MOBILITY WORLD - DAS AUTO LENKT - UND DENKT? 1.18 - M Plan

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MOBILITY WORLD - DAS AUTO LENKT - UND DENKT? 1.18 - M Plan
1.18

    MOBILITY
    WORLD

DAS AUTO LENKT – UND DENKT?
WIE KÜNSTLICHE INTELLIGENZ DIE MOBILITÄT REVOLUTIONIERT
SEITE 8

SEITE 4                 SEITE 10                   SEITE 13
E-ANTRIEB & CO.:        WELT OHNE STAU?            LEICHTBAU:
BLICK IN DIE ZUKUNFT    DAS EXPERTEN-GESPRÄCH      M PLAN-PIONIERE
MOBILITY WORLD - DAS AUTO LENKT - UND DENKT? 1.18 - M Plan
INHALT
                                                                                                             DER GROSSE WANDEL
                                                                                                  4          E-Antrieb, autonomes Fahren, Vernetzung – drei
                                                                                                             Experten von M Plan geben einen Ausblick auf die
                                                                                                M INSIDE
                                                                                                             bedeutenden Trends in der Automobilindustrie.

                                                                                                             30 MINUTEN
                                                                                                  7          in der Lichtdusche fördern laut Daimler-Studie
                                                                                                             das Konzentrationsvermögen. Hundert Millionen
                                                                                               M NUMBERS
                                                                                                             Parkbremsen von ZF – und mehr Zahlen …

                                                                                                             DAS AUTO LENKT – UND DENKT?
                                                                                                  8          Um autonom zu fahren, müssen Bordcomputer im Auto
                                                                                                             enorme Rechenleistungen bewältigen. Helfen sollen
                                                                                                M REPORT
                                                                                                             dabei lernfähige Computerchips.

                                                                                                             WELT OHNE STAU?
                                                                                                10           Werden autonome Autos noch im Stau stehen?
                                                                                                             Stauforscher Prof. Michael Schreckenberg wagt eine
                                                                                               M INTERVIEW
                                                                                                             Verkehrsvorhersage für die Zukunft.

           08 DAS AUTO LENKT – UND DENKT?
                    M Report – Künstliche Intelligenz hält Einzug in Automobilen
                                                                                                             SCHAUM WIR MAL
                                                                                                13           Thomas Müller und Marc Ritsche von M Plan
                                                                                                             Wolfsburg konstruierten ein extrem leichtes Bauteil
                                                                                               M AT WORK
                                                                                                             für E-Fahrzeuge – aus Aluminiumschaum.

                                                                                                             SCHÜLERSTREICH 4.0
                                                                                                14           Zwei junge Münchner entwickelten ein bezahlbares
                                                                                                             Elektroauto, das auch mit Sonnenenergie fährt.
                                                                                                 M VIEW
M INHALT

                                                                                                             DIE ACHTUNDSECHZIGER
                                                                                                16           1968 – damit verbindet man Hippies, Flower Power und
                                                                                                             Jimi Hendrix. Doch ’68 ist auch das Jahr von Mercedes
                                                                                                M PASSION
                                                                                                             Strich-Achter, VW-„Nasenbär“ und R080.

                                                                                                             M PEOPLE
                                                                                                18           Janik Zerweck ist Versuchsingenieur im Bereich
                                                                                                             Akustik der M Plan-Niederlassung Weissach –
                                                                                                M PEOPLE
                                                                                                             und am Wochenende Handballer beim Drittligisten
                                                                                                             TSB Horkheim.

           14       SCHÜLERSTREICH 4.0                                                                       NEUES AUS DER WELT VON M PLAN
                    M View – Zwei Waldorfschüler entwickelten ein Elektroauto                   19           Doppelter Hattrick: M Plan zum sechsten Mal in Folge
                                                                                                             „Top Employer Automotive“. Steffen Ratschan neuer
                                                                                                M NEWS
                                                                                                             Regionalleiter Süd – und ein Luxus-Tablet wird verlost.
                                                                                                M GAME

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               Mobility World                                              www.yellowtree.de
               Ausgabe 01.2018            Redaktion extern:
               Auflage 21.000             Büro 504, www.buero504.de        Covermotiv:
               8. Jahrgang                                                 © Fotolia: chagpg
                                          Redaktionsleitung:
               Herausgeber:               Katrin Reiners
               M Plan GmbH
               Steinmüllerallee 2         Druck:
               51643 Gummersbach          Gronenberg Druck & Medien
               www.m-plan.com             www.gronenberg.de

           2   MOBILITY WORLD / 1.18
MOBILITY WORLD - DAS AUTO LENKT - UND DENKT? 1.18 - M Plan
ACHTUNG, GOLDRAUSCH!
LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,
alle Welt spricht vom autonomen Fahren. Das ist auch richtig so. Es wird die Zeit   Verstehen Sie mich nicht falsch. Die Entwicklung der neuen Technologien ist sinn-
kommen, da wir uns im Auto behaglich zurücklehnen und entspannen, während           voll und wertvoll: Sie machen den Verkehr sicherer, und das ist das über allem
Sensoren und kompakte Supercomputer das Fahrzeug sicher von A nach B steu-          stehende Ziel. Auch wir bei M Plan beschäftigen uns im Auftrag unserer Kunden
ern. Schon heute entwickeln alle wichtigen Hersteller und Zulieferer lernfähige     intensiv mit der Entwicklung intelligenter Lösungen bei den Themen autonomes
und somit intelligente Steuerungssysteme, kaufen IT-Start-ups und kooperieren       Fahren, alternative Antriebe und digitale Vernetzung. Doch verlieren wir dabei

                                                                                                                                                                        M EDITORIAL
mit Chipproduzenten, neuen Markteinsteigern oder alten Wettbewerbern. Der           nicht die klassischen Disziplinen des Autobaus aus den Augen. Denn ein moder-
Hype ist groß. Fast fühlt man sich an die Goldgräberstimmung am Klondike River      nes Automobil ist eben kein Computer im Plastikgehäuse, kein rollendes Smart-
erinnert, als Ende des 19. Jahrhunderts halb Amerika mit dem Spaten über der        phone. Die eigentliche intelligente Leistung besteht auch heute noch darin, eine
Schulter gen Wildnis zog, in der Hoffnung auf eine verheißungsvolle und goldene     in allen Facetten sichere Maschine aus Stahl, Aluminium und eben passendem
Zukunft.                                                                            IT-Innenleben zu konzipieren und zu konstruieren. Auch die schnellsten Mikro-
                                                                                    chips und die cleversten Apps müssen eingebettet sein in ein sicheres automo-
Nur: Schon damals am Klondike River glänzte nicht alles. Wer kennt nicht die le-    biles Gesamtkonzept – und dazu gehören bis auf weiteres eben auch Fahrwerke
gendäre Filmszene aus „Goldrausch“, in der Charlie Chaplin als armer Glücksrit-     und Getriebe, Abgasnachbehandlungssysteme und hochkomplexe Bordnetze. Nur
ter seine Schuhe verspeist? Mir erscheint auch die heutige Goldgräberstimmung       wer die Herausforderungen autonomer Fahrsysteme ganzheitlich angeht, wird
etwas zu euphorisch. Es gibt ja noch viele ungeklärte Fragen: Wer haftet, wenn      am Ende Erfolg haben.
ein autonom fahrendes Auto doch in einen Unfall verwickelt ist? Der Produzent
des intelligenten Chips? Der Programmierer des Algorithmus? Der Autohersteller?
Und wer soll die neue Technologie bezahlen? Wenn ich morgens auf der A 57 nach      Herzlichst
Köln fahre, dann bin ich umringt von Autos, die neu selten mehr als 30.000 Euro     Ihr
kosten. Die breite Masse der Autofahrer wird sich die schönen und komfortablen
Features, all die Assistenzsysteme, die zum autonom fahrenden Auto gehören,
wohl erst einmal nicht leisten können.

                                                                                    Bernd Gilgen
                                                                                    Geschäftsführer

                                                                                                      „Ein modernes Automobil ist eben
                                                                                                      kein Computer im Plastikgehäuse,
                                                                                                            kein rollendes Smartphone.“

                                                                                                           Bernd Gilgen, Geschäftsführer M Plan

                                                                                                                                     MOBILITY WORLD / 1.18          3
MOBILITY WORLD - DAS AUTO LENKT - UND DENKT? 1.18 - M Plan
DER GROSSE WANDEL
           E-Antrieb, autonomes Fahren, Vernetzung: Die Automobilindustrie verändert sich wie nie
           zuvor in ihrer Geschichte. M Plan unterstützt Hersteller und Zulieferer bei der Bewältigung
           der großen Aufgaben. Drei Experten des Unternehmens geben einen Ausblick.

