MOBILITY WORLD - AUTONOM AUF KURS? - M Plan
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2.19 MOBILITY WORLD AUTONOM AUF KURS? DIE GROSSE HERAUSFORDERUNG DES FAHRERLOSEN FAHRENS: INTERVIEW MIT DR. AXEL HEINRICH, LEITER VOLKSWAGEN KONZERNFORSCHUNG ZUM ERSTEN PILOTPROJEKT IM HAMBURGER STADTVERKEHR SEITE 10 SEITE 4 SEITE 8 SEITE 14 ACHTUNG, GEHEIM! DIE FABRIK ZULIEFERER APTIV: M PLAN BAUT PROTOTYPEN DER ZUKUNFT VIVA LAS VEGAS
INHALT AUFTRAG U06 4 Der Aufbau von Testfahrzeugen und Prototypen ist eine entscheidende Disziplin – M Plan bietet Know-how und M INSIDE Infrastruktur für komplexe Fahrzeugbauprojekte. 30.000 EURO FÜR EIN BOBBYCAR 7 bzw. für den „Bébé Bugatti II“, ein Kinderauto mit Elektromotor; 85 Prozent Plus beim Elektroautoverkauf M NUMBERS in China – und noch mehr Zahlen ... DIE FABRIK DER ZUKUNFT 8 Fließband, Produktionsinseln, Werkstattfertigung – Autofabriken wandeln sich derzeit ähnlich rasch wie die M REPORT Fahrzeuge, die dort hergestellt werden. „AUS DEM ECHTEN LEBEN LERNEN“ 10 Interview mit Axel Heinrich, Leiter der Volkswagen Konzernforschung, zum Wettbewerb beim autonomen M INTERVIEW Fahren – und zur Macht der Algorithmen. 08 PRODUKTION 4.0 M Report – Digitalisierung, E-Mobilität – so werden kommende Automobilgenerationen gefertigt. LONDON CALLING 13 Robin Nedellas Leidenschaft gehört einem Wasserstoff- fahrzeug. Der Student und Stipendiat von M Plan ist Rennleiter des Hydro2Motion-Teams. M PEOPLE DIE WÜSTE RUFT 14 Aptiv gehört zu den führenden Unternehmen für die Entwicklung von Technologien für das autonome Fahren. M VIEW M INHALT UNTERM HIMMEL WEISS UND GRAU 16 In seiner Freizeit schraubt Edgar Heinrich, Designchef bei BMW Motorrad, an besonderen Zweiradprojekten in M PASSION einer Garage am Ammersee. DER PFADFINDER 18 Thilo Schindele ist Akustikexperte bei M Plan. Für einen Premiumhersteller untersucht – und M AT WORK eliminiert – er störende Geräusche im Fahrzeug. 14 VIVA LAS VEGAS NEUES AUS DER WELT VON M PLAN M View – Aptiv hat ein neues Forschungszentrum in der Wüste Nevadas eröffnet. 19 Neue Leitung der Niederlassung München; neuer Teamleiter Applikation in Wolfsburg; Glückwunsch zum M NEWS Master! Und ein Weber-Grill wird verlost. M GAME IMPRESSUM Verantwortlich für den Inhalt: Realisierung und Gestaltung: Mitglied im Bernd Gilgen, Geschäftsführer Yellow Tree – Digital.Branding. Mobility World www.yellowtree.de Ausgabe 02.2019 Redaktion extern: Auflage 17.500 Büro 504, www.buero504.de Fotografie: 9. Jahrgang Peter Hildebrandt Redaktionsleitung: www.working-image.de Herausgeber: Katrin Reiners M Plan GmbH Covermotiv: Steinmüllerallee 2 Druck: © Gettyimages: Westend61 51643 Gummersbach Gronenberg Druck & Medien www.m-plan.com www.gronenberg.de 2 MOBILITY WORLD / 2.19
HÄRTETEST RUSHHOUR LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER, man hört immer wieder: Das autonome Fahren wird kommen. Das ist aber nicht Ich muss aber sagen: Ich bleibe skeptisch, was den mittelfristigen Erfolg des au- ganz richtig – denn es ist ja schon da. In zwei Dutzend Bundesstaaten in den tonomen Fahrens in Städten anbelangt. Warum überhaupt sollte ich in der Stadt USA fahren bereits Testautos der Google-Tochter Waymo über die Straßen, in Palo autonom fahren? Wäre es nicht grundsätzlich besser, den öffentlichen Nahverkehr Alto im kalifornischen Silicon Valley zum Beispiel. Ford hat einen fahrerlosen Piz- interessanter und komfortabler zu gestalten oder auf alternative Konzepte wie zalieferservice in Florida erprobt. Und auf deutschen Autobahnen testeten und Pedelecs zu setzen, die man dann an jeder Straßenecke ausleihen kann? Das mag testen die unterschiedlichsten Unternehmen Varianten des autonomen Fahrens. seltsam klingen, wenn das der Geschäftsführer eines Automotive-Unternehmens M EDITORIAL Was jetzt aber neu ist: Auch in der Innenstadt einer deutschen Metropole fahren schreibt. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich mir gerade selbst ein Pe- autonom vom Bordcomputer gelenkte Pkw. Volkswagen und Hamburg sind für delec zulegen will, um die 30 Kilometer zum Arbeitsplatz zu fahren. Allerdings ein aktuelles Projekt zusammengerückt und lassen eine autonome VW-Golf-Flotte muss ich mich selbst korrigieren. Es gibt doch eine Lösung, bei der ich einen ech- mitten durch die Hamburger City rollen. Der Gang ins urbane Verkehrsgetümmel ten Mehrwert für autonom fahrende Autos in Innenstädten sehe: beim Car- und macht Sinn: Nur in Alltagssituationen können belastbare Erfahrungen mit auto- Ridesharing. Wenn ich von einem fahrerlosen Shuttlefahrzeug zu Hause abgeholt nomen Fahrtechnologien gesammelt werden. Auf dem Werksgelände oder auf und zum gewünschten Zielort gefahren werde, dann entlastet dieses Fahrzeug schnurgeraden Autobahnen kann man vielleicht zu schnell von der reibungslosen den Verkehr und macht das urbane Leben lebenswerter, auch weil es keinen Park- Funktionalität innovativer Bordelektroniksysteme überzeugt sein. In der Hambur- platz mehr benötigt und wir mehr Platz für Grünflächen haben. Ja, dann darf das ger Rushhour sieht das doch anders aus. Dazu haben wir für diese Ausgabe der autonome Fahren gern schnell kommen. Allerdings müssen bis dahin sicher noch Mobility World ein interessantes Interview mit Axel Heinrich geführt, Leiter Kon- einige Algorithmen neu geschrieben werden. Das wird eine der Erfahrungen sein, zernforschung bei Volkswagen. Schauen Sie mal auf Seite 10. die Volkswagen in Hamburg sammelt. Herzlichst Ihr Bernd Gilgen Geschäftsführer „Der Gang ins urbane Verkehrsgetümmel macht Sinn: Nur in Alltagssituationen können belastbare Erfahrungen mit autonomen Fahrtechnologien gesammelt werden.“ Bernd Gilgen, Geschäftsführer M Plan MOBILITY WORLD / 2.19 3
U06 AUFTRAG Der Fahrzeugbau ist eine entscheidende Disziplin im Entwicklungsprozess eines neuen Automobils oder bei einer Modellpflege – vor allem in Zeiten von E-Mobilität und Digitalisierung. M Plan bietet das Know-how und die Infrastruktur auch für komplexe Fahrzeugbauaufträge. M INSIDE 4 MOBILITY WORLD / 2.19
