“, mag sich der eine oder die andere weiße und aufgewachsen, der deutschen deutsche Otto- respektive Ottilienormalverbraucherin Sprache mächtig, jedoch nicht weiß ist, gedacht haben. „Holen wir uns einfach ein paar BIPoC in‘s ist weder vor individuellem noch vor Team. Vielfalt liegt im Trend und sieht hübsch aus. Das strukturellem Rassismus gefeit. kriegen wir doch hin.“ Das „Wir“, die Norm, der Maßstab ver- Zu kurz gedacht, lieber Otto, liebe Ottilie, lieber Thomas, leiht sich Privilegien: Rechte, Zugänge, liebe Inge, Sabine oder wie ihr sonst noch heißen mögt. Die Freiheiten, eigentlich Selbstverständ- Black Lives Matter Bewegung prangert nicht nur einzelne lichkeiten, die nur jenen Menschen Neonazis und Rassist*innen an, sondern attestiert Deutsch- gewährt werden, die die Bedingung des land ein strukturelles Rassismusproblem. Wie kann es also Dreierpacks erfüllen. Selbstverständ- sein, dass du in einer, die Gesellschaft durchdringenden, lichkeiten, die jene, die sie erleben, rassistischen Struktur der rassismusfreie Fels in der kaum wahrnehmen. Privilegien wie: sich Brandung bist? Und was, wenn auch die Horsts, Christians nicht dafür rechtfertigen zu müssen, und Annalenas dasselbe von sich behaupten? Wer ist dann dass mensch in dem Land lebt, in dem die Gesellschaft? Wer schafft rassistische Strukturen mensch geboren wurde. Nicht unver- und/oder sorgt dafür, dass sie erhalten bleiben? mittelt von Polizist*innen, Security- Menschen oder Kassierer*innen im Bereits 1986 stellten Prof. Dr. Annita Kalpake und Prof. Dr. Supermarkt an- und aufgehalten und Nora Räthzel in ihrem gleichnamigen Buch „Die Schwierig- kontrolliert zu werden. Nicht darüber keit, nicht rassistisch zu sein“ fest: Wir rassismuserfahrenen nachdenken zu müssen, ob mensch Menschen brauchen wirklich viel Geduld mit unseren den neuen Job nur bekommen hat, um weißen Mitbürger*innen, bis sie endlich schnallen, was die die Quote weißer Mitarbeiter*innen zu meisten von uns längst wissen, weil wir es nahezu täglich erhöhen. Nicht zu erleben, an einem am eigenen Leib, in unseren Seelen erfahren. Denn ja, die ersten Arbeitstag mit dem Putzpersonal Würde des Menschen ist durchaus antastbar. verwechselt zu werden. Niemals dazu genötigt worden zu sein, Strategien zum Rassismus ist ein historisch bewusst herbei geführtes, Umgang mit Rassismus zu entwickeln weltumspannendes Machtsystem, das darauf abzielt, …um nur einige wenige Privilegien zu Menschen einzuteilen. Diese jahrhundertlange (Ein)Teilung nennen, über die weiße Menschen bezweckte unter anderem immer auch, den Kontakt in diesem Land ganz selbstver- zwischen Menschen unterschiedlicher Personengruppen ständlich verfügen. zu unterbinden. Die Folge dessen spüren und erleben wir auch heute noch überall dort, wo es Menschen nur schwer Privilegien stärken das Wir-Gefühl, gelingt, entlang der Grenzlinien zwischen Schwarz und verleihen Selbst-Sicherheit und Macht. weiß, In- und „Ausländer*innen“, Menschen mit oder ohne Doch Privilegien haben auch Risiken Migrationsbiographien, Menschen mit oder ohne Flucht- und Nebenwirkungen im Gepäck. Sie erfahrungen etc., in einen gleichwürdigen Kontakt und beeinträchtigen das Seh-, Empathie- Dialog zu treten. und Denkvermögen Privilegien begünstigter Menschen. Nur so ist zu
erklären, dass es für viele weiße Mitbürger*innen ver- rassistischer Gewalt für Mikroaggressionen1 verantwortlich wunderlich war, im Jahr 2020 scheinbar plötzlich und zeichnen. Mikroaggressionen werden im Volksmund gern als vollkommen unerwartet zu erfahren, dass es auch in Alltagsrassismus bezeichnet. Abgesehen davon, dass das Deutschland Rassismus gibt. 400 Jahre Kolonialismus, an Wort so tut, als gäbe es auch einen Sonn- und Feiertags- dem auch Deutschland beteiligt war mit der Besatzung rassismus (Wie der wohl aussieht und sich anfühlt? Fest- und Plünderung afrikanischer Länder, mit dem Völker- licher? Gemächlicher?), suggeriert das Wort Alltag in meinen mord an den Herero und Nama, mit der Errichtung erster Kopf so etwas wie: „Pech gehabt! Als Schwarze Frau hast du Konzentrationslager in Namibia, mit Völkerschauen im in diesem Land Rassismus nun mal mitgebucht, also stell‘ eigenen Land … 400 Jahre, in denen die Überzeugung dich nicht so an.