NRW wählt Bildung: der Parteiencheck - nds-zeitschrift.de

Die Seite wird erstellt Sören Scharf
 
WEITER LESEN
NRW wählt Bildung: der Parteiencheck - nds-zeitschrift.de
4-2017

                                                                                    Geflüchtete in Dortmund: eine Bilanz
                                                                                    Empfehlungen für gelingende Inklusion
                                                                                    Wie geht Gerechtigkeit?
                                                                                    Durchblick im Tarifdschungel
                                                                                    Digitale Hochschule: Goldene Zeiten?
                                         DIE ZEITSCHRIFT DER BILDUNGSGEWERKSCHAFT   Wer reformiert die Schulaufsicht?

                                         NRW wählt Bildung:
                                         der Parteiencheck
69. Jahrgang April 2017 ISSN 0720-9673
K 5141
NRW wählt Bildung: der Parteiencheck - nds-zeitschrift.de
Foto: Ty / Fotolia
 Schule in der Einwanderungsgesellschaft –
          Chancen und Herausforderungen
                                                  Fachtagung der GEW NRW und des Landesausschusses
                                          für Migration, Diversity und Antidiskriminierung der GEW NRW

AM 13. MAI 2017, 10.00 BIS 16.00 UHR
IM DGB-HAUS IN DÜSSELDORF
FACHFOREN                                                                INFOS UND ANMELDUNG
1. Herkunftssprachlicher Unterricht als Förderung der Zweisprachigkeit   Tagungsort:       DGB-Haus, Friedrich-Ebert-Straße 34–38,
   und Mehrsprachigkeit: Richtlinien und didaktischer Ansatz                               40210 Düsseldorf
2. Eine Religion wird missbraucht: Phänomen gewaltbereiter               Anmeldung:        per Online-Formular und mit Angabe der
   Salafismus. Erklären, erkennen und immunisieren – Jugendliche                           gewünschten Arbeitsgruppe unter
   stark machen gegen Rattenfänger.                                                        www.tinyurl.com/schule-einwanderung
3. Auffangklassen, Seiteneinsteigerklassen, Willkommensklassen,          Anmeldeschluss: 5. Mai 2017
   Internationale Förderklassen: Das Rezept zur Beschulung der neu       Teilnahmebeitrag: 20,- Euro für GEW-Mitglieder,
                                                                                           45,- Euro für Nichtmitglieder
   zugewanderten Kinder und Jugendlichen?!
4. WIR in der Schule. Strategien und Wege im Umgang mit Stereotypen      Kinderbetreuung wird bei Bedarf angeboten,
   und Vorurteilen im Kontext Schule                                     bitte bei der Anmeldung angeben.
NRW wählt Bildung: der Parteiencheck - nds-zeitschrift.de
nds 4-2017 3

Wählt eine Politik
der Gerechtigkeit und Toleranz!
   Nordrhein-Westfalen wählt einen neuen Landtag. Ob ein Erfolg der AfD wie 2016 in Baden-
Württemberg droht? Diese Frage beschäftigt mich. Mit 15,1 Prozent ist die AfD als stärkste
Oppositionsfraktion in den baden-württembergischen Landtag eingezogen und hat die SPD mit
12,7 Prozent hinter sich gelassen. Die Wahlbeteiligung ist von 66,3 Prozent bei der Wahl 2011
auf 70,8 Prozent gestiegen. Die Wahlanalysen belegen, dass es der AfD gelungen ist, sehr viele
Nichtwähler*innen zu mobilisieren. Überproportional häufig wählten Gewerkschaftsmitglieder
                                                                                                     Doro Moritz
die AfD – aus Protest und Unzufriedenheit mit der Politik wollten viele den etablierten Parteien
einen Denkzettel verpassen. Ich sage klar: Auch eine berechtigte Unzufriedenheit ist kein Grund,     Vorsitzende der GEW
Rechtspopulist*innen zu wählen.                                                                      Baden-Württemberg

Der Rechtspopulismus ist kein Gespenst, das wir ignorieren können
   Die GEW Baden-Württemberg hat beschlossen, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Aber
damit haben wir unsere Hausaufgaben längst nicht gemacht. Wir müssen uns mit der AfD
auseinandersetzen. Dass sie sich zum Beispiel gegen befristete Beschäftigung von Lehrkräften
ausspricht, macht sie nicht weniger inakzeptabel. Die AfD ist in unserer Gesellschaft präsent,
transportiert Positionen und Stimmungen und sie taucht bei bildungspolitischen Veranstaltungen
auf. Im baden-württembergischen Landtag beantragte sie, alle Stellen der Landeszentrale für
politische Bildung zu streichen. Auch das zeigt, wofür sie steht.
   Die AfD formuliert ihre Positionen offensiv und selbstbewusst und sie ist weit weg von Fak-
ten. Manchmal lässt sie Demokrat*innen sprachlos zurück, aber der Rechtspopulismus ist kein
Gespenst, das wir ignorieren können. Schon 2014 haben wir in Baden-Württemberg erlebt, dass
fast 200.000 Menschen eine Online-Petition gegen die Verankerung von Akzeptanz und Toleranz
von (auch sexueller) Vielfalt im Bildungsplan unterzeichneten, namentlich viele AfD-Mitglieder.
Und im Landtagswahlkampf behauptete eine Kandidatin der AfD: Gender Mainstreaming, das
Programm der Frühsexualisierung, animiere Kinder im Kindergarten zu homosexuellen Hand-
lungen und Masturbation, Beschäftigte in Bildungseinrichtungen würden den Kindern raten zu
schweigen. Dieselbe Kandidatin sitzt jetzt im Landtag.
Wir müssen einstehen für eine demokratische und offene Gesellschaft
   Wir – die GEW als Organisation und alle ihre Mitglieder – müssen uns aktiv einmischen. Wir
müssen sichtbar machen, dass wir für eine demokratische und offene Gesellschaft, für Solidarität
und Chancengleichheit stehen. Das ist nicht nur ein Signal an die Rechtspopulist*innen, sondern
auch an die etablierten Parteien, die diese Ziele nicht konsequent verfolgen.
   Ich fordere jede*n auf, wählen zu gehen und die Stimmen demokratischen Parteien zu geben.
Potenzielle Nichtwähler*innen warne ich davor, zu hoffen, dass es schon nicht so schlimm kommen
werde. Wer nicht wählt, stärkt die Rechtspopulist*innen. Jede*r von uns muss als Bürger*in und als
Pädagog*in Zivilcourage zeigen. Wir dürfen nicht sprach- und tatenlos wegsehen. Wir müssen im
Alltag auf Rechtspopulismus, Diskriminierung jeglicher Art, Rassismus, Hetze gegen Geflüchtete,
auf Mobbing reagieren. Wir müssen widersprechen und unsere Stimme erheben. Die GEW muss
diese Prozesse unterstützen. Sie muss ihren Mitgliedern Angebote machen, die ermutigen und
stärken für die Auseinandersetzung. Die demokratischen Parteien müssen ihrer Verantwortung
gerecht werden und Benachteiligungen in unserer Gesellschaft abbauen: „Bildung. Weiter denken!“
Es gibt immer mehr Verlierer*innen. Immer mehr, die nicht die Chance haben, am Wohlstand
unserer Gesellschaft teilzuhaben. Sie, aber nicht nur sie, sind anfällig für Rechtspopulismus.
   Den Bürger*innen von NRW wünsche ich, dass durch die Mobilisierung aller demokratischen
Wähler*innen eine Politik der Gerechtigkeit und Toleranz gestärkt wird. //
NRW wählt Bildung: der Parteiencheck - nds-zeitschrift.de
4 INHALT

              SONDERHEFT                                           BILDUNG

                                          17                                                           8

               punktlandung 2017.1:                              NRW wählt Bildung:
                 Wie geht gerecht?                               der Parteiencheck *

             Nachgefragt auf Facebook                       Bildungsausgaben und Stellen
                   Und ihr so?
                                                                        Seite 8
                      Seite 18
                                                           Digitalisierung im Bildungssektor
                   Gerechtigkeit
                                                                        Seite 9
                Der Totschlagbegriff
                      Seite 19                              Frühkindliche Bildung und Kita
                                                                       Seite 10
             Generationengerechtigkeit
           Heute schon an morgen denken
                                                           Studium und Studienfinanzierung
                      Seite 20
                                                                       Seite 11
              Geschlechtergerechtigkeit
               Zurück in die Zukunft                                Förderschulen
                                                   Für gute Fördermöglichkeiten an allen Förderorten
                      Seite 22                                         Seite 12

                Soziale Gerechtigkeit                          Geflüchtete in Dortmund
                    Keine Wahl?                                    Schaffen wir das?
                      Seite 24                                         Seite 14

