Bayerisches Zahnärzteblatt - Bayerisches Zahnärzteblatt

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Bayerisches Zahnärzteblatt - Bayerisches Zahnärzteblatt
56. Jahrgang - B 50499

7– 8/2019                                          Bayerisches Zahnärzteblatt

Schwerpunktthema
Digitale Zahnheilkunde
Digitales Vorgehen in
der Implantatchirurgie –
Effektive Unterstützung
im Behandlungsablauf

Gezielte Zuwanderung
Bundestag verabschiedet Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Ist uns das Symptom wichtiger als die Ursache?
Eine kritische Betrachtung zur Geschichte der Prävention

                                                                      www.bzb-online.de
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                                                                                           26.10.2019
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editorial

                                   Selbstverwaltung wirkt

                                   Liebe Kolleginnen
                                   und Kollegen,
Dr. Manfred Kinner
Mitglied des Vorstands der         niemand weiß derzeit, ob und wie lange          von Früherkennungsuntersuchungen für
Kassenzahnärztlichen Vereinigung
Bayerns                            die schwarz-rote Koalition in Berlin noch       Kleinkinder und nicht zuletzt die neue Ap-
                                   hält. Ich bin mir aber sicher: Es kommt         probationsordnung – all das sind Erfolge,
                                   nichts Besseres nach! Schwarz-Grün,             die die Selbstverwaltung für sich verbu-
                                   Grün-Schwarz, Grün-Rot-Rot – keines die-        chen kann. Ich versichere Ihnen: Wir nutzen
                                   ser Bündnisse würde die Verbesserung der        jeden noch so kleinen Spielraum, den uns
                                   zahnärztlichen Versorgung in den Mittel-        der Gesetzgeber lässt. Und wir unterstüt-
                                   punkt seiner politischen Arbeit stellen. Da-    zen Sie in Ihrer Praxis. Am 30. Juni endete
                                   für reicht ein Blick in die Parteiprogramme.­   für die meisten von Ihnen der Fünfjahres-
                                   Die Bürgerversicherung inklusive Ab-            zeitraum für die Erfüllung der Fortbildungs-
                                   schaffung der GOZ steht nach wie vor            pflicht. Wir haben dafür gesorgt, dass über
                                   auf der Agenda.                                 98 Prozent der bayerischen Vertragszahn-
                                        Derzeit können wir trotz des brachia-      ärzte den Nachweis an die KZVB geschickt
                                   len Politikstils von Jens Spahn kleine Er-      und damit Honorarkürzungen vermieden
                                   folge erzielen. Sicher, man kann und muss       haben. Dafür haben wir sogar eine bayern-
                                   vieles an seiner Politik kritisieren. Und das   weite Telefonaktion durchgeführt.
                                   tun wir als Ihre Standesvertretung auch.             Unser „Kerngeschäft“ ist und bleibt es
                                   Die mit gesetzgeberischer Gewalt durch-         aber, Sie bei der Abrechnung der erbrach-
                                   gedrückte Digitalisierung unseres Gesund-       ten Leistungen bestmöglich zu unterstüt-
                                   heitswesens lehnen viele Kolleginnen und        zen. Deshalb führen wir ab September
                                   Kollegen aus gutem Grund ab. Sie haben          wieder bayernweite Seminare für Zahn­
                                   prinzipielle Bedenken und sehen keinen          ärzte und vor allem auch das Praxisper-
                                   Nutzen in dem enormen Aufwand, den              sonal durch. Im Mittelpunkt steht dieses
                                   sie für den Anschluss an die Telematik­         Mal die Abrechnung von KCH-Leistungen.
                                   infrastruktur (TI) betreiben müssen. Doch       Wir geben Tipps, wie Sie Fehler vermeiden
                                   mitmachen müssen wir Zahnärzte halt             und den bürokratischen Aufwand so gering
                                   eben trotzdem. Auch wenn sich das viele         wie möglich halten können. Auch KZVB-
                                   wünschen, können wir die Entwicklung            intern haben wir Prozesse optimiert, um
                                   nicht mehr zurückdrehen. Die Weichen            die pünktliche und zuverlässige Honorar-­
                                   dafür wurden vor über zehn Jahren ge-           abrechnung sicherzustellen. Das Online-
                                   stellt. Jetzt geht es darum, den gläsernen      Formular unserer Beratungsstelle trägt dazu
                                   Zahnarzt und Patienten zu verhindern.           bei, dass wir Ihre Fragen schnell und präzise
                                        Noch haben wir die Selbstverwaltung        beantworten können. Lange Wartezeiten in
                                   im Gesundheitswesen. Und sie kann – ge-         der Telefonanlage bleiben Ihnen so erspart.
                                   rade in Bayern – etwas bewegen. Beispiele
                                   dafür gibt es genug. Die Abschaffung der        Ihr
                                   Degression, die Limitierungen für Zahn­
                                   medizinische Versorgungszentren, die Er-
                                   höhung der Festzuschüsse, die Ausweitung

BZB Juli/August 2019                                                                                                              3
Bayerisches Zahnärzteblatt - Bayerisches Zahnärzteblatt
inhalt
inhalt

         politik
         6	Ende einer Hängepartie
            Bundesrat stimmt Reform
            des Zahnmedizinstudiums zu
         7	3 Fragen an Prof. Dr. Reinhard Hickel
                                                                                                        6
         8	„Fremdkapitalfinanzierte MVZ tragen                                  Der Bundesrat beschloss
            nicht zur Versorgungsverbesserung bei“                               die „Verordnung zur Neu­
                                                                              regelung der zahnärztlichen
            Dr. Wolfgang Eßer über die Zukunft                                 Ausbildung“ und beendete
            der Berufsausübung                                                  damit eine schier endlose
                                                                                             Hängepartie.
         12	„Es bedarf weiterer Maßnahmen“
             Gastkommentar von Staatsministerin Melanie Huml
         13	Vertragsärzte müssen
             gleichberechtigte Partner sein
             KBV fordert mehr Mitsprache bei der Digitalisierung
                                                                          8

                                                                                                                                                           Abbildung: THANANIT/stock.adobe.com
         14	„Ärzte und Zahnärzte haften nicht
             für den Datenschutz“
             Bundesgesundheitsministerium hält
             Bedenken für ungerechtfertigt
         16	Der Trendpfeil zeigt nach oben
             Gesundheitswirtschaft mit Plus von 4,1 Prozent
         18	Stich ins Wespennest
                                                                       Angesichts der weltweiten Flaute auf den Finanzmärkten haben Berater speziell
             Länder wehren sich gegen Spahns                           die Zahnmedizin als regelrechtes „Eldorado“ für vermeintlich renditeträchtige und
             „Faire-Kassenwahl-Gesetz“                                 zugleich risikoarme Kapitalanlagen beworben.

         20	Konstruktiver Dialog
             FVDZ Bayern trifft Gesundheitsministerin
         21              0 Jahre Prophylaxe
                        6
                        Wissenschaftliches Programm
                        mit vielen Facetten
         26	„Gezielte und gesteuerte Zuwanderung“
             Bundestag verabschiedet                                                           18

                                                                                                                                                                                  Foto: Alekss/stock.adobe.com
                                                                         Mit dem Vorschlag, bislang
             Fachkräfteeinwanderungsgesetz
                                                                             regional tätige Kranken­

                                                                                  FutureDent
         28             I st uns das Symptom wichtiger                kassen bundesweit zu öffnen,
                                                                          stach Bundesgesundheits­
                         als die Ursache?                                minister Jens Spahn mitten
                         Eine kritische Betrachtung                               in ein Wespennest.
                         zur Geschichte der Prävention
         31   Nachrichten aus Brüssel
         32	Schwerer Schlag für Landkrankenhäuser
             Honorarärzte unterliegen laut BSG-Urteil
             der Sozialversicherungspflicht
                                                                                                                                                           Foto: mintybear/stock.adobe.com

         34   Journal

         praxis
         35	GOZ aktuell                                              42
             Digitale Zahnheilkunde                                Der „FutureDent“-Kongress bietet Absolventen und Berufseinsteigern die Möglichkeit,
                                                                   sich umfassend über die Themen Karriere und Praxisgründung zu informieren.