“ Ähnliches warf mir übrigens neulich tat- weißer Überlegenheit und Vorherrschaft entstand, wuchs sächlich eine weiße deutsche pensionierte Künstler*innen- und gedieh, sollen keine Spuren im Denken und Handeln Agentin an den Kopf: „Wenn dir so etwas … “ (Weiße weißer Menschen hinterlassen haben? Menschen nennen Rassismus übrigens gern „so etwas“ oder „das Thema“ oder „die Sache“) „Wenn dir so etwas so Bei einer derartigen Ignoranz können BIPoC in der Tat lange oft passiert, weiß ich gar nicht, warum du immer noch so warten, bis weiße Menschen wissen bzw. wissen und an_er- empfindlich darauf reagierst. Da muss man doch irgendwann kennen wollen, dass sie sich jenseits von offensichtlicher drüberstehen!“ Das hatte sich diese Inge fein ausgedacht. 1 Funk (2019): Clip "Das war doch nur als Kompliment gemeint!" des Web-Formates "Softie", URL: https://bit.ly/3l4DSoH 12 І Empowerment
Der Subtext lautete: „Lass mir mein rassistisches das einen Zustand beschreibt, wird ein Verb, ein sogenanntes Vergnügen, steh einfach drüber!“. Tu-Wort, um zu verdeutlichen, dass etwas nicht einfach nur ist, sondern getan wird. Menschen sind entweder alle Keine Ahnung, ob diese unverschämte Äußerung noch anders oder niemand ist es. Doch Othering trifft im Kontext als Mikroaggression durchgeht. Fakt jedoch ist, von Rassismus nur jene, die nicht in die Norm der heiligen Mikroaggressionen werden vom „Wir“ verübt. Das, was Dreifaltigkeit hineinpassen. Damit klipp und klar und rassismuserfahrene Menschen auf die Dauer stresst, deutlich ist, wer zur Norm dazu gehört und wer nicht, sind Deine Blicke Thomas, Deine Fragen Sabine, Deine ersinnt das „Wir“ Lable für die Geanderten. Da werden Unterstellungen und Verdächtigungen. Und sie treffen uns, beispielsweise aus „ganz normalen Menschen“ plötzlich die Ihr für „die Anderen“ haltet, jene, von denen Ihr Euch solche mit Migrationshintergrund, auch wenn sie niemals in der Tradition weißer Überlegenheitsphantasien ab- von irgendwo nach irgendwohin migriert sind. setzen wollt. Das tut Ihr gern in konträrer Weise. Während sich das „Wir“ beispielsweise als gebildet, zivilisiert und Diese Dichotomie zwischen dem „Wir“ und den Geanderten fortschrittlich inszeniert, erwartet es von „den Anderen“ könnte nun als unschönes Neben- oder Gegeneinander nur ein Minimum an Bildung, unterstellt ihnen Primitivität gewertet werden. Damit das Ganze zu Rassismus wird, und Rückschrittlichkeit. Dass es sich bei derartigen Zu- braucht es Regeln und Gesetze, die einerseits die Zweiteilung schreibungen um Konstruktionen handelt, checkt nur ein aufrechterhalten (und den Kontakt weiterhin erschweren) Teil des weißen „Wir“. Das englische Wort Othering – zu und andererseits dazu dienen, die geanderten Menschen zu Deutsch „Andern“ – beleuchtet den Mechanismus, der hier verwalten, sie in die Bahnen zu lenken, auf denen das Wir in menschlichen Gehirnen greift. Aus dem Adverb „anders“, 13 І Empowerment
sie haben will. Im Reich der Gesetze werden beispielsweise Moujan ist einer jener Menschen, die Asylgesetze erlassen und verändert. Da werden Obergrenzen wir „Flüchtling“ nennen oder auch für Personengruppen festgelegt, die von ihrem Menschrecht „Geflüchtete“, wenn wir gelernt haben, der Asylsuche Gebrauch machen wollen. Da werden räum- dass das Suffix „ling“ etwas Passives, liche Beschränkungen alias Residenzpflichten wie Steine in Verniedlichendes oder auch negativ den Weg jener Menschen gelegt. Und im Bereich der Regeln Konnotiertes an sich hat. Geflüchtete werden im zwischenmenschlichen Kontakt herkömmliche hingegen, darin kommt Aktivität zum Umgangs- und Kommunikationsformen einfach über Bord Ausdruck, mögen jene argumentieren, geworfen, als gäbe sich das weiße „Wir“ die Legitimation, die meinen, das Recht der Fremd- Menschen, die es als „anders“ wahrnimmt, auch anders bezeichnung gepachtet zu haben. behandeln zu dürfen. Wir können nur erahnen, was sie, die Doch Grau ist alle Theorie. Machen wir einen … Frauenrechtlerin, aus ihrem Heimat- land Iran vertrieben hat. Ihr Fluchtweg Praxischeck führt sie nach Deutschland. Ihr Flucht- weg in Deutschland führt sie innerhalb Auf der Suche nach Antworten auf die Frage, warum sich nur von zwei Monaten durch sechs ver- wenige rassismuserfahrene Menschen dafür entscheiden, schiedene Lager. Ihr Fluchtweg endet traditionellen Theatergruppen beizutreten, und warum vorerst in einer kleinen Gemeinde im viele von ihnen die Gruppe nach einer Weile wieder ver- Süden Deutschlands. Die Gemeinde lassen, sprach ich mit Moujan Taher. Ihre Geschichte rund hat ein Hotel in ein „Sammellager für um