Obstanbau im Einklang mit der Natur - Obstanbau ohne Gift

Die Seite wird erstellt Heidi Dörr
 
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Obstanbau im Einklang mit der Natur - Obstanbau ohne Gift
Obstparadies Staufen - Obstbau im Einklang mit der Natur

       Schutzgebühr: 3 Euro

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    Obstanbau ohne Gift
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                                                                  im Einklang mit der Natur
Obstanbau im Einklang mit der Natur - Obstanbau ohne Gift
Warum Obstanbau ohne Gift?
Der Behandlungsindex (BI) stellt die Anzahl        Das heist 31 Pflanzenschutzanwendungen pro Jahr.
der Pflanzenschutzanwendungen auf einer betrieb-   Herbizide, Fungizide oder Insektizide.
lichen Fläche dar.                                 Da sollten wir nicht so überrascht tun, wenn man-
Im Apfelanbau lag im Zeitraum von 2011 bis 2019    cherorts schon bis zu 80% der Insekten verschwun-
der durchschnittliche Behandlungsindex über 31.    den sind.

                                                                                                          Wikipedia definiert: „Ein Insektizid ist ein
                                                                                                          Pestizid, das zur Abtötung, Vertreibung
                                                                                                          oder Hemmung von Insekten und deren
                                                                                                          Entwicklungsstadien verwendet wird.“
                                                                                                          2017 wurden in Deutschland 17.652 Tonnen
                                                                                                          Insektizide abgegeben. Wie neueste Daten
                                                                                                          belegen, sind bis zu 80 Prozent der Insekten
                                                                                                          verschwunden. Wenn in Reihenkultur-Obstan-
                                                                                                          lagen zu Beginn der Obstsaison mit Insektiziden
                                                                                                          gegen Läuse gespritzt wird, werden nicht nur
                                                                                                          die Läuse, sondern auch die Nützlinge getötet.

                                                                                                       Insektizide unterscheiden nicht zwischen
                                                                                                       schädlichen und nützlichen Insekten.

                                                                                                       Sie töten nicht nur die Obstschädlinge, sondern
                                                                                                       auch die Insekten, die wir für die Blütenbestäubung
                                                                                                       brauchen.
                                                                                                       In unseren Breitengraden gibt es rund 550 ver-
                                                                                                       schiedene Wildbienenarten. Wespen, Hummeln
                                                                                                       und Hornissen sind die bekannteren Wildbienen-
                                                                                                       arten. Aus der Sicht der Wildbienen ist unsere
                                                                                                       moderne, industrielle Landwirtschaft eine einzige
                                                                                                       Katastrophe.

                                                                       Diese Zahlen kommen aus der                                                           Moderne Obstreihenkultu-
                                                                       Statistik des NAP (Nationaler                                                         ren können systembedingt
                                                                       Aktionsplan Pflanzenschutz)                                                           weder konventionell noch
                                                                       und basieren auf gesetzlichen                                                         im Bioanbau ohne Pestizide
                                                                       Vorgaben der EU.                                                                      bewirtschaftet werden.

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Obstanbau im Einklang mit der Natur - Obstanbau ohne Gift
Obstanbau ohne Einsatz von Gift!
    Der Marktanteil von ungespritztem Obst
    liegt in Deutschland nur bei 0,5 Prozent.
    Gleichzeitig würden laut Umfragen 85 bis
    93 Prozent der Bevölkerung gerne unge-
    spritztes Obst essen.

                                                Junganlage mit Obstbäumen
                                                2009 entstand die Idee, in Staufen viele verschie-    Obstbaubücher suchten, gab es immer dieselben
                                                dene Obstarten ohne Einsatz von Herbiziden,           Hinweise: Obstbau ohne Spritzmittel geht nicht.
                                                Fungiziden und Insektiziden anzubauen. Wir such-      Das hat in uns den Ehrgeiz geweckt, es einfach zu
                                                ten Grundstücke und fingen an zu pflanzen. Wenn       probieren.
                                                wir Rat bei Spezialisten oder in wissenschaftlichen

    Alle sagten: Das geht nicht.
    Dann kam einer, der wusste das nicht,
    und hat’s einfach gemacht.

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Obstanbau im Einklang mit der Natur - Obstanbau ohne Gift
Die Lösung kommt aus einer Zeit,
als es noch keine Spritzmittel gab
Das Studium von alter Literatur aus der Zeit vor     Viele Dinge begreift man erst, wenn man beginnt,
1950 sowie das Beobachten der Natur und den Zu-      die Kreisläufe zu verstehen. Manche Dinge sind
sammenhängen sind heute die Grundlagen unserer       so komplex, dass wir sie vielleicht nie verstehen
neuen Obstanbauart.                                  werden.

Und es geht doch!
Mit einer Anbaufläche von über 20 Hektar und         Angebaut werden in unserem Weinbauklima neben
einem großen Anbauspektrum sind wir inzwischen       den Obstklassikern zahlreiche Wildobstarten sowie
ein landwirtschaftlicher Bioland-Vollerwerbs-        einige heimische Exoten.
betrieb. Dabei verzichten wir auf jegliche Art von
Spritzmitteln und auf chemisch-synthetisch her-
gestellten Stickstoffdünger.

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Obstanbau im Einklang mit der Natur - Obstanbau ohne Gift
Obstbau früher und heute
Um unser Tun zu verstehen, ist es wichtig, einen                  Bohnapfel, Champagner Renette, Williams Christ-       Seit 1950 wurde Obst immer häufiger weltweit ge-               Massenerzeugung. Heute wird Obst überwiegend
Rückblick in die Obstbaugeschichte zu machen.                     Birne und Pastorenbirne.                              handelt. Industrieller Anbau, vermehrter Spritzmit-            über die großen Einzelhandelsketten verkauft. Die
Obstsorten, wie Französische Renette, Gold-                       Damals war Obst ein exklusives Gut der wohl-          teleinsatz, bessere Lager- und Transportlogistik ver-          ursprüngliche Obstvielfalt stirbt aus.
parmäne, Große Grüne Reneklode, Haferschlehe                      habenden Bevölkerung. Was nicht frisch verzehrt       änderten die Situation rasant. In der Nachkriegszeit           Weltweit werden noch etwa ein Dutzend Apfelsor-
oder die Mirabelle von Nancy wurden schon vor                     werden konnte, wurde zu Dörrobst, Mus, Obst-          wurden verstärkt Reihenkulturen angebaut. Für                  ten in großem Stil angebaut. Die Selbstversorgung
über 400 Jahren angebaut. Alte leckere Sorten,                    wein oder Obstessig verarbeitet und somit haltbar     die Rodung der Streuobstbestände gab es Prämien.               mit Obst gehört der Vergangenheit an. Nur noch
die wir heute noch gerne anbauen sind Rheinischer                 gemacht.                                              Über Jahrzehnte setzte man auf Rationalität und                18 Prozent des Obstes, welches wir essen und

 Johann Martin Morat, Staufen (von Südwesten), um 1840, Gouache

                                                                                                                        Johann Martin Morat, Staufen (von Norden), vor 1845, Gouache

Erst im 17. und 18. Jahrhundert entwickelt sich                   edler, seltener Obstarten und Obstsorten. Die Zeit    trinken, wird noch in Deutschland angebaut.                    50 Prozent der Äpfel in China angebaut. Die land-
Obst zum Grundnahrungsmittel. Um die Dörfer                       zwischen 1830 bis 1950 gilt als die Zeit der großen   82 Prozent des Obstes wird importiert. Das größte              wirtschaftlichen Löhne in China liegen im Vergleich
entstanden Streuobstbestände für die Selbstver-                   Sortenvielfalt. Bis 1950 gab es in Deutschland über   europäische Apfelanbaugebiet liegt in Polen. Dort              zu uns bei lediglich fünf Prozent.
sorgung. Überschüsse wurden regional verkauft.                    1.000 Apfelsorten.                                    liegen die Lohnkosten gegenüber Deutschland bei
                                                                                                                                                                                       Bildnachweis: Augustinermuseum, Städtische Museen Freiburg
In barocken Gärten entstanden Sammlungen                                                                                20 Prozent. Weltweit werden inzwischen fast                    Fotos: Axel Killian

8                                                                                                                                                                                                                                                   9
Obstanbau im Einklang mit der Natur - Obstanbau ohne Gift
Natur beobachten, Prozesse und
     Wechselwirkungen verstehen
     Wenn ein großkroniger 70-jähriger Apfel-
     baum in einem Jahr 1.630 Kilogramm gesunde
     schmackhafte Saftäpfel hervorbringt, zeigt dies,
     dass es um mehr geht, als um die Technik, Äpfel                                                            Das Wurzelwerk der großkronigen Obst-
     anzubauen. Die Pflanzen und Tiere auf unseren                                                              bäume ist gewaltig. Die Wurzelmasse im
     Obstwiesen sind alle Teile eines großen Ganzen,                                                            Untergrund ist größer als der sichtbare Teil
     sind Teil einer wunderbaren Schöpfung. Diese                                                               des Baumes. Das Massenverhältniss Wurzel,
     Wahrnehmung und Erkenntnis hat für unser                                                                   zu Mykorrhizapilze liegt bei ca. 20:80.
     Tun im Obstparadies weitreichende Folgen.

                                                        Das Wurzelwerk
                                                        Unsere Bäume sind zum Teil zehn Meter hoch und         Auch hier gibt es unsichtbare Wechselspiele.
                                                        haben Kronendurchmesser von zwölf Metern und           Mykorrhizapilze dringen in die Wurzeln lebender
                                                        mehr. Damit der einzelne Baum Wind und Wetter          Pflanzen ein. Sie holen sich Zucker von ihren Wirts-
                                                        standhält und jährlich Hunderte Kilo Obst tra-         pflanzen und können sich dann zu gigantischer
                                                        gen kann, braucht er ein stabiles Wurzelwerk. Bei      Größe ausdehnen. Der Pilz liefert den Wurzeln im
                                                        jedem Baum ist das Wurzelwerk im Untergrund            Gegenzug Wasser und Nährstoff. Die Wurzel allein
                                                        mächtiger als der Baum überirdisch. Die Wurzeln        wäre dazu nicht in der Lage. Ein Teelöffel Wald-
                                                        alleine sind aber trotz ihrer Mächtigkeit nicht dazu   boden enthält über einen Kilometer Pilzfäden.
                                                        in der Lage, den Baum mit seinen Blättern und das      Mykorrhizapilze verhelfen ihren Wirtsbäumen zu
                                                        Obst mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen.          gewaltiger Widerstandskraft.