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                                                                        DIE KARRIERE FESTBZBIMJuli/August
                                                                                                  BLICK   2019
                                                                        mit FutureDent – dem Kongress für junge Zahnmediziner und Praxisgründer.
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inhalt

                                                                                                        37           Prophylaxe ≥ PZR?
                                                                                                                     Übersicht über den Kongress
                                                                                                                     Zahnärztliches Personal
                                                                                                        38	„Wir wollen die Kinder begeistern“
                                                                                                            Interview zum „Tag der Zahngesundheit“ in Weiden
                                                                                                        40	Kinderschutz klappt nur mit Kooperation
                                                                                                            Staatsregierung setzt auf Zusammenarbeit

                                                                 Foto: Helder Almeida/stock.adobe.com
                                                                                                            von Medizinern und Behörden
                                                                                                        41	Die ärztliche Schweigepflicht hat Grenzen
                                                                                                        42	„FutureDent“ – Die Karriere fest im Blick
                                                                                                            Kongress für junge Zahnmediziner
                                                                                                            und Praxisgründer in München
                                                                                                        47	Online-News der BLZK
                                                                                                        48	Was tun bei einem Notfall in der Praxis?
   50                                                                                                       Jährliches Training sorgt für Routine

                                                                                                        wissenschaft und fortbildung
                                                                                                        50	Digitales Vorgehen in der Implantatchirurgie
                                                                                                            Effektive Unterstützung im Behandlungsablauf
                                                                                                        56	Digitalisierung in aller Munde?
                                                                                                            Aktuelle Möglichkeiten in der Kieferorthopädie
                                                                                                        62	Implantate im Wachstumsalter
                                                                                                            Darf man das? Soll man das? Muss man das?
Ein Team um Priv.-Doz. Dr. Jörg Neugebauer zeigt, wie digitale
Vorgehensweisen in der Implantatchirurgie den Behandlungs­
ablauf effektiv unterstützen können.
                                                                                                        termine
                                                                                                        amtliche mitteilungen
                                                                                                        72   eazf Tipp
                                                                                                        73   eazf Fortbildungen
                                                                                                        75   Betriebswirtschaftliches Curriculum
                                                                                                        75   Veranstaltungskalender
                                                                                                        76 	Aufstiegsfortbildungen und Weiterqualifizierungen
                                                                                                             für Praxispersonal
                                                                                                        78   Niederlassungsseminare 2019
                                                         56                                             78   Praxisübergabeseminare 2019
Dr. Andreas M. W. Detterbeck und Prof. em. Dr. Ursula Hirschfelder                                      79   Ordentliche Vertreterversammlung der KZVB
informieren über die aktuellen Möglichkeiten der Digitalisierung
in der Kieferorthopädie.                                                                                79	Vorläufige Prüfungstermine für Aufstiegsfortbildungen
                                                                                                            2019/2020/2021
                                                                                                        80   Kassenänderung
Titelbild: panandrii/stock.adobe.com
In dieser Ausgabe finden Sie die einmal pro Quartal erscheinende                                        81   Rubrikanzeigen
Information des Verbandes Freier Berufe in Bayern e. V.
                                                                                                        82   Impressum
Das BZB 9/2019 mit dem Schwerpunkt Prophylaxe
erscheint am 16. September 2019.

BZB Juli/August 2019                                                                                                                                                    5
Bayerisches Zahnärzteblatt - Bayerisches Zahnärzteblatt
politik BLZK

                                                                                                                                             Foto: Helder Almeida/stock.adobe.com
      Ende einer Hängepartie
      Bundesrat stimmt Reform des Zahnmedizinstudiums zu

      Die seit 64 Jahren nahezu unver-               Reform auch die Weiterentwicklung der         Ausbildungsinhalte sowie die Stärkung des
      änderte­Approbationsordnung für                allgemeinen medizinischen Ausbildung          Strahlenschutzes und der wissenschaft­
      Zahnärzte (AO-Z) wird voraussicht-             umfassen sollte. Diese wiederum müsse         lichen Kompetenz der Studierenden.
      lich am 30. September 2020 in Rente            erst noch im Zuge des „Masterplans Medi-          Für Klarheit sorgte der Bundesrat auch
      gehen. Bei einer Plenarsitzung des             zinstudium 2020“ von Bund und Ländern         in puncto Gleichwertigkeitsprüfung für aus-
      Bundesrats beschlossen die Länder              ausgehandelt werden.                          ländische Zahnärzte. Die AO-Z legt nämlich
      die „Verordnung zur Neuregelung der                Für die Bundeszahnärztekammer und         nicht nur die Studienbedingungen fest,
      zahnärztlichen Ausbildung“ und been-           die 17 Zahnärztekammern der Länder ist        sondern wird in ihrer neuen Fassung auch
      deten damit eine schier endlose Hänge­         dieser Punkt der einzige Wermutstropfen       Verfahrensregeln für die Anerkennung aus-
      partie um die Reform der Studien­              im Freudenbecher. Gemeinsam wollen            ländischer Berufsabschlüsse beinhalten.
      ordnung. Der Verabschiedung ging               die Standesorganisationen nun erreichen,      Das hatte die Bundeszahnärztekammer
      ein erneuter Vorstoß Bayerns voraus.           dass die notwendigen Reformen des ers-        bereits im Entwurfsstadium gefordert.
                                                     ten Studienabschnitts in den Entwurf für
      Bayerns Gesundheitsministerin Melanie          den „Masterplan Medizinstudium 2020“
                                                                                                   Engel: „Gute Nachricht
      Huml hat ihr Versprechen gehalten. Beim        aufgenommen werden.
                                                                                                   für die Zahnmedizin“
      letzten Bayerischen Zahnärztetag im Ok-            Das Studienfach Zahnmedizin wird
      tober 2018 kündigte die CSU-Politikerin        sich künftig in einen vier Semester um-       Der Präsident der Bundeszahnärztekam-
      eine Initiative des Freistaats an, um doch     fassenden vorklinischen Teil und einen        mer, Dr. Peter Engel, begrüßte die Ent-
      noch eine Einigung über die zahnmedizi-        klinischen Abschnitt mit insgesamt sechs      scheidung des Bundesrats, die aus dem
      nische Ausbildungsordnung zu erzielen.         Semestern gliedern. Der vorklinische Teil     Jahr 1955 stammende Approbationsord-
      Jetzt war ein weiterer Vorstoß Humls von       endet mit dem „Ersten Abschnitt der Zahn-     nung endlich zu modernisieren. „Die Ver-
      Erfolg gekrönt: Am 7. Juni stimmte die         ärztlichen Prüfung“, die in der vorlesungs-
      Ländervertretung einer grundlegenden           freien Zeit stattfinden soll. Der klinische
      Reform des Zahnmedizinstudiums zu.             Abschnitt besteht aus zwei Semestern mit
                                                     standardisierten Ausbildungssituationen
                                                     am Phantomkopf und vier Semestern mit
      Korrekturen am
                                                     der Ausbildung am Patienten. Auch hier
      Kabinettsentwurf
                                                     folgen staatliche Prüfungen.
      So wie die Bundesregierung die Neufas-             Bei der praktischen Ausbildung soll
      sung vor zwei Jahren vorgelegt hatte, wird     das Zahlenverhältnis von Lehrenden und
      sie allerdings nicht in Kraft treten. Die im   Studierenden angepasst werden – im so-
      vorklinischen Abschnitt vorgesehene ge-        genannten Phantomkurs von 1 : 20 auf 1 : 15
      meinsame Ausbildung in den Studiengän-         und im Unterricht am Patienten von 1 : 6
                                                                                                                                                                                    Foto: BLZK

      gen Zahnmedizin und Humanmedizin fiel          auf 1 : 3. In einer begleitenden Resolution
      bei den Mitgliedern des Bundesrats durch.      warnt die Ländervertretung allerdings
      Damit bleibt es vorerst bei der getrennten     davor, dass kleinere Lerngruppen nicht zu     Beim Bayerischen Zahnärztetag 2018 versprach
                                                                                                   Gesundheitsministerin Melanie Huml, sich für
      Unterrichtung von Zahn- und Human­             einer geringeren Studienplatzkapazität füh-
                                                                                                   eine neue zahnärztliche Approbationsordnung
      medizinern. Ihre Ablehnung begründeten         ren dürfen. Weitere Kernpunkte der Reform     einzusetzen. Jetzt stimmte der Bundesrat der
      die Länder damit, dass eine grundlegende       sind die Neugewichtung der bisherigen         Studienreform zu.