                                               Empfehlungen des Fachbeirats inklusive schulische Bildung
                                                            Vom Ideal noch weit entfernt
                                                                      Seite 16
NRW wählt Bildung: der Parteiencheck - nds-zeitschrift.de
nds 4-2017 5

          ARBEITSPL ATZ

                                                                 IMMER IM HEFT

                                                                 Nachrichten           Seite 6

                                                                 Weiterbildung         Seite 25

                                                                 Leserbriefe           Seite 32

                                                                 Jubilare              Seite 33

                                                                 Infothek              Seite 34

                                                                 Termine               Seite 38

                                                                 Impressum             Seite 39

                                             28

Fragen und Antworten zur Länder-Tarifrunde 2017    Dieser nds ist für alle Tarifbeschäftigten die aktuelle Ent-
         Durchblick im Tarifdschungel              gelttabelle beigelegt. Sollte sie in Ihrer Ausgabe versehent-
                                                   lich fehlen, geben Sie uns gern Bescheid per E-Mail an
                   Seite 26
                                                   poststelle@gew-nrw.de
       Digitalisierung an der Hochschule
       Goldene Zeiten? Kritische Seiten!
                   Seite 28                       *Auf den Seiten 8 bis 11 wurden die Parteiprogramme zur
                                                   Landtagswahl 2017 von SPD, CDU, Die GRÜNEN, DIE
                                                   LINKE, FDP und AfD berücksichtigt – sofern sie Aussagen
           Reform der Schulaufsicht
                                                   zum jeweiligen Thema treffen.
            Wer hat den Hut auf?
                   Seite 30

               Ausschreibung
            Gewerkschaftstag 2017
                   Seite 31
NRW wählt Bildung: der Parteiencheck - nds-zeitschrift.de
6 NACHRICHTEN

Wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl wäre ...
                                                                                    In Nordrhein-Westfalen würden die Sozialdemokraten am besten ab-
  UMFRAGEERGEBNISSE DER LETZTEN SONNTAGSFRAGE
  FÜR NORDRHEIN-WESTFALEN                                                        schneiden, wenn am nächsten Sonntag (Stand: 11. April 2017) schon die
                                                                                 Landtagswahl wäre. In der letzten Sonntagsfrage (siehe Grafik), die für
                                                                                 das bevölkerungsreichste Bundesland erhoben wurde, holte die Partei von
                                                  SPD            37 %           Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 37 Prozent der Stimmen. Auf Platz zwei
                                                                                 wäre die CDU mit 28 Prozent, gefolgt von der FDP und der rechtspopulis-
                                                  CDU            28 %
                                                                                 tischen AfD mit jeweils 10 Prozent der Wähler*innenstimmen. An vierter
                                                  FDP            10 %
                                                                                 Stelle wären die GRÜNEN mit 6 Prozent. Schlusslicht bildet DIE LINKE mit
                                                  AFD            10 %           einem Anteil von 5 Prozent der Stimmen. Das Ergebnis der Landtagswahl
                                                  Grüne           6%            am 14. Mai 2017 ist traditionell ein Indikator für die Bundestagswahl am
                                                  DIE LINKE       5%            24. September 2017. Vier der für die GEW NRW entscheidenden Themen
                                                  Sonstige        4%            sind Studienfinanzierung, Digitalisierung, Lehrer*innenstellenbedarf und
                                                                                 frühkindliche Bildung. Ob diese Bildungsthemen eine Rolle in den Wahl-
                                                                                 programmen der einzelnen Parteien spielen und was die Politiker*innen
                                                                                 im Detail nach der Wahl umsetzen wollen, ist ab Seite 8 zu lesen. Mehr
                                                                                 dazu unter www.tinyurl.com/sonntagsfrage-nrw.                 kue/INSA
Quelle: INSA, Hochrechnungen vom 11. April 2017 für NRW

                                         Vorbildung                              JAKO-O-Elternbefragung zu G8 / G9
                                            Die schulische Vorbildung der           Das sogenannte „Abitur im eigenen Takt“ erhält eine ebenso hohe
           Begreifen                     Auszubildenden in Nordrhein-West-       Zustimmung bei den Eltern wie die Rückkehr zu G9. Das ist ein Ergebnis
       zum Eingreifen                    falen wird immer besser: Im Jahr
                                         2015 hatten zwei von fünf Auszu-
                                                                                 der „JAKO-­O Bildungsstudie regional Nordrhein-­Westfalen“, die Eltern-
                                                                                 meinungen repräsentativ ermittelt hat. 40 Prozent der Eltern sprechen
                                         bildenden (39,8 Prozent) im dualen      sich für eine vollständige Rückkehr zu G9 aus. 39 Prozent wünschen sich,
                                         System mit neuem Ausbildungsver-        dass Gymnasien ihre Oberstufe so organisieren, dass Schüler*innen sie
 Wahl-O-Mat 2017              www.
                                         trag die Fachhochschul- beziehungs-     in zwei oder drei Jahren durchlaufen können. Damit findet die Forderung
 Der Wahl-O-Mat zur Landtags-            weise Hochschulreife. Im Jahr 2007      der GEW NRW im Streit um die Schulzeit am Gymnasium breite Unter-
 wahl in NRW startet am                  waren es nur 27,6 Prozent. In der       stützung bei den Eltern. Nur acht Prozent der Eltern sprechen sich für
 24. April 2017. Das interaktive         Broschüre „NRW (ge-)zählt: Berufs-      die bedingungslose Beibehaltung von G8 an Gymnasien in NRW aus.
 Tool gleicht eigene politische
                                         bildung in Nordrhein-Westfalen“         Zwischen dem 17. November 2016 und dem 10. Dezember 2016 wurden
 Positionen mit denen der
 Parteien ab. www.tinyurl.com/           stehen alle Ergebnisse der Studie zur   rund 500 Elternteile von schulpflichtigen Kindern befragt. Die Stichprobe
 nrw-wahl-o-mat                          beruflichen Bildung. Mehr dazu un-      wurde hinsichtlich der Region, Schulbildung und Berufstätigkeit der
                                         ter www.tinyurl.com/schulische-         Befragten, Alleinerziehung sowie Anzahl und Alter der Kinder gewichtet.
 Nach dem Brexit              www.
                                         vorbildung. IT.NRW                     Mehr dazu unter www.tinyurl.com/bildungsstudie-jako-o.                ms
 Die Brit*innen haben sich in
 einem EU-Referendum entschie-
 den, die Europäische Union zu           Wegbereiter                             Kodex-Check für Universitäten
 verlassen. Welche Folgen der
 Brexit für Deutschland haben               Die steigende Zahl von zugewan-         „An welcher Universität möchtest du arbeiten?“ Die Antwort auf diese
 könnte, hat das Institut der            derten und geflüchteten Kindern         Frage soll künftig mit dem Kodex-Check der GEW leichter fallen. Die Web-
 deutschen Wirtschaft Köln               und Jugendlichen stellt Kommunen        seite gibt einen Überblick über die Personalpolitik an den 82 staatlichen
 zusammengefasst. www.tinyurl.
 com/dossier-brexit                      vor Herausforderungen. Denn die         Universitäten in Deutschland mit Promotionsrecht. Neben dem Anteil
                                         Weichen für den Bildungsweg wer-        befristeter Beschäftigter können sich Nachwuchswissenschaftler*innen
 Einfluss durch Populismus    www.       den auf kommunaler Ebene gestellt.      über den Frauenanteil an der Universität und den Anteil der Teilzeit-
 Nach der Wahl von Martin                Die Zusammenarbeit mit Kommu-           beschäftigten informieren sowie über Karrieremöglichkeiten und die
 Schulz zum SPD-Parteichef wun-          nen steht deshalb im Fokus des          Familienfreundlichkeit der Einrichtung. „Wissenschaftler*innen inte-
 dert sich Autor Albrecht Müller         neuen Projekts „Wegbereiter – Bil-      ressieren sich heute nicht mehr nur für die Forschungsbedingungen,
 über das eindeutige Votum. Er
                                         dungswege für zugewanderte Kin-         sondern zunehmend auch für die Beschäftigungsbedingungen an den
 fragt sich, ob Populismus Ein-
 fluss auf die Selbstdarstellung         der und Jugendliche bereiten“ von       Hochschulen“, sagte Andreas Keller, Referent für Hochschulpolitik der
 der Demokrat*innen haben                RuhrFutur. Mehr dazu unter www.         GEW. Von der Studie erhoffe sich die GEW zum einen mehr Transparenz
 kann. www.tinyurl.com/kampf-            tinyurl.com/bildungsprojekte.           und wolle zum anderen Anreize für Hochschulen geben, ihre Personal-
 gegen-populismus
                                         RuhrFutur                              politik zu überdenken und zu verbessern.                            GEW
NRW wählt Bildung: der Parteiencheck - nds-zeitschrift.de
nds 4-2017 7

