MOBILITY WORLD - MIT DER KRAFT DER LIBELLE 1.19 - M Plan

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MOBILITY WORLD - MIT DER KRAFT DER LIBELLE 1.19 - M Plan
1.19

    MOBILITY
    WORLD

MIT DER KRAFT DER LIBELLE
KUNSTSTOFF, CARBON ODER STAHL?
DIE AUTOINDUSTRIE SUCHT DEN PERFEKTEN WERKSTOFF.
SEITE 8

SEITE 4                     SEITE 10               SEITE 18
NEUE WELTEN MIT             „MR. CRASHTEST“        M PLAN AUF DEM
VIRTUELLEN PROTOTYPEN       IM INTERVIEW           KILIMANDSCHARO
MOBILITY WORLD - MIT DER KRAFT DER LIBELLE 1.19 - M Plan
INHALT
                                                                                                            NEUE WELTEN
                                                                                                4           Die Fahrzeugentwicklung wird immer virtueller –
                                                                                                            M Plan bietet seinen Kunden besondere Kompetenzen
                                                                                              M INSIDE
                                                                                                            in den Disziplinen Berechnung und Simulation.

                                                                                                            NULL AUTOS AUF EINER AUTOSHOW?
                                                                                                7           Ja, das geht – Volvo hat es in Los Angeles vorgemacht;
                                                                                                            330.000 Elektroautos pro Jahr will VW in Zwickau
                                                                                             M NUMBERS
                                                                                                            produzieren – und noch mehr Zahlen …

                                                                                                            MIT DER KRAFT DER LIBELLE
                                                                                                8           Kunststoff, Carbon oder doch der gute alte Stahl? Die
                                                                                                            Autoindustrie ist auf der Suche nach dem optimalen
                                                                                              M REPORT
                                                                                                            Werkstoff – gerade auch für Elektroautos.

                                                                                                            „DAS VERSTEHT KEIN MENSCH“
                                                                                              10            David Ward ist als Generalsekretär von Global NCAP
                                                                                                            der oberste Aufseher weltweit für sichere Fahrzeuge.
                                                                                            M INTERVIEW     Ein Interview mit „Mr. Crashtest“.

           08 MIT DER KRAFT DER LIBELLE
                    M Report – Wie die Volvo-Tochter Polestar den
                    Leichtbau revolutioniert.                                                               WIDER DEN ROST
                                                                                              13            Adriana Osuna Arrieta betreut für M Plan einen
                                                                                                            Premiumhersteller beim Korrosionsschutz –
                                                                                                            dafür reist die Ingenieurin oft nach Mexiko.
                                                                                             M AT WORK

                                                                                                            UNTER STROM
                                                                                              14            Webasto ist bekannt für Panorama-, Schiebe- und
                                                                                                            Cabriodächer. Jetzt baut das Unternehmen auch
                                                                                               M VIEW
                                                                                                            Batteriesysteme und Ladestationen für E-Autos.
M INHALT

                                                                                                            CHAPEAU, CITROËN!
                                                                                              16            Vor hundert Jahren gründete der Unternehmer André
                                                                                                            Citroën eine Automarke, die bis heute für Extravaganz
                                                                                             M PASSION
                                                                                                            und Innovationslust steht.

                                                                                                            POLE, POLE!
                                                                                              18            „Immer schön langsam“ – also „pole, pole“ – bestieg
                                                                                                            Senior Account Managerin Kristina Wagener das
                                                                                              M PEOPLE
                                                                                                            Kilimandscharo-Massiv in Afrika.

           14       UNTER STROM                                                                             NEUES AUS DER WELT VON M PLAN
                    M View – Webasto entwickelt jetzt auch Ladelösungen
                    für E-Autos.
                                                                                              19            M Plan auf Platz eins als „Top Arbeitgeber“; M Plan
                                                                                                            stärkt das Bordnetzteam; M Plan radelt bei der
                                                                                              M NEWS
                                                                                                            „Cycle Tour“ – und eine GoPro-Kamera wird verlost.
                                                                                              M GAME

               IMPRESSUM                 Verantwortlich für den Inhalt:   Realisierung und Gestaltung:              Mitglied im

                                         Bernd Gilgen, Geschäftsführer    Yellow Tree – Digital.Branding.
               Mobility World                                             www.yellowtree.de
               Ausgabe 01.2019           Redaktion extern:
               Auflage 17.500            Büro 504, www.buero504.de        Covermotiv:
               9. Jahrgang                                                © Polestar; iStock: paulrommer
                                         Redaktionsleitung:
               Herausgeber:              Katrin Reiners
               M Plan GmbH
               Steinmüllerallee 2        Druck:
               51643 Gummersbach         Gronenberg Druck & Medien
               www.m-plan.com            www.gronenberg.de

           2   MOBILITY WORLD / 1.19
MOBILITY WORLD - MIT DER KRAFT DER LIBELLE 1.19 - M Plan
WIR SIMULIEREN GERNE …
LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,
auch ein Geschäftsführer kennt nicht immer jeden Trick seiner Mitarbeiter(innen).       ten Herstellern steigt und dazu immer mehr innovative Mobilitätsanwendungen
Zum Beispiel wusste ich nicht, dass die Kollegen aus dem Bereich Berechnung/            im Fahrzeug Einzug halten, sinkt die durchschnittliche Entwicklungszeit für neue
Simulation gerne mit einem amerikanischen Muscle Car zu ihren Kunden fahren             Modelle, Komponenten sowie digitale Dienstleistungen. Berechnungslösungen
– und nach dem Termin dann mit einem Ferrari vom Hof preschen. Allein schon             bieten hervorragende Möglichkeiten, die Fahrzeugentwicklung zu verschlanken,
logistisch betrachtet klingt das ziemlich verrückt, und nicht zuletzt auch im Lichte    ohne Zugeständnisse bei der Qualität des Endprodukts. Das ist ein besonders
unseres Gehaltsgefüges. Der Trick dabei ist: Muscle Car und Ferrari existieren nur      wichtiges Geschäftsfeld auch für Entwicklungsdienstleister. Berechnungs- und Si-

                                                                                                                                                                               M EDITORIAL
virtuell auf der Festplatte des Präsentationslaptops. Das habe ich gelernt, als ich     mulationsdienste sind heute vermehrt Teil großer Kundenaufträge. Wer hier gut
zur Inspiration für meine einleitenden Worte in die neue Ausgabe der Mobility           aufgestellt ist, wer das ganz große Lastenheft inklusive virtueller Dienstleistungen
World hineinlas. Anhand einer sogenannten „1D-CAD-Simulation“ zeigen also die           abarbeiten kann, wird künftig bei der Vergabe von Großprojekten vorn dabei sein.
Berechnungskollegen, wie man mit ein, zwei Klicks auf der Computertastatur ei-          Das haben wir bei M Plan früh erkannt. Wir bieten Experten, Know-how und die
nen Muscle-Car-Motor in ein italienisches Sportwagenaggregat verwandeln kann.           nötige Infrastruktur. Das wissen auch unsere Kunden. Und sollte doch jemand
Wo früher an einem physischen V8-Prototypen vielleicht eine neue Kurbelwelle            noch Zweifel hegen an der Bedeutung virtueller Berechnungen: Die Kollegen der
eingebaut werden musste, um im Verlauf einer monatelangen Entwicklung den               Niederlassung Weissach starten gerne ihre V8-Motoren …
Charakter des Motors zu verändern, reicht heute zunächst ein digitaler Prototyp.