FAHRZEUGBAU ist ein wichtiges Geschäftsfeld bei M Plan. Insbeson- dere an den Niederlassungen Weissach und Wolfsburg mit dem Standort Haldensleben wird mit insgesamt rund 35 Mitarbeitern dem zunehmenden Bedarf nach Übernahme komplexer Fahrzeugbauprojekte Rechnung getragen. In Weissach wurde dafür eine 1.500 Quad- ratmeter große Werkstatt mit zwölf Hebebühnen, einer 3D-Achsmessbühne, einem Bremsenprüfstand und einer Sonderinfrastruktur für die Arbeit an Hochvolt- „Wir integrieren neu entwickelte fahrzeugen errichtet. In Haldensleben stehen auf 1.000 Prototypenteile, die wir vorher noch nie Quadratmetern rund zwölf Hebebühnen, elektronische Achsvermessungsstände, Klimafüllgeräte und Brem- gesehen haben, in einen Bauraum, in senfüllgeräte für Neufahrzeuge zur Verfügung. Durch dem sie zuvor noch nie verbaut waren. alle erforderlichen Anbindungen an die OEM-Systeme Da ist kreative Intelligenz gefragt.“ können die Fahrzeuge auch im Hinblick auf Softwarebe- datung und Softwareaktualisierung auf Stand gebracht werden. M INSIDE // Haldensleben ist ein recht verträumtes Städtchen. Die Kopfsteinpflasterstraßen verbirgt sich „nahezu das komplette Know-how des Standorts Haldensleben“, so in der Altstadt sind gesäumt von prachtvollen Fachwerkhäusern, rundherum ver- Thomas Scholz, Fachteamleiter Fahrzeugbau bei M Plan. „Ausbau, Umbau, Einbau – läuft eine mittelalterliche Stadtmauer mit imposanten Wachtürmen. In der jünge- und dann Inbetriebnahme.“ ren Vergangenheit hat man die begehrte Goldmedaille im Wettbewerb „Unsere Stadt blüht auf“ gewonnen. Und schon zweimal wurde Haldensleben, zwischen ÜBRIG BLEIBT DIE LEERE HÜLLE Wolfsburg und Magdeburg in einer der größten Heidelandschaften Mitteleuropas Ausführlicher beschrieben bedeutet das: Wenn zum Beispiel eine neue Generation gelegen, zur familienfreundlichsten Gemeinde Sachsen-Anhalts gewählt. Touris- eines Fahrzeugmodells künftig statt mit einem 1-Liter-Benzinmotor auch mit einem ten kommen gern, besuchen das Schloss Hundisburg mit seinen romantischen 2-Liter-Dieselmotor angeboten werden soll, dann werden die Vertreter der „alten“ Barockgärten und die Märchenausstellung zu den Gebrüdern Grimm im kleinen Modellgeneration bei M Plan nach und nach auf eine der elf Hebebühnen in der Kreismuseum. Ja, wer durch Haldensleben spaziert, ist umweht vom Atem der Ge- Werkstatt gefahren, wo ihnen alles entnommen wird, was ein Fahrzeug ausmacht: schichte. Dass hier, nur rund zwei Kilometer vom mittelalterlichen Altstadtkern ent- Motor, Getriebe, Abgasanlage, Bremsen, Sensorik, Kabelstrang, Armaturenbrett … fernt, die Mobilität von morgen mitgestaltet wird, ist dann doch überraschend. Vor Übrig bleibt die Karosserie, eine leere Hülle letztlich, die in den folgenden Ta- drei Jahren hat der Mobility-Engineering-Spezialist M Plan am Rande der Kreis- gen bis Wochen mit neuem Leben erfüllt wird. Motor und Getriebe werden, je stadt einen neuen Standort eingeweiht, eine Dependance der nur 60 Kilometer nach Auftragsspezifikation, meist zunächst zurück zum Kunden geschickt und dort entfernten Niederlassung Wolfsburg. In einer mehr als 1.000 Quadratmeter großen von den entsprechenden Fachabteilungen mit neu entwickelten Bauteilen zu ers- Werkstatt werden jetzt Versuchsfahrzeuge und Prototypen kommender Automobil- generationen namhafter Autohersteller aufgebaut. Fahrzeugbau nennt sich dieses Gewerk lapidar – doch dahinter verbirgt sich eine äußerst wichtige Industriedis- ziplin. Einer der letzten und mitentscheidenden Schritte im Entwicklungsprozess eines neuen Automobils oder einer überarbeiteten Modellgeneration. Erst vor wenigen Wochen fuhren in den frühen Morgenstunden gleich mehrere große Automobiltransporter vor der großen Werkstatthalle von M Plan vor. Die Ladung: insgesamt 25 sogenannte Spenderfahrzeuge, abgeklebt und gut verpackt gegen neugierige Blicke. Autos, die zwar aus der Serienproduktion des Herstellers stammen, die bei M Plan allerdings komplett entkernt, umgebaut und mit neuen © iStock: vladru Komponenten versehen wurden, so dass sie am Ende erste Versuchsträger einer neuen Modellgeneration geworden sind. Der Anlass für die Lieferung der 25 Fahr- zeuge war ein neuer Großauftrag der Kategorie „U06“. Hinter dem internen Kürzel MOBILITY WORLD / 2.19 5
ten Prototypen einer neuen Aggregategeneration umgebaut. Je nach Lastenheft Matthias Fritzsche, Bereichsleiter Absicherung bei M Plan und zuständig für das des Auftrags können bestimmte Modifikationen – etwa der Einbau eines neuen wachsende Geschäft Fahrzeugbau. „Die Hersteller lagern immer mehr an immer Kompressors – auch von den Spezialisten in den hochmodernen Werkstätten von komplexeren Fahrzeugbauprojekten aus, weil sie bei einer immer größeren Zahl M Plan vorgenommen werden. In der Zwischenzeit sorgen die Fahrzeugbauexper- an Antriebsvarianten sowie Modellen und immer kürzeren Entwicklungszyklen das ten des Entwicklungsdienstleisters für „umfangreichste elektrische Anpassungen“ an Limit ihrer eigenen Kapazitäten erreicht haben.“ Deshalb hat M Plan das Fahrzeug- den Fahrzeugen auf den Hebebühnen, erklärt Scholz. „Der komplette Kabelstrang baugeschäft in den vergangenen Jahren kontinuierlich und deutlich ausgebaut. Der muss auf seine neuen Aufgaben vorbereitet werden, inklusive aller Sensoren und Standort in Haldensleben wurde 2016 eingeweiht und auch in der recht jungen M INSIDE Steuergeräte. Kabel müssen verlängert oder ganz neu eingezogen werden und am Niederlassung Weissach ist die Disziplin Fahrzeugbau inzwischen zu einem wich- Ende genau so verlegt sein, dass wir die neuen Komponenten installieren können.“ tigen Geschäftsfeld geworden. Hier leitet Stephan Hey als Fachteamleiter ein Team von 16 Werkstattexperten, das sich in drei Fachteams aufteilt, die die Bereiche ALLTAGSGESCHÄFT HOCHVOLT-E-AUTOS Elektrik/Elektronik, Messtechnik und gesamtheitliche Umbauten bedienen. Insbe- Schließlich wird der neue Triebsatz mit allen weiteren neuen Bauteilen in die zuvor sondere in den komplexen Disziplinen Kabelbaumanpassung, Umprogrammieren entkernten Fahrzeugkarosserien eingebaut. Damit beim Hantieren mit Hunderten von Steuergeräten und dem Verbau von Sensoren hat sich die Niederlassung einen von alten und neuen Komponenten alles genau dort landet, wo es hinsoll, liefert exzellenten Ruf bei ihren Kunden erarbeitet. „Wir arbeiten nur an Prototypen“, der Kunde bei jedem Auftrag meist exakt bestückte Warenkörbe mit. Das sind über- berichtet Stephan Hey. „Das erfordert ein hohes Maß an Know-how und gegen- dimensionierte Kartons, in denen sich alle zu verbauenden Komponenten befinden seitigem Vertrauen zwischen Hersteller und Entwicklungsdienstleister.