MOBILITY WORLD - MIT DER KRAFT DER LIBELLE 1.19 - M Plan
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1.19 MOBILITY WORLD MIT DER KRAFT DER LIBELLE KUNSTSTOFF, CARBON ODER STAHL? DIE AUTOINDUSTRIE SUCHT DEN PERFEKTEN WERKSTOFF. SEITE 8 SEITE 4 SEITE 10 SEITE 18 NEUE WELTEN MIT „MR. CRASHTEST“ M PLAN AUF DEM VIRTUELLEN PROTOTYPEN IM INTERVIEW KILIMANDSCHARO
INHALT NEUE WELTEN 4 Die Fahrzeugentwicklung wird immer virtueller – M Plan bietet seinen Kunden besondere Kompetenzen M INSIDE in den Disziplinen Berechnung und Simulation. NULL AUTOS AUF EINER AUTOSHOW? 7 Ja, das geht – Volvo hat es in Los Angeles vorgemacht; 330.000 Elektroautos pro Jahr will VW in Zwickau M NUMBERS produzieren – und noch mehr Zahlen … MIT DER KRAFT DER LIBELLE 8 Kunststoff, Carbon oder doch der gute alte Stahl? Die Autoindustrie ist auf der Suche nach dem optimalen M REPORT Werkstoff – gerade auch für Elektroautos. „DAS VERSTEHT KEIN MENSCH“ 10 David Ward ist als Generalsekretär von Global NCAP der oberste Aufseher weltweit für sichere Fahrzeuge. M INTERVIEW Ein Interview mit „Mr. Crashtest“. 08 MIT DER KRAFT DER LIBELLE M Report – Wie die Volvo-Tochter Polestar den Leichtbau revolutioniert. WIDER DEN ROST 13 Adriana Osuna Arrieta betreut für M Plan einen Premiumhersteller beim Korrosionsschutz – dafür reist die Ingenieurin oft nach Mexiko. M AT WORK UNTER STROM 14 Webasto ist bekannt für Panorama-, Schiebe- und Cabriodächer. Jetzt baut das Unternehmen auch M VIEW Batteriesysteme und Ladestationen für E-Autos. M INHALT CHAPEAU, CITROËN! 16 Vor hundert Jahren gründete der Unternehmer André Citroën eine Automarke, die bis heute für Extravaganz M PASSION und Innovationslust steht. POLE, POLE! 18 „Immer schön langsam“ – also „pole, pole“ – bestieg Senior Account Managerin Kristina Wagener das M PEOPLE Kilimandscharo-Massiv in Afrika. 14 UNTER STROM NEUES AUS DER WELT VON M PLAN M View – Webasto entwickelt jetzt auch Ladelösungen für E-Autos. 19 M Plan auf Platz eins als „Top Arbeitgeber“; M Plan stärkt das Bordnetzteam; M Plan radelt bei der M NEWS „Cycle Tour“ – und eine GoPro-Kamera wird verlost. M GAME IMPRESSUM Verantwortlich für den Inhalt: Realisierung und Gestaltung: Mitglied im Bernd Gilgen, Geschäftsführer Yellow Tree – Digital.Branding. Mobility World www.yellowtree.de Ausgabe 01.2019 Redaktion extern: Auflage 17.500 Büro 504, www.buero504.de Covermotiv: 9. Jahrgang © Polestar; iStock: paulrommer Redaktionsleitung: Herausgeber: Katrin Reiners M Plan GmbH Steinmüllerallee 2 Druck: 51643 Gummersbach Gronenberg Druck & Medien www.m-plan.com www.gronenberg.de 2 MOBILITY WORLD / 1.19
WIR SIMULIEREN GERNE … LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER, auch ein Geschäftsführer kennt nicht immer jeden Trick seiner Mitarbeiter(innen). ten Herstellern steigt und dazu immer mehr innovative Mobilitätsanwendungen Zum Beispiel wusste ich nicht, dass die Kollegen aus dem Bereich Berechnung/ im Fahrzeug Einzug halten, sinkt die durchschnittliche Entwicklungszeit für neue Simulation gerne mit einem amerikanischen Muscle Car zu ihren Kunden fahren Modelle, Komponenten sowie digitale Dienstleistungen. Berechnungslösungen – und nach dem Termin dann mit einem Ferrari vom Hof preschen. Allein schon bieten hervorragende Möglichkeiten, die Fahrzeugentwicklung zu verschlanken, logistisch betrachtet klingt das ziemlich verrückt, und nicht zuletzt auch im Lichte ohne Zugeständnisse bei der Qualität des Endprodukts. Das ist ein besonders unseres Gehaltsgefüges. Der Trick dabei ist: Muscle Car und Ferrari existieren nur wichtiges Geschäftsfeld auch für Entwicklungsdienstleister. Berechnungs- und Si- M EDITORIAL virtuell auf der Festplatte des Präsentationslaptops. Das habe ich gelernt, als ich mulationsdienste sind heute vermehrt Teil großer Kundenaufträge. Wer hier gut zur Inspiration für meine einleitenden Worte in die neue Ausgabe der Mobility aufgestellt ist, wer das ganz große Lastenheft inklusive virtueller Dienstleistungen World hineinlas. Anhand einer sogenannten „1D-CAD-Simulation“ zeigen also die abarbeiten kann, wird künftig bei der Vergabe von Großprojekten vorn dabei sein. Berechnungskollegen, wie man mit ein, zwei Klicks auf der Computertastatur ei- Das haben wir bei M Plan früh erkannt. Wir bieten Experten, Know-how und die nen Muscle-Car-Motor in ein italienisches Sportwagenaggregat verwandeln kann. nötige Infrastruktur. Das wissen auch unsere Kunden. Und sollte doch jemand Wo früher an einem physischen V8-Prototypen vielleicht eine neue Kurbelwelle noch Zweifel hegen an der Bedeutung virtueller Berechnungen: Die Kollegen der eingebaut werden musste, um im Verlauf einer monatelangen Entwicklung den Niederlassung Weissach starten gerne ihre V8-Motoren … Charakter des Motors zu verändern, reicht heute zunächst ein digitaler Prototyp. In virtuellen Welten lassen sich ganz real Entwicklungszeit und Kosten sparen. Das ist ein Thema, das mich sehr umtreibt. Und nicht nur mich: Von vielen Ent- Herzlichst scheidungsträgern der Branche ist zu hören, dass virtuelle Simulationen und Ihr Absicherungsprozesse künftig eine noch größere Bedeutung haben werden, als dies heute schon der Fall ist. Denn während die Variantenvielfalt bei den meis- Bernd Gilgen Geschäftsführer „Berechnungslösungen bieten hervorragende Möglichkeiten, die Fahrzeugentwicklung zu verschlanken, ohne Zugeständnisse bei der Qualität des Endprodukts.“ Bernd Gilgen, Geschäftsführer M Plan MOBILITY WORLD / 1.19 3
NEUE WELTEN Die Fahrzeugentwicklung wird immer virtueller, digitale Prototypen ersetzen im Produktentwicklungsprozess zunehmend herkömmliche Prüfverfahren. M Plan bietet seinen Kunden besondere Kompetenzen in den wichtigen Disziplinen Berechnung und Simulation. M INSIDE // Daniel Häußermann gibt Gas. Lautstark röhren acht Zylinder. Eine wunderba- Automotive-Themen wie die Elektromobilität oder das autonome Fahren deutlich re Soundsymphonie. Wäre Beethoven Motorensoundingenieur gewesen, hätte so mehr Schlagzeilen und eignen sich besser als plakative Aushängeschilder für in- sein bestes Aggregat geklungen. Mal aggressiv-bellend, mal bassig-knurrend – ja, novative Unternehmensstrategien. Doch selbst diese beiden populären Automoti- so muss ein V8 seine Stimme erheben. Ein charakterstarker Achtzylinder in einem ve-Anliegen könnten ohne die Disziplin virtuelle Produktentwicklung nicht weiter amerikanischen Muscle Car, einem Chevy aus den 60er oder 70er Jahren vielleicht. vorangetrieben werden: Die Berechnung und die Simulation neuer Fahrzeugfunk- Allerdings: Hier steht nirgendwo ein aufgemotzter Chevrolet. Hier steht nur der PC tionen und neu entwickelter Komponenten sind „ein ganz entscheidender Bereich von Daniel Häußermann mit zwei Lautsprecherboxen auf einem Schreibtisch im in der Forschung und Entwicklung geworden“, sagt Matthias Fritzsche. Er muss ersten Stock eines Bürogebäudes der Niederlassung Weissach von M Plan. Häu- es wissen: Der Maschinenbauingenieur und Experte für Simulationsszenarien ist ßermann ist Gruppenleiter in der Abteilung Berechnung/Simulation des Entwick- Bereichsleiter „Absicherung“ bei M Plan. lungsdienstleisters. Mit einem Klick auf seiner Tastatur lässt der 37-Jährige jetzt das Motorengebrüll ersterben. Denn das V8-Aggregat existiert gar nicht – es ist DEUTLICHE ENTLASTUNG FÜR ALLE OEMS nur eine virtuelle Kreation aus Bits und Bytes auf der Festplatte von Daniel Häu- Fritzsche koordiniert standortübergreifend alle Berechnungs- und Simulations- ßermann. Der sagt jetzt: „So, wir verändern mal den Kurbelwellenwinkel.