In virtuellen Welten lassen sich ganz real Entwicklungszeit und Kosten sparen.
Das ist ein Thema, das mich sehr umtreibt. Und nicht nur mich: Von vielen Ent-          Herzlichst
scheidungsträgern der Branche ist zu hören, dass virtuelle Simulationen und             Ihr
Absicherungsprozesse künftig eine noch größere Bedeutung haben werden, als
dies heute schon der Fall ist. Denn während die Variantenvielfalt bei den meis-

                                                                                        Bernd Gilgen
                                                                                        Geschäftsführer

                                                                                       „Berechnungslösungen bieten hervorragende
                                                                                          Möglichkeiten, die Fahrzeugentwicklung zu
                                                                                         verschlanken, ohne Zugeständnisse bei der
                                                                                                          Qualität des Endprodukts.“

                                                                                                                Bernd Gilgen, Geschäftsführer M Plan

                                                                                                                                           MOBILITY WORLD / 1.19           3
MOBILITY WORLD - MIT DER KRAFT DER LIBELLE 1.19 - M Plan
NEUE WELTEN
                              Die Fahrzeugentwicklung wird immer virtueller, digitale Prototypen ersetzen im
                    Produktentwicklungsprozess zunehmend herkömmliche Prüfverfahren. M Plan bietet seinen
                     Kunden besondere Kompetenzen in den wichtigen Disziplinen Berechnung und Simulation.
M INSIDE

           // Daniel Häußermann gibt Gas. Lautstark röhren acht Zylinder. Eine wunderba-         Automotive-Themen wie die Elektromobilität oder das autonome Fahren deutlich
           re Soundsymphonie. Wäre Beethoven Motorensoundingenieur gewesen, hätte so             mehr Schlagzeilen und eignen sich besser als plakative Aushängeschilder für in-
           sein bestes Aggregat geklungen. Mal aggressiv-bellend, mal bassig-knurrend – ja,      novative Unternehmensstrategien. Doch selbst diese beiden populären Automoti-
           so muss ein V8 seine Stimme erheben. Ein charakterstarker Achtzylinder in einem       ve-Anliegen könnten ohne die Disziplin virtuelle Produktentwicklung nicht weiter
           amerikanischen Muscle Car, einem Chevy aus den 60er oder 70er Jahren vielleicht.      vorangetrieben werden: Die Berechnung und die Simulation neuer Fahrzeugfunk-
           Allerdings: Hier steht nirgendwo ein aufgemotzter Chevrolet. Hier steht nur der PC    tionen und neu entwickelter Komponenten sind „ein ganz entscheidender Bereich
           von Daniel Häußermann mit zwei Lautsprecherboxen auf einem Schreibtisch im            in der Forschung und Entwicklung geworden“, sagt Matthias Fritzsche. Er muss
           ersten Stock eines Bürogebäudes der Niederlassung Weissach von M Plan. Häu-           es wissen: Der Maschinenbauingenieur und Experte für Simulationsszenarien ist
           ßermann ist Gruppenleiter in der Abteilung Berechnung/Simulation des Entwick-         Bereichsleiter „Absicherung“ bei M Plan.
           lungsdienstleisters. Mit einem Klick auf seiner Tastatur lässt der 37-Jährige jetzt
           das Motorengebrüll ersterben. Denn das V8-Aggregat existiert gar nicht – es ist       DEUTLICHE ENTLASTUNG FÜR ALLE OEMS
           nur eine virtuelle Kreation aus Bits und Bytes auf der Festplatte von Daniel Häu-     Fritzsche koordiniert standortübergreifend alle Berechnungs- und Simulations-
           ßermann. Der sagt jetzt: „So, wir verändern mal den Kurbelwellenwinkel.“ Zwei,        aktivitäten bei M Plan. Das sind einige – und es werden immer mehr. Denn das
           drei Klicks – und schon scheint ein Ferrari durch das Großraumbüro zu preschen.       Unternehmen bietet in vielen Disziplinen des Fahrzeugbaus – von der Abgasanlage
           Das typische Maranello-Kreischen, die ganz große italienische Motorenoper.            über das Bordnetz bis hin zum Sounddesign – Berechnungsdienstleistungen und
           Dann wieder ein Klick – und im Büro blubbert nur noch die Kaffeemaschine.             somit virtuelle Absicherung in vielerlei Facetten an. „Damit rücken wir noch näher
                                                                                                 an unsere Kunden heran. Wir werden als Entwicklungsdienstleister noch intensi-
           „GANZ ENTSCHEIDEND FÜR F&E“                                                           ver und tiefer in den Produktentwicklungsprozess und die Wertschöpfungskette
           Diese Sounddemonstration ist Teil einer Präsentation, mit der M Plan die Vorzüge      unserer Auftraggeber integriert“, erklärt Matthias Fritzsche. Durch das Know-how
           der „1D-CFD-Simulation“ illustriert. Es wird gezeigt, wie mit wenigen Klicks das      hochspezialisierter Dienstleistungsanbieter wie M Plan, gerade auch in essenti-
           am Computer geschaffene Modell eines 6,5-Liter-V8-Saugmotors modifiziert wer-         ellen Disziplinen wie der Berechnung, werden Autohersteller und Zulieferunter-
           den kann – insbesondere, wie sich eine Veränderung des Winkels der Kurbelwelle        nehmen deutlich entlastet. Denn die Entwicklungszeiten für neue Fahrzeugmo-
           von 90 auf 180 Grad auf die Klangcharakteristik auswirkt. Dafür korrigiert Daniel     delle und für einzelne Komponenten werden immer kürzer. Gleichzeitig steigt die
           Häußermann in einem 1D-Computermodell einen einzelnen Zahlenwert. Ein gut             Produkt- und Variantenvielfalt im Portfolio der Hersteller, neue Technologien wie
           ausgewähltes Beispiel, denn „ein V8-Motor emotionalisiert“, wie Häußermann            elektrische Antriebe oder Systeme zum autonomen oder zunächst teilautonomen
           von den Reaktionen der oft erstaunten Kunden weiß. Mit satten Klängen lässt sich      Fahren halten die Entwicklungsabteilungen in Atem. „Kaum eine andere Techno-
           das sonst eher trockene Thema 1D-Simulation gut veranschaulichen. Denn die vir-       logie in der Produktentwicklung spielt bei der Erfüllung der steigenden Anforde-
           tuelle Simulation der Funktion und Wirkung von Fahrzeugbauteilen ist mittler-         rungen eine so zentrale Rolle wie die Simulation“, so Fritzsche.
                                                                                                                                                                                      © Fotolia: pixelkorn

           weile eine der wichtigsten Disziplinen des Automobilbaus: beispielsweise virtu-
           elle 1D-Entwürfe oder auch aufwendigere 3D-Szenarien, mit denen zum Beispiel          ZEITALTER DER DIGITALEN PROTOTYPEN
           Wärmeströme in der Abgasanlage oder Luftverwirbelungen bei Aerodynamikent-            Denn Zeit und Kosten drücken – und die Verlagerung von Entwicklungsschritten
           wicklungen in bunten Computeranimationen dargestellt werden. Zwar erzeugen            in virtuelle Welten verschlankt und beschleunigt den Produktentwicklungsprozess

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MOBILITY WORLD - MIT DER KRAFT DER LIBELLE 1.19 - M Plan
Matthias Fritzsche (links) koordiniert als Bereichsleiter
                                                                                      „Absicherung“ die Berechnungsaktivitäten bei M Plan.
                                                                                      Daniel Häußermann (oben) ist Gruppenleiter in der
                                                                                      Niederlassung Weissach.

Untersuchung einer Felge mit sogenannten Finite-             Simulation der Luft- und Kraftstoffverteilung in einem                 Temperaturverteilung in den Ein- und Auslasskanä-
Elemente-Methoden – so lassen sich Schwachstellen            Zylinder. Die Optimierung der Gemischaufbereitung                      len eines Zylinderkopfs – so lässt sich das Kühlungs-

                                                                                                                                                                                                M INSIDE
in der Struktur erkennen.                                    führt zu einem geringeren Kraftstoffverbrauch.                         konzept eines Motors optimieren.