                                                                    E-MOBILITÄT:
                                                                    DENNIS BREITENBACH,
                                                                    LEITER TECHNISCHES BÜRO BEREICH ANTRIEB, NIEDERLASSUNG WOLFSBURG
           Die Elektromobilität ist eines der wichtigen, großen Themen, die alle                                  tung gewinnen. Elektroaggregate etwa erfordern neues Denken bei der
           Autohersteller und alle wichtigen Zuliefererunternehmen betreffen. Elek-                               Konzeption und Entwicklung von Kabelbäumen. Dazu verlangt die neue
           trischer Antrieb, Batteriemanagement, Kühlung des Antriebsstrangs,                                     Fahrzeugarchitektur von Elektroautos auch neue Ansätze bei der Kühlung
           Elektronik, Sensorik und natürlich die entsprechende Software – das                                    von Komponenten. Bei konventionellen Antrieben spielt sich das Thema
           große „E“ beeinflusst nahezu alle Disziplinen des modernen Autobaus.                                   Kühlung hauptsächlich unter der Motorhaube ab. Bei Elektrofahrzeu-
           Umso wichtiger ist es, sich als Entwicklungsdienstleister breit aufzustel-                             gen hingegen verteilen sich entscheidende Komponenten im gesamten
           len. Wir müssen für die Gegenwart und die Zukunft gerüstet sein und                                    Fahrzeug. So verlangen etwa Batterieeinheiten im Unterboden oder elek-
           für alle wesentlichen Aspekte der E-Mobilität Unterstützung anbieten                                   trische Hinterachsen ebenfalls nach Kühlung. Spannend finde ich, wie
           können, sei es beim Kunden vor Ort oder in unseren eigenen Nieder-                                     die Industrie das Thema Ladeinfrastruktur kundengerecht bewältigen
           lassungen. Am Standort Wolfsburg zum Beispiel haben wir in den ver-                                    wird. Die flächendeckende Versorgung mit einer möglichst einheitlichen
           gangenen Jahren die Expertise in den Bereichen Bordnetz und Kühlung                                    Ladetechnologie, mit Stromtankstellen und beispielsweise induktiven
M INSIDE

           signifikant weiter ausgebaut, weil diese beiden Bereiche gerade auch                                   Ladesystemen in Parkhäusern oder auf Firmenparkplätzen – das wird die
           mit Blick auf neue Antriebstechnologien noch einmal enorm an Bedeu-                                    eigentliche Herausforderung sein.

                                       1821                                            1888                                         1912                                          1969

                     Der englische Forscher Michael Faraday         Der Coburger Fabrikant Andreas Flocken        Weltweit verkaufen 565 verschiedene Mar-            Erstes Carsharing mit E-Autos:
                     bewegt erstmals Objekte mittels Elektro-       baut das erste Elektroauto Deutschlands.       ken Autos mit elektrischem Antrieb – die         Der niederländische Erfinder Luud
                                 magnetismus.                                                                     sind sicherer und ruhiger als Benziner, für   Schimmelpennink entwickelt 1969 mit dem
                                                                                                                   die man den hochexplosiven Kraftstoff in       „Witkar“ eine futuristische Lösung. Die
                                                                                                                           Apotheken kaufen muss.               „rollende Duschkabine“ ist ein Dreirad mit
                                                                                                                                                                 24-Volt-Elektromotor (2 KW Leistung) und
                                                                                                                                                                einer Spitzengeschwindigkeit von 30 km/h.

                                      2017                                            2010                                           2006                                          1996

                        Das Kraftfahrtbundesamt verzeichnet         Nissan bringt das E-Modell Leaf auf den        So richtig in Gang kommt der Neustart der       General Motors bringt den EV1 heraus,
                      rund 34.000 Autos mit Elektroantrieb in      Markt – bis heute das meistverkaufte Elek-       Elektromobilität mit dem E-Sportwagen           ein Elektroauto, als Antwort auf das
                    Deutschland. Nach Angaben des Verbands             troauto der Welt mit bislang rund                          Tesla Roadster.                 1990 in Kalifornien erlassene Gesetz zur
                     der deutschen Energie- und Wasserwirt-                   300.000 Exemplaren.                                                                            Emissionssenkung.
                     schaft (BDEW) gibt es rund 11.000 öffent-
                    lich zugängliche Ladepunkte inklusive der
                       Parkhäuser und Supermarktparkplätze.

                                      2020                                           2025                                            2030

                    1 Million Elektroautos sollen laut Prognose       Audi, BMW, Mercedes und VW wollen            Eine Studie der Beratungsgesellschaft PwC
                   der Bundesregierung (aus dem Jahr 2009) auf     zwischen 15 und 25 Prozent ihrer Flotte als      aus dem Jahr 2017 besagt, dass bis 2030
                                                                                                                                                                                                             © Fotolia: cherezoff

                   Deutschlands Straßen fahren. Experten halten     E-Autos verkaufen. Die Deutsche Rohstoff-      bereits mehr als jedes dritte Neufahrzeug
                   diese Einschätzung für unrealistisch – Anfang   agentur (Dera) erwartet, dass sich der welt-    weltweit ein reines Elektroauto sein wird.
                      2018 sind es erst rund 100.000 E-Autos,        weite Bedarf an Lithium-Ionen-Batterien
                               Hybrid-Pkw inklusive.                von etwa 33.000 Tonnen bis zum Jahr 2025
                                                                           mindestens verdoppeln wird.

           4   MOBILITY WORLD / 1.18
MOBILITY WORLD - DAS AUTO LENKT - UND DENKT? 1.18 - M Plan
AUTONOMES FAHREN:
                                                      STEFFEN RATSCHAN,
                                                      REGIONALLEITER SÜD, STUTTGART
Das autonome Fahren kommt. Es ist die einzige wirksame Antwort auf die                             Verkehr ist die Umsetzung deutlich komplexer, da wird es noch dauern,
Probleme des individuellen Personenverkehrs. Wenn immer mehr Autos                                 bis sich vollautonomes Fahren durchsetzen kann. Aber auch hier gibt es
auf den Straßen fahren, und alle Prognosen sehen das voraus, dann muss                             schon heute Verkehrssituationen, in denen die Technik Sinn macht, etwa
das gesteigerte Verkehrsaufkommen intelligent gemanagt werden. Damit                               beim automatischen Einparken. Die Technologie für vollautonomes Fah-
einher geht das wichtige Thema Sicherheit. Wenn immer mehr Menschen                                ren ist heute schon verfügbar. Sie muss aber weiterentwickelt werden,
mit Autos unterwegs sind, die Verkehrsdichte steigt, dann muss die Auto-                           sicherer gemacht werden, sie muss besser mit der Umgebung vernetzt
industrie entsprechende Systeme bereitstellen, um das Fahren so sicher                             werden und nicht zuletzt günstiger werden. Als Entwicklungsdienstleis-
wie möglich zu machen. Und da der Mensch nun einmal die Fehlerquelle                               ter haben wir diesen Trend früh erkannt und bieten Know-how in vielen
Nummer eins ist im Verkehr, werden autonome und teilautonome Fahr-                                 wesentlichen Disziplinen. Denn die Industrie befindet sich im größten
systeme von entscheidender Bedeutung für die Mobilität von morgen                                  Wandel ihrer Geschichte: Aus Automobilherstellern werden Mobilitätsan-
sein. Ich bin mir sicher, dass es in gar nicht so ferner Zukunft möglich sein                      bieter. Dabei unterstützen wir unsere Kunden.
wird, auf der Autobahn komplett autonom zu fahren. Im innerstädtischen

                           1500                                         1925                                         1933                                            1939

           Eines der ersten Modelle eines autonom        Die Firma Houdina Radio Control,                 Der erste Autopilot im Flugzeug:         Auf der Weltausstellung in New York stellt
        fahrenden Fahrzeugs wird dem italienischen     eigentlich auf dem Gebiet für Funkzu-       Er wurde von der Sperry Gyroscope Company        Norman Bel Geddes seine Vision von au-
         Erfinder Leonardo da Vinci zugeschrieben.   behör tätig, setzt einen Meilenstein: Das       in den USA entwickelt, heißt „Mechanical      tonomen Fahrzeugen anno 1960 vor: durch
         Gleich mehrere Skizzen dazu sind bekannt.     Wunderauto „Linrrican Wonder“ fährt         Mike“ und wird 1933 erstmals von dem Pilo-       elektromagnetische Felder angetriebene
          Demnach soll eine gespannte Feder einen     wie von selbst durch einen Stau in New        ten Wiley Post genutzt. In seinem Flugzeug             und funkgesteuerte Autos.
                vierrädrigen Wagen antreiben.         York City – von einer Antenne gesteuert.     „Winnie Mae“ gelingt ihm damit in 7 Tagen,

                                                                                                                                                                                                        M INSIDE
                                                     Gesteuert wird es von menschlicher Hand           18 Stunden und 49 Minuten der erste
                                                         per Fernbedienung und Antenne.                       Alleinflug um die Erde.