“ Zwei, aktivitäten bei M Plan. Das sind einige – und es werden immer mehr. Denn das drei Klicks – und schon scheint ein Ferrari durch das Großraumbüro zu preschen. Unternehmen bietet in vielen Disziplinen des Fahrzeugbaus – von der Abgasanlage Das typische Maranello-Kreischen, die ganz große italienische Motorenoper. über das Bordnetz bis hin zum Sounddesign – Berechnungsdienstleistungen und Dann wieder ein Klick – und im Büro blubbert nur noch die Kaffeemaschine. somit virtuelle Absicherung in vielerlei Facetten an. „Damit rücken wir noch näher an unsere Kunden heran. Wir werden als Entwicklungsdienstleister noch intensi- „GANZ ENTSCHEIDEND FÜR F&E“ ver und tiefer in den Produktentwicklungsprozess und die Wertschöpfungskette Diese Sounddemonstration ist Teil einer Präsentation, mit der M Plan die Vorzüge unserer Auftraggeber integriert“, erklärt Matthias Fritzsche. Durch das Know-how der „1D-CFD-Simulation“ illustriert. Es wird gezeigt, wie mit wenigen Klicks das hochspezialisierter Dienstleistungsanbieter wie M Plan, gerade auch in essenti- am Computer geschaffene Modell eines 6,5-Liter-V8-Saugmotors modifiziert wer- ellen Disziplinen wie der Berechnung, werden Autohersteller und Zulieferunter- den kann – insbesondere, wie sich eine Veränderung des Winkels der Kurbelwelle nehmen deutlich entlastet. Denn die Entwicklungszeiten für neue Fahrzeugmo- von 90 auf 180 Grad auf die Klangcharakteristik auswirkt. Dafür korrigiert Daniel delle und für einzelne Komponenten werden immer kürzer. Gleichzeitig steigt die Häußermann in einem 1D-Computermodell einen einzelnen Zahlenwert. Ein gut Produkt- und Variantenvielfalt im Portfolio der Hersteller, neue Technologien wie ausgewähltes Beispiel, denn „ein V8-Motor emotionalisiert“, wie Häußermann elektrische Antriebe oder Systeme zum autonomen oder zunächst teilautonomen von den Reaktionen der oft erstaunten Kunden weiß. Mit satten Klängen lässt sich Fahren halten die Entwicklungsabteilungen in Atem. „Kaum eine andere Techno- das sonst eher trockene Thema 1D-Simulation gut veranschaulichen. Denn die vir- logie in der Produktentwicklung spielt bei der Erfüllung der steigenden Anforde- tuelle Simulation der Funktion und Wirkung von Fahrzeugbauteilen ist mittler- rungen eine so zentrale Rolle wie die Simulation“, so Fritzsche. © Fotolia: pixelkorn weile eine der wichtigsten Disziplinen des Automobilbaus: beispielsweise virtu- elle 1D-Entwürfe oder auch aufwendigere 3D-Szenarien, mit denen zum Beispiel ZEITALTER DER DIGITALEN PROTOTYPEN Wärmeströme in der Abgasanlage oder Luftverwirbelungen bei Aerodynamikent- Denn Zeit und Kosten drücken – und die Verlagerung von Entwicklungsschritten wicklungen in bunten Computeranimationen dargestellt werden. Zwar erzeugen in virtuelle Welten verschlankt und beschleunigt den Produktentwicklungsprozess 4 MOBILITY WORLD / 1.19
Matthias Fritzsche (links) koordiniert als Bereichsleiter „Absicherung“ die Berechnungsaktivitäten bei M Plan. Daniel Häußermann (oben) ist Gruppenleiter in der Niederlassung Weissach. Untersuchung einer Felge mit sogenannten Finite- Simulation der Luft- und Kraftstoffverteilung in einem Temperaturverteilung in den Ein- und Auslasskanä- Elemente-Methoden – so lassen sich Schwachstellen Zylinder. Die Optimierung der Gemischaufbereitung len eines Zylinderkopfs – so lässt sich das Kühlungs- M INSIDE in der Struktur erkennen. führt zu einem geringeren Kraftstoffverbrauch. konzept eines Motors optimieren. deutlich. Das ist besonders wichtig in Zeiten, in denen neue Spieler wie Google, euch darauf ein‘“, sagt Alexander Kirtzeck, Leiter der Niederlassung Weissach von Apple und Co mitmischen – Unternehmen, die an deutlich kürzere Entwicklungs- M Plan. „Und das haben wir gemacht. Die Disziplin Berechnung/Simulation ist prozesse gewöhnt sind und die nun die alten Mitspieler bei den großen Trend- heute ein eigenständiges Produkt in unserem Portfolio, ein wichtiger Schwerpunkt themen vor sich hertreiben wollen. Früher musste in der Automobilindustrie für in unserem Dienstleistungsangebot.“ nahezu jeden Entwicklungsschritt ein neuer Prototyp aufgebaut werden, mussten Werkzeuge neu konstruiert werden, um den physischen Prototyp überhaupt zu- HERSTELLER MIT NEUER STRATEGIE sammenbauen zu können, mussten bei unerwünschten Erprobungsergebnissen M Plan orientiert sich damit eng an den Strategien der Hersteller. Ein Volumen- neue Komponentenvarianten bestellt werden, mussten entsprechende Werkzeuge hersteller zum Beispiel hat jüngst einen Arbeitskreis „Virtuelle Produktentwick- noch einmal angepasst werden, musste eine neue Version des Prototypen in der lung“ ins Leben gerufen, in dem viele Fachabteilungen des OEM ihren künftigen Werkstatt aufgebaut werden … Simulationsbedarf erfassen müssen. Das Ziel: zu einem immer früheren Zeitpunkt im Produktentwicklungsprozess belastbare Daten zu bekommen, um die Entwick- Ein zeitaufwendiger, teurer Prozess. Ein physischer Prototyp aus Stahl, Kunststoff, lung konzernübergreifend entscheidend abzukürzen und ein Endprodukt deutlich Glas und Aluminium kann schnell eine Million Euro oder mehr kosten. Ein digitaler schneller zur Marktreife zu bringen. Von einem anderen Premiumhersteller ist zu Prototyp hingegen kostet erst einmal nur Rechenleistung. „Natürlich ersetzt ein hören, dass bis 2025 der digitale Prototyp Standard für alle wesentlichen Entwick- digitaler Prototyp nicht die finale Erprobung von Funktionen und Komponenten im lungsschritte kommender Modellgenerationen werden soll. Sogar ein altes inter- realen Prototyp“, erklärt Berechnungsingenieur Daniel Häußermann. „Am Ende nationales Mobilitätsübereinkommen der UN aus dem Jahr 1958 wird derzeit revi- muss ein echtes Produkt auch unter realen Bedingungen getestet werden. Den diert. In die „Technischen Regelungen der Vereinten Nationen für Radfahrzeuge, Weg dahin aber kann ich entscheidend beschleunigen. Wenn ich einen Motor zu- Ausrüstungsgegenstände und Teile, die in Radfahrzeuge(n) eingebaut (…) werden nächst in allen gewünschten Varianten, dazu die Abgasanlage und weitere wichti- können“, soll nun erstmals ein Absatz zu „Allgemeinen Bedingungen für virtuelle ge Baugruppen eines Fahrzeugs virtuell aufbaue und das Lastenheft digital erfülle, Prüfmethoden“ eingefügt werden. „Das alles zeigt: An dem Thema kommt keiner bevor ich in die physische Erprobung auf realen Prüfständen gehe, dann spare ich vorbei, der die Mobilität der Zukunft mitgestalten möchte“, erklärt Matthias Fritz- Wochen oder Monate an Entwicklungszeit und Millionen an Entwicklungskosten.