NRW 2020: DGB-Zwischenbilanz                                                 Sylvia Löhrmann plant 2.000 Stellen
   Der DGB NRW hat zu Beginn des Jahres 2015 sein Programm NRW                  Die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann greift
2020 vorgestellt und zu einem wirtschaftspolitischen Dialog eingeladen.      als Spitzenkandidatin der Grünen im Wahlkampf die Forderung der
Das Ziel heißt: Für eine gute Zukunft Nordrhein-Westfalens sollen 500.000    GEW NRW auf, zusätzliche Stellen für Schulen in schwierigem Umfeld
neue, sozialversicherte Arbeitsplätze bis zum Jahr 2020 entstehen. Nun       bereitzustellen. In einem Interview mit der Welt am Sonntag sagte sie
legt der DGB mit der Unterstützung von Wissenschaftler*innen eine            auf die Frage, wie viele Pädagog*innenstellen sie nach der Wahl schaf-
Zwischenbilanz vor. Die Ergebnisse zeigen, dass NRW auf einem guten          fen wolle: „Es werden die Stellen geschaffen, die notwendig sind. Die
Weg ist. In den vergangenen beiden Jahren sind 250.000 sozialversicherte     genaue Bezifferung hängt unter anderem von der Zuwanderung und
Beschäftigungen entstanden. Für die Zwischenbilanz wurden folgende           dem Familiennachzug ab.“ „Etwas genauer bitte“, fordert die Welt. „Unter
Bereiche untersucht: die Entwicklung des Arbeitsmarkts, private und          anderem will ich 2.000 Stellen bereitstellen, um Schulen in schwierigem
öffentliche Investitionen, Innovationstätigkeit sowie der Zusammenhang       Umfeld besser zu unterstützen.“ Die GEW NRW hatte bei Vorlage der
zwischen Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch. Damit will             Studie von Gerd Möller und Prof. Dr. Gabriele Bellenberg zum schulbe-
sich der DGB NRW von anderen Untersuchungen abgrenzen, die nur               zogenen Sozialindex einen Bedarf von etwa 2.000 zusätzlichen Stellen
die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes berücksichtigt. Mehr dazu         vorgelegt, wenn man lediglich Grund- und Hauptschulen und Schulen
unter www.tinyurl.com/dgb-zwischenbilanz-nrw-2020. DGB NRW                  des gemeinsamen Lernens berücksichtigt. Mehr dazu ab Seite 8. ms

Private Ersatzschulen sind gefragt                                           Modellprojekt gegen Kinderarmut
   Jede*r zwölfte Schüler*in wird an einer privaten Ersatzschule unter-         Fast jedes fünfte Kind in Nordrhein-Westfalen wird in einer Familie
richtet. Das entspricht einer Gesamtzahl von 161.578 Schüler*innen in        groß, die von Hartz IV lebt. Doch welche Maßnahmen helfen wirklich
Nordrhein-Westfalen im laufenden Schuljahr. Das sind 8,4 Prozent aller 1,9   dabei, die Folgen von Kinderarmut zu vermindern? Dieser Frage geht die
Millionen Schüler*innen an allgemeinbildenden Schulen. Weiterbildungs-       Koordinationsstelle Kinderarmut des Landschaftsverbands Rheinland
kollegs sind in diesen Zahlen nicht eingeschlossen. Während die gesamte      (LVR) nun gemeinsam mit den Jugendämtern der Städte Bergheim, Essen,
Schüler*innenzahl im Vergleich zum vorherigen Schuljahr (2015 / 2016)        Kerpen und Nettetal nach. „Unser Ziel ist es, ein alltagstaugliches Instru-
um 0,3 Prozent gestiegen ist, erhöhte sich die Zahl der Schüler*innen an     ment zu entwickeln, das Jugendämtern dabei hilft, die Wirksamkeit ihrer
privaten Ersatzschulen im selben Zeitraum um 0,8 Prozent. Im Vergleich       Maßnahmen gegen die Folgen der Kinderarmut zu überprüfen“, erklärt
zum Schuljahr 2006 / 2007 hat sich die Zahl der Privatschüler*innen um       Christoph Gilles, Leiter der Koordinationsstelle. In die Bewertung sollen
1,0 Prozent erhöht. Aufgeschlüsselt nach Schulformen werden zurzeit 16,6     unter anderem Nutzungs- und Teilnehmer*innenzahlen von Angeboten,
Prozent aller 527.499 Gymnasiast*innen an einer privaten Ersatzschule        die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen sowie Rückmeldungen
unterrichtet. An den Gesamtschulen ist der Wert geringer. Dort sind es       von Fachkräften, Kindern und Eltern einfließen. 39 Kommunen beteiligen
4,3 Prozent der 294.749 Gesamtschüler*innen. Mehr dazu unter www.            sich mittlerweile am LVR-Programm „Teilhabe ermöglichen – Kommunale
tinyurl.com/ersatzschulen.                                       IT.NRW     Netzwerke gegen Kinderarmut“.LVR

Neuer Newsletter am Start
                                                                               Gewonnen!
   Sie haben Post! Seit dem 31. März 2017 verschickt die GEW NRW ihren
neuen Newsletter. In der Neuauflage gibt es immer ein Schwerpunkt-                Freikarten für die RUHRFESTSPIELE 2017 in Recklinghausen ha-
thema, aktuelle Neuigkeiten aus verschiedenen Bildungsbereichen, wichtige      ben gewonnen: Burgel Baur, Euskirchen; Anke Böhm, Wetter; Jürgen
Dokumente zum Download sowie Hinweise auf neue Veranstaltungen                 Breuckmann, Hamm; Eva Lange-von Au, Wuppertal; Hans Hermann
und Fortbildungen. In der nächsten Ausgabe wird unter anderem die              Kindervater, Bergisch Gladbach; Manfred Nawroth, Holzwickede;
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Thema sein. Am 12. Mai 2017                Detlev Schreiber, Dortmund; Dagmar Vorkoeper, Hattingen; Christian
wird der kostenlose Newsletter verschickt. Wer noch keine Post bekommt:                            Wagner, Krefeld; Anneliese Zepezauer, Borken. Wir
Schnell anmelden unter www.gew-nrw.de/newsletteranmeldung. kue
                                                                                                   gratulieren allen Gewinner*innen und wünschen
                                                                                                   viel Spaß! Die Tickets sind bereits mit der Post
                                                                                                   auf dem Weg zu Ihnen.             nds-Redaktion
 Foto: s_karau / photocase.de

                                                                               Korrektur: Lehrer*innenkalender
                                                                                 Im Lehrer*innenkalender hat sich ein Fehler eingeschlichen.
                                                                               Die Service-Telefonnummer der Verbraucherzentrale war veraltet.
                                                                               Die aktuelle Telefonnummer der Verbraucherzentrale lautet 0211-
                                                                               3809423. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen. nds-Redaktion
NRW wählt Bildung: der Parteiencheck - nds-zeitschrift.de
8 BILDUNG

