MITTEILUNGEN DES VERBANDES DER DEUTSCHEN HÖHLEN- UND KARSTFORSCHER E.V - NR. 4/2018 - VDHK

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MITTEILUNGEN DES VERBANDES DER DEUTSCHEN HÖHLEN- UND KARSTFORSCHER E.V - NR. 4/2018 - VDHK
Mitteilungen
                       des Verbandes
                 der deutschen Höhlen- und
                      Karstforscher e.V.

ISSN 0505-2211
H 20075              Nr. 4/2018        Jahrgang 64
                                         4. Quartal
MITTEILUNGEN DES VERBANDES DER DEUTSCHEN HÖHLEN- UND KARSTFORSCHER E.V - NR. 4/2018 - VDHK
Mitteilungen                                                                                     Tübinger Karstrunde 2018/2019
                                                                                                 Liebe Freunde von Karst und Höhle,
des Verbandes der deutschen                                                                      zu Ihrer Information und Terminplanung hier die noch anste-
                                                                                                 henden Vorträge im Rahmen der Karstrunde 2018/2019 des
Höhlen- und Karstforscher e. V.                                                                  Naturkundemuseums der Stadt Reutlingen und der Univer-
ISSN 0505-2211, Jahrgang 64, Nr. 4
                                                                                                 sität Tübingen.
                                                                                                 Alle Vorträge jeweils donnerstags um 19 Uhr im Naturkunde-
                                                                                                 museum in Reutlingen, Am Weibermarkt 4.

Inhalt                                                                                           Donnerstag, 17. Januar 2019
                                                                                                 Mitglieder des Höhlenvereins Blaubeuren
Lutz Koch, Stefan Voigt, Carsten Brauckmann und                                                  Forschungen im Steebschacht (Blaubeurer Alb)
Elke Gröning                                                                                     Donnerstag, 31. Januar 2019
Fossile Funde aus dem Nationalen Naturmonument                                                   Privatdozent Dr. Martin Trappe, Geographisches Institut der
Kluterthöhle (Ennepetal, Nordrhein-Westfalen)....................... 79                          Universität Eichstätt
                                                                                                 Karst und Höhlen auf Mallorca
Detlev K. Richter, Niels Jöns und Rolf D. Neuser                                                 Donnerstag, 14. Februar 2019
Kryogener Opal in Karbonathöhlen – Erstnachweis in der
                                                                                                 Michael Laumanns, Speläoclub Berlin
Zoolithenhöhle (Fränkische Schweiz, NE-Bayern) .................. 84
                                                                                                 Die größten Lavahöhlen Südost-Asiens: Tan Phu und der
                                                                                                 Krong No Volcanic Geopark im südlichen Vietnam
Tätigkeitsberichte .................................................................... 91
                                                                                                 Beste Grüße
Protokoll der 63. JHV des VdHK ........................................... 95                    Ihr
                                                                                                 Karl-Heinz Pfeffer
Personalia................................................................................. 99   Professor der Physischen Geographie i.R.
                                                                                                 Eberhard Karls-Universität Tübingen
Schriftenschau........................................................................ 103
                                                                                                 Redaktionsschlüsse der Mitteilungen – bitte beachten
Speleothek.............................................................................. 104     Heft 1: 1. Januar, Heft 2: 1. April, Heft 3: 1. Juli, Heft 4: 1. Oktober.

                                                                                                 Der Verband im Internet
                                                                                                 www.vdhk.de
                                                                                                 Bitte lesen Sie regelmäßig die dort bekanntgegebenen Veranstal-
                                                                                                 tungstermine.

                                                                                                 Abo der Verbandsmitteilungen
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                                                                                                 Mährlein, Idealweg 11, 90530 Wendelstein, Tel. 09129/8428,
Titelbild: Freigelegtes Korallenrelief in der Kluterthöhle;                                      schatzmeister@vdkh.de. Das Abonnement gilt jeweils für Heft
Foto Ulrich Brämer                                                                               1 - 4 eines jeden Jahrgangs.

Copyright                                                                                        Der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V. ist als gemein-
Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V.,                                           nützig anerkannt (Finanzamt für Körperschaften München, Steuernummer
München (VdHK)                                                                                   143/223/30554 gem. Bescheid vom 24.1.2014).
                                                                                                 Bankkonto (auch für Spenden)
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Alte Fuhrherrenstraße 5, 38678 Clausthal-Zellerfeld / Buntenbock                                 Ansprüchen Dritter frei.

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MITTEILUNGEN DES VERBANDES DER DEUTSCHEN HÖHLEN- UND KARSTFORSCHER E.V - NR. 4/2018 - VDHK
Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher                    64 (4)           79 - 83               München 2018

                     Fossile Funde aus dem Nationalen Naturmonument Kluterthöhle
                                    (Ennepetal, Nordrhein-Westfalen)
                                                          von
                            Lutz Koch, Stefan Voigt, Carsten Brauckmann und Elke Gröning