“ Die Elek- – jede einzelne mit einem Barcode versehen. Diese Lieferungen werden bei Wa- trifizierung des Antriebsstrangs, die zunehmende Digitalisierung, der Zuwachs an reneingang innerhalb von 24 Stunden in einem Kundenportal auf Vollständigkeit Sensorik und Elektrik im Fahrzeug – der Fahrzeugbau ist eine echte Hightechdiszi- zurückgemeldet und dann täglich beim Verbau gescannt. Damit können Kunde und plin geworden, in der viele verschiedene Qualifikationen gefragt sind. Auftragnehmer M Plan zu jeder Zeit nachvollziehen, wo sich jedes Exemplar einer oftmals neu entwickelten Komponentengeneration gerade befindet und wie weit ENTSCHEIDEND: DIE INBETRIEBNAHME der Umbau fortgeschritten ist. Für Thomas Scholz und sein Team von 18 Kfz-Ex- Vor allem bei der am Ende entscheidenden Teildisziplin des Fahrzeugbaus, der perten in Haldensleben ist das jedes Mal eine neue Herausforderung. Deshalb ist Inbetriebnahme. Jedes von M Plan umgebaute Fahrzeug wird noch in der Werk- man froh, wenn es im Zuge eines Großauftrags zum Beispiel der Kategorie U06 statt statisch in Betrieb genommen. Das heißt, alle Steuergeräte werden mit der gleich 25 Exemplare desselben Modells umzubauen gilt. Je wichtiger ein Auftrag vorgeschriebenen Software versehen, so dass sämtliche Funktionen am Fahrzeug für den Kunden ist, desto mehr gleiche Fahrzeuge desselben Modelltyps werden M nach dem Umbau nahezu fehlerfrei funktionieren. Danach erfolgt die dynamische Plan anvertraut: „Das verschafft uns eine vertrauenswürdige Lernkurve und somit Inbetriebnahme bei Testfahrten, die meist auf der Teststrecke beim Kunden absol- Planungssicherheit“, erläutert Scholz. „Eine größere Zahl gleicher Umbauten hilft viert werden. Eine anspruchsvolle, aber auch spannende Aufgabe. „Es ist immer uns, besser aus Fehlern zu lernen.“ Und ohne anfängliche Fehler geht es nicht – ein besonderer Moment, ein komplett mit neuer Elektrik und Software versehenes schließlich leisten die Fahrzeugbauexperten von M Plan Pionierarbeit. „Das kann Automobil das erste Mal zum Leben zu erwecken“, erklärt Scholz. Zumal oft bereits man nicht mit der Arbeit in einer normalen Kfz-Werkstatt vergleichen“, erklärt andere Abteilungen von M Plan in früheren Stadien des Produktentstehungspro- Fachteamleiter Scholz, selbst gelernter Kfz-Elektrikermeister. „Wir integrieren neu zesses entscheidend mitgewirkt haben, in der Vorentwicklung zum Beispiel neue entwickelte Prototypenteile, die wir vorher noch nie gesehen haben, in einen Bau- Komponenten erst virtuell und dann auch physisch mitgestaltet haben, die nun raum, in dem sie zuvor noch nie verbaut waren. Da ist kreative Intelligenz gefragt.“ unter Aufsicht der Kollegen des Fahrzeugbaus zum ersten Mal im Automobil ihre Und echtes Experten-Know-how. Bei M Plan werden eben nicht nur Benziner- auf volle Funktion entfalten dürfen. Dieselmodelle oder umgekehrt umgerüstet, auch die Arbeit mit Hochvoltelektro- fahrzeugen oder Hybridmodellen ist für die Kfz-Spezialisten Alltagsgeschäft. Dazu Mitunter aber erfährt die Freude über eine gelungene Erweckung einen eher ba- können die Experten Software flashen, also Steuergeräte mit neuen Daten und Pro- nalen Dämpfer. Nicht immer werden Projekte, an denen M Plan in Sachen Fahr- grammen versehen. zeugbau mitgewirkt hat, auch wirklich zur Serienreife getrieben. „Manche Ent- wicklungsprojekte werden plötzlich eingestellt, manche Fahrzeuge werden nur Gerade solche Arbeitsschritte, die tief ins Innenleben einer oft digitalisierten Fahr- aufgebaut, um die Funktionen einzelner Bauteile zu testen, andere sind von vorn- zeugarchitektur eingreifen, werden von den Auftraggebern immer mehr gefragt. herein als Crashtestmodelle konzipiert“, erklärt Matthias Fritzsche, Bereichsleiter „Wir folgen im Prinzip den Mobilitätsstrategien der großen Autohersteller“, erklärt Absicherung. Was das bedeutet? „Die kommen dann in die Presse.“ // 6 MOBILITY WORLD / 2.19
85 Prozent betrug das Plus beim Elektroautoverkauf im vergangenen Jahr in China. Da- mit wurde in China zugleich mehr als die Hälfte aller E-Autos weltweit abgesetzt, wie die Unternehmensberatung McKinsey in ihrem „Electric Vehicle Index“ (EVI) aufführt. Insgesamt wurden global 2018 erstmals mehr als zwei Millionen Elektroautos (E- und Plug-in-Hybridmodelle) verkauft. In Deutschland lag die Anzahl der Neuwagen mit Elektro- oder Plug-in-Hybridantrieb im vergangenen Jahr bei knapp über 70.000 Fahr- zeugen, was einem Marktanteil von 1,9 Prozent entsprach. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich auf Rang 11, was den E-Auto-Anteil unter den Gesamt-Neu- 917 zulassungen betrifft (siehe Grafik linke Spalte). Was das industrielle Potenzial in Sachen Elektromobilität betrifft, bewertet McKinsey die Entwicklung in Deutschland durchaus positiv und sieht das Land derzeit hinter China und Japan an dritter Stelle im E-Mobili- täts-Industrieranking (siehe Grafik rechte Spalte). Markt-EVI Industrie-EVI Rang Land Rang Land 1 Norwegen 1 China ist eine besondere Zahl für Motorsportfans – und für Porsche-Enthusiasten 2 Niederlande 2 Japan umso mehr. Denn der Porsche 917, der 1969 und damit vor 50 Jahren debü- 3 China 3 Deutschland tierte, gilt als einer der berühmtesten und erfolgreichsten Rennwagen über- 4 Schweden 4 USA haupt. 1970 und 1971 wurden die Zuffenhausener mit dem Auto Gesamtsie- 5 Großbritannien 5 Südkorea ger beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans, dazu kamen etliche Triumphe bei 6 Schweiz 6 Frankreich Langstreckenrennen, in der nordamerikanischen CanAm-Serie und bei der 7 USA 7 Indien Interserie in Europa. Noch bis zum 15. September ist im Porsche-Museum in 8 Kanada 8 Italien Stuttgart die Sonderausstellung „50 Jahre Porsche 917 – Colours of Speed“ zu 9 Portugal sehen, in der auch zehn 917-Exemplare mit zusammen 7.795 PS gezeigt wer- 10 Frankreich den, darunter das erste Modell 917-001, das in mehr als einjähriger Arbeit in 11 Deutschland seinen Originalzustand (u. a. grün-weiße Lackierung) aus dem Frühjahr 1969 12 Südkorea zurückversetzt wurde. 13 Japan 14 Italien 60 15 Indien M NUMBERS 30.000 Euro netto wird der Bébé Bugatti II kosten, den der Luxusautohersteller Bugatti kürz- Millionen Kunden erreichen BMW und Daimler nach eigener Auskunft bereits heute mit ihren unterschiedlichen digitalen Mobilitätsangeboten. Ab sofort bün- lich vorstellte. Damit greift die VW-Konzernmarke aus dem elsässischen Molsheim deln beide Konzerne diese Aktivitäten, investieren mehr als eine Milliarde Euro eine Idee von 1926 auf, als Ettore Bugatti seinen jüngsten Sohn Roland zu dessen vier- und wollen so einen „weltweit führenden Gamechanger“ für die Mobilität der ten Geburtstag ein selbstgebautes Kinderauto (Bébé Bugatti) nach dem Vorbild des Zukunft schaffen, wie BMW-Vorstandschef Harald Krüger sagt. „Wir bündeln die Bugatti Type 35 schenkte. Jetzt, zum 110. Jubiläum der Marke, gibt es ein neues „Mini- Kräfte und das Know-how von 14 erfolgreichen Marken“, erklärt Daimler-Vor- aturmodell“, diesmal jedoch dreiviertel so groß wie ein originaler Type 35 und damit standschef Dieter Zetsche. Die Kooperation umfasst die Bereiche „Reach Now“ für Kinder und Erwachsene geeignet. Der kleine Flitzer mit Ledereinzelsitz verfügt (Mobilitätsdienste), „Charge Now“ (Ladedienste), „Free Now“ (Mitfahrdienste), über einen elektrischen Hinterradantrieb mit zwei Lithium-Ionen-Akkus, ein Sperr- „Park Now“ (Parkplatzdienste) und „Share Now“ (Carsharingdienste). differential und ein regeneratives Bremssystem. Zwei Fahrmodi sind wählbar: „Kind“ mit 1 kW Leistung und maximal 20 km/h sowie „Erwachsener“ mit 10 kW Leistung und bis zu 45 km/h. Zur Ausstattung gehört unter anderem das klassische Bugatti-Emblem auf der Fronthaube aus 50 Gramm reinem Silber. 