Parteiencheck zur Landtagswahl

                                                                                                                                                               Foto: zdyma4 / Fotolia
Bildungsausgaben
und Stellen
Wer bessere Bildung will, muss mehr in Bildung investieren. Der Etat des Schul-                            Arbeit der Lehrer*innen & Arbeitszeit
ministeriums NRW umfasst knapp ein Viertel des Gesamtetats des Landes.                                         Zur längst überfälligen Senkung der Arbeits-
Dabei machen Personalausgaben im Haushalt 2017 über 86 Prozent aus: rund                                   zeit der Lehrer*innen, die zusätzliche Stellen
15,4 von 17,8 Milliarden Euro. Wer beurteilen will, ob die Parteien es ernst mei-                          erfordern würde, schweigen die Parteien. Statt-
nen in der Schul- und Bildungspolitik, muss also prüfen, was sie zu Bildungs-                              dessen wohlfeile Aussagen, dass es natürlich auf
ausgaben und Stellen sagen. Konkret werden die Parteien jedoch leider nicht.                               die Lehrer*innen ankomme. Es liegt sogar der
                                                                                                           Verdacht nahe, dass Lehrer*innen mehr unter-
Unterrichtsausfall & Vertretungsreserve             Inklusion
                                                                                                           richten sollen. Wie? Indem sie von Verwaltungs-
   Die FDP wird scheinbar deutlich: Sie fordert         Dass es vorne und hinten bei der Inklusion         arbeit entlastet werden. Die FDP möchte Raum
eine Unterrichtsgarantie und eine schulscharfe      nicht reicht, ist keine originelle Feststellung.       schaffen, dass Lehrer*innen sich bestmöglich
Erfassung des Unterrichtsausfalls. Wenn die         Dass es leicht fallen sollte, beim Stellenbudget       auf die Förderung der Schüler*innen konzen-
Liberalen dann ankündigen, den Schulen in           und der Doppelbesetzung konkret zu werden,             trieren können, die CDU möchte Lehrer*innen
einem ersten Schritt eine mindestens 105-pro-       ist offensichtlich. Wenn zum Beispiel die CDU          von unterrichtsfremden Tätigkeiten entlasten.
zentige, mittelfristig eine 108-prozentige          ankündigt, dass sie verbindliche Qualitätsstan-        Tatsächlich interessant ist stattdessen der grüne
Lehrer*innenversorgung als Vertretungs- und         dards sowie ein Konzept für den Einsatz von            Vorschlag eines Bachelorstudiengangs Schul-
Gestaltungsreserve zur Verfügung stellen zu wol-    Sonderpädagog*innen an inklusiven Schulen              management. //
len, wird es bedenklich. Stellen, die der Vermei-   vorlegen wird, so heißt das wohl, dass sie rech-
dung von Unterrichtsausfall und der individuellen   nen werden, wenn sie regieren. Die, die zuletzt        Was hier ungesagt bleibt
Förderung dienen, gibt es seit Jahren. Was ist      regiert haben, werden auch nicht konkret. Was
neu bei der Gestaltungsreserve? Spannend ist der    ist davon zu halten, wenn die SPD gezielten              In den Ganztag und die Schulsozialarbeit
CDU-Finanzierungsvorschlag für die geforderte       Einsatz von Doppelbesetzungen und Phasen               wollen alle Parteien investieren, das Gymnasium
effektive Vertretungsreserve. Die angeführten       der individuellen Förderung ermöglichen will?          wollen sie reformieren. Aber auch hier fehlen
Mittel der BAföG-Erstattung des Bundes sind         Das Schulgesetz sichert jedem jungen Men-              handfeste Angaben dazu, was das kosten darf. //
schon verfrühstückt. Wo soll gekürzt werden? Mit    schen das Recht auf individuelle Förderung zu.
der FDP-Forderung nach schulscharfer Erfassung      Die Sozialdemokrat*innen wollen nun Phasen
oder der CDU-Forderung nach softwaregestütz-        davon ermöglichen, um Inklusion zum Erfolg
                                                                                                            www.    GEW NRW: alle Parteiprogramme sowie
ten Lösungen für eine schulscharfe Erfassung        zu führen? Konkret wird wieder nur DIE LINKE:
                                                                                                                    alle Forderungen der GEW NRW zur Land-
bedient man Stammtische und ignoriert die           Sie verspricht tatsächlich mindestens 9.000                     tagswahl 2017 im Überblick
Diskussionen der Bildungskonferenz. Das neue        Lehrer*innenstellen für den Inklusionsprozess. //               www.gew-nrw.de/landtagswahl-nrw-2017
rollierende Verfahren sorgt für Transparenz,
jetzt muss die Schaffung einer ausreichenden
Vertretungsreserve im Mittelpunkt stehen. //
                                                           DIE GEW NRW FORDERT

Klassengröße & Schüler*innen-
Lehrer*innen-Relation                                      ////////////////////      M EHR IN BILDUNG INVESTIEREN!
                                                           Stellenforderungen, die die GEW NRW unter anderem in Stellungnahmen bei den jähr-
   SPD, CDU, GRÜNE, FDP und DIE LINKE kündi-
                                                           lichen Beratungen zum Landeshaushalt vorträgt, werden von den Parteien oft und schnell
gen an, die Schüler*innen-Lehrer*innen-Relation            als utopisch abgetan. Dennoch bleibt es richtig, immer wieder darauf zu verweisen, dass
verbessern zu wollen. Die SPD hält das vor allem           das Schul- und Bildungssystem in Nordrhein-Westfalen strukturell unterfinanziert ist. Die
für eine gute Unterrichtsversorgung für entschei-          Landespolitik muss hier endlich liefern und deutlich mehr tun. Allein in NRW wird die Lösung
                                                           aber nicht zu finden sein. Eine im Bund verabredete andere Steuer- und Finanzpolitik und
dend, die FDP will so durch eine schrittweise              eine Aufhebung des Kooperationsverbotes gehören aus Sicht der Bildungsgewerkschaft
Verkleinerung der Klassen in allen Schulformen             ebenso auf die Agenda. 
die Bildungsqualität verbessern. Konkret wird                                                           Michael Schulte, Geschäftsführer der GEW NRW
nur DIE LINKE: Sie gibt das Ziel vor, die Klassen
auf 20 Schüler*innen zu verkleinern. //
NRW wählt Bildung: der Parteiencheck - nds-zeitschrift.de
nds 4-2017 9

Parteiencheck zur Landtagswahl

                                                                                                                                                               Illustration: PureSolution / shutterstock.com
Digitalisierung im Bildungssektor
Digitalisierung gehört zu den zentralen Wahlkampfthemen
aller Parteien. Unumstritten ist es, dass digitale Bildung
in Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung gestärkt
werden muss. Doch welche Inhalte gehören für die Parteien
dazu? Wie wollen sie Digitalisierung finanzieren und haben
sie die Beschäftigten im Blick?

DIE LINKE: Digitalisierung als                       SPD: Digitale Teilhabe ermöglichen                 CDU: Digitale Grundbildung für alle
Aufgabe aller Bildungsbereiche                          Die SPD verweist auf ihr Leitbild „Lernen im       Die CDU strebt an, Nordrhein-Westfalen
   DIE LINKE meint, dass digitale Angebote           Digitalen Wandel“ und ihr Investitionsprogramm     zum „digitalen Bildungsland Nummer 1“ zu
intuitiv nicht nutzbar seien. Den verantwor-         „Gute Schule 2020“, das zwei Milliarden Euro       machen. Sie ist der Auffassung, dass digitale
tungsbewussten Umgang mit Medien müssen              Investitionsvolumen für bessere Schulgebäude       Grundbildung für alle und die Stärkung digitaler
Kinder und Jugendliche deshalb erlernen. In der      vorsieht und unter anderem für Breitbandausbau     Exzellenz nötig seien. Sie will die Kompetenzen
Schule müsse Medienbildung stärker vermittelt        in Schulen sorgen will. Für die SPD ist es Ziel,   der Schüler*innen im kritischen Umgang mit
werden, dazu zählen Medienkritik, Medienkunde        die Teilhabe am digitalen Leben zu ermöglichen     digitalen Medien und Informationen fördern
und Mediengestaltung. Datenschutz und Privat-        sowie mehr Fachkräfte für den digitalen Wandel     und möchte Kindern und Jugendlichen grund-
sphäre, Cybermobbing und Netiquette sowie            zu gewinnen. Digitale Kompetenz und kritische      ständige IT-Kenntnisse durch zeitgemäßen Infor-
digitale Bürger*innenrechte und Demokratie           Mediennutzung seien wichtige Voraussetzungen       matikunterricht vermitteln. Dazu ist die digitale
in Zeiten des Internets gehören auf die Agenda.      für ein selbstbestimmtes Leben.                    Fort- und Weiterbildung der Lehrer*innen er-
   DIE LINKE ist der Auffassung, dass die Ver-          Für den Hochschulbereich verweist die SPD       forderlich.
mittlung von Medienkompetenz nicht auf die           auf die Allianz „Wirtschaft und Arbeit 4.0“, die      Studienfächer und duale Ausbildungen
Schule beschränkt werden darf. Sie muss auch         die Digitale Hochschule NRW zum zentralen          müssen nach Auffassung der CDU an die Di-
an den Hochschulen und in der Weiterbildung          Projekt der Digitalisierungsstrategie der Hoch-    gitalisierung angepasst werden und in deren
berücksichtigt werden. //                            schulen in NRW weiterentwickeln soll. //           Lehrplänen berücksichtigt werden. //

