MOBILITY WORLD - DAS AUTO LENKT - UND DENKT? 1.18 - M Plan
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1.18 MOBILITY WORLD DAS AUTO LENKT – UND DENKT? WIE KÜNSTLICHE INTELLIGENZ DIE MOBILITÄT REVOLUTIONIERT SEITE 8 SEITE 4 SEITE 10 SEITE 13 E-ANTRIEB & CO.: WELT OHNE STAU? LEICHTBAU: BLICK IN DIE ZUKUNFT DAS EXPERTEN-GESPRÄCH M PLAN-PIONIERE
INHALT DER GROSSE WANDEL 4 E-Antrieb, autonomes Fahren, Vernetzung – drei Experten von M Plan geben einen Ausblick auf die M INSIDE bedeutenden Trends in der Automobilindustrie. 30 MINUTEN 7 in der Lichtdusche fördern laut Daimler-Studie das Konzentrationsvermögen. Hundert Millionen M NUMBERS Parkbremsen von ZF – und mehr Zahlen … DAS AUTO LENKT – UND DENKT? 8 Um autonom zu fahren, müssen Bordcomputer im Auto enorme Rechenleistungen bewältigen. Helfen sollen M REPORT dabei lernfähige Computerchips. WELT OHNE STAU? 10 Werden autonome Autos noch im Stau stehen? Stauforscher Prof. Michael Schreckenberg wagt eine M INTERVIEW Verkehrsvorhersage für die Zukunft. 08 DAS AUTO LENKT – UND DENKT? M Report – Künstliche Intelligenz hält Einzug in Automobilen SCHAUM WIR MAL 13 Thomas Müller und Marc Ritsche von M Plan Wolfsburg konstruierten ein extrem leichtes Bauteil M AT WORK für E-Fahrzeuge – aus Aluminiumschaum. SCHÜLERSTREICH 4.0 14 Zwei junge Münchner entwickelten ein bezahlbares Elektroauto, das auch mit Sonnenenergie fährt. M VIEW M INHALT DIE ACHTUNDSECHZIGER 16 1968 – damit verbindet man Hippies, Flower Power und Jimi Hendrix. Doch ’68 ist auch das Jahr von Mercedes M PASSION Strich-Achter, VW-„Nasenbär“ und R080. M PEOPLE 18 Janik Zerweck ist Versuchsingenieur im Bereich Akustik der M Plan-Niederlassung Weissach – M PEOPLE und am Wochenende Handballer beim Drittligisten TSB Horkheim. 14 SCHÜLERSTREICH 4.0 NEUES AUS DER WELT VON M PLAN M View – Zwei Waldorfschüler entwickelten ein Elektroauto 19 Doppelter Hattrick: M Plan zum sechsten Mal in Folge „Top Employer Automotive“. Steffen Ratschan neuer M NEWS Regionalleiter Süd – und ein Luxus-Tablet wird verlost. M GAME IMPRESSUM Verantwortlich für den Inhalt: Realisierung und Gestaltung: Mitglied im Bernd Gilgen, Geschäftsführer Yellow Tree – Digital.Branding. Mobility World www.yellowtree.de Ausgabe 01.2018 Redaktion extern: Auflage 21.000 Büro 504, www.buero504.de Covermotiv: 8. Jahrgang © Fotolia: chagpg Redaktionsleitung: Herausgeber: Katrin Reiners M Plan GmbH Steinmüllerallee 2 Druck: 51643 Gummersbach Gronenberg Druck & Medien www.m-plan.com www.gronenberg.de 2 MOBILITY WORLD / 1.18
ACHTUNG, GOLDRAUSCH! LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER, alle Welt spricht vom autonomen Fahren. Das ist auch richtig so. Es wird die Zeit Verstehen Sie mich nicht falsch. Die Entwicklung der neuen Technologien ist sinn- kommen, da wir uns im Auto behaglich zurücklehnen und entspannen, während voll und wertvoll: Sie machen den Verkehr sicherer, und das ist das über allem Sensoren und kompakte Supercomputer das Fahrzeug sicher von A nach B steu- stehende Ziel. Auch wir bei M Plan beschäftigen uns im Auftrag unserer Kunden ern. Schon heute entwickeln alle wichtigen Hersteller und Zulieferer lernfähige intensiv mit der Entwicklung intelligenter Lösungen bei den Themen autonomes und somit intelligente Steuerungssysteme, kaufen IT-Start-ups und kooperieren Fahren, alternative Antriebe und digitale Vernetzung. Doch verlieren wir dabei M EDITORIAL mit Chipproduzenten, neuen Markteinsteigern oder alten Wettbewerbern. Der nicht die klassischen Disziplinen des Autobaus aus den Augen. Denn ein moder- Hype ist groß. Fast fühlt man sich an die Goldgräberstimmung am Klondike River nes Automobil ist eben kein Computer im Plastikgehäuse, kein rollendes Smart- erinnert, als Ende des 19. Jahrhunderts halb Amerika mit dem Spaten über der phone. Die eigentliche intelligente Leistung besteht auch heute noch darin, eine Schulter gen Wildnis zog, in der Hoffnung auf eine verheißungsvolle und goldene in allen Facetten sichere Maschine aus Stahl, Aluminium und eben passendem Zukunft. IT-Innenleben zu konzipieren und zu konstruieren. Auch die schnellsten Mikro- chips und die cleversten Apps müssen eingebettet sein in ein sicheres automo- Nur: Schon damals am Klondike River glänzte nicht alles. Wer kennt nicht die le- biles Gesamtkonzept – und dazu gehören bis auf weiteres eben auch Fahrwerke gendäre Filmszene aus „Goldrausch“, in der Charlie Chaplin als armer Glücksrit- und Getriebe, Abgasnachbehandlungssysteme und hochkomplexe Bordnetze. Nur ter seine Schuhe verspeist? Mir erscheint auch die heutige Goldgräberstimmung wer die Herausforderungen autonomer Fahrsysteme ganzheitlich angeht, wird etwas zu euphorisch. Es gibt ja noch viele ungeklärte Fragen: Wer haftet, wenn am Ende Erfolg haben. ein autonom fahrendes Auto doch in einen Unfall verwickelt ist? Der Produzent des intelligenten Chips? Der Programmierer des Algorithmus? Der Autohersteller? Und wer soll die neue Technologie bezahlen? Wenn ich morgens auf der A 57 nach Herzlichst Köln fahre, dann bin ich umringt von Autos, die neu selten mehr als 30.000 Euro Ihr kosten. Die breite Masse der Autofahrer wird sich die schönen und komfortablen Features, all die Assistenzsysteme, die zum autonom fahrenden Auto gehören, wohl erst einmal nicht leisten können. Bernd Gilgen Geschäftsführer „Ein modernes Automobil ist eben kein Computer im Plastikgehäuse, kein rollendes Smartphone.“ Bernd Gilgen, Geschäftsführer M Plan MOBILITY WORLD / 1.18 3
DER GROSSE WANDEL E-Antrieb, autonomes Fahren, Vernetzung: Die Automobilindustrie verändert sich wie nie zuvor in ihrer Geschichte. M Plan unterstützt Hersteller und Zulieferer bei der Bewältigung der großen Aufgaben. Drei Experten des Unternehmens geben einen Ausblick. E-MOBILITÄT: DENNIS BREITENBACH, LEITER TECHNISCHES BÜRO BEREICH ANTRIEB, NIEDERLASSUNG WOLFSBURG Die Elektromobilität ist eines der wichtigen, großen Themen, die alle tung gewinnen. Elektroaggregate etwa erfordern neues Denken bei der Autohersteller und alle wichtigen Zuliefererunternehmen betreffen. Elek- Konzeption und Entwicklung von Kabelbäumen. Dazu verlangt die neue trischer Antrieb, Batteriemanagement, Kühlung des Antriebsstrangs, Fahrzeugarchitektur von Elektroautos auch neue Ansätze bei der Kühlung Elektronik, Sensorik und natürlich die entsprechende Software – das von Komponenten. Bei konventionellen Antrieben spielt sich das Thema große „E“ beeinflusst nahezu alle Disziplinen des modernen Autobaus. Kühlung hauptsächlich unter der Motorhaube ab. Bei Elektrofahrzeu- Umso wichtiger ist es, sich als Entwicklungsdienstleister breit aufzustel- gen hingegen verteilen sich entscheidende Komponenten im gesamten len. Wir müssen für die Gegenwart und die Zukunft gerüstet sein und