Opioide in der Schmerzmedizin - Wirkungen verstehen, Nebenwirkungen vermeiden Eine Patienteninformation der Deutschen Schmerzliga e.V - Deutsche ...

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Opioide in der Schmerzmedizin - Wirkungen verstehen, Nebenwirkungen vermeiden Eine Patienteninformation der Deutschen Schmerzliga e.V - Deutsche ...
Opioide in der Schmerzmedizin
Wirkungen verstehen, Nebenwirkungen vermeiden
       Eine Patienteninformation der Deutschen Schmerzliga e.V.
Opioide in der Schmerzmedizin - Wirkungen verstehen, Nebenwirkungen vermeiden Eine Patienteninformation der Deutschen Schmerzliga e.V - Deutsche ...
Der besseren Lesbarkeit halber verwenden wir
in dieser Broschüre nur die männliche Version
von Arzt, Therapeut o. Ä. Selbstverständlich
sind immer auch die Frauen gemeint, auf deren
                                                Opioide in der Schmerzmedizin
Verständnis wir hoffen.                         Wirkungen verstehen, Nebenwirkungen vermeiden
                                                       Eine Patienteninformation der Deutschen Schmerzliga e.V.
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Inhalt
                                                                   Nebenwirkungen der Opioid-Therapie                          28
         Vorwort                                               7
                                                                   Die opioidinduzierte Verstopfung                            32
         Einleitung                                            9
                                                                   Gegenmaßnahmen                                              35
         Schmerz: Symptom und Erkrankung,                     13
         Freund und Feind zugleich                                 Wirkung von Laxanzien überschaubar –                        36
                                                                   Nebenwirkungen häufig
         Schmerzrezeptoren und Schmerznervenfasern            15
                                                                   Verstopfung – wer spricht darüber?                          38
         Schmerzleitung                                       16
                                                                   Hilfsmittel A: Bristol Stuhlformen Skala                    39
         Therapeutisches Ziel: der synaptische Spalt          18
                                                                   Hilfsmittel B: Bowel Function Index                         40
         Wann werden Opioid haltige Medikamente gegeben?      21
                                                                   Hilfsmittel C: Das eigene Gefühl bzgl. vorher und nachher   43
         Das WHO-Stufenschema der Schmerztherapie             22
                                                                   Andere opioidbedingte Nebenwirkungen                        44
         Welche Unterschiede gibt es zwischen den verschie­   24
         denen stark-wirksamen Opioiden der WHO-Stufe 3?           Reisen mit Opioiden                                         56

         Auf welche Weise kann man Opioide zu sich nehmen?    27   Wichtige Adressen und Links                                 58
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6   Vorwort der DSL                                                                                                                                                                                               7

                                                           Liebe Leser,                                                       Lieber Leser,

                                                                                                                              seit dem 10. März 2017 besteht in Deutschland die Möglichkeit der Verordnung von Cannabis a
                                                           Wirkstoffe aus der Gruppe der sog. Opioide werden seit                 Dennoch
                                                                                                                              Medizin  auch zurbieten   Opioide
                                                                                                                                                 Behandlung         für vielemit
                                                                                                                                                              von Menschen    Menschen       mit chroni-
                                                                                                                                                                                 schwerwiegenden    (chronischen) Schmerzen.
                                                                                                                              Obwohl diese Entscheidung des Deutschen Bundestages aus Sicht vieler Betroffener lange überf
                                                           Menschengedenken zur Schmerzlinderung genutzt. Gerade                  schen und ansonsten therapieschwierigen Schmerzen eine
                                                                                                                              war und damit das jahrelange Hin und Her zwischen antragstellenden Patienten, betreuenden Ä
                                                           im Vergleich zu anderen (zum Teil auch ohne ärztliches             undsinnvolle     (undeinmitunter
                                                                                                                                   Krankenkassen       – aus Sichtauch  notwendige)
                                                                                                                                                                   so mancher            Alternative sowie
                                                                                                                                                                               Experten ungewöhnliches   – Ende fand, hat sich
                                                           Rezept erhältlichen) Schmerzmitteln sind Opioide durch eine            Perspektiven für ein beschwerdearmes und zufriedenstellen-
                                                                                                                              Situation hilfesuchender  Schmerzpatienten   seitdem  nur teilweise verbessert.

