Perspektiven für moderne Schulsozialarbeit
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2-2016 (Un-)Politische Jugend? Traum von der Ausbildungsgarantie Inklusion: kommunale Verantwortung Der (Lehr-)Körper im Fokus Den Generationenwechsel gendern DIE ZEITSCHRIFT DER BILDUNGSGEWERKSCHAFT Erfolgreiche Lehrerratsarbeit 68. Jahrgang Februar 2016 ISSN 0720-9673 Perspektiven für moderne Schulsozialarbeit K 5141
Illustration: artmeetsgraphik, tai111 / fotolia.com PERSONALRATSWAHLEN 2016 Starke Interessenvertretung Bei den Personalratswahlen im Mai 2016 wählen Sie Ihre direkten und regelmäßige Absprachen. Dafür brauchen alle KollegInnen Vertretungen: die Örtlichen Personalräte bei den Schulämtern Zeit, die ihnen als Teil der Arbeitszeit angerechnet werden muss. (Grundschule), die Bezirkspersonalräte bei den Bezirksregie- Die GEW NRW fordert in einem ersten Schritt den Ausbau der rungen (alle Schulformen) und die Hauptpersonalräte beim Schulsozialarbeit an allen Schulen mit mindestens einer unbefris- Ministerium (alle Schulformen). teten Vollzeitstelle je 150 SchülerInnen. STARK AUFGESTELLT Personalräte setzen sich für die Interessen und die Rechte aller Beschäftigten des Landes an unseren Schulen ein. Dazu gehören neben den LehrerInnen auch SchulsozialarbeiterInnen, befristet Beschäftigte, LehramtsanwärterInnen, Lehrkräfte für herkunfts- sprachlichen Unterricht (HSU), FachlehrerInnen und Werkstatt- lehrerInnen. Auf vielen Listen der GEW NRW kandidieren neben beiden Beschäftigungsgruppen – Tarifbeschäftigte und verbeam- tete KollegInnen – auch Lehrkräfte und Beschäftigte anderer Professionen. Gewerkschaft wirkt STARK VERNETZT Die GEW NRW ist Tarifgewerkschaft und als solche kompe- Schulen verändern sich, Arbeitsbedingungen verändern sich, tente Partnerin für alle Beschäftigten. Viele Beschäftigte in längst befinden sich die Kollegien an den Schulen auf dem Weg Schule sind tarifbeschäftigt. Für ihre Belange ist die GEW zu multiprofessionellen Teams. Inklusion und die Bildung von NRW die richtige Partnerin, wenn es um Fragen zum Tarif- SchülerInnen, die geflüchtet oder zugewandert sind, stellen die recht, aber auch zur Rente geht. Als Schulen vor große Herausforderungen. Zur Bewältigung dieser Tarifgewerkschaft kümmern wir uns Aufgaben brauchen wir multiprofessionelle Teams an den nicht nur um Besoldung und Dienst- Schulen, zu denen neben SchulsozialarbeiterInnen auch Schul- recht. Wir setzen uns für eine gerechte psychologInnen und weitere Beschäftigte gehören. Alle Kolle- Bezahlung aller Beschäftigten ein. Alle gInnen, egal welcher Profession, die an Schule arbeiten, SchulsozialarbeiterInnen brauchen brauchen eine starke und kompetente Interessenvertretung. Die tariflich gesicherte Arbeitsbedingungen. Personalräte der GEW NRW setzen sich für Sie ein. Die Bildungs- Maike Finnern gewerkschaft ist Interessenvertretung für alle Beschäftigten in Vorsitzende der Personalratswahlkampfkommission Schule! Die Arbeit in multiprofessionellen Teams erfordert gute der GEW NRW
nds 2-2016 3 Beziehungsarbeit auf allen Ebenen Schulsozialarbeit als ein kontinuierliches Jugendhilfeangebot im System Schule für alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach den Grundlagen der Sozialen Arbeit – das ist zeitgemäße Schulsozialarbeit! Schule braucht – heute mehr denn je – multiprofessionelle Fachkompetenz bei der Erfüllung des ganzheitlichen Bildungsauftrags. Die wenigen personellen Ressourcen der Schulsozialarbeit, auf die wir kommunal, landes- und bundesweit blicken, sind oftmals überlastet, weil sie in vielen aktuellen ganzheitlichen Bildungsfragen unterstützen sollen. Heike Niemeyer Diese Ressourcen müssen dringend und ohne Projektstatus ausgebaut werden, damit die Koo- peration von Jugendhilfe und Schule an dieser Stelle zunehmend präventiv und nicht nur nach Trägerübergreifende „Feuerwehrmanier“ funktionieren kann. Koordinierungsstelle Schulsozialarbeit der Qualität und Kontinuität sichern – zum Beispiel in Dortmund Stadt Dortmund Schulsozialarbeit ist seit 2005 ein wichtiger Baustein in der Weiterentwicklung der kommunalen Bildungslandschaft in Dortmund. Diese Grundhaltung hat sich auch mit den aktuellen Herausfor- derungen im System Schule nicht verändert. An Dortmunder Schulen sind SchulsozialarbeiterInnen kontinuierlich in Schule tätig. Sie leisten aber auch darüber hinaus wichtige Netzwerkarbeit im Sozialraum und finden außerschulische Kooperationsmöglichkeiten, die der Förderung und dem Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen dienen. So spielt Schulsozialarbeit als ein Baustein von Schulentwicklung eine bedeutende Rolle. In Dortmund haben sich die „Kooperationsvereinbarung zum Einsatz von Schulsozialarbeit an Dortmunder Schulen“ zwischen Land, Stadt und den freien Trägern sowie das „Rahmenkonzept für Schulsozialarbeit an Dortmunder Schulen“ bewährt. Sie bilden eine Grundlage zur träger- übergreifenden Qualitätssicherung. Zusätzlich unterstützt der Fachbereich Angewandte Sozial- wissenschaften der Fachhochschule Dortmund, mit dem 2009 eine Kooperationsvereinbarung geschlossen wurde, die qualitative Weiterentwicklung der Schulsozialarbeit. Die Trägerübergreifende Koordinierungsstelle Schulsozialarbeit – angesiedelt im Fachbereich Schule – begleitet die Quali- tätsentwicklung und -sicherung. Sie bietet trägerübergreifend Fachberatung, multiprofessionelle Fortbildungen, Qualitätszirkel und Kooperationstreffen für die Träger der Schulsozialarbeit an. Die Koordinierungsstelle versteht sich als eine Servicestelle für Schulsozialarbeit und hat ihre Ange- botspalette über die Jahre kontinuierlich weiterentwickelt und etabliert. Soziale Arbeit bedeutet immer Beziehungsarbeit – auch auf Seite der Träger ist dies eine zentrale Gelingensbedingung für erfolgreiche Schulsozialarbeit! Sichere Beschäftigungsverhältnisse schaffen Um den gegenwärtigen Herausforderungen gerecht zu werden, braucht Schulsozialarbeit allerorts entfristete Arbeitsverträge, damit Fachkräfte, die in der Begleitung Sicherheit und Ori- entierung geben sollen, selbst eine gesicherte Existenz haben. Zudem brauchen wir bundesweit endlich eine angemessene Anzahl von SchulsozialarbeiterInnen in Schulen, die den zunehmenden Herausforderungen und den unterschiedlichen Arbeitsfeldern im System Schule entspricht. Exper- tInnen empfehlen ein Betreuungsverhältnis von mindetens 1 : 180 – das wäre ein guter Anfang und würde zu einer präventiven Qualitätsentwicklung beitragen. Schule als ein Lebensort, der die Vielfalt junger Menschen berücksichtigt, der sich der Förde- rung von Persönlichkeit und Potenzialen widmet, braucht ein multiprofessionelles Team, zu dem auch die Schulsozialarbeit gehört. Nur so kann es gelingen, jedes Kind mitzunehmen. Zumal die Vielfalt der jungen Menschen in unserem Land gerade immer bunter wird und das ist gut so! // Heike Niemeyer