0,3 Sekunden dauert es, nur einen Wimpernschlag, dann ist der automa- tische Überrollbügel ausgefahren und fixiert – und schützt die Insas- sen eines Cabriolets im Falle eines Überschlags. Vor 30 Jahren feierte diese Innovation Weltpremiere im Mercedes-Benz SL der Baureihe R © Daimler AG; BMW Group; Bugatti; Porsche 129. Zentrale Figur bei der Entwicklung des neuen Sicherheitssystems für offene Autos war der Mercedes-Ingenieur Karl-Heinz Baumann. Seine Idee: Eine vorgespannte Federdämpfereinheit richtet im Ernst- fall den in der Karosserie hinter den Sitzen verborgenen Überroll- bügel blitzartig auf. Im Normalfall ist die Sicherheitsvorrichtung un- sichtbar – was der schlanken, sportlichen Silhouette des Fahrzeugs zugute kommt. Vom 1989 vorgestellten SL wurden bis zum Produkti- onsende im Jahr 2001 insgesamt 204.940 Exemplare gebaut. MOBILITYWORLD MOBILITY WORLD//2.19 2.19 77
DIE FABRIK DER ZUKUNFT Fließband, Produktionsinseln, Werkstattfertigung – Autofabriken wandeln sich derzeit ähnlich rasch wie die Fahrzeuge, die dort hergestellt werden. Der Umbruch in der Fertigung hat gerade erst begonnen, genau wie der Aufschwung der Elektromobilität. Ein Blick in die Zukunft der Automobilproduktion M REPORT // Wie morgen Autos gebaut werden, lässt sich schon heute absehen. In Sindel- Nachfrage nach Elektroautos entwickeln wird. Fachleute sprechen salopp vom fingen errichtet Mercedes derzeit auf einer Fläche von 220.000 Quadratmetern Ketchupproblem: Man weiß zwar, dass die rote Soße aus der Flasche kommt, die „Factory 56“, die „modernste Automobilproduktion der Welt“, wie Markus man weiß aber nie, wann genau und in welcher Menge. Schäfer sagt, im Bereichsvorstand Mercedes-Benz Cars verantwortlich für Pro- duktion und Lieferkette. „Zu Beginn der nächsten Dekade“, teilt Mercedes mit, Das ist gegenwärtig die Situation, in der viele Autohersteller stecken. Die Reakti- solle die neue Fabrik ihre Arbeit aufnehmen. Komplett digitalisiert, erstmals onen auf diese Veränderungen und Ungewissheiten sind unterschiedlich. BMW, in der Montage mit einem 5G-Mobilfunknetz ausgestattet, mit 300 fahrerlosen Mercedes und andere Autobauer favorisieren die Flexibilisierung der bestehenden Transportsystemen und sogenannten „TecLines“, die das entstehende Auto takt- Fabriken, um dort – zum Teil auf ein und derselben Montagelinie – sowohl klas- genau dorthin bringen, wo der nächste Montageschritt erfolgen soll. Ein klassi- sisch als auch elektrisch angetriebene Fahrzeuge bauen zu können. VW hingegen sches Fließband wird es in der „Factory 56“ nicht mehr geben. setzt auf klare Abgrenzung und wird in einem ersten Schritt weltweit acht Werke auf die ausschließliche Produktion von Elektroautos umrüsten. In Deutschland sind Nicht nur Mercedes plant die Zukunft des Autobaus neu – die ganze Industrie davon die VW-Fabriken in Zwickau, Emden und Hannover betroffen. In den nächs- packt diese Mammutaufgabe gerade an. „In den Produktionsnetzwerken der Au- ten fünf Jahren plant der Wolfsburger Konzern, insgesamt 30 Milliarden Euro in den tomobilhersteller stehen massive Verwerfungen bevor“, sagt Dr. Rolf Janssen, Ausbau der Elektromobilität zu investieren. Konzernchef Herbert Diess sagt: „Wir Experte für Automobilproduktion bei der Unternehmensberatung Roland Berger. nehmen uns vor, VW zur globalen Nummer eins in der E-Mobilität zu machen.“ Seine Begründung: „Die großen Umwälzungen in der Branche, ausgelöst durch neue Mobilitätstrends, autonomes Fahren, Digitalisierung und Elektrifizierung, Welcher Weg ist der bessere? Für Produktionsexperte Janssen bergen aufgrund werden natürlich erheblichen Einfluss darauf haben, wie neue Fahrzeugkonzep- der Volumenunsicherheit sowohl die gemischte als auch die reine E-Auto-Ferti- te parallel zu traditionellen hergestellt werden.“ gung Risiken. Reine Elektroautofabriken sind viel stärker von der Nachfrage nach den E-Autos abhängig und sie erfordern deutlich höhere Investitionen. Ande- PLANUNG MIT VIELEN UNBEKANNTEN rerseits erfordern Werke, in denen Autos beider Antriebsarten gefertigt werden, Die große Frage lautet: Wie können Verbrenner und Elektrofahrzeuge – denn eine weitaus höhere Flexibilität in der Arbeitsorganisation sowie bei den Materi- beide Fahrzeugkonzepte werden noch über Jahre parallel produziert werden – alströmen, und zudem könnten sie rasch an Kapazitätsgrenzen stoßen, wenn die möglichst effizient und vor allem flexibel gebaut werden? Denn die Produkte, von Nachfrage nach Elektroautos sprunghaft ansteigt. Fahrzeugen mit herkömmlichen Motoren und Lenkrad sowie Gas- und Bremspe- dal hin zu Fahrzeugen mit Elektroantrieb und immer weiter automatisierten Je nachdem, welche Produktionsstrategie ein Hersteller verfolgt, hat das auch Funktionen, ändern sich. Parallel dazu wandelt sich auch deren Produktion: Fab- Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation. Das gute alte Fließband, von Henry riken werden digitalisiert, automatisiert und in riesige Netzwerke eingebunden, Ford im Jahr 1914 erstmals in der Automobilindustrie eingesetzt, wurde zwar in denen vom Setzen der ersten Schweißnaht bis zum fertigen Fahrzeug alle Pro- schon mehrmals totgesagt, doch zumindest in Werken, in denen ausschließlich zesse miteinander verknüpft sind. Als wären das noch nicht genug Variable, ist Elektroautos gebaut werden – wie etwa künftig bei VW in Zwickau – könnte es auch noch völlig unklar, wann und in welchem Umfang sich beispielsweise die nach wie vor weiterlaufen. 8 MOBILITY WORLD / 2.19