ihre Erfahrungen mit Amateurtheatern in Deutschland Flüchtlinge“ umgebaut. ist lang und voll von Absurditäten und Abgründen, weißer Dominanz und Unwissenheit. Ich will gar nicht erst ver- Es gibt nicht viel zu tun, als ge- suchen, Moujans Geschichte hier in Gänze nachzuerzählen. flüchtete Person ohne Arbeitserlaubnis Hier nur ein paar High- bzw. Lowlights für die ungläubigen in Deutschland. Und wenn sie dann Thomasse, skeptischen Sabines und sonstigen Rassismus- irgendwann Arbeit bekäme, so fragt Leugner*innen unter den weißen Mitleser*innen. Vielleicht sich Moujan, die gelernte Drehbuch- erkennst Du ja, welche Aspekte von Rassismus und weißer autorin und Expertin für Literatur und Vorherrschaft sich in den jeweiligen Episoden widerspiegeln. Theater, ob sie dann putzen müsse Als kleine Hilfestellung mag folgende Liste dienen. oder Wäsche waschen? Handelt es sich in den einzelnen Szenen um: In der wartenden Langeweile sind die allsonntäglichen Kaffee-Kuchen-Treffen 1. Normierung – wie Moujan es nennt – in einem Haus nahe der Kirche eine willkommene 2. Othering Abwechslung. „Aber die Begegnungen sind einseitig“, sagt sie. „Uns werden 3. „Kontaktstörung“ Fragen gestellt, wir haben geantwortet und gewartet, was sonst passiert.“ 4. die Dichotomie erhaltende Gesetze Dann eines Tages passiert Folgendes: 5. unverhältnismäßige Regelverdrehungen Moujan erzählt bei einem dieser Treffen von ihren Erfahrungen als Theater- 6. Mikroaggression macherin. Eine der Zuhörer*innen reagiert prompt. Sie habe einen 7. weiße Vorherrschaft und Überlegenheit in Form von: Neffen, der in der Theaterbranche tätig sei, erzählt sie und fragt Moujan, ob a) weißer Dominanz sie ihn kennenlernen möchte. „Was wünscht sich eine Blinde von Gott?“, b) weißer Ignoranz fragt sich Moujan in diesem Moment. „Zwei Augen!“ Freudig sagt sie Ja und und/oder bezeichnet diese Fügung als Wunder. Sie spricht von Brecht, von dem, was c) um weiße Arroganz. Theater kann und ermöglicht und ich spüre Moujans Leidenschaft für diese Mehrfachantworten sind möglich. Welt und ihre Arbeit.
Das Gespräch über „das Wunder“ wird in englischer Moujan bekommt immer mehr den Eindruck, dass sie für Sprache geführt, doch die Formulare mit denen Moujan eine aufdringliche Person gehalten wird, „die so ein Schiff im ihre Motivation, am Theaterprojekt teilzunehmen, darlegen Meer der Bedürfnisse der Weißen irgendwie aufrechterhalten soll, sind auf Deutsch verfasst, einer Sprache, die Moujan muss.“ Das spiegelt sich auch in Feindlichkeit wider, „wie zu dieser Zeit noch nicht spricht, geschweige denn, dass sie mich ruhig zu stellen oder mir meine Grenzen aufzuzeigen.“ Deutsch lesen oder schreiben kann. Im ersten Jahr des Projektes gibt es eine Aufführung, in der Die Verständigungsschwierigkeiten dauern im Theater- es jeder und jede schafft, mit einem deutschen Satz auf die projekt fort. Es ist als Begegnungsort für Einheimische und Bühne zu gehen. In der Folge bietet Moujan immer wieder Menschen aus Syrien, dem Iran und Afghanistan angelegt, verschiedene Ideen an, doch keines ihrer Stücke wird von aber es gibt keine Person, die dolmetschen kann. Moujan der Gruppe angenommen. Vor allem die weißen Mitglieder erkennt im Laufe der Zeit, dass die zwei Gruppen, jene, die kritisieren, das sei alles zu traurig. Sie wollten lieber etwas Deutsch sprechen, und jene, die andere Sprachen sprechen, mit Tanz und Musik machen. Irgendwann nickt Moujan nur nie wirklich zusammenfinden werden. noch. „Ja, können wir machen.“ Und dann geht es los. Ach nein, es geht nicht los. Quälend „Ein wahnsinnig schwerer Prozess für mich ist, dass die mich lange – schon nur beim Zuhören – erzählt Moujan vom einfach nicht verstehen wollen. Die haben eine Vorstellung Warten. Nichts geschieht bei den Treffen und Moujan im Kopf: Das muss passieren. Was ich sage, ist egal, wahr- beginnt sich zu fragen: „Wo ist mein heiliges Theater! Wo scheinlich, weil ich aus einem diktatorischen Land komme. ist unsere Stimme?“ Doch anstatt ihre eigenen Geschichten Für mich war es klar, das ist ein Machtplatz und nicht so ein erzählen zu können, bekommen die Menschen, die noch willkommener Platz.“ nicht so lange in Deutschland leben, erzählt, wie es hier in diesem Land läuft. „Die Grundkenntnisse, die in diesen Meine abschließende Frage an Moujan lautet: Begegnungen als Lernprozess angeboten werden, sind: „Angenommen, du bekämst die Möglichkeit hier in Deutsch- dass man* Deutsch spricht, wie man* Müll trennt, und die land eine Theatergruppe aufzubauen. Wie würdest du das dritte Säule ist, dass die Frauen hier ganz anders denn machen?