4 INHALT THEMA punktlandung 2016.1: Mach‘ Krach! 17 ff. Gewerkschaften: Erfolgsprinzip oder Auslaufmodell? Shell Jugendstudie 2015: (Un-)Politische Jugend? Generationenwechsel im DGB: Stärker von den Aktiven aus denken Best Practice: Nur Chuck Norris S. 17 übernimmt sich selbst Best Practice: Children of the GEWolution SeminarsprecherIn werden: Bestimme selbst, wie es läuft! S. 8 Ausbildung und Studium für Schulsozialarbeit BILDUNG im Wandel: Spezialisiert und vernetzt Migrationsspezifische Schulsozialarbeit: 8 Fundament für eine erfolgreiche Schullaufbahn 10 Bochumer Memorandum 2011 bis 2017: Der Traum von der Ausbildungsgarantie 12 Inklusion und kommunale Verantwortung: Das Tempo an das Leistbare anpassen 14 Über die Aktualität von Gedenkstättenfahrten: Lehren über den Holocaust 15
nds 2-2016 5 ARBEITSPLATZ Körperlichkeit im Referendariat: Der (Lehr-)Körper im Fokus 26 Gestaltung des Generationen- wechsels: Wir gendern das! 28 Rechtsgutachten der GEW NRW: Besoldungsgesetz jetzt ändern! 29 Co-Management und Kommuni- kation: Lehrerräte setzen sich ein30 Personalratswahlen 2016: S. 26 Vertrauensvolle Unterstützung 32 Aktion „Neujahrsrede“: Tarif- beschäftigte Lehrkräfte fordern bessere Bezahlung 33 In der Heftmitte dieser Ausgabe finden die GEW-Mit- glieder aus dem Schulbereich eine aktualisierte Neu- auflage des Ratgebers „Arbeitsplatz Schule“. Sollte der Ratgeber in Ihrer Ausgabe versehentlich fehlen, wenden Sie sich bitte an: versand@gew-nrw.de. S. 30 IMMER IM HEFT nachrichten6 kino16 weiterbildung 33 / 38 infothek34 jubilare37 termine 37 / 38 S. 12 impressum39
6 NACHRICHTEN Schulfinanzierung: Ungleiches ungleich behandeln! ENTSCHEIDUNGSBASIS FÜR DIE ZUWEISUNG Schulen mit hohem Zuwandereranteil und in sozial benachteiligten ZUSÄTZLICHER LEHRKRÄFTE Stadtteilen brauchen zusätzliche Lehrkräfte. Doch die Mittel hierfür sind Die Angaben für das Saarland beziehen sich nur auf Grundschulen, in allen vielerorts zu gering. Um den individuellen Bedarf einer Schule verläss- anderen Bundesländern sind es sowohl Grund- als auch Sekundarschulen. lich zu ermitteln, braucht es aussagekräftige Indikatoren wie soziale Benachteiligung und Sprachförderbedarf. Die Analyse des Forschungs- bereichs beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration „Ungleiches ungleich behandeln!“ zeigt, dass nur ein Teil der Bundesländer landesweit einheitliche Indikatoren anwendet. Zudem fehlen aussagekräftige auf die einzelne Schule bezogene Daten. Für eine bedarfsgerechte Schulfinanzierung ergeben sich drei zentrale Handlungsempfehlungen. Erstens: Jedes Bundesland sollte – etwa mit schulscharfen Daten oder amtlichen Sozialraumdaten – eine einheitliche Datenbasis schaffen, um den Mehrbedarf einzelner Schulen transparent und vergleichend messen zu können. Zweitens: Das Urteil der örtlichen größtenteils datenbasiert Schulbehörden sollte ergänzend genutzt werden, um akuten Mehrbedarf teilweise datenbasiert rechtzeitig zu erkennen und zu decken. Drittens: Es sollte regelmäßig kaum datenbasiert überprüft werden, ob die zusätzliche Förderung bei den SchülerInnen ankommt. www.tinyurl.com/SVR-Lehrerzuweisung hei / SVR Quelle: SVR-Forschungsbereich, Policy Brief des SVR-Forschungsbereichs 2016-1 Happy Birthday Gute Arbeit für junge Beschäftigte Der Mindestlohn feiert Geburts- Die DGB-Jugend hat die sechste bundesweite Sonderauswertung des Begreifen tag: Nach einem Jahr mit branchen- Index Gute Arbeit „Arbeitsqualität aus der Sicht von jungen Beschäf- zum Eingreifen übergreifend mindestens 8,50 tigten“ veröffentlicht. Befragt wurden bundesweit 1.382 Jugendliche www. Euro Stundenlohn zieht der DGB unter 35 Jahren. Die wichtigste Erwartung junger Menschen an ihren Arbeitsmarktintegration Bilanz. „Der Mindestlohn ist ein Arbeitgeber ist die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Genauso wichtig ist Eine erfolgreiche Integra- arbeitsmarktpolitischer Meilenstein. vielen, sich selbst mit eigenen Ideen einbringen zu können und eine tion geflüchter Menschen in Seit einem Jahr profitieren rund 3,6 nützliche und gesellschaftlich sinnvolle Arbeit zu haben. Gute Arbeit ist Deutschland gelingt nur, wenn ihnen Perspektiven auf dem Millionen Menschen von der gesetz- für junge Beschäftigte jedoch noch in weiter Ferne, hier offenbart die Arbeitsmarkt geboten werden. lichen Lohnuntergrenze“, sagte DGB- Auswertung Handlungsbedarf: So haben zum Beispiel 31 Prozent von „Arbeit sichert soziale Teilhabe Vorstandsmitglied Stefan Körzell. ihnen ein monatliches Bruttoeinkommen von weniger als 1.500,- Euro im und ist eine wichtige Grundlage, um den Lebensunterhalt eigen- Die Webseite www.dgb.de/schwer- Monat, nur 25 Prozent arbeiten in einem unbefristeten Vollzeitverhältnis ständig bestreiten zu können“, punkt/1-jahr-mindestlohn erklärt, und verdienen mehr als 2.500,- Euro monatlich. 52 Prozent der jungen erklärt Dr. Stefanie Janczyk, was von den Mythen der Gegne- ArbeitnehmerInnen fühlen sich bei der Arbeit „sehr häufig“ oder „oft“ Vorstandsmitglied der IG Metall. rInnen geblieben und warum die gehetzt oder unter Zeitdruck, das führt häufig zu Qualitätsabstrichen. Menschenmesserideologie www. Kaufkraft gestiegen ist.krü www.tinyurl.com/DGB-Arbeitsqualitaet hei / DGB Allerorten wird vermessen, bewertet, zertifiziert. PISA ist überall. Doch was geschieht Beliebtes Fach Schwung in LABG-Debatte hier überhaupt? Leiden immer 12.000 junge Menschen ha- Mit einer Tagung am 26. Januar 2016 hat die GEW NRW – koordiniert mehr SchülerInnen und Leh- rerInnen am Bildungssystem, ben im Studienjahr 2014 / 2015 vom Landesausschuss der Studierenden und gemeinsam mit verschie- weil dasselbe bisher einfach zu ein erziehungswissenschaftliches denen Bündnispartnern – den Diskurs zur anstehenden Novellierung des wenig vermessen worden ist? Bachelor-Studium aufgenommen – Lehrerausbildungsgesetzes (LABG) aufflammen lassen. Nachdem Torsten Erziehungswissenschaftler Hans Brügelmann im Interview. so viele wie nie zuvor. Der Daten- Bultmann vom Bund demokratischer WissenschaftlerInnen die aktuelle report der Deutschen Gesellschaft Debatte um die Lehrerausbildung historisch eingeordnet hatte, wurden www. Gerechte Steuerabgaben für Erziehungswissenschaft (DGfE) wissenschaftlich fundiert durch Vorträge von Prof. Dr. Heinz Sünker, Im Jahr 2013 besaßen die obe- bestätigt: Mehr als 50.000 Studie- Universität Wuppertal, und Mandy Gratz, freier zusammenschluss von stu- ren zehn Prozent der Haushalte rende waren in einem Hauptfach dentInnenschaften, die grundsätzliche Ausrichtung des Lehramtsstudiums in Deutschland fast 52 Prozent der Erziehungswissenschaft ein- und Inklusion als Herausforderung für die Lehrerausbildung diskutiert. des Nettovermögens. Gleichzei- tig werden diese fast nirgendwo geschrieben – davon über 38.000 In der Diskussion mit Landtagsabgeordneten wurde der LABG-Entwurf steuerlich so stark geschont wie im Bachelor und über 13.000 im scharf kritisiert, denn eine Masterplatzgarantie enthält er nicht, er verbietet hierzulande. Der DGB kämpft Master. Knapp 80 Prozent von ih- bestimmte Fächerkombinationen und bringt nur minimale Verbesserung für eine gerechte Besteuerung. nen sind Frauen. krü / DGfE für Studierende in auslaufenden Studiengängen. Marvin Weißmann