Fahrzeug. So verlangen etwa Batterieeinheiten im Unterboden oder elek- für alle wesentlichen Aspekte der E-Mobilität Unterstützung anbieten trische Hinterachsen ebenfalls nach Kühlung. Spannend finde ich, wie können, sei es beim Kunden vor Ort oder in unseren eigenen Nieder- die Industrie das Thema Ladeinfrastruktur kundengerecht bewältigen lassungen. Am Standort Wolfsburg zum Beispiel haben wir in den ver- wird. Die flächendeckende Versorgung mit einer möglichst einheitlichen gangenen Jahren die Expertise in den Bereichen Bordnetz und Kühlung Ladetechnologie, mit Stromtankstellen und beispielsweise induktiven M INSIDE signifikant weiter ausgebaut, weil diese beiden Bereiche gerade auch Ladesystemen in Parkhäusern oder auf Firmenparkplätzen – das wird die mit Blick auf neue Antriebstechnologien noch einmal enorm an Bedeu- eigentliche Herausforderung sein. 1821 1888 1912 1969 Der englische Forscher Michael Faraday Der Coburger Fabrikant Andreas Flocken Weltweit verkaufen 565 verschiedene Mar- Erstes Carsharing mit E-Autos: bewegt erstmals Objekte mittels Elektro- baut das erste Elektroauto Deutschlands. ken Autos mit elektrischem Antrieb – die Der niederländische Erfinder Luud magnetismus. sind sicherer und ruhiger als Benziner, für Schimmelpennink entwickelt 1969 mit dem die man den hochexplosiven Kraftstoff in „Witkar“ eine futuristische Lösung. Die Apotheken kaufen muss. „rollende Duschkabine“ ist ein Dreirad mit 24-Volt-Elektromotor (2 KW Leistung) und einer Spitzengeschwindigkeit von 30 km/h. 2017 2010 2006 1996 Das Kraftfahrtbundesamt verzeichnet Nissan bringt das E-Modell Leaf auf den So richtig in Gang kommt der Neustart der General Motors bringt den EV1 heraus, rund 34.000 Autos mit Elektroantrieb in Markt – bis heute das meistverkaufte Elek- Elektromobilität mit dem E-Sportwagen ein Elektroauto, als Antwort auf das Deutschland. Nach Angaben des Verbands troauto der Welt mit bislang rund Tesla Roadster. 1990 in Kalifornien erlassene Gesetz zur der deutschen Energie- und Wasserwirt- 300.000 Exemplaren. Emissionssenkung. schaft (BDEW) gibt es rund 11.000 öffent- lich zugängliche Ladepunkte inklusive der Parkhäuser und Supermarktparkplätze. 2020 2025 2030 1 Million Elektroautos sollen laut Prognose Audi, BMW, Mercedes und VW wollen Eine Studie der Beratungsgesellschaft PwC der Bundesregierung (aus dem Jahr 2009) auf zwischen 15 und 25 Prozent ihrer Flotte als aus dem Jahr 2017 besagt, dass bis 2030 © Fotolia: cherezoff Deutschlands Straßen fahren. Experten halten E-Autos verkaufen. Die Deutsche Rohstoff- bereits mehr als jedes dritte Neufahrzeug diese Einschätzung für unrealistisch – Anfang agentur (Dera) erwartet, dass sich der welt- weltweit ein reines Elektroauto sein wird. 2018 sind es erst rund 100.000 E-Autos, weite Bedarf an Lithium-Ionen-Batterien Hybrid-Pkw inklusive. von etwa 33.000 Tonnen bis zum Jahr 2025 mindestens verdoppeln wird. 4 MOBILITY WORLD / 1.18
AUTONOMES FAHREN: STEFFEN RATSCHAN, REGIONALLEITER SÜD, STUTTGART Das autonome Fahren kommt. Es ist die einzige wirksame Antwort auf die Verkehr ist die Umsetzung deutlich komplexer, da wird es noch dauern, Probleme des individuellen Personenverkehrs. Wenn immer mehr Autos bis sich vollautonomes Fahren durchsetzen kann. Aber auch hier gibt es auf den Straßen fahren, und alle Prognosen sehen das voraus, dann muss schon heute Verkehrssituationen, in denen die Technik Sinn macht, etwa das gesteigerte Verkehrsaufkommen intelligent gemanagt werden. Damit beim automatischen Einparken. Die Technologie für vollautonomes Fah- einher geht das wichtige Thema Sicherheit. Wenn immer mehr Menschen ren ist heute schon verfügbar. Sie muss aber weiterentwickelt werden, mit Autos unterwegs sind, die Verkehrsdichte steigt, dann muss die Auto- sicherer gemacht werden, sie muss besser mit der Umgebung vernetzt industrie entsprechende Systeme bereitstellen, um das Fahren so sicher werden und nicht zuletzt günstiger werden. Als Entwicklungsdienstleis- wie möglich zu machen. Und da der Mensch nun einmal die Fehlerquelle ter haben wir diesen Trend früh erkannt und bieten Know-how in vielen Nummer eins ist im Verkehr, werden autonome und teilautonome Fahr- wesentlichen Disziplinen. Denn die Industrie befindet sich im größten systeme von entscheidender Bedeutung für die Mobilität von morgen Wandel ihrer Geschichte: Aus Automobilherstellern werden Mobilitätsan- sein. Ich bin mir sicher, dass es in gar nicht so ferner Zukunft möglich sein bieter. Dabei unterstützen wir unsere Kunden. wird, auf der Autobahn komplett autonom zu fahren. Im innerstädtischen 1500 1925 1933 1939 Eines der ersten Modelle eines autonom Die Firma Houdina Radio Control, Der erste Autopilot im Flugzeug: Auf der Weltausstellung in New York stellt fahrenden Fahrzeugs wird dem italienischen eigentlich auf dem Gebiet für Funkzu- Er wurde von der Sperry Gyroscope Company Norman Bel Geddes seine Vision von au- Erfinder Leonardo da Vinci zugeschrieben. behör tätig, setzt einen Meilenstein: Das in den USA entwickelt, heißt „Mechanical tonomen Fahrzeugen anno 1960 vor: durch Gleich mehrere Skizzen dazu sind bekannt. Wunderauto „Linrrican Wonder“ fährt Mike“ und wird 1933 erstmals von dem Pilo- elektromagnetische Felder angetriebene Demnach soll eine gespannte Feder einen wie von selbst durch einen Stau in New ten Wiley Post genutzt. In seinem Flugzeug und funkgesteuerte Autos. vierrädrigen Wagen antreiben. York City – von einer Antenne gesteuert. „Winnie Mae“ gelingt ihm damit in 7 Tagen, M INSIDE Gesteuert wird es von menschlicher Hand 18 Stunden und 49 Minuten der erste per Fernbedienung und Antenne. Alleinflug um die Erde. 1986 1984 1960 1945 In Deutschland gilt der Robotiker Ernst Entwickler Rainer Buchmann erhält ein Im Transport Research Laboratory in Ein großer Schritt in Richtung autonomes Dickmanns als Pionier auf dem Gebiet des Patent für eine elektrische Steuervorrich- Großbritannien wird eine neue Technolo- Fahren ist die Einführung des Tempomats. Das autonomen Fahrens. Sein erstes Projekt, tung für Fahrzeuge – der Vorläufer für die gie für ein autonomes Modell erprobt. Ein Patent wird 1945 angemeldet, Premiere feiert „VaMoRs“ (Versuchsfahrzeug für autono- heutige Einparkautomatik. umgebauter Citroen DS nutzt magnetische der Tempomat im Chrysler Imperial 1958. me Mobilität und Rechnersehen), ist ein Sensoren und folgt so völlig autonom Die Idee kam Ralph Teetor, einem blinden Kleintransporter von Mercedes Benz, den Kabeln in der Straße. Ingenieur, als er von seinem Anwalt chauffiert er mit Sensoren und Kameras ausstattete. wurde – mit einem etwas holprigen Fahrstil. 