Kurzfassung                                                          Honsel-Schichten, die hier durch Rotschieferlagen vertreten
Am 3.8.2018 wurde der Entwurf des NRW-Ministeriums für               sind. Überlagert wird die Kalkplatte von flachmarinen fein- bis
Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz zur              mittelkörnigen Siliziklastika (Silt- und Sandsteine), so dass es
„Verordnung über das Nationale Naturmonument Klutert-                sich bei der sog. Unteren Kalkbank um ein Biostrom auf dem
höhlensystem“ für 40 Tage öffentlich ausgelegt. Damit stehen         externen Schelf des Rhenoherzynischen Beckens im Liegenden
die Kluterthöhle und die weiteren zum Kluterthöhlensystem            der im nördlichen Rechtsrheinischen Schiefergebirge verbrei-
gehörenden Höhlen vor einer besonderen Auszeichnung, die             teten mittel-/oberdevonischen Massenkalkkomplexe handelt
bislang lediglich zwei Objekte in Deutschland erhielten: die         (vgl. Koch et al. 2018b). Vergleiche mit fossilen Riffen aus dem
Ivenacker Eichen in Mecklenburg-Vorpommern und die Bruch-            Mitteldevon des Bergischen Landes und des Sauerlands haben
hauser Steine im Hochsauerlandkreis in Nordrhein-Westfalen           ergeben, dass es sich bei den in den Oberen Honsel-Schichten
(vgl. Steuerwald 1996). Die wichtigste Grundlage für die             vorkommenden Riffen, die mit einer Ausdehnung von mehre-
herausgehobene Bedeutung der Höhle ist die mitteldevonische,         ren hundert Metern bis zu wenigen Kilometern meist lokal be-
zu den Oberen Honsel-Schichten gehörende Riffkalklinse mit           grenzt waren, um sog. Plateau-Riffe handelt, die aufgrund einer
ihrem bizarren Karsthöhlensystem, vielfältigen Lösungsformen         hohen Absenkungsrate des Meeresbodens sowie der starken Se-
und fossilen Organismen, die überwiegend in Lebendposition           dimenteinträge über das Plattformstadium nicht hinauskamen.
erhalten sind: Stromatoporen, Korallen, Brachiopoden und
Nautiliden. Einige Faunenelemente, insbesondere die in grö-          Renaturierung der Kluterthöhle
ßerer Funddichte nachgewiesenen Nautiliden, werden nachfol-          Zwischen 2015 und 2017 wurde der ca. 1000 m lange Füh-
gend vorgestellt.                                                    rungsweg in der Kluterthöhle mit finanzieller Unterstützung
                                                                     der NRW-Stiftung in drei Bauabschnitten renaturiert. Zudem
Abstract                                                             wurde eine neue energieeffiziente LED-Beleuchtung installiert.
On 3.8.2018 the Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Na-          Nach Abschluss der Arbeiten wurden der Bohrstaub, der sich
tur und Verbraucherschutz of North Rhine-Westphalia (Minis-          bei Anbringung der Lampen an den Höhlenwänden abgesetzt
try for Ecology, Agriculture, Nature and Consumer Protection)        hatte, sowie die langjährigen Verunreinigungen mit Hilfe eines
made public the draft version of the „Verordnung über das Na-        Hochdruckreinigers beseitigt. Die dabei freigelegten Wandpar-
tionale Naturmonument Kluterthöhlensystem“ („Decree con-             tien eröffneten einen beeindruckenden Einblick sowohl in das
cerning the Klutert Cave System National Nature Monument“)           Biotop Korallen-Stromatoporen-Riff wie auch in die Struktur
for 40 days. With that the Klutert Cave as well as the additional    und den Aufbau der einzelnen Organismen. Besonders zu er-
caves of the whole Klutert Cave System are selected for a spe-       wähnen ist auch die über hunderte von Metern verfolgbare gut
cial decoration. Up to now only two further German sites were        in situ erhaltene Riffoberfläche (z. B. „Königsstraße“).
declared as national monuments by law: the Ivenacker Eichen          Da es sich bei den Ennepetaler Höhlen um reine Karsthöhlen
(Ivenack Oaks) in Mecklenburg-Vorpommern, and the Bruch-             handelt, in denen der Kalk durch Kohlensäure im Stillwasserbe-
hauser Steine (Bruchhausen Rocks) in North Rhine-Westphalia          reich unter dem Grundwasserspiegel chemisch aufgelöst worden
(Hochsauerlandkreis). The major reason for this particular im-       ist, sind alle Strukturen in besonderer Weise herauspräpariert
portance is the huge lens of Middle Devonian reef limestone of       worden. Hinzu kommt, dass die als Biostrom gebildeten, durch-
the Upper Honsel Beds with its bizarre system of karst hollows,      weg geringmächtigen Riffkalkplatten (max. 12 m im Bereich
different solution forms and fossil organisms, the latter mainly     der Kluterthöhle) zum Teil aus sehr unreinem Kalk bestehen,
preserved in living position: stromatoporids, corals, brachio-       der vor allem durch Tonsteineinlagerungen in weiten Bereichen
pods, and nautilids. Some of the more interesting faunal com-        geprägt ist. Untergeordnet finden sich zudem noch gering-
ponents, in particular the nautilids, are treated in detail.         mächtige Sandsteinhorizonte, die den paläozoischen Riffkör-
                                                                     per zusätzlich gliedern. Durch diese unterschiedliche Lithologie
Einleitung                                                           treten die Riff-Organismen besonders plastisch und farblich
Das Kluterthöhlensystem mit einer Gesamtganglänge von über           hervor. Zudem ermöglicht der Höhlenraum im Gegensatz zu
7000 m besteht aus den hydrologisch bzw. speläogenetisch mit-        anderen Aufschlüssen einen dreidimensionalen Einblick in das
einander verbundenen Einzelhöhlen Kluterthöhle (5.821 m),            Aufblühen und Vergehen des Ökosystems vor 385 Mio. Jahren
Bismarckhöhle (1.444 m), Russenhöhle (97 m), Russenbun-              (Immenhauser 2017). Aufgrund der besonderen Struktur und
ker (89 m), Wiedervereinigungshöhle, Schienenschluf und              Erhaltung des Riffkörpers wurde 2017 federführend vom Ar-
Spinnenloch (Voigt 1992), Ganglängen Stand Ende 2017.                beitskreis Kluterthöhle mit der Stadt Ennepetal und der Höh-
Das Höhlensystem wurde im Riffkalk der Oberen Honsel-                lenverwaltung beim Land Nordrhein-Westfalen beantragt, die
Schichten (Unter-Givetium) gebildet. Es befinden sich in ei-         Kluterthöhle als „Nationales Naturmonument“ auszuweisen.
ner im Klutertberg nach Norden einfallenden 12 m mächtigen           Mit der öffentlichen Auslegung der Endfassung der Verordnung
Riffkalk-Plattform. Diese liegt im Hangenden der Unteren             durch das Ministerium sollte dieses Ziel bald erreicht werden.
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MITTEILUNGEN DES VERBANDES DER DEUTSCHEN HÖHLEN- UND KARSTFORSCHER E.V - NR. 4/2018 - VDHK
Ausweisung des Kluterthöhlensystems als „Nationales Natur-
monument“
Der Entwurf der Begründung des Ministeriums vom 13.7.2018 für
die geplante Ausweisung des Kluterthöhlensystems als Nationales
Naturmonument nimmt die bisher publizierten Beobachtungen
und wissenschaftlichen Erkenntnisse auf und stellt die Besonder-
heiten und die Einmaligkeit heraus. Auszugsweise heißt es u. a.
wörtlich:

  „ ... Die Höhlenwände sind überzogen von fossilen riff-
  bildenden Organismen, die dreidimensional in den Raum
  hineinragen und überwiegend in Lebendposition verstei-
  nert sind. Dieser dreidimensionale, fossile Riffaufschluss
  ist bundesweit einzigartig und stellt darüber hinaus im
  europaweiten Vergleich eine außerordentliche Seltenheit
  dar. Durch dieses Alleinstellungsmerkmal kommt dem
  Kluterthöhlensystem eine nationale wie internationa-
  le Herausgehobenheit zu und begründet seine besondere
  Eigenart, Schönheit und Seltenheit auf nationaler Ebene.
  Aufgrund seiner Entstehungsgeschichte ist das Klutert-
  höhlensystem von außerordentlicher naturwissenschaft-
  licher und -geschichtlicher sowie speläologischer Bedeu-
  tung. Aus geologisch-geomorphologischer Sicht erlaubt
  das Höhlensystem das Studium diverser Lösungsformen
  sowie der Entstehung von Karsthöhlen in der phreatischen
  Zone. Darüber hinaus können anhand der hervorragend
  erhaltenen Fossilien in einzigartiger Art und Weise paläo-
  ökologische Studien betrieben werden, die Rückschlüsse
  auf devonische Umweltbedingungen und marine Lebens-
  gemeinschaften erlauben. Diese Umstände begründen die
  nationale Bedeutung des Kluterthöhlensystems für die
  naturwissenschaftliche und -geschichtliche Forschung. ...
  ... Dem Kluterthöhlensystem kommt aus wissenschaftli-
  chen und naturgeschichtlichen Gründen eine einzigartige              Abb. 1: „Tiefenbachgang“: Bizarr korrodierte Raumelemente in der
  und nationale Bedeutung zu, die seine Eignung als Natio-             Kluterthöhle; Foto Lutz Koch
  nales Naturmonument begründen. Mit der Rechtsverord-
  nung werden die geowissenschaftlichen, paläoökologischen
  und ökologischen Ansprüche an das Gebiet im Hinblick
  auf Schutz, Erhalt, Entwicklung und Forschung zusam-
  mengeführt. ...

Auch weitere bedeutende Aspekte des Kluterthöhlensystems wer-
den in der Verordnung des Ministeriums angeführt: Bedeutung
der Höhlengewässer für eine z.T. seltene Grundwasserfauna, der
historische Aspekt (u.a. die Höhlen als Schutzraum in Kriegszeiten)
und naturheilkundliche Aspekte der Speläotherapie (Kluterthöhle
als Heil- und Klimahöhle); ausführliche Zusammenfassung siehe
Koch et al. (2018b).