                                                                                                                Hohe Temperaturen, Dürre, Nährstoff-
                                                                                                                knappheit, niedriger Sauerstoffgehalt und
                                                                                                                Überschwemmungen können so von
                                                                                                                großen Bäumen besser verkraftet werden.
                                                                                                                Je älter und größer die Bäume in unseren
                                                                                                                Obstanlagen werden, desto weniger Pro-
                                                                                                                bleme haben sie mit Mehltau- und Schorf-
                                                                                                                pilzen.
                                                                                                                Wie der Wassertransport in einem Baum
                                                                                                                tatsächlich funktioniert, wissen wir bis heute
                                                                                                                noch nicht genau. Umso größer wird unser
                                                                                                                Respekt vor der Natur, wenn einzelne
                                                                                                                Bäume immer wieder über tausend Kilo-
                                                                                                                gramm gesunde Früchte hervorbringen.

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Obstanbau im Einklang mit der Natur - Obstanbau ohne Gift
Unser Erdreich ist prallvoll mit                                                                          Das Wiesengras, das ein- bis zweimal im Jahr
                                                                                                          gemäht wird, sowie die Blätter werden von den
                                                                                                          unendlichen Mengen an Kleinstlebewesen zu Hu-
                                                                                                                                                                geht es um die Wertschätzung der Schöpfung, die
                                                                                                                                                                uns heute und wenn möglich auch in Zukunft er-
                                                                                                                                                                nährt.

Leben. Es gehört zu den kostbarsten                                                                       mus - zu natürlichem Flächendünger - verwandelt.
                                                                                                          Jegliche Art von Spritzmitteleinsatz, aber auch der
                                                                                                                                                                Die Bedeutung der Ameisen
                                                                                                          Einsatz von chemisch-synthetisch hergestelltem
Reichtümern dieses Planeten.                                                                              Stickstoffdünger würde viele solcher Prozesse, die
                                                                                                          auf gesunden Böden Jahr um Jahr ablaufen, min-
                                                                                                                                                                Die Ameisen holen unermüdlich Insekten aller Art
                                                                                                                                                                von Bäumen und Sträuchern. Für die Aufzucht
                                                                                                          dern oder gar verhindern.                             ihrer Brut benötigen sie Larven, Raupen, Insekten
                                                                                                          Wir Menschen können immer wieder nur beobach-         und deren Eier.
Das Wunder fruchtbare Erde                 Regenwürmer erzeugen Humus                                     ten und staunen. Das vielfältige Leben mit seinen     Verschiedene Spechtarten suchen auf den Bäumen
In einem Liter fruchtbarer Erde existie-   Gerade im Herbst, wenn der Boden noch feucht vom Mor-          Kreisläufen belegt, dass das Ganze jeweils größer     unserer Streuobstwiesen nach Ameisen. Da wir
ren zahlenmäßig mehr Lebewesen,            gentau ist, finden wir oft Hunderte von Apfelbaumblättern      ist als die Summe seiner Teile. Wer behauptet, dass   auch die alten Bäume mit Baumhöhlen hegen und
als Menschen auf der Erde leben. Der       zusammengerollt und senkrecht im Boden steckend. Mehltau-      er die Auswirkungen des Einsatzes der Insektizide,    pflegen, brüten Spechte in den Anlagen. Die Spech-
Boden lebt und die Landwirtschaft hat      und Schorfpilze überwintern hauptsächlich auf dem Falllaub.    Herbizide und Fungizide abschätzen kann, irrt.        te suchen nicht nur die Baumstämme nach Ameisen
es in der Hand, ihn zu erhalten oder zu    Regenwürmer und viele andere Kleinstlebewesen können           Es geht eben nicht nur um das Feststellen von         ab, sie fressen auch andere tierische Besucher, die
zerstören.                                 heruntergefallenes Laub im Winter zu Humus umwandeln.          Grenzwertüberschreitungen im Obst. Inhaltlich         sich im Obstbaumholz niedergelassen haben.
Viele der Bodenbewohner sind für unser     Dank der Regenwürmer wird so auch der Mehltau- und
normales Auge nicht sichtbar. Wenn         Schorfbefall in den Anlagen stark reduziert. Sind die pilz-
wir jedoch nur eine einzige Gruppe         befallenen Blätter allerdings bis zum Frühjahr nicht von den
innerhalb dieser Lebensgemeinschaft        Kleinstlebewesen verarbeitet, gelangen bei Regen von den
zerstören, ist das gesamte Gleichgewicht   vorjährigen Blättern neue Pilzsporen auf die tiefhängenden
gestört.                                   Triebe in den Obstanlagen.

     Tage hat es sanft geregnet, die Ameisen
     mussten es wissen, dass es so kommt.                                                                      Das sanfte Glimmen der Glühwürmchen ist
     Vorsorglich haben sie mit vereinten Kräf-                                                                 selten geworden. Es ist aber immer wieder
     ten eine Festung gebaut. Nein, nicht eine                                                                 eine große Faszination, wenn wir sie nachts
     Festung, sondern Hunderte …                                                                               gelegentlich auf unseren Wiesen entdecken.

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Obstanbau im Einklang mit der Natur - Obstanbau ohne Gift
Die Blütezeit ist die schönste Zeit
im Obstparadies

                                                                Jede einzelne Blüte ist ein Wunderwerk der Schöpfung.
                                                                        Man kann sich kaum daran satt sehen.

                   Wenn Triebe sich zeigen, wenn Knospen
                   sprießen, wenn Blüten ihre volle Pracht
                   entfalten, dann entsteht etwas Wunderba-
                   res, etwas Neues. Aus Millionen von Blüten
                   wird wundervolles Obst, aus Tausenden
                   von Kaulquappen Frösche, aus Hunderten
                   von Raupen wunderschöne Schmetterlinge
                   und aus Hunderten von Vogeleiern Vögel,
                   die täglich zwitschern. Wir dürfen dies
                   immer wieder erleben. Immer wieder und
                   immer wieder. Dies ist es, was uns faszi-
                   niert, was uns an der Natur so beeindruckt
                   und antreibt.

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Obstanbau im Einklang mit der Natur - Obstanbau ohne Gift
Wir bewirtschaften Obstwiesen an acht verschie-       Diese Tiere - und noch viele mehr - haben in
              denen Standorten. Die Flächen weisen eine unter-      unserem Obst­para­dies eine Heimat. Dazwischen
              schiedliche Strukturvielfalt auf. Überall haben wir   wachsen Jahr um Jahr die vielen leckeren
              eine große artenreiche Pflanzen- und Tierwelt.        ungespritzten Obstarten.

     Lebensgemeinschaft
     im Obstparadies

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Obstanbau im Einklang mit der Natur - Obstanbau ohne Gift
Die Hundertjährigen
     im Obstparadies …
     ... könnten sie ihre Geschichten erzählen,
     würden wir uns nie langweilen.

                                                  Die Farben, das Licht der Jahreszeiten, der Duft,
                                                  die Tiere und das Leben. Ein Meisterwerk an
                                                  Wissen und Schönheit, welches alle Winkel unserer
                                                  Obstwiesen ausfüllt.

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Totholzplätze, Totholzbäume, Steinbiotope         Auch wenn Totholzbäume als Obstbäume aus-
 und Teiche bilden Inseln für eine Vielzahl von    gedient haben, dürfen sie zwischen den neu
 Käfern und Schmetterlingen, Blindschleichen,      gepflanzten Bäumen stehen bleiben. Sie wer-
 Ringelnattern, Kröten, Frösche, Salamander,       den im Kreislauf der Natur zu Wohnungen für
 Haselmäuse, Bilche, Siebenschläfer, Igel, Eich-   viele unterschiedliche Tierarten.
 hörnchen, Eidechsen und viele mehr. Sie alle
 haben auf den Obstparadies-Grundstücken eine
 Heimat.

20                                                                                               21
Trockenheit und der damit                                    Auch die Tierwelt
verbundene Wassermangel wird                                 braucht bei Hitze Wasser
künftig die größte Heraus-                                   In den Hitzemonaten kommen hier alle 2 – 3 Stun-    keit kreuz und quer über die Wasseroberfläche, um

forderung für die Landwirtschaft                             den bis zu 50 Schwalben, um Wasser zu holen. Sie
                                                             segeln für ein paar Minuten in Höchstgeschwindig-
                                                                                                                 im Flug Wasser aufzunehmen. Innerhalb weniger
                                                                                                                 Sekunden sind sie dann wieder verschwunden.

                  Fast alle Obstparadies Grundstücke ver-
                  fügen über Bäche und Teiche. Die Teiche
                  wurden angelegt, um Oberflächenwasser zu
                  sammeln und zu speichern, damit Beeren
                  und Jungbäume in extremen Trockenphasen
                  gewässert werden können.

                                                                  Honig- und Wildbienen, alle, die Durst
                                                                  haben, können in unseren Teichen Wasser
                                                                  holen. Wenn bei extremer Trockenheit die
                                                                  kleinen Bäche kein Wasser mehr führen,
                                                                  kommen auch große Vögel wie Rostgänse,
                                                                  Nilgänse, Fischreiher oder Störche immer
                                                                  wieder vorbei.