2004 2012 2015 2020 Die DARPA-Challenge (Defense Advanced Erstmals in der Automobilgeschichte Erstmals in Serie produziert: Tesla bringt Vollautonome Autos, die beispielsweise als Research Projects Agency) wird ins Leben wird ein autonom fahrendes Auto für den mit dem Model S ein Auto mit teilauto- fahrerloses Robotaxi genutzt werden können, gerufen. Der Wettbewerb für Roboterau- öffentlichen Straßenverkehr in Nevada nomen Fahreigenschaften, die manuell werden laut Daimler-Entwicklungschef tos sorgt vor allem für erhöhte Aufmerk- zugelassen: Das Google-Auto ist ein umge- freigeschaltet werden können. Ola Källenius schon bald in Serie gehen. samkeit in der Öffentlichkeit. Nachdem bauter Toyota Prius. Sobald die Rahmenbedingungen geschaffen im ersten Jahr alle Teilnehmer daran sind, sei auch Daimler bereit, ab 2020 scheiterten, ein autonomes Fahrzeug 80 Roboterautos anzubieten. Kilometer durch die Mojave-Wüste zu schicken, gewinnt 2005 ein VW-Team mit einem umgerüsteten Touareg. 2030 Der Durchbruch: Laut einer Prognose des Fraunhofer-Instituts wird sich das fahrerlose Fahren ab dem Jahr 2030 im Straßen- verkehr verbreiten. Auch die Akzeptanz ist nach einer Übergangsphase in der vorigen Dekade gestiegen. MOBILITY WORLD / 1.18 5
CONNECTIVITY: DR. HICHAM DAKIR, LEITER GESCHÄFTSFELD CONNECTED CAR, NIEDERLASSUNG WEISSACH Connectivity ist ein Schlüsselbegriff für die Gestaltung der modernen IT-Technik unterwegs ist. Die meisten großen Hersteller haben das er- Mobilität. Für Endkunden treten Parameter wie Motorleistung, Hubraum kannt und kooperieren mit IT-Unternehmen oder kaufen entsprechende und Höchstgeschwindigkeit immer mehr in den Hintergrund. Stattdes- Start-ups gleich ganz auf. Connectivity treibt den großen Wandel in der In- sen wird entscheidend, welche Schnittstellen ein Automobil bietet, wie dustrie voran wie kaum ein anderer Automotive-Trend. Weil Autos immer ich mein Smartphone mit der Fahrzeug-IT vernetzen kann, welche Info- mehr zum rollenden Smartphone werden, wird sich auch das Nutzungs- tainment-Lösungen ein Auto bietet und wie leicht diese im Einklang mit verhalten grundlegend ändern. Carsharing und Leasing gewinnen an Be- den individuellen Präferenzen zu konfigurieren sind. Das hat tiefgreifende deutung, wenn die Nutzer immer mehr Wert auf neueste IT-Lösungen Auswirkungen auf Produktentwicklung und Wertschöpfungskette in der im Automobil legen. Das zieht einen Wandel in der Autoelektronik mit Automobilindustrie. Neue Fahrzeugmodelle werden funktional immer sich. Statt 100 Steuergeräten, die über mehrere Bussysteme miteinander schneller altern, denn es treffen zwei verschiedene Welten aufeinander. vernetzt sind, werden künftig nur noch wenige Supercomputer alle we- Während in der Autoindustrie Entwicklungszyklen rund fünf bis sieben sentlichen Funktionen steuern. Dabei sind Entwicklungsdienstleister wie Jahre dauern, spricht man in der IT-Industrie von zwei bis drei Jahren. Das M Plan gefragt. Schon heute unterstützen wir mehrere große Hersteller ist die große Herausforderung: diese beiden Welten zu vereinen. Denn der und Zulieferer zum Beispiel dabei, Elektroniklösungen für die Connected Endkunde will kein Auto fahren, dessen Fahrkomfort und beispielswei- Cars von heute und morgen zu entwickeln. se Karosseriedesign zwar noch topaktuell sind, das aber mit überholter 1930 1939 1977 1978 In den USA werden Lkw erprobt, die über Auf der New Yorker Weltausstellung prä- BMW bringt den ersten Bordcomputer Mercedes stattet die S-Klasse als weltweit UKW-Frequenzen miteinander vernetzt sentiert General Motors einen Imagefilm der Welt in der 7er-Reihe. erstes Automobil mit dem elektronischen M INSIDE sind und sich so bei Überholvorgängen mit Namen „To New Horizons“: Autonom Antiblockiersystem (ABS) von Bosch aus gegenseitig warnen. Das System setzt sich fahrende Autos sind danach mit intelligen- – ein Meilenstein bei der Vernetzung der nicht durch. ten Highways vernetzt. Fahrzeugarchitektur. 1997 1996 1982 1982 Mercedes stellt das schlüssellose General Motors bringt mit OnStar das erste Blaupunkt entwickelt das erste Pkw-Navi, Auftritt „K.I.T.T.“ in der TV-Serie „Knight Zugangssystem „Key-less Go“ vor. Connected-Car-System in Serie: Zunächst den „Elektronischen Verkehrslotsen für Rider“: Das erste wirklich intelligent vernetz- dient das System der Sicherheit; das Auto Autofahrer“ (EVA). te (und sprechende) Auto der Geschichte – ruft bei einem Unfall automatisch die wenn auch nur auf dem Bildschirm. Feuerwehr. 2001 2007 2014 2015 Smart bringt mit dem City Coupé das Hessen wird zum „Testfeld Deutschland Apple präsentiert CarPlay, ein System, Audi, Daimler und BMW kaufen gemein- weltweit erste Auto mit optionalem SIM-TD“ für „sichere intelligente Mobi- das iPhones mit dem Infotainment-System sam den Kartenhersteller Nokia Here für Internetzugang auf den Markt. lität“: Erprobt wird Car-to-Car- sowie im Fahrzeug vernetzt. Google zeigt seinen 2,8 Milliarden Euro. Tesla bietet für sein Car-to-Infrastructure-Vernetzung. ersten Autoentwurf, ein autonom fahrendes, Model S als erster Hersteller kostenlose allzeit vernetztes Ei auf Rädern. Connectivity-Updates an. 2050 2020 2016 Studien gehen davon aus, dass 70 Prozent Laut einer McKinsey-Studie aus dem Jahr Hacker produzieren Schlagzeilen: der Weltbevölkerung im Jahr 2050 in Städ- 2014 wird sich das Marktvolumen für Die IT-Systeme von Modellen von unter ten leben. Ohne intelligent vernetzte Autos Connectivity-Dienste seit 2014 auf 170 Mil- anderem BMW, GM, Opel, Tesla, FiatChrysler ginge dann im innerstädtischen Verkehr gar liarden Euro verfünffacht haben. 20 Prozent wurden gehackt. Fahrzeuge können aus der nichts mehr. der Autofahrer würden 2020 für bessere Ferne geöffnet und gestartet werden. Connectivity-Angebote die Marke wechseln. 6 MOBILITY WORLD / 1.18
200 MILLIONEN Euro investiert BMW in ein neues Kompetenz- 15 MINUTEN zentrum zur Entwicklung von Batteriezellen in soll es dauern, bis die Akkus künftiger Elektroautos des München. Anfang 2019 soll der neue Standort, an japanischen Herstellers Honda vollständig geladen sind. dem dann 200 Mitarbeiter beschäftigt sein sollen, Bis 2022 will der Autobauer E-Autos mit einer neuen Ak- eröffnet werden. „In den neuen Entwicklungslabo- kugeneration und einer Reichweite von 240 Kilometern auf ren und Anlagen forschen internationale Experten den Markt bringen – und deren Ladezeit halbieren. Dafür an der Weiterentwicklung der Zellchemie und des arbeitet Honda an einer neuen Speichertechnologie, die Zelldesigns. Im Fokus steht dabei eine weitere Ver- ein „Ultraschnellladen“ ermöglichen soll. Statt wie bis- besserung bei Performance, Lebensdauer, Sicher- lang Batterien von Panasonic zu beziehen, will Honda die heit, dem Laden und nicht zuletzt den Kosten der Akkus zukünftig selbst fertigen. Die lange Ladezeit ist ein Batterien“, sagte BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Knackpunkt bei der Verbreitung der Elektromobilität. Aktu- Fröhlich bei der Grundsteinlegung. Derzeit entwi- ell können die leistungsfähigsten Schnellladegeräte einen ckelt BMW die fünfte Generation des E-Antriebs, bei Akku in etwa 30 Minuten auf rund 80 Prozent aufladen. der Elektromotor, Getriebe und Leistungselektronik Bislang hat Honda zwar noch kein E-Auto im Angebot, in einer Komponente zusammengefasst sind. 2021 doch es gibt den Elektroprototypen Urban EV Concept, der soll das System auf den Markt kommen. im nächsten Jahr auf den Markt kommen soll. 100 30 MINUTEN MILLIONEN M NUMBERS in der „Lichtdusche“ – das war ein Bestandteil eines Daimler-Forschungsprogramms, Parkbremsen hat der Automobilzulieferer ZF seit der Produktentwicklung vor mit dem die Auswirkungen von Lichteffekten auf die Konzentrationsfähigkeit und das 15 Jahren bis heute produziert. Damals präsentierte das Unternehmen einen Wohlbefinden von Lkw-Fahrern untersucht wurden. Der Test fand während des Win- Bremssattel mit elektrischem Aktuator – ein so genanntes Motor-on-Cali- ters in Finnland statt; acht Trucker fuhren je eine Woche in einem normalen Lkw und per-System. „Die Technologie wirkt mittlerweile in vielen Fahrzeugen und in einem Lastwagen mit einem „Daylight +“ genannten Lichtkonzept. Dabei simuliert deckt nahezu alle Segmente ab, von Kleinwagen bis hin zu SUVs, Pick-ups und ein Lichtwecker den Sonnenaufgang beim Aufwachen des Fahrers in der Lkw-Koje, die leichten Nutzfahrzeugen“, sagt Manfred Meyer, Senior Vice President Braking Lichtdusche „badet“ den Fahrer 30 Minuten lang in künstlichem Tageslicht und es gibt Engineering bei ZF. Ursprünglich wurde die Parkbremse in Koblenz entwickelt eine sogenannte Tageslichtergänzung während der Fahrt im Führerhaus. Resultat der und dort auch erstmals produziert. Inzwischen läuft das Produkt auch bei ZF Tests: Während der Woche mit der speziellen Innenraumbeleuchtung waren alle Test- in China, Nord- und Südamerika sowie seit kurzem auch in Indien vom Band. fahrer aufmerksamer als im Referenz-Lkw ohne Spezialbeleuchtung. Die Zeit, in der die Dank der elektrischen Parkbremse entfällt das konventionelle Seilzugsystem Fahrer unaufmerksam am Steuer saßen, verringerte sich pro Tag von durchschnittlich inklusive des Handbremshebels. Stattdessen wird die Parkbremse per Knopf- 44 auf 18 Minuten. druck aktiviert. 457,53 km/h – so schnell raste der schwedische Rennfahrer Niklas Lilja mit einem 1360 PS starken Koenigsegg Agera RS auf einem gesperrten Abschnitt des Highways Nr. 160 in US-Bundestaat Nevada. Im ersten Durchlauf erreichte Lilja eine Höchstgeschwin- digkeit von 436,45 km/h, im zweiten Versuch waren es 457,53 km/h. Damit lag das Mittel zwischen beiden Messwerten bei 447,23 km/h. Genug, um den bisherigen © BMW; Honda; Koenigsegg; Mercedes; ZF Weltrekord für Seriensportwagen des Bugatti Veyron Super Sports zu knacken, der 2010 ein Tempo von 431 km/h erreicht hatte. Zuvor hatte der Koenigsegg bereits den Sprintrekord von 0 auf 400 km/h gebrochen, und zwar auf einem Flugplatz im däni- schen Vandel. Dort gelang der Spurt von 0 auf Tempo 400 und wieder zurück bis zum Stillstand in 36,44 Sekunden. Das war rund fünfeinhalb Sekunden schneller als die bisherige Bestmarke, aufgestellt im vergangenen Herbst mit einem Bugatti Veyron. Der nächste Rekordversuch ist schon geplant: Koenigsegg will eine Bestzeit auf der Nürburgring-Nordschleife aufstellen. MOBILITYWORLD MOBILITY WORLD//1.18 1.18 77
DAS AUTO LENKT – UND DENKT? Um autonom zu fahren, müssen Bordcomputer im Auto enorme Rechenleistungen bewältigen. Helfen sollen dabei lernfähige Computerchips. Toyotas Concept-i: M REPORT eine Studie zur künstlichen Intelligenz. // Lässt sich menschliches Denken automatisieren? Lassen sich intelligente Ma- werden sich Märkte für neue Hard- und Softwareentwicklungen auftun. Bis zum schinen schaffen? Das Thema „künstliche Intelligenz“ fasziniert die Menschheit seit Jahr 2030 wird, so heißt es bei Fraunhofer, ein Marktpotential für Hardware von 40 Jahrzehnten, da reicht ein Blick in die Film- und Literaturgeschichte: Mit „Fran- Milliarden Dollar und für Software von 20 Milliarden Dollar prognostiziert. kenstein“ stolperte schon Anfang des 19. Jahrhunderts ein künstlich geschaffener Mensch durch die Bücherwelt – und später durch diverse Filmadaptionen. Der Dabei wird klar: Die Zukunft der Automobilindustrie hängt vom Know-how der polnische Science-Fiction-Autor Stanislaw Lem sagte bereits in den sechziger Jah- Chiphersteller ab – denn die stellen die Rechenpower zur Verfügung, ohne die ren des vergangenen Jahrhunderts spätere Errungenschaften wie das Internet und komplexe Funktionen wie etwa das autonome Fahren nicht denkbar sind. Auch intelligente Roboter vorher. Und nicht zuletzt Hollywood-Meister wie George Lucas Bosch arbeitet dabei mit dem Chiphersteller Nvidia zusammen. Nvidia soll einen schufen intelligente Mikrochiplegenden wie etwa den „Star Wars“-Roboter und Chip liefern, auf dem die mit maschinellen Lernverfahren erzeugten Algorithmen Besserwisser C-3PO. Doch längst haben intelligente Maschinen die Welt der Scien- für die Fahrzeugbewegung gespeichert sind. Der intelligente Autocomputer soll ce Fiction verlassen. Lernfähige Computerchips bestimmen heute viele Bereiche spätestens Anfang der kommenden Dekade in Serie gehen, heißt es. des Lebens: bei Internetsuchmaschinen wie Google, im WhatsApp-Programm des Handys, in der Medizin bei der Früherkennung von Krankheiten oder im Sprach- CHIPS FÜR 1000 DOLLAR PRO AUTO? erkennungssystem Alexa von Amazon. Und jetzt auch im Auto. Auch Reinhard Ploss, Chef des Chipproduzenten Infineon, sagt einen signifikanten Anstieg verbauter Hochleistungschips im Auto von morgen voraus: „Wir rechnen NEUE MÄRKTE FÜR INTELLIGENTE SOFTWARE damit, dass für ein autonomes Auto noch einmal 500 bis 700 Dollar on top kom- Die meisten großen Autohersteller und Zulieferer forschen an Systemen, die das men. Das kann in Einzelfällen je nach Fahrzeug bis 1000 Dollar hochgehen. Zur- Auto intelligent machen sollen. VW will ein Cockpit entwickeln, das mit Hilfe zeit liegen wir im Schnitt bei 330 Dollar pro Fahrzeug.“ Das Unternehmen setzt in künstlicher Intelligenz operiert. Mercedes und Audi arbeiten an Prototypen von Zukunft klar auf die Automobilindustrie als Wachstumsbranche: „Die Hälfte des Fahrzeugen, deren Computer lernfähig sind. ZF und Bosch entwickeln komplexe prognostizierten Wachstums in unserem Autobereich kommt aus den Bereichen Steuerungssysteme mit künstlicher Intelligenz. „Wir bringen dem Auto bei, sich E-Mobilität sowie Fahrerassistenzsysteme beziehungsweise autonomes Fahren“, selbständig durch den Straßenverkehr zu bewegen“, sagt Bosch-Chef Volkmar so Ploss. Auch Konkurrent Nvidia orientiert sich klar in Richtung Automobil. Denner. „Künstliche Intelligenz ist der Schlüssel dazu. In zehn Jahren sind Jen-Hsun Huang, Nvidia-Chef, verkündete vergangenes Jahr auf der Consumer Bosch-Produkte ohne künstliche Intelligenz kaum mehr denkbar.