deutlich. Das ist besonders wichtig in Zeiten, in denen neue Spieler wie Google,         euch darauf ein‘“, sagt Alexander Kirtzeck, Leiter der Niederlassung Weissach von
Apple und Co mitmischen – Unternehmen, die an deutlich kürzere Entwicklungs-             M Plan. „Und das haben wir gemacht. Die Disziplin Berechnung/Simulation ist
prozesse gewöhnt sind und die nun die alten Mitspieler bei den großen Trend-             heute ein eigenständiges Produkt in unserem Portfolio, ein wichtiger Schwerpunkt
themen vor sich hertreiben wollen. Früher musste in der Automobilindustrie für           in unserem Dienstleistungsangebot.“
nahezu jeden Entwicklungsschritt ein neuer Prototyp aufgebaut werden, mussten
Werkzeuge neu konstruiert werden, um den physischen Prototyp überhaupt zu-               HERSTELLER MIT NEUER STRATEGIE
sammenbauen zu können, mussten bei unerwünschten Erprobungsergebnissen                   M Plan orientiert sich damit eng an den Strategien der Hersteller. Ein Volumen-
neue Komponentenvarianten bestellt werden, mussten entsprechende Werkzeuge               hersteller zum Beispiel hat jüngst einen Arbeitskreis „Virtuelle Produktentwick-
noch einmal angepasst werden, musste eine neue Version des Prototypen in der             lung“ ins Leben gerufen, in dem viele Fachabteilungen des OEM ihren künftigen
Werkstatt aufgebaut werden …                                                             Simulationsbedarf erfassen müssen. Das Ziel: zu einem immer früheren Zeitpunkt
                                                                                         im Produktentwicklungsprozess belastbare Daten zu bekommen, um die Entwick-
Ein zeitaufwendiger, teurer Prozess. Ein physischer Prototyp aus Stahl, Kunststoff,      lung konzernübergreifend entscheidend abzukürzen und ein Endprodukt deutlich
Glas und Aluminium kann schnell eine Million Euro oder mehr kosten. Ein digitaler        schneller zur Marktreife zu bringen. Von einem anderen Premiumhersteller ist zu
Prototyp hingegen kostet erst einmal nur Rechenleistung. „Natürlich ersetzt ein          hören, dass bis 2025 der digitale Prototyp Standard für alle wesentlichen Entwick-
digitaler Prototyp nicht die finale Erprobung von Funktionen und Komponenten im          lungsschritte kommender Modellgenerationen werden soll. Sogar ein altes inter-
realen Prototyp“, erklärt Berechnungsingenieur Daniel Häußermann. „Am Ende               nationales Mobilitätsübereinkommen der UN aus dem Jahr 1958 wird derzeit revi-
muss ein echtes Produkt auch unter realen Bedingungen getestet werden. Den               diert. In die „Technischen Regelungen der Vereinten Nationen für Radfahrzeuge,
Weg dahin aber kann ich entscheidend beschleunigen. Wenn ich einen Motor zu-             Ausrüstungsgegenstände und Teile, die in Radfahrzeuge(n) eingebaut (…) werden
nächst in allen gewünschten Varianten, dazu die Abgasanlage und weitere wichti-          können“, soll nun erstmals ein Absatz zu „Allgemeinen Bedingungen für virtuelle
ge Baugruppen eines Fahrzeugs virtuell aufbaue und das Lastenheft digital erfülle,       Prüfmethoden“ eingefügt werden. „Das alles zeigt: An dem Thema kommt keiner
bevor ich in die physische Erprobung auf realen Prüfständen gehe, dann spare ich         vorbei, der die Mobilität der Zukunft mitgestalten möchte“, erklärt Matthias Fritz-
Wochen oder Monate an Entwicklungszeit und Millionen an Entwicklungskosten.“             sche.

M PLAN BIETET EXPERTEN UND INFRASTRUKTUR                                                 ENTDECKUNG VIRTUELLER WELTEN
Die Auftraggeber fordern von ihren Entwicklungspartnern, beim Themenfeld Be-             Denn der Trend zur Digitalisierung des Endprodukts und auch des Produktionsab-
rechnung, Simulation und virtuelle Absicherung gut aufgestellt zu sein. M Plan           laufs – Stichwort Industrie 4.0 – erfordert die Entdeckung neuer virtueller Welten
geht diese Entwicklung seit Jahren mit und hat eine innovative Infrastruktur mit         im Produktentwicklungsprozess. Kein modernes Auto kommt heute ohne digitale
den entsprechenden Technologien, Softwareapplikationen und vor allem gut aus-            Helfer aus, vor allem intelligente Fahrerassistenzsysteme erfordern umfangreiche
gebildeten Simulationsexperten aufgebaut. Ein gutes Dutzend Berechnungsinge-             Tests zur Abstimmung der Sensoren und Steuergeräte. Dies wird künftig sicher
nieure in den Niederlassungen Wolfsburg und Weissach arbeitet heute bundesweit           ein wichtiges Feld für Anbieter von Berechnungsdienstleistungen sein – heute
mit den Entwicklungsabteilungen großer Hersteller zusammen. „Unsere Kunden               bearbeiten viele OEMs und Zulieferer das sensible Feld zumeist in den eigenen
sagen uns: ‚Wir werden künftig deutlich weniger physische Versuche fahren. Stellt        Entwicklungsabteilungen. Auch ist das Thema noch Objekt intensiver Forschung.

                                                                                                                                                     MOBILITY WORLD / 1.19                  5
MOBILITY WORLD - MIT DER KRAFT DER LIBELLE 1.19 - M Plan
M INSIDE

           1D-Modelle bieten die Möglichkeit, neue Komponenten und deren Eigenschaften virtuell zu untersuchen. Hier ist das Simulationsmodell eines V8-Saugmotors mit vereinfachter Ansaug- und
           Abgasanlage zu sehen. Mit 1D-Modellen lässt sich die Mündungsakustik einer Abgasanlage simulieren und optimieren. Ergänzend wird die Mündungsakustik im Frequenzspektrum analysiert.

           FORSCHUNGSFELD AN HOCHSCHULEN                                                                „Bei der Entwicklung neuer Regelstrategien für Steuergeräte bietet die Virtualisie-
           Die Technische Hochschule Ingolstadt zum Beispiel forscht an virtuellen Absi-                rung des Fahrzeugs neue Ansätze zum Testen und Simulieren.“ Damit könne eine
           cherungssystemen für Fahrerassistenzsysteme und hat dafür jüngst das neue                    „Reduzierung von Fehlern aufgrund verteilten Arbeitens“ erzielt werden: „Ein-
           Forschungs- und Testzentrum CARISSMA (Center of Automotive Research on In-                   zelne Komponenten wie Funktions- und Applikationssoftware, Basissoftware und
           tegrated Safety Systems and Measurement Area) in Betrieb genommen. „Bisher                   Steuergeräte-Hardware-Prototypen werden von unterschiedlichen Gruppen gelie-
           wurden Fahr- und Sicherheitsfunktionen primär mittels Realfahrten, ergänzt durch             fert. Da die Entwicklung neuer Funktionen immer stärker interdisziplinär erfolgt,
           Crashtests, abgedeckt“, heißt es in Ingolstadt. „Dazu wurden für ein neues Fahr-             verteilt über mehrere Gruppen und Abteilungen, und gleichzeitig die verfügbare
           zeug bis zu 36 Millionen Testkilometer abgespult. Die steigende Komplexität in den           Zeit bis zur Marktreife immer kürzer wird, sind Tests in frühen Phasen der Entwick-
           Fahrfunktionen für automatisiertes Fahren, hervorgerufen durch selbstlernende                lung zwingend notwendig.“
           Systeme, Einbindung verschiedenster Umfeldsensorik, Car2X-Kommunikation und
           Datenfusion erfordert eine Neudefinition der Absicherungsstrategie.“ Und wei-                GROSSES PLUS: KOSTENREDUZIERUNG
           ter: „Aus diesem Grund ist eine Erhöhung des Anteils rechnergestützter, virtueller           Nicht zuletzt können virtuelle Absicherungen auch die Kreativität der Ingenieure
           Fahrversuche in Zukunft letztlich unumgänglich. Eine sicherere Markteinführung               fördern, wie M Plans Simulationsexperte Matthias Fritzsche glaubt. „Wer befürch-
           von hochautomatisierten Fahrzeugen wird sonst kaum zu realisieren sein.“                     ten muss, mit einer neuen Entwicklungsidee eventuell einen Millionen Euro teuren
                                                                                                        Prototyp gegen die Wand zu fahren, überlegt sich lieber dreimal, ob er mit seiner
           Dazu kommt: Auch die Arbeitsabläufe können bei innovativen Projekten, in denen               Idee nach vorne preschen sollte.“ Beim digitalen Prototyp hingegen braucht kein
           mehr und mehr verschiedene Abteilungen zusammenarbeiten müssen, künftig                      kreativer Ingenieur Bedenken zu haben. Fritzsche: „Ich sage meinen Kollegen im-
           entscheidend verbessert werden. In einer grundsätzlichen, visionären Präsentation            mer: Probier’s aus. Kann ja nichts kaputtgehen.“ //
           eines Premiumherstellers zum Einsatz digitaler Prototypen in der Zukunft heißt es:

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MOBILITY WORLD - MIT DER KRAFT DER LIBELLE 1.19 - M Plan
0        – in Worten: null – Autos auf einer Autoshow, dieses scheinbar paradoxe Konzept
                                                                               setzte der schwedische Hersteller Volvo jetzt erstmals um: mit einem Messestand
                                                                               komplett ohne Fahrzeuge auf der „AutoMobility LA“ im kalifornischen Los Ange-
                                                                               les. „Dies ist kein Auto“, lautete Volvos zentrale Botschaft an die Messebesucher.
                                                                               Man wolle mit dem Auftritt in Los Angeles eine Diskussion über die Zukunft der
                                                                               Automobilität in Gang bringen. „Anstatt also ein Konzeptauto zu zeigen, reden wir
                                                                               lieber über das Konzept Auto“, sagt Marten Levenstam, der Verantwortliche für die
                                                                               Volvo-Produktstrategie. Am Volvo-Stand drehte sich alles um Themen wie privates
                                                                                                                                                                         107,5
                                                                                                                                                                            Millimeter lang ist der Innenspiegelfuß für den Mercedes-Klassiker
                                                                                                                                                                            300 SL Coupé, den Mercedes-Benz Classic ab sofort im 3D-Druck-
                                                                                                                                                                            verfahren herstellt. Das Ersatzteil ist nur eines aus einer Reihe von
                                                                                                                                                                            Komponenten, die Mercedes wieder liefern kann, weil sie additiv
                                                                                                                                                                            gefertigt werden, also per 3D-Druck. Das Verfahren eignet sich be-
                                                                                                                                                                            sonders für kleinere Stückzahlen oder dann, wenn beispielswei-
                                                                                                                                                                            se die Originalwerkzeuge nicht mehr verfügbar sind. Beim neuen
                                                                               Carsharing, autonomes Fahren, Warenlieferungen ins Fahrzeug sowie andere neue                Innenspiegelfuß wurde auch gleich eine Verbesserung vorgenom-
                                                                               Mobilitätsdienste und -konzepte.                                                             men, denn das gedruckte Bauteil ist um 42,5 Millimeter länger als
                                                                                                                                                                            das Original. Jetzt ist der Spiegel etwas höher positioniert und er-
                                                                                                                                                                            möglicht eine bessere Sicht nach hinten.
                                                                                                                                                            4,35