“ „Bestimmt würde ich erstmal mit einer behandelt werden!“ Geschichte anfangen und allen erzählen: Das ist unsere Geschichte, wollt ihr das zusammen spielen? Ich dachte, im Die Fluktuation in der Gruppe ist hoch. Da braucht einer ein Theater muss immer ein Kern sein, damit Menschen dasselbe Zimmer, ein anderer leidet an Einsamkeit. Es ist wie „ein Interesse haben und sich um diesen Kern versammeln. Was Sammelbecken für soziale Bedürfnisse, aber das Theater bringt uns Theater, das ist die erste Frage. Wollen wir echt lässt weiter auf sich warten.“ Theater machen? Oder ist es ein Spiel im weißen Kopf wie mit Labormäusen, in dem Sinne, dass sie uns testen, So vergeht Woche um Woche, Treffen um Treffen. „Das berühren, gucken, wie wir reagieren – beißen wir oder nicht? Warten dauert lange und ich brenne innerlich mit der Es ist so: Menschen versuchen (in Amateurtheatergruppen, Annahme, sie wollen wissen, was in meinem Kopf und in Anm. d. Red.) reinzukommen und ich habe meinen Platz meinem Herzen los ist.“ Moujan ist bereit, all das mit den nicht gefunden. Wer braucht eine Frau aus dem Iran, die Anwesenden zu teilen. Sie will schreien: „Hey, es ist alles kein Deutsch spricht?“ okay! Mülltrennung, Frauenrolle, aber ich brenne doch! Ich spreche Englisch, aber egal ob Deutsch oder Schwäbisch: An dieser Stelle besinnt sich Moujan auf jene Art des Selbst- Wann kommen wir endlich zur Sache?“ aufbaus und der Selbstermutigung, die viele marginalisierte Menschen kennen. „Dann habe ich mir gesagt, du bist in Trotz der Anwesenheit eines weißen deutschen Theater- dieser Branche Moujan, weil du was zu sagen hast. Und das pädagogen kommt die Gruppe also nicht zur Sache und so ist deine Art zu arbeiten, genauso wie ein Schriftsteller, der mischt sich Moujan – die erfahrene Theatermacherin – ein. wie ich mit Worten spielt, um sich auszudrücken.“ „Der weiße Mann konnte nicht situativ reagieren. Jeder ging auf seine Aussage ein und damit verschwand die eigent- Wie Verantwortungsübernahme jener weißer Theater- liche Intuition. Der weiße Pädagoge wollte seine Macht macher*innen aussehen sollte, die nicht nur von Teilhabe nicht loslassen. Ich hatte Mut“, sagt Moujan, „aber ohne sprechen, sondern Gleichwürdigkeit im Amateurtheater auch Kompromisse geht es auch nicht weiter“. leben wollen, weiß Moujan ganz genau. „Sie müssten sagen: Okay Moujan, wenn du was sagen willst, geben wir dir den Sie beschreibt ihre Bemühung: „Ich habe mich in dem Raum! Wenn X etwas sagen will, geben wir dem auch Raum!“ Sinne reduziert. Aber es kam weder von den deutschen Akteur*innen noch von den anderen etwas. Keiner brachte Ganz einfach! Was - liebe*r weiße*r Theaterleiter*in - einen Text mit. Und vor allem sagten die Akteur*innen aus hindert dich daran, jenen Raum zu geben, die nicht zur der deutschen Gruppe, dass nicht immer jemand sagen soll, Norm gehören? Was hindert uns daran, gemeinsam ein wo es lang geht.“ großes „Wir“ zu bauen und zu leben? 15 І Empowerment
OLMAK YA DA OLMAMAK? Böyle tiyatro olmaz diye düşündüm, buradan ne çıkar ki! Şimdi biliyorum ki, sonunda hep bir gösteri var. Bu çok güzel! Werner Daniel, Sultaniyeler tiyatro grubundan bir katılımcı A lman ve Türkiyeli sanatçılar yıllardır alışveriş içindeler. Onlar buraya geliyor, Türkiyeli sanatçılar oraya gidiyor. Burada Almanya’da pek çok ortak yapmış, Berlin duvarını sık sık aşıp çalışma yapıldı ve hala yapılmakta. Berliner Ensembel’da oyunlar izleyerek Tarihsel olarak da çok güçlü ve bir tiyatro geleneği yaratmış Vasıf çetrefelli bağlar var. Son 60 yıldır bu Öngören1’den mahalledeki balıkçımıza etkileşim kültürün bütün alanlarında kadar pek çok Türkiyelinin tiyatro ile sürdüğü gibi sahnede de sürüyor. hemhal olmuşluğu vardır. Bu zengin geçmişin bize sunduğu bir armağan ve sorumluluk da yüklüyor. İzmir 9 Eylül Üniversitesi Güzel Sanatlar Fakültesi Tiyatro bölümü hocalarımız Alman tiyatrosu hem yarattığı tiyatro çoğunlukla Alman ekolünden geliyordu. ekolleri, hem de oyun yazarları Buraya, Berlin’e geldiğimde tiyatro ile dünya tiyatro tarihinin temel camiasında yabancılık çekmedim taşlarından biri. Dünya tiyatro tarihine bu yüzden. Dramatik çözümlemesi tarzları ve eserleriyle iz bırakan üzerinde ayrıntılı çalıştığımız oyunları, sanatçıların