6                                                                                                                         BZB Juli/August 2019
Bayerisches Zahnärzteblatt - Bayerisches Zahnärzteblatt
politik BLZK

                                      abschiedung der neuen Studienordnung            bayerischen Zahnärzte fordern seit Jahren       großem Engagement für eine neue Appro-
                                      ist längst überfällig. Dass die Aktualisie-     die Reform der Approbationsordnung. Jetzt       bationsordnung ein, so Berger.
                                      rung nun zeitnah erfolgen soll, ist eine sehr   sehen wir endlich Licht am Ende des Tun-
                                      gute Nachricht für die Zahnmedizin. Die         nels. Wir danken der bayerischen Gesund-
                                                                                                                                      Bundesregierung muss
                                      Rahmenbedingungen für die Hochschulen           heitsministerin Melanie Huml und ihrem
                                                                                                                                      noch grünes Licht geben
                                      entsprechen damit den aktuellen wissen-         Haus, die das Ringen um die Neugestaltung
                                      schaftlichen Anforderungen“, sagte er in        der zahnärztlichen Ausbildung mit großem        Nach der Veröffentlichung im Bundesanzei-
                                      einer ersten Reaktion.                          Einsatz unterstützt haben. Die erneute Ini­     ger werden die Rechtsnormen voraussicht-
                                                                                      tiative aus Bayern hat dazu geführt, dass       lich zum 1. Oktober 2020 wirksam. Zuvor
                                                                                      die Reform endlich kommt.“ In seinen Dank       ist noch einmal die Bundesregierung am
                                      Berger: „Licht am
                                                                                      schloss er Prof. Dr. Reinhard Hickel ein. Der   Zug: Das Kabinett muss den vom Bundesrat
                                      Ende des Tunnels“
                                                                                      Dekan der Medizinischen Fakultät und            eingebrachten Änderungen zustimmen, be-
                                      Auf Zustimmung stieß der Beschluss auch         Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung       vor die Hängepartie um die AO-Z endgültig
                                      beim Präsidenten der Bayerischen Landes-        und Parodontologie am Klinikum der LMU          beendet werden kann.
                                      zahnärztekammer, Christian Berger: „Die         München setze sich seit vielen Jahren mit                                 Thomas A. Seehuber
Abbildung: lznogood/stock.adobe.com

                                                          FRAGEN AN PROF. DR. REINHARD HICKEL

                                                                                                                                                                                   Foto: Klinikum der LMU München
                                          BZB: Herr Professor Hickel, Sie machen sich seit vielen Jahren für eine Reform
                                          der Approbationsordnung für Zahnärzte stark. Wie bewerten Sie die jetzt vom
                                          Bundesrat verabschiedete Novelle?
                                              Hickel: Die Schnelligkeit beim „Endspurt“, insbesondere bei der Erstellung
                                          des Maßgabebeschlusses, hat sicherlich alle überrascht, aber der politische Druck
                                          war groß. Die Verabschiedung im Bundesrat ist trotz etlicher Kompromisse ein ganz
                                          wichtiger Schritt. Dazu hat Bayern enorm viel beigetragen – sowohl das Gesund-               Prof. Dr. Reinhard Hickel ist Dekan der
                                          heits- und das Wissenschaftsministerium als auch die Bayerische Landeszahn­                  Medizinischen Fakultät und Direktor
                                                                                                                                       der Poliklinik für Zahnerhaltung und
                                          ärztekammer. Jetzt wird es entscheidend sein, wie die mit der neuen Approbations­            Parodontologie am Klinikum der LMU
                                          ordnung verbundene Kostenerhöhung finanziert wird, damit eine qualitativ                     München.
                                          hochwertige und moderne Lehre praktiziert werden kann.

                                          BZB: Gibt es Bereiche, in denen Sie Nachbesserungsbedarf sehen?
                                              Hickel: In den praktischen Kursen soll die Gruppengröße wie in der Medizin angepasst werden, damit – vor allem aus
                                          forensischen Gründen – bei der Behandlung am Patienten eine ausreichende Betreuungsrelation besteht. Hier ist darauf
                                          zu achten, dass die Stundenzahl aus Kostengründen nicht zu stark reduziert wird. Die Medizinanteile der Vorklinik wurden
                                          ja vor allem wegen der anstehenden Reform des Medizinstudiums im Rahmen des Masterplans 2020 erst einmal ausge-
                                          nommen und sollen dann im Zuge der Neustrukturierung der Approbationsordnung für Ärzte überarbeitet werden.

                                          BZB: Halten Sie es für realistisch, dass es im vorklinischen Abschnitt doch noch zu der ursprünglich geplanten gemein-
                                          samen Ausbildung angehender Zahn- und Humanmediziner kommt?
                                              Hickel: Leider steht noch nicht fest, ob in der Medizin der erste Teil des Staatsexamens nach dem vierten oder dem
                                          sechsten Semester abgeschlossen wird. Daher ist aus heutiger Sicht unklar, ob ein geplanter Gleichschritt mit der Medizin
                                          in den ersten vier Semestern überhaupt noch möglich sein wird. Unabhängig davon soll es aber mit der Fertigstellung
                                          des Masterplans und der Approbationsordnung für Ärzte auch im vorklinischen Abschnitt des Zahnmedizinstudiums eine
                                          Aktualisierung der medizinischen Teile geben.

                                                                                                                                         Die Fragen stellte Thomas A. Seehuber.

                                      BZB Juli/August 2019                                                                                                                                                         7
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      „Fremdkapitalfinanzierte
      MVZ tragen nicht zur
      Versorgungsverbesserung bei“
      Dr. Wolfgang Eßer über die Zukunft der Berufsausübung

      Bereits seit einigen Jahren drängen            aus „Steueroasen“ wie der Kanalinsel          Behandlung“ bezeichnete Implantologie
      vermehrt Private-Equity-Fonds auch             Jersey, den USA, aber auch aus Deutsch-       die überdurchschnittlichen Wachstums-­­­
      in die zahnmedizinische Versorgung.            land selbst und haben sich ganz gezielt in    raten des Dentalmarkts. Die GKV-Versor-
      Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsit-            die Versorgung eingekauft. Das „Buy and       gung hingegen wird als „Lower End“ be-
      zender der Kassenzahnärztlichen                build“-Prinzip, häufig die Blaupause für      zeichnet. I-MVZ haben – ganz entgegen
      Bundesvereinigung (KZBV), plädiert             entsprechende Businessmodelle, sieht          den gebetsmühlenartig vorgetragenen
      für eine Anpassung der Rahmenbedin-            dabei einen breit angelegten Markteintritt    Bekundungen – eben kein Interesse da­
      gungen, damit die Freiberuflichkeit            mit konsequenter Renditeoptimierung           ran, Versorgungsverbesserungen in struk-
      des Berufsstandes auch weiterhin               der erworbenen Praxen und nicht selten        turschwachen Gebieten zu erreichen. Viel-
      attraktiv bleibt.                              den Weiterverkauf des Investments schon       mehr verursachen oder verstärken sie eine
                                                     nach wenigen Jahren vor. Nachhaltige, die     Über- und Fehlversorgung noch zusätzlich.
      BZB: Was macht Deutschland für sol-            Versorgung verbessernde Investitions­         Auch wird in investorenbetriebenen Ge-
      che Fremdinvestoren so attraktiv?              absichten stehen dabei ganz offensicht-       werbeeinheiten keineswegs kostengüns-
           Eßer: Mit der durch das GKV-Versor-       lich nicht im Vordergrund. Vielmehr scheint   tiger gearbeitet. Tatsächlich zeigen unsere
      gungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) im Jahr         das „schnelle Geld“ die Investoren zu ihren   Auswertungen des Abrechnungsgesche-
      2015 ermöglichten Gründung fachgrup-           Anlagen veranlasst zu haben.                  hens, dass die Versorgung in I-MVZ sogar
      pengleicher und damit auch rein zahn-                                                        deutlich teurer ist als in bewährten Praxis-
      ärztlicher Medizinischer Versorgungszen-       BZB: Warum sieht die KZBV insbeson-           formen, die nicht Renditevorgaben von
      tren (Z-MVZ) wurde faktisch die gesamte        dere den Vormarsch solcher fremd­             Investoren gerecht werden müssen.
      ambulante zahnärztliche Versorgung dem         kapitalfinanzierten MVZ so kritisch?              Andere Heilberufe – Ärzte, Apotheker
      potenziellen Zugriff von versorgungs-              Eßer: Fremdinvestoren müssen grund-       und inzwischen auch Tierärzte – sind schon
      fremden Finanzinvestoren geöffnet. Das         sätzlich ein Krankenhaus oder eine nicht-     länger Bestandteil der Anlagestrategie von
      GKV-VSG hat den Dentalmarkt für Kapital­       ärztliche Dialyseeinrichtung erwerben,        Investoren. In der ambulanten ärztlichen
      gesellschaften und Private-Equity-Fonds        um über diesen Weg die Gründungs­             Versorgung bilden sich bereits regelrechte
      also erst interessant gemacht. Angesichts      berechtigung für MVZ oder Zahnarztketten      Konzernstrukturen aus. In manchen Regio-
      der andauernden weltweiten Flaute auf          zu erlangen und so im Dentalmarkt Fuß         nen gehört ein Großteil der Arztsitze einer
      den Finanzmärkten haben zuletzt Berater        fassen zu können. Die Zulassungsdaten         Fachgruppe nur einem einzigen Unterneh-
      speziell die Zahnmedizin als regelrech-        belegen eindeutig, dass diese Strukturen      men. Das Risiko von Konzentrationspro-
      tes „Eldorado“ für vermeintlich rendite­       regional stark konzentriert sind und sich     zessen und der Oligopolbildung steigt, fast
      trächtige und zugleich risikoarme Kapital­     überwiegend in Großstädten, Ballungs-         zwangsläufig kommt es dabei zu einer Ver-
      anlagen beworben. Das lockt Investoren         räumen und einkommensstarken länd-            schlechterung der Versorgung. Denn regio-
      natürlich an, die für ihre riesigen Investi-   lichen Regionen ansiedeln – also dort,        nal schränken Konzerne die freie Arztwahl
      tionssummen ständig neue, ertragreiche         wo die Versorgung längst bedarfsgerecht       ein. Zudem wird es für Versicherte zuneh-
      Anlageformen erschließen müssen.               sichergestellt ist. In Berlin, München,       mend schwieriger, in Wohnortnähe eine
           Zum Jahreswechsel gab es nach unse-       Köln, Leipzig oder Hamburg befindet sich      unabhängige Zweitmeinung einzuholen.
      ren Recherchen etwa 111 Z-MVZ unter Kon-       der Löwenanteil der I-MVZ. In ländlichen      Ärztinnen und Ärzte der entsprechenden
      trolle von versorgungsfremden Investoren,      und strukturschwachen Gebieten, wie in        Fachrichtungen können sich in solchen
      sogenannte I-MVZ. Die KZBV konnte min-         Teilen Mecklenburg-Vorpommerns oder           Regionen kaum noch niederlassen und
      destens zehn entsprechende Groß- und           Rheinland-Pfalz hingegen, gibt es kein        Kolleginnen und Kollegen, die eine An-
      Finanzinvestoren identifizieren. Sie kom-      einziges. Globale Beratungsfirmen prei-       stellung suchen, sind auf den Konzern als
      men aus Schweden, Bahrain, der Schweiz,        sen unter Verweis auf die als „High-End-      Arbeitgeber angewiesen. Patienten und