Stromatoporen, Korallen und Brachiopoden
Wie bereits erwähnt, wurden die Plateau-Riffe hauptsächlich von
Stromatoporen und Korallenkolonien gebildet. Rugose Korallen
und Bödenkorallen besetzten die Oberfläche. In riffnahen Berei-
chen bewegten sich gestreckte, leicht gekrümmte und locker ein-        Abb. 2: Fossilreicher Ausschnitt aus einer Wand der Kluterthöhle mit
gerollte Nautiliden. In Spalten und Rissen siedelten Brachiopoden      Stromatoporen-Bruchstücken, Bildhöhe ca. 60 cm; Foto Lutz Koch
und gelegentlich Gastropoden, ehe das nur wenige tausend Jahre
existierende Riff durch den Eintrag siliziklastischer Sedimente ver-   ten im Bereich des Kluterthöhlensystems und seiner Umgebung
schüttet wurde. Danach konnten sich noch einige Zeit Brachio-          gibt eine 180 cm hohe Fossiltafel im GeoPark-Center Ennepetal
podenbänke ausbilden, ehe die Menge des abgelagerten Materials         mit Abbildungen und Erläuterungen zu den einzelnen Tiergrup-
auch diese Biotope vernichtete (vgl. Koch 1992, Voigt 2010). Ei-       pen (Koch 2018; siehe auch online unter: http://www.l-koch.de/
nen guten Überblick der Gesamtfauna der Oberen Honsel-Schich-          tafl_geop3.pdf).
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Abb. 6: Brachiopode Stringocephalus (links) und tabulate Koralle Tham-
                                                                         nopora, Felswand am Talbahneinschnitt unterhalb der Kluterthöhle,
                                                                         Bildhöhe 4 cm; Foto Lutz Koch

Abb. 3: Höhlenwand mit Stromatoporen und tabulaten Korallenkolo-
nien, Kluterthöhle, Bildhöhe ca. 50 cm; Foto Lutz Koch

                                                                         Abb. 7: Orthocon-breviconer Nautilid mit Querschnitten der Kolonie-
Abb. 4: Tabulate Koloniekoralle Favosites, Kluterthöhle, Breite 20 cm;   koralle Disphyllum caespitosum (oben), Kluterthöhle Nr. Kh21, Länge 5
Foto Lutz Koch                                                           cm; Foto Lutz Koch

Abb. 5: Rugose Koloniekoralle Disphyllum, Kluterthöhle, Breite 25 cm;    Abb. 8 : Orthocon-breviconer Nautilid, Kluterthöhle Nr. Kh42, Länge
Foto Lutz Koch                                                           7,5 cm; Foto Stefan Voigt

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Abb. 12: Gyroconer Nautilid, Kluterthöhle Nr. Kh32, Phragmokon-
Abb. 9: Orthocon-breviconer Nautilid mit gut sichtbarem Sipho und        Bruchstück, etwa Medianschnitt. Länge 16 cm; Foto Lutz Koch
Querschnitten der Koloniekoralle Disphyllum caespitosum, Kluterthöhle
Nr. Kh20, Länge 7 cm; Foto Lutz Koch

                                                                         Abb. 13: Gyroconer Nautilid, Phragmokon teils überdeckt, etwa Median-
                                                                         schnitt, Kluterthöhle Nr. Kh2, Bildhöhe 15 cm; Foto Sophia Blech

Abb. 10: Cyrtoconer Nautilid, Phragmokon-Bruchstück, etwa Median-
schnitt, Kluterthöhle Nr. Kh15, Länge: 11 cm; Foto Lutz Koch

Abb. 11: Cyrtoconer Nautilid, Kluterthöhle Nr. Kh43 mit Brachiopode      Abb. 14: Gyroconer Nautilid, Phragmokon in zwei Teile zerbrochen,
Spinatrypa (rechts) sowie Bruchstücken von tabulaten Korallen (links),   etwa Medianschnitt, Kluterthöhle Nr. Kh24, Bildhöhe 13 cm; Foto
Bildbreite 20 cm; Foto Stefan Voigt                                      Sophia Blech

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wurden solche Gehäuse häufig pauschal zur Gattung Orthoceras ge-
                                                                         stellt. Während der Evolution der Nautiloidea begann bereits früh
                                                                         eine zunehmende Einrollung des Gehäuses: leicht gebogen (cyrto-
                                                                         con, Abb. 10 - 12), mehr gekrümmt und locker eingerollt (gyrocon,
                                                                         Abb. 13 - 15). In den Honsel-Schichten kommen cyrtocone und
                                                                         mehr oder weniger stark eingerollte (gyrocone) Exemplare am häu-
                                                                         figsten vor, selten sind Exemplare mit gestreckten (orthoconen) Ge-
                                                                         häusen, die dann stets eine breit-kurze (brevicone) Gestalt besitzen
                                                                         (Abb. 7 - 9).

                                                                         Dank
                                                                         Wir bedanken uns bei Sophia Blech (Koblenz) und Ulrich Brämer
                                                                         (Wuppertal), die uns einige Nautiliden-Fotos von Exemplaren aus
                                                                         der Kluterthöhle zur Verfügung stellten. Wertvolle Hinweise und
                                                                         Anmerkungen verdanken wir Svenja Böttcher (Dortmund) sowie
                                                                         Katrin Schüppel und Klaus Steuerwald (Krefeld). Schließlich gilt
                                                                         unser Dank Dr. Friedhart Knolle für die prompte und unbürokra-
                                                                         tische Manuskript-Annahme und redaktionelle Bearbeitung.