bu şehrin üzerinde hala Almanca’ya henüz hakim olmadan gezindiği ve köken ayrımı gözetmeden büyük tiyatroların sahnelerinde izlemek tiyatro tozunu herkese serptikleri müthiş bir deneyim oldu benim için. rivayet edilir. Belki bu yüzdendir ki Berlin’de Türkiye’den gelen özellikle Dramaturg ve oyun yazarı olarak birinci ve ikinci kuşak içinde amatör Türk tiyatrosu TİYATROM’da bir süre ya da profesyonel tiyatroya değmemiş, profesyonel olarak çalıştıktan sonra sahne tozu yutmamış pek az insana amatör tiyatro alanına geçtim. Burada Hülya Karci rastlarsınız. İlk deneme pratiklerini yepyeni bir deneyimle karşılaştım. Berlin‘de kadın işçi yurtlarında Uzun bir süre okul öncesi çocuklardan yaşlılara kadar oluşan geniş bir yelpazede tiyatro çalışmalarımı 1 Vasıf Öngören (1938-1984) Epik Tiyatro’nun Türkiye’deki ilk uygulayıcısı 16 І Empowerment
sürdürdükten sonra son yıllarda daha kimlik ve klişelere karşı çıkma ve kendi çok handikaplı bireylerle çalışıyorum. perspektiflerini sahneye taşıma olanağı Yaşlılar, zihinsel-bedensel engelli buluyor... Bu bazen klişeye uymuyor bireyler, demanslılar, öğrenme zorluğu ya da klişeyi kırıyor ya da bir hayali çekenler, baskı altındaki kadınlar gerçekleştiriyor... Ama zaten tiyatronun ve dil problemi içinde olanlar. amacı da bu değil mi? Eleştirel olmak, Gördüğünüz gibi büyük toplumun yeni perspektifler sunmak ve bunu dilini iyi kullanamamak bir dezavantaj sanatsal anlatım yolları deneyerek ve oluşturuyor. Tartışmasız kabul eğlendirerek yapmak... gören bir tespit bu. Yaşlılar tiyatro gruplarında da yoğun Onbeş yıl kadar önce Deneyimliler doğan, beş kuşaktır burada yaşayan olarak kullandığımız Augusto Boal’in Tiyatrosu’nun (Theater der Er- ve sonradan gelmiş her kim olursa “Ezilenlerin Tiyatro” metodlarını hem fahrungen, Berlin) katkılarıyla olsun bu topluluğa aittir görüşünden estetik hem de cesur buluyorum. Aynı Neukölln’de, Alman, İranlı, Leh, yola çıkıyoruz. Toplumun bütün zamanda biyografi tiyatrosu ve belgesel Litvanyalı, Macar ve Türkiyeli kesimlerinin ve yaş gruplarının tiyatro ana çalışma yöntemlerimizden. oyunculardan oluşan “Sultaniyeler” sahnede yeralabildikleri tiyatro olarak Bu yöntemlerle katılımcılarımızın (Die Sultaninen) amatör tiyatro anlıyorum Halk tiyatrosunu. Farklı getirdikleri yaşam hikayelerini sahneye grubunu kurduk. Bu çok kültürlü kültür çevrelerinden gelmiş ve farklı taşıyoruz. Bunların arasında bazen amatör tiyatro grubu hala bu dillere sahip oyuncular sahnede göç hikayeleri çoğunlukta olabiliyor. alanda az sayıda örnekten biridir. hep birlikte bir hikaye anlatmaya Katılımcıların biyografilerine bağlı Katılımcılarının hem yaşlılardan, çalışıyorlar. Burada süreç içersinde olarak oyunun konusu ortaya çıkıyor emeklilerden oluşması, hem farklı karşılaştığımız ve cevabını hep ve birlikte karar veriyoruz. Hikayeleri kültür çevrelerinden geliyor olmaları birlikte aramamız gereken şu sorular sahneye koyarken, katılımcıların hem de yıllarca oynamaya ve akla geliyor: Türkiyeliler, Suriyeliler, “kurban” olarak yansıtıldığı anlatım üretmeye devam ediyor olmalarıyla. İranlılar, Yunanlar v.b. bu topluma biçimlerini tercih etmiyoruz. Başka bir Ben de burada bu örnekten yola ait görülüyorlar mı? Aksanlı Almanca perspektiften bakmaya çalışıyoruz. Ama çıkarak yazıma devam edeceğim. konuşmak şive olarak sahneye şu açık ki kendi hayat hikayelerinin taşınabilir mi? Ağır aksanlı Almanca yazarı, rejisörü olma şansları Amatör tiyatro alanı aynı zamanda konuşan bir tiyatro sevdalısının tiyatro buluyor katılımcılar, amatör tiyatro sosyal politik yanı da olan bir çalışma yapması “halk tiyatrosu” kapsamına çalışmalarında. Boal’in dediği gibi, çerçevesi sunmakta. Burada gerçek girer mi? Yabancı olmak ne zaman tiyatroda anlaşılır olmak için klişeyi insanların hikayelerini onlarla birlikte sona erer? Bunun için bir yerde kaç yıl kullanabiliriz ama aynı zamanda sahneye taşımak çok heyecan verici ve yaşamak gerekir? oyunun içinde bu klişeyi de kırmalıyız. öğretici bir süreç. Genellikle Augusto Bunu çok kıymetli ve önemli bulmakla Boal’in metodlarıyla çalışıyorum. Kuşkusuz Almanca dilini ağır beraber, karmaşık ve çetrefilli olduğunu Sahnede “Hayatın provasını yapıyoruz” aksanla ve kıt sözcük dağarcığıyla kabul ediyorum... Boal’in dediği gibi. Belki bir ütopya konuşmak meşakkatli bir süreç. ama hayata geçirmeye çalıştığımız bu Hem kendini ifade etmek isteyen Bilindik toplumsal kategorileri kabul konseptte