“ sche. M PLAN BIETET EXPERTEN UND INFRASTRUKTUR ENTDECKUNG VIRTUELLER WELTEN Die Auftraggeber fordern von ihren Entwicklungspartnern, beim Themenfeld Be- Denn der Trend zur Digitalisierung des Endprodukts und auch des Produktionsab- rechnung, Simulation und virtuelle Absicherung gut aufgestellt zu sein. M Plan laufs – Stichwort Industrie 4.0 – erfordert die Entdeckung neuer virtueller Welten geht diese Entwicklung seit Jahren mit und hat eine innovative Infrastruktur mit im Produktentwicklungsprozess. Kein modernes Auto kommt heute ohne digitale den entsprechenden Technologien, Softwareapplikationen und vor allem gut aus- Helfer aus, vor allem intelligente Fahrerassistenzsysteme erfordern umfangreiche gebildeten Simulationsexperten aufgebaut. Ein gutes Dutzend Berechnungsinge- Tests zur Abstimmung der Sensoren und Steuergeräte. Dies wird künftig sicher nieure in den Niederlassungen Wolfsburg und Weissach arbeitet heute bundesweit ein wichtiges Feld für Anbieter von Berechnungsdienstleistungen sein – heute mit den Entwicklungsabteilungen großer Hersteller zusammen. „Unsere Kunden bearbeiten viele OEMs und Zulieferer das sensible Feld zumeist in den eigenen sagen uns: ‚Wir werden künftig deutlich weniger physische Versuche fahren. Stellt Entwicklungsabteilungen. Auch ist das Thema noch Objekt intensiver Forschung. MOBILITY WORLD / 1.19 5
M INSIDE 1D-Modelle bieten die Möglichkeit, neue Komponenten und deren Eigenschaften virtuell zu untersuchen. Hier ist das Simulationsmodell eines V8-Saugmotors mit vereinfachter Ansaug- und Abgasanlage zu sehen. Mit 1D-Modellen lässt sich die Mündungsakustik einer Abgasanlage simulieren und optimieren. Ergänzend wird die Mündungsakustik im Frequenzspektrum analysiert. FORSCHUNGSFELD AN HOCHSCHULEN „Bei der Entwicklung neuer Regelstrategien für Steuergeräte bietet die Virtualisie- Die Technische Hochschule Ingolstadt zum Beispiel forscht an virtuellen Absi- rung des Fahrzeugs neue Ansätze zum Testen und Simulieren.“ Damit könne eine cherungssystemen für Fahrerassistenzsysteme und hat dafür jüngst das neue „Reduzierung von Fehlern aufgrund verteilten Arbeitens“ erzielt werden: „Ein- Forschungs- und Testzentrum CARISSMA (Center of Automotive Research on In- zelne Komponenten wie Funktions- und Applikationssoftware, Basissoftware und tegrated Safety Systems and Measurement Area) in Betrieb genommen. „Bisher Steuergeräte-Hardware-Prototypen werden von unterschiedlichen Gruppen gelie- wurden Fahr- und Sicherheitsfunktionen primär mittels Realfahrten, ergänzt durch fert. Da die Entwicklung neuer Funktionen immer stärker interdisziplinär erfolgt, Crashtests, abgedeckt“, heißt es in Ingolstadt. „Dazu wurden für ein neues Fahr- verteilt über mehrere Gruppen und Abteilungen, und gleichzeitig die verfügbare zeug bis zu 36 Millionen Testkilometer abgespult. Die steigende Komplexität in den Zeit bis zur Marktreife immer kürzer wird, sind Tests in frühen Phasen der Entwick- Fahrfunktionen für automatisiertes Fahren, hervorgerufen durch selbstlernende lung zwingend notwendig.“ Systeme, Einbindung verschiedenster Umfeldsensorik, Car2X-Kommunikation und Datenfusion erfordert eine Neudefinition der Absicherungsstrategie.“ Und wei- GROSSES PLUS: KOSTENREDUZIERUNG ter: „Aus diesem Grund ist eine Erhöhung des Anteils rechnergestützter, virtueller Nicht zuletzt können virtuelle Absicherungen auch die Kreativität der Ingenieure Fahrversuche in Zukunft letztlich unumgänglich. Eine sicherere Markteinführung fördern, wie M Plans Simulationsexperte Matthias Fritzsche glaubt. „Wer befürch- von hochautomatisierten Fahrzeugen wird sonst kaum zu realisieren sein.“ ten muss, mit einer neuen Entwicklungsidee eventuell einen Millionen Euro teuren Prototyp gegen die Wand zu fahren, überlegt sich lieber dreimal, ob er mit seiner Dazu kommt: Auch die Arbeitsabläufe können bei innovativen Projekten, in denen Idee nach vorne preschen sollte.“ Beim digitalen Prototyp hingegen braucht kein mehr und mehr verschiedene Abteilungen zusammenarbeiten müssen, künftig kreativer Ingenieur Bedenken zu haben. Fritzsche: „Ich sage meinen Kollegen im- entscheidend verbessert werden. In einer grundsätzlichen, visionären Präsentation mer: Probier’s aus. Kann ja nichts kaputtgehen.“ // eines Premiumherstellers zum Einsatz digitaler Prototypen in der Zukunft heißt es: 6 MOBILITY WORLD / 1.19
0 – in Worten: null – Autos auf einer Autoshow, dieses scheinbar paradoxe Konzept setzte der schwedische Hersteller Volvo jetzt erstmals um: mit einem Messestand komplett ohne Fahrzeuge auf der „AutoMobility LA“ im kalifornischen Los Ange- les. „Dies ist kein Auto“, lautete Volvos zentrale Botschaft an die Messebesucher. Man wolle mit dem Auftritt in Los Angeles eine Diskussion über die Zukunft der Automobilität in Gang bringen. „Anstatt also ein Konzeptauto zu zeigen, reden wir lieber über das Konzept Auto“, sagt Marten Levenstam, der Verantwortliche für die Volvo-Produktstrategie. Am Volvo-Stand drehte sich alles um Themen wie privates 107,5 Millimeter lang ist der Innenspiegelfuß für den Mercedes-Klassiker 300 SL Coupé, den Mercedes-Benz Classic ab sofort im 3D-Druck- verfahren herstellt. Das Ersatzteil ist nur eines aus einer Reihe von Komponenten, die Mercedes wieder liefern kann, weil sie additiv gefertigt werden, also per 3D-Druck. Das Verfahren eignet sich be- sonders für kleinere Stückzahlen oder dann, wenn beispielswei- se die Originalwerkzeuge nicht mehr verfügbar sind. Beim neuen Carsharing, autonomes Fahren, Warenlieferungen ins Fahrzeug sowie andere neue Innenspiegelfuß wurde auch gleich eine Verbesserung vorgenom- Mobilitätsdienste und -konzepte. men, denn das gedruckte Bauteil ist um 42,5 Millimeter länger als das Original. Jetzt ist der Spiegel etwas höher positioniert und er- möglicht eine bessere Sicht nach hinten. 