nds 2-2016 7 KOSTENFREIE NACHHILFE NACH VERSCHIEDENEN SCHULARTEN Angaben von Eltern zum Schuljahr 2014 / 2015 in Prozent insgesamt nach Organisationsform N = 579 keine Angaben 20 5 Halbtagsschulen 25 69 26 offene Ganztagsschulen kostenpflichtig 34 gebundene Ganztagsschulen Quelle: Bertelsmann Stiftung „Nachhilfeunterricht in Deutschland: Ausmaß – Der Frauenausschuss des DGB NRW unterstützt den Forderungskatalog, der unter dem Wirkung – Kosten“, 2016 Hashtag #ausnahmslos veröffentlicht wurde. Foto: DGB NRW Ganztag statt klassischer Nachhilfe Hashtag #ausnahmslos Die Ende Januar 2016 vorgelegte Studie der Bertelsmann Stiftung Für GewerkschafterInnen ist der Einsatz gegen Sexismus Teil ihres untersucht Ausmaß, Wirkung und Kosten des Nachhilfeunterrichts. Bildungs- Grundverständnisses. Der Frauenausschuss des DGB NRW unterzeichnete forscher Prof. Dr. Klaus Klemm und Erziehungswissenschaftlerin Dr. Nicole jetzt den Forderungskatalog, den das Bündnis „#ausnahmslos“ – darun- Hollenbach-Biele haben dazu Anfang 2015 über 4.000 Eltern befragt. ter Journalistin Kübra Gümüsay, Autorin Anne Wizorek und Bloggerin Bundesweit investieren sie im Durchschnitt 87,- Euro monatlich in Nach- Emine Aslan – veröffentlicht hat. Insbesondere nach den Ereignissen hilfestunden. Mit dem Wechsel von Grund- zu weiterführenden Schulen in der Silvesternacht in Köln muss die Forderung, die Schutzlücken im steigt der Nachhilfebedarf: Erhalten in der Grundschule knapp fünf Prozent Straftatbestand der sexuellen Nötigung sowie der Vergewaltigung zu der Kinder Nachhilfe, sind es in in der Sekundarstufe I und II insgesamt schließen, lauter denn je sein. Unter „Gegen sexualisierte Gewalt und rund 18 Prozent. Am häufigsten verbreitet ist die Lernunterstützung Rassismus. Immer. Überall. #ausnahmslos“ setzen sich die Verfasserinnen an Gymnasien (18,7 Prozent). Offensichtlich findet ein nennenswerter unter anderem für folgende politische Lösungen ein: Die Arbeit der Bera- Teil dessen, was befragte Eltern als Nachhilfeunterricht wahrnehmen, tungsstellen muss gestärkt und ihr Angebot ausgebaut werden. Zudem in Ganztagsschulen in Fördergruppen statt. Wenn diese Interpretation muss die Gesetzeslage angepasst werden, denn sexuelle Belästigung zutrifft, gelingt es dem Ganztag die Bedeutung des klassischen Nachhilfe- ist in Deutschland immer noch keine eigenständige Straftat. Auch eine unterrichts durch schulinterne Angebote zur individuellen Förderung geschlechtersensible Pädagogik kann (sexualisierter) Gewalt vorbeugen. zurückzudrängen, schlussfolgert die Studie. krü / Bertelsmann Stiftung www.ausnahmslos.org krü / Bündnis ausnahmslos Gleiche Besoldung für alle Lehrkräfte Integration beginnt in der Kita Am 22. Januar 2016 veröffentlichte die GEW NRW das Rechtsgutach- Anfang März 2015 besuchten in Nordrhein-Westfalen 539.150 Kinder ten zur Frage der Besoldungsgerechtigkeit der Lehrkräfte von Prof. Dr. unter sechs Jahren ein Angebot der Kindertagesbetreuung – davon Ralf Brinktrine, Universität Würzburg. Zusammen mit Dorothea Schäfer, hatte etwa jedes dritte Kind mindestens ein Elternteil, das nicht in Vorsitzende der GEW NRW, stellte der Jurist die Ergebnisse im Rahmen Deutschland geboren wurde. Bei annähernd jedem vierten Kind wird zu einer Landespressekonferenz vor. Zahlreiche PressevertreterInnen, darunter Hause überwiegend nicht Deutsch gesprochen. In Hamm (51,6 Prozent) die Deutsche Presse-Agentur dpa, stellten im Landtag NRW ihre Fragen. und Gelsenkirchen (49,2 Prozent) hatte Anfang März 2015 etwa jedes Diese konzentrierten sich unter anderem auf die Finanzierbarkeit der zweite betreute Kind mindestens ein Elternteil, das nicht in Deutschland Folgerung, die aus dem Gutachten zu ziehen ist: Grundschullehrkräf- geboren wurde. Die niedrigsten Anteile ermittelten die StatistikerInnen ten und Lehrkräften der Sekundarstufe I steht die gleiche Besoldung für die Kreise Coesfeld (10,2 Prozent) und Höxter (15,7 Prozent). Bei zu – nämlich A 13 Z. Prof. Dr. Ralf Brinktrine machte deutlich, dass es den Familien, die sich zu Hause überwiegend in einer Fremdsprache für den Gesetzgeber keine Option ist, aus Gründen der Sparpolitik die unterhalten, wiesen die Städte Gelsenkirchen (38,9 Prozent), Duisburg Besoldung nicht korrekt zu zahlen. Dorothea Schäfer zeigte auf, dass die (38,6 Prozent) und Wuppertal (34,1 Prozent) die höchsten Quoten auf. Rechtslage dem Gesetzgeber gebietet, die Einordnung aller LehrerInnen Umso wichtiger ist es, Zugewandete bereits im frühen Kindesalter zu in das zweite Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 (ehemaliger höherer integrieren: „Die Kita soll für alle Kinder offen sein – unabhängig davon, Dienst) vorzunehmen. Dies müsste der Landesregierung spätestens bei der ob sie einen Migrationshintergrund haben oder nicht. Vor allem für die Einführung der neuen Lehrerausbildung in 2009 klar gewesen sein. Die Kinder, die zu Hause mit der Familie kein Deutsch sprechen, kann und ausführliche Berichterstattung in der örtlichen wie länderübergreifenden muss die Kita der Ort sein, an dem sie mit der Sprache in Berührung Presse zeigte, dass die GEW NRW zur richtigen Zeit die Anerkennung des kommen. Sprache ist der Schlüssel für gute Integration von Anfang an“, Lehrberufs mit identischer Ausbildungsbiografie angesprochen hat. Mehr sagt dazu Joyce Abebrese, Referentin für Jugendhilfe und Sozialarbeit dazu ab Seite 29. Ute Lorenz der GEW NRW. krü / IT.NRW
Fotos: eritropel, .marqs /photcase.de 8 BILDUNG Ausbildung und Studium für Schulsozialarbeit im Wandel Spezialisiert und vernetzt Wie können die Ausbildung und das Studium für zukünftige SchulsozialarbeiterInnen attraktiver und zielführender gestaltet werden? Auch in Nordrhein-Westfalen beschäftigen sich Hoch- schulen seit einiger Zeit mit entsprechenden Modellen und Angeboten – zum Beispiel die Fachhochschule Dortmund. Vor einigen Semestern erreichte mich über die zu kompensieren oder in den an Schulen im- Vertiefendes Lernen ermöglichen Dortmunder Koordinatorin für Schulsozialarbeit, mer beliebter werdenden Trainingsräumen auf Moderne Schulsozialarbeit braucht vor allem Heike Niemeyer, folgende ungewöhnliche Anfra- „Kundschaft“ zu warten – also auf SchülerInnen, AbsolventInnen, die sich sehr gut vernetzen, ge: „Nicole, ich habe aufgrund der Investitionen die im Unterricht stören oder aus anderen analytisch denken und flexibel agieren können. im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes Gründen eine Auszeit brauchen, bei der die Sie sollen beraten und intervenieren können derzeit 80 freie Stellen in der Schulsozialarbeit Schulsozialarbeit sie begleiten soll. Auch sind und vor allem eine Schnittstellen- und Vermitt- zu besetzen. Kannst du mir gute AbsolventInnen sie keine Pausenaufsichten oder Spielzeug- lungsfunktion übernehmen. empfehlen?