MEHR FLEXIBILITÄT DURCH WERKSTATTFERTIGUNG In der „Factory 56“ hingegen wäre das undenkbar, denn in dieser Anlage sollen parallel das Luxusmodell Mercedes S-Klasse, Elektrofahrzeuge der Submarke EQ und Robotaxis gefertigt werden. Damit das gelingt, werden nicht nur alle Pro- zesse durchgängig digitalisiert, sondern es wird zudem eine sogenannte „Werk- stattfertigung“ etabliert – manche sprechen auch vom „Ballroom-Konzept“. Manuel Fechter, Leiter des Geschäftsfelds Automotive beim Fraunhofer-Institut Manuel Fechter (links), Leiter des Geschäftsfelds für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart, erklärt diese neue Automotive beim Fraunhofer-Institut für Produktions- Produktionsorganisation so: „Bei der Werkstattfertigung gibt es unterschiedliche technik und Automatisierung IPA in Stuttgart, und Montagestationen, die je nach Bedarf von fahrerlosen Transportsystemen ange- Dr. Rolf Janssen (oben), Experte für Automobil- fahren werden. Dabei lassen sich die einzelnen Stationen flexibel miteinander produktion bei der Unternehmensberatung Roland verketten – abhängig davon, welches Fahrzeug jeweils zusammengefügt werden Berger. soll.“ Die Komplexität einer solchen Fertigung ist enorm. „Vor allem die Logistik muss passen“, sagt Fechter. Denn wenn irgendwo ein Bauteil fehlt, gerät wo- loren gehen. Schon allein aus diesem Grund – von Beschaffungsengpässen bei möglich das ganze System ins Stocken. Akkus einmal abgesehen – wäre ein rasches, sprunghaftes Ansteigen der E-Au- to-Nachfrage durchaus problematisch. Für Mercedes soll die „Factory 56“ eine Blaupause für weitere Werke im globa- len Produktionsnetzwerk werden. Eine solche Umstellung der Automobilferti- NICHT ALLES KANN EIN ROBOTER BESSER gung verheißt einerseits eine noch größere Effizienz und eine noch lückenloser Generell gilt, dass die Automatisierung in der Fahrzeugproduktion bereits jetzt kontrollierbare Qualität. Das gilt jedoch nur, solange alle Systeme reibungslos auf einem sehr hohen Niveau ist. Bei Logistik und Teileversorgung gibt es noch funktionieren. Produktionswissenschaftler Fechter sagt: „Eine Grundproblematik Potential durch fahrerlose Transportsysteme. Doch bei der Montage der Fahr- dieses Fertigungssystems ist, dass im Grunde nur noch der Algorithmus über die zeuge, ganz gleich ob es sich um konventionell oder elektrisch angetriebene genauen Abläufe Bescheid weiß.“ Modelle handelt, dürfte die menschliche Arbeit auch langfristig nicht zu ersetzen sein. Denn hier geht es um immer größere Flexibilität einerseits und anderer- Eine generelle Veränderung in der Automobilproduktion, die mit der Elektrifi- seits sehr oft um Arbeiten mit Kabelbäumen, Dichtungen oder anderen flexiblen zierung des Antriebsstrangs einhergeht, ist die schwindende Wertschöpfungs- Bauteilen, für die Roboter aktuell noch ungeeignet sind. „Ein gut geschulter und tiefe der Hersteller. Im Durchschnitt dürfte diese, sagt Roland-Berger-Experte erfahrener Mitarbeiter“, sagt Janssen, „ist für bestimmte Tätigkeiten in der Regel Janssen, um rund 30 Prozent zurückgehen. Das bedeutet: Je mehr Elektroautos reaktionsfähiger und muss nicht für jede neue Modellvariante neu programmiert gebaut werden, desto mehr Arbeitsplätze in der Automobilfertigung werden ver- werden.“ // M REPORT VW rüstet das Werk in Zwickau komplett um, dort sollen ausschließlich Elektroautos gefertigt werden (oben). Rechts oben: maximale Digitalisierung in der „Factory 56“ von Mercedes. Rechts: ein Foto aus der Frühzeit der Fließbandproduktion bei Ford. © Volkswagen AG; Daimler AG MOBILITY WORLD / 2.19 9
„AUS DEM ECHTEN LEBEN LERNEN“ Volkswagen testet erstmals im realen Verkehr einer deutschen Großstadt autonom fahrende Autos. Dr. Axel Heinrich, Leiter der Volkswagen Konzernforschung, erklärt in der Mobility World die großen Herausforderungen des Pionierprojekts, die Macht der Algorithmen – und warum sein Unternehmen vorerst nicht mit Google kooperiert. M INTERVIEW 10 MOBILITY WORLD / 2.19
DR. AXEL HEINRICH ist als Leiter der Volkswagen-Konzernforschung ver- antwortlich für die Entwicklung von Innovationen über alle Markengrenzen im Unternehmen hinweg. In einem gemeinsamen Projekt der Marke Volkswagen und der Stadt Hamburg wird nun erstmals eine autonom steuernde Fahrzeugtestflotte in die Innenstadt einer deutschen Metropole entsandt. Fünf eGolfs sammeln derzeit mit jeweils elf Laserscannern, sieben Radar- geräten und 14 Kameras Erfahrungen in der Großstadt- rushhour – auch an der Elbphilharmonie (Foto links). M INTERVIEW // Herr Heinrich, in Hamburg fährt seit kurzem eine Flotte von e-Golfs auto- Inwieweit kann dieser Test realistische Ergebnisse liefern? Bis auf Ihre autono- matisiert durch die Stadt. Das ist neu: quasi autonom fahrende Pkw in einer men Testfahrzeuge sind alle anderen Verkehrsteilnehmer mehr oder weniger deutschen Innenstadt. Müssen sich die Hamburger jetzt an Autos gewöhnen, bei analog unterwegs … denen der Fahrer hinterm Lenkrad schläft oder mit dem Handy spielt? Dr. Axel Heinrich: Für die Fahrsituation des Einzelfahrzeugs ist der Test sehr realis- Dr. Axel Heinrich: Nein, definitiv nicht. Zum einen sitzen unsere Fahrer nicht für tisch. Denn wenn irgendwann einmal tatsächlich vollautonom fahrende Autos in Stunden hinter dem Lenkrad, schlafen wird keiner. Wir fahren überschaubare Test- Städten unterwegs sind, werden wir eine lange Phase des Übergangs erleben, in runden und danach werden die Ergebnisse ausgelesen und bewertet. Es geht der die neuen Autos neben herkömmlichen Modellen fahren werden. Was heute nicht darum, Kilometer zu schrubben, wie man so sagt. Wir fahren sogenannte tatsächlich fehlt, ist die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen, das kooperati- qualitative Tests, bei denen es darum geht, im automatisierten „Level 4“-Ein- ve Fahren von vielen miteinander vernetzten Autos. Das müssen wir mit anderen satz Erkenntnisse aus echten innerstädtischen Verkehrssituationen zu gewinnen. Fahrzeugherstellern gemeinsam realisieren. Denn natürlich muss das Volkswa- Bislang sind wir, vornehmlich mit Audi, Tests im „Level 3“-Betrieb gefahren, um gen-Auto interagieren können mit einem BMW, Mercedes oder Peugeot vor, neben hochautomatisches Fahren auf der Autobahn zu erproben. Die Tests in Ham- oder hinter ihm. Wir testen das bereits mit einer kleinen Forschungsflotte auf un- burg sind dagegen ein ganz anderes Kaliber. Zum Beispiel geht es darum, die serem Werksgelände in Wolfsburg. Denn jede Standardisierung bringt uns weiter innerstädtische Rushhour zu bewältigen. Bisher lagen unsere Teststrecken, von in der Automobilindustrie. Das ist auch im Sinne der Kunden. Zäunen begrenzt, auf unserem Werksgelände. So ein Testgelände ist nicht zu vergleichen mit einem realen urbanen Umfeld. Ich kann die Hamburger aber Die Hersteller agieren beim Thema autonomes Fahren unter Hochdruck. Daimler beruhigen: Jeder Fahrer unserer Testflotte wird definitiv ausgeschlafen sein, dazu und BMW arbeiten neuerdings zusammen – ohne Volkswagen. Spüren Sie den gibt es ein Handyverbot im Fahrzeug. Der Fahrer wird die Hände immer locker Wettbewerbsdruck? am Lenkrad haben und den Fuß nahe der Bremse, um jederzeit in kürzester Zeit Dr. Axel Heinrich: Wir kooperieren mit dem Unternehmen Autonomous Intelligent eingreifen zu können. Driving, einem Tochterunternehmen der Audi AG aus München. Auch die Mar- kenvielfalt unter unserem Konzerndach ist ein Vorteil. Dazu werden noch einige „Level 4“ bedeutet, dass das Fahrzeug auch komplexe innerstädtische Situa- weitere sehr wichtige Partnerschaften kommen, über die ich jetzt im Einzelnen tionen meistern kann. Haben Sie deshalb Hamburg ausgewählt, wegen seiner noch nichts sagen möchte. Natürlich spüren wir den Wettbewerbsdruck. Aber der vielen schönen Baustellen? macht uns nicht bange. Dr. Axel Heinrich: Ist Hamburg bekannt für seine schönen Baustellen? Das wusste ich gar nicht (lacht). Nein, im Ernst: In der Hamburger City entsteht derzeit eine Volkswagen ist ein Unternehmen mit mehr als 600.000 Mitarbeitern weltweit, neun Kilometer lange Teststrecke für das automatisierte und vernetzte Fahren, kurz mit traditionell geprägten Entwicklungszyklen und Entscheidungsgremien. Ist es TAVF, die im Jahr 2020 vollständig ausgebaut sein wird. Wir nutzen bereits einen nicht schwer, so einen Tanker auf Kurs zu bringen für ein sich so schnell wan- Teilabschnitt. Außerdem ist Hamburg Partnerstadt von Volkswagen. So wurde hier delndes Forschungsthema wie das autonome Fahren? zum Beispiel auch gerade das weltweit erste Pilotprojekt unseres Tochterunter- Dr. Axel Heinrich: Kleine Start-ups haben in bestimmten Bereichen Vorteile. Wir © Volkswagen AG nehmens Moia gestartet, des Ridesharing-Anbieters. Hamburg wird Gastgeber des sind daher viele Kooperationen gerade auch mit Start-ups und Forschungseinrich- internationalen ITS-Kongresses im Jahr 2021 sein, des „Intelligent Transport Sys- tungen eingegangen und profitieren dabei von der Agilität, die solche Unterneh- tems“-Kongresses. Die Stadt ist besonders offen für neue Mobilitätsansätze. men und Organisationen auszeichnen. Das unterschätzt man schnell, wenn man MOBILITY WORLD / 2.19 11
Fünf VW eGolfs fahren autonom durch Hamburg. Auf der Teststrecke zwischen Alster und Elbe sitzt immer auch ein Fahrer im Cockpit. sich das große Unternehmen Volkswagen von außen anschaut. Wir sind aber ganz Dr. Axel Heinrich: Nein, hier kann die Technologie durchaus eine solche Situation und gar nicht schwerfällig wie ein Tanker, wir arbeiten bereits in sehr frühen Ent- adäquat einschätzen. Wenn die Sensorik auf beiden Straßenseiten Kinder erkennt, wicklungsphasen eng mit potenten und agilen Partnern zusammen. Aber man darf so wird dies als potentiell gefährliche Situation bewertet. Es wird damit gerech- auch nichts überstürzen. Wir wollen am Ende des Tages ein rundum ausgereiftes net, dass ein Kind plötzlich zu seinen Freunden auf die andere Seite der Straße Produkt auf den Markt bringen. möchte. Die Geschwindigkeit wird reduziert, um einen eventuellen Bremsvorgang vorzubereiten. Wir sind durchaus schon in der Lage, menschliche Verhaltens- oder Dennoch liegt über der Automobilindustrie immer der Schatten neuer Wettbe- Entscheidungsmuster technisch abzubilden. Ich gebe aber auch zu: Nicht jede M INTERVIEW werber. Sollten Sie nicht mit Google zusammenarbeiten? mögliche Situation können wir heute erkennen und meistern. Ich habe neulich das Dr. Axel Heinrich: Google ist ein Unternehmen mit eigenen Plänen. Zu einem Schul- Bild einer Rollstuhlfahrerin gesehen, die auf einer Straße eine Ente jagte. Auch terschluss wird es voraussichtlich erst einmal nicht kommen. Aber: Auch Google das ist eine mögliche, wenngleich sehr unwahrscheinliche Straßensituation. Ich wird vor den gleichen Herausforderungen stehen wie wir, wie man eben Hard- will damit sagen: Wir können heute noch nicht jedes denkbare Geschehen korrekt und Software intelligent und sicher vereint, wie man Algorithmik und Sensorik so identifizieren. Deshalb machen wir ja Tests wie den in Hamburg. Wir wollen aus vorantreibt, dass am Ende ein sicheres, marktgerechtes Produkt vom Band rollt. dem echten Leben lernen. Eine klassische Situation im echten Leben ist die: Ein Umzugswagen blockiert Eigenverantwortliches Handeln ist ein Wesensmerkmal unserer Gesellschaft. die Fahrbahn, die zum Gegenverkehr hin von einer durchgezogenen Linie be- Wo bleibt unsere persönliche Entscheidungsfreiheit im autonom fahrenden grenzt wird. Ein autonomes Fahrzeug wird diese Linie nicht überfahren. Muss Auto? Werden wir nicht zu einer von Algorithmen dominierten Gesellschaft, in man warten, bis der Umzug vorbei ist? der der Mensch passiv unterwegs ist und die Maschine lenkt? Dr. Axel Heinrich: Wenn es sich um ein „Level 4“-Fahrzeug handelt, das heißt um Dr. Axel Heinrich: Ein oft gehörtes Argument: Der Mensch wird entmündigt. Ich ein Auto mit Lenkrad und Bremse, dann können Sie sagen: „Okay, ich überneh- kann die Bedenken ein Stück weit nachvollziehen. Dagegen aber steht der Ge- me“ – und Sie überfahren die weiße Linie. In einem „Level 5“-Fahrzeug, ohne die winn an Sicherheit. Die Systeme, die wir entwickeln, werden den Straßenverkehr sofortige Möglichkeit des Eingriffs durch den Fahrer, gibt es dann vermutlich eine deutlich sicherer machen und helfen, die Zahlen an Unfalltoten auf den Straßen übergeordnete Instanz, die im Zweifelsfall eingreifen könnte. Eine Art Verkehrs- zu senken. Unser Ziel ist es letztlich, eine „Vision Zero“ zu realisieren, eine Welt leitbetrieb, bei dem Sie sich als Nutzer melden können und der die Situation dann ohne Unfalltote im Straßenverkehr. Dafür gebe ich gern etwas von meiner Ent- angemessen klärt, eventuell also das Auto ferngesteuert um den Umzugswagen scheidungsfreiheit im Autocockpit ab. herumfährt, trotz weißer Linie. Sensoren und Steuergeräten fehlen Intuition und gesunder Menschenverstand. Im US-Bundesstaat Arizona haben Bewohner kürzlich autonom fahrende Pkw Braucht man das nicht auch? Der Mensch weiß zum Beispiel, dass am Vatertag der Google-Tochter Waymo mit Steinen und Messern angegriffen. Offenbar viele angeheiterte Bollerwagenmänner unterwegs sind – das Auto nicht. wollte man nicht Teil eines Feldversuchs sein. Haben Sie nicht Angst um Ihre Dr. Axel Heinrich: Unser Ziel ist es, eine bessere Umfeldwahrnehmung als die des Testflotte in Hamburg? Menschen zu erzeugen. Der Mensch nimmt seine Umwelt aus dem Auto heraus vor Dr. Axel Heinrich: Ganz wichtig ist uns, die Bevölkerung mitzunehmen. Wir kom- allem optisch im Frequenzbereich des Lichts wahr. Wir können aber mit Laserscan- munizieren alle Aspekte des Tests ganz transparent. Wissen Sie, ich lebe selbst in nern, Kameras, Ultraschallsensoren und Radaren das Wahrnehmungsspektrum einer Stadt. Ich kann gut verstehen, wenn man sich fragt, was das denn da jetzt vor