                                                                                                        FDP: Investitionsstau auflösen
       DIE GEW NRW FORDERT
                                                                                                           Die FDP meint, dass die Chancen der Di-
                                                                                                        gitalisierung in den Schulen endlich aktiv ge-
       /////////////////////////      G ESUNDE DIGITALISIERUNG!                                         nutzt werden sollen, um nicht den Anschluss
       Die GEW NRW fordert die Entwicklung eines Curriculums „Digitale Bildung“ als integraler          zu verlieren. Um dem riesigen Investitionsstau
       Bestandteil der Lehrpläne aller Schulformen und Bildungsgänge sowie umfassende Fort-
                                                                                                        entgegenzuwirken, schlägt sie vor, in den nächs-
       bildung für die Beschäftigten. Soft- und Hardware müssen für die Beschäftigten kostenfrei
       zur Verfügung stehen. Für die technische Administration müssen Ressourcen bereitgestellt         ten fünf Jahren insgesamt 1.000,- Euro pro
       werden; die GEW NRW fordert eine Stelle für 500 Nutzer*innen. Außerdem darf Digita-              Schüler*in in die Ausstattung der Schulen mit
       lisierung nicht zur Entgrenzung der Arbeits- und Lernzeit und damit zur Ausweitung der           moderner Technik zu investieren, zum Beispiel in
       Arbeitszeit führen. Hier ist ein entsprechender Arbeits- und Gesundheitsschutz gefragt.
                                                                                                        Breitbandanschlüsse, WLAN, Tablets, Notebooks,
                 Ute Lorenz, Referentin für Beamt*innenrecht und Mitbestimmung der GEW NRW
                                                                                                        IT-Wartung und -Service. Außerdem soll die
                                                                                                        Digitalisierung auch in der berufsschulischen
                                                                                                        Ausbildung stärker genutzt werden mit moder-
                                                                                                        ner IT-Ausstattung sowie die Qualifikation und
Die GRÜNEN: Fortbildungsoffensive für digitale Kompetenz                                                Unterstützung der Lehrkräfte verbessert werden.
     Die GRÜNEN wollen „Schulen zu Lernräumen        Lehrer*innen und Erzieher*innen. Schulen sol-         Die FDP sieht es als gemeinsame Aufga-
(...) machen, die auf ein Leben (und Arbeiten) in    len flächendeckend mit digitalen Endgeräten        ben von Hochschulen, Studierenden und Leh-
der durch Digitalisierung geprägten Welt vorbe-      ausgestattet und die Kommunen als Schulträger      renden an, die modernen Methoden digitaler
reiten“. Digitale Medien, digitale Infrastruktur,    dafür aktiv unterstützt werden. Digitale Medien    Wissensvermittlung in die akademische Lehre
Cloud-Dienste, Medienpädagogik, Informatik           sollen im Rahmen der Lernmittelbereitstellung      einzubinden. //
und Qualifizierung seien als Einheit zu denken       und -beschaffung anerkannt werden.
und Querschnittaufgabe aller Schulformen.               Die GRÜNEN möchten auch weiterhin, dass
Der Weg zur digitalen Kompetenz zukünftiger          Studierenden ihre Unterlagen für Lehrveranstal-    www.     GEW NRW: Parteiencheck zur Landtags-
                                                                                                                 wahl – Digitalisierung im Bildungssektor
Gesellschaften erfordere eine außerordentliche       tungen digital zur Verfügung gestellt werden.
                                                                                                                 (erweiterte Textfassung)
Fortbildungsoffensive für die aktiven Lehrkräfte     Die Auswirkungen der Digitalisierung sollen                 www.nds-zeitschrift.de/nds-4-2017/parteien-
und eine Anpassung der Ausbildung zukünftiger        wissenschaftlich begleitet werden. //                       check-digitalisierung-im-bildungssektor
NRW wählt Bildung: der Parteiencheck - nds-zeitschrift.de
10 BILDUNG

Parteiencheck zur Landtagswahl

Frühkindliche Bildung und Kita
Die Landesregierung hat angekündigt, dass sie bei einer Wiederwahl ein neues                               Finanzierung: Verantwortung des
Kita-Gesetz auf den Weg bringen wird. Es soll das von der GEW vielfach kritisierte                         Bundes & Beitragsfreiheit
Kinderbildungsgesetz (KiBiz) ablösen. Auch die anderen Landtagsfraktionen wollen                              Die SPD will „eine qualitativ hochwertige
ein neues Gesetz einführen oder das KiBiz reformieren. Die GEW NRW begrüßt                                 Kindertagesbetreuung in den Kernzeiten kosten-
das Vorhaben und hat gemeinsam mit ver.di und dem DGB NRW Forderungen                                      frei anbieten“. Die Kernzeiten umfassen für sie
formuliert: zu Personal, Öffnungszeiten, Finanzen und Gruppenstruktur. Was                                 30 Stunden pro Woche. Unter der Maßgabe
haben die Programme der Parteien zur Landtagswahl dazu zu bieten?                                          „Ungleiches ungleich behandeln“ will die SPD
                                                                                                           besondere finanzielle Unterstützung für „beson-
                                                                                                           dere Herausforderung“. Sie fordert eine stärkere
      DIE GEW NRW FORDERT                                                                                  finanzielle Beteiligung des Bundes an den Kosten
                                                                                                           der frühkindlichen Bildung. Die GRÜNEN wollen
      //////////////// MEHR GELD FÜR BESSERE QUALITÄT!                                                     bei der Kita-Finanzierung eine Anwendung von
                                                                                                           Sozialindikatoren einführen. Sie erklären als
      Die GEW NRW fordert eine verbindliche Mindestpersonalbemessung sowie einen ver-
      besserten Fachkraft-Kind-Schlüssel von 1 : 3 in der U3-Betreuung und 1 : 7,5 für über                ihr grundsätzliches Ziel, Bildung von der Kita
      dreijährige Kinder. Um ihren Aufgaben – etwa der Umsetzung der Inklusion – gerecht zu                an beitragsfrei zu gestalten. DIE LINKE will
      werden, brauchen Kitas multiprofessionelle Teams. Sowohl Ausfallzeiten als auch Verfü-               ausreichende kostenfreie Ganztagsangebote für
      gungszeiten, also Zeiten, in denen unter anderem die Vorbereitung für die Arbeit mit den
      Kindern stattfinden soll, müssen mit einem Anteil von mindestens 25 Prozent berücksichtigt
                                                                                                           Kinder in Kitas und Schulen schaffen. Die CDU
      werden. Jede Kita braucht zudem eine Leitung und eine ständige Vertretung der Leitung.               will die Kommunen beim bedarfsgerechten und
      Für die Finanzierung von Personalkosten müssen die realen Kosten entsprechend des Per-               flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung
      sonalschlüssels auf Basis des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) zugrunde             unterstützen und zudem eine „Förderung der
      gelegt werden. Finanzschwache Kommunen müssen mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet                  kirchlichen, betrieblichen und privaten Initi-
      werden. Perspektivisch fordert die GEW NRW eine gebührenfreie Kita, allerdings nicht zulasten
      der Qualität. Solange Elternbeiträge erhoben werden, müssen sie landesweit einheitlich               ativen“ erreichen. Nach Ansicht der FDP soll
      geregelt sein. Da der Bund und die Sozialkassen von dem Erfolg früher Bildung am meisten             die Kindpauschale, das KiBiz-Instrument zur
      profitieren, ist die finanzielle Beteiligung des Bundes entsprechend einzufordern.                  Ermittlung der Finanzierungskosten für Kitas,
                                          Joyce Abebrese, Referentin für Tarifpolitik der GEW NRW          als „indexbasierte, also an Kostensteigerungen
                                                                                                           orientierte Kindpauschale“ eingeführt werden.
                                                                                                           Langfristig strebt die FDP Beitragsfreiheit an,
                                                                                                           allerdings habe die „Verbesserung der Betreu-
                                                                                                           ungsqualität Priorität“. Sie fordert bis dahin faire
Personal: Mehr Wertschätzung & multiprofessionelle Teams                                                   Höchstgrenzen für Elternbeiträge. Zudem steht
   Die SPD will in NRW „für Gute Arbeit in der        Zudem sollen mehr Fachkräfte mit Migrations-         die FDP für eine Erhöhung der Angebotsvielfalt,
Kita sorgen“. Sie möchte die „Anerkennung für         hintergrund beschäftigt werden und bi- sowie         sodass auch gewerbliche und private Träger
den Arbeitsplatz Kita erhöhen“ und damit eine         multikulturelle Konzepte Einzug halten. Die          sowie Betriebskitas staatliche Förderungen er-
faire tarifliche Bezahlung, sichere Arbeitsver-                                                            halten sollen. Die AfD will eine Wahlfreiheit bei
                                                      GRÜNEN wollen „Rahmenbedingungen schaffen,
hältnisse sowie ein gesundes und förderliches                                                              der Betreuung von Kleinkindern. Sie fordert einen
                                                      die eine bessere Bezahlung ermöglichen und den
Arbeitsumfeld schaffen. Die Beschäftigten sol-                                                             materiellen Ausgleich für Eltern, „die sich selbst
                                                      Ausbildungsberuf, gerade für Männer, attraktiver
len genug Zeit für Vor- und Nachbereitung                                                                  der Erziehung ihrer Kleinkinder widmen“. Ein „Er-
                                                      machen“. Gemeinsame Fort- und Weiterbil-
sowie Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglich-                                                                ziehungsgehalt“ soll als „finanzielle Anerkennung
                                                      dungen der beteiligten Fachkräfte sollen den         elterlicher Erziehungsleistung“ gezahlt werden.
keiten erhalten. Die SPD fordert zudem eine
                                                      Übergang zwischen Kita und Schule verbessern.        Ein Krippenplatz für unter Dreijährige kostet
Verbesserung des Betreuungsschlüssels. Die
                                                      DIE LINKE will die „Stellen der Sozial- und Erzie-   ihrer Auffassung nach 1.200,- Euro monatlich. //
GRÜNEN wollen einen „rechtsverbindlichen
                                                      hungsberufe ausbauen und gerecht bezahlen“.
Fachkraft-Kind-Schlüssel, der wissenschaftlichen
                                                      Die CDU verspricht, unter dem Stichwort „Wert-
Empfehlungen entspricht“, einführen. Sie wollen
alle Tätigkeiten der Erzieher*innen und die           schätzung für die gesellschaftlich bedeutende
                                                      Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher“ über die               GEW NRW, DGB NRW, ver.di: Eckpunkte
Leitungszeit finanziell absichern und den Kitas                                                            PDF      der gemeinsamen Forderungen für ein
ein höheres Fortbildungsbudget zur Verfügung          Ausbildung und Bezahlung von Erzieher*innen                   neues Kita-Gesetz
stellen. Zudem fordern Die GRÜNEN einen               nachzudenken. Die FDP will die duale Ausbil-                  www.tinyurl.com/kitagesetz-eckpunkte
„Personalmix aus Fachkräften mit Hochschul-           dung für Erzieher*innen mit angemessener             www.     GEW NRW: Parteiencheck zur Landtags-
                                                      Vergütung und plant den Einsatz weiterer Fach-                wahl – frühkindliche Bildung und Kita
abschluss, Erzieher*innen und ergänzenden
                                                                                                                    (erweiterte Textfassung)
Kinderpfleger*innen“ sowie zur weiteren Ent-          kräfte in Kitas – zum Beispiel Logopäd*innen                  www.nds-zeitschrift.de/nds-4-2017/parteien-
lastung zusätzliches Hauswirtschaftspersonal.         oder Kindheitspädagog*innen. //                               check-fruehkindliche-bildung-und-kita
nds 4-2017 11