22                                                                                                                                                           23
Obstparadies Teiche sind nicht nur
                                                                                                  Lebensgrundlage für die Tierwelt.
     Unsere angelegten Teiche bringen die
     Vielfalt zum Explodieren. Zehntausende
                                                                                                  Sie sind zu jeder Jahreszeit
     Kaulquappen, Frösche, Kröten, Ringel-
     nattern, Salamander, Molche, Wasserläufer                                                    auch eine traumhafte Augenweide.
     und Wasserschnecken tummeln sich in und
     um diese Biotope.

                                                 Verschiedene Libellen, deren Flügel in der
                                                 Sonne glänzen, Gottesanbeterinnen und
                                                 Käfer aller Art. Die Seite würde nicht ausrei-
                                                 chen, wollten wir alle aufzählen. Je größer
                                                 die Gesamtvielfalt in den Anlagen, desto
                                                 stabiler das ökologische Gleichgewicht.

24                                                                                                                                25
Oft unscheinbar stehen sie in allen Wetterlagen auf unseren Wiesen.                                      Wir haben schon Hunderte Blumenbilder in unseren Wiesen gemacht.
Meist herrscht eine heute selten gewordene Stille   aller Art vorbei. Sie laben sich am Morgentau oder   Mit der Vielzahl der Arten könnten wir ein eigenes Buch machen.
in den Obstwiesen. Gelegentlich schauen Insekten    sind auf der Suche nach Nektar.                      Sie sind klein, aber wunderschön. Manche dieser     farbenen Backen aufblähte. Ein Bild entstand, als
                                                                                                         Blumenwiesenbilder entstanden in den Abend-         zwei Wildkatzen zehn Meter weiter durchs Gras
                                                                                                         stunden, als sich eine Kumuluswolke mit pfirsich-   streiften.

26                                                                                                                                                                                                           27
Pflanzen nehmen ihre Umwelt sehr detail-           Daraufhin werden in den Blättern Gift und
                                                                                                        liert wahr. Sie fällen Entscheidungen und          Bitterstoff angereichert, um diese für die
                                                                                                        entwickeln dabei beeindruckende Lebens-            Tiere ungenießbar zu machen. Wissenschaft-
                                                                                                        strategien. Es gibt Pflanzen, die sich mit         ler können längst belegen, dass Pflanzen
                                                                                                        einem Nervengift in den Blättern schützen,         keinen festen mechanischen Abläufen ge-
                                                                                                        damit sie nicht von Fressfeinden angeknab-         horchen, sondern hochkomplexe Lebe-
                                                                                                        bert werden. Andere produzieren Duft-              wesen sind. Diese Phänomene gilt es in
                                                                                                        stoffe, die Nützlinge anlocken, welche die         einer cleveren Landwirtschaft zu nutzen.
                                                                                                        Feinde fressen. Es gibt Bäume, die Duftstof-
                                                                                                        fe aussenden, um die Artgenossen in ihrer
                                                                                                        unmittelbaren Nähe zu warnen.
Der wiederkehrende Wandel der Jahreszeiten            Aura einzelner Pflanzen wie hier beim Rotklee
fasziniert uns immer wieder aufs Neue.                oder bei der Distel. Sie stehen zu Tausenden in
Oft ist es aber auch die Verwandlung, die sichtbare   unseren Anlagen.

                                                                                                                                       Im Obstparadies stehen viele
                                                                                                                                       Büsche, die den Vögeln Nahrung
                                                                                                                                       und Schutz bieten. Es gibt viele
                                                                                                                                       verschiedene Weiden, zum Teil
                                                                                                                                       Frühblüher, die den ersten Insek-
                                                                                                                                       ten nach der Winterruhe ein rei-
                                                                                                                                       ches Nektarangebot darbieten. In
                                                                                                                                       der tief stehenden Herbstsonne
                                                                                                                                       sind es vor allem die Efeuplätze,
                                                                                                                                       an denen sich die Insekten noch-
                                                                                                                                       mals Nahrung holen können.

28                                                                                                                                                                                                      29
Wildbienen sind für uns systemrelevant. Viele der
 Wildbienen brauchen für die Brutablage hohle Stängel,   Oft klein und unscheinbar,
 Totholz, Lehm oder Sand. Unterstützend haben wir        aber alle haben ihren Platz im
 über 100 Wildbienenhotels unterschiedlichster Art ge-   großen Ganzen.
 baut, aufgestellt oder in die Bäume gehängt.
                                                         Feine Düfte und unterschiedlichste Gerüche
                                                         locken sie an. Sie suchen Nahrung. Es sind
                                                         endlos viele, wenn man sie nicht ständig
                                                         mit Pestiziden reduziert.

     Neben der Honigbiene spielen die Wildbie-
     nen eine wichtige Rolle bei der Bestäubung.
     Die Honigbiene fliegt erst bei Temperaturen
     ab 12 Grad Celsius. Viele Wildbienen fliegen
     bereits ab 4 Grad Celsius. Fällt die Baum-
     blüte mit niedrigen Temperaturen zusam-
     men, sind die Wildbienen also besonders
     wichtig. Manche Obstarten brauchen, um
     eine gute Ernte zu erreichen, eine Schüttel-
     bestäubung. Diese übernehmen Hummeln
     besonders gut.

30                                                                                                    31
Die Schönheit der Schöpfung                             Das Obstparadies – ein idealer
in voller Pracht!                                       Lebensraum für Pflanzen und Tiere
Libellen mit ihren schimmernden Flügeln im Mor-         Alle Busch- und Baumkulturen stehen auf Wiesen.
genlicht. Schmetterlinge in der glühenden Sommer-       Die Wiesen werden sehr spät gemäht, damit die
hitze. Oder Klatschmohnbesucher im Abendrot.            zahlreich vorhandenen Blumen und Gräser aus-
Immer sind es die besonderen Momente im Obst-           blühen und sich vermehren können. Die Flächen
paradies. Wir sind der festen Überzeugung, dass         werden streifenweise zeitlich versetzt gemäht.
es besser ist, mit den Insekten zu leben, als sie mit   So können die unendlich vielen Kleinstlebewesen,
Herbiziden umzubringen.                                 die die Wiese als Lebensraum brauchen, in der
                                                        Anlage bleiben.

32                                                                                                   33
Wir erfreuen uns immer wieder über die vielen Vögel im Obstparadies. Sie                                                                                                Diese Vogelarten
singen hauptsächlich bei Tagesanbruch, wenn es sonst noch eher ruhig ist.                                             Die „Vogelbistros“ helfen den Tieren vor allen
                                                                                                                                                                        sehen wir immer
Die kühle und feuchte Morgenluft kann ihre Gesänge und deren Bedeutung                                                                                                  wieder in unseren
                                                                                                                      Dingen bei Schnee und Frost ausreichend Futter    Obstanlagen:
weit über unsere Obstwiesen tragen.                                                                                   zu finden. Denn wenn eine Meise 24 Stunden
                                                                                                                      lang kein Futter findet, stirbt sie. In unseren   Amsel
                                                                                                                      Anlagen hängen rund 400 Nisthilfen für Vögel      Bachstelze
                                                                                                                      und Fledermäuse. Immer wieder staunen wir,        Bergfink
                                                                                                                      wie schnell die Nistkästen belegt sind. Damit     Blaumeise
                                                                                                                      die Vögel ihre Nester bauen können, brauchen      Buchfink
                                                                                                                      sie Moos, Stroh, Heu, Federn, Blätter oder        Buntspecht
                                                                                                                      kleine Zweige, all das finden sie in unseren      Dohle
                                                                                                                      Obstanlagen.                                      Dorngrasmücke
                                                                                                                                                                        Eichelhäher
                                                                                                                                                                        Elster
                                                                                                                                                                        Fasan
                                                                                                                      Weniger zu spritzen
                                                                                                                                                                        Feldsperling
                                                                                                                      oder statt chemisch-syn-
                                                                                                                                                                        Garten-
                                                                                                                      thetischer biologische
                                                                                                                                                                        rotschwänzchen
                                                                                                                      Wirkstoffe zu spritzen,
                                                                                                                                                                        Girlitz
                                                                                                                      ist oberflächlich betrach-
                                                                                                                                                                        Goldammer
                                                                                                                      tet ein Erfolg, führt aber
                                                                                                                                                                        Graureiher
                                                                                                                      nicht wirklich zum Ziel.
                                                                                                                                                                        Grünfink
                                                                                                                      Denn Insektizide, auch
                                                                                                                                                                        Grünspecht
                                                                                                                      die natürlichen, die im
                                                                                                                                                                        Haubenmeise
                                                                                                                      Bioanbau zugelassen
                                                                                                                                                                        Kleiber
                                                                                                                      sind, sollen Insekten
                                                                                                                                                                        Kohlmeise
                                                                                                                      töten. Möglichst schon
                                                                                                                                                                        Kuckuck
                                                                                                                      beim ersten Mal. An-
                                                                                                                                                                        Mauersegler
                                                                                                                      sonsten muss häufiger
                                                                                                                                                                        Mäusebussard
                                                                                                                      gespritzt werden. Die
                                                                                                                                                                        Mehlschwalbe
                                                                                                                      Folge: keine Insekten,
                                                                                                                                                                        Mittelspecht
                                                                                                                      keine Vögel.
                                                                                                                                                                        Mönchsgrasmücke
                                                                                                                                                                        Nachtigall
                                                             Der Käfer wurde von einer                                                                                  Neuntöter
                                                             Neuntöterfamilie als Nahrungs-                                                                             Nilgans
                                                             konservierung zum Trocknen                                                                                 Pirol
                                                             aufgehängt. Dies Schauspiel der                                                                            Rauchschwalbe
                                                             Natur haben drei Praktikanten                                                                              Ringeltaube
                                                             erlebt und fotografiert. Fünf                                                                              Rostgans
                                                             junge Neuntöter suchten wie                                                                                Rotkelchen
                                                             ihre Eltern Käfer, um sie dann                                                                             Rotmilan
                                                             aufzuspießen.                                                                                              Saatkrähe
                                                                                               Sie reduzieren vor allem während der
                                                                                                                                                                        Schwarzkelchen
                                                                                               Brutzeit die sogenannten Obstschädlinge
     Warum wir Vögel besonders fördern                                                         wie Apfelwickler, Pflaumenwickler, Kirsch-
                                                                                                                                                                        Schwarzspecht
                                                                                                                                                                        Singdrossel
     Ein Meisenpaar vertilgt mit seiner Brut im Lauf eines                                     fruchtfliege, Kirschessigfliege, Walnussfrucht-
                                                                                                                                                                        Star
     Jahres bis zu 75 Kilogramm Insekten. Die Vögel                                            fliege und viele mehr. Uns ist es eine große
                                                                                                                                                                        Steinkauz
     suchen die Sträucher und Bäume nach Insekten ab,                                          Freude, Tag für Tag die Vögel zu beobach-
                                                                                                                                                                        Stieglitz
     um die hungrigen Mäuler ihrer Jungen zu stopfen.                                          ten. Was die Vögel tagsüber nicht vertilgen,
                                                                                                                                                                        Stockente
     Viele Hundert Vogelnisthilfen geben unseren                                               übernehmen in den Abendstunden die
                                                                                                                                                                        Storch
     Vögeln Schutz und eine gute Nistmöglichkeit. Wir                                          Fledermäuse. Auch sie fressen große Men-
                                                                                                                                                                        Türkentaube
     verwenden Holzbetonkästen mit einem speziellen                                            gen von Insekten. In speziellen Fledermaus-
                                                                                                                                                                        Turmfalke
     Marderschutz. An einigen Plätzen füttern wir im                                           nisthilfen haben sie ebenso eine Heimat auf
                                                                                                                                                                        Wendehals
     Winter die Vögel.                                                                         unseren Obstwiesen gefunden.
                                                                                                                                                                        Wiedehopf
                                                                                                                                                                        Zaunkönig