                                                                         Literatur
Abb. 15: Stark gyroconer Nautilid, Phragmokon-Bruchstück, Nabel sehr     Immel, H. (1998): Nautilus - ein lebendes Fossil tropischer Meere. – In:
weit, etwa Medianschnitt, Exemplar vergesellschaftet mit einer rugosen       Online-Begleitartikel zur Sonderausstellung „Von der Evolution ver-
Einzelkoralle (vorn), Kluterthöhle Nr. Kh33, Durchmesser 10 cm; Foto         gessen? – Lebende Fossilien“. http://userpage.fu-berlin.de/leinfelder/
Sophia Blech                                                                 palaeo_de/edu/lebfoss/nautilus/index.html
                                                                         Immenhauser, A. (2017): Devonisches Riff in der Kluterthöhle – Auswei-
Die Nautiliden-Funde                                                         sung als Nationales Monument. – Unveröff. Gutachten, 2 S., Bochum
Nautiliden gehörten in den Oberen Honsel-Schichten des nord-             Koch, L. (1992): 380 Millionen Jahre Erdgeschichte. Der Klutertberg und
westlichen Sauerlands bislang zu den eher seltenen Fossilfunden.             seine geologische Entwicklung. – In: Koch, L. (Hrsg.): Das Klutert-
Durch die Renaturierungsmaßnahmen in der Kluterthöhle und                    Buch: 11–36, v. d. Linnepe, Hagen
der damit verbundenen Säuberung der Höhlenwände (s.o.) konn-             Koch, L. (2018): Fossilien aus der Kluterthöhle, vom Klutertberg und aus
te jedoch die Funddichte erheblich gesteigert werden. So wurden              benachbarten Gebieten (Obere Honsel-Schichten, Mitteldevon). –
                                                                             Fossiltafel, Höhe 180 cm, Präsentation im GeoPark-Center Ennepetal,
allein im Bereich des Führungswegs über 50 Exemplare entdeckt,
                                                                             http://www.l-koch.de/tafl_geop3.pdf
vermessen und fotografiert, die zum Teil bereits auch beschrieben        Koch, L., Voigt, S. & Brauckmann, C. (2018a): Nautiliden aus der
und abgebildet wurden (Koch et al. 2018a, 2018b). Weiteres Mate-             Kluterthöhle (Ennepetal, Nordrhein-Westfalen), aus benachbarten
rial wird in dieser Arbeit vorgestellt (Abb. 7 - 15).                        Höhlen und weiteren Fundorten in Oberen Honsel-Schichten (Unter-
Nautiliden gehören zur Klasse Cephalopoda (Kopffüßer), Unter-                Givetium). – Geologie und Paläontologie in Westfalen 90 (im Druck)
klasse Nautiloidea (u. a. Ordnung Nautilida, Perlbootartige). Die        Koch, L., Voigt, S., Brauckmann, C. & Gröning, E. (2018b): Nau-
Klasse Cephalopoda tritt im Kambrium auf, die Ordnung Nauti-                 tiliden-Funde aus der Kluterthöhle und der Heilenbecker Höhle
lida erst im Unterdevon und ragt mit nur einer Gattung (Nautilus,            (Ennepetal, Nordrhein-Westfalen) mit einem Beitrag zum Lebens-
                                                                             raum der Nautiliden in den Korallen-Stromatoporen-Riffen der Obe-
Familie Nautilidae) bis in die Gegenwart.
                                                                             ren Honsel-Schichten (Unter-Givetium). – Dortmunder Beiträge zur
Fossil treten Nautiliden weltweit auf. Das Vorkommen des leben-              Landeskunde, naturwissenschaftliche Mitteilungen 48: 77-96
den Nautilus (deutsch als „Perlboot“ bezeichnet) ist beschränkt auf      Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbrau-
den Indischen und Pazifischen Ozean. Der rezente Nautilus gilt               cherschutz Nordrhein Westfalen (2018): Amtliche Begründung
aufgrund seiner geologischen Reichweite von 80 Mio. Jahren als               zu „Verordnung über das Nationale Naturmonument Kluterthöh-
„Lebendes Fossil“ (vgl. Immel 1998).                                         lensystem“ (NNM-VO Kluterthöhlensystem) – Entwurf. – Stand
Die Bestimmung und Beurteilung von Nautiliden ist meist schwie-              13.7.2018, Düsseldorf
rig, da für eine genaue Zuordnung bestimmte Merkmale erforder-           Steuerwald, K. (1996): Die Bruchhauser Steine – ein Denkmal mit Ver-
lich sind, wie u.a. ein Längsschnitt mit klaren Sipho-Strukturen             gangenheit. –Geologisches Jahrbuch A 144: 43-53
                                                                         Voigt, S. (1992): Das Klutert-Höhlensystem. Beschreibung und Entste-
sowie vermessbare Gehäuse (Nabelweite, Breite, Höhe etc.) und
                                                                             hung der Höhlen im Klutertberg. – In: Koch, L. (Hrsg.): Das Klutert-
Ornamentstrukturen. Da sämtliche in den Honsel-Schichten                     Buch: 37–72, v. d. Linnepe, Hagen
auftretenden Formen nicht modern revidiert sind, wird die Be-            Voigt, S. (2010): Höhlen und Karst in Ennepetal. – In: Voigt, S., Koch, L.
stimmung zusätzlich erschwert, denn es fehlen eindeutige Bestim-             & Kruse, L.: Höhlen und Karst in Ennepetal. Erdgeschichte, Kultur-
mungskriterien. Hinzu kommt bei Exemplaren aus Höhlen, dass sie              geschichte, Erforschungsgeschichte: 8–66
fest mit den Höhlenwänden verwachsen sind und aus Gründen des
Natur- und Denkmalschutzes nicht herausgelöst werden dürfen –            Autoren: Lutz Koch, Heinrich-Heine-Straße 5, 58256 Ennepetal,
so fehlen wichtige Bestimmungsmerkmale.                                  l-koch@t-online.de; Stefan Voigt, Arbeitskreis Kluterthöhle e. V.,
Wegen der genannten Schwierigkeiten muss man sich darauf be-             Burg 29, 58256 Ennepetal, info@galabau-voigt.de; Prof. Dr. Cars-
schränken, die vorhandenen Stücke nach ihrem Grad der Krüm-              ten Brauckmann, Institut für Geologie und Paläontologie, Techni-
mung bzw. Einrollung sowie ihrer Skulptur zusammenzustellen              sche Universität Clausthal, Leibnizstraße 10, 38678 Clausthal-Zel-
und, wenn möglich, wenigstens nach älteren Einteilungsprinzipien         lerfeld, carsten.brauckmann@tu-clausthal.de; Dr. Elke Gröning,
zu ordnen.                                                               Institut für Geologie und Paläontologie, Technische Universität
Die ursprünglichen paläozoischen Nautiliden besaßen meist                Clausthal, Leibnizstraße 10, 38678 Clausthal-Zellerfeld, elke.gro-
schlanke, gestreckte (orthocone) Gehäuse. In der älteren Literatur       ening@tu-clausthal.de
Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 64 (4)                                                                                                 83
MITTEILUNGEN DES VERBANDES DER DEUTSCHEN HÖHLEN- UND KARSTFORSCHER E.V - NR. 4/2018 - VDHK
Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher                     64 (4)            84 - 90                 München 2018

              Kryogener Opal in Karbonathöhlen – Erstnachweis in der Zoolithenhöhle
                                (Fränkische Schweiz, NE-Bayern)
                                                            von
                                     Detlev K. R ichter, Niels Jöns und Rolf D. Neuser

Kurzfassung                                                           Die vorliegende Studie zu kryogenem Opal wurde bei weiter-
Weiterführende mikrochemische Untersuchungen an weichsel-             führenden Untersuchungen an vorhandenen Zopfsintern (5
zeitlichen sphärolithischen Kryocalciten (mm-große Zopfsinter)        Proben) der Zoolithenhöhle gemacht. Diese sphärolithisch auf-
der Zoolithenhöhle (Dolomit als Wirtsgestein) haben Si-Anrei-         gebauten grobkörnigen Calcitaggregate sind erst 2013 entdeckt
cherungen an den Kristallgrenzen von Calcitfasern aufgedeckt.         worden und konnten aufgrund ihrer C/O-Zusammensetzung als
Nach elektronenmikroskopischen Aufnahmen handelt es sich              kryogene Bildungen erkannt werden (R ichter et al. 2014). Zum
dabei um dicht gepackte SiO2-Sphären von 50 - 200 nm Ø. Die-          Vergleich wurden einzelne Kryocalcite aus Kalkhöhlen des Rhei-
se röntgenamorphen SiO2-Anreicherungen werden als kryogener           nischen Schiefergebirges untersucht – jeweils eine Probe aus dem
Opal interpretiert. Pilotartige Studien an anderen weichselzeitli-    Malachitdom sowie der Heilenbecker Höhle (Abb. 1 und 2). Die
chen Kryocalciten aus Kalkhöhlen (Malachitdom, Heilenbecker           grobkörnigen (bis ca. 1 cm Ø) Kryocalcite mittel- und osteuropä-
Höhle) haben ebenfalls Opal-Sphären an Kristallgrenzen und in         ischer Höhlen sind durch sehr langsames Ausfrieren von Pools auf
Mikroporen gezeigt, so dass kein besonderer Lokaleffekt für die       Eis im Verlauf von Klimaschwankungen während der Weichsel-
Si-Herkunft in Frage kommt.                                           kaltzeit gebildet worden. Sie zeichnen sich durch leichte O-Isoto-
Als Interpretation bieten sich Verwitterungsprozesse im Boden         penzusammensetzung aus (bis ca. 20 ‰ d18O VPDB) und geben
oberhalb der Höhlen und Anreicherungen der gelösten Stoffe            für die Einzelkollektive charakteristische Trends wieder, indem
oberhalb einer teilgelösten Permafrostzone an. Beim erneuten          die Kryocalcite mit leichterer O- Isotopenzusammensetzung eine
Ausfrieren von Wasserbecken auf Höhleneis wird dann Opal A            etwas schwerere C-Isotopenzusammensetzung aufweisen (u.a.
nach erster Kryocalcitphase ausgeschieden.                            Ž ák et al. 2012, 2018; R ichter et al. 2013; vgl. Abb. 3). In ein-
                                                                      zelnen Kryocalcitaggregaten (Zopfsinter) ist nach R ichter &
Abstract                                                              R iechelmann (2008 - vgl. orangene Linie beim Calcitkollektiv
Microchemical investigations of Weichselian cryogenic cal-
cites (especially mm-sized “braided sinter”) of Zoolithen Cave
(hostrock dolomitic) revealed Si-rich phases on crystal faces of
calcite. Scanning electron microscopy shows that they are SiO2
spheres of 50 - 200 nm in diameter. As these spheres show a
broad amorphous SiO2 peak in X-ray diffraction, they are inter-
preted as cryogenic opal. A test of different other caves (Mala-
chitdom Cave, Heilenbecker Cave) demonstrates occurrence of
similar opaline spheres on crystal faces and in micropores docu-
menting the non-local character of this feature with different
host rocks and sources of Si.
Weathering and disintegration of overlying soils are attributed
to cause an enrichment of dissolved matter in a superficial per-
mafrost zone being partly molten. During a later re-freezing of
pools on cave ice cryogenic calcite was formed followed by the
growth of opaline spheres.