“ Autonomes Fah- Electronics Show (CES) in Las Vegas gleich sieben neue Kooperationen mit Her- ren ist einer der primären Trends der Mobilität und ein Zukunftsmarkt mit enor- stellern und Zulieferern aus der Autobranche. So soll unter anderem mit ZF ein mem Entwicklungspotential, sagt auch eine Studie der Fraunhofer-Gesellschaft. Supercomputer fürs Auto entwickelt werden, der viele einzelne Steuerungssysteme Der globale Markt für teilautonome Fahrzeuge soll 2025 rund 36 Milliarden Dollar, ersetzen soll, der Sprach- und Gesichtserkennung abdeckt und sogar Lippenlesen und für fahrerlose Fahrzeuge acht Milliarden Dollar erreichen. Zwischen 2014 und kann. Da wächst jetzt zusammen, was künftig zusammengehört. „Man kann auf 2035 wird in der weltweiten Produktion voll- und teilautomatisierter Fahrzeuge der Welt gar nicht so viel programmieren, dass es zum Management des täglichen ein Sprung von 0,6 Millionen auf 10 Millionen Exemplare bei Premiumfahrzeugen Verkehrs reicht. Der einzige Ausweg besteht im Einsatz künstlicher Intelligenz“, und bei Volumenfahrzeugen von 0 auf 38 Millionen Stück erwartet. Entsprechend sagt etwa Scott Keogh, US-Chef von Audi. Künstliche Intelligenz (kurz: KI) ist eine 8 MOBILITY WORLD / 1.18
Auch Zulieferer Bosch testet Systeme mit künstlicher Intelligenz (großes Foto sowie kleines Foto). Audi (weißes Auto) hat ebenfalls einen Prototypen am Start. Schlüsseltechnologie für das pilotierte Fahren, heißt es in Ingolstadt. Audi baut Autos“. Künstliche Intelligenz werde im Auto der Zukunft eine zentrale Rolle ein- sich gemeinsam mit Partnern aus der Elektronikbranche entscheidendes Know- nehmen. Im Cockpit zum Beispiel „müssen Sie oft noch sieben, acht Tasten drü- how im Bereich Machine Learning auf. Auf der CES etwa zeigte die Marke 2017 cken, bis im In-Car-Entertainment-System der gewünschte Menüpunkt erreicht ein pilotiert fahrendes Konzeptauto, das in Zusammenarbeit mit Nvidia entstanden ist“, so Jungwirth. „Das wollen wir auf einen reduzieren – wenn überhaupt.“ Das ist: ein „Q7 deep learning concept“-Fahrzeug, das mit einem Steuergerät ausge- Auto der Zukunft, ausgestattet mit einem zentralen Computer und intelligenten stattet war, dessen Leistungsfähigkeit speziell auf Anwendungen des pilotierten Hochleistungschips, soll die Mimik des Fahrers erkennen, seine Laune und sein Fahrens zugeschnitten war. Als Kern der Software dienen tiefe neuronale Netze, Ziel und daraus, in Kombination mit Positionsdaten und Fahrverhalten, die beste die Experten von Audi und Nvidia auf das selbständige Fahren und die Erken- Strecke auswählen. „Früher war der Motor das Herz des Autos“, sagt Jungwirth. nung dynamischer Verkehrsregelungshinweise trainiert haben. Zu Beginn hat der „Bald wird es das autonome Fahrsystem sein.“ Audi-Prototyp bei mehreren Fahrten mit einem menschlichen Fahrer am Steuer den Kurs mit Hilfe zusätzlicher Trainingskameras durch Beobachtung kennenge- AUTOINDUSTRIE SUCHT HILFE BEI UNIVERSITÄTEN M REPORT lernt. Dadurch wird ein Zusammenhang zwischen Reaktionen des Fahrers und von Dafür ist künstliche Intelligenz die Voraussetzung. Weil Grundlagenforschung sehr den Kameras erkannten Ereignissen hergestellt. So versteht das Auto während der komplex ist, gehen Autohersteller Partnerschaften mit Universitäten ein. Toyota ko- späteren Demonstrationsfahrten Anweisungen wie ein temporäres Verkehrssignal, operiert mit der Universität Stanford, finanziert dort ein Institut, das an künstlicher kann sie direkt interpretieren und situativ handeln. Intelligenz forscht. Audi wiederum kooperiert mit der Universität Linz in Österreich. Dort lehrt mit Professor Sepp Hochreiter einer der weltweit wichtigsten Forscher INTELLIGENTE SOFTWARE ZUR KUNDENBINDUNG auf diesem Gebiet. 2016 haben die beiden Partner ein erstes gemeinsames Pro- Dahinter stehen harte Marktanforderungen, Stichwort „Kundenbindung“. Denn jekt erfolgreich abgeschlossen. „Es steckt noch enormes Potential im Einsatz von fast zwei Drittel aller Autokäufer, die im Rahmen einer Studie der Unternehmens- KI-Methoden für selbstfahrende Autos, die nicht nur Spracherkennung ermögli- beratung McKinsey in Deutschland, den USA und China befragt wurden, würden chen, sondern sogar Absichten und Wünsche der Passagiere vorhersehen und dar- aufgrund eines besseren Angebots an künstlicher Intelligenz die Marke wechseln. auf regieren“, sagt Hochreiter. „Dank künstlicher Intelligenz wird sich der Fahrer in Der Studie zufolge wurden in den vergangenen sieben Jahren seitens der Industrie seinem Auto in Zukunft wohler fühlen als in seinem eigenen Wohnzimmer. Schon über 51 Milliarden US-Dollar in das Thema KI investiert – meist durch Übernahmen jetzt kann künstliche Intelligenz Verkehrszeichen besser erkennen als ein Mensch“, von Start-ups. 13,6 Milliarden US-Dollar davon entfallen auf Ausgaben für Infotain- erklärt Hochreiter. Dennoch müssen die Systeme dem Forscher zufolge noch viel ment und Connectivity, der Großteil von 33,5 Milliarden Dollar auf das autonome lernen – etwa zwischen wichtigen und unwichtigen Dingen zu unterscheiden und Fahren. so die Aufmerksamkeit gezielt auf potentielle Gefahren im Straßenverkehr zu len- ken. Dazu muss die künstliche Intelligenz in die Welt hinaus, um Erfahrungen zu Deshalb arbeitet die Branche mit Hochdruck an intelligenten Fahrzeugen. „Die machen oder, wie Hochreiter es ausdrückt: „In Zukunft werden es die Autos selbst nächsten drei, vier Jahre werden entscheidend sein“, sagt etwa Johann Jungwirth, sein, die den Führerschein machen.“ // Chief Digital Officer von Volkswagen. Es spricht sogar von „der Neuerfindung des KÜNSTLICHE INTELLIGENZ Sie soll Computern das eigenständige Bearbeiten von Problemen ermöglichen. Dafür werden so genannte neuronale Netzwerke geschaffen, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden sind. So wie der Mensch, wenn er etwas Neues lernt, das Netzwerk aus Nervenzellen im Ge- © Robert Bosch GmbH; Toyota; AUDI AG hirn umstrukturiert, so müssen auch künstliche neuronale Netzwerke zunächst eine Lernphase durchmachen, bevor sie ihren eigentlichen Zweck erfüllen können. Ist ein solches Netzwerk aus mehreren Ebenen aufgebaut, spricht man von Deep Learning. Dabei werden Informationen von einer Eingabe, etwa den einzelnen Pixeln eines Bildes, Schicht für Schicht weiterverarbeitet, bis in der höchsten Ebene schließlich die Ausgabe erfolgt und das Programm verkündet, was es auf dem Bild zu erkennen glaubt. MOBILITY WORLD / 1.18 9