                          1986                                          1984                                          1960                                            1945

          In Deutschland gilt der Robotiker Ernst      Entwickler Rainer Buchmann erhält ein           Im Transport Research Laboratory in            Ein großer Schritt in Richtung autonomes
        Dickmanns als Pionier auf dem Gebiet des      Patent für eine elektrische Steuervorrich-    Großbritannien wird eine neue Technolo-        Fahren ist die Einführung des Tempomats. Das
         autonomen Fahrens. Sein erstes Projekt,     tung für Fahrzeuge – der Vorläufer für die     gie für ein autonomes Modell erprobt. Ein       Patent wird 1945 angemeldet, Premiere feiert
        „VaMoRs“ (Versuchsfahrzeug für autono-                heutige Einparkautomatik.             umgebauter Citroen DS nutzt magnetische           der Tempomat im Chrysler Imperial 1958.
         me Mobilität und Rechnersehen), ist ein                                                      Sensoren und folgt so völlig autonom           Die Idee kam Ralph Teetor, einem blinden
        Kleintransporter von Mercedes Benz, den                                                                Kabeln in der Straße.               Ingenieur, als er von seinem Anwalt chauffiert
        er mit Sensoren und Kameras ausstattete.                                                                                                    wurde – mit einem etwas holprigen Fahrstil.

                          2004                                          2012                                            2015                                          2020

         Die DARPA-Challenge (Defense Advanced          Erstmals in der Automobilgeschichte           Erstmals in Serie produziert: Tesla bringt     Vollautonome Autos, die beispielsweise als
         Research Projects Agency) wird ins Leben     wird ein autonom fahrendes Auto für den          mit dem Model S ein Auto mit teilauto-       fahrerloses Robotaxi genutzt werden können,
         gerufen. Der Wettbewerb für Roboterau-        öffentlichen Straßenverkehr in Nevada           nomen Fahreigenschaften, die manuell             werden laut Daimler-Entwicklungschef
         tos sorgt vor allem für erhöhte Aufmerk-    zugelassen: Das Google-Auto ist ein umge-             freigeschaltet werden können.               Ola Källenius schon bald in Serie gehen.
           samkeit in der Öffentlichkeit. Nachdem                bauter Toyota Prius.                                                                Sobald die Rahmenbedingungen geschaffen
            im ersten Jahr alle Teilnehmer daran                                                                                                        sind, sei auch Daimler bereit, ab 2020
          scheiterten, ein autonomes Fahrzeug 80                                                                                                               Roboterautos anzubieten.
            Kilometer durch die Mojave-Wüste zu
         schicken, gewinnt 2005 ein VW-Team mit
                einem umgerüsteten Touareg.

                                                                                                                                                                      2030

                                                                                                                                                     Der Durchbruch: Laut einer Prognose des
                                                                                                                                                   Fraunhofer-Instituts wird sich das fahrerlose
                                                                                                                                                      Fahren ab dem Jahr 2030 im Straßen-
                                                                                                                                                    verkehr verbreiten. Auch die Akzeptanz ist
                                                                                                                                                    nach einer Übergangsphase in der vorigen
                                                                                                                                                                Dekade gestiegen.

                                                                                                                                                                MOBILITY WORLD / 1.18               5
MOBILITY WORLD - DAS AUTO LENKT - UND DENKT? 1.18 - M Plan
CONNECTIVITY:
                                                                 DR. HICHAM DAKIR,
                                                                 LEITER GESCHÄFTSFELD CONNECTED CAR, NIEDERLASSUNG WEISSACH
           Connectivity ist ein Schlüsselbegriff für die Gestaltung der modernen                             IT-Technik unterwegs ist. Die meisten großen Hersteller haben das er-
           Mobilität. Für Endkunden treten Parameter wie Motorleistung, Hubraum                              kannt und kooperieren mit IT-Unternehmen oder kaufen entsprechende
           und Höchstgeschwindigkeit immer mehr in den Hintergrund. Stattdes-                                Start-ups gleich ganz auf. Connectivity treibt den großen Wandel in der In-
           sen wird entscheidend, welche Schnittstellen ein Automobil bietet, wie                            dustrie voran wie kaum ein anderer Automotive-Trend. Weil Autos immer
           ich mein Smartphone mit der Fahrzeug-IT vernetzen kann, welche Info-                              mehr zum rollenden Smartphone werden, wird sich auch das Nutzungs-
           tainment-Lösungen ein Auto bietet und wie leicht diese im Einklang mit                            verhalten grundlegend ändern. Carsharing und Leasing gewinnen an Be-
           den individuellen Präferenzen zu konfigurieren sind. Das hat tiefgreifende                        deutung, wenn die Nutzer immer mehr Wert auf neueste IT-Lösungen
           Auswirkungen auf Produktentwicklung und Wertschöpfungskette in der                                im Automobil legen. Das zieht einen Wandel in der Autoelektronik mit
           Automobilindustrie. Neue Fahrzeugmodelle werden funktional immer                                  sich. Statt 100 Steuergeräten, die über mehrere Bussysteme miteinander
           schneller altern, denn es treffen zwei verschiedene Welten aufeinander.                           vernetzt sind, werden künftig nur noch wenige Supercomputer alle we-
           Während in der Autoindustrie Entwicklungszyklen rund fünf bis sieben                              sentlichen Funktionen steuern. Dabei sind Entwicklungsdienstleister wie
           Jahre dauern, spricht man in der IT-Industrie von zwei bis drei Jahren. Das                       M Plan gefragt. Schon heute unterstützen wir mehrere große Hersteller
           ist die große Herausforderung: diese beiden Welten zu vereinen. Denn der                          und Zulieferer zum Beispiel dabei, Elektroniklösungen für die Connected
           Endkunde will kein Auto fahren, dessen Fahrkomfort und beispielswei-                              Cars von heute und morgen zu entwickeln.
           se Karosseriedesign zwar noch topaktuell sind, das aber mit überholter

                                    1930                                         1939                                           1977                                             1978

                   In den USA werden Lkw erprobt, die über      Auf der New Yorker Weltausstellung prä-       BMW bringt den ersten Bordcomputer             Mercedes stattet die S-Klasse als weltweit
                    UKW-Frequenzen miteinander vernetzt         sentiert General Motors einen Imagefilm           der Welt in der 7er-Reihe.                 erstes Automobil mit dem elektronischen
M INSIDE

                    sind und sich so bei Überholvorgängen       mit Namen „To New Horizons“: Autonom                                                         Antiblockiersystem (ABS) von Bosch aus
                   gegenseitig warnen. Das System setzt sich   fahrende Autos sind danach mit intelligen-                                                    – ein Meilenstein bei der Vernetzung der
                                 nicht durch.                            ten Highways vernetzt.                                                                        Fahrzeugarchitektur.

                                    1997                                         1996                                           1982                                             1982

                       Mercedes stellt das schlüssellose       General Motors bringt mit OnStar das erste     Blaupunkt entwickelt das erste Pkw-Navi,         Auftritt „K.I.T.T.“ in der TV-Serie „Knight
                      Zugangssystem „Key-less Go“ vor.          Connected-Car-System in Serie: Zunächst        den „Elektronischen Verkehrslotsen für        Rider“: Das erste wirklich intelligent vernetz-
                                                                dient das System der Sicherheit; das Auto                Autofahrer“ (EVA).                   te (und sprechende) Auto der Geschichte –
                                                                  ruft bei einem Unfall automatisch die                                                           wenn auch nur auf dem Bildschirm.
                                                                               Feuerwehr.

                                    2001                                         2007                                           2014                                             2015

                     Smart bringt mit dem City Coupé das         Hessen wird zum „Testfeld Deutschland          Apple präsentiert CarPlay, ein System,        Audi, Daimler und BMW kaufen gemein-
                      weltweit erste Auto mit optionalem         SIM-TD“ für „sichere intelligente Mobi-      das iPhones mit dem Infotainment-System         sam den Kartenhersteller Nokia Here für
                        Internetzugang auf den Markt.             lität“: Erprobt wird Car-to-Car- sowie      im Fahrzeug vernetzt. Google zeigt seinen       2,8 Milliarden Euro. Tesla bietet für sein
                                                                     Car-to-Infrastructure-Vernetzung.       ersten Autoentwurf, ein autonom fahrendes,       Model S als erster Hersteller kostenlose
                                                                                                                   allzeit vernetztes Ei auf Rädern.                  Connectivity-Updates an.

                                                                                 2050                                           2020                                             2016

                                                                Studien gehen davon aus, dass 70 Prozent        Laut einer McKinsey-Studie aus dem Jahr           Hacker produzieren Schlagzeilen:
                                                               der Weltbevölkerung im Jahr 2050 in Städ-          2014 wird sich das Marktvolumen für          Die IT-Systeme von Modellen von unter
                                                               ten leben. Ohne intelligent vernetzte Autos     Connectivity-Dienste seit 2014 auf 170 Mil-   anderem BMW, GM, Opel, Tesla, FiatChrysler
                                                               ginge dann im innerstädtischen Verkehr gar     liarden Euro verfünffacht haben. 20 Prozent    wurden gehackt. Fahrzeuge können aus der
                                                                              nichts mehr.                       der Autofahrer würden 2020 für bessere         Ferne geöffnet und gestartet werden.
                                                                                                              Connectivity-Angebote die Marke wechseln.