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Ärzte werden also in ihrem persönlichen
Lebensumfeld unter Umständen abhän-
gig von einem einzigen Konzern, der die
Versorgung nach Belieben kontrolliert. So
sind zum Beispiel nach Angaben zahn-
ärztlicher und ärztlicher Körperschaf-
ten in NRW allein in Nordrhein mehr als
80 Prozent der Sitze von Laborärzten in
MVZ angesiedelt. Ein einziges Unterneh-
men hält dort fast 14 Prozent der Sitze! Ver-
gleichbare Prozesse können – bei einem
andauernd ungehinderten Zustrom von

                                                                                                                                              Foto: KZBV
Investoren – auch die zahnmedizinische
Versorgung negativ verändern.
                                                „Wir werden die Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Gebieten auch in Zukunft
BZB: Junge Zahnärztinnen und Zahn-              durch bewährte Versorgungsformen sichern können“, betont Dr. Wolfgang Eßer, Vorstands­
                                                vorsitzender der KZBV.
ärzte wollen angeblich eine gute Work-
Life-Balance und tendieren deshalb
zunächst zur Anstellung. Wie kann die           bewährten Existenzformen zahnärztlicher         beschäftigen können. Für Angestellte wer-
Selbstverwaltung die Begeisterung für           Berufsausübung. Es geht in diesem Zusam-        den so zudem flexible Arbeitszeitmodelle
die Selbstständigkeit wieder erhöhen?           menhang also ausdrücklich nicht um die          ermöglicht. Jetzt können drei oder mit Be-
    Eßer: Dass die sogenannte Genera-­          Frage, ob nicht auch größere Einheiten für      gründung auch vier Angestellte je Vertrags-
tion Y zum Karrierestart mittlerweile andere    die Versorgung sinnvoll sind. Entscheidend      zahnarzt in Vollzeit oder entsprechend
Prioritäten hat, ist hinlänglich bekannt.       ist für mich aber immer, dass eine freiberuf-   mehr in Teilzeit tätig werden. Diese er-
Insbesondere junge Zahnärztinnen haben          liche, weisungsunabhängige Praxisführung        weiterten Anstellungsmöglichkeiten räu-
vor dem Hintergrund der Vereinbarkeit von       mit dem Ziel einer dem Patientenwohl            men Einzelpraxen und Berufsausübungs-
Familie und Beruf Vorstellungen von Ar-         verpflichteten, qualitativ hochwertigen         gemeinschaften eine größere Flexibilität
beitszeiten, die mit dem erheblichen Zeit-      Betreuung der Versicherten im Vorder-           bei der Ausgestaltung der Praxisorganisa-
aufwand einer freien Niederlassung nicht        grund steht, und nicht die Renditeziele         tion und der Zusammenarbeit von Ange-
mehr ohne Weiteres vereinbar sind. Die zu       von Private-Equity-Fonds in Übersee! Die        stellten ein. Die Regelung zu den Anstel-
diesen gewandelten Vorstellungen passen-        junge Generation von Zahnärztinnen und          lungsgrenzen ist ein aktiver Beitrag der
den Bedingungen werden daher oftmals            Zahnärzten darf nicht auf Beschäftigungs-       Selbstverwaltung für eine patientenorien-
eher in einem Angestelltenverhältnis gese-      modelle von Investoren angewiesen sein!         tierte Weiterentwicklung der Versorgung.
hen. Das lässt sich auch aus den Statistiken    Wir alle sind deshalb aufgerufen, Existenz-
des Berufsstandes ableiten: Die Zahl ange-      gründungs- und Beschäftigungsmodelle            BZB: Das bereits beschlossene
stellter Zahnärzte steigt weiter, während       zu schaffen, die den jungen Leuten ein be-      Terminservice- und Versorgungs­
die Zahl der Vertragszahnärzte sinkt. Fast      rufliches Umfeld entsprechend ihren Vor-        gesetz be­inhaltet unter anderem eine
jeder fünfte Zahnarzt arbeitet mittlerweile     stellungen ermöglichen. Nur so lässt sich       Quoten­regelung für Z-MVZ. Kann diese
in einem Angestelltenverhältnis.                die flächendeckende und wohnortnahe             Vorgabe Konzentrationsprozesse brem-
    Dass sich angesichts dieses Trends          Versorgung durch freiberuflich tätige Kolle-    sen? Und was wurde im TSVG für den
auch Strukturen in der Versorgung än-           gen langfristig sichern und der zunehmen-       Berufsstand noch erreicht?
dern müssen, ist doch völlig unbestritten.      den Vergewerblichung des Berufsstandes              Eßer: Mit dem erklärten Ziel, die be-
Ob allein die klassische Einzelpraxis vor       wirkungsvoll Einhalt gebieten.                  stehende gute vertragszahnärztliche Ver-
dem Hintergrund wachsenden Kosten-                   Um den Wünschen derjenigen noch            sorgung in Deutschland im Interesse der
und Bürokratiedrucks das Zukunftsmodell         mehr Rechnung zu tragen, die zu Beginn          Versicherten auch künftig zu erhalten, hat
für die junge Generation sein wird, bleibt      ihres Berufslebens oder vor einer Nieder-       der Gesetzgeber aus unserer Sicht die rich-
zu bezweifeln. Gemeinschaftspraxen, in          lassung zunächst als Angestellte im Team        tige Antwort auf die zuletzt ausufernde­
denen sich mehrere Zahnärztinnen und            arbeiten wollen, haben wir uns vor eini-        Investorenaktivität formuliert. Die jetzt
Zahnärzte zusammenschließen können,             gen Wochen mit dem GKV-Spitzenverband           im TSVG enthaltene Regelung wird nach
um kostengünstiger zu wirtschaften und          darauf geeinigt, dass niedergelassene           meiner Einschätzung wirksam dazu bei-
individuelle Arbeitszeitmodelle zu realisie-    Vertragszahnärzte in Einzelpraxen oder          tragen, die nötige Anbietervielfalt in einem
ren, sind aber keine Erfindung von Investo-     Berufsausübungsgemeinschaften mehr              ansonsten grundsätzlich gut austarierten
ren, sondern gehören schon lange zu den         angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte         Versorgungssystem zu gewährleisten und