dezavantajları bir avantaja hem de dinleyen, anlamaya etmeyen, buna karşı çıkan bir tiyatro dönüştürmeye çalışıyoruz. çalışan için. Ama bence ilginç olan, alanı sunmaya çalışıyoruz. Bunun kolay buradan, bu farklı kültürel çevrelerin bir şey olmadığını kendi deneyimimden Bir yerde yabancı olmak karşılaşmasından ortaya çıkıyor. Tiyatronun çelişkiden, çatışmadan biliyorum. Ama, “buradayız, alanı terketmiyoruz!” diyoruz tiyatro ne zaman sona erer? hayat bulması gibi. Farklı deneyim gruplarımızla. “Rahatsız etsek de, ve arka planlara sahip kişilerin görünür olmaya devam edeceğiz!” Amatör tiyatro alanında bir nevi getirdikleri enerjinin toplamından diyoruz. İşte “Olmak ya da olmamak?”/ halk tiyatrosu yapıyoruz. Almanya’da çıkan oyun bize, bakış açımızı “Kalmak ya da kalmamak?” sorusu yaşayan toplumu oluşturan herkesin değiştirme imkanları sunmakta. burada devreye giriyor sanıyorum. kendini ifade etmek için tiyatro Farklı yaşam tarzlarına sahip farklı Bizim yaşamımız, bizim seçimlerimizin yapması, kültürünü geliştirmesi, kültürel arka planlardan gelen bir toplamı sonuçta... kültürel etkinliklere katılması katılımcılar, kendilerine dayatılan anayasal bir hak. Halk tiyatrosu hayatı kabul etmeyen kişiler bizim “Hala Almanca bilmeden tiyatro bütün bu kültürel ve dil çeşitliliğini tiyatro çalışmalarımızda bu dayatılan yapmak mümkün mü?” gibi sorularla sahneye yansıtan bir konsept olarak karşılaşabiliyoruz amatör tiyatro kabul görmekte. Buna göre burada alanında. Uzun yıllar, “Sultaniyeler” 18 І Empowerment
tiyatro grubuna katılmak isteyen Çatışmalar, çelişkiler, ayrımcılıklar, yeni katılımcılarla bir ön konuşma savaşlar, göçler, aşk, ölüm v.s. bir yapmam gerekti. “Sultaniyeler” tiyatro Bu yeni bir politik-sanatsal bakış tiyatronun tabii ki ana temalarıdır. grubunun üyelerinin farklı kültür açı ve belki bir gün hep birlikte Özellikle amatör tiyatroda yaratıcı çevrelerinden geldiğini, Almancaya ütopya gibi görünen bu dileği grup içinde bu sorunları yaşamış hakim olmayan üyelerin de bulunduğu gerçekleştireceğiz. katılımcılarla çalışmak, onların konusunda uyarmak zorunda kaldım. deneyimlerini teatral ve estetik Zira ilk provaya gelip hayal kırıklığına Bu yıl Türkiye’den sözleşmeyle işçi yorumla sahneye aktarmak çok heyecan uğrayıp ve grubu da hayal kırıklığına alımının başlamasının altmışıncı verici bir süreç. Bu hikayelerin içinde uğratarak gidenler oldu. Sadece dile yılı. İlk gelenler davetle gelmişlerdi. en güçlü ve en güncel olanları yolculuk yoğunlaşırsak, her iki taraf açısından Sonraları Türkiye’deki 1971, 1980 askeri hikayeleri, geri dönememe hikayeleri, da çok meşakkatli bir iletişim aracı darbeleriyle Avrupa’ya gelen politik bize göre. Bu yüzden çoğunluğun kabul seçmiş oluruz. Oysa, başka iletişim göçmenler, Kürt sığınmacılar ve son on gördüğü temaları ele almakla birlikte araçlarımız da mevcut. Hataları ve yıldır da totaliterleşen rejimden kaçıp azınlığın temalarından göç hikayelerini yanlış anlamaları da içeren, ayrım gelenlerle ve savaşlardan canlarını anlatmaya sahneye getirmeye gözetmeyen bir çalışma ortamı kurtarmak için gelen Suriyeliler ve devam edeceğiz. yaratabilirsek daha az yorucu ve Afganlarla göç hala devam ediyor. daha eğlenceli çalışabileceğimizin Her bir sığınmacı topluluğunu ayrı Bize dayatılan kimliklerimizle farkındayız. Bunu yapmak için ayrı değerlendirmek gerektiğini tanıtılmadığımız zaman göç sonrası yaratıcı süreçleri teşvik etmeye ve düşünüyorum. Çünkü geliş nedenleri tiyatro ütopyasına erişmiş olacağımızı aynı zamanda hoşgörülü olmaya ve biçimleri farklı. düşünüyorum. Daha çok karşılaşma ihtiyacımız var sadece. alanı, daha çok maddi destek ve daha Bu nedenle bizim yeni buluşma çok ufuk açıcı sahneleme olanaklarıyla Göç sonrası mekanlarına ve yeni hikaye anlatma biçimlerine ihtiyacımız var. birlikte tabii ki. tiyatro ütopyası Yoksa hikayeler üç bin yıldır aynı. “Hikayelerin sayısı dörttür” diyor Temelde toplumsal sorunları yerli ve Luis Borges: “Biri, en eski olanı, yiğit Hülya Karcı, Berlin ve Türkiye’de göçmen kategorilerine ayırmadan ele adamların kuşattıkları ve savundukları dramaturg, tiyatro pedagoğu, alan göç sonrası tiyatro kavramını bir kale kentin öyküsüdür (Troya). rejisör, oyun ve senaryo yazarı perspektif olarak görüyorum. Tıpkı İlkine bağlı bir başkası, bir dönüş olarak çalışmalarını sürdürmekte. bizim amatör tiyatro alanında yıllardır yolculuğunun öyküsüdür (Odysseus). egemen kültürün ayrımcı ve