Einführung
SiO2-Speläotheme sind im Vergleich zu den karbonatischen
Äquivalenten relativ selten, aber global besonders in warm-
feuchten Gebieten silikathaltiger Gesteine (vorwiegend Sand-
steine und Quarzite) weit verbreitet (Wray 1997). Die meist
aus Opal A zusammengesetzten Speläotheme können nach der
Zusammenstellung von Hill & Forti (1997) als „coatings,
crysts, anthodites, columns, conulites, coralloids, flowstone,
helictites, stalactites and stalagmites“ vorliegen. Bei karbona-
tischen Speläothemen dominieren Calcit in Kalkhöhlen und
Mg-haltiger Calcit sowie Aragonit in Dolomithöhlen, aber nach
                                                                      Abb. 1: Lage der Zoolithenhöhle im Rahmen der bislang bekannten
Mills (1965) kann Opal in calcitischen Stalaktiten und Sta-           deutschen Höhlen mit grobkörnigen kryogenen Calciten zwischen
lagmiten bandartig auftreten. Präzise petrographische Angaben         nordischer und alpiner Vereisung (weichselzeitliche Situation) (nach
zum speläogenen Opal scheinen nach den Ausführungen von               R ichter et al. 2017a, b mit Ergänzungen). Rote Markierungen:
Hill & Forti (1997) bislang zu fehlen.                                Höhlen mit kryogenem Opal A.

84                                                                                         Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 64 (4)
MITTEILUNGEN DES VERBANDES DER DEUTSCHEN HÖHLEN- UND KARSTFORSCHER E.V - NR. 4/2018 - VDHK
des Malachitdoms) ein steilerer Gradient vorhanden. Als Über-        che Alter für die Ausfrierzeiten von Pools (R ichter et al. 2014,
blick der Genese grobkörniger Kryocalcite dient die Ereignis-        2017a, 2018a, b) und markieren aufgrund der Fundsituationen
Folge in Abb. 4.                                                     30 - 70 m Mindestdicke für den Permafrostboden des Periglazi-
                                                                     algebiets zwischen nordischer und alpiner Vereisung (vgl. Ž ák et
Kryocalcite in Höhlen der Frankenalb                                 al. 2012, 2018).
In den oberjurassischen Karbonatserien der Frankenalb – beson-
ders im Frankendolomit – sind bislang vier Höhlen mit kryocalci-
tischen Speläopartikeln bekannt (Abb. 1). 230Th/U-Datierungen
an den Kryocalciten belegen mit 27,5 bis 32,2 ka weichselzeitli-

                                                                     Abb. 3: C/O-Isotopentrends für ausgewählte Kryocalcit-Kollektive
                                                                     mitteleuropäischer Höhlen nach Daten von R ichter et al. (2013,
                                                                     2017a, b). Die hier berücksichtigten Vorkommen – Zoolithenhöhle,
                                                                     Malachitdom, Heilenbecker Höhle – sind rot markiert. Die orange-
                                                                     ne Linie beim Malachitdom-Trend zeigt den C/O-Gradienten inner-
                                                                     halb eines Sphäroliths von innen nach außen.

Abb. 2: Rasterelektronenmikroskopische (FE-SEM) Aufnahmen
von kryogenen Sphärolithen. a: Zopfsinter mit finalem Aragonit-
Sphärolith (A) der Zoolithenhöhle, b: Zopfsinter des Malachitdoms,   Abb. 4: Ereignis-Folge zum Verdeutlichen der Genese grobkörniger
c: Zopfsinter der Heilenbecker Höhle.                                Kryocalcite (nach Ž ák et al. 2012 und R ichter et al. 2014)

Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 64 (4)                                                                                    85
MITTEILUNGEN DES VERBANDES DER DEUTSCHEN HÖHLEN- UND KARSTFORSCHER E.V - NR. 4/2018 - VDHK
Abb. 5: Aufsichtsplan der Zoolithenhöhle nach Dreyer (2000) und
Position der im Text erwähnten Höhlenbereiche

Fundort und allgemeine Kryocalcitfakten
Das Kryocalcitvorkommen der Zoolithenhöhle befindet sich in
der nur etwa 3 x 2 m großen Bärenkammer zwischen der Lö-
wengrube im Westen und der Lehmhalle im Südosten (vgl. Abb.
5). Wichtige Parameter allgemeiner Art sind (vgl. R ichter et al.
2014):
Wirtsgestein     Mikro- bis makrokristalliner oberjurassischer
                 Frankendolomit
Eingangsniveau 455 m über NHN oberhalb des Wiesenttals
                 (310 m über NHN)
Höhlentyp		Labyrinthisch mit Laugformen
Überdeckung      30 m Dolomit und bis zu 3 m                        Abb. 6: Si- und Mg-Verteilungen sphärolithischer Kryocalcite. a/b:
                 Mischsediment aus Verwitterungsrückständen         Sphärolith eines Zopfsinters der Zoolithenhöhle, Probe Zoo-Cryo-B
		kretazisch/tertiärer Sedimente mit quartärem                      (A: Faserquer-/diagonal-Schnitte, B: Faserlängsschnitte, HL: verfes-
                 Löss/Lösslehm, überdeckt von                       tigter Höhlenlehm), c/d: Einzelsphärolith des Malachitdoms, Pro-
                 Parabraunerde-Böden                                be 5 KB-IV (A: Faserlängsschnitte, B: Faserdiagonalschnitte, HL:
Höhlensediment Knochenreicher Höhlenlehm, teilweise                 verfestigter Höhlenlehm), e/f: Aggregat (Probe Hei 2) mit Kom-
                 überdeckt von postglazialem Sinter                 positsphärolith (A: innen rhomboedrisch, außen grobfaserig) und
                                                                    rhomboedrischen Kryocalciten (B) der Heilenbecker Höhle (HL:
                 (Flowstone und kleine Stalagmiten)
                                                                    verfestigter Höhlenlehm). Quantitative Punktanalysen 1 - 9 siehe
Kryocalcittypen Mehrheitlich Sphärolithe der                        Tab. 1.
                 Sphärolith-Formengruppe, untergeordnet
                 Rhomboederaggregate der Rhomboeder-                Röntgenintensität bei der Rohdatenermittlung berücksichtigt
                 Formengruppe                                       (sog. Time dependent intensity-Methode). Die Quantifizierun-
Kryocalcitgröße 0,2 - 20 mm Ø                                       gen der Rohdaten erfolgten nach Merlet (1994). Verwendete
230
    Th/U-Alter   Zopfsinter (Sphärolith-Formengruppe) 28,75 ka      Referenzmaterialien waren natürliche Minerale (Jarosewich
                                                                    et al. 1980, Jarosewich & M acintyre 1983, Jarosewich &
Die Kryocalcite sind in Pools auf Eis in der Löwengrube gebildet    White 1987). Für Elementverteilungsbilder wurde mit 15 kV
und beim Schmelzen des Eiskörpers in die Bärenkammer umge-          Beschleunigungsspannung und 80 - 100 nA Probenstrom ge-
lagert worden.                                                      arbeitet.

Methodik                                                            Die C/O-Isotopenzusammensetzungen wurden mit einem Mas-
Die Untersuchungen der Mikrostrukturen von Ober- und                senspektrometer MAT 253 (Finnigan MAT) analysiert (V-PDB).
Bruchflächen der Zopfsinter wurden mit einem hochauflösenden        Die Kathodolumineszenzeigenschaften der Karbonate wurden
Feldemissions-Rasterelektronenmikroskop (HR-FE-SEM) vom             mit einem Heißkathoden-Kathodolumineszenz-Mikroskop (Typ
Typ LEO/Zeiss 1530 Gemini mit energiedispersivem Analyse-           HC1-LM LUMIC, Neuser 1995, 1996) analysiert und doku-
zusatz (EDX) durchgeführt.                                          mentiert.