                                                                                                                                                                                                                                                    M NUMBERS
                                                                      330.000                                                                                     Quadratmeter groß ist die Wohnfläche des Minicaravans Migrator des rumä-
                                                                                                                                                                  nischen Herstellers FIM. Das ist genug Platz, um ein bequemes Bett für zwei
                                                                                                                                                                  Personen zu beherbergen und eine kompakte Küchenzeile – gekocht, gegessen,
                                                                      Elektroautos pro Jahr sollen künftig im VW-Werk in Zwickau vom Band laufen.
                                                                      Voraussichtlich ab November 2019 soll dort das VW-Elektromodell ID auf Basis                gelebt wird jedoch draußen. Der Migrator (Preis ab 14.850 Euro) gehört zu ei-
                                                                      des modularen Elektrifizierungsbaukastens (MEB) gefertigt werden. Die Investiti-            nem neuen Typus von Miniwohnwagen, die sich durch modernes Design, intel-
                                                                      onen in das Pilotwerk für Elektrofahrzeuge belaufen sich auf insgesamt rund 1,2             ligente Ausstattung, maximale Kompaktheit und minimalen Flächenverbrauch
                                                                      Milliarden Euro. Wenn der Umbau vollständig abgewickelt ist, sollen in Zwickau              auszeichnen und auch dafür geeignet sind, von einem Elektroauto an den Haken
                                                                      ab 2021 sechs Elektromodelle von drei Konzernmarken (VW, Audi, Seat) produziert             genommen zu werden. Das Leergewicht des Migrator beispielsweise liegt bei
                                                                      werden. Die Fabrik werde dann das „größte und leistungsfähigste Elektroautowerk             450 Kilogramm. Das deutsche Start-up Wheelhouse (wheelhouse.de) hat sich
                                                                      des Konzerns“ sein, heißt es in Wolfsburg. Dem Werk in Zwickau sollen weitere               bereits auf den Vertrieb und Verleih solcher Minicaravans spezialisiert.
                                                                      folgen, die zu Elektrostandorten umgebaut werden, darunter die VW-Werke in
                                                                      Emden und Hannover.

                                                                                                                                         1.000
© Volvo; Daimler AG; Volkswagen AG; Rivian Automotive; FIM Caravans

                                                                                                                                                         Dollar Anzahlung nimmt die US-Firma Rivian Automotive ab sofort von Menschen ent-
                                                                                                                                                         gegen, die auf die Warteliste für den ersten Elektro-Pick-up kommen wollen. Rivian hat
                                                                                                                                                         das Modell R1T vor kurzem vorgestellt, ab Ende 2020 sollen die ersten Autos ausgeliefert
                                                                                                                                                         werden – und zwar anfangs ausschließlich die Topversion des R1T: ein 5,74 Meter langer
                                                                                                                                                         Fünfsitzer mit vier Elektromotoren (einer an jedem Rad) und insgesamt 562 kW (764 PS)
                                                                                                                                                         Leistung sowie einem Akkupaket mit einer Speicherkapazität von 180 kWh im Unterbo-
                                                                                                                                                         den. Damit kommt das Auto nach Angaben von Rivian „mindestens 400 Meilen“ weit,
                                                                                                                                                         also rund 650 Kilometer. Um die Elektro-Pick-ups zu bauen, hat die Firma ein ehemaliges
                                                                                                                                                         Mitsubishi-Werk im US-Staat Michigan gekauft. Der Preis des R1T wird bei rund 100.000
                                                                                                                                                         US-Dollar liegen, später soll es Varianten mit kleineren Akkus ab 69.000 Dollar geben –
                                                                                                                                                         die Anzahlung wird natürlich angerechnet.

                                                                                                                                                                                                               MOBILITYWORLD
                                                                                                                                                                                                               MOBILITY WORLD//1.19
                                                                                                                                                                                                                               1.19            77
MOBILITY WORLD - MIT DER KRAFT DER LIBELLE 1.19 - M Plan
MIT DER KRAFT DER LIBELLE
                        Kunststoff, Carbon oder doch der gute alte Stahl? Die Autoindustrie ist auf der Suche
                     nach dem optimalen Werkstoff – gerade auch für Elektroautos. Die E-Pioniere von Volvo
                                                        zum Beispiel setzen auf einen „klugen Materialmix“.
M REPORT

           Thomas Ingenlath, Volvo-Chefdesigner und CEO von Polestar, präsentiert das erste Modell der neuen Volvo-Marke, den Polestar 1.

           // Der Rasen war mustergültig getrimmt. Herren in handgenähten Schuhen fe-                      an Gewicht ins Fahrzeug, das man durch den Einsatz neuer Materialien bei an-
           derten leichten Schrittes übers Grün, daneben versuchten die Damen mit hohen                    deren Komponenten einsparen kann.“
           Absätzen Haltung zu wahren. Die Karosserien der Fahrzeuge glänzten perfekt
           poliert. Alles war makellos, wie es sich für die erlesenste Autoshow der Welt                   MATERIALMIX FÜR DEN MASSENMARKT?
           gehört, den Concours d’Elegance in Pebble Beach auf dem exklusivsten Golfplatz                  Allerdings sind dem Einsatz von Carbon in der Automobilindustrie auch Grenzen
           der Welt. Wobei, nur fast makellos … Das Wetter wollte am letzten Wochenende                    gesetzt. Der Polestar 1 etwa wird rund 155.000 Euro kosten und zunächst in einer
           im vergangenen August nicht so recht. Graue Wolken, frische Temperaturen – in                   Stückzahl von 500 Exemplaren im Jahr gefertigt – da rechnet sich ein Material
           Kalifornien, zumal an der malerischen West Coast, ist man eigentlich Besseres                   wie Carbon, das etwa sieben Mal teurer ist als Stahl. Anders als im Massenmarkt:
           gewohnt. Viele Menschen linsten mit etwas abschätzigem Blick gen Himmel. Nur                    „Schon aus dem Kostendenken heraus ist die Antwort heute ein intelligenter
           einem schien das skandinavische Grau nichts auszumachen: Thomas Ingenlath,                      Materialmix“, erklärt Thomas Ingenlath. So haben die Entwicklungsingenieure
           Volvo-Chefdesigner – und zudem CEO der Volvo-Marke Polestar.                                    der Volvo Group für den Polestar 1 ein neues Bauteil aus Carbon entwickelt, das
                                                                                                           einem Fahrzeugrahmen aus Stahl ein „deutliches Plus an Verbindungssteifheit“
           DAS ZIEL: LEICHTBAU REVOLUTIONIEREN                                                             verschafft. Diese „Dragonfly“ genannte Komponente, die der Gestalt einer gro-
           In dieser Funktion war er in Kalifornien. Beim Concours d’Elegance präsentierte                 ßen Libelle – „dragonfly“ – ähnelt, wird auf das Stahlchassis geklebt und könnte,
           Ingenlath vergangenen Sommer das erste Modell der neuen Elektrosubmarke                         so Ingenlath, auch im Massenmarkt eine entscheidende Rolle in der Fahrzeug-
           des schwedischen Herstellers, den Polestar 1: einen Hybridsportwagen, auf Basis                 konstruktion spielen.
           der S90-Plattform von Volvo entwickelt, optisch „eine Mischung aus Aston Mar-
           tin und Mustang“, wie das britische „Car Magazine“ begeistert schrieb. Für das                  RENAISSANCE DES STAHLS
           sportliche Coupé der Schweden bot der eher nordische Himmel über Kalifornien                    Überhaupt wird Stahl als bedeutendes Material so schnell nicht aus den Autofa-
           dann auch die ideale Kulisse. Die Mission des Polestar 1: Volvos Elektrooffensive               briken verdrängt werden. Selbst im wachsenden Markt der Elektroautos erlebt
           ein Gesicht geben, Tesla auf dem Terrain der sportlich-luxuriösen E- und Hyb-                   Stahl eine erstaunliche Renaissance. Eine Studie des indischen Stahlkonzerns
                                                                                                                                                                                                © Polestar; Thyssenkrupp AG