“ Eine derartige Anfrage gab es noch verleihdienste, sondern ernst zu nehmende Bei guten Rahmenbedingungen, wie unbe- nie und wird es sicher in Zukunft während mei- PartnerInnen in einem Netzwerk von allen an fristeten Vollzeitstellen, räumlicher, technischer ner Zeit als Hochschullehrerin auch nicht noch Schule beteiligten Personen. und finanzieller Ausstattung, einer Betreuungs- einmal geben. Diese Frage hat allerdings eine relation von 1:150 und einer kooperierenden An vielen Hochschulen nicht etabliert Welle von weiteren Gedanken ausgelöst, die sich Schulleitung sowie einem Kollegium, das un- um die Ausbildungsqualität der zukünftigen SchulsozialarbeiterInnen sollten kontinu- ierlich und am besten in gemischtgeschlecht- terstützend wirkt und Hilfe annehmen sowie SchulsozialarbeiterInnen drehen. lichen Teams an einer Schule tätig sein und geben kann, können und sollen Schulsozialarbei- Hochprofessionell, aber unterbezahlt mit Lehrkräften gemeinsam am ganzheitlichen terInnen auch präventiv und unterstützend ar- und unterschätzt Bildungs- und Erziehungsauftrag arbeiten. Als beiten und Einzelfallhilfen, sozialpädagogische Spätestens mit dem Bundeskongress Schulso- BeziehungsarbeiterInnen bedürfen sie einer Gruppenarbeiten und sozialraumorientierte zialarbeit, der am 4. und 5. Dezember 2015 an kontinuierlichen Präsenz in der Schule. Darüber Projekte anbieten. der Fachhochschule Dortmund stattfand, und hinaus leistet die Schulsozialarbeit wichtige Um das zu lernen, reicht ein grundständiges der dort proklamierten Forderung nach 60.000 Netzwerkarbeit mit außerschulischen Koopera- Studium nicht aus. Derzeit entwickeln die jewei- zusätzlichen Stellen ist deutlich geworden, dass tionspartnern im Sozialraum. In diesem Kontext ligen Fachbereiche daher sogenannte profilbil- die Schulsozialarbeit ein boomendes Arbeitsfeld kommt der Schulsozialarbeit auch als Baustein dende Bachelor- und/oder Masterstudiengänge. mit hohen Ansprüchen, Anforderungen und von Schulentwicklung eine bedeutende Rolle zu. Hierbei wird, wie beispielsweise an der Fach- Herausforderungen geworden ist. Um diese Aufgabe leisten zu können, reicht hochschule Dortmund seit einigen Semestern, Die immer noch zu einem großen Teil unterbe- ein grundständiger Bachelorabschluss Soziale interessierten Studierenden die Möglichkeit zahlte und dennoch hochprofessionell agierende Arbeit, wie er bisher die Basisausbildung der geboten, sich während des Studiums bereits und daher dringend benötigte und bisher häufig AbsolventInnen abbildet, nicht aus. Das Bache- mit für die Schulsozialarbeit relevanten Themen- nur als „Feuerwehr im Schulkontext“ wahrgenom- lorstudium Soziale Arbeit bereitet grundsätzlich bereichen vertiefend auseinanderzusetzen. mene Profession ist zu einer ernst zu nehmenden erst einmal auf alle Handlungsfelder der sozialen Für das von der Fachhochschule Dortmund Kooperationspartnerin geworden. Sie hat es sich Arbeit vor. Ob die Schulsozialarbeit nun explizit und der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozial- als Anwältin für Kinder, Jugendliche und junge dabei ist, hängt in ganz Deutschland von der arbeit NRW ausgestellte Zertifikat über den Erwachsene zur Aufgabe gemacht, als intensivste Stellensituation an Hochschulen und dem En- erfolgreichen Abschluss des Profils werden die Form der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und gagement einzelner KollegInnen ab, die dieses regelmäßige und erfolgreiche Teilnahme beschei- Schule zu agieren. Arbeitsfeld beforschen und dort lehren. Es ist nigt und die Noten der absolvierten Prüfungen Hiermit sei noch einmal deutlich hervorgeho- also durchaus möglich, dass StudentInnen der aufgeführt sowie die weiteren besuchten außer- ben: SchulsozialarbeiterInnen sind nicht dazu da, Sozialen Arbeit der Schulsozialarbeit während hochschulischen Veranstaltungen aufgelistet. Lehrkräften zu assistieren, Unterrichtsausfälle ihres Studiums gar nicht begegnen. Zu den Veranstaltungen gehören:
nds 2-2016 9 Nachgefragt Markus Klecker Pädagogischer Mitarbeiter im Fortbildungsdezernat der Bezirksregierung Arnsberg nds: Welchen Stellenwert hat Fort- und Weiterbil- dung in der Schulsozialarbeit? Markus Klecker: Da nur wenige Fachkräfte wäh- rend ihrer Ausbildung geahnt haben, später ein- mal am Arbeitsplatz Schule tätig zu sein, können Fortbildungen in der Schulsozialarbeit den not- wendigen Brückenschlag zwischen Sozialer Arbeit und Schulpädagogik bieten. Hinzu kommt, dass die Angebote einen besonderen Stellenwert in der Vernetzung der jeweiligen Fachkräfte haben, die in den jeweiligen Schulen ja häufig fachlich alleinge- stellt sind. ◆◆ Einführung in das Handlungsfeld Schulso- Gesellschaftliche Entwicklungen Im Sinne der Nachhaltigkeit richten sich Fort- bildungen der Dezernate für Lehreraus- und zialarbeit im Blick -fortbildung daher immer an bestehende Netz- ◆◆ Empirisches Forschungsprojekt zu einer Die meisten Bachelorstudiengänge haben sich werkgruppen oder beinhalten zum Beispiel in Forschungsfrage aus dem Handlungsfeld sicherlich auch auf die im Arbeitsfeld immer deut- Einstiegsfortbildungen die obligatorische Bildung Schulsozialarbeit von Peer-Gruppen, die auch nach Fortbildungsende licher werdende Heterogenität von Lerngruppen häufig weiterbestehen. Dies geschieht jeweils in ◆◆ Handlungs-, Sozial- und Selbstkompetenzen und die damit verbundenen Herausforderungen engem Dialog zwischen schulfachlichen Aufsichten in der Schulsozialarbeit und den Fortbildungsdezernaten mit der Zielset- eingestellt und zeigen in ihren theoretischen ◆◆ Grundlagen zur Gerechtigkeit im Bildungs- zung, die aufgabenspezifische Professionalisierung und empirischen Ausrichtungen und der klaren der Fachkräfte zu unterstützen. wesen Orientierung an der Praxis, dass sie die gesell- ◆◆ Einführung in Themen des Kindeswohls und Wie haben sich die Themen für die Fort- und Wei- schaftlichen Entwicklungen im Blick haben. Sie terbildung in den letzten Jahren verändert, ins- dessen Gefährdung sorgen zudem dafür, dass beispielsweise eine besondere in Hinblick auf migrationsspezifische ◆◆ Praxissemester (100 Tage Vollzeit) in einer Schulsozialarbeit? fundierte rechtliche Ausbildung und psycho- Schule Sowohl durch den Inklusionsprozess als auch durch logische Orientierung als auch soziologische ◆◆ Sozialpädagogische Projekte planen, durch- die Arbeit mit Migranten- und Flüchtlingskindern sowie politische Diskurse stattfinden können. rücken individuelle Unterstützungs- und Beratungs- führen, evaluieren An für das Arbeitsfeld an der Schnittstelle konzeptionen verstärkt in den thematischen Blick- ◆◆ Beratungskompetenzen zwischen Jugendhilfe und Schule hoch moti- winkel. In diesen Fortbildungen wird ein umfas- ◆◆ Konzeptentwicklung sender Blick darauf geworfen, wo Möglichkeiten vierten StudentInnen