Parteiencheck zur Landtagswahl

                                                                                                                                                          Illustration: PureSolution / shutterstock.com
Studium und Studienfinanzierung
Allgemeine Studiengebühren gibt es seit 2014 in keinem deutschen Bundes-
land mehr, in NRW seit 2011. Viele Bundesländer halten allerdings an Gebüh-
ren für ein Langzeit- oder Zweitstudium, für internationale Studierende oder
an überzogenen Einschreibegebühren fest. Zuletzt haben die Gebührenpläne
der grün-schwarzen Landesregierung in Baden-Württemberg die Diskussion
neu entfacht. Wie sehen die parteipolitischen Pläne für NRW aus?

FDP: „Es geht um weltbeste Bildung.“               DIE LINKE: „Wir setzen uns für einen Hochschulzugang ohne Selektion ein.“
   Die FDP fordert, dass die Hochschulen in NRW       DIE LINKE fordert einen Hochschulzugang           schlüsse. Die Hochschulen sollen ihr komplettes
an die „besten Hochschulen in der Welt“ heran-     ohne Selektion, der auch die Gebührenfreiheit        Studienangebot auch als Teilzeitstudiengänge
rücken. Dazu soll das Hochschulfreiheitsgesetz     einschließt. Die „Abschaffung des Numerus            anbieten können, und die Schaffung von bezahl-
wieder in Kraft gesetzt und weiterentwickelt       clausus und anderer Selektionsinstrumente, mit       barem Wohnraum für Studierende soll gefördert
werden. Neben einer Ausweitung der Teilzeit- und   denen junge Menschen am Studium gehindert            werden. Die Wiedereinführung des elternun-
Fernstudienangebote sollen Studierende finan-      werden“, ist in ihrem Wahlprogramm veran-            abhängigen BAföGs und eine Anpassung der
ziell besser unterstützt werden. Das bisherige     kert. Darüber hinaus fordert sie ausreichend         BAföG-Sätze an die heutigen Lebenshaltungs-
BAföG wird durch einen elternunabhängigen          Studienplätze für alle Studiengänge und Ab-          kosten sind weitere Ziele. //
Zuschuss von 300,- Euro monatlich ersetzt.
Studierende können zusätzlich ein zinsgünstiges
                                                   GRÜNE: „Studiengebühren                              SPD: „Studiengebühren bleiben
Studiendarlehen von bis zu 500,- Euro monatlich
                                                   erteilen wir eine klare Absage.“                     in NRW abgeschafft.“
beantragen. Darüber hinaus sollen Hochschulen
wieder Studienbeiträge einführen dürfen. Dabei        Laut dem Wahlprogramm der GRÜNEN bleibt              Die SPD fordert, dass finanzielle Hürden in
entscheiden die Hochschulen selbst, ob sie         das Studium weiterhin gebührenfrei. Dafür soll       Bezug auf das Studium abgebaut werden und
mit Studierenden sogenannte Studienverträge        das Land den Hochschulen dauerhaft mehr              lehnt jegliche Formen von Studiengebühren ab:
abschließen, mit denen sie den Studierenden        Mittel zur Verfügung stellen. Zusätzlich soll die    „Die von CDU und FDP geforderte Wiederein-
exzellente Studienbedingungen und verbind-         Grundfinanzierung der Studierendenwerke erhöht       führung von Studiengebühren wird es mit uns
liche Förderangebote zusichern. Die Einnahmen      werden, um Studierenden weiterhin günstigen          nicht geben.“ Das BAföG soll bedarfsgerecht
durch die Studienbeiträge sind zweckgebunden,      Wohnraum, preiswertes Mensaessen und gute            angepasst und dynamisiert werden. Die Gruppen
um die Studienbedingungen zu verbessern. Im        Sozialberatung bieten zu können. Die GRÜNEN          der Bezugsberechtigten sollen erweitert und
                                                   planen einen rechtsverbindlichen Anspruch auf        Lösungen für Menschen entwickelt werden, die
Gegenzug entrichten die Studierenden nach
                                                   einen Masterplatz. Für Lehramtsstudiengän-           sich im Übergang zwischen zwei Studiengängen
Abschluss des Studiums eine Erfolgsprämie an
                                                   ge soll eine kombinierte Zulassung zum Ba-           oder in einem Teilzeitstudium befinden. Darüber
die Hochschule. Diese darf maximal 500,- Euro
                                                   chelor und Master entwickelt werden, damit           hinaus soll günstiger Wohnraum für Studierende
pro absolviertes Semester umfassen. //
                                                   Absolvent*innen einen Masterplatz am gleichen        gefördert werden. Teilzeitstudiengänge sollen
                                                   Studienort zugesichert bekommen. Auch das            ausgebaut und mehr Masterplätze geschaffen
                                                   Teilzeitstudium soll weiter gefördert werden. //     werden. //
CDU: „Wir stellen die Hochschul-
freiheit wieder her.“
   Die CDU bewertet die Zeit des Hochschul-
freiheitsgesetzes als sehr erfolgreich und das            DIE GEW NRW FORDERT
darauffolgende Hochschulzukunftsgesetz als
rückwärtsgewandt. Studierenden soll aber wei-
                                                          /////////////////////// FREIEN ZUGANG ZUM STUDIUM!
terhin ein kostenfreier Zugang zur Hochschul-
                                                          Die GEW NRW bleibt bei ihrer Forderung nach einer bedingungslosen Gebührenfreiheit des
bildung ermöglicht werden, Studiengebühren
                                                          Hochschulstudiums. Der Zugang zur Hochschule darf nicht von den finanziellen Möglichkeiten
werden abgelehnt. Darüber hinaus wird eine                der Studierenden und ihrer Eltern abhängen, sondern muss allen offenstehen, die eine
breite Stipendienkultur zur Förderung beson-              Hochschulzugangsberechtigung erworben haben. Ob nun allgemeine Studiengebühren,
ders kluger Köpfe begrüßt. Die Kooperationen              Gebühren für ein Langzeit- oder Zweitstudium oder sogenannte Studienkonten – die GEW
                                                          NRW lehnt Studiengebühren in jeder Form ab. Darüber hinaus fordern wir eine strukturelle
zwischen Stiftungen und Universitäten sollen              Erneuerung der Ausbildungsförderung, die perspektivisch zu einem elternunabhängigen
unterstützt und die Wirtschaft aufgefordert               Studienhonorar weiterzuentwickeln ist.
werden, sich stärker finanziell zu engagieren.                                                    Julia Löhr, Jugendbildungsreferentin der GEW NRW
Die Stärkung der Vereinbarkeit von Studium
und Familiengründung ist ein weiteres Ziel. //
Fotos: micjan, suschaa, gb-photodesign.de / photocase.de
12 BILDUNG