4,35 M NUMBERS 330.000 Quadratmeter groß ist die Wohnfläche des Minicaravans Migrator des rumä- nischen Herstellers FIM. Das ist genug Platz, um ein bequemes Bett für zwei Personen zu beherbergen und eine kompakte Küchenzeile – gekocht, gegessen, Elektroautos pro Jahr sollen künftig im VW-Werk in Zwickau vom Band laufen. Voraussichtlich ab November 2019 soll dort das VW-Elektromodell ID auf Basis gelebt wird jedoch draußen. Der Migrator (Preis ab 14.850 Euro) gehört zu ei- des modularen Elektrifizierungsbaukastens (MEB) gefertigt werden. Die Investiti- nem neuen Typus von Miniwohnwagen, die sich durch modernes Design, intel- onen in das Pilotwerk für Elektrofahrzeuge belaufen sich auf insgesamt rund 1,2 ligente Ausstattung, maximale Kompaktheit und minimalen Flächenverbrauch Milliarden Euro. Wenn der Umbau vollständig abgewickelt ist, sollen in Zwickau auszeichnen und auch dafür geeignet sind, von einem Elektroauto an den Haken ab 2021 sechs Elektromodelle von drei Konzernmarken (VW, Audi, Seat) produziert genommen zu werden. Das Leergewicht des Migrator beispielsweise liegt bei werden. Die Fabrik werde dann das „größte und leistungsfähigste Elektroautowerk 450 Kilogramm. Das deutsche Start-up Wheelhouse (wheelhouse.de) hat sich des Konzerns“ sein, heißt es in Wolfsburg. Dem Werk in Zwickau sollen weitere bereits auf den Vertrieb und Verleih solcher Minicaravans spezialisiert. folgen, die zu Elektrostandorten umgebaut werden, darunter die VW-Werke in Emden und Hannover. 1.000 © Volvo; Daimler AG; Volkswagen AG; Rivian Automotive; FIM Caravans Dollar Anzahlung nimmt die US-Firma Rivian Automotive ab sofort von Menschen ent- gegen, die auf die Warteliste für den ersten Elektro-Pick-up kommen wollen. Rivian hat das Modell R1T vor kurzem vorgestellt, ab Ende 2020 sollen die ersten Autos ausgeliefert werden – und zwar anfangs ausschließlich die Topversion des R1T: ein 5,74 Meter langer Fünfsitzer mit vier Elektromotoren (einer an jedem Rad) und insgesamt 562 kW (764 PS) Leistung sowie einem Akkupaket mit einer Speicherkapazität von 180 kWh im Unterbo- den. Damit kommt das Auto nach Angaben von Rivian „mindestens 400 Meilen“ weit, also rund 650 Kilometer. Um die Elektro-Pick-ups zu bauen, hat die Firma ein ehemaliges Mitsubishi-Werk im US-Staat Michigan gekauft. Der Preis des R1T wird bei rund 100.000 US-Dollar liegen, später soll es Varianten mit kleineren Akkus ab 69.000 Dollar geben – die Anzahlung wird natürlich angerechnet. MOBILITYWORLD MOBILITY WORLD//1.19 1.19 77
MIT DER KRAFT DER LIBELLE Kunststoff, Carbon oder doch der gute alte Stahl? Die Autoindustrie ist auf der Suche nach dem optimalen Werkstoff – gerade auch für Elektroautos. Die E-Pioniere von Volvo zum Beispiel setzen auf einen „klugen Materialmix“. M REPORT Thomas Ingenlath, Volvo-Chefdesigner und CEO von Polestar, präsentiert das erste Modell der neuen Volvo-Marke, den Polestar 1. // Der Rasen war mustergültig getrimmt. Herren in handgenähten Schuhen fe- an Gewicht ins Fahrzeug, das man durch den Einsatz neuer Materialien bei an- derten leichten Schrittes übers Grün, daneben versuchten die Damen mit hohen deren Komponenten einsparen kann.“ Absätzen Haltung zu wahren. Die Karosserien der Fahrzeuge glänzten perfekt poliert. Alles war makellos, wie es sich für die erlesenste Autoshow der Welt MATERIALMIX FÜR DEN MASSENMARKT? gehört, den Concours d’Elegance in Pebble Beach auf dem exklusivsten Golfplatz Allerdings sind dem Einsatz von Carbon in der Automobilindustrie auch Grenzen der Welt. Wobei, nur fast makellos … Das Wetter wollte am letzten Wochenende gesetzt. Der Polestar 1 etwa wird rund 155.000 Euro kosten und zunächst in einer im vergangenen August nicht so recht. Graue Wolken, frische Temperaturen – in Stückzahl von 500 Exemplaren im Jahr gefertigt – da rechnet sich ein Material Kalifornien, zumal an der malerischen West Coast, ist man eigentlich Besseres wie Carbon, das etwa sieben Mal teurer ist als Stahl. Anders als im Massenmarkt: gewohnt. Viele Menschen linsten mit etwas abschätzigem Blick gen Himmel. Nur „Schon aus dem Kostendenken heraus ist die Antwort heute ein intelligenter einem schien das skandinavische Grau nichts auszumachen: Thomas Ingenlath, Materialmix“, erklärt Thomas Ingenlath. So haben die Entwicklungsingenieure Volvo-Chefdesigner – und zudem CEO der Volvo-Marke Polestar. der Volvo Group für den Polestar 1 ein neues Bauteil aus Carbon entwickelt, das einem Fahrzeugrahmen aus Stahl ein „deutliches Plus an Verbindungssteifheit“ DAS ZIEL: LEICHTBAU REVOLUTIONIEREN verschafft. Diese „Dragonfly“ genannte Komponente, die der Gestalt einer gro- In dieser Funktion war er in Kalifornien. Beim Concours d’Elegance präsentierte ßen Libelle – „dragonfly“ – ähnelt, wird auf das Stahlchassis geklebt und könnte, Ingenlath vergangenen Sommer das erste Modell der neuen Elektrosubmarke so Ingenlath, auch im Massenmarkt eine entscheidende Rolle in der Fahrzeug- des schwedischen Herstellers, den Polestar 1: einen Hybridsportwagen, auf Basis konstruktion spielen. der S90-Plattform von Volvo entwickelt, optisch „eine Mischung aus Aston Mar- tin und Mustang“, wie das britische „Car Magazine“ begeistert schrieb. Für das RENAISSANCE DES STAHLS sportliche Coupé der Schweden bot der eher nordische Himmel über Kalifornien Überhaupt wird Stahl als bedeutendes Material so schnell nicht aus den Autofa- dann auch die ideale Kulisse. Die Mission des Polestar 1: Volvos Elektrooffensive briken verdrängt werden. Selbst im wachsenden Markt der Elektroautos erlebt ein Gesicht geben, Tesla auf dem Terrain der sportlich-luxuriösen E- und Hyb- Stahl eine erstaunliche Renaissance. Eine Studie des indischen Stahlkonzerns © Polestar; Thyssenkrupp AG ridcoupés angreifen – und Maßstäbe beim Thema Leichtbau setzen. Denn allein Tata Steel prognostiziert, dass allein die europäische Autoindustrie in den nächs- das Chassis des neuen Modells ist dank vieler Carbonkomponenten rund 230 ten 30 Jahren bis zu 25 Prozent mehr Stahl ordern wird. Bislang hieß es, im Ver- Kilogramm leichter als das eines vergleichbaren Volvo. „Gewicht ist ein wichtiges gleich mit anderen Metallen sei Stahl einfach zu schwer. Tesla setze auf leichtere Thema“, sagt Thomas Ingenlath im Gespräch mit Mobility World. „Gerade jetzt, Werkstoffe wie Aluminium oder Titan, BMW bei den i-Modellen auf kohlefaser- da die Elektromobilität Fahrt aufnimmt. Die Batterien bringen ein deutliches Plus verstärkte Kunststoffe. Das Gewicht der Elektroautos sollte so weit wie möglich 8 MOBILITY WORLD / 1.19