           ridcoupés angreifen – und Maßstäbe beim Thema Leichtbau setzen. Denn allein                     Tata Steel prognostiziert, dass allein die europäische Autoindustrie in den nächs-
           das Chassis des neuen Modells ist dank vieler Carbonkomponenten rund 230                        ten 30 Jahren bis zu 25 Prozent mehr Stahl ordern wird. Bislang hieß es, im Ver-
           Kilogramm leichter als das eines vergleichbaren Volvo. „Gewicht ist ein wichtiges               gleich mit anderen Metallen sei Stahl einfach zu schwer. Tesla setze auf leichtere
           Thema“, sagt Thomas Ingenlath im Gespräch mit Mobility World. „Gerade jetzt,                    Werkstoffe wie Aluminium oder Titan, BMW bei den i-Modellen auf kohlefaser-
           da die Elektromobilität Fahrt aufnimmt. Die Batterien bringen ein deutliches Plus               verstärkte Kunststoffe. Das Gewicht der Elektroautos sollte so weit wie möglich

           8     MOBILITY WORLD / 1.19
MOBILITY WORLD - MIT DER KRAFT DER LIBELLE 1.19 - M Plan
Im Polestar 1 ist viel Carbon verbaut – so auch im libellenförmigen
                                                                                                    Chassisbauteil „Dragonfly“ (Foto oben). Für den Massenmarkt
                                                                                                    forschen Unternehmen wie Thyssenkrupp Steel an neuen, leichteren
                                                                                                    Blechvarianten (kl. Foto).

                                                                                                                                                                              M REPORT
gedrückt werden, um die Reichweite zu erhöhen. Vom Gewicht des Autos hängen       Gewicht, mit einem überraschenden Ergebnis: Bei 300 Kilogramm Zusatzlast
aber auch Bremsweg und Crashverhalten ab – und bei konventionellen Antrie-        stieg der Stromverbrauch des Tesla auf 100 Kilometern lediglich um 0,6 Prozent
ben auch Emissionen wie der CO2-Ausstoß. Da 80 Prozent des Gesamtgewichts         an. Auch der BMW verbrauchte auf 100 Kilometern nur vier Prozent mehr Strom.
eines normalen Massenmarktfahrzeugs auf Stahl entfallen, ist klar, dass es hier   Spielt das Gewicht also bei E-Autos keine große Rolle mehr? „Natürlich ist Fahr-
das größte Potential zum Gewichtsparen gibt. Dazu kommt: Das Gewicht eines        zeuggewicht auch in der Zukunft von Bedeutung, allerdings sinkt aufgrund der
Aluminiumbauteils zu senken, ist im Vergleich zu einem Stahlbauteil fünfmal       Rekuperation der Nutzen des Leichtbaus“, sagt CAR-Leiter Ferdinand Dudenhöf-
teurer; Komponenten aus kohlefaserverstärktem Kunststoff in gleicher Größen-      fer. Rekuperation, also der Gewinn von Energie beim Abbremsen eines E-Autos
ordnung leichter zu machen, ist bis zu 50-mal so teuer.                           durch die Umwandlung von kinetischer in elektrische Energie für den Akku, sorgt
                                                                                  dafür, dass zusätzliches Gewicht für Stromer nicht automatisch ein Reichweiten-
NEUE UMFORMTECHNOLOGIEN                                                           problem darstellt. Denn mehr Gewicht bedeutet mehr Bewegungsenergie, also
Es ist also billiger, Stahl zu sparen. „Elektroautos müssen erschwinglich sein.   mehr Power im Akku.
Dafür brauchen sie vor allem wirtschaftlichen, kostenoptimierten Leichtbau –
und der ist nur mit Stahl zu realisieren“, sagt André Matusczyk, Chef des Au-     AUF DEN TAKT KOMMT ES AN
togeschäfts bei Thyssenkrupp Steel. Thyssenkrupp erweitert daher das Angebot      Und noch ein Aspekt spricht für den traditionellen Werkstoff Stahl: der Produk-
an kalt- und warmumgeformten Stählen. Zudem arbeitet der Stahlkonzern an          tionsprozess. Laufen künftig Elektroautos in großen Massen vom Band, ist die
verbesserten Umformtechnologien. Bei der Karosserie des aktuellen VW Golf         Taktzeit ein entscheidendes Kriterium für eine wirtschaftliche Produktion. „Kom-
werden zum Beispiel durch warmumgeformte Leichtbaustähle 23 Kilogramm             ponenten aus Stahl- oder auch Aluminiumblech können mit hochautomatisier-
eingespart. Und mit dem Kaltumformverfahren Smartform will Thyssenkrupp           ten Presswerkzeugen zum Beispiel auf Großraumsaugerpressen in einer deutlich
künftig geometrisch anspruchsvolle Bauteile passgenau im Presswerk herstellen.    höheren Taktung produziert werden als Bauteile aus Carbon oder Kunststoff“, er-
Vorteil: Es gelangt nur so viel Stahl wie nötig in den Fertigungsprozess. „Wir    klärt Ansgar Ostendorf, Leiter des Center of Competence Produktionstechnik von
erreichen eine Materialersparnis von rund 15 Prozent“, sagt Matusczyk. Auch       M Plan. Hier in Osnabrück werden für viele große Hersteller und Zulieferunter-
die großen Hersteller setzen weiter – oder wieder – auf das Traditionsmaterial    nehmen aus der Automobilindustrie die bis zu 50 Tonnen schweren Spezialwerk-
Stahl. BMW etwa hatte zwar vor einigen Jahren im Zuge seiner E-Offensive das      zeuge konzipiert, mit denen kommende Generationen von Fahrzeugen gebaut
Carbonzeitalter ausgerufen und der teure Leichtbauwerkstoff wird weiterhin für    werden. So zum Beispiel mächtige blechverarbeitende Werkzeuge, die in Vier-
die in vergleichsweise geringen Stückzahlen produzierten i-Modelle eingesetzt.    fachfertigung Türaußenbleche herstellen – in einem Arbeitsvorgang beide Vor-
Beim neuen Fünfer jedoch verzichtet der Autobauer komplett auf Carbon, setzt      der- sowie beide Hintertüren. „Bei einer Taktung von 15 Pressenhüben pro Minute
stattdessen auf einen Mix aus Aluminium, Magnesium und hochfesten Stählen.        werden 60 Blechteile produziert – das ist etwa mit Kohlefaserprodukten nicht zu
                                                                                  schaffen“, so Ostendorf. Bei anderen Materialien kommen weitere zeitaufwendi-
E-AUTOS: GEWICHT BRINGT VORTEILE                                                  ge und teure Produktionsschritte hinzu, wenn etwa Kunststoff eingespritzt werden
Dazu kommt: Leichtbau gilt neuerdings gar nicht mehr als Allheilmittel für mehr   und dann noch aushärten muss. Dazu kommt: Stahl ist recycelbar und kann immer
Reichweite bei Elektroautos. Das geht aus einer Studie des Center Automotive      wieder in den Automobilkreislauf integriert werden, das geht beispielsweise mit
Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen hervor. Das CAR untersuchte die     Kunststoff nicht. Produktionsexperte Ostendorf prognostiziert: „Die Zukunft gehört
Elektrofahrzeuge Tesla S und BMW i3 auf ihren Stromverbrauch bei steigendem       erst einmal den klassischen Blechwerkstoffen Stahl und Aluminium.“ //

                                                                                                                                       MOBILITY WORLD / 1.19              9
MOBILITY WORLD - MIT DER KRAFT DER LIBELLE 1.19 - M Plan
„DAS VERSTEHT KEIN MENSCH“

                              Nach seinen Sternen greift die Autowelt: David Ward ist als Generalsekretär von
                          Global NCAP der oberste Aufseher weltweit für sichere Fahrzeuge. Im Interview erklärt
                    „Mr. Crashtest“, warum autonom fahrende Autos nicht automatisch sicherer sind, weshalb auch
                      Pkw-Betriebsanleitungen bewertet werden sollten – und was die digital denkende Welt vom
                                                 Feierabendverkehr in Indien lernen kann.
M INTERVIEW

              10   MOBILITY WORLD / 1.19
„Ich glaube, dass die größten
                                       Veränderungen in der Automobilwelt
                                     gar nicht die sind, über die am meisten
                                  gesprochen wird. Aus meiner Sicht ist der
                                  größte Wandel derzeit geografischer Art.“

                                                                                 David Ward,
                                                             Generalsekretär von Global NCAP

                                                                                                                           Unter dem Dach von Global NCAP werden weltweit regelmäßig
                                                                                                                           Crashtests mit Neuwagen durchgeführt und so Fahrzeuge nach
                                                                                                                           allgemein anerkannten Sicherheitsstandards klassifiziert.