           6   MOBILITY WORLD / 1.18
MOBILITY WORLD - DAS AUTO LENKT - UND DENKT? 1.18 - M Plan
200
                                         MILLIONEN
                                         Euro investiert BMW in ein neues Kompetenz-                                                                15 MINUTEN
                                         zentrum zur Entwicklung von Batteriezellen in                                                                soll es dauern, bis die Akkus künftiger Elektroautos des
                                         München. Anfang 2019 soll der neue Standort, an                                                              japanischen Herstellers Honda vollständig geladen sind.
                                         dem dann 200 Mitarbeiter beschäftigt sein sollen,                                                            Bis 2022 will der Autobauer E-Autos mit einer neuen Ak-
                                         eröffnet werden. „In den neuen Entwicklungslabo-                                                             kugeneration und einer Reichweite von 240 Kilometern auf
                                         ren und Anlagen forschen internationale Experten                                                             den Markt bringen – und deren Ladezeit halbieren. Dafür
                                         an der Weiterentwicklung der Zellchemie und des                                                              arbeitet Honda an einer neuen Speichertechnologie, die
                                         Zelldesigns. Im Fokus steht dabei eine weitere Ver-                                                          ein „Ultraschnellladen“ ermöglichen soll. Statt wie bis-
                                         besserung bei Performance, Lebensdauer, Sicher-                                                              lang Batterien von Panasonic zu beziehen, will Honda die
                                         heit, dem Laden und nicht zuletzt den Kosten der                                                             Akkus zukünftig selbst fertigen. Die lange Ladezeit ist ein
                                         Batterien“, sagte BMW-Entwicklungsvorstand Klaus                                                             Knackpunkt bei der Verbreitung der Elektromobilität. Aktu-
                                         Fröhlich bei der Grundsteinlegung. Derzeit entwi-                                                            ell können die leistungsfähigsten Schnellladegeräte einen
                                         ckelt BMW die fünfte Generation des E-Antriebs, bei                                                          Akku in etwa 30 Minuten auf rund 80 Prozent aufladen.
                                         der Elektromotor, Getriebe und Leistungselektronik                                                           Bislang hat Honda zwar noch kein E-Auto im Angebot,
                                         in einer Komponente zusammengefasst sind. 2021                                                               doch es gibt den Elektroprototypen Urban EV Concept, der
                                         soll das System auf den Markt kommen.                                                                        im nächsten Jahr auf den Markt kommen soll.

                                                                                                                                 100
                                         30 MINUTEN

                                                                                                                                                                                                          MILLIONEN

                                                                                                                                                                                                                      M NUMBERS
                                         in der „Lichtdusche“ – das war ein Bestandteil eines Daimler-Forschungsprogramms,         Parkbremsen hat der Automobilzulieferer ZF seit der Produktentwicklung vor
                                         mit dem die Auswirkungen von Lichteffekten auf die Konzentrationsfähigkeit und das        15 Jahren bis heute produziert. Damals präsentierte das Unternehmen einen
                                         Wohlbefinden von Lkw-Fahrern untersucht wurden. Der Test fand während des Win-            Bremssattel mit elektrischem Aktuator – ein so genanntes Motor-on-Cali-
                                         ters in Finnland statt; acht Trucker fuhren je eine Woche in einem normalen Lkw und       per-System. „Die Technologie wirkt mittlerweile in vielen Fahrzeugen und
                                         in einem Lastwagen mit einem „Daylight +“ genannten Lichtkonzept. Dabei simuliert         deckt nahezu alle Segmente ab, von Kleinwagen bis hin zu SUVs, Pick-ups und
                                         ein Lichtwecker den Sonnenaufgang beim Aufwachen des Fahrers in der Lkw-Koje, die         leichten Nutzfahrzeugen“, sagt Manfred Meyer, Senior Vice President Braking
                                         Lichtdusche „badet“ den Fahrer 30 Minuten lang in künstlichem Tageslicht und es gibt      Engineering bei ZF. Ursprünglich wurde die Parkbremse in Koblenz entwickelt
                                         eine sogenannte Tageslichtergänzung während der Fahrt im Führerhaus. Resultat der         und dort auch erstmals produziert. Inzwischen läuft das Produkt auch bei ZF
                                         Tests: Während der Woche mit der speziellen Innenraumbeleuchtung waren alle Test-         in China, Nord- und Südamerika sowie seit kurzem auch in Indien vom Band.
                                         fahrer aufmerksamer als im Referenz-Lkw ohne Spezialbeleuchtung. Die Zeit, in der die     Dank der elektrischen Parkbremse entfällt das konventionelle Seilzugsystem
                                         Fahrer unaufmerksam am Steuer saßen, verringerte sich pro Tag von durchschnittlich        inklusive des Handbremshebels. Stattdessen wird die Parkbremse per Knopf-
                                         44 auf 18 Minuten.                                                                        druck aktiviert.

                                                                                                                         457,53
                                                                                                                             km/h – so schnell raste der schwedische Rennfahrer Niklas Lilja mit einem 1360 PS
                                                                                                                             starken Koenigsegg Agera RS auf einem gesperrten Abschnitt des Highways Nr. 160
                                                                                                                             in US-Bundestaat Nevada. Im ersten Durchlauf erreichte Lilja eine Höchstgeschwin-
                                                                                                                             digkeit von 436,45 km/h, im zweiten Versuch waren es 457,53 km/h. Damit lag das
                                                                                                                             Mittel zwischen beiden Messwerten bei 447,23 km/h. Genug, um den bisherigen
© BMW; Honda; Koenigsegg; Mercedes; ZF

                                                                                                                             Weltrekord für Seriensportwagen des Bugatti Veyron Super Sports zu knacken, der
                                                                                                                             2010 ein Tempo von 431 km/h erreicht hatte. Zuvor hatte der Koenigsegg bereits den
                                                                                                                             Sprintrekord von 0 auf 400 km/h gebrochen, und zwar auf einem Flugplatz im däni-
                                                                                                                             schen Vandel. Dort gelang der Spurt von 0 auf Tempo 400 und wieder zurück bis zum
                                                                                                                             Stillstand in 36,44 Sekunden. Das war rund fünfeinhalb Sekunden schneller als die
                                                                                                                             bisherige Bestmarke, aufgestellt im vergangenen Herbst mit einem Bugatti Veyron.
                                                                                                                             Der nächste Rekordversuch ist schon geplant: Koenigsegg will eine Bestzeit auf der
                                                                                                                             Nürburgring-Nordschleife aufstellen.

                                                                                                                                                                               MOBILITYWORLD
                                                                                                                                                                               MOBILITY WORLD//1.18
                                                                                                                                                                                               1.18             77
MOBILITY WORLD - DAS AUTO LENKT - UND DENKT? 1.18 - M Plan
DAS AUTO LENKT – UND DENKT?
               Um autonom zu fahren, müssen Bordcomputer im Auto enorme Rechenleistungen bewältigen.
                                                        Helfen sollen dabei lernfähige Computerchips.

           Toyotas Concept-i:
M REPORT

           eine Studie zur künstlichen Intelligenz.