mangelt es sicher nicht, ◆◆ Netzwerkarbeit und Grenzen der Schulsozialarbeit in derartigen, eine Hürde zur Nachwuchsgewinnung könnten gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozessen ◆◆ Bachelorarbeit zu einem Thema der Schul- höchstens die immer noch nicht ausreichenden liegen. Dahingegen hat die ehemals zentrale Fra- sozialarbeit gestellung der Rollenklärung und konzeptionellen Rahmenbedingungen und die Zufälligkeit einer Zusätzlich zu diesen Veranstaltungen aus dem Verankerung sozialer Arbeit in Schulen deutlich an gezielten Ausbildung für diesen Beruf sein. // Bachelorstudiengang Soziale Arbeit werden Bedeutung verloren. erwartet: Wie unterstützt speziell das Fortbildungsdezer- ◆◆ die Teilnahme an mindestens einer Tagung nat in Arnsberg die Fachkräfte der Schulsozial- zum Themenfeld Schulsozialarbeit arbeit? ◆◆ die Teilnahme an mindestens einer externen Neben einer Einstiegsqualifizierung, die wir ent- LWL: Jugendhilfe-aktuell, Schwerpunkt- sprechend der Einstellungen in den Landesdienst Veranstaltung der Landesarbeitsgemeinschaft PDF thema Schulsozialarbeit (Ausgabe 2/2011) regelmäßig anbieten, ist für uns die Planungs- Schulsozialarbeit NRW (LAG Schulsozialarbeit) www.tinyurl.com/Jugendhilfe-aktuell gruppe „Schulsozialarbeit“ tätig. Hier wirken ver- ◆◆ die Teilnahme an einer gemeinsamen Veran- Bundeskongress Schulsozialarbeit: Die schiedene Fachkräfte als ModeratorInnen mit. PDF Dortmunder Erklärung Sie bringen ihre eigene langjährige Erfahrung in staltung mit Studierenden des Lehramtes der www.tinyurl.com/DO-Erklaerung die Begleitung der Netzwerkgruppen der Schul- Technischen Universität Dortmund sozialarbeit ein und entwickeln bedarfsgerechte Weitere spezialisierte und vernetzte Studien- Fortbildungsangebote. Zudem finden für die Re- gänge finden sich derzeit an den Lehrstühlen von gionalgruppen der Schulsozialarbeit an Gesamt- Prof. Dr. Nicole Kastirke schulen in etwa anderthalbjährigen Abständen Prof. Dr. Anke Spies der Universität Oldenburg Fortbildungstage statt. Für die Berufskollegs gibt und von Prof. Dr. Elisabeth Schlemmer an der Professorin für Erziehungswissen- es die sogenannten Regionalkonferenzen, die eine schaft mit Schwerpunkt Schul- PU Weingarten, wo jeweils Lehramtsstudierende Mischform aus Dienstbesprechung und Fortbil- sozialarbeit an der Fachhochschule und Studierende der Sozialen Arbeit in Phasen dungsangebot darstellen. Dortmund Die Fragen für die nds stellte Anja Heifel. des Studiums gemeinsam lernen.
10 BILDUNG Migrationsspezifische Schulsozialarbeit Fotos: Nordreisender (l.), view7 (r.) / photocase.de Fundament für eine erfolgreiche Schullaufbahn An der Max-von-der-Grün-Abendrealschule im Dortmunder Unionviertel gelingt vielen Studierenden das, was ihnen an regulären Tagesschulen nicht möglich war: ein Schulabschluss, der den Weg für die Berufslaufbahn ebnet. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine große Portion Motivation – und helfende Hände von Lehrerkollegium und Schulsozialarbeit, die da sind, wenn sie gebraucht werden. Ein Donnerstag im Dortmunder Unionviertel. selbst. Eines aber haben viele gemeinsam: einen zu ermutigen und zu motivieren. Ich setze al- Es ist still in dem großen, grünen Gebäude der Migrationshintergrund. „Der Anteil der auslän- les daran, immer im Gespräch zu bleiben, um Max-von-der-Grün-Abendrealschule. Letzter Schul- dischen Studierenden an unserer Schule beträgt Probleme entweder erst gar nicht entstehen zu tag im Wintersemester, leere Klassenzimmer und zurzeit rund 70 Prozent“, erklärt Schulleiter Falko lassen oder eben sofort da zu sein, wenn es mal leere Flure. Noch! Später, am Nachmittag, wird Grunau. Der Grund: „Gerade Jugendliche nicht- schwierig wird.“ es fröhlich und laut. Die Studierenden kommen, deutscher Herkunft gehen an Tagesschulen oft Individuelle Geschichten: Schulsozialar- um ihre Zeugnisse entgegenzunehmen – 43 unter; der Anteil derer, die scheitern, liegt bei 15 beit für MigrantInnen und Geflüchtete davon gehören zur Abschlussklasse. Sie haben Prozent. Bei uns an der Abendrealschule haben die Fachoberschulreife erreicht, 14 von ihnen mit die Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Was braucht Schulsozialarbeit zusätzlich Qualifikationsvermerk. Hinter den kleinen, offi- Gelegenheit, ihre Schulabschlüsse nachzuholen.“ neben der üblichen Unterstützung, wenn sie ziellen Papieren der AbsolventInnen verbergen Damit der zweite Anlauf von Erfolg gekrönt an einer Schule erfolgreich sein soll, an der ein sich 43 Geschichten. Ganz individuelle und oft ist, braucht es eine große Portion Mut und Großteil der Studierenden aus anderen Ländern nicht ganz einfache Geschichten von Menschen, Durchhaltevermögen von den Studierenden – stammt? „Generell unterscheide ich nicht da- die an der Abendrealschule zwei Jahre lang für und Menschen, die sie unterstützen, wenn es nach, aus welchem Land die jungen Menschen einen Abschluss gekämpft haben. Menschen, mal schwierig wird. Solche Menschen gibt es kommen, welche Sprache sie sprechen – doch es die auf dem zweiten Bildungsweg das geschafft an der Abendrealschule viele: engagierte und ist natürlich so, dass ein Studierender, der aus haben, was ihnen an einer regulären Tagesschule erfahrene LehrerInnen, Schulleiter Falko Grunau Bangladesch kommt und als Minderjähriger unerreichbar erschien. und seit fast fünf Jahren auch Driton Gashi. Der aus seinem Heimatland geflüchtet ist, einfach Schulsozialarbeiter begleitet die Studierenden andere Probleme hat als ein deutscher Mutter- Schulsozialarbeit und Lehrerkollegium: mit viel Engagement und Herzblut. sprachler oder eine türkische Schülerin, die in der Hand in Hand für die zweite Chance dritten Generation hier lebt. Deutschstämmige Die Bildungsbiografien der AbsolventInnen Präventiv arbeiten: Kontakt halten Studierende und die MigrantInnen der dritten sind so unterschiedlich wie die Studierenden und Mut machen Generation unterstützen die neu Zugewanderten Ob Bewerbungen schreiben, Praktika suchen, sehr. Ihre Hilfsbereitschaft ist enorm“, sagt Driton Ich bin selbst erstaunt, wie viel in den letzten Anträge für eine Ausbildungsförderung oder das Gashi begeistert. Freundschaften entstehen, Jahren in Sachen Schulsozialarbeit an der Max- Bildungs- und Teilhabepaket ausfüllen sowie Alltagshilfe wird angeboten, Sprachkenntnisse von-der-Grün-Abendrealschule passiert ist. Un- zählige Studierende voller Tatendrang und ganz persönliche Probleme – der Schulsozial- werden verbessert. Für viele neu Zugewanderte Motivation haben meine Sprechstunde aufge- arbeiter steht mit seiner Erfahrung zur Seite. sind die Kontakte in der Schule sehr wichtig, sucht. Aber auch solche, die voller Selbstzwei- „Psychische Probleme treten bei uns auf dem da sie sonst in ihrem Alltag sehr wenige Mög- fel waren und viel Zuspruch und motivierende zweiten Bildungsweg schon manchmal auf. Mei- lichkeiten haben, zur Mehrheitsgesellschaft Worte für ihren mühsamen Weg zum begehrten Schulabschluss brauchten. Dass das Handlungs- ne Aufgabe ist es, die Studierenden aufzufangen, Zugang zu finden. feld Schulsozialarbeit vielfältig ist, hören wir einen vertraulichen Rahmen zu schaffen. Viele In der Beratung geht es um Themen wie Ver- oft in der Theorie. Als Praktiker kann ich dieser müssen erst einmal lernen, dass Schule nicht lust von Heimat und um Trauer. Um schwierige These voll zustimmen: Ja, unsere Arbeit bündelt per se etwas Schlimmes ist.