                // Mr. Ward, Sie setzen sich für weltweit gültige Crashtestnormen ein. Wird der       Digitalisierung, Elektrifizierung und vor allem autonomes Fahren gelten in den
                Tag kommen, an dem Ihre Arbeit vollendet ist – weil alle Autos von Computern          Vorstandsetagen der Hersteller schon heute als Megatrends …
                gesteuert werden und es somit gar keine Verkehrsunfälle mehr gibt?                    David Ward: Wenn ich da kurz einhaken darf: Ich glaube, dass die größten Ver-
                David Ward: Das ist zu wünschen, ich bin aber skeptisch. Es gibt so viele Autos       änderungen in der Automobilwelt gar nicht die sind, über die am meisten ge-
                auf den Straßen rund um den Globus und es werden immer mehr. In Schwellen-            sprochen wird. Aus meiner Sicht ist der größte Wandel derzeit geografischer Art.

                                                                                                                                                                                             M INTERVIEW
                ländern wie China oder Indien sind die Sicherheitsstandards noch auf einem sehr       Immer mehr Autos werden in immer mehr Ländern produziert; China etwa ist zum
                niedrigen Niveau.                                                                     größten Automobilproduzenten der Welt aufgestiegen, ähnlich rasant vollzieht
                                                                                                      sich die Entwicklung in Indien und Lateinamerika. Das sind die wirklich großen
                Egal, welchen Automobilmanager man fragt: Alle sind sich einig, dass das au-          Veränderungen – die Zahl der autonom fahrenden Autos hingegen ist dagegen
                tonome Fahren kommt.                                                                  verschwindend gering.
                David Ward: Damit mögen sie auch recht haben. Die Frage ist nur, wann – und in
                welcher Ausprägung. Viele zeitliche Prognosen halte ich für fragwürdig. Manchmal      Was bedeutet das für die Sicherheit im Straßenverkehr?
                könnte man glauben, morgen oder übermorgen sei es schon so weit. Der Hype             David Ward: Das große Problem des immensen Mengenwachstums bei der Pro-
                ist groß. Das geht so weit, dass heute Finanzanalysten in der Automobilindus-         duktion und beim Verkauf von Autos in aufstrebenden Märkten ist, dass es dort
                trie Gewinnprognosen von Unternehmen auf Basis technologischer Entwicklungen          viel weniger sicherheitsspezifische Regularien gibt. Sehr viele Fahrzeuge, die dort
                machen, von denen sie keine vertiefende Ahnung haben. Auf Unternehmensseite           gebaut werden, wären beispielsweise illegal in der EU, in Nordamerika oder in
                wird dann ein Entwicklungsthema, wie zum Beispiel das autonome Fahren, forciert       Japan, weil sie nicht den hiesigen Sicherheitsstandards entsprechen. Deshalb ist
                positiv beworben, um den Unternehmenswert für Investoren möglichst attraktiv          es unsere größte Herausforderung bei Global NCAP, weltweite Sicherheits- und
                erscheinen zu lassen. Dabei wird der Rahmen der Realität verschoben. Darin sehe       Crashtestnormen zu etablieren. Die gute Nachricht ist, dass sich etwas bewegt.
                ich eine Gefahr. Wenn der Hype zu sehr befeuert wird, entstehen Erwartungen           In Indien gelten die Crashtestbestimmungen, die in der EU 1998 eingeführt wur-
                auch auf Kundenseite, die die Technologien mittelfristig gar nicht erfüllen.          den, seit dem vergangenen Jahr, in Mexiko werden sie 2019 in Kraft treten. In den
                                                                                                      kommenden zehn Jahren wird es unsere Hauptaufgabe sein, aktive Sicherheits-
                Sie scheinen die Rolle des Party Crashers zu besetzen. Während alle die neuen         technik zum weltweiten Standard zu machen. Das gilt besonders für ESP.
                Perspektiven bejubeln, rufen Sie: Halt, die Realität sieht anders aus …
                David Ward: Wir bemühen uns einfach um ein realistisches Bild. Das war schon vor      Euro NCAP hat kürzlich bei München zusammen mit dem ADAC erstmals Autos ge-
                20 Jahren so, als wir höhere Crashteststandards durchgesetzt haben und uns dabei      testet, die mit Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet waren, die zumindest ein teilau-
                ein schöner Gegenwind aus der Industrie traf. Wir sehen uns als Aufklärer der         tonomes Fahren erlauben. Dafür musste ein neues Testszenario entwickelt werden.
                Öffentlichkeit, gerade bei so wichtigen Themen wie dem autonomen Fahren. Der          David Ward: Die Herangehensweise ist heute ganz anders als vor Jahrzehnten.
                Hype muss hinterfragt werden, Technologien müssen in allgemeingültigen Tests          Früher haben wir einfach ein Exemplar eines neuen Automodells gekauft und es
                überprüft werden. Sonst entsteht beim Kunden irgendwann das Gefühl, in die Irre       unserem Crashtestszenario unterzogen. Dafür mussten wir nicht mit dem Herstel-
                geführt worden zu sein. Viele Menschen glauben zum Beispiel, einige Automodel-        ler zusammenarbeiten, wir konnten unabhängig agieren. Das ist heute so nicht
                le könnten schon heute vollkommen autonom fahren – auch weil die Hersteller das       mehr möglich, wenn man die Sicherheit neuer Systeme überprüfen will. Die Fahr-
                zum Teil suggerieren. Das ist aber falsch. Es gibt bislang kein autonom fahrendes     zeuge sind mit hochkomplexen Computersystemen ausgestattet; die müssen wir
                Serienmodell.                                                                         uns vom Hersteller erklären lassen. Wir müssen ein System bis ins letzte Detail
                                                                                                      verstanden haben, um es dann auf etwaige Schwächen zu untersuchen. Das wird
                Sind Sie generell skeptisch, was die Vorteile autonom fahrender Autos anbelangt?      künftig in unsere Bewertung neuer Modelle verstärkt mit einfließen. Ein Pro-
                David Ward: Ganz und gar nicht. Meine Skepsis bezieht sich einzig und allein auf      blem heute ist zum Beispiel, dass jeder Hersteller einen anderen Namen für seine
                die meines Erachtens viel zu optimistischen Prognosen, vor allem was die Umset-       Technologie hat. Und manche dieser Bezeichnungen sind missverständlich. Es gibt
© Global NCAP

                zung betrifft. Das wird alles sehr viel länger dauern, als manche prophezeien. Dass   Assistenzsysteme, für die kursieren mehrere Dutzend Namen. Und alle meinen
                jedoch autonom fahrende Autos die uns heute bekannten Fahrzeuge irgendwann            eigentlich das Gleiche.
                ablösen werden, daran habe ich keinen Zweifel.

                                                                                                                                                         MOBILITY WORLD / 1.19          11
DAVID WARD,
                                                                                                                63, ist Generalsekretär von Global NCAP. Die Nicht-
                                                                                                                regierungsorganisation setzt sich weltweit für mehr
                                                                                                                Sicherheit im Straßenverkehr und vor allem sicherere
                    Ende 2018 führte Euro NCAP auf einem
                                                                                                                Fahrzeuge ein. Unter dem Dach von Global NCAP ope-
                    Flughafen bei München erstmals Tests                                                        rieren weltweit acht regionale NCAP-Organisationen,
                    mit teilautonom fahrenden Automodellen                                                      in Europa z. B. Euro NCAP, in Nordamerika US NCAP,
                    durch (Foto oben).                                                                          die regelmäßig Crashtests mit Neuwagen durchführen
                                                                                                                und so Fahrzeuge nach allgemein anerkannten Sicher-
                                                                                                                heitsstandards klassifizieren. Der Brite David Ward,
                                                                                                                studierter Philosoph, war bis in die Mitte der 90er Jahre
                                                                                                                als Politiker aktiv, bevor er zunächst für die Vereinten
                                                                                                                Nationen tätig war. Nun arbeitet er seit vielen Jahren
                                                                                                                für verschiedene Organisationen, die sich für mehr
                                                                                                                Verkehrssicherheit einsetzen.
M INTERVIEW