Im Polestar 1 ist viel Carbon verbaut – so auch im libellenförmigen Chassisbauteil „Dragonfly“ (Foto oben). Für den Massenmarkt forschen Unternehmen wie Thyssenkrupp Steel an neuen, leichteren Blechvarianten (kl. Foto). M REPORT gedrückt werden, um die Reichweite zu erhöhen. Vom Gewicht des Autos hängen Gewicht, mit einem überraschenden Ergebnis: Bei 300 Kilogramm Zusatzlast aber auch Bremsweg und Crashverhalten ab – und bei konventionellen Antrie- stieg der Stromverbrauch des Tesla auf 100 Kilometern lediglich um 0,6 Prozent ben auch Emissionen wie der CO2-Ausstoß. Da 80 Prozent des Gesamtgewichts an. Auch der BMW verbrauchte auf 100 Kilometern nur vier Prozent mehr Strom. eines normalen Massenmarktfahrzeugs auf Stahl entfallen, ist klar, dass es hier Spielt das Gewicht also bei E-Autos keine große Rolle mehr? „Natürlich ist Fahr- das größte Potential zum Gewichtsparen gibt. Dazu kommt: Das Gewicht eines zeuggewicht auch in der Zukunft von Bedeutung, allerdings sinkt aufgrund der Aluminiumbauteils zu senken, ist im Vergleich zu einem Stahlbauteil fünfmal Rekuperation der Nutzen des Leichtbaus“, sagt CAR-Leiter Ferdinand Dudenhöf- teurer; Komponenten aus kohlefaserverstärktem Kunststoff in gleicher Größen- fer. Rekuperation, also der Gewinn von Energie beim Abbremsen eines E-Autos ordnung leichter zu machen, ist bis zu 50-mal so teuer. durch die Umwandlung von kinetischer in elektrische Energie für den Akku, sorgt dafür, dass zusätzliches Gewicht für Stromer nicht automatisch ein Reichweiten- NEUE UMFORMTECHNOLOGIEN problem darstellt. Denn mehr Gewicht bedeutet mehr Bewegungsenergie, also Es ist also billiger, Stahl zu sparen. „Elektroautos müssen erschwinglich sein. mehr Power im Akku. Dafür brauchen sie vor allem wirtschaftlichen, kostenoptimierten Leichtbau – und der ist nur mit Stahl zu realisieren“, sagt André Matusczyk, Chef des Au- AUF DEN TAKT KOMMT ES AN togeschäfts bei Thyssenkrupp Steel. Thyssenkrupp erweitert daher das Angebot Und noch ein Aspekt spricht für den traditionellen Werkstoff Stahl: der Produk- an kalt- und warmumgeformten Stählen. Zudem arbeitet der Stahlkonzern an tionsprozess. Laufen künftig Elektroautos in großen Massen vom Band, ist die verbesserten Umformtechnologien. Bei der Karosserie des aktuellen VW Golf Taktzeit ein entscheidendes Kriterium für eine wirtschaftliche Produktion. „Kom- werden zum Beispiel durch warmumgeformte Leichtbaustähle 23 Kilogramm ponenten aus Stahl- oder auch Aluminiumblech können mit hochautomatisier- eingespart. Und mit dem Kaltumformverfahren Smartform will Thyssenkrupp ten Presswerkzeugen zum Beispiel auf Großraumsaugerpressen in einer deutlich künftig geometrisch anspruchsvolle Bauteile passgenau im Presswerk herstellen. höheren Taktung produziert werden als Bauteile aus Carbon oder Kunststoff“, er- Vorteil: Es gelangt nur so viel Stahl wie nötig in den Fertigungsprozess. „Wir klärt Ansgar Ostendorf, Leiter des Center of Competence Produktionstechnik von erreichen eine Materialersparnis von rund 15 Prozent“, sagt Matusczyk. Auch M Plan. Hier in Osnabrück werden für viele große Hersteller und Zulieferunter- die großen Hersteller setzen weiter – oder wieder – auf das Traditionsmaterial nehmen aus der Automobilindustrie die bis zu 50 Tonnen schweren Spezialwerk- Stahl. BMW etwa hatte zwar vor einigen Jahren im Zuge seiner E-Offensive das zeuge konzipiert, mit denen kommende Generationen von Fahrzeugen gebaut Carbonzeitalter ausgerufen und der teure Leichtbauwerkstoff wird weiterhin für werden. So zum Beispiel mächtige blechverarbeitende Werkzeuge, die in Vier- die in vergleichsweise geringen Stückzahlen produzierten i-Modelle eingesetzt. fachfertigung Türaußenbleche herstellen – in einem Arbeitsvorgang beide Vor- Beim neuen Fünfer jedoch verzichtet der Autobauer komplett auf Carbon, setzt der- sowie beide Hintertüren. „Bei einer Taktung von 15 Pressenhüben pro Minute stattdessen auf einen Mix aus Aluminium, Magnesium und hochfesten Stählen. werden 60 Blechteile produziert – das ist etwa mit Kohlefaserprodukten nicht zu schaffen“, so Ostendorf. Bei anderen Materialien kommen weitere zeitaufwendi- E-AUTOS: GEWICHT BRINGT VORTEILE ge und teure Produktionsschritte hinzu, wenn etwa Kunststoff eingespritzt werden Dazu kommt: Leichtbau gilt neuerdings gar nicht mehr als Allheilmittel für mehr und dann noch aushärten muss. Dazu kommt: Stahl ist recycelbar und kann immer Reichweite bei Elektroautos. Das geht aus einer Studie des Center Automotive wieder in den Automobilkreislauf integriert werden, das geht beispielsweise mit Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen hervor. Das CAR untersuchte die Kunststoff nicht. Produktionsexperte Ostendorf prognostiziert: „Die Zukunft gehört Elektrofahrzeuge Tesla S und BMW i3 auf ihren Stromverbrauch bei steigendem erst einmal den klassischen Blechwerkstoffen Stahl und Aluminium.“ // MOBILITY WORLD / 1.19 9
„DAS VERSTEHT KEIN MENSCH“ Nach seinen Sternen greift die Autowelt: David Ward ist als Generalsekretär von Global NCAP der oberste Aufseher weltweit für sichere Fahrzeuge. Im Interview erklärt „Mr. Crashtest“, warum autonom fahrende Autos nicht automatisch sicherer sind, weshalb auch Pkw-Betriebsanleitungen bewertet werden sollten – und was die digital denkende Welt vom Feierabendverkehr in Indien lernen kann. M INTERVIEW 10 MOBILITY WORLD / 1.19
„Ich glaube, dass die größten Veränderungen in der Automobilwelt gar nicht die sind, über die am meisten gesprochen wird. Aus meiner Sicht ist der größte Wandel derzeit geografischer Art.“ David Ward, Generalsekretär von Global NCAP Unter dem Dach von Global NCAP werden weltweit regelmäßig Crashtests mit Neuwagen durchgeführt und so Fahrzeuge nach allgemein anerkannten Sicherheitsstandards klassifiziert. // Mr. Ward, Sie setzen sich für weltweit gültige Crashtestnormen ein. Wird der Digitalisierung, Elektrifizierung und vor allem autonomes Fahren gelten in den Tag kommen, an dem Ihre Arbeit vollendet ist – weil alle Autos von Computern Vorstandsetagen der Hersteller schon heute als Megatrends … gesteuert werden und es somit gar keine Verkehrsunfälle mehr gibt? David Ward: Wenn ich da kurz einhaken darf: Ich glaube, dass die größten Ver- David Ward: Das ist zu wünschen, ich bin aber skeptisch. Es gibt so viele Autos änderungen in der Automobilwelt gar nicht die sind, über die am meisten ge- auf den Straßen rund um den Globus und es werden immer mehr. In Schwellen- sprochen wird. Aus meiner Sicht ist der größte Wandel derzeit geografischer Art. M INTERVIEW ländern wie China oder Indien sind die Sicherheitsstandards noch auf einem sehr Immer mehr Autos werden in immer mehr Ländern