“ Lebensverhältnisse, wenn Angehörige nachge- verschiedene pädagogische Schwerpunkte, sie erfordert ständige Fortbildung und Selbstrefle- An oberster Stelle steht für den 40-Jährigen zogen sind und nun alle zusammen auf engem xion. Sie stellt insgesamt eine tägliche Heraus- dabei die präventive Arbeit. „Denn wer es bei Raum leben. Der Umgang damit erfordert eine forderung für alle Beteiligten dar. uns nicht schafft, steht ohne Schulabschluss da. hohe interkulturelle Kompetenz. Dass der Schul- Driton Gashi, Schulsozialarbeiter Am wichtigsten ist deshalb, die Studierenden sozialarbeiter diese mitbringt, liegt auch daran,
nds 2-2016 11 Driton Gashi (o. r.) hat mit den Studierenden der Abendrealschule das Projekt „Das Union- viertel spricht viele Sprachen“ auf die Beine gestellt, das als Ausstellung durch Dortmund wandert. Auf rund 50 verschiedene Mutter- sprachen sind sie dabei gestoßen (o. und u. l.). Mit dem regelmäßigen Musikworkshop hat der Schulsozialarbeiter den Nerv der jungen Erwachsenen getroffen (u. r.). Fotos: Max-von-der-Grün-Abendrealschule sprechen drei, vielleicht vier Sprachen: russisch, nommen. Das steigert wiederum den Mut, sich Schulsozialarbeit erweitert und vertieft das wichtige Aufgabengebiet Beratung. Der Bera- türkisch, arabisch, italienisch. Wir wollten aber hier zu engagieren, Deutsch zu lernen und sich tungsbedarf ist in einer hochkomplexen Gesell- jede Sprache erwähnen, die bei uns an der zugehörig zu fühlen. Darum geht es! schaft und Bildungslandschaft in den letzten Die Zeugnisübergabe neigt sich dem Ende zu, Schule und im Unionviertel gesprochen wird Jahren enorm gewachsen. Insofern ist es natür- lich für Zugewanderte essenziell, kompetent be- und sind dabei auf Muttersprachen gestoßen, die letzte Studentin nimmt ihr Zeugnis entgegen. raten zu werden. Schulsozialarbeit leistet hier in von denen viele von uns vorher kaum gehört Zwischen den stolzen AbsolventInnen stehen Verbindung mit Beratungslehrkräften und den hatten. Zum Beispiel Tigrinya, das wird in Eritrea Schulsozialarbeiter Driton Gashi, Schulleiter vielen Netzwerkpartnern in Stadt und Land un- Falko Grunau und das Lehrerkollegium. In ihren schätzbare Dienste, immer unter besonderer gesprochen, Luo in Kenia oder Igbo in Nigeria“, Wertschätzung der Ratsuchenden und stärkend erzählt Schulleiter Falko Grunau. Gesichtern spiegelt sich der Stolz wider, den die im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe. Integration Viele dieser Sprachen sind in den Heimat- AbsolventInnen empfinden. „Momente wie diese in eine Schule und in eine Gesellschaft können sind der Lohn für unsere Arbeit“, sagt Driton ländern der Studierenden nicht anerkannt und nur gelingen, wenn es ein deutliches Engage- Gashi. „Zu sehen, wie bestärkt und ermutigt ment dieser helfenden Hand Schulsozialarbeit werden in den Schulen dort nicht gesprochen. gibt, die allerdings nicht ins Leere greifen darf. die Studierenden nach der Zeit bei uns sind „Das setzt sich dann hier fort“, musste Driton Wenn beide Hände sich aber treffen, dann ge- und wie optimistisch sie ihren Weg antreten.“ // Gashi bedauernd feststellen. „Für solche Pro- lingen nach unseren Erfahrungen Ermutigung, Bestätigung und Zuversicht, die letztlich zu ei- bleme wollten wir ein Bewusstsein schaffen“, ner Stabilität und zum Erfolg im Alltag führen. sagt er weiter. Mit nachhaltigem Erfolg: Rund www. Max-von-der-Grün-Abendrealschule Falko Grunau, Schulleiter 50 Sprachen haben die Studierenden im Laufe www.ars-do.de der Zeit recherchiert und kennengelernt. Die Projektausstellung wurde bereits dreimal auf Denise Heidenreich dass er selbst vor 25 Jahren aus dem Kosovo verschiedenen Veranstaltungen präsentiert. Freie Journalistin nach Deutschland gekommen ist. „Ich erinnere Auch zur Motivation der Studierenden selbst mich gut daran, wie ich als 15-Jähriger in einer trägt das Projekt viel bei: Sie fühlen sich als internationalen Förderklasse saß und kein Wort Person und mit ihrer Muttersprache ernst ge- verstanden habe. Wichtig ist es, Menschen mit Migrationshintergrund nie das Gefühl zu geben, dass sie etwas nicht können. Ich begegne daher Systemische Beratung bei privaten Problemen allen Studierenden auf Augenhöhe.“ Systemische Beratung nimmt bewusst nicht nur Mit jedem einzelnen Fall müssen SozialpädagogInnen den einzelnen Menschen in den Blick, sondern zielt sensibel umgehen. Die Gespräche brauchen Zeit und Stadtteilprojekt: Das Unionviertel auf die gesamte Umgebung, in der er sich bewegt. fordern Kraft. Die Kooperation mit Beratungsstellen spricht viele Sprachen Sie fußt auf der Erkenntnis, dass nie nur Einzelne wie dem Jugendamt, Regionalen Bildungsbüros oder Dazu gehört auch, die jungen Menschen in an Problemen beteiligt sind. Es sind zumeist meh- schulpsychologischen Stellen ist dabei unverzichtbar, rere Personen, die Einfluss nehmen. eine Vermittlung aber nicht immer erfolgreich. Einige ihrer Persönlichkeit und in ihrer Muttersprache junge Menschen schaffen den Weg zu einer Fachbera- ernst zu nehmen und wertzuschätzen. Vor zwei Das Ziel Systemischer Beratung ist, in den Beteiligten vorhandene Kräfte zu wecken. Auf diese Weise finden tung aus Schamgefühl oder aus Angst nicht. Hier hat Jahren entstand daraus die Idee zum Sprachen- die Schulsozialarbeit eine ganz besondere Verantwor- Ratsuchende Problemlösungen mit einem konkreten projekt „Das Unionviertel spricht viele Sprachen“. Ziel vor Augen. Mit einem systemischen Beratungs- tung: Sie gibt den jungen Menschen Halt und fängt „Wir wollten zeigen, wie viele Sprachen bei uns ansatz sollen die jungen Erwachsenen und teilweise sie auf. SchulsozialarbeiterInnen begleiten – wenn nö- ihre Eltern und PartnerInnen Impulse erhalten, um tig bis vor eine Klinik oder eine Beratungsstelle. in der Schule und im Unionviertel eigentlich ge- Wege der Veränderung zu finden. Driton Gashi, Schulsozialarbeiter sprochen werden. Oft heißt es ja, MigrantInnen