Die Elementanalysen erfolgten mit einer Cameca SX Five FE-          Die Visualisierung des Organikanteils erfolgte mit einem Leica
Elektronen-Mikrosonde (EMP). Die Mikrosonde ist mit fünf            DM4500P-Mikroskop, das mit einer Mercury short-arc-Reflek-
wellenlängendispersiven Spektrometern sowie einem energie-          torlampe und einer kompakten Leica EL6000-Lichtquelle ausge-
dispersiven SDD-Detektor kombiniert. Apparative Bedingun-           stattet wurde (Hoffmann et al. 2016).
gen für die quantitative Analytik: 10 kV Beschleunigungsspan-
nung, 15 nA Probenstrom bei einem auf 3 μm defokussierten           Für die Röntgenanalysen (XRD) kam ein Pananalytical MPD
Elektronenstrahl. Aufgrund der Strahlempfindlichkeit von            Bragg-Brentano-Diffraktometer unter Verwendung von CuK α -
Karbonatmineralen wurde die zeitabhängige Änderung der              Strahlung zum Einsatz.
86                                                                                       Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 64 (4)
Tab. 1: EMP-Elementanalysen
                                                                                                     – Probenpunkte siehe Abb. 6

Ergebnisse
Elementverteilung
Die mittels EMP an Dünnschliffen von Sphärolithen ermittelten
Elementverteilungskarten (Abb. 6) haben zu teilweise überra-
schenden Verteilungsmustern geführt:
a. Der Mg-Anteil nimmt vom Zentrum zur Peripherie zu (Abb.
6b), was sich mit der Annahme zunehmenden Ausfrierens von
Pools und damit einhergehender Mg-Zunahme in den Restlösun-
gen wie in den daraus gebildeten Calciten decken würde. Diese
Mg-Gehalte sind offensichtlich an die Calcitfasern gebunden, da
die höchsten Mg-Anteile an der Peripherie des Sphäroliths keine
Elemente außer Mg und Ca führen. Zudem nimmt innerhalb
der Fasern sowohl in Quer- wie in Längsschnitten der Mg-Anteil
von den Zentral- zu den Randbereichen zu (2 und 1 in Abb. 6b).
b. Der Si-Anteil nimmt insgesamt vom Zentrum zur Peripherie
ab, um in der äußersten Mg-reichsten Zone gänzlich zu fehlen
(Abb. 6a). Im Inneren des Sphäroliths zeichnen die Si-Vertei-
lungen hexagonale Schnitte nach. Verschiedene Schnitte lassen
einen internen Aufbau aus subparallelen dreiseitigen „Prismen“
erkennen (A: Querschnitt , B: Längsschnitt in Abb. 6a).

Organikverteilung
Die organikreichsten Partien (hellgrün in Abb. 7) stellen zer-
brochene dünne Lagen dar, die im Inneren der Sphärolithe kon-
serviert vorliegen. Diese Lagen sind sehr pigmentreich, was auf
einen hohen Anteil an submikroskopischen Partikeln (feinstes
siliziklastisches Material, Fe-Oxihydrate und Organik) zurück-
geführt wird. Als Herkunft und Transportart für dieses Material
kommt einerseits der Eintrag über Tropfwässer aus dem Boden       Abb. 7: Dünnschlifffotos eines hantelförmigen Sphäroliths mit zer-
oberhalb der Höhle und die Umlagerung feinster Partikel über      brochener dünner Lage. a: Durchlicht mit gekreuzten Polarisatoren,
die Bewetterung innerhalb der Höhle in Betracht. Da es Lagen      Pfeile markieren Calcitfasern innerhalb der Lage; b: Fluoreszenzmi-
innerhalb von kryogenen Calciten sind, sollte es sich primär      kroskopische Aufnahme.
um feinstkörnige Ablagerungen in „eismatschreichen Pfützen“       tallgitter gegenüber idealem Calcit – Bestimmung siehe R ichter
– vergleichbar mit Gletschersümpfen – handeln. Die dünnen         et al. 2014) kein Si-haltiges Mineral identifiziert werden konnte,
Lagen können bei weiterem Auftauen zerbrochen und später in       wurden Si-haltige Sphärolithe aufgebrochen und die Bruchflä-
durch Ausfrieren der Pools gebildeten Calcit-Sphärolithen kon-    chen mit dem FE-SEM und EDX untersucht. Hier wurden bei
serviert worden sein (Abb. 7). Innerhalb der Calcitfasern der     hohen Vergrößerungen 50 - 200 nm kleine Kügelchen auf Calcit-
Sphärolithe gibt es eine signifikante Organikverteilung, da der   flächen (in Abb. 8a und auf faserigem Calcit in Abb. 8b) sichtbar.
Organikanteil mit zunehmenden Wachstum abnimmt (Abb. 7).          Die zuvor beschriebenen Kügelchen enthielten als Kation Si, so
Dieser Trend ist gegenläufig zur Mg-Verteilung (s. Elementver-    dass es sich um eine SiO2-Modifikation handeln musste. Da im
teilung), was einen abnehmenden Organikanteil bei Erhöhung        XRD keine kristallinen SiO2-Modifikationen zu beobachten wa-
des Mg-Gehalts im Poolwasser bei fortgesetztem Ausfrieren des     ren, kann es sich bei den Kügelchen nur um röntgenamorphen
Pools widerspiegelt.                                              Opal handeln.

Strukturierung mit einem Rasterelektronenmikroskop                Diskussion zum Opal
Da in hier untersuchten Sphärolithen bei Röntgendiffraktometer    Nach der SiO2-Klassifikation von Flörke et al. (1991) gibt
(XRD)-Aufnahmen neben Mg-haltigem Calcit (kleineres Kris-         es amorphen Opal A und kristallinen Opal CT (Cristobalit/
Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 64 (4)                                                                                   87
mehr punktuell über den gesamten Schnitt verteilt (Abb. 6c). Da
                                                                    nichtkarbonatische Komponenten in pauschalen Diffraktometer-
                                                                    untersuchungen nicht eindeutig zu identifizieren sind, werden die
                                                                    meist ˂ 10 µm großen Komponenten über deren Form und Si-
                                                                    Anteil interpretiert. Isometrische Komponenten sind häufig Si-
                                                                    reich (rot), während langgestreckte Komponenten Si-ärmer sind
                                                                    (meist hellblau). Wahrscheinlich handelt es sich um feinstver-
                                                                    teilten silikatischen Detritus (Quarz, Phyllosilikate). Neugebil-
                                                                    dete opaline Sphären konnten mit dem FE-SEM in Mikroporen
                                                                    beobachtet werden (Abb. 8c), womit SiO2 beim Sphärolith des
                                                                    Malachitdoms im Quarzdetritus und in Opal-Sphären vorliegt.