           // Lässt sich menschliches Denken automatisieren? Lassen sich intelligente Ma-        werden sich Märkte für neue Hard- und Softwareentwicklungen auftun. Bis zum
           schinen schaffen? Das Thema „künstliche Intelligenz“ fasziniert die Menschheit seit   Jahr 2030 wird, so heißt es bei Fraunhofer, ein Marktpotential für Hardware von 40
           Jahrzehnten, da reicht ein Blick in die Film- und Literaturgeschichte: Mit „Fran-     Milliarden Dollar und für Software von 20 Milliarden Dollar prognostiziert.
           kenstein“ stolperte schon Anfang des 19. Jahrhunderts ein künstlich geschaffener
           Mensch durch die Bücherwelt – und später durch diverse Filmadaptionen. Der            Dabei wird klar: Die Zukunft der Automobilindustrie hängt vom Know-how der
           polnische Science-Fiction-Autor Stanislaw Lem sagte bereits in den sechziger Jah-     Chiphersteller ab – denn die stellen die Rechenpower zur Verfügung, ohne die
           ren des vergangenen Jahrhunderts spätere Errungenschaften wie das Internet und        komplexe Funktionen wie etwa das autonome Fahren nicht denkbar sind. Auch
           intelligente Roboter vorher. Und nicht zuletzt Hollywood-Meister wie George Lucas     Bosch arbeitet dabei mit dem Chiphersteller Nvidia zusammen. Nvidia soll einen
           schufen intelligente Mikrochiplegenden wie etwa den „Star Wars“-Roboter und           Chip liefern, auf dem die mit maschinellen Lernverfahren erzeugten Algorithmen
           Besserwisser C-3PO. Doch längst haben intelligente Maschinen die Welt der Scien-      für die Fahrzeugbewegung gespeichert sind. Der intelligente Autocomputer soll
           ce Fiction verlassen. Lernfähige Computerchips bestimmen heute viele Bereiche         spätestens Anfang der kommenden Dekade in Serie gehen, heißt es.
           des Lebens: bei Internetsuchmaschinen wie Google, im WhatsApp-Programm des
           Handys, in der Medizin bei der Früherkennung von Krankheiten oder im Sprach-          CHIPS FÜR 1000 DOLLAR PRO AUTO?
           erkennungssystem Alexa von Amazon. Und jetzt auch im Auto.                            Auch Reinhard Ploss, Chef des Chipproduzenten Infineon, sagt einen signifikanten
                                                                                                 Anstieg verbauter Hochleistungschips im Auto von morgen voraus: „Wir rechnen
           NEUE MÄRKTE FÜR INTELLIGENTE SOFTWARE                                                 damit, dass für ein autonomes Auto noch einmal 500 bis 700 Dollar on top kom-
           Die meisten großen Autohersteller und Zulieferer forschen an Systemen, die das        men. Das kann in Einzelfällen je nach Fahrzeug bis 1000 Dollar hochgehen. Zur-
           Auto intelligent machen sollen. VW will ein Cockpit entwickeln, das mit Hilfe         zeit liegen wir im Schnitt bei 330 Dollar pro Fahrzeug.“ Das Unternehmen setzt in
           künstlicher Intelligenz operiert. Mercedes und Audi arbeiten an Prototypen von        Zukunft klar auf die Automobilindustrie als Wachstumsbranche: „Die Hälfte des
           Fahrzeugen, deren Computer lernfähig sind. ZF und Bosch entwickeln komplexe           prognostizierten Wachstums in unserem Autobereich kommt aus den Bereichen
           Steuerungssysteme mit künstlicher Intelligenz. „Wir bringen dem Auto bei, sich        E-Mobilität sowie Fahrerassistenzsysteme beziehungsweise autonomes Fahren“,
           selbständig durch den Straßenverkehr zu bewegen“, sagt Bosch-Chef Volkmar             so Ploss. Auch Konkurrent Nvidia orientiert sich klar in Richtung Automobil.
           Denner. „Künstliche Intelligenz ist der Schlüssel dazu. In zehn Jahren sind           Jen-Hsun Huang, Nvidia-Chef, verkündete vergangenes Jahr auf der Consumer
           Bosch-Produkte ohne künstliche Intelligenz kaum mehr denkbar.“ Autonomes Fah-         Electronics Show (CES) in Las Vegas gleich sieben neue Kooperationen mit Her-
           ren ist einer der primären Trends der Mobilität und ein Zukunftsmarkt mit enor-       stellern und Zulieferern aus der Autobranche. So soll unter anderem mit ZF ein
           mem Entwicklungspotential, sagt auch eine Studie der Fraunhofer-Gesellschaft.         Supercomputer fürs Auto entwickelt werden, der viele einzelne Steuerungssysteme
           Der globale Markt für teilautonome Fahrzeuge soll 2025 rund 36 Milliarden Dollar,     ersetzen soll, der Sprach- und Gesichtserkennung abdeckt und sogar Lippenlesen
           und für fahrerlose Fahrzeuge acht Milliarden Dollar erreichen. Zwischen 2014 und      kann. Da wächst jetzt zusammen, was künftig zusammengehört. „Man kann auf
           2035 wird in der weltweiten Produktion voll- und teilautomatisierter Fahrzeuge        der Welt gar nicht so viel programmieren, dass es zum Management des täglichen
           ein Sprung von 0,6 Millionen auf 10 Millionen Exemplare bei Premiumfahrzeugen         Verkehrs reicht. Der einzige Ausweg besteht im Einsatz künstlicher Intelligenz“,
           und bei Volumenfahrzeugen von 0 auf 38 Millionen Stück erwartet. Entsprechend         sagt etwa Scott Keogh, US-Chef von Audi. Künstliche Intelligenz (kurz: KI) ist eine

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MOBILITY WORLD - DAS AUTO LENKT - UND DENKT? 1.18 - M Plan
Auch Zulieferer Bosch testet Systeme mit künstlicher Intelligenz
                                       (großes Foto sowie kleines Foto). Audi (weißes Auto) hat ebenfalls einen Prototypen am Start.

                                       Schlüsseltechnologie für das pilotierte Fahren, heißt es in Ingolstadt. Audi baut               Autos“. Künstliche Intelligenz werde im Auto der Zukunft eine zentrale Rolle ein-
                                       sich gemeinsam mit Partnern aus der Elektronikbranche entscheidendes Know-                      nehmen. Im Cockpit zum Beispiel „müssen Sie oft noch sieben, acht Tasten drü-
                                       how im Bereich Machine Learning auf. Auf der CES etwa zeigte die Marke 2017                     cken, bis im In-Car-Entertainment-System der gewünschte Menüpunkt erreicht
                                       ein pilotiert fahrendes Konzeptauto, das in Zusammenarbeit mit Nvidia entstanden                ist“, so Jungwirth. „Das wollen wir auf einen reduzieren – wenn überhaupt.“ Das
                                       ist: ein „Q7 deep learning concept“-Fahrzeug, das mit einem Steuergerät ausge-                  Auto der Zukunft, ausgestattet mit einem zentralen Computer und intelligenten
                                       stattet war, dessen Leistungsfähigkeit speziell auf Anwendungen des pilotierten                 Hochleistungschips, soll die Mimik des Fahrers erkennen, seine Laune und sein
                                       Fahrens zugeschnitten war. Als Kern der Software dienen tiefe neuronale Netze,                  Ziel und daraus, in Kombination mit Positionsdaten und Fahrverhalten, die beste
                                       die Experten von Audi und Nvidia auf das selbständige Fahren und die Erken-                     Strecke auswählen. „Früher war der Motor das Herz des Autos“, sagt Jungwirth.
                                       nung dynamischer Verkehrsregelungshinweise trainiert haben. Zu Beginn hat der                   „Bald wird es das autonome Fahrsystem sein.“
                                       Audi-Prototyp bei mehreren Fahrten mit einem menschlichen Fahrer am Steuer
                                       den Kurs mit Hilfe zusätzlicher Trainingskameras durch Beobachtung kennenge-                    AUTOINDUSTRIE SUCHT HILFE BEI UNIVERSITÄTEN

                                                                                                                                                                                                                                 M REPORT
                                       lernt. Dadurch wird ein Zusammenhang zwischen Reaktionen des Fahrers und von                    Dafür ist künstliche Intelligenz die Voraussetzung. Weil Grundlagenforschung sehr
                                       den Kameras erkannten Ereignissen hergestellt. So versteht das Auto während der                 komplex ist, gehen Autohersteller Partnerschaften mit Universitäten ein. Toyota ko-
                                       späteren Demonstrationsfahrten Anweisungen wie ein temporäres Verkehrssignal,                   operiert mit der Universität Stanford, finanziert dort ein Institut, das an künstlicher
                                       kann sie direkt interpretieren und situativ handeln.                                            Intelligenz forscht. Audi wiederum kooperiert mit der Universität Linz in Österreich.
                                                                                                                                       Dort lehrt mit Professor Sepp Hochreiter einer der weltweit wichtigsten Forscher
                                       INTELLIGENTE SOFTWARE ZUR KUNDENBINDUNG                                                         auf diesem Gebiet. 2016 haben die beiden Partner ein erstes gemeinsames Pro-
                                       Dahinter stehen harte Marktanforderungen, Stichwort „Kundenbindung“. Denn                       jekt erfolgreich abgeschlossen. „Es steckt noch enormes Potential im Einsatz von
                                       fast zwei Drittel aller Autokäufer, die im Rahmen einer Studie der Unternehmens-                KI-Methoden für selbstfahrende Autos, die nicht nur Spracherkennung ermögli-
                                       beratung McKinsey in Deutschland, den USA und China befragt wurden, würden                      chen, sondern sogar Absichten und Wünsche der Passagiere vorhersehen und dar-
                                       aufgrund eines besseren Angebots an künstlicher Intelligenz die Marke wechseln.                 auf regieren“, sagt Hochreiter. „Dank künstlicher Intelligenz wird sich der Fahrer in
                                       Der Studie zufolge wurden in den vergangenen sieben Jahren seitens der Industrie                seinem Auto in Zukunft wohler fühlen als in seinem eigenen Wohnzimmer. Schon
                                       über 51 Milliarden US-Dollar in das Thema KI investiert – meist durch Übernahmen                jetzt kann künstliche Intelligenz Verkehrszeichen besser erkennen als ein Mensch“,
                                       von Start-ups. 13,6 Milliarden US-Dollar davon entfallen auf Ausgaben für Infotain-             erklärt Hochreiter. Dennoch müssen die Systeme dem Forscher zufolge noch viel
                                       ment und Connectivity, der Großteil von 33,5 Milliarden Dollar auf das autonome                 lernen – etwa zwischen wichtigen und unwichtigen Dingen zu unterscheiden und
                                       Fahren.                                                                                         so die Aufmerksamkeit gezielt auf potentielle Gefahren im Straßenverkehr zu len-
                                                                                                                                       ken. Dazu muss die künstliche Intelligenz in die Welt hinaus, um Erfahrungen zu
                                       Deshalb arbeitet die Branche mit Hochdruck an intelligenten Fahrzeugen. „Die                    machen oder, wie Hochreiter es ausdrückt: „In Zukunft werden es die Autos selbst
                                       nächsten drei, vier Jahre werden entscheidend sein“, sagt etwa Johann Jungwirth,                sein, die den Führerschein machen.“ //
                                       Chief Digital Officer von Volkswagen. Es spricht sogar von „der Neuerfindung des