34                                                                                                                                                                                          35
Manchmal muss man mit der
                                                                                                          Geduld, die aus dem Verständnis
                                                                                                          heraus wächst, nur abwarten

Sitzstangen und Nisthilfen für Raubvögel wie Eu-      Bei einer Übervermehrung fangen Wiesel mehr
len, Falken, Bussarde und Co. sind wichtig, um die    Mäuse, als sie fressen können. Da Feld- und Wühl-
Mäusepopulationen ganzjährig in Grenzen zu hal-       mäuse sich vegetarisch ernähren, sind sie für das
ten. Hierbei helfen auch Hermelin und Mauswie-        Wurzelwerk von Büschen und vor allem für Jung-
sel. Beide Wieselarten wohnen in eigens errichteten   bäume gefährlich. Aus diesem Grund werden im
Steinhaufen. Wiesel sind wichtige Gegenspieler von    Obstparadies alle Büsche und Baumwurzeln mit
Mäusen.                                               großem Aufwand unterirdisch mit Drahtkörben
                                                      geschützt.

                                                                                                                        Im Obstparadies unterstützen Nützlinge
                                                                                                                        In unseren Anlagen hängen Tausende von Ohrwurm-
                                                                                                                        wohnungen, das sind umgekehrte Tontöpfe, gefüllt mit
                                                                                                                        Holzwolle. Die nachtaktiven Tiere können sich dort
                                                                                                                        tagsüber vor ihren Feinden, den Vögeln, verstecken. Der
                                                                                                                        gemeine Ohrwurm ernährt sich räuberisch von Blatt-
                                                                                                                        läusen und kleinen Schadinsekten. Er ernährt sich aber
                                                                                                                        auch, wie etwa der Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer
                                                                                                                        von Mehltaupilzen. Weitere Gegenspieler verschiedener
                                                                                                                        Läusearten sind Blumenwanzen, Weichwanzen, Kamel-
                                                                                                                        halsfliegen, echte Netzfliegen, Florfliegen, Ahlenkäfer,
                                                                                                                        gemeiner Weichkäfer, verschiedene Marienkäferarten,
                                                                                                                        Blutlauszehrwespen, Erzwespen, verschiedene Blattlaus-
                                                                                                                        schlupfwespen, räuberische Gallmücken, Schwebfliegen,
                                                                                                                        Sperlingsvögel und Kohlmeisen. Eines haben alle diese
                                                                                                                        Gegenspieler gemeinsam. Sie überleben keine Insektizid-
                                                                                                                        spritzungen! Sind die Nützlinge weg, haben die Läuse
                                                                                                                        einfaches Spiel. Vor allem in Monokulturen. Die Folge:
                                                                                                                        Noch mehr Spritzungen

36                                                                                                                                                                                 37
„Jeder dumme Junge kann einen Käfer
                                                                                                          zertreten. Aber alle Professoren der Welt
                                                                                                          können keinen herstellen.“
                                                                                                          Arthur Schopenhauer

                                                                                                          Wer die Schönheit der Natur wahrnimmt und
                                                                                                          beginnt sie zu begreifen, sieht die Welt mit anderen
                                                                                                          Augen. Die Tarnung der Raupe oder des Rebhuhn-
                                                                                                          weibchens sind hochinteressant. Wenn aus dem
                                                                                                          Laich von Tausenden Froscheiern Kaulquappen
                                                                                                          werden und daraus Frösche, offenbart sich etwas
                                                                                                          Besonderes, etwas Einmaliges.

                                                                                                          Die industrielle Landwirtschaft, auch der industri-
                                                                                                          elle Bioanbau, gerät immer mehr in die Sackgasse.
                                                                                                          Dafür gibt es endlos viele Belege. Zu viele Nebel-
                                                                                                          bomben haben in der letzten Zeit die Sicht ver-
                                                                                                          hüllt. Am Beispiel der blühenden Randstreifen,
                                                                                                          die das Insektensterben aufhalten sollen, wird es
                                                                                                          deutlich.
                                                                                                          Es ist geradezu peinlich, sich für eine Insektenviel-
                                                                                                          falt auf den blühenden Randstreifen zu beschrän-
                                                                                                          ken. Alle wissen, danach kommt der Riesentraktor
                                                                                                          mit gewaltigen Auslegern, der dann den Giftnebel
                                                                                                          versprüht. Insektizide, die gerade die störenden
                                                                                                          Insekten umbringen sollen, machen auch vor dem
                                                                                                          Blühstreifen keinen Halt. Und wie sieht es nach
                                                                                                          dem Giftregen mit der Kommunikation der Pflan-
                                                                                                          zen und Tiere aus?

                                                      Dies ist kein Ufo im Obstparadies.
                                                      Wir wissen wenig, viel zu wenig. In einem
                                                      unserer Sandflächen, die wir für Wildbienen
                                                      anlegten, fanden wir mehrere dieser kreis-
                                                      förmigen Strukturen. Kleine Tiere haben
                                                      Gräser in den Sand gezogen. Sind die Kreise
                                                      im Sand durch den Wind entstanden? Oft
                                                      stehen wir vor Rätseln ...

Florianne Koechlin                                   schen: es sind Methyljasmonate, die zum Beispiel
schreibt in einer ihrer vielen Veröffentlichungen:   auch in Parfums verwendet werden. Bei Experi-
                                                     menten an der Washington State University musste
Pflanzen „kommunizieren“                             Forschungsleiter Bud Ryan seinen Forscherinnen
                                                     vorschreiben, im Gewächshaus kein Parfum zu ge-
Wenn eine Tomate von einer Raupe angegriffen         brauchen - das hätte die Tomaten verwirrt.
und verletzt wird, dann beginnt sie sich zu wehren
und bildet zum Beispiel Toxine gegen die Raupe.
Die verletzte Tomatenpflanze tut aber noch mehr:
                                                     Pflanzen sind „sensibel“
Sie sendet einen SOS-Duftstoff aus und warnt         Heute wissen wir, dass Pflanzen mindestens 17 ver-
damit andere Tomatenpflanzen in der Umgebung,        schiedene Umweltvariablen wahrnehmen, also „er-
damit diese auch Abwehrstoffe zu bilden beginnen.    spüren“ können. Sie können chemische Duftstoffe
ForscherInnen kennen dieses SOS-Signal inzwi-        „riechen“ und Licht differenziert wahrnehmen.

38                                                                                                                                                                39
Der Golden Delicious hatte in den 70er-Jahren bist zu zweidrittel
Marktanteil. Dies war nur mit extremem Pflanzenschutz möglich, da er                                    Alte ungespritzte Obstsorten
stark pilzanfällig ist.
Im Bild: Golden Delicious ohne Pflanzenschutz
                                                                                                        aus dem Obstparadies
                                                                                                        Unsere angepflanzten alten Tafelobstsorten bie-        Die Geschmackspalette wird von rund 300 ver-
                                                                                                        ten im Gegensatz zu den Supermarktsorten eine          schiedenen Aromen geprägt. Die wenigen moder-
                                                                                                        unbeschreibliche, große Geschmacksvielfalt. Die        nen Supermarktsorten können geschmacklich nicht
                                                                                                        Angebotspalette reicht von fein säuerlich bis saftig   ansatzweise mithalten. Zu einseitig waren die Züch-
                                                                                                        süß, von würzig aromatisch bis herrlich fruchtig.      tungsziele der vergangenen Jahrzehnte.

Bei einer Untersuchung von 500 Markt- und          Aufgrund der einseitigen Züchtung mit wenigen,
Züchtungssorten, die nach 1920 entstanden sind,    zum Teil aber sehr krankheitsanfälligen Ahnen, ist
wurde der Golden Delicious 347-mal als Stamm-      es nicht verwunderlich, dass moderne, aber auch
sorte eingekreuzt. Weitere pilzempfindliche alte   Biosorten, intensiven Pflanzenschutz benötigen.
Sorten wie Jonathan, McIntosh, Red Delicious       Leider halten auch die pilzresistenten Sorten, die
oder James Grieve wurden ebenfalls sehr häufig     oft im Biobereich angebaut werden, nicht das, was
als Stammsorte bei der Züchtung verwendet.         sie versprechen. Wir haben einen großen Teil der
Quelle: Hans-Joachim Bannier                       modernen pilzresistenten Sorten, die wir zu Beginn
                                                   gepflanzt haben, wieder rausgerissen.