                                                                    Heilenbecker Höhle
                                                                    Beim Kryocalcitmaterial aus der Heilenbecker Höhle handelt es sich
                                                                    um einen calcitisch zementierten Kristallsand, wobei zwei Kristall-
Abb. 8: Rasterelektronenmikroskopische (FE-SEM) Aufnahmen           typen unterschieden werden können (A und B in Abb. 6e/f).
von Sphärolithbruchstücken mit Opal A-Sphären auf Karbonatflä-      Typ A ist annähernd senkrecht zur c-Achse geschnitten und zeigt
chen sowie Mikroporen. a/b: Zoolithenhöhle, c: Malachitdom, d:      eine Kristallformveränderung von einer dreiseitigen zu einer
Heilenbecker Höhle.                                                 sechsseitigen Form (Prismen- oder sehr steile Rhomboederflä-
                                                                    chen). Zur Diskussion über die vielfältige Kristallform von Cal-
Tridymit). Die amorphe Modifikation setzt sich nach der struktu-    citen in Karbonathöhlen sei auf die Diskussion der mehrjährigen
rellen Erstbeschreibung von Jones et al. (1964) aus dichtgepack-    Monitoringergebnisse von R iechelmann et al. (2014) verwiesen.
ten SiO2-Sphären von 200 - 300 nm Durchmesser zusammen,             Typ A beginnt mit einer Si- und Mg-armen skelettösen Ausbil-
was in der Größenordnung durchaus den in Abb. 8 dokumentier-        dung, worauf eine moderat Mg-führende (blau in Abb. 6f) und
ten Sphären in den Kryocalcit-Sphärolithen der Zoolithenhöhle       Si-reichere (grün/gelb/rot in Abb. 6e) Calcitphase folgt. Beson-
entspricht. Nach einem Review von Graetsch (1994) werden            ders interessant ist die darauf folgende Mg-reichere (grün bis rot
derartige Silica-Sphären in mit SiO2 übersättigten niedrigstener-   in Abb. 6f) sowie „fleckig“ verteilte Si-haltige (blau bis gelb in
getischen Lösungen gebildet und sind aufgrund ihrer weichen         Abb. 6e) Anschlussphase. In dieser Zone sind die Si-Anreiche-
Bildungskonsistenz wenig erhaltungsfähig.                           rungen wie beim Sphärolith der Zoolithenhöhle an Kristallflä-
Im Fall der Zoolithenhöhle sind die opalinen Sphären erst nach      chen gebunden (Pfeile in Abb. 6e). Der Typ A wird von einer un-
einer ersten faserigen Calcitphase besonders zwischen Calcitfa-     terschiedlich Mg- und Si-haltigen Zonarabfolge abgeschlossen.
sern gebildet und damit vor Kompaktion geschützt worden. Mit        Typ B zeigt einfacher zonierte Kristalle (Abb. 6e). Die Kerne be-
zunehmendem Einfrieren der Pools auf Eis (vgl. Kryocalcite in       stehen aus Mg-armem Calcit, wobei unterschiedliche Si-Anteile
Höhlen der Frankenalb) hat der Mg-Anteil in den Calcitfasern        (hell/dunkelbau) wiederum vorrangig an Kristallflächen gebun-
zugenommen (Evaporationseffekt) und die SiO2-Sphärenbildung         den zu sein scheinen.
abgenommen (Erschöpfung des SiO2-Reservoirs). Diese Vertei-         Die FE-SEM-Untersuchungen von Kryocalciten der Heilenbe-
lung belegt eine kryogene Genese des Opal A in den Kryocalcit-      cker Höhle mussten an Parallelproben durchgeführt werden, da
sphärolithen der Zoolithenhöhle.                                    das Material von Abb. 6e/f aufgebraucht war. Aber an Bruchflä-
                                                                    chen von Sphärolithen sowie Rhomboederkristallen ließen sich
Vergleich mit kryogenen Calciten anderer Vorkommen                  wiederum opaline Sphären beobachten (Abb. 8d).
Zu Vergleichszwecken wurden mit der Mikrosonde Elementver-
teilungskarten an Schnitten von kryogenen Calciten aus zwei         Zusammenfassende Diskussion
Kalkhöhlen (Wirtsgesteine: mitteldevonische Flachwasserkalke)       In sphärolithischen Kryocalciten der in oberjurassischen Dolomi-
erstellt – a: Malachitdom, b: Heilenbecker Höhle (Nr. 2 und 8       ten gelegenen Zoolithenhöhle wurden erstmals opaline Sphären
in Abb. 1). Der Ausfriercharakter der weichselzeitlichen Calci-     nachgewiesen. Dieser Opal A ist in der Ausfrierungsabfolge nach
te (a: 14.5 - 15.6 ka, b: 31.3 ka) ist für beide Vorkommen über     einer ersten Calcitphase gebildet worden und in der äußersten
die anormale O18-Isotopenzusammensetzung belegt (bis -16 ‰          Mg-reichsten Calcitphase nicht mehr nachweisbar. Offensicht-
VPDB nach R ichter & R iechelmann (2008) und R ichter et            lich war das Si-Angebot im Verlauf des Ausfrierens von Pools auf
al. (2008).                                                         dem Eis aufgebraucht und es konnte sich nur noch Mg-reicher
                                                                    Calcit bilden.
Malachitdom                                                         Bei der Suche nach dem Herkunftsmaterial des Si wurde zu-
Die Dünnschliff-Probe aus dem Malachitdom wurde knapp               nächst an aufgelöste SiO2-Knollen im Frankendolomit gedacht.
neben dem Zentrum eines Sphäroliths entnommen. Sie weist            Daher wurden Kryocalcite aus zwei Kalkhöhlen zusätzlich un-
in Längs- bis Diagonalschnitten (A in Abb. 6d) sowie in Quer-       tersucht. Opaline Sphären in Kryocalciten der in mitteldevoni-
schnitten (B in Abb. 6d) in Zentralbereichen der Calcitfasern die   schen Kalken gelegenen Heilenbecker Höhle ließen aber nur eine
geringsten (dunkelblau) und in Randbereichen der Calcitfasern       überregionale Interpretation hinsichtlich der Si-Quelle zu. Dabei
die höchsten (hellblau) Mg-Gehalte auf. Dieses Muster ist durch     kommt der vergleichbaren Überdeckung der Wirtsgesteine eine
nach der c-Achse schnell wachsende Calcite mit primär hoher         besondere Bedeutung zu. Es handelt sich um Mischsedimente
Porosität zwischen den Fasern zu erklären, wobei die Porosität      aus Verwitterungsrückständen mesozoisch/tertiärer Sedimente
anschließend durch eine etwas Mg-reichere Calcitphase versie-       mit quartärem Löss/Lösslehm, überdeckt von Parabraunerde-
gelt wird. Erhöhte Si-Anteile sind hier nicht an Kristallflächen,   Boden. Derartige Überdeckungen sorgen durchaus für Si-haltige
wie bei den Sphärolithen der Zoolithenhöhle, gebunden, sondern      Tropfwässer in Höhlen, die in Karbonathöhlen allerdings sehr
88                                                                                       Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 64 (4)
niedrig sind. Nach noch laufenden mehrjährigen Monitorings             zenzmikroskopie und noch nicht publizierten Fakten) an, um
zur Zusammensetzung von Tropfwässern in Höhlen der Fränki-             dann im Verlauf der fortschreitenden Kristallisation zunehmend
schen Schweiz (Zoolithenhöhle sowie Kleine Teufelshöhle) füh-          Mg einzubauen (Kalkhöhlen: R ichter & R iechelmann 2008,
ren die Wässer weniger als 10 ppm Si, was mit den Si-Gehalten          Dolomithöhlen: vorliegende Studie). Als letzte kryogene Karbo-
von 1,9 - 4,1 mg/l der Grundwässer des unbedeckten bis teilbe-         natphase kristallisiert in der Zoolithenhöhle Aragonit (R ichter
deckten Malms der Frankenalb (Wagner et al. 2003) durchaus             et al. 2018b; s. Abb. 2a). Innerhalb dieser Kristallisationsabfolge
im Einklang steht. Auch in anderen Karbonatgebieten Europas            hat die Opal A-Genese nach einer ersten Calcitphase begonnen,
sind die Tropfwässer ähnlich Si-arm, z.B. Nerja-Höhle in Süd-          um vor der finalen Kryocalcitgenese zu enden. In dieser zeitli-
spanien mit etwa 10 ppm SiO2 (Carrasco 1993).                          chen Einordnung ist der Beleg der kryogenen Genese von amor-
Zur Interpretation muss auch die klimatische Entwicklung im            phem Opal in Karbonathöhlen zu sehen (Abb. 10).
weichselzeitlichen Periglazialgebiet zwischen alpinem und nor-
dischem Vereisungsgebiet berücksichtigt werden. Die Prozesse
von chemischer und biochemischer Verwitterung verlaufen in
den Bodenbereichen des betrachteten Raums bekanntlich we-
nig intensiv, aber in Interstadial- gegenüber Stadialzeiten etwas
wirkungsvoller. Dabei werden die freigesetzten Elemente wie Ca,
Mg, Si und andere normalerweise über das Sickerwasser dem
Grundwasser zugeführt. Wenn jedoch eine Permafrostzone im
Untergrund vorliegt, gibt es eine Sperre und Elemente sowie ge-
löste Organik können sich anreichern. Dieses Prozedere war im
betrachteten Raum besonders zwischen 72 und 17 ka vor heute
der Fall (Abb. 9). In der Zeit von 72 - 61 ka gab es nach Liedtke
(1993) und Vandenberghe & Pissart (1993) einen kontinuierli-
chen Permafrost, der nach einer Literaturkompilation von Ž ák et       Abb. 10: Mineralisationsabfolge eines ausfrierenden Pools der Zoolithen-
al. (2012) bis über 100 m in die Tiefe gereicht hat.                   höhle