              Sie haben bei Ihrem Test sogar eine Bewertung der Gebrauchsanleitungen vorge-            Warum ist es so schwierig, wirklich sichere Autos zu einer Selbstverständlich-
              nommen …                                                                                 keit zu machen?
              David Ward: Ja, denn dort fängt das Missverständnis oft an. In einigen Handbüchern       David Ward: Aus meiner Sicht liegt das vor allem daran, dass das Risikobewusst-
              der getesteten Fahrzeuge ist beispielsweise von einem „Autopilot“-System die Rede.       sein der meisten Menschen im Straßenverkehr einfach viel zu gering ist. Wir alle
              Das suggeriert, das Fahrzeug kann die Rolle des Piloten eigenständig übernehmen.         unterschätzen systematisch die Gefahren eines Unfalls. Wenn man Menschen, die
              Das ist aber nicht der Fall. Es müsste besser von einem Assistenzsystem gesprochen       zum ersten Mal bei einem Crashtest dabei sind, fragt, mit welchem Tempo das
              werden, mit Betonung auf „Assistenz“. Der tödliche Tesla-Unfall in den USA vergan-       Auto wohl an die Wand geknallt ist, dann hört man meist Antworten wie „vielleicht
              genes Jahr hat gezeigt, dass der Fahrer des Autos die Möglichkeiten seines Fahrzeugs     100, vielleicht auch 120 km/h“. Und wenn man ihnen dann sagt: Nein, das war
              eklatant überschätzt hatte. Die Untersuchung der US-amerikanischen Behörden hat          Tempo 64, dann sind sie schockiert. Diese Fehleinschätzung ist aus meiner Sicht
              ergeben, dass es in der Betriebsanleitung des Fahrzeugs missverständliche Formu-         der Hauptgrund, warum wir Sicherheitssysteme zu wenig wertschätzen und uns zu
              lierungen gab. Das unterstreicht, wie wichtig eine vollkommen transparente und ehr-      wenig mit ihnen beschäftigen.
              liche Kommunikation über die Möglichkeiten – und Einschränkungen – neuer Tech-
              nologien ist. Es hilft zum Beispiel überhaupt nicht, wenn auf Herstellerseite von den    Sie reisen viel um die Welt zu den verschiedenen regionalen NCAP-Organisa-
              fünf oder sechs Entwicklungslevels beim autonomen Fahren gesprochen wird. Das            tionen. Was lehrt Sie persönlich Ihre globale Sicht auf das große Thema auto-
              versteht kein Mensch. Viele Kunden kaufen ein Auto und wissen gar nicht, was es          nomes Fahren?
              alles kann. Oder was es eben nicht kann. Da haben die Hersteller noch eine wahre         David Ward: Dass wir noch einen langen, sehr langen Weg vor uns haben. Ich war
              Herkulesaufgabe vor sich. Da trifft die alte Analogie zu: Man kann nicht rennen, bevor   kürzlich in Pune in Indien, um eines der dortigen Crashlabore zu besichtigen. Wir
              man nicht gehen gelernt hat.                                                             fuhren morgens durch die Innenstadt und kamen an eine Kreuzung. So etwas habe
                                                                                                       ich selten gesehen: Sieben oder acht Straßen trafen hier zusammen, jede mit meh-
              Bei einer Rede formulierten Sie kürzlich die Frage, ob „die Autoindustrie das re-        reren Fahrspuren. Wobei, Fahrspuren … Da fährt ja jeder, wo er eine Lücke vermutet.
              flexhafte Ablehnen von schärferen Sicherheits- und Umweltstandards“ wohl irgend-         Autos, Lkw, Motorräder, Tuk Tuks. Und in diesem Durcheinander sah ich eine Frau.
              wann ablegen könne. Wie lautet Ihre Antwort darauf?                                      Eine elegante ältere Dame, die in aller Ruhe mitten durch das größte Chaos schritt,
              David Ward: Lassen Sie mich mit einem Beispiel antworten. Unmittelbar nachdem            das man sich nur vorstellen kann. Oh mein Gott, dachte ich, gleich kracht’s, ich will
              Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, lobbyierte die US-Auto-         das gar nicht sehen. Zu meiner Überraschung aber passierte: nichts. Was kann man
              industrie für die Zurücknahme schärferer Verbrauchswerte, und sie setzte sich durch.     daraus lernen? Menschen sind höchst versiert darin, die Regeln zu brechen oder so
              Ich halte das für eine große Dummheit, denn 17 US-Staaten, darunter Kalifornien,         zu dehnen, dass das Gesamtgefüge funktioniert. Hätten hier Algorithmen das Sagen
              behielten die ursprünglich geltenden Verbrauchs- und Emissionsgrenzwerte bei. Jetzt      gehabt, wäre der Verkehr zusammengebrochen. Die größte Herausforderung der
              herrscht Konfusion auf dem US-Markt. Ähnliches geschah beim Thema Sicherheit, als        Zukunft wird es sein, die scheinbare Unvereinbarkeit eines regelkonformen Com-
              der im US NCAP festgelegte Fußgängerschutz aus den Standardanforderungen für             putersystems in Einklang zu bringen mit der menschlichen Fähigkeit, Fehler so zu
              US-Fahrzeuge gestrichen wurde. Industrieverbände mögen das als Erfolg werten, ich        begehen, dass sie am Ende dem Gemeinwohl dienen. //
              halte es für einen Rückschritt. Was ich noch hinzufügen möchte: Oft sind einzelne Au-
              tohersteller weitaus progressiver als die Verbände, von denen sie vertreten werden.

              12   MOBILITY WORLD / 1.19
WIDER DEN ROST
Adriana Osuna Arrieta betreut für M Plan einen Premiumhersteller in Sachen Korrosionsschutz.
Eine anspruchsvolle Aufgabe für die Ingenieurin – mit einer schönen Zugabe: Der Job führt sie immer
wieder in ihre Heimat Mexiko.

                                                           ADRIANA OSUNA ARRIETA
                                                           ist Rostschutzexpertin bei M Plan. Für einen großen deutschen Hersteller sorgt

                                                                                                                                                                             M AT WORK
                                                           die 32-Jährige derzeit für optimalen Korrosionsschutz in einem neuen Werk.
                                                           Sie hat in Monterrey in Mexiko Materialwissenschaften und Chemieingenieur-
                                                           wesen studiert, arbeitete als Qualitätsingenieurin unter anderem bei BASF,
                                                           war wissenschaftliche Mitarbeiterin am renommierten Karlsruher Institut für
                                                           Technologie (KIT) und kam 2017 zu M Plan. Bei ihrem derzeitigen Auftraggeber
                                                           ist sie so erfolgreich, dass sie im Frühjahr 2019 zum Autohersteller als Korrosi-
                                                           onsschutzprojektleiterin wechselt.