12 BILDUNG Bochumer Memorandum 2011 bis 2017: Ausbildungsmarkt Der Traum von der Ausbildungsgarantie Foto: suze, jUliE:p / photocase.de Den hohen Anspruch einer Ausbildungsgarantie hat die Landes- regierung mehrfach selbst formuliert. Das Bochumer Memo- randum nimmt sie beim Wort und fragt: Wie ist es um den Ausbildungsmarkt in NRW bestellt? Konnte Rot-Grün das selbst gesteckte Ziel erreichen? „Wir werden den im Ausbildungskonsens immer einen bestimmten Anteil an Jugendlichen 100 BewerberInnen von einem auswahlfähigen beschlossenen Weg des Umbaus des Über- gibt, die suchend gemeldet sind, ging das Bo- Angebot. Angesichts dieser Definition ist das im gangssystems Schule – Beruf konsequent wei- chumer Memorandum von einer Restgröße an Bochumer Memorandum von 2011 definierte tergehen. Wir wollen dafür sorgen, dass jede unversorgten Jugendlichen von drei Prozent aus. Ziel bescheiden: Demnach sollte das Angebot und jeder Jugendliche einen ‚Anschluss an den Die Dunkelziffer ist allerdings deutlich höher, in keiner Region unter 90 Stellen pro 100 Be- Abschluss‘ erhält und so eine Ausbildungsga- weil viele Jugendliche aus der Erfassung segre- werberInnen fallen. rantie ermöglichen. Der Bildungsweg soll ohne gieren. So verbleiben etwa 20 Prozent jedes Warteschleifen in eine Ausbildung münden Altersjahrgangs regelmäßig ohne jede berufliche können.“ So steht es im Koalitionsvertrag 2012 Qualifizierung. Angesichts fehlender Beschäf- Ausbildungsstatistik bis 2017 der rot-grünen Landesregierung. Damit tigungsmöglichkeiten für Geringqualifizierte wurde der Anspruch, der bereits seit 2010 im entsteht hier eine verfestigte Langzeitarbeits- Augenwischerei Koalitionsvertrag galt, fortgeschrieben. losigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel. Eigentlich sollten sie die Gesamtdimension des Diese von der Landesregierung selbst ge- Und heute? Die Ergebnisse sind ernüchternd. Problems realistisch abbilden, doch die Statis- steckte Zielvorgabe wirkte sich natürlich auf Trotz einer leichten demografischen Entlastung tiken der Arbeitsagenturen rechnen die Situation die im Bochumer Memorandum formulierten treten wir auf der Stelle. Auch im abgelaufe- auf dem Ausbildungsmarkt schön. Leistungsziele zur Bewertung der Ausbildungs- nen Berufsberatungsjahr 2015 waren 23.251 Die Statistiken der Arbeitsagenturen mit Stichtag platzsituation aus. 2011benannte das Memoran- Jugendliche unversorgt. Mit 16,86 Prozent an 30. September 2015 weisen die unversorgten Be- werberInnen in zwei getrennten Kategorien aus: dum zwei zentrale Indikatoren, anhand derer die Unversorgten bewegt sich der Anteil nahezu Sie unterscheiden zwischen Unversorgten (6.698 Umsetzung der Ausbildungsgarantie beurteilt auf Vorjahresniveau und ist auch in der Ent- Jugendliche) und BewerberInnen mit Alternative werden kann: zum einen die Zahl der unver- wicklung seit 2010 fast unverändert geblieben. (16.553 Jugendliche). Zur zweiten Gruppe gehören sorgten Jugendlichen an einem bestimmten Ein beschämendes Ergebnis. Und das obwohl zum Beispiel auch diejenigen Jugendlichen, die berufsschulpflichtig sind und deshalb zwangsweise Stichtag und zum anderen die regionale Vertei- die Arbeitgeber im vergangenen Jahr erstmals einen Bildungsgang am Berufskolleg besuchen. lung der Stellen im Verhältnis zu den gemeldeten konkrete Zusagen gemacht hatten: 3.000 zu- Doch genauso wie die unversorgten Jugendlichen BewerberInnen. Hat es seit 2011 nennenswerte sätzliche Ausbildungsverträge sollten demnach der ersten Gruppe halten auch sie noch Wochen nach dem offiziellen Start des Ausbildungsjahres Veränderungen in diesen Bereichen gegeben, die abgeschlossen werden. Statt einer erkennbaren ihren Vermittlungswunsch aufrecht; ein passendes auf eine Verbesserung des Ausbildungsmarktes Steigerung ging die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsangebot konnte ihnen bis zum Stich- hindeuten? Verträge jedoch minimal zurück. tag jedoch nicht unterbreitet werden. Die Darstellung der Arbeitsagenturen folgt politi- Unversorgte Jugendliche Mehr BewerberInnen als Stellen schen Vorgaben durch die Bundesebene. Eine He- Jedes Jahr am 30. September zieht die Arbeits- Besonders dramatisch sind die enormen re- rangehensweise, die die Dimension des Problems agentur die Bilanz des Berufsberatungsjahres. gionalen Unterschiede auf dem Ausbildungs- auf dem Ausbildungsmarkt gewollt herunterspielt. Im Ausbildungskonsens besteht seit Längerem eine Insofern bot sich diese Stichtagsregelung auch markt, der zweiten Messgröße des Bochumer Übereinkunft, die Gesamtdimension des Problems für das Bochumer Memorandum an. Auch Wo- Memorandums. In fast allen Regionen gibt es zu benennen. Unverständlich bleibt auch, dass chen nach Ausbildungsbeginn waren 2010 deutlich mehr BewerberInnen als Stellen. Aus sich die Regionaldirektion in ihren Presseverlaut- barungen nicht der gängigen Praxis im Ausbil- immerhin noch 17 Prozent der bei den Arbeits- gewerkschaftlicher Sicht ist der Grundsatz der dungskonsens anschließt und damit zu einer agenturen gemeldeten BewerberInnen – also Berufswahlfreiheit ein hohes Gut. Das Bundes- Verharmlosung der Problematik beiträgt. 23.500 Jugendliche – suchend gemeldet. Da es verfassungsgericht spricht bei 112,5 Stellen pro
nds 2-2016 13 Doch auch hier gibt es keine positiven Ent- einen leichteren und schnelleren Zugang finden Prof. Dr. Bodo Pieroth entsprechende Hand- wicklungen: Landesweit gab es in Nordrhein- und die viel beschworenen Matchingprobleme lungsoptionen auf und verfassungsrechtliche Westfalen im Berufsberatungsjahr 2015 nur 78 in den Griff zu bekommen sind, hat sich bislang Bedenken können nicht mehr angeführt werden. Stellen pro 100 BewerberInnen. Die regionalen nicht erfüllt. Außerdem wurden die im Konzept Wie es gehen kann, zeigt sich in der Alten- Disparitäten verschärfen die Gesamtsituation KAoA angedachten ergänzenden Ausbildungs- pflege. Hier hat die Landesregierung eine Umlage weiter. In den Regionen mit einer besonders un- angebote nie realisiert. Anders als die Gewerk- eingeführt. Und siehe da: Die Ausbildungsplatz- günstigen Stellen-BewerberInnen-Relation – oft schaften hatten Kammern, Arbeitgeber und zahlen konnten in kürzester Zeit um 50 Prozent sind es die strukturschwachen Regionen – liegt Landesregierung gehofft, der Markt würde die gesteigert werden – obwohl es sich nicht um das Verhältnis der Stellen zu den BewerberInnen Dinge regeln und die rückläufige Demografie einen Top-Ten-Beruf handelt, der bei Jugendlichen fast bei 1 : 2. den Rest erledigen – das rächt sich nun. Weder ganz oben auf der Wunschliste steht. // Alternativen zur freiwilligen in den Referenzregionen, die seit 2011 am Start Selbstverpflichtung der Wirtschaft sind, noch in den anderen Regionen sind posi- Das Bochumer Memorandum fordert kei- tive Tendenzen erkennbar. Das Marktversagen Prof. Dr. Bodo Pieroth / Dr. Tristan Barczak: ne konkreten Instrumente zur Umsetzung der ist offensichtlich und kaum noch zu leugnen. PDF Rechtsfragen einer landesrechtlichen Ausbildungsgarantie. Es beschränkt sich auf Sind die vorhandenen Instrumente überhaupt Berufsausbildungsplatzabgabe geeignet, um dem Anspruch „Kein Kind zurück- www.tinyurl.com/Gutachten-Pieroth die Frage, ob und inwieweit die Messgrößen DGB: Ausbildungsmarkt: Es bleibt viel zu erreicht werden konnten. Hier bleibt es leider lassen“ gerecht zu werden? Offensichtlich stößt www. tun (Interview mit Elke Hannack) dabei: Das gewünschte Ziel einer Ausbildungs- die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft www.tinyurl.com/Ausbildungsmarkt- garantie wurde nicht erreicht und auch von einer an ihre Grenzen. Oder drastischer gesagt: Sie Hannack positiven Tendenz kann nicht die Rede sein. funktioniert nicht! Offenbar haben sich die Anstrengungen um Deshalb liegt der Spielball wieder im Feld eine verbesserte Berufsorientierung im Rahmen der Politik. Sie ist gefordert, die Konsequenzen Norbert Wichmann von „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA) zu ziehen, die der Koalitionsvertrag andeutet. Abteilungsleiter für Bildung, Berufliche Bildung und Handwerk nicht auf die Angebotssituation und auf die ab- Der DGB fordert seit Langem eine Umlagefinan- des DGB NRW geschlossenen Ausbildungsverträge ausgewirkt. zierung in der beruflichen Bildung. 