40                                                                                                                                                                                                           41
Obstparadies Äpfel und Birnen werden auf land-        mittel. Im Einklang mit der Natur arbeiten wir mit   Unsere Bäume, die auf großkronigen Unterlagen           mer schnelllebigeren Zeit. Wir bewirtschaften über
schaftsprägenden großkronigen Bäumen erzeugt.         Mischkulturen. Die Bäume stehen auf Wiesen, die      veredelt wurden, können bei Äpfeln bis 80 Jahre,        1000 Bäume in einer Altersstruktur von 30 – 120
Wir verzichten bewusst auf jegliche Art von Spritz-   vor der Ernte gemäht werden.                         bei Birnen bis 120 Jahre alt werden. Sie kommen         Jahre. Über 3000 Bäume haben wir die letzten 10
                                                                                                           jedoch erst ab dem 10. Jahr langsam in Ertrag. Dies     Jahre veredelt und gepflanzt.
                                                                                                           ist ein großer wirtschaftlicher Nachteil in einer im-

Je größer die Bäume, je tiefgründiger die Wurzeln.    besonderen Geschmacksnuancen in den Früchten.        Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Bäume mit           sind sehr viele natürliche Wechselbeziehungen ver-
Dadurch können die Bäume die Nährstoffe in sehr       Die Bewirtschaftung ist jedoch etwas anspruchs-      zunehmender Größe und zunehmmendem Alter                antwortlich. Es ist immer wieder faszinierend, dies
tiefen Schichten aufnehmen. Dadurch entstehen die     voller und geht nur mit viel Handarbeit.             weniger anfällig für Blattkrankheiten sind. Dabei       beobachten zu dürfen.

42                                                                                                                                                                                                                43
Wir erzeugen in unseren Baumobstgärten eine             sorten dazu. Zu Beginn leider erst in kleineren         Sie erhalten bei uns ungespritzte Tafeläpfel. Aber   für Apfelallergiker oder Diabetiker geeignet. In
Vielzahl unterschiedlicher alter Sorten. Viele Sorten   Mengen. Wir haben Sommer-, Herbst- und Winter-          auch Äpfel zur Verarbeitung. Besondere Sorten        unserer Obstparadies Manufaktur verwenden
ernten wir in größeren Mengen. Aufgrund der             äpfel. Sie finden bei uns im Herbst eine einzigartige   zum Kuchenbacken, Kompott oder Trockenobst           wir die große Apfelvielfalt, um unterschiedlichste
Neupflanzungen kommen immer mehr Liebhaber-             Apfel- und Birnensortenvielfalt.                        herzustellen. Viele unserer alten Sorten sind auch   leckere Getränke herzustellen.

44                                                                                                                                                                                                                   45
Auch Birnen bauen wir in einer großen Sortenviel-      anonymen Verkaufsart kann der Handel im Obst-
     falt an. Richtig reif könnte man viele von ihnen als   bereich keine optische und geschmackliche Vielfalt
     die reinsten Aromabomben bezeichnen. Die Bild-         anbieten. Auch richtig reifes Obst, welches am
     auswahl kann nur einen kleinen Ausschnitt zeigen.      leckersten schmeckt, fällt da raus. So sind viele der
     Birnenzeit ist von August bis Oktober. Das Angebot     alten Birnen im Markt verschwunden. Dies ist der
     variiert von Woche zu Woche. Unsere Äpfel und          Grund, warum 99,5% des konsumierten Obstes
     Birnen sind ungespritzt und ungeschminkt. Sie kön-     intensiv gespritzt wird. Dies hat auch den Bioobst
     nen deshalb nicht immer so makellos wie gespritz-      Handelsbereich längst eingeholt. Der Handel will
     tes Obst aussehen. Sie variieren in Farbe, Form        makellose und möglichst immer gleich aussehende
     und Größe und im Geschmack. Dies passt nicht in        Früchte.
     die Struktur des heutigen Handels. Aufgrund der

46                                                                                                            47
Um 1920 waren in Deutschland über 1000 Apfel-        Die ursprüngliche Geschmacks- und Sortenvielfalt        Im März ist im Obstparadies Veredelungszeit.      Viele Sorten konnten wir nicht mehr als Jungbäu-
sorten bekannt. Heute finden wir in den Super-       ist fast verschwunden. Mit ihr die bei uns einst        Wir haben einen Großteil unserer Neupflanzungen   me kaufen. Immer Ende November machen wir
märkten gerade noch ein Dutzend moderne              verbreitete Apfel- und Birnenkultur. Pomologen          die letzten Jahre selbst veredelt.                einen kleinen Pflanzenmarkt, an dem die eine oder
Sorten. Es sind Züchtungen für den industriellen     (Sortenkundler), die sich im Pomologenverein zu-                                                          andere Rarität den Besitzer wechseln kann.
Plantagenanbau. Wichtig sind gleiches Aussehen       sammengetan haben, versuchen die alten Sorten zu                                                          Die Termine werden auf unserer Internetseite ver-
und Transportfähigkeit.                              bewahren.                                                                                                 öffentlicht.

Der Pomologenverein organisiert Vereinstreffen,      Tübingen bis Heilbronn statt. Wir sind Mitglied im
Sortenausstellungen, Sortenbestimmungskurse,         Verein und daran interessiert, dass auch in unserem
Baumschnittkurse und vieles mehr.                    Raum mehr stattfindet.
Ein großer Teil der Vereinsaktivitäten der Landes-   Sollten Sie Interesse haben, melden Sie sich einfach.
gruppe Baden-Württemberg findet im Bereich           Internetadresse: www.obstparadies-staufen.de

48                                                                                                                                                                                                          49
Alte Apfel-                                                                                                                renette, Weiße Wachsrenette, Weißer Matapfel, Weißer
                                                                                                                           Winterkalvill, Weißer Winter-taffetapfel, Welschbrunner,
                                                                                                                           Wettringer Taubenapfel, Winterbananenapfel, Winter-
                                                                                                                                                                                         Vereins Dechantsbirne, Wahl‘sche Schnapsbirne, Wei-
                                                                                                                                                                                         denblättrige Herbstbirne, Weilersche Mostbirne, Wilde
                                                                                                                                                                                         Eierbirne, Wildling von Einsiedeln, Williams Christ,

und Birnensorten aus unserem                                                                                               gravensteiner, Winterhimbeerapfel, Winter­­z­itronenapfel,
                                                                                                                           Wohlschmeckender aus Vierlanden, Zabergäurenette,
                                                                                                                           Zimtapfel, Zitronenapfel, Zuccalmaglios Renette, Züri-
                                                                                                                                                                                         Winterdechant, Winternelis, Zitronenbirne, Zuckerbirne
                                                                                                                                                                                         von Montlucon, Zweibutzen.

Obstparadies Erhaltungsprojekt                                                                                             apfel.