Förderschulen mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung

Für gute Fördermöglichkeiten
an allen Förderorten
Mit dem 9. Schulrechtsänderungsgesetz hat die Landesregierung in NRW 2013 die                        Stellenzuweisung verringerte sich von zuvor
Weichen für schulische Inklusion gestellt. Entgegen aller Prognosen ist seitdem                      einer Lehrer*innenstelle für 7,83 Schüler*innen
der Anteil der Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf jedoch                            auf jetzt eine Lehrer*innenstelle für 9,92
nicht zurückgegangen. Das zeigt sich vor allem an Förderschulen mit dem För-                         Schüler*innen.
derschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (ESE). Diese Schulform zu                              Gleichzeitig wirkt sich ein intensivpädago-
schließen, steht über alle Parteigrenzen hinweg nicht mehr zur Debatte. Doch                         gischer Förderbedarf gemäß § 15 der Ausbildungs-
gutes Lernen und Lehren sind dort trotzdem schwierig geworden.                                       ordnung sonderpädagogische Förderung (AO-SF)
                                                                                                     für die Förderschule ESE nicht mehr bedarfser-
   Mit Inkrafttreten des 9. Schulrechtsände-       überschaubaren und gut strukturierten Lerngrup-   höhend aus. Vor 2014 wurden Schüler*innen
rungsgesetzes sowie der damit einhergehenden       pe neue Lernerfahrungen sowohl im sozialen als    mit einem nachgewiesenen intensivpädago-
Änderung der Verordnung zur Ausführung des         auch im emotionalen Bereich machen können.        gischen Förderbedarf noch mit einer eigenen
§ 93 Absatz 2 des Schulgesetzes haben sich von     Der Eindruck vieler Kolleg*innen an den För-      Schüler*innen-Lehrer*innen-Relation von 1 : 4,17
einem Schuljahr auf das andere die Rahmen-         derschulen ESE, dass die häufig vorkommende       gerechnet, jetzt fallen sie ebenfalls unter die
bedingungen an der Förderschule ESE deutlich       räumliche Enge sowie die gestiegenen Grup-        neue allgemeine Schüler*innen-Lehrer*innen-
verschlechtert.                                    pengrößen zu vermehrten Konflikten führen,        Relation im LES-Bereich.
                                                   scheint vor diesem Hintergrund sehr plausibel.        Diese deutlichen Verschlechterungen hat das
Größere Lerngruppen
                                                                                                     Schulministerium erkannt. Das Land versucht
in zu kleinen Klassenräumen                        Gesunkene Personalressource
                                                                                                     daher durch zusätzliche Stellen, ausgezeichnet
   Wurden zuvor im Schnitt elf Kinder bei              Seit 2014 hält das Land NRW für die För-      als Mehrbedarfe, die deutlich geringeren Per-
einem Klassenhöchstwert von 14 Kindern in          derung von Kindern mit sonderpädagogischem        sonalressourcen gerade an den Förderschulen
einer Lerngruppe unterrichtet, sind es seit dem    Unterstützungsbedarf in den Bereichen Lernen,     ESE auszugleichen. Hierbei soll der „Mehrbedarf
Schuljahr 2014 / 2015 bis zu 17 Kinder. Dies       Sprache und emotionale und soziale Entwick-       I“, der Brüche in der Unterrichtsversorgung
wirkt sich im Schulalltag massiv aus: Bereits im   lung ein Stellenbudget vor, das sowohl die        vermeiden soll und aktuell landesweit sehr
dritten Jahr nach der Schulrechtsänderung ist      Personalressource im Gemeinsamen Lernen           unterschiedlich eingesetzt wird, in den nächs-
ein Großteil der Lerngruppen größer als es im      als auch die an den Förderschulen abdecken        ten Schuljahren sukzessive abgebaut werden.
Schuljahr 2013 / 2014 noch zulässig war. In        soll. Allerdings reicht die Größe derzeit nicht   Perspektivisch wird das noch einmal zu einer
immer mehr Lerngruppen werden mittlerweile         aus, um eine angemessene Förderung an allen       weiteren Verschärfung der Situation an den
15 und mehr Kinder gemeinsam gefördert. Da         Förderorten zu gewährleisten. Daher fordert die   betroffenen Förderschulen führen. Die Vertei-
viele Förderschulen ESE ursprünglich für klei-     GEW NRW eine Aufstockung dieses Stellenbud-       lung der Stellen aus dem Bereich „Mehrbedarf
nere Klassen gebaut wurden, führt dies neben       gets um 7.000 Stellen.                            II“ – vorgesehen für Maßnahmen zur Förde-
vielen anderen Problemen häufig zu deutlich           Mit der Einführung des Stellenbudgets für      rung von Kindern mit intensivpädagogischem
zu kleinen Klassenräumen.                          den Bereich der Lern- und Entwicklungsstö-        Förderbedarf – erfolgt ebenfalls landesweit
   Gerade Kinder mit einem Unterstützungsbe-       rungen (LES) wurde auch eine einheitliche         sehr unterschiedlich und teilweise intranspa-
darf im Bereich der emotionalen und sozialen       Schüler*innen-Lehrer*innen-Relation festge-       rent, ohne festgelegte Kriterien seitens des
Entwicklung benötigen zumindest zeitweise          legt, die eine Verschlechterung für den Bereich   Ministeriums. Auch reicht der Umfang dieses
einen Schonraum, in dem sie in einer kleinen,      ESE von circa 27 Prozent mit sich brachte. Die    Mehrbedarfstopfes bei Weitem nicht aus, um
nds 4-2017 13

eine qualitativ angemessene Förderung sicher-      ner ausreichenden Besetzung mit sonderpä-          positive Lernerfahrungen sowohl im schulischen
zustellen. Das Problem der größeren Klassen        dagogischen Lehrkräften multiprofessionelle        als auch im sozialen und emotionalen Kontext
wird so nicht gelöst.                              Teams – analog zu den Teams, die schon zur         angebahnt und gefestigt werden.
                                                   Integration neu zugewanderter Schüler*innen           Daher fordert die GEW NRW auch, dass die
Veränderte Schüler*innenschaft
                                                   an Regelschulen existieren. So könnten die         Klassenfrequenzrichtwerte an den Förderschu-
   Durch eine zunehmend auch inklusive Be-         Kinder die individuelle, qualitativ angemessene    len ESE sowie den Verbundschulen mit dem
schulung von Kindern mit dem Unterstützungs-       und teils intensivpädagogische Unterstützung       Förderbedarf ESE wieder deutlich verringert
bedarf im Bereich der emotionalen und sozialen     tatsächlich erhalten, die sie benötigen – dazu     werden und mindestens die alte Schüler*innen-
Entwicklung an Schulen des Gemeinsamen             gehören etwa Präventionsprogramme, Psycho-,        Lehrer*innen-Relation wieder eingeführt wird.
Lernens – die amtlichen Schuldaten aus NRW         Spiel-, Sprach- und Ergotherapie.                  Außerdem muss sich auch im Bereich der emo-
zum Schuljahr 2015 / 2016 verzeichnen einen                                                           tionalen und sozialen Entwicklung ein intensiv-
Anstieg um etwa 32 Prozent – hat sich auch die     Qualität der sonderpädagogischen För-
                                                                                                      pädagogischer Förderbedarf nach § 15 AO-SF
Problematik der Kinder verändert, die weiterhin    derung an allen Förderorten ausbauen
                                                                                                      wieder bedarfserhöhend auswirken.
an Förderschulen ESE unterrichtet werden. Viele       Mit der Ratifizierung der UN-Behinderten-          Nur durch verbesserte Rahmenbedingungen
Kolleg*innen berichten von immer komplexeren       rechtskonvention hat sich Deutschland dazu         kann dem Recht der Kinder nach einer an-
Auffälligkeitsbildern, von einem immer höheren     verpflichtet, gesellschaftliche Teilhabe auch      gemessenen Förderung entsprochen werden.
psychologischen Therapiebedarf sowie einem         von Menschen mit Behinderung zu stärken. Der       Und auch die Kolleg*innen, die diese Kinder
deutlich angestiegenen Aggressionspotenzial.       Besuch einer allgemeinen Schule stellt dabei       fördern, benötigen für ihre Arbeit bessere Rah-
Auch wenn eine Gesamtauswertung der aktu-          nur einen Teil der Forderungen der Konvention      menbedingungen, um nicht täglich bis an die
ellen COPSOQ-Erhebung nach Förderschultypen        dar (Artikel 24 Absatz 2). Vielmehr geht es auch   Belastungsgrenze und darüber hinaus gehen
leider nicht vorliegt, scheinen Einzelergebnisse   um eine Bildung, die sich an der Erfüllung der     zu müssen und ihren Beruf auch weiterhin
dieser Erhebung psychischer Belastungen am         Bedürfnisse aller Lernenden orientiert. Eine       gesund ausüben zu können. Dies ist laut § 3
Arbeitsplatz die Berichte der Kolleg*innen aus     angemessene, individuelle und sonderpädago-        des Arbeitsschutzgesetzes übrigens eine Grund-
den Schulen zu untermauern. Hinzu kommt ak-        gisch fundierte Förderung von Schüler*innen        pflicht des Landes NRW als Arbeitgeber aller
tuell noch, dass immer wieder auch Kinder aus      mit dem Unterstützungsbedarf im Bereich der        Lehrer*innen. //
inklusiven Settings an die Förderschule zurück-    emotionalen und sozialen Entwicklung bedarf
kehren, da sie unter den Rahmenbedingungen         passender Rahmenbedingungen an allen För-
an der Regelschule nicht angemessen gefördert      derorten. Nur so kann auf Dauer die gesell-
werden konnten. Diese Misserfolgserlebnisse        schaftliche Teilhabe von Kindern mit diesem        www.    GEW NRW: Aktuelles und Hintergründe zu
führen dann häufig zu einem noch verstärkten       Unterstützungsbedarf sichergestellt werden.                Förderschulen und Gemeinsamem Lernen
Auftreten der gezeigten Problematiken.                Ein solcher Förderort kann aktuell neben der            www.gew-nrw.de/foerderschule-
                                                                                                              gemeinsames-lernen
   Die COPSOQ-Ergebnisse stützen Berichte          Regelschule aber auch noch die Förderschule
von Kolleg*innen darüber, dass sie in ihrer        sein. Gerade Kinder, die einen erheblichen
täglichen Arbeit an der Förderschule ESE bis       sonderpädagogischen Förderbedarf aufweisen,
an die Grenze ihrer gesundheitlichen Belastung     benötigen – mindestens temporär – eine sehr                      Stephan Osterhage-Klingler
gehen – und teilweise darüber hinaus. Um           individuelle Förderung in einer kleinen, gut                     Bezirksfachgruppe Sonderpädago-
                                                                                                                    gische Berufe im Regierungsbezirk
Schüler*innen mit diesem extremen Unter-           strukturierten Lerngruppe mit der Möglichkeit,
                                                                                                                    Detmold und Mitglied im Referat C
stützungsbedarf gerecht werden zu können,          sehr individuell auf sie eingehen zu können.                     (Schulrecht, Bildungsfinanzierung und
brauchen auch die Förderschulen neben ei-          Nur unter diesen Rahmenbedingungen können                        -statistik) der GEW NRW
14 BILDUNG