produziert; China etwa ist zum niedrigen Niveau. größten Automobilproduzenten der Welt aufgestiegen, ähnlich rasant vollzieht sich die Entwicklung in Indien und Lateinamerika. Das sind die wirklich großen Egal, welchen Automobilmanager man fragt: Alle sind sich einig, dass das au- Veränderungen – die Zahl der autonom fahrenden Autos hingegen ist dagegen tonome Fahren kommt. verschwindend gering. David Ward: Damit mögen sie auch recht haben. Die Frage ist nur, wann – und in welcher Ausprägung. Viele zeitliche Prognosen halte ich für fragwürdig. Manchmal Was bedeutet das für die Sicherheit im Straßenverkehr? könnte man glauben, morgen oder übermorgen sei es schon so weit. Der Hype David Ward: Das große Problem des immensen Mengenwachstums bei der Pro- ist groß. Das geht so weit, dass heute Finanzanalysten in der Automobilindus- duktion und beim Verkauf von Autos in aufstrebenden Märkten ist, dass es dort trie Gewinnprognosen von Unternehmen auf Basis technologischer Entwicklungen viel weniger sicherheitsspezifische Regularien gibt. Sehr viele Fahrzeuge, die dort machen, von denen sie keine vertiefende Ahnung haben. Auf Unternehmensseite gebaut werden, wären beispielsweise illegal in der EU, in Nordamerika oder in wird dann ein Entwicklungsthema, wie zum Beispiel das autonome Fahren, forciert Japan, weil sie nicht den hiesigen Sicherheitsstandards entsprechen. Deshalb ist positiv beworben, um den Unternehmenswert für Investoren möglichst attraktiv es unsere größte Herausforderung bei Global NCAP, weltweite Sicherheits- und erscheinen zu lassen. Dabei wird der Rahmen der Realität verschoben. Darin sehe Crashtestnormen zu etablieren. Die gute Nachricht ist, dass sich etwas bewegt. ich eine Gefahr. Wenn der Hype zu sehr befeuert wird, entstehen Erwartungen In Indien gelten die Crashtestbestimmungen, die in der EU 1998 eingeführt wur- auch auf Kundenseite, die die Technologien mittelfristig gar nicht erfüllen. den, seit dem vergangenen Jahr, in Mexiko werden sie 2019 in Kraft treten. In den kommenden zehn Jahren wird es unsere Hauptaufgabe sein, aktive Sicherheits- Sie scheinen die Rolle des Party Crashers zu besetzen. Während alle die neuen technik zum weltweiten Standard zu machen. Das gilt besonders für ESP. Perspektiven bejubeln, rufen Sie: Halt, die Realität sieht anders aus … David Ward: Wir bemühen uns einfach um ein realistisches Bild. Das war schon vor Euro NCAP hat kürzlich bei München zusammen mit dem ADAC erstmals Autos ge- 20 Jahren so, als wir höhere Crashteststandards durchgesetzt haben und uns dabei testet, die mit Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet waren, die zumindest ein teilau- ein schöner Gegenwind aus der Industrie traf. Wir sehen uns als Aufklärer der tonomes Fahren erlauben. Dafür musste ein neues Testszenario entwickelt werden. Öffentlichkeit, gerade bei so wichtigen Themen wie dem autonomen Fahren. Der David Ward: Die Herangehensweise ist heute ganz anders als vor Jahrzehnten. Hype muss hinterfragt werden, Technologien müssen in allgemeingültigen Tests Früher haben wir einfach ein Exemplar eines neuen Automodells gekauft und es überprüft werden. Sonst entsteht beim Kunden irgendwann das Gefühl, in die Irre unserem Crashtestszenario unterzogen. Dafür mussten wir nicht mit dem Herstel- geführt worden zu sein. Viele Menschen glauben zum Beispiel, einige Automodel- ler zusammenarbeiten, wir konnten unabhängig agieren. Das ist heute so nicht le könnten schon heute vollkommen autonom fahren – auch weil die Hersteller das mehr möglich, wenn man die Sicherheit neuer Systeme überprüfen will. Die Fahr- zum Teil suggerieren. Das ist aber falsch. Es gibt bislang kein autonom fahrendes zeuge sind mit hochkomplexen Computersystemen ausgestattet; die müssen wir Serienmodell. uns vom Hersteller erklären lassen. Wir müssen ein System bis ins letzte Detail verstanden haben, um es dann auf etwaige Schwächen zu untersuchen. Das wird Sind Sie generell skeptisch, was die Vorteile autonom fahrender Autos anbelangt? künftig in unsere Bewertung neuer Modelle verstärkt mit einfließen. Ein Pro- David Ward: Ganz und gar nicht. Meine Skepsis bezieht sich einzig und allein auf blem heute ist zum Beispiel, dass jeder Hersteller einen anderen Namen für seine die meines Erachtens viel zu optimistischen Prognosen, vor allem was die Umset- Technologie hat. Und manche dieser Bezeichnungen sind missverständlich. Es gibt © Global NCAP zung betrifft. Das wird alles sehr viel länger dauern, als manche prophezeien. Dass Assistenzsysteme, für die kursieren mehrere Dutzend Namen. Und alle meinen jedoch autonom fahrende Autos die uns heute bekannten Fahrzeuge irgendwann eigentlich das Gleiche. ablösen werden, daran habe ich keinen Zweifel. MOBILITY WORLD / 1.19 11
DAVID WARD, 63, ist Generalsekretär von Global NCAP. Die Nicht- regierungsorganisation setzt sich weltweit für mehr Sicherheit im Straßenverkehr und vor allem sicherere Ende 2018 führte Euro NCAP auf einem Fahrzeuge ein. Unter dem Dach von Global NCAP ope- Flughafen bei München erstmals Tests rieren weltweit acht regionale NCAP-Organisationen, mit teilautonom fahrenden Automodellen in Europa z. B. Euro NCAP, in Nordamerika US NCAP, durch (Foto oben). die regelmäßig Crashtests mit Neuwagen durchführen und so Fahrzeuge nach allgemein anerkannten Sicher- heitsstandards klassifizieren. Der Brite David Ward, studierter Philosoph, war bis in die Mitte der 90er Jahre als Politiker aktiv, bevor er zunächst für die Vereinten Nationen tätig war. Nun arbeitet er seit vielen Jahren für verschiedene Organisationen, die sich für mehr Verkehrssicherheit einsetzen. M INTERVIEW Sie haben bei Ihrem Test sogar eine Bewertung der Gebrauchsanleitungen vorge- Warum ist es so schwierig, wirklich sichere Autos zu einer Selbstverständlich- nommen … keit zu machen? David Ward: Ja, denn dort fängt das Missverständnis oft an. In einigen Handbüchern David Ward: Aus meiner Sicht liegt das vor allem daran, dass das Risikobewusst- der getesteten Fahrzeuge ist beispielsweise von einem „Autopilot“-System die Rede. sein der meisten Menschen im Straßenverkehr einfach viel zu gering ist. Wir alle Das suggeriert, das Fahrzeug kann die Rolle des Piloten eigenständig übernehmen. unterschätzen systematisch die Gefahren eines Unfalls. Wenn man Menschen, die Das ist aber nicht der Fall. Es müsste besser von einem Assistenzsystem gesprochen zum ersten Mal bei einem Crashtest dabei sind, fragt, mit welchem Tempo das werden, mit Betonung auf „Assistenz“. Der tödliche Tesla-Unfall in den USA vergan- Auto wohl an die Wand geknallt ist, dann hört man meist Antworten wie „vielleicht