BZB Juli/August 2019                                                                                                                                      9
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      die Versorgung der Patienten auch weiterhin            Die Erhöhung der Festzuschüsse bei       einem Versorgungsgrad zwischen 50 und
      überall wohnortnah und flächendeckend             Zahnersatz entlastet zudem den Geldbeu-       110 Prozent beträgt dieser Anteil 10 Pro-
      sicherzustellen. Zugleich wird der bislang        tel von Millionen von Patienten. In begrün-   zent der zum Erreichen eines Versorgungs-
      gänzlich ungebremste Zustrom von Fremd­           deten Ausnahmen soll für diese auch das       grads von 100 Prozent erforderlichen
      investoren und Private-Equity-Fonds, die          einmalige Versäumen der Vorsorgeunter-        Zahnarztstellen. Die Definition der Zahn-
      überwiegend von Renditeerwartungen ge-            suchung für die Bonusregelung bei Zahn-       arztstelle umfasst dabei Vertragszahnärzte
      leitet werden, durch die verabschiedete Vor-      ersatz folgenlos bleiben. Die Mehrkosten­     und angestellte Zahnärzte in Vollzeitäqui-
      gabe ordnungspolitisch ausgewogen und             regelung in der kieferorthopädischen          valenten. Liegt der Versorgungsgrad unter
      sinnvoll reguliert. Das geschieht nicht zuletzt   Versorgung wird die Autonomie der Ver-        100 Prozent, muss dieser Versorgungs­
      im Interesse einer gemeinwohlorientierten         sicherten stärken und KFO-Behandlungen        anteil mindestens fünf Zahnarztstellen
      Versorgung durch bewährte Praxisformen.           nachvollziehbarer machen. Auch die Be-        betragen. Bei einem Versorgungsgrad
           Die KZBV hatte sich im koordinierten         stätigung des bewährten bundesmantel-         unter 50 Prozent steigt der maximale
      Zusammenwirken mit den KZVen sowie                vertraglichen Gutachterverfahrens durch       Versorgungsanteil je Krankenhaus auf­
      anderen Verbänden und Körperschaften              den Gesetzgeber im Rahmen des TSVG ist        20 Prozent, bei einem Versorgungsgrad
      über viele Monate hinweg durch politische         ein Erfolg und für Berufsstand und Selbst-    über 110 Prozent sinkt er auf 5 Prozent.
      Forderungen und konkrete Vorschläge­              verwaltung zugleich ein wichtiges Signal          Lassen Sie mich die Wirkungsweise
      aktiv in das Gesetzgebungsverfahren ein-          des Vertrauens und der Wertschätzung.         dieses Mechanismus für Bayern an eini-
      gebracht. In zahlreichen Gesprächen mit                                                         gen konkreten Rechenbeispielen deutlich
      politischen Entscheidungsträgern wurde            BZB: Wie genau funktioniert die vor­          machen:
      intensiv Überzeugungsarbeit für unsere            gesehene Quotenregelung?                          Im Landkreis Neu-Ulm liegt nach den
      Positionen geleistet. Dieser Einsatz hat sich         Eßer: Zunächst zielten unsere poli-       aktuell verfügbaren Bedarfsplanungs­
      für den Berufsstand gelohnt – im Hinblick         tischen Bemühungen ja auf ein Verbot          daten zum Stand 31. Dezember 2017 mit
      auf die Begrenzung der I-MVZ, aber auch           und danach dann auf eine fachliche und        114,4 Prozent eine Überversorgung vor.
      in anderen wichtigen Bereichen. Zu den            räumliche Begrenzung der Gründung von         Da der Versorgungsgrad über 110 Prozent
      konkreten Versorgungsverbesserungen               Z-MVZ durch Krankenhäuser ab. Beides          liegt, beläuft sich der maximale Versor-
      für Praxen und Patienten zählt etwa die           war so im politischen Raum nicht durch-       gungsanteil je Krankenhaus in diesem Pla-
      schon lange überfällige Abschaffung der           setzbar. Die jetzt im Gesetz verankerte Re-   nungsbereich auf 5 Prozent der für einen
      Degression, die die Niederlassung auch in         gelung sieht immerhin vor, dass die Grün-     Versorgungsgrad von 100 Prozent erforder-
      ländlichen, strukturschwächeren Regio­            dungsberechtigung von Krankenhäusern          lichen Zahnarztstellen – in diesem Fall also
      nen attraktiver macht. Das ist ein ganz           für Z-MVZ mit Inkrafttreten des TSVG auf      auf 5 Prozent von 100,28 Zahnarztstellen.
      elementarer Beitrag zur Sicherstellung            ein sachgerechtes Maß entsprechender          Somit könnte jedes Krankenhaus in den
      der Versorgung in der Fläche und war              Quoten beziehungsweise Versorgungs­           von ihm gegründeten MVZ im Landkreis
      für uns Zahnärzte seit vielen Jahren eine         anteile begrenzt wird, ohne die Grün-         Neu-Ulm insgesamt fünf Zahnarztstellen
      Kernforderung, der jetzt endlich Rechnung         dungsberechtigung von Krankenhäusern          besetzen. Verfügt ein Krankenhaus zum
      getragen wurde!                                   für Z-MVZ vollständig auszuschließen.         Beispiel schon über ein oder mehrere MVZ
                                                            Mit Inkrafttreten des Gesetzes dürfen     in diesem Planungsbereich, darf es dort
                                                        Krankenhäuser mit den von ihnen ge-           nur dann weitere MVZ gründen, wenn in-
      Angesichts der weltweiten Flaute auf den          gründeten oder gehaltenen Z-MVZ – un-         klusive der dort tätigen Zahnärztinnen und
      Finanzmärkten haben Berater speziell die          abhängig von der Zahl der MVZ – je Pla-       Zahnärzte in Summe über alle zum Kran-
      Zahnmedizin als regelrechtes „Eldorado“ für
      vermeintlich rendite­trächtige und zugleich       nungsbereich nur noch einen festgelegten      kenhaus gehörigen MVZ die Grenze von fünf
      risiko­arme Kapital­anlagen beworben.             Versorgungsanteil auf sich vereinen. Bei      Zahnarztstellen nicht überschritten wird.