suçlayıcı Üçüncüsü, bir arayışın öyküsüdür www.hulyakarci.com bakış açısını eleştirerek yaptığımız (Altın Post). Sonuncusu, bir tanrının www.payizfilm.com tiyatro çalışmaları gibi. kurban edilişinin (İsa) öyküsü... Bize kalan zamanda onları anlatmayı sürdüreceğiz, değiştirerek.” (Gölgeye Övgü, Luis Borges, s.274) „Bleiben oder nicht bleiben?” Deutsche und türkische Künstler_innen tauschen sich seit Jahren aus. Deutsche Künstler_innen gehen in die Türkei, türkische Künstler_innen kommen nach Deutschland. Hier in Deutschland haben sie mehrere künstlerische Zusammenarbeiten kreiert und kreieren sie immer noch. Historisch gesehen gibt es sehr starke und komplizierte Verbindungen. Seit 60 Jahren setzt sich dieser gegenseitige Einfluss auf der Bühne sowie in allen Bereichen der Kultur fort. Seit sechzig Jahren hat sich innerhalb der in Deutschland lebenden türkischen Community eine reiche und intensive Theaterbewegung entwickelt. Und dies ist für uns heute ein Geschenk und eine Verantwortung. (…) Auf den folgenden Seiten können Sie den vollständigen Beitrag auf Deutsch lesen. 19 І Empowerment
BLEIBEN ODER NICHT BLEIBEN? Ich dachte, so was kann doch kein Theater sein. Was soll das denn werden? Inzwischen weiß ich, zum Schluss gibt es immer eine Aufführung. Das finde ich toll! Werner Daniel, Teilnehmer von der Theatergruppe Die Sultaninen, Theater der Erfahrungen Berlin D eutsche und türkische Künstler_innen tauschen sich seit Jahren aus. Deutsche Künstler_innen gehen in die Türkei, türkische Künstler_innen kommen haben, noch immer durch den Himmel nach Deutschland. Hier in Deutschland der Stadt streifen und den Staub des haben sie mehrere künstlerische Theaters über alle streuen, unabhängig Zusammenarbeiten kreiert und kreieren von ihrer Herkunft. Vielleicht trifft man sie immer noch. Historisch gesehen deshalb in Berlin gerade in der ersten gibt es sehr starke und komplizierte und zweiten Arbeiter_innengeneration Verbindungen. Seit 60 Jahren setzt aus der Türkei auf sehr wenige sich dieser gegenseitige Einfluss auf Menschen, die das Amateur- oder der Bühne sowie in allen Bereichen professionelle Theater nicht angerührt der Kultur fort. Seit sechzig Jahren und keinen Bühnenstaub geschluckt hat sich innerhalb der in Deutschland haben. Von Vasıf Öngören1, der in lebenden türkischen Community eine Berlin seine ersten Theaterproben in reiche und intensive Theaterbewegung Arbeiterinnenwohnheimen machte und entwickelt. Und dies ist für uns heute häufig die Berliner Mauer durchbrach, ein Geschenk und indem er Theaterstücke des Berliner eine Verantwortung. Ensembles besuchte und somit eine Theatertradition in der Türkei gründete, Das deutsche Theater ist mit den von bis hin zu unserem Fischladenbesitzer ihm geschaffenen Theatertheorien und in der Nachbarschaft sind viele seinen Dramatikern einer der Eck- Türk_innen mit dem Theater vertraut. pfeiler der Welttheatergeschichte. Es wird erzählt, dass diese Künstler_innen, Unsere Dozent_innen der Fakultät für Hülya Karci die mit ihren Stilen und Werken die Bildende Künste an der “Universität des Welttheatergeschichte mitgeprägt 9. September” in Izmir kamen größten- teils von der deutschen Theaterschule. Deshalb habe ich mich in der Theater- 1 Vasıf Öngören (1938-1984), der erste Praktiker des epischen Theaters in der Türkei. 20 І Empowerment
verfassungsmäßiges Recht, Theater zu machen, seine Kultur zu entwickeln und an kulturellen Aktivitäten teilzunehmen, um die eigene Persönlichkeit zu entfalten. Volkstheater wird als ein Konzept verstanden, das all diese kulturelle und sprachliche Vielfalt auf der Bühne widerspiegelt. Dementsprechend gehen wir davon aus, dass zu dieser szene nicht wie eine Fremde gefühlt, als ich hier nach Gesellschaft gehört, wer hier geboren wurde oder schon seit Berlin kam. Obgleich ich die deutsche Sprache noch nicht fünf Generationen hier lebt oder auch erst später im Leben beherrschte, war es für mich ein tolles Erlebnis, hier angekommen ist. Und so ist das Volkstheater auch ein die Theaterstücke, an deren dramaturgischen Analysen Theater, an dem alle Altersgruppen und Schichten der Ge- wir ausführlich an der Uni gearbeitet hatten, auf den sellschaft auf der Bühne teilnehmen können. Daraus folgt, Bühnen großer Theaterhäuser zu sehen. dass Schauspieler_innen aus unterschiedlichen Kultur- kreisen und mit unterschiedlichen Sprachen und Sprach- Nachdem ich beruflich als Dramaturgin