genes Jahr hat gezeigt, dass der Fahrer des Autos die Möglichkeiten seines Fahrzeugs 100, vielleicht auch 120 km/h“. Und wenn man ihnen dann sagt: Nein, das war eklatant überschätzt hatte. Die Untersuchung der US-amerikanischen Behörden hat Tempo 64, dann sind sie schockiert. Diese Fehleinschätzung ist aus meiner Sicht ergeben, dass es in der Betriebsanleitung des Fahrzeugs missverständliche Formu- der Hauptgrund, warum wir Sicherheitssysteme zu wenig wertschätzen und uns zu lierungen gab. Das unterstreicht, wie wichtig eine vollkommen transparente und ehr- wenig mit ihnen beschäftigen. liche Kommunikation über die Möglichkeiten – und Einschränkungen – neuer Tech- nologien ist. Es hilft zum Beispiel überhaupt nicht, wenn auf Herstellerseite von den Sie reisen viel um die Welt zu den verschiedenen regionalen NCAP-Organisa- fünf oder sechs Entwicklungslevels beim autonomen Fahren gesprochen wird. Das tionen. Was lehrt Sie persönlich Ihre globale Sicht auf das große Thema auto- versteht kein Mensch. Viele Kunden kaufen ein Auto und wissen gar nicht, was es nomes Fahren? alles kann. Oder was es eben nicht kann. Da haben die Hersteller noch eine wahre David Ward: Dass wir noch einen langen, sehr langen Weg vor uns haben. Ich war Herkulesaufgabe vor sich. Da trifft die alte Analogie zu: Man kann nicht rennen, bevor kürzlich in Pune in Indien, um eines der dortigen Crashlabore zu besichtigen. Wir man nicht gehen gelernt hat. fuhren morgens durch die Innenstadt und kamen an eine Kreuzung. So etwas habe ich selten gesehen: Sieben oder acht Straßen trafen hier zusammen, jede mit meh- Bei einer Rede formulierten Sie kürzlich die Frage, ob „die Autoindustrie das re- reren Fahrspuren. Wobei, Fahrspuren … Da fährt ja jeder, wo er eine Lücke vermutet. flexhafte Ablehnen von schärferen Sicherheits- und Umweltstandards“ wohl irgend- Autos, Lkw, Motorräder, Tuk Tuks. Und in diesem Durcheinander sah ich eine Frau. wann ablegen könne. Wie lautet Ihre Antwort darauf? Eine elegante ältere Dame, die in aller Ruhe mitten durch das größte Chaos schritt, David Ward: Lassen Sie mich mit einem Beispiel antworten. Unmittelbar nachdem das man sich nur vorstellen kann. Oh mein Gott, dachte ich, gleich kracht’s, ich will Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, lobbyierte die US-Auto- das gar nicht sehen. Zu meiner Überraschung aber passierte: nichts. Was kann man industrie für die Zurücknahme schärferer Verbrauchswerte, und sie setzte sich durch. daraus lernen? Menschen sind höchst versiert darin, die Regeln zu brechen oder so Ich halte das für eine große Dummheit, denn 17 US-Staaten, darunter Kalifornien, zu dehnen, dass das Gesamtgefüge funktioniert. Hätten hier Algorithmen das Sagen behielten die ursprünglich geltenden Verbrauchs- und Emissionsgrenzwerte bei. Jetzt gehabt, wäre der Verkehr zusammengebrochen. Die größte Herausforderung der herrscht Konfusion auf dem US-Markt. Ähnliches geschah beim Thema Sicherheit, als Zukunft wird es sein, die scheinbare Unvereinbarkeit eines regelkonformen Com- der im US NCAP festgelegte Fußgängerschutz aus den Standardanforderungen für putersystems in Einklang zu bringen mit der menschlichen Fähigkeit, Fehler so zu US-Fahrzeuge gestrichen wurde. Industrieverbände mögen das als Erfolg werten, ich begehen, dass sie am Ende dem Gemeinwohl dienen. // halte es für einen Rückschritt. Was ich noch hinzufügen möchte: Oft sind einzelne Au- tohersteller weitaus progressiver als die Verbände, von denen sie vertreten werden. 12 MOBILITY WORLD / 1.19
WIDER DEN ROST Adriana Osuna Arrieta betreut für M Plan einen Premiumhersteller in Sachen Korrosionsschutz. Eine anspruchsvolle Aufgabe für die Ingenieurin – mit einer schönen Zugabe: Der Job führt sie immer wieder in ihre Heimat Mexiko. ADRIANA OSUNA ARRIETA ist Rostschutzexpertin bei M Plan. Für einen großen deutschen Hersteller sorgt M AT WORK die 32-Jährige derzeit für optimalen Korrosionsschutz in einem neuen Werk. Sie hat in Monterrey in Mexiko Materialwissenschaften und Chemieingenieur- wesen studiert, arbeitete als Qualitätsingenieurin unter anderem bei BASF, war wissenschaftliche Mitarbeiterin am renommierten Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und kam 2017 zu M Plan. Bei ihrem derzeitigen Auftraggeber ist sie so erfolgreich, dass sie im Frühjahr 2019 zum Autohersteller als Korrosi- onsschutzprojektleiterin wechselt. // Adriana Osuna Arrieta ist eine der führenden Expertinnen in Deutschland für Kor- „Alles muss immer wieder überprüft und optimiert werden“, erklärt Adriana Osuna rosionsschutz. Welches Material wie unter den verschiedensten Voraussetzungen Arrieta. Denn Rost ist der natürliche Feind des Autobaus. Trotz neuester Produkti- rostet, im Zusammenspiel mit anderen Materialien in unterschiedlichen Einsatz- onsmethoden, trotz Digitalisierung und Industrie 4.0 – Stahl und artverwandte Ma- gebieten, und wie man solche schädlichen Prozesse verhindert: Die Projektinge- terialien rosten, wenn Sauerstoff und Wasser den chemischen Prozess der Oxidation nieurin von M Plan ist Fachfrau für alle Facetten des komplexen Themas Korrosion auslösen. Korrosion werde „auch im 21. Jahrhundert eines der großen, globalen im Automobilbau. Sie hat einen Master of Science in Materialwissenschaften, einen Probleme bleiben“, heißt es beim Deutschen Lackinstitut. Die World Corrosion Or- Bachelor of Science in Chemieingenieurwesen und bereits umfangreiche Praxis- ganization (WCO) schätzt die wirtschaftlichen Schäden durch Korrosion auf weltweit erfahrungen in mehreren Industriebereichen sammeln können. Derzeit ist sie für rund 1,8 Billionen US-Dollar. M Plan als Projektleiterin „Korrosionsschutz“ im Einsatz bei einem deutschen Pre- miumhersteller. Hier begleitet Adriana Osuna Arrieta unter anderem den Hochlauf Die wären ohne Korrosionsschutzexperten wie Adriana Osuna Arrieta noch höher. eines neuen Produktionswerks und stellt sicher, dass in allen Schritten des Produk- Sie betreut neue Fahrzeugmodelle im Korrosionsdauerlauf – und ist im Einsatz bei tionsprozesses der Korrosionsschutz gewährleistet ist. Kurz: In Sachen Rost kennt der Inbetriebnahme neuer Produktionsstätten. Allein im vergangenen Jahr war sie die Ingenieurin keine Überraschungen. Die größte Herausforderung in ihrem Job ist viermal in Mexiko, ihrer Heimat. Hier betreibt ihr Auftraggeber ein neues Werk – daher eine ganz andere: sperrige Wörter. Denn obwohl die gebürtige Mexikanerin und die Projektingenieurin von M Plan nimmt alles unter die Lupe: angefangen bei fließend Spanisch, Englisch und Deutsch spricht, machen ihr manche Fachvokabeln der Logistik, wo die Transporter der Zulieferer entladen werden, über die Qualitäts- der besonders unzugänglichen Sprache „Ingenieursdeutsch“ zu schaffen. „Neulich begutachtung der Stahlbleche im Presswerk und die Überprüfung von Schweißnäh- begegnete mir zum ersten Mal das Wort ‚Medienschachtdurchbruch‘“, erzählt Ad- ten im Rohbau bis hin zur Montage, wo der Prozessablauf kontrolliert wird. Das ist riana Osuna Arrieta und lacht. „‚Medien-schacht-durchbruch‘ – das habe ich dann ein fordernder Job mit viel Verantwortung. Ist sie dann wieder zu Hause, sucht Ad- abends auf dem Sofa tausendmal aufgesagt, dann saß es. Mein Mann hat nur mit riana Osuna Arrieta Entspannung bei ihren beiden Hobbys: Am Wochenende wird dem Kopf geschüttelt.