                                                                                                                           Alte Birnensorten:
                                                                                                                                                                                         Viele Kollegen aus dem Pomologenverein haben
                                                                                                                                                                                         uns bei der Sortensuche unterstützt und bei der Sorten-
                                                                                                                                                                                         bestimmung geholfen. Ein besonderer Dank gilt hier
                                                                                                                           Alexander Lucas, Alexandrine Douillard, Ananas de             dem Birnenspezialist Hermann Schreiweis (Bild), Werner
                                                                                                                           Courtray, Anjou, Apfelbirne, Auringer Winter-                 Nussbaum, Hans-Thomas Bosch, Herr Dr. Mayr vom
                                                                                                                           birne, Badische Weinbirne, Bamberger Kugelbirne,              KOB, Hans-Joachim Bannier und vielen mehr. Ihre
Über 300 Apfelsorten und über 200 Birnensorten                beerapfel aus Holovous, Hochzeitsapfel. Holsteiner           Bardowieker Sommerbergamotte, Baronin von Mello,              Arbeit hat einen unschätzbaren Wert für die künftigen
haben wir inzwischen angepflanzt, um sie zu erhalten.         Cox, Holsteiner Splittapfel, Horneburger Pfannkuchen-        Bayrische Weinbirne, Berner Dornbirne, Beste Birne,           Generationen.
Dies ist eine Investition in die Zukunft. Die Bäume in        apfel, Idared rot, Ingrid Marie, Ivette, Jägers Renette,     Betzelsbirne, Beuckes Butterbirne, Bimmbirne, Bini-
unserem Erhaltungsgarten kommen nach und nach in              Jakob Fischer, Jakob Lebel, James Grieve, Jonathan,          bolbirne, Blumenbachs Butterbirne, Blutbirne, Bosc‘s
Ertrag. Immer wieder sind wir von der Farbe, Form und         Josef Musch, Kaiser Alexander, Kaiser Wilhelm, Kaiser-       Flaschenbirne, Brunnenbirne, Bunte Julibirne, Cham-
Geschmacksvielfalt überrascht.                                krone, Kanada Renette, Kardinal Bea, Karmeliter-             pagner Bratbirne, Clapps Liebling, Condo, Conference,
                                                              Renette, Karmijn de Sonaville, Große Kasseler Renette,       Denkinger Zuckerbirne, Deutsche Nationalbergamotte,
Alte Apfelsorten:                                             Käsapfel, Klarapfel, Kohlenbacher, Königsluike, Königin­     Diels Butterbirne, Direktor Hardy, Doppelte Philipps-
Adamsapfel, Adamsparmäne, Adersleber Kalvill, Allen-          apfel, Königlicher Kurzstiel, Konstanzer, Korbacher Edel-    birne, Dr. Martin, Edelcrassane, Esperens Bergamotte,
dorfer Rosenapfel, Alkmene, Altländer Pfannkuchen-            renette, Korbiansapfel, Körler Edelapfel, Kronprinz          Esperine Butterbrine, Ettenbirne, Fässlesbirne, Feigen-
apfel, Altländer Rosenapfel, Ananasrenette, Apfelberger       Rudolf, Krügers Dickstiel, Lanchester Greening, Lands-       birne von Alencon, Fellbacher Weinbirne, Feuchtwan-
Zuckeräpfelchen, Badener Renette, Baumanns Renette,           berger Renette, Lanes Prinz Albert, Langelandapfel,          ger Butterbirne, Flachsbirne, Frankelbacher Weinbirne,
Berner Rosenapfel, Biesterfelder Renette, Bischofs­mütze,     Lausitzer Nelkenapfel, Lavanthaler Bananenapfel, Le-         Frankfurter Birne, Französische Blutbirne, Frühe große
Bismarckapfel, Bittenfelder, Birnenförmiger Apfel,            ckerbissen, Lichthardts Apfel, Linsenhofer Renette, Links    Muskateller, Frühe von Trevoux, Geddelsbacher Most-
Blauacher, Blumberger Langstiel, Blutrote rheinische          Rosenapfel, Litauer Pepping, Luikenapfel, Lütticher          birne, Gelbe Koresser, Gelbe Wadelbirne, Gelbmöstler,
Renette, Boikenapfel, Böblinger Straßenapfel, Börtlin-        Rambour, Luxemburger Renette, Maigold, Maren                 Gellerts Butterbirne, Gieser Wildemann, Gewürzbirne,
ger Weinapfel, Boskoop Quast, Boskoop Rot, Roter              Nissen, Mantet, Martens Sämling, Martini, Martins-           Goldschwänzchen, Gräfin von Paris, Großer Katzen-
Königsboskoop, Boskoop Schmitz Hübsch, Schöner von            kracher, Mauks Apfel, Mc Intosh, Melodia, Melrose,           kopf, Grüne Hoyerswerder, Gute Graue, Gute Luise,
Boskoop, Weißer Königsboskoop, Bramleys Sämling,              Metz­renette, Millicent Barnes, Minister Hammerstein,        Gwährbirne, Hänserbirne, Harigelbirne, Herbstfeigen-
Brauner Matapfel, Brettacher, Burchardts Netzrenette,         Mohringer Rosenapfel. Morgenduft, Muskatellerluike,          birne, Herbstforellenbirne, Herzogin Elsa, Hochfeine
Bühler Erdbeerapfel, Champagner Renette, Chüsen­              Mutsu, Nathusius Taubenapfel, Neujahrsapfel, Neune­­         Butterbirne, Hofratsbirne, Hopfenbirne, Holländische
rainer, Coulons Renette, Cornwalliser Nelkenapfel, Cox        schläfer, Notarisapfel, Oberländer Himbeerapfel, Ober-       Feigenbirne, Jaköble, Jeanne d‘Arc, Jeremias Runde, Jo-
cherry, Cox orange, Transparent von Croncels, Damas-          lausitzer Muskatrenette, Obserlausitzer Nelkenapfel,         sephine von Mecheln, Junker Hans, Kaiserbirne mit dem
ons Renette, Danziger Kant, Dithmarscher Paradiesapfel,       Oetwiler Renette, Öhringer Blutstreifling, Ontarioapfel,     Eichblatt, Karcherbirne, Kieffers Sämling, Kirchensaller
Doppelter Melonenapfel, Dundenheimer Schätzler,               Orleansrenette, Orangenburg, Parkers Pepping, Pfirsich-      Mostbirne, Kleine Muskatellerbirne, Knausbirne, König
Dülmener Rosenapfel, Dülmener Renette, Edelborsdor-           roter Sommerapfel, Polierapfel, Pomme d‘or, Porzen,          Karl von Württenberg, Köstliche von Charneux, Läm-
fer, Edelgrauech, Eierlederapfel, Eisbrucker, Engelsberger    Pommerscher Krummstiel, Princesse Noble, Prinz               merwäsele, Lebruns Butterbirne, Lübecker Prinzenbirne,
Renette, Englische Spitalrenette, Englischer Prinzen-         Alb­­­­recht von Preußen, Prinzenapfel, Prinzessin Irene,    Luxemburger Mostbirne, Madam Favre, Madame Verte,
apfel, Erbachhofer Weinapfel, Ernst Bosch, Erwin Baur,        Purpurella, Purpurroter Agatapfel, Purpurroter Cousi-        Mauswedel, Melonenbirne, Metzer Bratbirne, Minis-
Evaapfel, Fantasia, Fey‘s Rekord, Fießers Erstling, Finken-   not, Ravensberger Renette, Red Merylinn, Reinette de         ter Dr. Lucius, Mollebusch, Muskateller, Nägelesbirne,
werder Herbstprinz, Fraas Sommerkalvill, Französische         France, Reitländer, Rheinische Schafsnase, Rheinischer       Nordhäuser Winterforelle, Oberösterreichische Wein-
Goldrenette, Freiburger Renette, Freiherr von Berlepsch,      Bohnapfel, Rheinischer Krummstiel, Rheinischer Winter-       birne, Offenbacher Rote, Oligbirne, Owener Frühbirne,
Friedberger Bohn, Freiherr von Trautenberg, Fromms            rambour , Ribston Pepping, Riesenboiken, Römischer,          Palmischbirne, Pastorenbirne, Paulsbirne, Petersbirne,
Goldrenette, Gaesdonker Renette, Gartenmeister Simon,         Kikker, Roter Fresquin, Rote Sternrenette, Roter Astra-      Pfirsichbirne, Pflästerlesbirne, Pfullingerbirne, Präsident
Geheimrat Breuhahn, Geheimrat Dr. Oldenburg, Gelbe            chan, Roter Bellefleur, Roter Berlepsch, Roter Eiserapfel,   Drouard, Prinzessin Marianne, Professor Großdemanche,
Königsrenette, Gelber Bellefleur, Gelber Edelapfel, Gel-      Roter Herbstkalvill, Roter Jungfernapfel, Roter Kardinal,    Punktierter Sommerdorn, Reiherlingsbirne, Remele, Ro-
ber Richard, Gestreiter Herbstkalvill, Gestrickte Renette,    Roter Mond, Roter Sommercalville, Roter Trierer Wein-        bert de Neufville, Röhrlesbirne, Römische Schmalzbirne,
Gewürzluiken, Schweizer Glockenapfel, Gloria Mundi,           apfel, Rotfleischiger aus Korna, Säfstaholms Rosenapfel,     Rote Lederbirne, Rotholzbirne, Rote Williams Christ,
Gloster, Goldparmäne, Rote Goldparmäne, Winter-               Schneiderapfel, Schöner aus Bath, Schöner von Herrn-         Rousselet de Reims, Säckinger Birne, Salzburger Birne,
goldparmäne, Goldrenette von Blenheim, Grahams                hut, Schöner aus Nordhausen, Schöner von Wiltshire,          Santa Maria, Scheiberling, Schlankelesbirne, Schneebir-
Jubiläumsapfel, Graue Französische Renette, Graue             Schwarzwälder Renette, Schweizer Orangenapfel, Sees-         ne, Schöne von Pleystein, Schweizer Hose, Schweizer
Herbstrenette, Graue Portugiesische Renette, Gravenstei-      termüher Zitronenapfel, Septer, Sertürners Renette, Sie-     Wasserbirne, Seckelsbirne, Seitersbirne, Sieben ins Maul,
ner, Alter Gravensteiner, Blutroter Gravensteiner, Früher     benschläfer, Signe Tillish, Sommerananas­apfel, Sommer­­­    Sierra, Sievenicher Mostbirne, Sipplinger Klosterbirne,
Gravensteiner, Roter Gravensteiner, Großherzog Fried-         pfirsichapfel, Sonnenwirtsapfel, Spätlauber, Sponheimer      Solaner, Sommerapothekerbirne, Sommerblutbirne,
rich von Baden, Grüner Fürstenapfel, Harberts Renette,        Flurapfel, Stahl‘s Winterpinz, Stauferluike, Sternapi,       Sommereierbirne, Sommerfeigenbirne, Sommer Muska-
Hagedornapfel, Halberstädter Jungfernapfel, Hauxapfel,        Stirnbacher weiß, Strauwalds Goldparmäne, Süße graue         teller, Spaichinger Wegbirne, Sparbirne, Späte Muska-         Über 40 von Hermann Schreiweis (Bild) gesam-
Herbstparmäne, Heslacher Gereutapfel, Hess. Tiefen-           Renette, Tannenkrüger, Tulpenapfel, Thurgauer Wein-          teller, Staffelsteiner Beckenbirne, Storchschnabelbirne,      melte Birnensorten konnten bisher nicht zuge-
blüte, Heuchelheimer Schneeapfel, Hilde, Hildesheimer         apfel, Ulmer Polizeiapfel, Virginischer Rosenapfel,          Stuttgarter Birne, Stuttgarter Geißhirtle, Sülibirne, Wahre   ordnet werden. Diese werden jetzt bei uns unter
Goldrenette, Himbacher Grüner, Himbeerapfel, Him-             Wachsrenette von Benediktbeuern, Werdersche Wachs-           Susbirne, Tongern, Trummbirne, Ulmer Butterbirne,             Arbeitsnamen kultiviert und erhalten.

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Ein italienisches Sprichwort sagt:
     „Kirschen sind wie Küsse.
     Man kann nicht genug davon
     bekommen.“
     Die Sommerfrucht ist lecker, fruchtig und
     gefüllt mit vielen wertvollen, gesundheits-
     fördernden Inhaltsstoffen. Auch Kirschen-
     plantagen werden landauf, landab aufgrund
     von Kirschessigfliege und Kirschfruchtfliege
     mit Insektiziden behandelt. Wir kultivie-
     ren frühe Sorten. So können wir in einem
     kleinen Zeitfenster leckere Tafelkirschen an-
     bieten. Bei uns wachsen unterschiedlichste
     Sorten ohne Verwendung von Insektiziden.
     Ein großer Teil geht in unsere Saftverarbei-
     tung.