10
politik KZVB

     Die kreisfreie Stadt Ingolstadt ist mit   auf die Gründungsbefugnis von Kliniken            Für die entsprechenden Rahmen­
101,1 Prozent weder über- noch unterver-       und deren Betreibern beziehungsweise          bedingungen setzen sich die zahnärzt-
sorgt, somit kommt hier die 10-Prozent-        Inhabern.                                     lichen Körperschaften auf Bundes- und
Regelung zum Tragen. Ein Krankenhaus                                                         Landesebene Tag für Tag ein. Ich bin si-
dürfte mit den in seinen MVZ tätigen           BZB: Wird die Einzelpraxis in zehn Jah­-      cher, dass sich das auszahlen wird. Gleich-
Zahnärzten somit insgesamt also einen          ren immer noch das Rückgrat der zahn-         zeitig schaffen wir gemeinsam mit Koope-
Anteil von 10 Prozent der zum Erreichen        ärztlichen Versorgung in Deutschland          rationspartnern Modelle, um der jungen
eines Versorgungsgrads von 100 Prozent         bilden?                                       Generation den Einstieg in die Selbst-
erforderlichen Zahnarztstellen auf sich            Eßer: Gemeinsam mit 62 000 Zahnärz-       ständigkeit zu erleichtern und ihr Finan-
vereinen. Dies wären – nach Rundung            tinnen und Zahnärzten in etwa 42 000 Pra-     zierungs-, Bürokratie- und Personalsorgen
auf Viertel-Stellen – 10,75 Vollzeitäqui-      xen stellen KZBV und KZVen seit nunmehr       zu nehmen. Ich weiß aus vielen persönli-
valente beziehungsweise 10 Prozent von         rund 60 Jahren zuverlässig eine flächen-      chen Gesprächen, dass junge Kolleginnen
109,33 Stellen.                                deckende und wohnortnahe zahnmedizi-          und Kollegen nicht fünf oder sechs Jahre
     Im Landkreis Tirschenreuth liegt mit      nische Versorgung sicher. Tragende Säule      lang studiert haben, um sich anschlie-
92,4 Prozent ebenfalls weder eine Über-        waren dabei seit jeher bewährte Praxis-       ßend ein Leben lang als „Bohrsklave“ bei
noch eine Unterversorgung vor. Gemäß           formen wie Einzel- und Mehrbehandler-         einem Kapitalinvestor zu verdingen. Auch
der 10-Prozent-Regel dürfte ein Kranken­       praxen. Sie gewährleisten überall vor Ort     sie wollen mehrheitlich als selbstständige
haus mit seinen MVZ hier 4,25 Zahn-            Zugang zu qualitativ hochwertigen und be-     Freiberufler arbeiten und ihren attraktiven
arztstellen besetzen. Das entspricht           darfsgerechten Behandlungen – in Metro­       Beruf ausüben, der ja gerade davon lebt,
10 Prozent von 43,04 Zahnarztstellen,          polen, aber insbesondere auch auf dem         dass man unabhängig und frei von den
abgerundet auf Viertel-Stellen. Jedoch         Land und in strukturschwachen Regionen.       wirtschaftlichen Interessen Dritter seine
besagt die Regelung, dass in Planungs­             Ich bin fest davon überzeugt, dass        Patientinnen und Patienten nach bestem
bereichen mit einem Versorgungsgrad            wir anders als im ärztlichen Bereich die      Wissen und Gewissen behandeln kann.
von unter 100 Prozent der maximale Ver-        Versorgung in ländlichen und struktur-            Diese Überzeugung wird auch durch
sorgungsanteil mindestens fünf Zahn-           schwachen Gebieten auch in Zukunft            eine aktuelle Studie des Instituts der Deut-
arztstellen betragen muss. Daher darf          durch diese bewährte Versorgungsform          schen Zahnärzte zum Berufsbild junger
jedes Krankenhaus in seinen MVZ in die-        werden sichern können. Wir benötigen          Zahnärzte gestützt, die zu einem wirklich
sem Planungsbereich jeweils insgesamt          keine­versorgungsfremden Investoren           bemerkenswerten Ergebnis kommt, wel-
fünf Stellen besetzen.                         oder Private-Equity-Unternehmen in der        ches dem erwähnten Trend hin zur Anstel-
     Zum Stand 31. Dezember 2017 liegt         zahnärztlichen Versorgung, sondern viel-      lung nur auf den ersten Blick widerspricht:
in Bayern in keinem Planungsbereich ein        mehr attraktive Rahmenbedingungen. Das        Danach präferiert die Mehrheit der jungen
Versorgungsgrad von unter 50 Prozent vor,      sind zum Beispiel beherrschbare Finanzie-     Zahnärzte mittel- und langfristig nämlich
sodass für die 20-Prozent-Regelung aktu-       rungrisiken, wirtschaftliche Unabhängig-      nach wie vor die freie Niederlassung in be-
ell kein Beispiel angeführt werden kann.       keit durch adäquate Honorierung und eine      währten Praxisformen – wenn eben auch
Diese Teilregelung im TSVG greift also im      funktionierende Infrastruktur bei der Grün-   etwas später im beruflichen Werdegang,
Freistaat nicht.                               dung neuer Praxen. Die Freiberuflichkeit      nach einer gewissen Zeit im Anstellungs-
     Ein weiterer wichtiger Hinweis noch:      der Berufsausübung muss gewährleistet         verhältnis.
Auf die MVZ-Gründungsbefugnis von Ver-         sein, damit die Diagnose- und Therapie­
tragszahnärztinnen und Vertragszahn-           entscheidungen allein nach fachlichen         BZB: Vielen Dank für das Gespräch!
ärzten bezieht sich die Quotenregelung         Erwägungen und frei von Interessen und
übrigens nicht, sondern ausschließlich         Vorgaben Dritter ermöglicht werden.                          Die Fragen stellte Leo Hofmeier.
                                                                                                                                               Abbildung: THANANIT/stock.adobe.com

                                                                                                                                                                                    11
politik KZVB

      „Es bedarf weiterer Maßnahmen“
      Gastkommentar von Staatsministerin Melanie Huml

      Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU)                     Bereich sowie zum Ausschluss reiner Kapitalinteressen auf
      hat sich in einem BZBplus-Sonderheft, das am 28. Juni                       dortige Behandlungsentscheidungen zu schaffen. Der An-
      erschienen ist, klar zur Zukunft der ambulanten Versorgung                  trag fand am 23. November 2018 die erforderliche Mehrheit
      positioniert. Diesen wegweisenden Kommentar veröffent-                      im Bundesrat und damit Einzug in dessen Stellungnahme
      lichen wir als Nachdruck auch im BZB, da dieses Heft eine                   zum TSVG.
      noch größere Verbreitung hat als das BZBplus.
                                                                                  Strukturelle Maßnahmen erforderlich
      „Zunehmende Kapital- und Investoreneinflüsse im Bereich
      von Medizinischen Versorgungszentren waren zuletzt ver-                     Vor diesem Hintergrund kann es zwar als ein erfreulicher
      mehrt Gegenstand kontroverser öffentlicher Diskussionen.                    erster Schritt gesehen werden, dass sich in dem zum
      Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Termin-                           11. Mai 2019 in Kraft getretenen TSVG nun Regelungen
      service- und Versorgungsgesetz (TSVG) wurden deshalb                        befinden, die – fachgebietsspezifisch – weitere Monopo-
      verschiedene Möglichkeiten von Restriktionen für die Grün-                  lisierungsbestrebungen bei Medizinischen Versorgungs-
      dung und den Betrieb von MVZ diskutiert.                                    zentren in Trägerschaft von Erbringern nichtärztlicher
                                                                                  Dialyseleistungen sowie krankenhausgetragener Zahn-
                                                                                  arzt-MVZ eindämmen sollen. Der von Bayern mit seinem
      Versorgungssicherheit erhalten
                                                                                  Bundesratsantrag geforderte generelle Weg zur Verhinde-
      Auch die Bayerische Staatsregierung sieht in der ärztlichen                 rung versorgungsschädlicher Monopolstellungen in der
      wie zahnärztlichen Versorgung in den letzten Jahren die                     medizinischen Versorgung ist damit aber sicherlich noch
      zunehmende Gefahr der Bildung von versorgungsschädli-                       nicht gefunden. Hier bedarf es in der Zukunft noch weiterer
      chen konzernartigen Monopolstrukturen – insbesondere                        grundsätzlicherer Überlegungen und struktureller Maßnah-
      im Bereich der Versorgung durch MVZ. Dieser Thematik                        men sowie einer kritischen Evaluation der Wirksamkeit der
      sollte zum einen mit Augenmaß, zum anderen aber auch                        im Terminservice- und Versorgungsgesetz unternommenen
      nicht nur punktuell begegnet werden, etwa durch isolierte                   ersten Schritte.“
      Beschränkungen im zahnärztlichen Bereich oder im Bereich
      der krankenhausgetragenen Medizinischen Versorgungs-
      zentren.
          Vielmehr bedarf es hier im Interesse der bayerischen
      Patientinnen und Patienten wohlüberlegter und umfassen-
      der Regelungen, die einerseits die Versorgungssicherheit
      und -qualität in Stadt und Land erhalten und weiter verbes-
      sern, andererseits aber auch den berechtigten unternehme-
      rischen Interessen von zulässigen MVZ-Trägern ausreichend
      Raum geben.
                                                                                                           Melanie Huml wurde 2003 erstmals
                                                                                                           in den Bayerischen Landtag gewählt.
      Monopolstrukturen verhindern                                                                         2007 wurde sie zur Staatssekretärin im
                                                                                                           Sozialministerium berufen. Seit 2013
                                                                                                           ist sie Staatsministerin für Gesund-
      Daher hat Bayern im Bundesrat einen Entschließungsantrag
                                                                                                           heit und Pflege. Die 43-Jährige hat in
                                                                    Foto: StMGP

      zum TSVG mit dem Ziel eingebracht, geeignete Mechanis-                                               Er­langen Medizin studiert und ist seit
      men zur Verhinderung von Monopolstrukturen im MVZ-                                                   2004 approbierte Ärztin.