deutlich erweitern. Natürlich hat der Mensch seine Erfahrungswerte. Er weiß, an der eigenen Haustür werden soll. Wir wollen die Menschen in Hamburg ganz sicher welcher Kreuzung eventuell Fahrradfahrer gern gefährlich auf die Straße einlenken nicht mit irgendeiner neuen Technologie terrorisieren. Es geht um Sicherheit, es oder die angesprochenen Bollerwagenväter sich versammeln. Das aber wird auch geht um Komfort, es geht um die Verbesserung des innerstädtischen Lebens. Des- das autonome Fahrzeug erkennen. halb sind wir mit der Stadt Hamburg im Vorfeld des Projekts auf die Anwohner an der Testroute zugegangen, sind mit ihnen ins Gespräch gekommen. Es gab Fragen, Wenn ein Fahrer aber Kinder auf dem Fußweg spielen sieht, wird er in der Re- klar, aber keine Ablehnung. Wir waren sogar erstaunt, wie offen man dem Projekt gel vorsichtiger fahren – auch wenn zunächst kein Kind Anstalten macht, über gegenüber war. Also nein, ich habe keine Angst um unsere Testfahrzeuge. // die Straße zu laufen. Das autonome Fahrzeug aber sagt dann: keine Gefahr. Und fährt im gleichen Tempo weiter … 12 MOBILITY WORLD / 2.19
LONDON CALLING Robin Nedellas Leidenschaft gehört einem Wasserstofffahrzeug. Der Student und Stipendiat von M Plan ist Rennleiter des Hydro2Motion-Teams beim Effizienzrennen Shell Eco-marathon an der Themse. ROBIN NEDELLA ist Masterstudent für Luft- und Raumfahrttechnik an der Hoch- schule München und Rennleiter des von M Plan geförderten Brennstoffzellenrennstalls Hydro2Motion. Bis Ende vergangenen Jahres gehörte der 23-jährige Aerodynamikexperte zudem zum Kreis der von M Plan unterstützten Stipendiaten. Nedella stammt aus Straubing in Niederbayern, studierte nach dem Abitur in Ingolstadt Luftfahrttechnik und schreibt jetzt in München seine M PEOPLE Masterarbeit. Seine zweite Leidenschaft gehört neben der Arbeit am Brennstoffzellenrennwagen der Sportart Inlinehockey, fürs Training fährt er jede Woche zweimal mit dem Zug von München nach Ingolstadt. // Die größte Herausforderung hatte nichts mit Wasserstoff und Brennstoffzelle zu sich darin, mit geringstem Energieaufwand eine vorgegebene Strecke zurück- tun. Nein, diese Hürde tat sich unvermittelt auf, und zwar in Form eines Mikrofons zulegen. Dabei treten unterschiedliche Antriebsarten und Energiespeicherarten mit dem Schriftzug „Television Canaria“. Ein Kamerateam des öffentlich-rechtli- gegeneinander an. chen TV-Senders der Kanarischen Inseln wollte Robin Nedella interviewen. Der Münchner Student war als Rennleiter des Studententeams Hydro2Motion nach Las Das Hydro2Motion-Team arbeitet mit einem Wasserstoffantrieb – und wird dabei Palmas auf Gran Canaria gekommen. Hier wurde im Rahmen eines internationa- auch von M Plan unterstützt. Unter anderem fördert der Entwicklungsdienstleister len „Green Energy“-Studentenprojekts auch der aktuelle Brennstoffzellenrennwa- pro Jahr einen Teilnehmer mit einem monatlichen Stipendium. Robin Nedella ist gen von Hydro2Motion präsentiert. Nedella, Luft- und Raumfahrttechnikstudent Experte für Aerodynamik und Strömungsmechanik. Der 23-jährige Masterstudent aus München und Stipendiat von M Plan, trat also vors Mikrofon. Wie sich aber war maßgeblich an der Programmierung der Gesamtfahrzeugsimulation beteiligt herausstellte, konnte der Journalist am anderen Ende des Mikrofons kein Wort – die auch Thema seiner Masterarbeit ist. Außerdem ist Nedella in die Rolle des Englisch – und Robin Nedella kein Spanisch. „Das muss ein lustiger Bericht ge- Sponsoren- und Pressesprechers gerutscht, etwa bei Messen oder Präsentationen worden sein“, erinnert sich Nedella lachend. wie der auf Gran Canaria. Und er ist Rennleiter seines Teams beim Eco-marathon, stellt also sicher, dass die vorher berechnete Rennstrategie optimal umgesetzt Natürlich konnte die Situation am Ende doch noch unter Einsatz von Händen und wird. Damit erreichte man im vergangenen Jahr einen hervorragenden vierten Füßen gemeistert werden. So wie letztlich alle Aufgaben im Vorwege des Ter- Platz in London. Dieses Jahr peilt man nun einen Podiumsplatz an. „Dass ich über- mins unter spanischer Sonne bewältigt wurden. Ein Jahr lang hatte das Hydro- haupt mal etwas mit Autorennen zu tun haben würde, hätte ich nie gedacht“, sagt 2Motion-Team – rund 30 Studenten von der Hochschule München – am aktuellen der gebürtige Niederbayer Nedella, der privat höchstens mal seinem Vater beim Rennwagen gearbeitet. Eine Gesamtfahrzeugsimulation war neu programmiert Schrauben an dessen beiden alten VW Käfern hilft. Mittlerweile aber ist er faszi- © Gruppenbild: Florian Schulenberg worden, die Räder des zigarrenförmigen Fahrzeugs waren verkleidet worden – niert – hauptsächlich allerdings vom Wirken hinter den Kulissen der Boxengas- und nicht zuletzt hatte man die Effizienz der Brennstoffzelle unter anderem durch se. Und warum nicht einmal selbst ein Rennen fahren mit dem extrem kompakt eine neu entwickelte Elektronik steigern können. Das war entscheidend, dar- gebauten Brennstoffzellenflitzer? „Dazu wird es nicht kommen“, erklärt Nedella. um geht es: ein möglichst verbrauchsarmes Rennfahrzeug zu konstruieren, um „Unsere Fahrerin wiegt 50 Kilogramm und ist knapp über 1,60 Meter groß. Damit damit Anfang Juli als eines von rund 160 Teams aus der ganzen Welt am Shell kann ich nicht konkurrieren.“ Das ist dann aber auch die einzige Herausforderung Eco-marathon in London teilzunehmen, einem der weltweit größten Energieef- in Sachen Brennstoffzellenantrieb, der sich der gut 1,80 Meter große Student nicht fizienzwettbewerbe. Teams verschiedener Universitäten und Nationen messen stellen will. // MOBILITY WORLD / 2.19 13
DIE WÜSTE RUFT Aptiv gehört zu den führenden Unternehmen für die Entwicklung von Technologien für das autonome Fahren. Jetzt wurde ein neues Forschungszentrum in Las Vegas eröffnet. M VIEW Der Elektronik- und Sensorikspezialist Aptiv entwickelt Technologien für das autonome Fahren – und testet diese unter anderem in Las Vegas. NEUES TECHNOLOGIEZENTRUM IN LAS VEGAS // Las Vegas ist für viele Menschen ein Sehnsuchtsort. Einmal über den berühm- Pünktlich zur diesjährigen CES Anfang des Jahrs eröffnete der weltweit operierende ten Strip im Herzen der Glücksspielmetropole schlendern, das Glitzern der Neon- Zulieferer ein neues Technologiezentrum in Las Vegas. Hier sollen künftig innovative reklamen und die spektakulären Wasserfontänen vor einem der berühmten Ca- Lösungen für autonom fahrende Autos entwickelt werden. Die Wahl von Las Vegas als sinohotels bestaunen, vielleicht eine der beeindruckenden Entertainmentshows Wiege neuer Technologien ist bereits der zweite große Schritt von