                                                     Neben den saftigen Süßkirschen bauen wir
                                                     auch verschiedene Sauerkirschsorten für die
                                                     Verarbeitung an. Eine weitere Besonder-
                                                     heit sind unsere Wildkirschenbäume. Ein
                                                     Sämling, den wir weiter kultiviert haben,
                                                     ist die Grundlage für unsere Wildkirschen-
                                                     ernte. Frisch vom Baum verzehrt, sprach
                                                     eine brasilianische Praktikantin mit funkeln-
                                                     den Augen von einem göttlichen Genuss.
                                                     Daraus entstand die Idee des „Nikolausi“.
                                                     Vielen Weihnachtsmarktbesuchern bekannt.
                                                     Heißer, brillant leuchtender Wildkirschlikör
                                                     mit Sahnehäubchen. Der Nikolausi erfreut
                                                     immer wieder die Besucher unserer Weih-
                                                     nachtsmarktstände. Aber auch wenn Sie
                                                     Gäste bekommen oder vor dem brennen-
                                                     den Kamin ist der Nikolausi in der Vor- und
                                                     Nachweihnachtszeit etwas Besonderes.

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Walnüsse gehörten früher zur regionalen
     Selbstversorgung dazu. Heute sind einhei-
     mische Früchte rar geworden. Aufgrund der
     eingeschleppten Walnussfruchtfliege wird
     von den Obstbauberatern empfohlen, die
     Bäume mit Insektiziden zu behandeln. Wir
     setzen auch hier keine Pestizide ein. Schwar-
     ze Nüsse werden aufgelesen und entsorgt.
     Ein maschinelles Auflesen fällt somit aus.
     Auch hier haben wir viel Handarbeit. Wir
     verkaufen die luftgetrockneten Walnüsse
     vor allem in der Vorweihnachtszeit für die
     Weihnachtsbäckerei. Walnüsse gelten als
     sehr gesundheitsfördernd. Sie liefern die
     gesunden Omega-3-Fettsäuren. Sie senken
     den Cholesterinspiegel und ihr Eiweiß ist
     besser verwertbar als tierisches Eiweiß. In
     der Obstparadies Manufaktur entstehen
     auch Delikatessen, die aus grünen Walnüs-
     sen gefertigt werden.

                                                     Im Obstparadies haben sie wieder goldene Zeiten.       Die Quitte braucht viel Sonne und dankt es uns
                                                     Die Rede ist von Quitten, die vollreif bei der         mit ihrem fantastischen Geschmack. Sie wird in
                                                     Ernte schier blenden. Eine fast vergessene herrliche   der Obstparadies Manufaktur in der Verarbeitung
                                                     Frucht. Wir kultivieren Apfel- und Birnenquitten,      vielseitig verwendet. Aufgrund ihres betören-
                                                     insgesamt 20 verschiedene Sorten. Darunter seltene     den Duftes wurde sie früher im Volksmund auch
                                                     Sorten wie die Muskat- oder Zitronenquitte.            Schmeckbirne genannt.

     Unsere Vorfahren schätzten die Haselnüsse
     als energie- und eiweißreiches Nahrungsmit-
     tel. 100 Haselnusssträucher, 10 verschiedene
     Sorten reichen bei uns leider nur aus, um
     Spezialitäten wie den legendären Haselnuss-
     likör herzustellen.

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Die Vielfalt unseres Pflaumenanbaus ist groß.       Wunder der Natur. Eines haben sie alle gemein-
Verschiedene Zwetschgen, Löhrpflaumen, verschie-    sam. Mit jedem Sonnentag, den die Früchte länger
dene Renekloden, Haferpflaumen, verschiedene        an den Bäumen verbringen dürfen, nehmen die
Mirabellen, Schlehen, Zibarten und Blutpflaumen.    Geschmackserlebnisse beim Genuss zu.
Die Vielfalt in Form, Farbe und Geschmack ist ein

                                                                                                       Immer mehr Kunden schätzen es, dass sie im Obst-   Lange Wege und der Handelswunsch nach langer
                                                                                                       paradies ausgereiftes Obst kaufen können. Gerade   Haltbarkeit bestimmen so über süß oder sauer und
                                                                                                       bei Zwetschgen und Mirabellen wird der Unter-      über den Geschmack. Viele Spezialitäten wie die
                                                                                                       schied im Geschmack erlebbar. Oft sieht man im     Löhrpflaume, sind aufgrund des kleinen Lagerzeit-
                                                                                                       Handel unreife Früchte in den Auslagen liegen.     fensters vom Markt verschwunden.

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Wildpflaumen werden in manchen Südländern als          von Rottönen, verschiedene Blautöne, Violetttö-
     Frischobst verkauft. Wir kultivieren unterschied-      nen und schwarz. Manche auch gelb, auf der Son-
     lichste Sorten. Eine Pracht sind die verschiedensten   nenseite rot oder gesprenkelt. Wildpflaumen haben
     Farben der Wildpflaumen. Von Zitronengelb über         als säuerliche, erfrischende Frucht einen festen Platz
     Goldgelb bis hin zu Orangetönen. Über alle Arten       in unserem Anbau und in unserer Verarbeitung.

58                                                                                                           59
Wildobst
 kannten bei uns schon
 die Kelten!

 Wir kultivieren sie wieder: Berberitzen,
 verschiedene Sorten der nordischen
 Zitrone, Apfelbeeren (bekannt unter
 Aronia), Ölweiden, verschiedene
 Sorten der Kornelkirsche, Felsenbirne,
 Mispeln, Speierling und Ebereschen.

                                            Wildobst kultivieren wir überwiegend als Busch-       der menschlichen Ernährung. Wir verwenden viele
                                            form in Reihen. Diese umzäunen oft unsere An-         der gesunden Früchte in der Verarbeitung. Einige
                                            lagen. Wildobst ist seit tausend Jahren Bestandteil   haben es schon in die Verkaufshitliste gebracht.

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Wie viel ärmer wäre die Welt
                                                                                                     ohne Rosen?     Mehrere Hundert Meter Wildrosen haben
                                                                                                                     wir auf verschiedenen Grundstücken stehen.
                                                                                                                     Zuerst erfreuen uns ihre Blüten, später im
                                                                                                                     Herbst die Vielzahl von unterschiedlichsten
                                                                                                                     Hagebutten.

Die cremefarbigen, angenehm herb riechenden      busch gibt es viele Mythen. In keinem alten Heil-
Blütendolden werden direkt nach der Ernte ver-   mittelbuch durften die Holunderblüte und Holun-
arbeitet. Blütenauszüge machen den Holunder      derbeere fehlen. Der Holunder gilt von alters her
geschmacklich interessant. Über den Holunder-    als Heilmittel.

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Die Magie der Rosen
Mit ihren zartduftenden Blüten ist die Rose eine       Wild- und Duftrosen gepflanzt. Eine Augenweide,
Blume, die von zahlreichen Geschichten, Mythen         aber auch der Lieblingsplatz vieler Insekten. Wenn
und Sagen umrankt ist. Als symbol- und geschichts-     wir die Rosenblütenblätter in den frühen Mor-
trächtige Blume hat die Rose seit jeher Menschen in    genstunden ernten, sind die Insekten noch nicht
ihrer Kulturgeschichte begleitet und fasziniert. Mit   unterwegs. Dafür ist der Rosenduft in der Frühe am   Jede Sorte hat ihr eigenes Duftspektrum. Manche   Rosenblütenblättern seit Jahrhunderten positiv hei-
ihrer Schönheit, ihren Formen und ihren endlos         intensivsten. Bei den Wildrosen lassen wir für die   Sorten verwenden wir sortenrein. Andere werden    lende Wirkungen zu. Wir verarbeiten die Rosen in
vielen feinen Farbnuancen. Den Rosenduft präzise       Insekten immer ein Drittel der Blüten stehen. Die    zu Duftkombinationen gemischt. Die unendlich      unserer Obstparadies Manufaktur. Die Feinheit der
mit Worten zu beschreiben ist kaum machbar. An         Rosenernte ist für uns immer wieder ein Genuss       wirkende Vielzahl der Aromen ist beeindruckend.   Aromen können in den entstandenen Produkten
verschiedenen Plätzen haben wir über 100 Sorten        mit allen Sinnen.                                    Neben ihren Dufteigenschaften spricht man den     ihren Ursprung nicht verleugnen.

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Das Flair der Provence ist auch im Obstparadies an-   Lippenblütler. Lavendel enthält viel ätherisches Öl.
gekommen. Wir lieben den herb-aromatischen Duft       Der intensive Duft macht ihn für unsere Verarbei-
des Südens. Ein Teil der Blüten wird geerntet, der    tung interessant. So entsteht daraus unter anderem
andere verbleibt für die Tierwelt in den Anlagen.     unser alkoholfreier Paradies-Prickler Mostbirne-
Lavendel ist ein wahrer Magnet für Schmetterlinge.    Lavendel.
Auch Hummeln und Bienen lieben den Nektar der

                                                                                                             Die ersten Versuche, Aprikosen und Pfirsiche an-      hielten nicht, was die Pflanzenprospekte ver-
                                                                                                             zubauen, sind nicht zufriedenstellend gelaufen.       sprachen. Wir sind auf der Suche nach alten
                                                                                                             Ein großer Teil der Pflanzen sind eingegangen. Die    unempfindlichen Sorten und Sämlingen. Ein
                                                                                                             modernen Züchtungen gehen nur mit intensivem          größeres Projekt, welches wir noch vor uns haben.
                                                                                                             Pflanzenschutz. Auch die pilzresistenten Sorten

                                                                                                                                                       Das Klima wird sich
                                                                                                                                                       ändern. Deshalb
                                                                                                                                                       laufen bei uns immer
                                                                                                                                                       wieder neue Anbau-
                                                                                                                                                       versuche. Derzeit
                                                                                                                                                       stehen versuchsweise
                                                                                                                                                       auch Feigen, Nashi,
                                                                                                                                                       Mandeln, Maronen
                                                                                                                                                       und Milchorangen in
                                                                                                                                                       unseren Anlagen.