                                                                                                                  KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
                                                                                                                  Sie soll Computern das eigenständige Bearbeiten von Problemen ermöglichen. Dafür werden
                                                                                                                  so genannte neuronale Netzwerke geschaffen, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden
                                                                                                                  sind. So wie der Mensch, wenn er etwas Neues lernt, das Netzwerk aus Nervenzellen im Ge-
© Robert Bosch GmbH; Toyota; AUDI AG

                                                                                                                  hirn umstrukturiert, so müssen auch künstliche neuronale Netzwerke zunächst eine Lernphase
                                                                                                                  durchmachen, bevor sie ihren eigentlichen Zweck erfüllen können. Ist ein solches Netzwerk aus
                                                                                                                  mehreren Ebenen aufgebaut, spricht man von Deep Learning. Dabei werden Informationen von
                                                                                                                  einer Eingabe, etwa den einzelnen Pixeln eines Bildes, Schicht für Schicht weiterverarbeitet,
                                                                                                                  bis in der höchsten Ebene schließlich die Ausgabe erfolgt und das Programm verkündet, was
                                                                                                                  es auf dem Bild zu erkennen glaubt.

                                                                                                                                                                                            MOBILITY WORLD / 1.18            9
MOBILITY WORLD - DAS AUTO LENKT - UND DENKT? 1.18 - M Plan
WELT OHNE STAU?
              Werden autonom fahrende und vernetzte Autos noch im Stau stehen?
              Stauforscher Prof. Michael Schreckenberg wagt in Mobility World eine
              Verkehrsvorhersage für die Zukunft.
M INTERVIEW

              10   MOBILITY WORLD / 1.18
ZUR PERSON

                                                                                                                PROF. DR. MICHAEL SCHRECKENBERG
                                                                                                                ist Stauforscher an der Universität Duisburg-Essen und
                                                                                                                Inhaber des Lehrstuhls für Physik von Transport und
                                                                                                                Verkehr. Er studierte Theoretische Physik an der Univer-
                                                                                                                sität Köln, an der er 1985 in Statistischer Physik promo-
                                                                                                                vierte. 1992 veröffentlichte er gemeinsam mit Kai Nagel
                                                                                                                das „Nagel-Schreckenberg-Modell“: der Beginn der
                                                                                                                modernen Stauforschung. Das Modell ist das bis heute
                                                                                                                weltweit meistzitierte Werk der Verkehrswissenschaften.
                                                                                                                25 Jahre später arbeitet Schreckenberg, Jahrgang 1956,
                                                                                                                an der Modellierung, Simulation und Optimierung von
                                                                                                                Transportsystemen in großen Netzwerken, besonders
                                                                                                                dem Straßenverkehr.

                       // Herr Prof. Schreckenberg, jeder Deutsche steht im Jahr durchschnittlich 2,4        Prof. Michael Schreckenberg: Das würde das Grundverständnis von Verkehr ad
                       Tage im Stau – für die meisten ist jede Minute davon eine zu viel. Was aber fas-      absurdum führen. Fahren sie mal mit 30 km/h von Hamburg nach München, da

                                                                                                                                                                                                    M INTERVIEW
                       ziniert Sie seit 25 Jahren so am Stau?                                                werden sie ganz schnell sagen: So habe ich mir das aber nicht vorgestellt mit dem
                       Prof. Michael Schreckenberg: Stau ist ein universelles Phänomen, das überall auf-     autonomen Fahren! Nein, diese Vorstellungen von der Zukunft des Individualver-
                       tritt, nicht nur auf der Straße: Wir haben Stau im Internet und an der Kasse im       kehrs sind abstrus.
                       Supermarkt. Im Tierreich drängelt und staut man sich am Wasserloch. In unseren
                       Adern stauen sich die Blutkörperchen. Stau ist allgegenwärtig. Interessant wird es,   Jan Schönig, Direktor für Urban Development bei Siemens, sagte unlängst, er
                       wenn man den Stau auf der Straße berechenbar macht. Damit haben wir vor 25            glaube nicht an Staus in der automobilen Zukunft. Er meint, die Wahl des Ver-
                       Jahren angefangen und sind heute längst noch nicht am Ende. Man kann den Stau         kehrsmittels sei eine Komfortentscheidung, deshalb müsse man andere Kombi-
                       verstehen lernen. Man kann ihn aber nicht gänzlich verhindern.                        nationen von Verkehrsmitteln so komfortabel wie möglich gestalten, etwa das
                                                                                                             Carsharing. Das klingt plausibel: weniger Autos, weniger Stau.
                       Ist das so? Viele Technologietrends zielen doch darauf ab, Verkehrsstaus zu mini-     Prof. Michael Schreckenberg: Carsharing ist bisher keine Erfolgsstory. Damit ver-
                       mieren: autonomes Fahren, Car-to-Car-Kommunikation, Navigationsassistenten, …         dient bisher niemand auch nur einen Cent, die Autos stehen 23 Stunden am Tag
                       Prof. Michael Schreckenberg: Die Vorzüge von Navigationsgeräten hinsichtlich          still. Diese Fahrzeuge verschlimmern den Verkehr in der Stadt nur noch, weil sie
                       Verkehrsstaus haben sich erledigt, weil fast alle Menschen ein Smartphone mit         Parkraum wegnehmen. Oder irgendwo im Parkverbot abgestellt werden. Denn
                       Google Maps haben. Der Vorschlag des Navis für eine Umgehungsstrecke ist wert-        wenn das Auto nicht das eigene Eigentum ist, dann behandeln die Leute das
                       los, wenn alle Fahrer den gleichen Vorschlag befolgen. Auch bei den anderen           Fahrzeug mitunter sehr vernachlässigend.
                       Trends, dem autonomen Fahren und der Fahrzeugvernetzung, bin ich skeptisch
                       hinsichtlich der Stauvermeidung. Das Problem ist: Wir werden eine lange Pha-          Aber wenn sich mehr Menschen ein Auto teilen, verringert sich der Verkehr.
                       se des Übergangs haben, bevor der Verkehr nur noch aus autonomen, vernetz-            Prof. Michael Schreckenberg: Carsharing nutzen heute hauptsächlich Leute, die
                       ten Autos besteht. Wie dieser Mischverkehr aus Fahrzeugen mit verschiedenen           sowieso ein Auto haben. Dadurch vermindert man nicht die Menge der Autos in
                       Technologiestandards zu organisieren ist, da gibt es bisher keine schlüssigen         der Stadt. Das ist eine zu romantische Vorstellung der Zukunft. Wenn man sich
                       Konzepte. Was bringt es, wenn ihr Auto vernetzt ist, die anderen am Stauende          anschaut, wie attraktiv oder ehrlich gesagt unattraktiv der öffentliche Nah- und
                       hinter der Kurve aber noch nicht? Da fahren sie trotzdem in den Stau hinein.          Fernverkehr heute ist, dann sehe ich dort einen vielversprechenden Ansatz. Wir
                                                                                                             werden versuchen müssen, den öffentlichen Verkehr zu beschleunigen. So dass
                       Wenn aber irgendwann alle Autos autonom und vernetzt fahren, bedeutet das             die erwähnte Komfortentscheidung bei der Wahl des Verkehrsmittels eben nicht
                       dann das Ende des Staus?                                                              automatisch das Auto favorisiert.
                       Prof. Michael Schreckenberg: Wenn wir alle autonom fahren, dann wäre das wie
                       eine Eisenbahn. Da fahren die Fahrzeuge in einer Kolonne wie Waggons hinter-          Dauert es vielleicht einfach noch ein paar Jahre, bis eine neue Mobilitätsgeneration
                       einander. Auch dann gäbe es Stau. Der entsteht immer, wenn zu viele Autos auf         die Entscheidungen fällt? Für junge Menschen ist das eigene Auto schon heute kein
                       derselben Strecke fahren. Vielleicht haben wir keinen Stau mehr auf der Autobahn,     Muss mehr.
                       wo die autonome Fahrzeugkolonne wie ein Eisenbahnzug von A nach B rollt. Der          Prof. Michael Schreckenberg: Mein ältester Sohn zum Beispiel ist 29 Jahre alt und
                       Stau entstünde dann an den Engstellen, an den Autobahnzufahrten zum Beispiel,         lebt in Berlin. Er arbeitet im Verkehrsausschuss der Bundesregierung und hat sein
                       wo man sich in die Kolonne einfädelt.                                                 Auto abgeschafft. In Berlin ein Auto zu benutzen macht keinen Sinn. Mit dem Fahr-
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                                                                                                             rad, der Bahn und zu Fuß – so bewegt man sich in Großstädten. Sie haben Recht:
                       Es gibt Überlegungen, in der Übergangsphase auf Autobahnen eine Fahrspur für          Junge Menschen wollen Autos oft nicht mehr besitzen. Was bedeutet das aber? Will
                       autonome Autos zu reservieren. Wenn man das Tempo drosseln würde, hätten              bald keiner mehr im Auto sitzen? Kommen vielleicht doch Carsharing-Modelle, die
                       mehr Fahrzeuge Platz, wegen des reduzierten Sicherheitsabstands.                      Sinn machen und ihren Betreibern Geld einbringen? Schwierige Fragen.