WELT OHNE STAU? Werden autonom fahrende und vernetzte Autos noch im Stau stehen? Stauforscher Prof. Michael Schreckenberg wagt in Mobility World eine Verkehrsvorhersage für die Zukunft. M INTERVIEW 10 MOBILITY WORLD / 1.18
ZUR PERSON PROF. DR. MICHAEL SCHRECKENBERG ist Stauforscher an der Universität Duisburg-Essen und Inhaber des Lehrstuhls für Physik von Transport und Verkehr. Er studierte Theoretische Physik an der Univer- sität Köln, an der er 1985 in Statistischer Physik promo- vierte. 1992 veröffentlichte er gemeinsam mit Kai Nagel das „Nagel-Schreckenberg-Modell“: der Beginn der modernen Stauforschung. Das Modell ist das bis heute weltweit meistzitierte Werk der Verkehrswissenschaften. 25 Jahre später arbeitet Schreckenberg, Jahrgang 1956, an der Modellierung, Simulation und Optimierung von Transportsystemen in großen Netzwerken, besonders dem Straßenverkehr. // Herr Prof. Schreckenberg, jeder Deutsche steht im Jahr durchschnittlich 2,4 Prof. Michael Schreckenberg: Das würde das Grundverständnis von Verkehr ad Tage im Stau – für die meisten ist jede Minute davon eine zu viel. Was aber fas- absurdum führen. Fahren sie mal mit 30 km/h von Hamburg nach München, da M INTERVIEW ziniert Sie seit 25 Jahren so am Stau? werden sie ganz schnell sagen: So habe ich mir das aber nicht vorgestellt mit dem Prof. Michael Schreckenberg: Stau ist ein universelles Phänomen, das überall auf- autonomen Fahren! Nein, diese Vorstellungen von der Zukunft des Individualver- tritt, nicht nur auf der Straße: Wir haben Stau im Internet und an der Kasse im kehrs sind abstrus. Supermarkt. Im Tierreich drängelt und staut man sich am Wasserloch. In unseren Adern stauen sich die Blutkörperchen. Stau ist allgegenwärtig. Interessant wird es, Jan Schönig, Direktor für Urban Development bei Siemens, sagte unlängst, er wenn man den Stau auf der Straße berechenbar macht. Damit haben wir vor 25 glaube nicht an Staus in der automobilen Zukunft. Er meint, die Wahl des Ver- Jahren angefangen und sind heute längst noch nicht am Ende. Man kann den Stau kehrsmittels sei eine Komfortentscheidung, deshalb müsse man andere Kombi- verstehen lernen. Man kann ihn aber nicht gänzlich verhindern. nationen von Verkehrsmitteln so komfortabel wie möglich gestalten, etwa das Carsharing. Das klingt plausibel: weniger Autos, weniger Stau. Ist das so? Viele Technologietrends zielen doch darauf ab, Verkehrsstaus zu mini- Prof. Michael Schreckenberg: Carsharing ist bisher keine Erfolgsstory. Damit ver- mieren: autonomes Fahren, Car-to-Car-Kommunikation, Navigationsassistenten, … dient bisher niemand auch nur einen Cent, die Autos stehen 23 Stunden am Tag Prof. Michael Schreckenberg: Die Vorzüge von Navigationsgeräten hinsichtlich still. Diese Fahrzeuge verschlimmern den Verkehr in der Stadt nur noch, weil sie Verkehrsstaus haben sich erledigt, weil fast alle Menschen ein Smartphone mit Parkraum wegnehmen. Oder irgendwo im Parkverbot abgestellt werden. Denn Google Maps haben. Der Vorschlag des Navis für eine Umgehungsstrecke ist wert- wenn das Auto nicht das eigene Eigentum ist, dann behandeln die Leute das los, wenn alle Fahrer den gleichen Vorschlag befolgen. Auch bei den anderen Fahrzeug mitunter sehr vernachlässigend. Trends, dem autonomen Fahren und der Fahrzeugvernetzung, bin ich skeptisch hinsichtlich der Stauvermeidung. Das Problem ist: Wir werden eine lange Pha- Aber wenn sich mehr Menschen ein Auto teilen, verringert sich der Verkehr. se des Übergangs haben, bevor der Verkehr nur noch aus autonomen, vernetz- Prof. Michael Schreckenberg: Carsharing nutzen heute hauptsächlich Leute, die ten Autos besteht. Wie dieser Mischverkehr aus Fahrzeugen mit verschiedenen sowieso ein Auto haben. Dadurch vermindert man nicht die Menge der Autos in Technologiestandards zu organisieren ist, da gibt es bisher keine schlüssigen der Stadt. Das ist eine zu romantische Vorstellung der Zukunft. Wenn man sich Konzepte. Was bringt es, wenn ihr Auto vernetzt ist, die anderen am Stauende anschaut, wie attraktiv oder ehrlich gesagt unattraktiv der öffentliche Nah- und hinter der Kurve aber noch nicht? Da fahren sie trotzdem in den Stau hinein. Fernverkehr heute ist, dann sehe ich dort einen vielversprechenden Ansatz. Wir werden versuchen müssen, den öffentlichen Verkehr zu beschleunigen. So dass Wenn aber irgendwann alle Autos autonom und vernetzt fahren, bedeutet das die erwähnte Komfortentscheidung bei der Wahl des Verkehrsmittels eben nicht dann das Ende des Staus? automatisch das Auto favorisiert. Prof. Michael Schreckenberg: Wenn wir alle autonom fahren, dann wäre das wie eine Eisenbahn. Da fahren die Fahrzeuge in einer Kolonne wie Waggons hinter- Dauert es vielleicht einfach noch ein paar Jahre, bis eine neue Mobilitätsgeneration einander. Auch dann gäbe es Stau. Der entsteht immer, wenn zu viele Autos auf die Entscheidungen fällt? Für junge Menschen ist das eigene Auto schon heute kein derselben Strecke fahren. Vielleicht haben wir keinen Stau mehr auf der Autobahn, Muss mehr. wo die autonome Fahrzeugkolonne wie ein Eisenbahnzug von A nach B rollt. Der Prof. Michael Schreckenberg: Mein ältester Sohn zum Beispiel ist 29 Jahre alt und Stau entstünde dann an den Engstellen, an den Autobahnzufahrten zum Beispiel, lebt in Berlin. Er arbeitet im Verkehrsausschuss der Bundesregierung und hat sein wo man sich in die Kolonne einfädelt. Auto abgeschafft. In Berlin ein Auto zu benutzen macht keinen Sinn. Mit dem Fahr- © Fotolia: eyetronic rad, der Bahn und zu Fuß – so bewegt man sich in Großstädten. Sie haben Recht: Es gibt Überlegungen, in der Übergangsphase auf Autobahnen eine Fahrspur für Junge Menschen wollen Autos oft nicht mehr besitzen. Was bedeutet das aber? Will autonome Autos zu reservieren. Wenn man das Tempo drosseln würde, hätten bald keiner mehr im Auto sitzen? Kommen vielleicht doch Carsharing-Modelle, die mehr Fahrzeuge Platz, wegen des reduzierten Sicherheitsabstands. Sinn machen und ihren Betreibern Geld einbringen? Schwierige Fragen. MOBILITY WORLD / 1.18 11