66                                                                                                                                                                                                               67
Überwiegend für den Frischverzehr bauen wir         schon anders aus. Die gibt es ab Ende Oktober/
                                                                                                         die Früchte mit dem südländischen Flair an. Die     Anfangs November im Frischverkauf. Die Kaki ist
                                                                                                         Indianerbananen haben wir in großem Stil nach-      eine wohlschmeckende, gesunde Frucht mit einem
                                                                                                         gepflanzt. Sie wachsen sehr langsam. Die Bäume      hohen Vitamin- und Mineralstoffgehalt. Ein Teil der
                                                                                                         können 80 Jahre alt werden. Kleine Mengen           Ernte wird als Fruchtaufstrich verarbeitet.
                                                                                                         können wir bereits ernten. Bei den Kakis sieht es

Diese heimischen Exoten gehören schon dazu.        den Anbau gut geeignet. Einige Pflanzen stehen seit
Kiwi, Minikiwi, Indianerbananen, Kaki, weiße und   zehn Jahren. Eine größere Menge haben wir in den
schwarze Maulbeeren. Unser Weinbauklima ist für    letzten Jahren nachgepflanzt.

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Im Obstparadies                                      Die Haupterntezeit ist August bis Oktober. Bei
                                                     schönem Wetter sind wir oft von morgens, wenn
                                                     es hell wird, bis abends, wenn die Sonne unter-

gibt es das ganze                                    geht, auf unseren Obstwiesen, um die vielen ver-
                                                     schiedenen Kulturen zu ernten. Es braucht danach
                                                     kein Fitnessstudio mehr. Ein guter gesunder Schlaf
Jahr viel Arbeit                                     ist nach dem Ernten ebenfalls garantiert. Viel Obst
                                                     wird mit Leitern geerntet. Verarbeitungsobst wird
                                                     oft auch mit Stangen geschüttelt. Es ist eine befrie-
Die wandelnden Jahreszeiten und das Wetter           digende, wunderbare und vor allem eine system-
geben bei den Arbeiten den Takt vor. Von Mai bis     relevante Arbeit.
November wird geerntet. Dazwischen werden die
Wiesen gemäht. Im November bis Februar wird
gepflanzt. Wenn die Blätter gefallen sind, werden
bis zur Blüte die Büsche und Bäume geschnitten.
Dazwischen werden die Anlagen und die Nisthilfen
gepflegt. Es wird veredelt, umgetopft und gegos-
sen. Wir haben viel Handarbeit. Der Maschinen-
einsatz beschränkt sich auf das zweimalige Mähen.
Deshalb haben wir einen sehr niedrigen Energiever-
brauch und eine zukunftsweisende CO2-Bilanz.

70                                                                                                           71
Wir sind ein kleinstrukturierter Familienbetrieb mit   Im Bild mit den Enkeln, mit denen sie gerne
                                                                                                             vier Generationen. Da braucht es auch immer eine       zusammen ist. Sie ist über das Obstparadies hinaus
                                                                                                             Person, die den Laden, ohne dass sie groß in die       dafür bekannt, dass sie die besten Schwarzwälder
                                                                                                             Öffentlichkeit tritt, zusammenhält. Oma Susanne,       Kirschtorten macht.
                                                                                                             die als Springerin agiert, hilft dort, wo es klemmt.

Der Spruch: „Die süßesten Früchte hängen ganz          noch gerne hilft. Sie zählt zu den ausdauerndsten
oben.“ Aber auch das Gesetz der Schwerkraft, „die      Mitarbeiterinnen. Bei einer Kaffeepause meinte sie:
geschüttelten Früchte liegen weit unten“, gelten ge-   „Ich weiß auch nicht, warum ich wie Leder bin“.
nauso im Obstparadies. Weil das Ernten sehr müh-       Wir diskutierten mit jungen Studenten über Ernte-
sam ist, gilt ein besonderer Dank all unseren Mit-     leistung. Fürwahr, sie hat manchem Studenten, was
arbeiterInnen, PraktikantInnen und HelferInnen.        Zähigkeit, Schnelligkeit und Ausdauer anbelangt,
Im Bild Marija, die mit stolzen 83 Jahren immer        schon gelegentlich das Fürchten gelehrt.

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Noch nie ist unsere Bevölkerung                                                                            Ein altes chinesisches Sprichwort bringt es auf den Punkt:

im Durchschnitt so alt geworden                                                                            „Der Mensch ist, was er isst!“
wie heute                                                                                                  Es ist Quatsch, immer nur an den Symptomen herumzudoktern.

Wir geben jedoch inzwischen mehr als doppelt so viel Geld für unsere                                       Ein Beispiel:                                         Deshalb sind auch die meisten neuen Obst- und
                                                                                                           Die Bedeutung der Salvestrole                         Gemüsesorten auf süßeren Geschmack gezüchtet.
Krankheiten wie für unser Essen aus. Das sollte den Verantwortlichen zu
                                                                                                                                                                 Neu gezüchtete Sorten weisen weniger oder gar
denken geben. Diesen Zustand hält eine Gesellschaft auf Dauer nicht durch.                                 Der tägliche Genuss von Gemüse und Obst als Teil      keine Salvestrole mehr auf. In dem oben beschrie-
                                                                                                           einer gesunden Ernährung ist wichtig, das ist un-     benen Buch wird dargelegt, dass alte Apfelsorten
Für Pestizide gibt es viele amtliche Grenzwerte.     Dass es ohne Glyphosat geht, zeigt seit Jahrzehnten   umstritten.                                           aus ungespritztem Anbau wesentlich mehr sekun-
Ob die Grenzwerte die Gesundheit tatsächlich         der Bioanbau. Da ist der Einsatz von Glyphosat                                                              däre Pflanzenstoffe aufweisen als konventionell
schützen, ist sehr umstritten. Wenn, wie jüngst      nicht erlaubt. Es geht wie immer ums Geld. Gly-       Das empfehlenswerte Buch „Salvestrole – Die Ant-      angebaute Äpfel. Denn Fungizide (pilzhemmende
die WHO (Weltgesundheitsorganisation), die kein      phosat ist in der Anwendung praktisch und billig!     wort der Natur auf Krebs“ beschreibt den Zusam-       Mittel), dazu zählen auch die im Bioanbau zugelas-
grünes Image hat, Glyphosat als vermutlich krebs-    Das heißt, ohne Glyphosat kann nicht mehr so          menhang zwischen Ernährung und Krebs. Salvestro-      sene Fungizide Kupfer und Schwefel, hemmen die
erregend einstuft, dann wackeln sofort die massi-    billig produziert werden. Darüber muss gesprochen     le (sekundäre Pflanzenstoffe) sind Bestandteile der   Fähigkeit der Pflanzen, Salvestrole zu produzieren.
ven Grundpfeiler der industriellen Landwirtschaft.   werden, da die Landwirtschaft in einem weltwei-       pflanzlichen Immunsysteme. Sie bilden sich in Obst
Die Politik und die Medien wirken dann für ein       ten Wettbewerb steht.                                 und Gemüse, wenn Pilze und Krankheitserreger          Je reifer das Obst ist, desto mehr Salvestrole findet
paar Wochen hyperaktiv. Über Glyphosat gibt es       Ein Pestizid kommt selten allein. Obst, aber auch     eindringen. Außerdem hemmen sie die Aktivität         man darin. Für die heutigen Handelsstrukturen
weltweit mehr als tausend Studien. Die Bandbreite    Gemüse und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse     der eingedrungenen Pathogene. Salvestrole ent-        wird aber das Obst sehr unreif geerntet. Äpfel wer-
der Ergebnisse geht von unproblematisch bis sehr     werden oft mit verschiedenen Pestiziden besprüht,     wickeln krebsbekämpfende Eigenschaften, wenn          den in der Regel zur besseren Haltbarmachung vor
problematisch. Manchmal hilft es zur besseren Ein-   die darauf als Rückstände zu finden sind. Wie         sie vom CYP1B1-Enzym verstoffwechselt werden.         der Ernte zusätzlich mit Fungiziden behandelt. Obst
schätzung, zusätzlich zu berücksichtigen, wer die    diese Cocktails in der Summe mit vielen anderen       Salvestrole haben oft einen bitteren und scharfen     muss über die Handels- und Transportwege bis hin
Studien bezahlt. Wenn die Politik dann die Losung    Umweltgiften zusammenwirken, ist weitgehend           Geschmack. Unsere Ernährung ist allerdings seit       zum Kunden möglichst lange halten. Die Bildung
ausgibt, das Ganze muss erst mal grundlegend         unbekannt. Einzelne Chemikalien sind an einem         Jahrzehnten auf immer mehr Süße ausgerichtet.         von Salvestrolen kommt auch da zu kurz.
untersucht werden, zeigt dies die Ohnmächtigkeit     bestimmten Punkt wie ein Tropfen, der das Fass
der Politik gegenüber den mächtigen Akteuren.        zum Überlaufen bringt.

                                                      Über viele Jahre und unter großen                         Treffend für viele Bereiche beschreibt unsere heutige
                                                      Kosten reiste ich durch viele Länder                      Situation das Gleichnis des gekochten Frosches. Wirft
                                                      sah die hohen Berge die Ozeane. Nur                       man einen Frosch in kochend heißes Wasser, versucht
                                                      was ich nicht sah war der glitzernde                      er mit allen Möglichkeiten den Topf schnellstens zu
                                                      Tautropfen im Gras gleich vor meiner                      verlassen.
                                                      Tür.                                                      Wenn man jedoch einen Frosch in einen Topf gibt und
                                                                                                                kaltes Wasser darin langsam zum Kochen bringt, un-
                                                      Rabindranath Tagore (1861 – 1941),                        ternimmt der Frosch keinerlei Fluchtversuche. Er wird
                                                      bengalischer Dichter und Philosoph                        zu Tode gekocht, ohne dass er sich dagegen wehrt.

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