                                                                                                                                                               MOBILITY WORLD / 1.18          11
In den nächsten 10 bis 15 Jahren werden allein in China 350 Millionen Menschen           stehen, das merken Sie ganz schnell von selbst, wenn es nicht weitergeht. Sie wollen
              in die Städte ziehen. Das würde den Kollaps der individuellen Motorisierung              wissen, wann Sie ankommen. Sie wollen planen können. Wenn ich mit der Bahn
              bedeuten.                                                                                fahre, plane ich, wann ich wo ankomme. Das muss für alle Mobilitätsdienstleistungen
              Prof. Michael Schreckenberg: Richtig. Die Hauptthemen, die uns in den nächsten           machbar sein.
              Jahren beschäftigen werden, sind nicht autonomes Fahren oder Elektroantriebe.
              Nein, zum einen wird es ums Baustellenmanagement gehen, weil wir sehr viele              Sie sagen, man könne von Tieren lernen, Staus zu vermeiden. Ameisen seien sogar
              Sanierungsmaßnahmen vor uns haben und den Verkehr entsprechend umleiten                  ohne Stammhirn in der Lage, Staus gar nicht erst entstehen zu lassen.
              müssen. Und zum anderen: die Bahn. Der Schienenverkehr muss attraktiver wer-             Prof. Michael Schreckenberg: Ameisen sind kooperativ. Ihnen ist das eigene Voran-
              den. Warum nicht kostenlos? Überhaupt der ganze öffentliche Nah- und Fernver-            kommen nicht wichtiger als der allgemeine Verkehrsfluss. Der Mensch im Verkehr ist
              kehr: kostenlos. Denn dass wir alle irgendwann mit dem Fahrrad fahren, und sei           allerdings nicht kooperativ. Er versucht immer, schneller zu sein als die anderen. Das
M INTERVIEW

              es nur auf einer Teilstrecke einer neuen Mobilitätskette, das sehe ich nicht. Nicht      ist die menschliche Psyche. Fährt man autonom, wird das Problem ans Computerpro-
              bei dem Wetter in Deutschland.                                                           gramm abgegeben. Aber auch da werden wir in der Zukunft Computerprogramme
                                                                                                       haben, die gegeneinander arbeiten. BMW, Daimler und VW haben dann womöglich
              An Ihrem Lehrstuhl erforschen Sie im Projekt MEC-View die Verkehrsflüsse auto-           jeweils andere Programme, die versuchen, sich gegenseitig auszutricksen. Das Sze-
              nom fahrender Autos in Städten. Was genau finden Sie heraus?                             nario, dass wir zukünftig alle total relaxed hintereinander herfahren, das sehe ich
              Prof. Michael Schreckenberg: Unsere These ist einfach: Autos können mit ihrer eige-      nicht.
              nen Sensorik nicht alles überblicken. Da wir so schnell keine komplette Vernetzung
              aller Fahrzeuge untereinander haben werden, nehmen wir Kameras zum Beispiel an           Wenn Sie im Auto im Stau stehen: Was lernen Sie dabei?
              Laternenmasten zu Hilfe, die Kreuzungsbereiche überwachen und den Fahrern ver-           Prof. Michael Schreckenberg: Zwei Aspekte sind für mich interessant. Warum über-
              mitteln können, dass ein Auto von der Seite naht. Das vernetzte Fahren fällt derzeit     haupt ist hier jetzt ein Stau? Es gibt ja viele Gründe, warum sich Verkehrsstaus bilden.
              in den Bereich Science Fiction. Mit diesen Kameras aber können wir sofort anfangen.      Und das menschliche Verhalten. Ich bin zum Beispiel öfters im Stadion von Borussia
                                                                                                       Mönchengladbach. Da befindet sich in der Nähe eine Baustelle – und es gibt immer
              Das wäre ein Puzzleteil, den innerstädtischen Verkehrsfluss zu begünstigen?              Stau. Und zwar nur, weil die Menschen im Baustellenbereich zu stark abbremsen.
              Prof. Michael Schreckenberg: Zunächst einmal ein Puzzleteil, um den Verkehr siche-       Dann werden die Spuren gewechselt, weil man meint, die andere Spur ist immer die
              rer zu machen. Der wichtigste Punkt ist Sicherheit. Wir müssen realistisch sein. Auto-   schnellere. Autofahrer denken immer nach vorne – das führt dazu, dass nach hinten
              nomes Fahren macht den Verkehr nicht flüssiger. Wenn Sie alle Verkehrsregeln ein-        Stauwellen entstehen. Das Abbremsen schaukelt sich hoch bis zum Stillstand, weil
              halten, und darauf wären die Autos ja programmiert, sind Sie ein Verkehrshindernis.      jedes nachfolgende Auto etwas langsamer ist als das vor ihm fahrende. Das ist dann
              Fahren Sie mal stur mit Tempo 50 in der Stadt. Da bekommen Sie viele neue Freunde.       der „Stau aus dem Nichts“.

              Sie haben in einem Fernsehinterview einmal eine so genannte Humanizer-Taste für          Braucht der Mensch den Stau vielleicht einfach? Damit er sich am Steuer aufregt und
              autonom fahrende Autos ins Spiel gebracht, um eine realistische Fahrweise zu för-        nicht am Abendbrottisch im Kreise der Liebsten?
              dern. Was meinten Sie damit?                                                             Prof. Michael Schreckenberg: Ich kenne tatsächlich Menschen, die finden Staus toll.
              Prof. Michael Schreckenberg: So eine Funktion würde bewirken, dass das Fahrzeug          Da sind sie weit weg von der Familie und von den nervenden Kollegen. Die stehen
              sich eben nicht ganz korrekt verhält und man Strafzettel für Tempoüberschreitung         im Stau und genießen die Ruhe. Es ist auch so: Wenn Sie in den Urlaub fahren und
              oder beim Überfahren einer durchgezogenen Linie riskiert. Wenn Sie alle Verkehrsre-      nicht im Stau stehen, dann haben Sie irgendetwas falsch gemacht. Stau gehört zum
              geln einhalten, dann werden die anderen Menschen im Fahrzeug aggressiv. Außer-           Gesamterlebnis. Er ist eine Art Ritus. Da entsteht auch eine Art Wir-Gefühl. Abends
              dem würde eine geschätzte Bußgeldhinterziehung pro Fahrer pro Jahr von mehreren          bei der Tagesschau sagen Sie: Guck an, in dem Stau haben wir heute auch gestanden.
              hundert Euro entfallen. Dann gingen die Kommunen pleite hier im Ruhrgebiet. Unter
              Sicherheitsaspekten wäre so eine Funktion natürlich nicht durchsetzbar. Es war nur       Dennoch wollen wir den Stauforscher fragen: Wie umgeht man den Urlaubsstau?
                                                                                                                                                                                                  © Fotolia: Kara; iStock: Wenjie Dong

              ein Gedankenspiel, um aufzuzeigen, mit welchen Faktoren wir uns in Zukunft ausei-        Prof. Michael Schreckenberg: Ich persönlich fahre immer zu den Zeiten, vor denen
              nandersetzen müssen, psychologisch wie wirtschaftlich.                                   am meisten gewarnt wird. Weil die Leute so abgeschreckt sind, dass dann keiner
                                                                                                       fährt. Samstagmorgens um 10 Uhr, das ist meine Zeit. Wenn der ADAC warnt, dann
              Wenn wir also auch in Zukunft mit Staus leben müssen: Welchen Vorteil hat dann das       kommen Sie vermutlich locker durch. Das gilt aber nicht für die tägliche Rushhour.
              autonome Fahren – vom Zeitungslesen im Auto mal abgesehen?                               Wer um acht Uhr morgens durchs Ruhrgebiet fährt, der darf sich über einen Stau
              Prof. Michael Schreckenberg: Das Problem ist nicht der Stau. Der Trick ist: Wir müssen   nicht wundern. //
              Stau und Mobilität planbar machen. Sie wollen ja nicht wissen, dass Sie im Stau

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SCHAUM WIR MAL
Thomas Müller und Marc Ritsche von M Plan Wolfsburg konstruierten ein extrem
leichtes Bauteil für E-Fahrzeuge aus Aluminiumschaum. Auftraggeber war der
Entwickler des neuen Materials, die pohltec metalfoam GmbH.

   ZU DEN PERSONEN

   MARC RITSCHE UND THOMAS MÜLLER
   freuten sich besonders über das Projekt mit dem neuen Werkstoff
   und die damit verbundene Pionierarbeit beim Einsatz neuer
   Materialien, etwa für Elektrofahrzeuge. Maschinenbauingenieur
   Ritsche (Foto links), 32, ist seit 2010 bei M Plan. Zuerst kooperierte
   er mit dem Unternehmen beim Verfassen seiner Bachelorarbeit im
   Bereich der Konzeptentwicklung, bevor er 2011 als Projektmitarbeiter
   fest einstieg. Thomas Müller, 35, ist seit 2009, seinerzeit ebenfalls
   als Bachelorstudent, bei M Plan. Zu den Schwerpunkten des
   Gruppenleiters gehört heute auch die Motorenvorentwicklung.