In den nächsten 10 bis 15 Jahren werden allein in China 350 Millionen Menschen stehen, das merken Sie ganz schnell von selbst, wenn es nicht weitergeht. Sie wollen in die Städte ziehen. Das würde den Kollaps der individuellen Motorisierung wissen, wann Sie ankommen. Sie wollen planen können. Wenn ich mit der Bahn bedeuten. fahre, plane ich, wann ich wo ankomme. Das muss für alle Mobilitätsdienstleistungen Prof. Michael Schreckenberg: Richtig. Die Hauptthemen, die uns in den nächsten machbar sein. Jahren beschäftigen werden, sind nicht autonomes Fahren oder Elektroantriebe. Nein, zum einen wird es ums Baustellenmanagement gehen, weil wir sehr viele Sie sagen, man könne von Tieren lernen, Staus zu vermeiden. Ameisen seien sogar Sanierungsmaßnahmen vor uns haben und den Verkehr entsprechend umleiten ohne Stammhirn in der Lage, Staus gar nicht erst entstehen zu lassen. müssen. Und zum anderen: die Bahn. Der Schienenverkehr muss attraktiver wer- Prof. Michael Schreckenberg: Ameisen sind kooperativ. Ihnen ist das eigene Voran- den. Warum nicht kostenlos? Überhaupt der ganze öffentliche Nah- und Fernver- kommen nicht wichtiger als der allgemeine Verkehrsfluss. Der Mensch im Verkehr ist kehr: kostenlos. Denn dass wir alle irgendwann mit dem Fahrrad fahren, und sei allerdings nicht kooperativ. Er versucht immer, schneller zu sein als die anderen. Das M INTERVIEW es nur auf einer Teilstrecke einer neuen Mobilitätskette, das sehe ich nicht. Nicht ist die menschliche Psyche. Fährt man autonom, wird das Problem ans Computerpro- bei dem Wetter in Deutschland. gramm abgegeben. Aber auch da werden wir in der Zukunft Computerprogramme haben, die gegeneinander arbeiten. BMW, Daimler und VW haben dann womöglich An Ihrem Lehrstuhl erforschen Sie im Projekt MEC-View die Verkehrsflüsse auto- jeweils andere Programme, die versuchen, sich gegenseitig auszutricksen. Das Sze- nom fahrender Autos in Städten. Was genau finden Sie heraus? nario, dass wir zukünftig alle total relaxed hintereinander herfahren, das sehe ich Prof. Michael Schreckenberg: Unsere These ist einfach: Autos können mit ihrer eige- nicht. nen Sensorik nicht alles überblicken. Da wir so schnell keine komplette Vernetzung aller Fahrzeuge untereinander haben werden, nehmen wir Kameras zum Beispiel an Wenn Sie im Auto im Stau stehen: Was lernen Sie dabei? Laternenmasten zu Hilfe, die Kreuzungsbereiche überwachen und den Fahrern ver- Prof. Michael Schreckenberg: Zwei Aspekte sind für mich interessant. Warum über- mitteln können, dass ein Auto von der Seite naht. Das vernetzte Fahren fällt derzeit haupt ist hier jetzt ein Stau? Es gibt ja viele Gründe, warum sich Verkehrsstaus bilden. in den Bereich Science Fiction. Mit diesen Kameras aber können wir sofort anfangen. Und das menschliche Verhalten. Ich bin zum Beispiel öfters im Stadion von Borussia Mönchengladbach. Da befindet sich in der Nähe eine Baustelle – und es gibt immer Das wäre ein Puzzleteil, den innerstädtischen Verkehrsfluss zu begünstigen? Stau. Und zwar nur, weil die Menschen im Baustellenbereich zu stark abbremsen. Prof. Michael Schreckenberg: Zunächst einmal ein Puzzleteil, um den Verkehr siche- Dann werden die Spuren gewechselt, weil man meint, die andere Spur ist immer die rer zu machen. Der wichtigste Punkt ist Sicherheit. Wir müssen realistisch sein. Auto- schnellere. Autofahrer denken immer nach vorne – das führt dazu, dass nach hinten nomes Fahren macht den Verkehr nicht flüssiger. Wenn Sie alle Verkehrsregeln ein- Stauwellen entstehen. Das Abbremsen schaukelt sich hoch bis zum Stillstand, weil halten, und darauf wären die Autos ja programmiert, sind Sie ein Verkehrshindernis. jedes nachfolgende Auto etwas langsamer ist als das vor ihm fahrende. Das ist dann Fahren Sie mal stur mit Tempo 50 in der Stadt. Da bekommen Sie viele neue Freunde. der „Stau aus dem Nichts“. Sie haben in einem Fernsehinterview einmal eine so genannte Humanizer-Taste für Braucht der Mensch den Stau vielleicht einfach? Damit er sich am Steuer aufregt und autonom fahrende Autos ins Spiel gebracht, um eine realistische Fahrweise zu för- nicht am Abendbrottisch im Kreise der Liebsten? dern. Was meinten Sie damit? Prof. Michael Schreckenberg: Ich kenne tatsächlich Menschen, die finden Staus toll. Prof. Michael Schreckenberg: So eine Funktion würde bewirken, dass das Fahrzeug Da sind sie weit weg von der Familie und von den nervenden Kollegen. Die stehen sich eben nicht ganz korrekt verhält und man Strafzettel für Tempoüberschreitung im Stau und genießen die Ruhe. Es ist auch so: Wenn Sie in den Urlaub fahren und oder beim Überfahren einer durchgezogenen Linie riskiert. Wenn Sie alle Verkehrsre- nicht im Stau stehen, dann haben Sie irgendetwas falsch gemacht. Stau gehört zum geln einhalten, dann werden die anderen Menschen im Fahrzeug aggressiv. Außer- Gesamterlebnis. Er ist eine Art Ritus. Da entsteht auch eine Art Wir-Gefühl. Abends dem würde eine geschätzte Bußgeldhinterziehung pro Fahrer pro Jahr von mehreren bei der Tagesschau sagen Sie: Guck an, in dem Stau haben wir heute auch gestanden. hundert Euro entfallen. Dann gingen die Kommunen pleite hier im Ruhrgebiet. Unter Sicherheitsaspekten wäre so eine Funktion natürlich nicht durchsetzbar. Es war nur Dennoch wollen wir den Stauforscher fragen: Wie umgeht man den Urlaubsstau? © Fotolia: Kara; iStock: Wenjie Dong ein Gedankenspiel, um aufzuzeigen, mit welchen Faktoren wir uns in Zukunft ausei- Prof. Michael Schreckenberg: Ich persönlich fahre immer zu den Zeiten, vor denen nandersetzen müssen, psychologisch wie wirtschaftlich. am meisten gewarnt wird. Weil die Leute so abgeschreckt sind, dass dann keiner fährt. Samstagmorgens um 10 Uhr, das ist meine Zeit. Wenn der ADAC warnt, dann Wenn wir also auch in Zukunft mit Staus leben müssen: Welchen Vorteil hat dann das kommen Sie vermutlich locker durch. Das gilt aber nicht für die tägliche Rushhour. autonome Fahren – vom Zeitungslesen im Auto mal abgesehen? Wer um acht Uhr morgens durchs Ruhrgebiet fährt, der darf sich über einen Stau Prof. Michael Schreckenberg: Das Problem ist nicht der Stau. Der Trick ist: Wir müssen nicht wundern. // Stau und Mobilität planbar machen. Sie wollen ja nicht wissen, dass Sie im Stau 12 MOBILITY WORLD / 1.18
SCHAUM WIR MAL Thomas Müller und Marc Ritsche von M Plan Wolfsburg konstruierten ein extrem leichtes Bauteil für E-Fahrzeuge aus Aluminiumschaum. Auftraggeber war der Entwickler des neuen Materials, die pohltec metalfoam GmbH. ZU DEN PERSONEN MARC RITSCHE UND THOMAS MÜLLER freuten sich besonders über das Projekt mit dem neuen Werkstoff und die damit verbundene Pionierarbeit beim Einsatz neuer Materialien, etwa für Elektrofahrzeuge. Maschinenbauingenieur Ritsche (Foto links), 32, ist seit 2010 bei M Plan. Zuerst kooperierte er mit dem Unternehmen beim Verfassen seiner Bachelorarbeit im Bereich der Konzeptentwicklung, bevor er 2011 als Projektmitarbeiter fest einstieg. Thomas Müller, 35, ist seit 2009, seinerzeit ebenfalls als Bachelorstudent, bei M Plan. Zu den Schwerpunkten des Gruppenleiters gehört heute auch die Motorenvorentwicklung. M AT WORK // Es gibt sie immer wieder, diese Tage: Man kommt morgens ins Büro – und firma der Kölner Pohl-Gruppe, eines internationalen Spezialisten für Metallfassa- da wartet eine unerwartete Herausforderung. Ein neues Projekt, das Kreativität, den von Gebäuden. Unter anderem steuerte das Familienunternehmen, vor