“ meist mexikanisch gekocht, „schön scharf“, wie sie lachend versichert. Und einen Abend in der Woche geht sie zum Tanzen, „eine Mischung aus Salsa, afrikanischen So wie sich die Automobilbauexpertin eine fremde Sprache perfekt erobert hat, und orientalischen Elementen – dabei bekomme ich den Kopf frei.“ Medienschacht- so wirkt sie auch in ihrem Beruf. Anders geht es nicht, wenn es gilt, den Produk- durchbruch? Spielt dann vorübergehend keine Rolle. // tionsprozess hinsichtlich des Korrosionsschutzes bis ins letzte Detail abzusichern. MOBILITY WORLD / 1.19 13
UNTER STROM Webasto ist bekannt für Panorama-, Schiebe- und Cabriodächer. Jetzt erobert sich das Unternehmen neue Geschäftsfelder und baut Batteriesysteme und Ladestationen für Elektroautos. Webasto entwickelt Batterie- und Ladelösungen für E-Fahrzeuge – die Ladestation „Webasto Pure“ wurde jüngst mit dem German Innovation Award ausgezeichnet. M VIEW // Auf den ersten Blick erstaunte die Mitteilung, die das Unternehmen Webasto im ERST EISENWAREN, HEUTE LADE-APPS vergangenen März verschickte. „Webasto, globaler Systempartner nahezu aller Au- Batteriesysteme sind nicht das einzige neue Standbein im jungen Markt der Elekt- tomobilhersteller, und Samsung SDI, Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien mit Sitz romobilität des 1901 als Draht- und Eisenwarenfabrik gegründeten Unternehmens, in Südkorea, unterzeichneten im Webasto Headquarter in Stockdorf eine strategische das sich später zunächst mit der Entwicklung von Falt- und Stahlschiebedächern, Vereinbarung“, hieß es. Und weiter: „Ein erstes gemeinsames Projekt ist die Entwick- insbesondere für Daimler-Benz, einen Namen machte und dann zum Spezialisten für lung und Produktion eines Batteriemoduls, das in das Webasto Standard-Batteriesys- Cabriodächer avancierte. Webasto produziert heute Ladestationen, die ein besonders tem für Nutzfahrzeuge integriert wird.“ Webasto, Weltmarktführer für Dachsysteme, schnelles Laden von Elektroautos ermöglichen sollen. Die stationären Ladestationen Cabriodachsysteme und Standheizungen, entwickelt Batterien für Elektrofahrzeuge? verfügen über eine Leistung von bis zu 22 kW. Die neue, intelligente Ladestation Und nicht nur das: Im neuen Geschäftsbereich hat man sich große Ziele gesetzt. Der „Webasto Live“ zum Beispiel kann besonders flexibel vernetzt werden. Sie kann be- zuständige Webasto-Manager Dr. Hartung Wilstermann erklärte: „Die Kooperation vorzugt über das Mobilfunknetz verbunden werden und ist damit über die „Webasto mit Samsung SDI ist für uns ein bedeutender Schritt in Richtung unseres Ziels, einer Charging App“ ansteuerbar. Durch ihre Konnektivitätsfähigkeit ist die ab April 2019 der führenden globalen Systempartner im Bereich der Batteriefertigung zu werden.” verfügbare Ladestation nicht nur für Endkunden, sondern auch für Automobilherstel- Eine entsprechende Vereinbarung für den chinesischen Nutzfahrzeugmarkt besteht ler und gewerbliche Kunden mit eigenem Fuhrpark ausgelegt. Produziert werden die seit November letzten Jahres mit dem Unternehmen Wanxiang A123. Ladelösungen am Elektronikstandort Schaidt, den Webasto 2017 übernommen hat. Außerdem profitiert das Unternehmen von der wachsenden Nachfrage nach Hoch- VOM AUTODACH ZUR E-MOBILITÄT voltheizern für Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Das Gerät übernimmt das notwendige Auf den zweiten Blick allerdings erstaunte die Mitteilung nicht mehr. Wer sich die Thermomanagement der Batterie und schafft angenehme Temperaturen im Innen- Unternehmensstrategie von Webasto genauer anschaut, stellt fest: Elektromobilität raum, wobei der Wirkungsgrad optimal ausgeschöpft wird. Inzwischen liegen mehr soll ein wesentliches Geschäftsfeld des Autodachentwicklers werden. Webasto stieg als 70 Aufträge von Herstellern weltweit vor – insbesondere in China ist das Interesse bereits vor einem guten Jahr in die Entwicklung von Batteriesystemen ein. Als Spezi- groß. Daher wird die Produktion am Standort Neubrandenburg ausgebaut, und es alist im Thermomanagement – das Unternehmen entwickelt zudem Thermosysteme entsteht bis Ende 2019 eine neue Produktion im chinesischen Wuhan. für alle Antriebsarten – ist Webasto in der Lage, Batterien im optimalen Tempera- turzustand zu halten und sie somit besonders leistungsstark zu entwickeln. Auf der 600 MILLIONEN EURO INVESTMENT IAA Nutzfahrzeuge 2018 hat Webasto als Weltpremiere ein Standardbatteriesystem Die Eroberung neuer Geschäftsfelder erfordert signifikante Investments. „Wir werden für Nutzfahrzeuge präsentiert. Ein Vorteil des Systems ist seine modulare Bauwei- in den nächsten drei Jahren 600 Millionen Euro in die strategische Weiterentwicklung se: Der Produktentwicklungsprozess wird durch den Einsatz standardisierter Module von Webasto investieren“, erklärt der Vorstandsvorsitzende von Webasto, Holger verkürzt, somit können auch kleine Stückzahlen kosteneffizient produziert werden. Engelmann. „Die Investitionen fließen in neue Produkte und Features im Kernge- Diese Bauweise ermöglicht „die individuelle flexible Anpassung an aktuelle techno- schäft sowie in die Weiterentwicklung von Kapazitäten und Strukturen. Ein wichtiger logische Entwicklungen und kundenspezifische Anforderungen“, wie es bei Webasto Schwerpunkt wird der Ausbau der neuen Geschäftsfelder für die Elektromobilität heißt. Die zugehörige Interface-Box wurde speziell von Webasto als Schnittstelle zwi- sein.“ Nach der Ankündigung werden Meldungen von Webasto zum Batteriegeschäft schen Batteriesystem und Fahrzeug entwickelt, um beliebige Systemkonfigurationen künftig wohl niemanden mehr erstaunen. und Programmierungen am Batteriesystem durchzuführen. 2018 erhielt Webasto fol- gerichtig den ersten Serienauftrag für die Fertigung eines Batteriesystems eines OEM für Nutzfahrzeuge im europäischen Markt. 14 MOBILITY WORLD / 1.19
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