                                                                                                                                                                        M AT WORK

// Es gibt sie immer wieder, diese Tage: Man kommt morgens ins Büro – und          firma der Kölner Pohl-Gruppe, eines internationalen Spezialisten für Metallfassa-
da wartet eine unerwartete Herausforderung. Ein neues Projekt, das Kreativität,    den von Gebäuden. Unter anderem steuerte das Familienunternehmen, vor mehr
Know-how und frisches Denken erfordert. Bei dem man neue Wege in einem an          als 160 Jahren als kleine Schlosserei in Köln gegründet, Edelstahlelemente für
sich bekannten Terrain erkunden muss. Beziehungsweise: darf. „Sehr, sehr span-     die Außenkanten des One World Trade Centers in New York auf dem
nend war das“, sagt Marc Ritsche, Fachteamleiter Konzept- und Karosserieentwick-   Gelände der 2001 zerstörten Zwillingstürme bei.
lung in der Niederlassung Wolfsburg von M Plan. Genau so einen Tag nämlich hat
er im vergangenen Sommer erlebt. Ein neues Projekt war auf dem Schreibtisch        DER AUTOHERSTELLER WAR BEGEISTERT
des Maschinenbauingenieurs gelandet, eines von jener Sorte, bei dem man ein        Für den möglichen Einsatz des Metallschaums im Automobil
zwar kleines, aber feines Kapitel zur großen Geschichte der Automobilindustrie     vertraut das Unternehmen nun auf den großen Erfahrungsschatz
beisteuern darf.                                                                   von M Plan bei der Bewertung, Berechnung, Erprobung und Kon-
                                                                                   struktion neuer Materialien und Automotive-Bauteile. Automobilher-
25 PROZENT GEWICHTEINSPARUNG                                                       steller suchen heute immer nach Wegen, ihre Fahrzeuge leichter und so-
Ein Unternehmen war an M Plan mit dem Auftrag herangetreten, die Möglichkeiten     mit sparsamer zu gestalten. In Zeiten der Elektrifizierung des Antriebsstrangs
eines neuen Materials für den Einsatz im Automobil zu untersuchen. Die pohltec     kommt der Gewichtsreduzierung einzelner Bauteile eine noch wichtigere Rolle
metalfoam GmbH hatte ein Verfahren entwickelt, Aluminium so aufzuschäumen          zu. In Kooperation mit der Niederlassung Wolfsburg wurde dieses Material einigen
und zwischen zwei ebenfalls aus Aluminium bestehenden Deckellagen einzubet-        Fachabteilungen beim Autohersteller vorgestellt. Das Interesse war so groß, dass
ten, dass ein flächiger, blechförmiger und vor allem sehr leichter und zugleich    pohltec metalfoam M Plan mit der Konstruktion und Berechnung eines Bauteils für
außerordentlich stabiler Werkstoff entsteht. Bis zu 25 Prozent Gewichteinsparung   eine neue Generation von Fahrzeugen beauftragt hat. Ziel des Projekts ist es, den
sind möglich, bei deutlich gesteigerter Festigkeit im Vergleich zu Produkten aus   OEM nicht nur durch theoretische Kennzahlen des Materials, sondern durch ein
Edelstahl oder herkömmlichem Aluminium. Die Deckschichten sind metallisch, das     auskonstruiertes, berechnetes Bauteil zu überzeugen. „Die Ergebnisse waren so
heißt ohne Klebemittel mit der Kernschicht verbunden. Es können sowohl ebene       positiv, dass nun über den konkreten Einsatz unseres Bauteils nachgedacht wird“,
als auch komplex geformte Sandwichstrukturen hergestellt werden. Nun sollte bei    erzählt Marc Ritsche, der das Projekt in Zusammenarbeit mit Thomas Müller, Grup-
M Plan herausgefunden werden, ob das so genannte AFS-Material aus Aluhart-         penleiter bei M Plan in Wolfsburg, realisierte. Auch bei der Pohl-Gruppe setzt man
schaum (Aluminium Foam Sandwich) sich für einen speziellen Einsatz im Um-          große Hoffnungen in das neue Produkt. „Das könnte für uns der Werkstoff der
feld des Elektroantriebs eines großen deutschen Autoherstellers eignen würde.      Zukunft werden“, so Firmenchef Heinrich Robert Pohl. //
Das Besondere an diesem Auftrag: pohltec metalfoam ist eine recht junge Tochter-

                                                                                                                                     MOBILITY WORLD / 1.18         13
SCHÜLERSTREICH 4.0
                              Zwei junge Münchner entwickelten ein bezahlbares Elektroauto, das mit
                       Sonnenenergie fährt. Ihr Start-up-Unternehmen Sono Motors schafft, was BMW,
                                                                  VW & Co. bislang nicht gelingt.
M VIEW

         // Wie es sich für eine gute Start-up-Story gehört, beginnt diese Geschichte in        Das ist ein ganz anderer Ansatz, als Tesla oder andere ihn haben. Wir wollen
         einer Garage. Dort schraubten die Gymnasiasten Laurin Hahn und Jona Christians         Elektromobilität nicht nur für die Oberklasse, sondern wir wollen Elektromobilität
         nach Schulschluss an einem Projekt herum, von dem niemand etwas erfahren               für alle – erschwinglich und alltagstauglich.“
         sollte. Zunächst jedenfalls nicht – selbst Jonas Eltern, Besitzer der Garage am
         Stadtrand von München, durften nicht hinein. „Wir wollten uns erst selbst be-          OEM DANK CROWDFUNDING
         weisen, dass es funktioniert. Unsere Vision war ja, ein Elektrofahrzeug zu bauen,      Das Rezept ging auf. Das Resultat des jugend-
         das wirklich alltagstauglich ist“, erklärt Laurin Hahn heute. Das war natürlich        lichen Unternehmergeistes steht heute tatsäch-
         ein gewaltiges Vorhaben, zumal für zwei 18-Jährige, die seinerzeit hauptberuf-         lich auf vier Rädern, kann fahren, Strom aus
         lich gerade an ihrem Abitur an einer Münchner Waldorfschule schraubten. Ein            Sonnenenergie erzeugen, lockt Investoren an
         Elektroauto bauen, das eine hohe Reichweite hat, leicht zu laden ist und zudem         und heißt Sion. Aus den beiden Schülern sind
         noch günstig sein würde? Verzweifeln an dieser Aufgabe nicht schon die großen          zwei Mitzwanziger geworden, aus der elterli-
         Autohersteller?                                                                        chen Garage ein Münchner Start-up-Unter-
                                                                                                nehmen namens Sono Motors, Gründungsjahr:
         Das störte die beiden nicht. Sie verschwanden jeden Tag in ihrer Garage und bas-       2016. Und wie es sich für eine wirklich gute Start-up-Story des 21. Jahrhunderts
         telten im Geheimen an dem, was heute eines der spannendsten Start-up-Projekte          gehört, spielt auch Crowdfunding eine wesentliche Rolle dabei. Und die WG der
         der deutschen Automobilindustrie ist: einem Elektroauto, dessen Motor zum Teil         beiden früheren Schulfreunde. Denn dort diskutierten sie am Abend mit ihrer
         mit Sonnenenergie läuft. Und zwar mit Strom, den das Auto selbst produziert –          Mitbewohnerin Navina Pernsteiner, einer Grafikdesignerin, das Thema nachhal-
         mit knapp acht Quadratmetern Solarzellen, die in die Karosserie integriert sind.       tige Mobilität. Sie brachte die beiden E-Auto-Entwickler dazu, das ganze Projekt
         „Man hört eigentlich überall: ‚Elektroauto ist toll, das ist die Zukunft.‘ Aber dann   mit Hilfe einer Crowdfunding-Kampagne zu realisieren. Anfangs hatten die So-
         kommen die drei großen Einschränkungen: der hohe Preis, die geringe Reich-             larpioniere noch einen gebrauchten Twingo zum Sonnenenergie-Elektrofahrzeug
         weite und die fehlende Ladeinfrastruktur“, sagt Laurin Hahn. „Also haben wir           umgebaut. Für den großen Wurf, ein ganz eigenes Automodell, benötigten sie
         uns gefragt: Was müssen wir machen, um diese drei Probleme zu egalisieren?             Kapital. Und das kam online herein: rund 850.000 Euro. Dank dieser Unterstüt-
         So kamen wir auf die Solarintegration, die das Auto selbst zum Teil der Ladein-        zung und des dadurch hervorgerufenen Medienechos konnte das Trio – WG-Be-
         frastruktur werden lässt, zu einem kostengünstigen Modell für die breite Masse.        wohnerin Pernsteiner übernahm die Disziplin Design – den nächsten Schritt

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