                                                                       Ausblick
                                                                       Zur statistisch abgesicherten präzisen Entschlüsselung des Aus-
                                                                       frierprozesses weichselzeitlicher Pools in Höhlen des Periglazi-
                                                                       algebiets von Mitteleuropa müssen natürlich mehr Kryocalcit-
                                                                       vorkommen hinsichtlich ihrer Elementverteilungen untersucht
                                                                       werden. Dabei sollte es sich auch ergeben, ob die Kryocalcit-
                                                                       Gemeinschaft des jeweiligen Vorkommens mono- oder poly-
                                                                       mikt vorliegt. Darüber hinaus sollten alle bisher bekannten
                                                                       Kryocalcitvorkommen Deutschlands (Abb. 1) analog bearbeitet
                                                                       werden (Material liegt vor), um eine umfassende Aussage zur
                                                                       weichselzeitlichen Klimageschichte zwischen skandinavischem
                                                                       und alpinem Vereisungsgebiet zu gewinnen. Idealerweise könn-
                                                                       ten bei diesen Untersuchungen auch die vielen Vorkommen des
Abb. 9: Korrelation der 230Th/U-Datierungen sphärolithischer           östlichen Mitteleuropa sowie Osteuropas (Ž ák et al. 2018) mit
Kryocalcite der Zoolithenhöhle (R ichter et al. 2014), des Mala-       einbezogen werden.
chitdoms (R ichter & R iechelmann (2008) und der Heilenbecker
Höhle (R ichter et al. 2009) im Vergleich zur δ18O-Kurve des NG-
RIP-Eisbohrkerns (North Greenland Ice Core Project Members             Literatur
2004); gleich bezifferte Stadiale folgen immer jeweils den Intersta-   Carrasco, F. (1993): Estudio geoquímico de las aguas de infiltración de
dialen. Zeitspannen kontinuierlichen (dicke Linien) und diskonti-          la Cueva de Nerja. – Trabajos sobre la Cueva de Nerja 3: 299-328
nuierlichen (dünne Linen) Permafrosts nach Liedtke (1993) und          Dreyer, R. (2000): Die Zoolithenhöhle bei Burggaillenteuth (Fränki-
Vandenberghe & Pissart (1993).                                             sche Alb): Revisionskartierung und Ereignisabfolge. – Bochumer
                                                                           geol. u. geotechn. Arbeiten 55: 153-167
                                                                       Flörke, O.W., Graetsch, H., M artin, B., Röller, K. & Wirth, R.
In Interstadialzeiten taute der Permafrostbereich über einer ver-          (1991): Nomenclature of micro- and non-crystalline silica minerals,
bleibenden kontinuierlichen Permafrostzone von oben auf, wobei             based on structure and microstructure. – Neues Jahrbuch Miner.
sich beim Erreichen von Epikarsthohlräumen Eis in Höhlen ge-               Abh. 163: 19-42
bildet und in den „wärmsten“ Phasen Pools auf Eis entstanden           Graetsch, H. (1994): Structural characteristics of opaline and micro-
(Abb. 4). In diesen abflusslosen Becken konnten sich die oben              crystalline silica minerals. – Reviews in Mineralogy 29: 209-231
genannten Elemente und gelöste Organik anreichern – entspre-           Hill, C. & Forti, P. (1997): Cave Minerals of the World. – 2nd Edition,
chend gefrierenden Gletschersümpfen zunächst aufgrund von                  National Speleological Society, Huntsville, 463 S.
Verdunstungseffekten und später durch Ausfrieren der Wasserbe-         Hoffmann, R., R ichter, D.K., Neuser, R.D., Jöns, N., Linzmeyer,
                                                                           B.J., Lemanis, R.E., Fusseis, F., X iao, X. & Immenhauser, A.
cken bei sich im folgenden Stadial ausbreitenden Permafrostbö-
                                                                           (2016): Evidence for a composite organic-inorganic fabric of belem-
den. Bei diesem sehr langsamen Ausfrieren haben sich die zumeist           nite rostra: Implications for palaeoceanography and palaeoecology.
zoniert aufgebauten grobkörnigen Kryocalcite (Sphärolith- und              – Sedimentary Geology 341: 203-215
Rhomboedertypen) gebildet. Die in den Restlösungen der Pools           Jarosewich, E. & M acintyre, I.G. (1983). Carbonate reference sam-
gebildeten Calcite reicherten zunächst Seltenerd-Elemente (u.a.            ples for electron microprobe and scanning electron microscope
R ichter et al. 2008) und gelöste Organik (belegt mit Fluores-             analyses. – Journal of Sedimentary Research 53: 677-678

Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 64 (4)                                                                                             89
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    Zopfsinter in der Zoolithenhöhle: Erstfund kryogener Calcite in            Elsevier
    der Fränkischen Alb. – Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher       Ž ák, K., R ichter, D.K., Filippi, M., Živor, R., Deininger, M., M angi-
    60 (2): 36-41                                                              ni, A. & Scholz , D. (2012): Coarsely crystalline cryogenic cave
R ichter, D.K., K nolle, F., Meyer, S. & Scholz, D. (2017b): Ers-              carbonate – a new archive to estimate the Last Glacial minimum
    te weichselzeitliche Kryocalcit-Vorkommen in Höhlen des Iberg/             permafrost depth in Central Europe. – Clim. Past 8: 1821-1837
    Winterberg-Riffkomplexes (Harz). – Mitt. Verb. dt. Höhlen- u.
    Karstforscher 63 (2): 52-57
                                                                          Autoren: Prof. Dr. Detlev K. Richter, Ruhr-Universität-Bochum,
R ichter, D.K, M angini, A. & Voigt, S. (2009): Erste Th/U-datierte
                                                                          Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik, Universi-
    Kryocalcite der mittleren Weichseleiszeit aus einer Höhle des Rhei-
    nischen Schiefergebirges (Heilenbecker Höhle, Bergisches Land).       tätsstr. 150, 44801 Bochum; Dr. Niels Jöns, Ruhr-Universität-
    – Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 55 (4): 125-127            Bochum, Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik,
R ichter, D.K., Meyer, S., Scholz, D. & Immenhauser, A. (2013):           Universitätsstr. 150, 44801 Bochum; Dr. Rolf D. Neuser, Ruhr-
    Multiphase formation of Weichselian cryogenic calcites, Riesen-       Universität Bochum, Institut für Geologie, Mineralogie und Geo-
    berg Cave (Süntel/NW Germany). – Zeitschrift der Deutschen            physik, Universitätsstr. 150, 44801 Bochum, rolf.neuser@rub.de
    Gesellschaft für Geowissenschaften 164: 353 -367                      (korrespondierender Autor)

                                   Höhlenschutz für die
                              Geo- und Biodiversität untertage
                                            Wenn Du in eine Höhle gehst...
                  Leave nothing but footprints                              Nimm nichts mit,
                  Take nothing but pictures                                 lass nichts zurück,
                  Kill nothing but time                                     zerstöre nichts & schlag nichts tot
                  (NSS)                                                     (VdHK)

90                                                                                               Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 64 (4)
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