2014 zeigte Die Hoffnung, dass gut orientierte Jugendliche ein Rechtsgutachten des Verfassungsrechtlers Anzeige Unversorgte Jugendliche zum 30. September Europas größte Messe für kreatives Gestalten www.messe-creativa.de 87 48 51 00 .4 16.-20.03.2016 .8 00 .2 51 .5 24 23 .0 23 23 .4 22 21 Dortmund 2014 2015 2010 2011 2012 2013 Meine Gemeldete Ausbildungsstellen je Bewerber im September 2015 CREATIVA – meine Welt pe ip en -L nd al d en La an tf al rl t d es s ie tf an he te dw b es nl sc ge ns Sü tw ei i hr Mü W rg Os Rh NR Ru Be 0,69 1,02 0,78 0,68 0,89 0,79 0,8 Beschämendes Ergebnis: Seit 2010 ist der Anteil der unversorgten Jugendlichen na- hezu unverändert geblieben. Im Berufsberatungsjahr 2015 blieben 16,86 Prozent der suchend gemeldeten Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz (o.). Besonders dramatisch sind die starken regionalen Unterschiede in der Stellen-BewerberInnen-Relation (u.). Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit 011516_CRE16_AZ_Puppen_90x126_RZ.indd 1 15.01.16 11:27
14 BILDUNG Inklusion und kommunale Verantwortung Das Tempo an das Leistbare anpassen Wie zentral die kommunale Ebene für gelingende Inklusion ist, hat die Onlinebe- festen Standards für die Inklusion erschwert. fragung der GEW NRW deutlich gezeigt: Bei 50 Prozent der allgemeinen Schulen Zudem sind die Kommunen bei ihrer Schulent- und 40 Prozent der Förderschulen gibt es keinen inklusiven Schulentwicklungs- wicklungsplanung zunehmend vor immense He- plan der Kommune. Weit über die Hälfte der allgemeinen Schulen beklagt eine rausforderungen gestellt: Die Kumulation von unzureichende Material- und Raumausstattung. Es fehlen Anlaufstellen vor Ort, Inklusion, Beschulung von geflüchteten Kindern die Schulen in Inklusionsfragen unterstützen können. Dr. Bernd Jürgen Schneider, und demografischem Wandel bringt eine starke Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, im Gespräch über Veränderung der Schullandschaft mit sich. Die kommunale Verantwortung und Handlungsmöglichkeiten. steigenden Anforderungen an die Schulentwick- lungsplanung sind zurzeit für einige Kommunen Die Schulen in NRW verfügen laut Online- oder in der Haushaltssicherung können nicht so kaum leistbar. Gerade in kleineren Kommunen befragung nur zum Teil oder gar nicht über viel tun wie es pädagogisch wünschenswert wäre. muss oftmals auf externen Sachverstand zurück- eine ausreichende Materialausstattung zum Dass die Qualität des inklusiven Unterrichts bei gegriffen werden. Bis ein Orientierungsrahmen differenzierten Lernen und über geeignete Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen für die Inklusion vorliegt, muss das Tempo an das Räume. Hier stehen die Kommunen als Schul- von den unterschiedlichen finanziellen Mög- Leistbare angepasst werden. Dazu gehört auch, träger in der Verantwortung und es besteht lichkeiten der Kommunen abhängt, kann nicht Förderschulen nicht vorschnell zu schließen. großer Handlungsbedarf. Wie unterstützt hingenommen werden. Das Projekt Inklusion Denn die Erfahrungen haben gezeigt, dass sich der Städte- und Gemeindebund NRW seine kann nur gelingen, wenn einerseits der Qua- nicht wenige Eltern eine Alternative zu einem Kommunen bei der Problemlösung? litätsanspruch definiert und andererseits die inklusiven Angebot für ihre Kinder wünschen. erforderlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt Trotz der Anstrengungen der Kommunen 80 Prozent der Schulen wünschen sich eine werden. Der Städte- und Gemeindebund NRW erreichen die Förderstandards der allgemeinen zentrale Anlaufstelle zur Unterstützung der fordert deshalb ein rasches Nachsteuern bei der Schulen oft nicht das Niveau der Förderschulen. Inklusion. Die GEW NRW fordert seit langem schulischen Inklusion durch den Gesetzgeber. Weiterhin fehlt es an sächlichen, aber auch an ein Fachzentrum für inklusive Bildung vor Ort. Personalressourcen, insbesondere an Sonderpä- Mit der Inklusion ändert sich die Schulland- Gibt es Kommunen, die den Schulen bereits dagogInnen. Der Städte- und Gemeindebund schaft in den Städten und Gemeinden: Viele eine solche zentrale Anlaufstelle bieten? Wie NRW hat von Beginn an immer wieder deutlich Förderschulen werden geschlossen. 57 Prozent könnte eine zentrale Anlaufstelle Ihrer Ansicht gemacht, dass gut gemachte Inklusion viele der Förderschulleitungen geben allerdings an, nach aussehen? Ressourcen benötigt. Leider hat es das Land dass ihre Schule nicht angemessen an der Eine zentrale Anlaufstelle für inklusive Bil- Schulentwicklungsplanung beteiligt wurde. dung dürfte sich vor allem in größeren Kom- unterlassen, verbindliche Qualitätsstandards zu Außerdem beklagt ein Großteil der Schulen munen anbieten, die über eine gewisse Anzahl definieren. Gerade Kommunen im Stärkungspakt das Fehlen von (inklusiven) Schulentwick- an Inklusionsfällen verfügen. Überlegungen lungsplänen. Wie erklären Sie sich das und in diese Richtung sind bislang nur vereinzelt was kann künftig dagegen getan werden? aus kreisfreien Städten oder auf Kreisebene Möglicherweise hängt die geringe Beteili- bekannt. Sicherlich hat die Bündelung in einer gung damit zusammen, dass die Mitwirkung zentralen Anlaufstelle Vorteile für BürgerInnen, der Schule bei der Aufstellung von Schulent- Schulen und Verwaltungen. Gleichwohl sind wicklungsplänen im Schulgesetz etwas versteckt für ihre Einrichtung jedoch auch Sach- und geregelt ist und nicht aus Paragraf 80 selbst Personalressourcen erforderlich, die in kleineren hervorgeht. So wünschenswert eine gute Koope- Verwaltungen nicht ohne Weiteres bereitzu- ration zwischen Schule und Schulträger ist – die stellen sind. Eine Ansiedlung auf Kreisebene Schulentwicklungsplanung obliegt letztlich aber könnte eine Alternative darstellen. Sie bringt dem Schulträger. insbesondere in größeren Landkreisen aber auch Die inklusive Schulentwicklungsplanung wird den Verlust von Ortsnähe mit sich. // durch das bereits angesprochene Fehlen von Die Fragen für die nds stellte Frauke Rütter.
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