und Bühnenautorin ebenen auf der Bühne eine gemeinsame Geschichte erzählen am türkischen Theater “Tiyatrom” gearbeitet hatte, begann können. Dabei kommen uns folgende Fragen in den Sinn, die ich im Bereich Amateurtheater zu arbeiten. Hier machte uns während der Theaterarbeit begegnet sind und auf die ich ganz neue Erfahrungen. Nachdem ich meine Theater- wir alle Antworten suchen sollten: Werden Türk_innen, arbeit lange Zeit in einem breiten Spektrum vom Vorschul- Syrer_innen, Iraner_innen, Griech_innen u. a. als Teil dieser kind bis zum Senior fortführte, arbeitete ich in den letzten Gesellschaft angesehen? Kann gebrochenes Deutsch als Jahren überwiegend mit Menschen, die gehandikapt sind: Dialekt auf die Bühne gebracht werden? Macht ein_e mit älteren Menschen, Menschen mit geistigen und körper- Theaterliebhaber_in, der/die Deutsch mit starkem Akzent lichen Behinderungen, Menschen mit Demenz, Menschen spricht, Theater im Rahmen des „Volkstheaters“? mit Lernschwierigkeiten, benachteiligten Frauen und Wann endet das Fremdsein in einer anderen Gesellschaft? Menschen mit Sprachproblemen. Wie wir selbst erfahren Wie viele Jahre muss man dafür an einem Ort leben? mussten, ist es ein Nachteil, die Sprache der Mehrheits- gesellschaft nicht gut sprechen zu können. Dies ist eine Natürlich ist es ein mühsamer Prozess, die deutsche Sprache allgemein unbestrittene Erkenntnis. mit starkem Akzent und begrenztem Wortschatz zu sprechen. Es ist sowohl für diejenigen anstrengend, die sich in der Vor etwa fünfzehn Jahren gründeten wir in Neukölln mit fremden Sprachen ausdrücken wollen, als auch für die- Unterstützung des Theaters der Erfahrungen (Berlin) die jenigen, die zuhören und versuchen, das Gesprochene zu Amateurtheatergruppe „Die Sultaninen”. Diese Theater- verstehen. Aber ich denke, dass trotzdem für alle Beteiligten gruppe besteht aus deutschen, iranischen, polnischen, interessante Erfahrungen aus der Begegnung dieser litauischen, ungarischen und türkischen Schauspieler_ verschiedenen Kulturkreise gemacht werden können. Wie innen. Diese vielfältige Amateurtheatergruppe ist noch eben auch das Theater von Widerspruch und Konflikt lebt. immer eines der wenigen Beispiele interkultureller Das gemeinsam geschaffene Theaterstück, das die Summe Theaterarbeit. Die Teilnehmer_innen sind Senior_innen der Energie ist, die von Menschen mit unterschiedlichen und Rentner_innen, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen Erfahrungen und Hintergründen eingebracht wird, bietet uns kommen und über Jahre hinweg gemeinsam Theater spielen neue Perspektiven, einen Perspektivwechsel. Teilnehmende und eigene Theaterstücke produzieren. Anhand dieses aus unterschiedlichen Kulturkreisen, mit unterschiedlichen Beispiels werde ich diesen Artikel hier fortsetzen. Lebensstilen, Menschen, die das ihnen aufgezwungene Leben nicht akzeptieren wollen, haben die Möglichkeit, sich diesen Der Bereich Amatuertheater bietet auch einen aufgezwungenen Lebensweisen und Stereotypen zu wider- Arbeitsrahmen mit gesellschaftspolitische Relevanz. Die setzen und ihre eigenen Perspektiven in unseren Theater- Geschichten realer Menschen hier mit ihnen auf die Bühne arbeiten auf die Bühne zu bringen. Manchmal passt es nicht zu bringen, ist ein sehr spannender und lehrreicher Prozess. zum Stereotyp oder es bricht das Stereotyp oder lässt sogar Überwiegend arbeite ich mit den Methoden von Augusto einen Traum wahr werden. Aber ist das nicht sowieso der Boal. „Wir proben für das Leben" auf der Bühne, wie Zweck des Theaters? Kritisch zu sein, neue Perspektiven zu Boal sagte. Vielleicht ist es eine Utopie, aber mit diesem bieten und dies durch Experimentieren mit künstlerischen Konzept, das wir umzusetzen versuchen, beabsichtigen wir Mitteln und Unterhaltung. im Idealfall, Nachteile in einen Vorteil umzuwandeln. Ästhetisch und zugleich gewagt finde ich Augusto Boals Wann endet das Fremdsein „Theater der Unterdrückten“-Methoden, die wir in Theater- in einer anderen Gesellschaft? gruppen für Senior_innen ausgiebig anwenden. Dabei zählen biographisches Theater und Dokumentar-Theater zu unseren Wir machen eine Art Volkstheater im Bereich des Amateur- Hauptarbeitsmethoden. Mit diesen Methoden bringen theaters. Es ist für jede_n, der/die in Deutschland lebt, ein wir die Lebensgeschichten unserer Teilnehmer_innen auf 22 І Empowerment
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