// Adriana Osuna Arrieta ist eine der führenden Expertinnen in Deutschland für Kor-   „Alles muss immer wieder überprüft und optimiert werden“, erklärt Adriana Osuna
rosionsschutz. Welches Material wie unter den verschiedensten Voraussetzungen         Arrieta. Denn Rost ist der natürliche Feind des Autobaus. Trotz neuester Produkti-
rostet, im Zusammenspiel mit anderen Materialien in unterschiedlichen Einsatz-        onsmethoden, trotz Digitalisierung und Industrie 4.0 – Stahl und artverwandte Ma-
gebieten, und wie man solche schädlichen Prozesse verhindert: Die Projektinge-        terialien rosten, wenn Sauerstoff und Wasser den chemischen Prozess der Oxidation
nieurin von M Plan ist Fachfrau für alle Facetten des komplexen Themas Korrosion      auslösen. Korrosion werde „auch im 21. Jahrhundert eines der großen, globalen
im Automobilbau. Sie hat einen Master of Science in Materialwissenschaften, einen     Probleme bleiben“, heißt es beim Deutschen Lackinstitut. Die World Corrosion Or-
Bachelor of Science in Chemieingenieurwesen und bereits umfangreiche Praxis-          ganization (WCO) schätzt die wirtschaftlichen Schäden durch Korrosion auf weltweit
erfahrungen in mehreren Industriebereichen sammeln können. Derzeit ist sie für        rund 1,8 Billionen US-Dollar.
M Plan als Projektleiterin „Korrosionsschutz“ im Einsatz bei einem deutschen Pre-
miumhersteller. Hier begleitet Adriana Osuna Arrieta unter anderem den Hochlauf       Die wären ohne Korrosionsschutzexperten wie Adriana Osuna Arrieta noch höher.
eines neuen Produktionswerks und stellt sicher, dass in allen Schritten des Produk-   Sie betreut neue Fahrzeugmodelle im Korrosionsdauerlauf – und ist im Einsatz bei
tionsprozesses der Korrosionsschutz gewährleistet ist. Kurz: In Sachen Rost kennt     der Inbetriebnahme neuer Produktionsstätten. Allein im vergangenen Jahr war sie
die Ingenieurin keine Überraschungen. Die größte Herausforderung in ihrem Job ist     viermal in Mexiko, ihrer Heimat. Hier betreibt ihr Auftraggeber ein neues Werk –
daher eine ganz andere: sperrige Wörter. Denn obwohl die gebürtige Mexikanerin        und die Projektingenieurin von M Plan nimmt alles unter die Lupe: angefangen bei
fließend Spanisch, Englisch und Deutsch spricht, machen ihr manche Fachvokabeln       der Logistik, wo die Transporter der Zulieferer entladen werden, über die Qualitäts-
der besonders unzugänglichen Sprache „Ingenieursdeutsch“ zu schaffen. „Neulich        begutachtung der Stahlbleche im Presswerk und die Überprüfung von Schweißnäh-
begegnete mir zum ersten Mal das Wort ‚Medienschachtdurchbruch‘“, erzählt Ad-         ten im Rohbau bis hin zur Montage, wo der Prozessablauf kontrolliert wird. Das ist
riana Osuna Arrieta und lacht. „‚Medien-schacht-durchbruch‘ – das habe ich dann       ein fordernder Job mit viel Verantwortung. Ist sie dann wieder zu Hause, sucht Ad-
abends auf dem Sofa tausendmal aufgesagt, dann saß es. Mein Mann hat nur mit          riana Osuna Arrieta Entspannung bei ihren beiden Hobbys: Am Wochenende wird
dem Kopf geschüttelt.“                                                                meist mexikanisch gekocht, „schön scharf“, wie sie lachend versichert. Und einen
                                                                                      Abend in der Woche geht sie zum Tanzen, „eine Mischung aus Salsa, afrikanischen
So wie sich die Automobilbauexpertin eine fremde Sprache perfekt erobert hat,         und orientalischen Elementen – dabei bekomme ich den Kopf frei.“ Medienschacht-
so wirkt sie auch in ihrem Beruf. Anders geht es nicht, wenn es gilt, den Produk-     durchbruch? Spielt dann vorübergehend keine Rolle. //
tionsprozess hinsichtlich des Korrosionsschutzes bis ins letzte Detail abzusichern.

                                                                                                                                         MOBILITY WORLD / 1.19          13
UNTER STROM
          Webasto ist bekannt für Panorama-, Schiebe- und Cabriodächer. Jetzt erobert sich das Unternehmen
                          neue Geschäftsfelder und baut Batteriesysteme und Ladestationen für Elektroautos.

         Webasto entwickelt Batterie- und Ladelösungen für E-Fahrzeuge – die Ladestation
         „Webasto Pure“ wurde jüngst mit dem German Innovation Award ausgezeichnet.
M VIEW

         // Auf den ersten Blick erstaunte die Mitteilung, die das Unternehmen Webasto im        ERST EISENWAREN, HEUTE LADE-APPS
         vergangenen März verschickte. „Webasto, globaler Systempartner nahezu aller Au-         Batteriesysteme sind nicht das einzige neue Standbein im jungen Markt der Elekt-
         tomobilhersteller, und Samsung SDI, Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien mit Sitz     romobilität des 1901 als Draht- und Eisenwarenfabrik gegründeten Unternehmens,
         in Südkorea, unterzeichneten im Webasto Headquarter in Stockdorf eine strategische      das sich später zunächst mit der Entwicklung von Falt- und Stahlschiebedächern,
         Vereinbarung“, hieß es. Und weiter: „Ein erstes gemeinsames Projekt ist die Entwick-    insbesondere für Daimler-Benz, einen Namen machte und dann zum Spezialisten für
         lung und Produktion eines Batteriemoduls, das in das Webasto Standard-Batteriesys-      Cabriodächer avancierte. Webasto produziert heute Ladestationen, die ein besonders
         tem für Nutzfahrzeuge integriert wird.“ Webasto, Weltmarktführer für Dachsysteme,       schnelles Laden von Elektroautos ermöglichen sollen. Die stationären Ladestationen
         Cabriodachsysteme und Standheizungen, entwickelt Batterien für Elektrofahrzeuge?        verfügen über eine Leistung von bis zu 22 kW. Die neue, intelligente Ladestation
         Und nicht nur das: Im neuen Geschäftsbereich hat man sich große Ziele gesetzt. Der      „Webasto Live“ zum Beispiel kann besonders flexibel vernetzt werden. Sie kann be-
         zuständige Webasto-Manager Dr. Hartung Wilstermann erklärte: „Die Kooperation           vorzugt über das Mobilfunknetz verbunden werden und ist damit über die „Webasto
         mit Samsung SDI ist für uns ein bedeutender Schritt in Richtung unseres Ziels, einer    Charging App“ ansteuerbar. Durch ihre Konnektivitätsfähigkeit ist die ab April 2019
         der führenden globalen Systempartner im Bereich der Batteriefertigung zu werden.”       verfügbare Ladestation nicht nur für Endkunden, sondern auch für Automobilherstel-
         Eine entsprechende Vereinbarung für den chinesischen Nutzfahrzeugmarkt besteht          ler und gewerbliche Kunden mit eigenem Fuhrpark ausgelegt. Produziert werden die
         seit November letzten Jahres mit dem Unternehmen Wanxiang A123.                         Ladelösungen am Elektronikstandort Schaidt, den Webasto 2017 übernommen hat.
                                                                                                 Außerdem profitiert das Unternehmen von der wachsenden Nachfrage nach Hoch-
         VOM AUTODACH ZUR E-MOBILITÄT                                                            voltheizern für Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Das Gerät übernimmt das notwendige
         Auf den zweiten Blick allerdings erstaunte die Mitteilung nicht mehr. Wer sich die      Thermomanagement der Batterie und schafft angenehme Temperaturen im Innen-
         Unternehmensstrategie von Webasto genauer anschaut, stellt fest: Elektromobilität       raum, wobei der Wirkungsgrad optimal ausgeschöpft wird. Inzwischen liegen mehr
         soll ein wesentliches Geschäftsfeld des Autodachentwicklers werden. Webasto stieg       als 70 Aufträge von Herstellern weltweit vor – insbesondere in China ist das Interesse
         bereits vor einem guten Jahr in die Entwicklung von Batteriesystemen ein. Als Spezi-    groß. Daher wird die Produktion am Standort Neubrandenburg ausgebaut, und es
         alist im Thermomanagement – das Unternehmen entwickelt zudem Thermosysteme              entsteht bis Ende 2019 eine neue Produktion im chinesischen Wuhan.
         für alle Antriebsarten – ist Webasto in der Lage, Batterien im optimalen Tempera-
         turzustand zu halten und sie somit besonders leistungsstark zu entwickeln. Auf der      600 MILLIONEN EURO INVESTMENT
         IAA Nutzfahrzeuge 2018 hat Webasto als Weltpremiere ein Standardbatteriesystem          Die Eroberung neuer Geschäftsfelder erfordert signifikante Investments. „Wir werden
         für Nutzfahrzeuge präsentiert. Ein Vorteil des Systems ist seine modulare Bauwei-       in den nächsten drei Jahren 600 Millionen Euro in die strategische Weiterentwicklung
         se: Der Produktentwicklungsprozess wird durch den Einsatz standardisierter Module       von Webasto investieren“, erklärt der Vorstandsvorsitzende von Webasto, Holger
         verkürzt, somit können auch kleine Stückzahlen kosteneffizient produziert werden.       Engelmann. „Die Investitionen fließen in neue Produkte und Features im Kernge-
         Diese Bauweise ermöglicht „die individuelle flexible Anpassung an aktuelle techno-      schäft sowie in die Weiterentwicklung von Kapazitäten und Strukturen. Ein wichtiger
         logische Entwicklungen und kundenspezifische Anforderungen“, wie es bei Webasto         Schwerpunkt wird der Ausbau der neuen Geschäftsfelder für die Elektromobilität
         heißt. Die zugehörige Interface-Box wurde speziell von Webasto als Schnittstelle zwi-   sein.“ Nach der Ankündigung werden Meldungen von Webasto zum Batteriegeschäft
         schen Batteriesystem und Fahrzeug entwickelt, um beliebige Systemkonfigurationen        künftig wohl niemanden mehr erstaunen.
         und Programmierungen am Batteriesystem durchzuführen. 2018 erhielt Webasto fol-
         gerichtig den ersten Serienauftrag für die Fertigung eines Batteriesystems eines OEM
         für Nutzfahrzeuge im europäischen Markt.

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