Aptiv in Nevada. in den Musiktheatern besuchen … Das ist aber nur die eine Seite von Las Vegas. Denn schon vor gut einem Jahr gründeten der Systemlieferant und der US-amerika- Die Stadt steht heute für weitaus mehr als nur Glücksspiel und Showbusiness. Las nische Fahrdienstvermittler Lyft eine Partnerschaft, um gemeinsam Praxiserfahrungen Vegas in der Wüste des US-Bundesstaats Nevada hat sich zu einem der Hot Spots mit selbstfahrenden Autos zu sammeln. Seit Mai 2018 wurden bis heute mehr als der Welt für neue Automotive-Technologien entwickelt. Jedes Jahr überbieten sich 35.000 Fahrten mit einer Versuchsflotte von autonom fahrenden, mit Aptiv-Techno- bei der Consumer Electronics Show (CES) im Las Vegas Convention Center, der logie ausgerüsteten Autos vermittelt. Besucher und Bewohner von Las Vegas können weltweit größten Technologiemesse, auch die internationalen Automobilherstel- über Lyft ein autonomes Aptiv-Auto rufen und sich davon durch die Stadt chauffieren ler und wichtigen Zuliefererunternehmen bei der Präsentation neuer Entwicklun- lassen – allerdings bisher ausschließlich auf zuvor festgelegten Routen. „Durch die gen für das autonome Fahren, für innovative Softwarelösungen, für smarte Apps. Investition in unser Technologiezentrum in Las Vegas lässt sich der Betrieb noch effi- Kein Wunder also, dass sich das Unternehmen Aptiv ausgerechnet die bunte Welt zienter gestalten. Außerdem können wir wichtige Erkenntnisse beim kommerziellen von Las Vegas als Bühne für ein anspruchsvolles Mobilitätsprojekt ausgesucht hat. Einsatz autonomer Fahrzeuge sammeln und die Schulung von Sicherheitsfahrern ver- bessern“, sagt Karl lagnemma, President Autonomous Mobility bei Aptiv. 14 MOBILITY WORLD / 2.19
APTIV ist ein Automobilzulieferer mit operativer Hauptzentrale in Dublin. Das Unternehmen ging 2017 aus der Aufspaltung des US-Zulieferers Delphi Automotive hervor. Aptiv ist heute eines der führenden Unternehmen für die Entwicklung von Techno- logien für das autonome Fahren, von Sensoren und Kameras über Softwarelösungen bis hin zu intelligenten Steuergeräten. Aptiv beschäftigt etwa 147.000 Mitarbeiter und betreibt ein gutes Dutzend Entwicklungszentren sowie Produktionsstandorte und Kundendienstzentren in mehr als 40 Ländern. www.aptiv.com Viva Las Vegas: Aptiv testet derzeit in Kooperation mit einem Fahrdienstvermittler einen autonomen Shuttleservice in der Glücksspielmetropole. M VIEW 100.000 DATEN INNERHALB EINES WIMPERNSCHLAGS Aptiv gilt mit seinen fast 150.000 Mitarbeitern weltweit als eines der führenden tung erbringen, das sind eine Billion komplexe Rechenschritte pro Sekunde. Das Unternehmen der Branche für die Neu- und Weiterentwicklung von Technologien klingt viel, ist aber nicht einmal die Rechenleistung eines iPhone 7. Ein autonomes für das autonome Fahren, für Connectivity-Lösungen und für alternative Antriebe. Auto aber benötigt nach Einschätzung der Aptiv-Experten eine Rechenkapazität Dabei ist Aptiv eigentlich noch sehr jung. Erst Ende 2017 entstand das Unternehmen von mehr als 200 Teraflops, also 200 Billionen Operationen pro Sekunde. Dafür gilt aus der Aufspaltung verschiedener Geschäftsbereiche des Zulieferers Delphi. Die es, entsprechende Elektronikumgebungen, Software und Sensorikkomponenten Sparte Powertrain behielt den traditionellen Namen, die neu gegründete Firma zu entwickeln. Aptiv ist dafür verschiedene Partnerschaften mit anderen Unter- Aptiv wiederum konzentriert sich seitdem auf die besonders innovativen Bereiche nehmen eingegangen, unter anderem mit BMW, Systementwickler Mobileye und wie Vernetzung, Sensorik, Software, Fahrzeugelektronik – und übergeordnet auf Chiphersteller Intel. „Fahrzeuge werden in Zukunft mehr und mehr durch Soft- das autonome Fahren. Beide Firmen sind in den USA börsennotiert, haben ihre ware definiert. Kamera-, Radar- und Lidarsysteme und sonstige Sensoren gene- Zentralen aber in Großbritannien. Durch die Ausgliederung gehört das Unterneh- rieren immer höhere Datenmengen, die verteilt werden müssen“, erklärt Markus men allerdings nicht mehr zu den Top Ten der größten Zuliefererunternehmen. Im Kerkhoff, Vice President Global Engineering bei Aptiv, in einem Interview mit dem weltweiten Zulieferer-Ranking des Beratungsunternehmens Berryls Strategy Advi- Fachmagazin „carIT“. „Durch eine Optimierung der Fahrzeugarchitektur können sors liegt Aptiv in der aktuellen Erhebung auf Platz 21, ganz vorn firmieren Größen wir diese Themen sehr gut aufgreifen und als Alleinstellungsmerkmal entspre- wie Bosch und Continental. Doch hinter Aptiv gliedern sich bekannte Traditions- chende Systemlösungen anbieten.“ unternehmen wie Johnson Controls, Brose oder Autoliv ein. Aptiv ist dabei in zwei große Entwicklungs- und Produktionsbereiche aufgeteilt: „Advanced Safety and FAHRZEUGE WERDEN ZU „SUPERCOMPUTERN“ User Experience“ entwickelt und fertigt Komponenten und Systeme für passive und Zu wichtigen Kunden von Aptiv zählen viele Autohersteller, darunter BMW, Ferrari aktive Sicherheitselektronik, Fahrzeugüberwachung, Infotainment und vor allem oder Audi. Doch das Unternehmen entwickelt nicht nur Sensoren, Kameras und auch Datennetze, Displays und Systemintegration. „Signal and Power Solutions“ intelligente Motorsteuerungen für teilautomatisierte und später vollautonom fah- wiederum hat den Schwerpunkt auf der Datenverteilung und Stromversorgung in rende Autos. Man hat auch „allumfassende Konnektivität“ im Fokus: „Wir blicken der Fahrzeugarchitektur. über vernetzte Autos und selbstfahrende Fahrzeuge hinaus in eine Welt, in der Fahrzeuge letztlich Supercomputer sind“, heißt es bei Aptiv. „Rollende Compu- Die Herausforderungen – und Chancen – sind groß für Aptiv. Die Softwareexperten ter, die in der Lage sind, riesige Datenmengen zu sammeln, zu analysieren, zu des Unternehmens gehen davon aus, dass bereits im kommenden Jahr digital ver- interpretieren, zu integrieren und gemeinsam zu nutzen, um die Mobilität neu netzte Fahrzeuge „100.000 Daten innerhalb eines Wimpernschlags austauschen“ zu gestalten. Es ist eine Welt, in der Sensoren mit Fahrzeugen kommunizieren, in werden, wie es bei Aptiv heißt. Die Rechenleistung, die fortschrittliche Fahrzeug- der Fahrzeuge miteinander kommunizieren und in der sie auch nahtlos mit der funktionen wie das autonome Fahren erst ermöglicht, sei immens. Heute können Umgebung und den Städten kommunizieren, durch die sie navigieren.“ Erst in Las © Aptiv die Bordcomputer moderner Automobile weniger als einen Teraflop Rechenleis- Vegas – und irgendwann überall. // MOBILITY WORLD / 2.19 15
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