                                                                                                                                                            Fotos: andrey-fo, inkje, ruewi / photocase.de
Geflüchtete in Dortmund

Schaffen wir das?
Dortmund gehörte 2015 zu den zentralen Schauplätzen der „Willkommenskultur“.                           Geflüchteten ist, desto positiver und entspannter
Tausende Menschen aus vielen Krisengebieten der Welt erlebten hier ihr Ankom-                          äußern sich viele der Interviewpartner*innen.
men im Westen. Wie sieht es etwas über ein Jahr danach aus? Wie hat sich die                              Bei den Gegner*innen handelt es sich eben-
Stadtgesellschaft durch die Geflüchteten verändert? Eine Studierendengruppe                            falls nicht um eine einheitliche Gruppe. Einige
der Fachhochschule Dortmund hat sich auf die Suche nach Antworten begeben.                             argumentieren aus politischer Überzeugung
Hoffnungsvolle Zeichen im Jahr danach.                                                                 gegen jeden Zuzug von Geflüchteten. Andere
                                                                                                       treiben eher Angst und Unsicherheit. Sie haben
   Die Dortmunder Stadtgesellschaft und -ver-      Stadtbild „schluckt“ somit die neu Zugewan-         Angst vor negativen Veränderungen in ihrer
waltung standen im Sommer 2015 vor riesigen        derten, ohne sich stark zu verändern. Dies ist      Stadt, etwa vor einer Zunahme von Gewalt oder
Herausforderungen: Innerhalb von Stunden           der positive Aspekt.                                vor Konkurrenz um Ressourcen, zum Beispiel
musste eine Logistik für das Nötigste zur Ver-        Der kritische zweite Punkt ist jedoch, dass      auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt. Das gilt
fügung gestellt werden. Turnhallen wurden zu       es bisher auch nur sehr wenige Beispiele für        auch für Menschen mit Migrationshintergrund.
Schlafsälen umfunktioniert, Notaufnahmen           ein gelungenes Zusammenleben „auf Augen-
geschaffen. Viele Dortmunder Schulen reagierten    höhe“ gibt. Zumeist bleiben die Geflüchteten
mit Auffangklassen, improvisierten zunächst und    sowie die Einheimischen noch unter sich. Die
trugen so ihren Teil zur Chaosbewältigung bei.     staatlichen Stellen und die vielen freiwilligen       Zum Weiterlesen
   Etwas mehr als ein Jahr später ist das Chaos    Helfer*innen sind zwar Brückenbauer*innen             Dierk Borstel, Stephanie Szczepanek (Hrsg.):
vorbei, Notunterkünfte konnten geschlossen         einer neuen Gesellschaft des gemeinsamen
werden und die Zahl der Neuankömmlinge ist         Zusammenlebens. Noch gibt es jedoch sehr              Perspektiven auf Flüchtlinge
gesunken. Es ist wieder Alltag eingekehrt. Hat     viele Hindernisse: Sprachbarrieren, Unsicher-         in Dortmund
sich darin aber etwas verändert? Wie gestaltet     heiten im Asylverfahren, formale Hürden oder
sich heute das Zusammenleben in der Stadt          eine Konzentration des Zuzugs in bestimmten
mit den Geflüchteten? Welche Probleme tau-         Stadtteilen. Ob ein Zusammenwachsen tatsäch-                          epubli Verlag, 2017
chen auf, was gelingt gut? Um diese Fragen zu      lich gelingt, ist noch völlig offen.                                  ISBN: 978-3-7450-3554-4
beantworten, starteten Studierende der Fach-                                                                             276 Seiten
                                                   These 2: Es gibt eine starke                                          10,99 Euro
hochschule Dortmund ein Forschungsprojekt,
                                                   Polarisierung – dafür oder dagegen!
dessen Ergebnisse nun vorliegen. Das Erfreuliche                                                         Dortmund gehörte 2015 und 2016 zu den deut-
vorweg: Entgegen vieler Unkenrufe konnte der          In nahezu allen Reportagen, die die Studieren-     schen Städten, in denen die meisten Geflüchte-
                                                   den für das Projekt zusammengetragen haben,           ten ankamen. Von hier aus wurden tausende
organisierte Rechtsextremismus bisher nicht                                                              Menschen weitergeschickt. Andere kamen, um
profitieren.                                       wird von einer starken Polarisierung innerhalb        in Dortmund zu bleiben. In der Bevölkerung
                                                   der Dortmunder Bevölkerung berichtet. Der             regte sich sofort rege Anteilnahme und Unter-
These 1: Für viele hat sich konkret im             Zuzug der Geflüchteten wird begrüßt oder ab-          stützung in der sogenannten „Willkommenskul-
Alltag nur sehr wenig verändert.                                                                         tur“. Schnell waren aber auch kritische Stimmen
                                                   gelehnt. Moderierende Stimmen zwischen den
                                                                                                         in der Stadt zu hören. Dieses Buch fragt – im
   Die Geflüchteten sind da, aber die meisten      beiden Positionen sind selten. Dabei variieren        Jahr danach – nach den Perspektiven in der Dort-
Bürger*innen sehen sie nicht. Das hat vermut-      die Argumente und Motive innerhalb der beiden         munder Bevölkerung auf die Flüchtlinge in ihrer
lich sehr unterschiedliche Gründe. Zum einen       Pole. Einige Befürworter*innen argumentieren          Stadt. Wie werden sie wahrgenommen? Welche
                                                                                                         Erfahrungen gibt es im Alltag? Hat sich was
existieren noch viele Vorstellungen davon, wie     mit der Macht des Faktischen: Geflüchtete kämen       verändert? Gibt es Konflikte? Gibt es positive
„Kriegs- oder Armutsflüchtlinge“ vermeintlich      nun mal und das sei besonders im Falle eines          Erfahrungen? Eine studentische Projektgruppe
aussehen, die mit der Realität schon lange         Krieges auch nachvollziehbar. Dieser Prozess sei      der Fachhochschule Dortmund hat sich dazu auf
                                                                                                         eine Reise in die Dortmunder Stadtgesellschaft
nichts mehr zu tun haben. Zum anderen ist          zu gestalten. Andere Befürworter*innen argu-
                                                                                                         begeben und in 30 Reportagen die Sichtweisen
Dortmund sowieso schon seit Jahrzehnten von        mentieren moralisch oder mit religiösen Motiven.      zusammengetragen und analysiert.
Vielfalt und Migration geprägt. Das bisherige      Dabei fällt auf: Je konkreter der Kontakt zu
Sie können auch lesen