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politik KZVB

                                                           Vertragsärzte müssen
                                                               gleichberechtigte
                                                                    Partner sein
Abbildung: freepik.com/Starline

                                                                  KBV fordert mehr Mitsprache bei der Digitalisierung

    Beim Digita-
    lisierungsprozess
    wollen die Kassenärzt­
    lichen Vereinigungen (KVen) und die
    Kassenärztliche Bundesvereinigung
    (KBV) in der ambulanten Versorgung           solche Digitalisierung diene hierbei als      zu dem Schluss, dass dieser die Rolle der
    aktive und gleichberechtigte Akteure         eine Art „Trojanisches Pferd“.                KVen und der KBV negiert und die ärztliche
    sein. Um dieses Ziel zu erreichen,                                                         Selbstverwaltung demontiert. Sämtliche
    will sich der Vorstand der KBV im                                                          im DVG vorgesehenen Maßnahmen wür-
                                                 Digitale Versorgung
    weiteren Gesetzgebungsverfahren                                                            den einzig die – vor allem wirtschaftlichen –
                                                 sicherstellen
    des „Digitale Versorgung Gesetzes“                                                         Interessen der Krankenkassen, der Indus-
    (DVG) für den Aufbau einer gemein-           Gleichzeitig forderte das Parlament der       trie und von Investoren fördern. Ein Bei-
    samen digitalen Versorgungsstruktur          KBV den Gesetzgeber auf, es den KVen          spiel ist, dass für die Erstattungsfähigkeit
    einsetzen. Den Auftrag dazu erteilte         und der KBV zu ermöglichen, Digitalisie-      digitaler Angebote niedrigere Standards
    ihm die Vertreterversammlung (VV)            rungsprozesse in der ambulanten Versor-       gelten sollen als für andere Leistungen der
    der KBV.                                     gung sowohl mit eigenen Mitteln als auch      gesetzlichen Krankenversicherung.
                                                 mit solchen der Krankenkassen aktiv zu
    Bei ihrer Sitzung im Rahmen des Deut-        unterstützen. Dafür bedürfe es auch der
                                                                                               Gleichberechtigte Partner
    schen Ärztetages in Münster hatte die        notwendigen Kompetenzen zur Datenver-
    Vertreterversammlung der KBV einige          arbeitung. „Damit die Grundprinzipien der     Ferner werde das Sammeln von Daten
    der von der Politik geplanten Regelun-       freien Arztwahl und des risikoselektions-     und deren Auswertung nur den Kranken-
    gen hinsichtlich digitaler Gesundheits-      freien Zugangs zur ärztlichen Versorgung      kassen ermöglicht. Ärzte und ihre Selbst-
    anwendungen im DVG abgelehnt. Die            im digitalen Zeitalter erhalten bleiben,      verwaltung seien lediglich als Ausführende,
    Kritik bezog sich vor allem auf das den      muss der Gesetzgeber die Etablierung ei-      nicht aber als eigenständige Akteure ein-
    Krankenkassen im Referentenentwurf           ner digitalen Versorgungsplattform – mit      gebunden. Dies sei nicht im Interesse der
    eingeräumte Recht, im Zuge innovativer       der gebotenen Datensicherheit – zur Auf-      Versicherten. Patientensicherheit sowie die
    digitaler Projekte ihren Versicherten Ver-   gabe der KVen und der KBV machen und          Qualität der Versorgung stünden bei dem
    sorgungsangebote durch Dritte machen         deren Finanzierung sicherstellen“, heißt es   Gesetzentwurf nicht im Fokus, kritisierte die
    zu lassen. Vertragsärzte und -psychothe-     in dem entsprechenden Beschluss der VV.       VV. Der Nutzen digitaler Innovationen müsse
    rapeuten würden hieran nicht beteiligt                                                     aber an diesen Zielen gemessen werden.
    werden müssen. Diese Art von Digitalisie-                                                  Vertragsärzte und -psychotherapeuten so-
                                                 Neue Regelungen
    rung lehnen sowohl die Kassenärztlichen                                                    wie ihre Standesvertretungen müssen aus
    Vereinigungen als auch die Kassenärzt-       Hintergrund sind neue Regelungen für          diesem Grund aktive und gleichberechtigte
    liche Bundesvereinigung ab, da es die        digitale Gesundheitsanwendungen, wie          Partner im Digitalisierungsprozess sein,
    Aufkündigung des „Vertrags“ zwischen         sie der Referentenentwurf für das DVG         betonten die Delegierten.
    Ärzten und Krankenkassen bedeute. Eine       vorsieht. Die Vertreterversammlung kam                                           Redaktion

    BZB Juli/August 2019                                                                                                                      13
politik KZVB

      „Ärzte und Zahnärzte
      haften nicht für den

                                                                                                                                                Abbildung: pickup/stock.adobe.com
      Datenschutz“
      Bundesgesundheitsministerium hält Bedenken für ungerechtfertigt

      Die Interessengemeinschaft Medi-             und der Informationssicherheit in der TI           „Es gilt, die Interessen der Ver­
      zin e. V. (IG Med) ist ein Ärztenetz-        gehört zu den gesetzlichen Kernaufgaben            sicherten und ihr Grundrecht auf
      werk, das sich immer wieder kritisch         der Gesellschaft für Telematik (gematik)           informationelle Selbstbestimmung
      zu neuen gesetzlichen Vorgaben               und impliziert die hohen Anforderungen             zu wahren.“
      im Gesundheitswesen positioniert.            an alle eingesetzten technischen Kompo-
      Die Mitglieder haben angekündigt,            nenten und auch an die organisatorischen
      den Anschluss an die Telematik-              Verfahren in der TI. Die Komponenten und        heitskarte ist freiwillig. Der Versicherte
      infrastruktur (TI) nicht zu vollziehen,      Dienste der TI werden deshalb von der           allein entscheidet, welche seiner medi-
      und führen dafür auch datenschutz-           gematik zugelassen.                             zinischen Daten er wem zur Verfügung
      rechtliche Bedenken an. Nun hat das                                                          stellen möchte, wer auf diese zugreifen
      Bundesgesundheitsministerium mit                                                             darf oder welche gelöscht werden dür-
                                                   Sicherheitszertifizierung
      einem Brief an die IG Med-Vorsitzende                                                        fen. Verweigert der Versicherte seine Zu-
                                                   erforderlich
      Dr. Ilka Enger reagiert. Da auch einige                                                      stimmung, so erfolgt über die Telematik­
      Zahnärzte den Schutz ihrer Patienten-        Gleichzeitig erfolgt der Nachweis der           infrastruktur auch kein Zugriff auf seine
      und Praxisdaten durch die TI gefähr-         Sicherheit nach den Vorgaben des Bun-           medizinischen Daten. (Im Gegensatz
      det sehen, veröffentlichen wir dieses        desamtes für Sicherheit in der Informa­         zu den medizinischen Fachanwendun-
      Schreiben in vollem Umfang. Es wurde         tionstechnik durch eine Sicherheitszerti-       gen sind das Einlesen und Speichern
      uns vom Ärztenachrichtendienst               fizierung.                                      der Versichertenstammdaten auf die
      (aend.de) zur Verfügung gestellt.                 Es gilt, die Interessen der Versicherten   elektronische Gesundheitskarte für den
                                                   und ihr Grundrecht auf informationelle          Anspruchsnachweis gesetzlich verpflich-
      „Sehr geehrte Frau Dr. Enger,                Selbstbestimmung zu wahren. Um diese            tend. Hier bedarf es keiner gesonderten
                                                   zu gewährleisten, ist für die Zulassung         Erlaubnis des Versicherten.) Um sicher-
      vielen Dank für Ihr Schreiben vom 31. März   von Komponenten und Diensten eine               zustellen, dass die Bestimmungen zum
      2019 an Herrn Bundesminister Spahn, in       Sicherheitszertifizierung durch das Bun-        Schutz personenbezogener Daten für
      dem Sie sich auf die Datensicherheit der     desamt für Sicherheit in der Informa­           die Telematikinfrastruktur und die elek-
      Telematikinfrastruktur und den Daten-        tionstechnik (BSI) gemäß dem Stand der          tronische Gesundheitskarte eingehalten
      schutz beziehen. Er hat mich gebeten,        Technik und der aktuellen Bedrohungs-           werden, beschreibt das Fünfte Buch
      Ihnen zu antworten.                          lage erforderlich.                              Sozial­gesetzbuch eindeutige Zugriffs­
          Datenschutz und Datensicherheit                                                          regeln (§ 291a SGB V), die für die jewei-
      waren und sind zentrale Anforderungen                                                        ligen medizinischen Fachanwendungen
                                                   Datenhoheit liegt
      an alle eingesetzten technischen Kompo-                                                      verbindlich sind.
                                                   beim Versicherten
      nenten und auch an die organisatorischen                                                         Das zentrale Netz der Telematikinfra­
      Verfahren in der Telematikinfrastruktur.     Die Nutzung einer medizinischen Fach-           struktur ist ein in sich geschlossenes
      Die Sicherstellung des Datenschutzes         anwendung der elektronischen Gesund-            Netz. Der Zugang zu diesem ist nur über