mehr Know-how und frisches Denken erfordert. Bei dem man neue Wege in einem an als 160 Jahren als kleine Schlosserei in Köln gegründet, Edelstahlelemente für sich bekannten Terrain erkunden muss. Beziehungsweise: darf. „Sehr, sehr span- die Außenkanten des One World Trade Centers in New York auf dem nend war das“, sagt Marc Ritsche, Fachteamleiter Konzept- und Karosserieentwick- Gelände der 2001 zerstörten Zwillingstürme bei. lung in der Niederlassung Wolfsburg von M Plan. Genau so einen Tag nämlich hat er im vergangenen Sommer erlebt. Ein neues Projekt war auf dem Schreibtisch DER AUTOHERSTELLER WAR BEGEISTERT des Maschinenbauingenieurs gelandet, eines von jener Sorte, bei dem man ein Für den möglichen Einsatz des Metallschaums im Automobil zwar kleines, aber feines Kapitel zur großen Geschichte der Automobilindustrie vertraut das Unternehmen nun auf den großen Erfahrungsschatz beisteuern darf. von M Plan bei der Bewertung, Berechnung, Erprobung und Kon- struktion neuer Materialien und Automotive-Bauteile. Automobilher- 25 PROZENT GEWICHTEINSPARUNG steller suchen heute immer nach Wegen, ihre Fahrzeuge leichter und so- Ein Unternehmen war an M Plan mit dem Auftrag herangetreten, die Möglichkeiten mit sparsamer zu gestalten. In Zeiten der Elektrifizierung des Antriebsstrangs eines neuen Materials für den Einsatz im Automobil zu untersuchen. Die pohltec kommt der Gewichtsreduzierung einzelner Bauteile eine noch wichtigere Rolle metalfoam GmbH hatte ein Verfahren entwickelt, Aluminium so aufzuschäumen zu. In Kooperation mit der Niederlassung Wolfsburg wurde dieses Material einigen und zwischen zwei ebenfalls aus Aluminium bestehenden Deckellagen einzubet- Fachabteilungen beim Autohersteller vorgestellt. Das Interesse war so groß, dass ten, dass ein flächiger, blechförmiger und vor allem sehr leichter und zugleich pohltec metalfoam M Plan mit der Konstruktion und Berechnung eines Bauteils für außerordentlich stabiler Werkstoff entsteht. Bis zu 25 Prozent Gewichteinsparung eine neue Generation von Fahrzeugen beauftragt hat. Ziel des Projekts ist es, den sind möglich, bei deutlich gesteigerter Festigkeit im Vergleich zu Produkten aus OEM nicht nur durch theoretische Kennzahlen des Materials, sondern durch ein Edelstahl oder herkömmlichem Aluminium. Die Deckschichten sind metallisch, das auskonstruiertes, berechnetes Bauteil zu überzeugen. „Die Ergebnisse waren so heißt ohne Klebemittel mit der Kernschicht verbunden. Es können sowohl ebene positiv, dass nun über den konkreten Einsatz unseres Bauteils nachgedacht wird“, als auch komplex geformte Sandwichstrukturen hergestellt werden. Nun sollte bei erzählt Marc Ritsche, der das Projekt in Zusammenarbeit mit Thomas Müller, Grup- M Plan herausgefunden werden, ob das so genannte AFS-Material aus Aluhart- penleiter bei M Plan in Wolfsburg, realisierte. Auch bei der Pohl-Gruppe setzt man schaum (Aluminium Foam Sandwich) sich für einen speziellen Einsatz im Um- große Hoffnungen in das neue Produkt. „Das könnte für uns der Werkstoff der feld des Elektroantriebs eines großen deutschen Autoherstellers eignen würde. Zukunft werden“, so Firmenchef Heinrich Robert Pohl. // Das Besondere an diesem Auftrag: pohltec metalfoam ist eine recht junge Tochter- MOBILITY WORLD / 1.18 13
SCHÜLERSTREICH 4.0 Zwei junge Münchner entwickelten ein bezahlbares Elektroauto, das mit Sonnenenergie fährt. Ihr Start-up-Unternehmen Sono Motors schafft, was BMW, VW & Co. bislang nicht gelingt. M VIEW // Wie es sich für eine gute Start-up-Story gehört, beginnt diese Geschichte in Das ist ein ganz anderer Ansatz, als Tesla oder andere ihn haben. Wir wollen einer Garage. Dort schraubten die Gymnasiasten Laurin Hahn und Jona Christians Elektromobilität nicht nur für die Oberklasse, sondern wir wollen Elektromobilität nach Schulschluss an einem Projekt herum, von dem niemand etwas erfahren für alle – erschwinglich und alltagstauglich.“ sollte. Zunächst jedenfalls nicht – selbst Jonas Eltern, Besitzer der Garage am Stadtrand von München, durften nicht hinein. „Wir wollten uns erst selbst be- OEM DANK CROWDFUNDING weisen, dass es funktioniert. Unsere Vision war ja, ein Elektrofahrzeug zu bauen, Das Rezept ging auf. Das Resultat des jugend- das wirklich alltagstauglich ist“, erklärt Laurin Hahn heute. Das war natürlich lichen Unternehmergeistes steht heute tatsäch- ein gewaltiges Vorhaben, zumal für zwei 18-Jährige, die seinerzeit hauptberuf- lich auf vier Rädern, kann fahren, Strom aus lich gerade an ihrem Abitur an einer Münchner Waldorfschule schraubten. Ein Sonnenenergie erzeugen, lockt Investoren an Elektroauto bauen, das eine hohe Reichweite hat, leicht zu laden ist und zudem und heißt Sion. Aus den beiden Schülern sind noch günstig sein würde? Verzweifeln an dieser Aufgabe nicht schon die großen zwei Mitzwanziger geworden, aus der elterli- Autohersteller? chen Garage ein Münchner Start-up-Unter- nehmen namens Sono Motors, Gründungsjahr: Das störte die beiden nicht. Sie verschwanden jeden Tag in ihrer Garage und bas- 2016. Und wie es sich für eine wirklich gute Start-up-Story des 21. Jahrhunderts telten im Geheimen an dem, was heute eines der spannendsten Start-up-Projekte gehört, spielt auch Crowdfunding eine wesentliche Rolle dabei. Und die WG der der deutschen Automobilindustrie ist: einem Elektroauto, dessen Motor zum Teil beiden früheren Schulfreunde. Denn dort diskutierten sie am Abend mit ihrer mit Sonnenenergie läuft. Und zwar mit Strom, den das Auto selbst produziert – Mitbewohnerin Navina Pernsteiner, einer Grafikdesignerin, das Thema nachhal- mit knapp acht Quadratmetern Solarzellen, die in die Karosserie integriert sind. tige Mobilität. Sie brachte die beiden E-Auto-Entwickler dazu, das ganze Projekt „Man hört eigentlich überall: ‚Elektroauto ist toll, das ist die Zukunft.‘ Aber dann mit Hilfe einer Crowdfunding-Kampagne zu realisieren. Anfangs hatten die So- kommen die drei großen Einschränkungen: der hohe Preis, die geringe Reich- larpioniere noch einen gebrauchten Twingo zum Sonnenenergie-Elektrofahrzeug weite und die fehlende Ladeinfrastruktur“, sagt Laurin Hahn. „Also haben wir umgebaut. Für den großen Wurf, ein ganz eigenes Automodell, benötigten sie uns gefragt: Was müssen wir machen, um diese drei Probleme zu egalisieren? Kapital. Und das kam online herein: rund 850.000 Euro. Dank dieser Unterstüt- So kamen wir auf die Solarintegration, die das Auto selbst zum Teil der Ladein- zung und des dadurch hervorgerufenen Medienechos konnte das Trio – WG-Be- frastruktur werden lässt, zu einem kostengünstigen Modell für die breite Masse. wohnerin Pernsteiner übernahm die Disziplin Design – den nächsten Schritt 14 MOBILITY WORLD / 1.18
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