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politik KZVB

sichere zentrale Zugangspunkte möglich.       Datenschutz-Grund­                          verwendet wird und gemäß den, mit dem
Eine Anbindung an die Plattform der Tele­     verordnung regelt Haftung                   BSI abgestimmten, allgemeinen Anfor-
matikinfrastruktur setzt voraus, dass der                                                 derungen durch den Leistungserbringer
jeweilige Dienst ein Zulassungs- oder         Die ab dem 25. Mai 2018 unmittelbar         aufgestellt und betrieben wird, scheidet
Bestätigungsverfahren bei der gematik         geltende DSGVO regelt die Haftung des       sowohl ein Verstoß gegen die DSGVO
durchlaufen hat. Wird ein Fachdienst an-      Verantwortlichen oder Auftragsverarbei-     als auch ein Verschulden des Leistungs­
geschlossen, muss dieser ebenfalls ein        ters in Artikel 82 DSGVO und ersetzt dann   erbringers aus, wenn ein Dritter eine –
Zulassungs- oder Bestätigungsverfahren        die bislang im Bundesdatenschutz­gesetz     derzeit nicht bekannte – Sicherheitslücke
bei der gematik durchlaufen haben.            (BDSG) maßgebliche Regelung des § 7         des Konnektors ausnutzen würde. Eine
    Für den Bereich der Datenverarbei-        BDSG. Auch die DSGVO knüpft bei der         Haftung des Leistungserbringers schei-
tung im Rahmen der Telematikinfra-            Haftung an die Verantwortlichkeit des       det in diesem Fall somit nach der DSGVO,
struktur bestehen keine besonderen haf-       Datenverarbeiters für den eingetretenen     aber auch nach jeder anderen vergleich-
tungsrechtlichen Regelungen. Es gelten        Schaden an. Nach Artikel 82 Absatz 3        baren zivilrechtlichen Norm (Deliktsrecht)
vielmehr die allgemeinen haftungsrecht-       DSGVO besteht eine Haftungsbefreiung,       aus. Gleiches gilt für jegliche strafrechtli-
lichen Vorgaben. Dabei kommen vertrag-        wenn der Verantwortliche oder Auftrags-     che Haftung (z. B. § 203 Strafgesetzbuch –
liche, deliktische und datenschutzrecht-      verarbeiter in keinerlei Hinsicht für den   Verletzung von Berufsgeheimnissen), die
liche Haftungstat­bestände in Betracht.       Umstand, durch den der Schaden einge-       immer eine vorsätzliche unbefugte Offen-
Allen haftungsrechtlichen Tatbeständen        treten ist, verantwortlich ist.             barung durch den Geheimnisträger vo­
gemein ist, dass den Datenverarbeiter ein         Sofern der Konnektor oder eine an-      raussetzt, was bei einer Ausnutzung von
Verschulden für den eingetretenen Scha-       dere zugelassene Komponente der Tele-       Sicherheitslücken durch Dritte per se
den treffen muss.                             matikinfrastruktur bestimmungsgemäß         ausscheidet.“

                                                                                                                                 Anzeige

 Von Dr. Stephan Beuer und Dr. Martin Stangl

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 Der rote Faden                                                                                                         Ne

                                                                                                                                      ch
                                                                                                                          jetzt für

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                        Direktlink zum Videointerview mit
                        Dr. Stephan Beuer

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                        circa 220 Abbildungen
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 Ein suffizienter Wundverschluss ist einer der
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 Dieses praktische Buch vermittelt das wertige
 Nähen in der zahnärztlichen Chirurgie. Schritt
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politik BLZK

      Der Trendpfeil
      zeigt nach oben
      Gesundheitswirtschaft mit Plus von 4,1 Prozent

      Die Gesundheitsbranche in Deutsch-          Gesamtwirtschaft (plus 2,8 Prozent).     Spitzenwert von 195,8 Milliarden Euro
      land wächst weiterhin deutlich stär-        Die Zahlen stammen aus der „Gesund-      – 4,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Beide
      ker als die Gesamtwirtschaft. Großen        heitswirtschaftlichen Gesamtrechnung“    Sektoren verzeichneten in den letzten
      Anteil an dieser Entwicklung haben          (GGR), die das Bundesministerium         zehn Jahren kontinuierliche Wachstums-

                                                                                                                                                              Foto: evgenyjs1/stock.adobe.com
      Zahnarztpraxen und zahnmedizini-            für Wirtschaft und Energie veröffent-    raten. Ambulante Einrichtungen legten in
      sche Kliniken.                              licht hat.                               diesem Zeitraum mit 4,4 Prozent sogar
                                                                                           noch einmal schneller zu als die Gesund-
      Im vergangenen Jahr war die Gesund-                                                  heitswirtschaft insgesamt.
                                                  Kontinuierliche Steigerung
      heitswirtschaft mit 369,8 Milliarden Euro                                                Aktuell beschäftigen Unternehmen
      an der Bruttowertschöpfung beteiligt.       Für 52,9 Prozent der Bruttowertschöp-    und Einrichtungen der Gesundheits-
      Das entspricht einem Anteil von 12,1 Pro-   fung im Gesundheitsbereich war die       branche 7,6 Millionen Menschen. Damit
      zent. Mit einem Wert von 4,1 Prozent lag    medizinische Versorgung durch statio­    gehört diesem Wirtschaftszweig bereits
      das Wachstum wie schon im Vorjahr           näre und ambulante Einrichtungen ver-    jeder sechste Erwerbstätige in Deutsch-
      um 1,3 Prozent über dem Zuwachs der         antwortlich. Sie erreichte 2018 einen    land an. Über einen Zeitraum von zehn

         DIE GGR UNTER DER LUPE

         Um den Beitrag der Gesundheitswirtschaft für die Wertschöpfung und das Beschäftigungswachstum in Deutschland
         zu ermitteln, gibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie regelmäßig ökonomische Studien in Auftrag. Das
         Herzstück dieser Analysen ist die „Gesundheitswirtschaftliche Gesamtrechnung“ (GGR).
         Die jährliche Untersuchung macht es möglich, die Gesundheitswirtschaft als Querschnittsbranche aus der „Volks-
         wirtschaftlichen Gesamtrechnung“ herauszulösen und differenziert zu betrachten. Die GGR erfasst sämtliche Waren
         und Dienstleistungen mit Gesundheitsbezug, die in Deutschland erbracht werden. Sie geht damit über den Fokus der
         Gesundheitsausgabenrechnung hinaus.

         Drei Sektoren
         In der GGR ist die Gesundheitsbranche in folgende Bereiche untergliedert:
         • Die „Medizinische Versorgung“ umfasst als größter Sektor stationäre Einrichtun-
           gen (unter anderem Krankenhäuser, stationäre Pflege, Rehakliniken) und nicht           Gesundheits­
           stationäre Einrichtungen (unter anderem Arzt- und Zahnarztpraxen, ambulante            wirtschaft
           Kliniken, ambulante Pflege).
                                                                                                  Fakten & Zahlen, Ausgabe 2018
         • Die „Industrielle Gesundheitswirtschaft“ beinhaltet die Produktion von Arznei-         Ergebnisse der Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung

           mitteln, Medizintechnik und Medizinprodukten sowie den Handel und Vertrieb
           mit diesen Gütern.
         • Die „Weiteren Teilbereiche“ der Gesundheitswirtschaft bilden den dritten Sektor.
           Dazu gehören unter anderem Krankenversicherungen und öffentliche Verwal-
           tung, die eigenständige Gesundheitsversorgung, Sport-, Wellness- und Tourismus-
           dienstleistungen sowie Investitionen.
                                                                                          tas

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