                                                           fehlende Organtoxizität gekennzeichnet, was viele Vorteile            des
                                                                                                                              Hoch     Leben.zu hoch – sind nicht nur vielerorts die mit dieser neuen Behandlungsmöglichke
                                                                                                                                   – mitunter
                                                           bietet, jedoch nicht mit Nebenwirkungsfreiheit verwechselt         verbundenen Erwartungen, sondern insbesondere auch die Unkenntnis über das, was Cannabis
                                                                                                                              Medizin ist, wie es wirkt und was es kann.
                                                           werden darf.                                                             Mit dieser Patienteninformation freuen wir uns allen an Opioi-
                                                                                                                              Mit dieser Patienteninformation freuen wir uns allen an Cannabis als Schmerzmedizin Interessie
                                                                                                                                  den in der Schmerzmedizin Interessierten einen Überblick
                                                                                                                              einen Überblick über den aktuellen Kenntnisstand geben zu können, verbunden mit aus unserer
                                                           Während ihr Einsatz zur Behandlung starker akuter (z. B.               geben
                                                                                                                              wichtigen    zu können,
                                                                                                                                        Informationen  zu verbunden
                                                                                                                                                          Antragstellungmit
                                                                                                                                                                        und aus   unserer Sicht wichti-
                                                                                                                                                                             Anwendung.
                                                           unfall- oder operationsbedingter) Schmerzen unumstritten ist             gen Informationen für deren praktischen Anwendung.
                      Bei Fragen:
                                                           und sie unter den dort herrschenden Rahmenbedingungen
                      Sollten Sie Fragen haben, Anregun-                                                                      Herzlichst
                                                           (Notfallsituation, Intensivstation, Kurzzeittherapie, etc.) auch         Ihr
                      gen zu dieser Patienteninformation                                                                      Ihr
                                                           ihrem Ruf als sehr stark wirksame Schmerzmittel gerecht
                      oder uns über Ihre Erfahrungen
                                                           werden, ist ihre Wirkung bei chronischen Schmerzen und
                      mit Opioiden berichten wollen, so
                                                           unter Alltagsbedingungen eingeschränkt. Grund hierfür sind
                      schreiben Sie uns doch einfach:
                                                           die mit steigender Dosierung häufig zunehmenden Neben-
                      opioidealsschmerzmedizin@
                                                           wirkungen und die damit verbundenen Wirkungsbeschrän-
                      schmerzliga.de
                                                           kungen, die in Abwägung zueinander die praktische Anwen-              PDmed.
                                                                                                                              PD Dr. Dr. Michael
                                                                                                                                         med. Michael
                                                                                                                                                 A. Überall A.Überall
                                                           dung im Einzelfall einschränken (können).                             Präsident,    Deutsche     Schmerzliga
                                                                                                                              Präsident, Deutsche Schmerzliga

                                                                                                                              PS: Sollten Sie Fragen haben, Anregungen zu dieser Patienteninformation oder uns über Ihre
Opioide in der Schmerzmedizin - Wirkungen verstehen, Nebenwirkungen vermeiden Eine Patienteninformation der Deutschen Schmerzliga e.V - Deutsche ...
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    Einleitung

    Die Linderung von Schmerzen gehört historisch zu den         Stoffe mit einer Wirkung ähnlich der von Morphin, dem
    frühesten medizinischen Handlungen in der Menschheitsge-     Hauptwirkstoff des Opiums, nennt man Opioide. Sie gehö-
    schichte. Höhlenmalereien aus der Steinzeit zeigen Scha-     ren auch heute noch zum Standardrepertoire der medika-
    manen bei entsprechenden Heilritualen und altägyptische      mentösen Schmerztherapie, z. B. bei starken Schmerzen
    Schriften aus der Zeit um 3000 v. Chr. belegen, dass schon   im Bereich von Gelenken und Rücken, Nervenschmerzen,
    damals die schmerzstillende Wirkung des Opiums bekannt       Tumorschmerzen sowie zur Schmerzbehandlung nach einer
    war. Zur Zeit der Griechen und Römer – der klassischen       Operation oder einem Unfall.
    Antike – war Opium, der getrocknete Milchsaft unreifer
    Mohn-Samenkapseln, ein „Alltagsmedikament“ und fand Ver-
    wendung zur Behandlung von akuten Schmerzen, Durchfall
    oder Schlafstörungen.
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     So segensreich die Wirkung der Opioide in der
     Schmerzbehandlung ist, so sehr muss darauf
                                                                    Opstipation
     geachtet werden, dass ihr Einsatz medizinischen                  Müdigkeit
     Leitlinien und festen Regeln folgt (wie z. B. dem         Mundtrockenheit
     Stufenschema der Schmerztherapie für Tumor-                 Leistungsabfall
     patienten von der Weltgesundheitsbehörde). Zu        neurologische Störung
     beachten ist dabei aus Patientensicht, dass beim
                                                          psychische Störungen
     Einsatz von Opioiden verschiedene Nebenwirkun-
     gen in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten kön-
                                                               Schlafstörungen
     nen – manche (wie z. B. Übelkeit und Erbrechen)                Harnverhalt
     nur vorübergehend, andere (wie z. B. Verstopfung)                 Juckreiz
     dauerhaft; manche eher selten, andere durchaus                 Myoklonien
     häufiger (siehe Abbildung).                          hormonelle Störungen
                                                               Immunschwäche
                                                                                   0      10      20      30      40      50     60   70   80   90   100

                                                                                   Abbildung: Häufigkeit unerwünschter opioid-
                                                                                   induzierter Wirkungen aus Behandlersicht
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                                                                Schmerz: Symptom und Erkrankung,
                                                                Freund und Feind zugleich
     Glücklicherweise weiß man heute, wie man den meisten
     dieser Nebenwirkungen vorbeugend begegnen, bzw.            Freund deshalb, weil er – als Teil eines körpereigenen
     sie behandeln kann und in welchem Zusammenhang sie         natürlichen Systems – auf akute Verletzungen hin-
     zu den eigentlich erwünschten Wirkungen einer Opioid-      weist oder vor drohenden Schädigungen warnt und
     behandlung stehen. Das Verstehen dieser Zusammen-          (beispielsweise bei Hitze/Herdplatte) entsprechende
     hänge soll Sie in die Lage versetzen, sich bei Entschei-   Schutzreflexe (Wegziehen der Hand) auslöst, die das
     dungen, die Ihre Schmerzbehandlung mit Opioiden            Ausmaß der Schädigung begrenzen. Schmerzmediziner
     betreffen, aktiv zu beteiligen.                            nennen dies „Warn und Schutzfunktion“ des Schmer-
                                                                zes. Insofern ist Schmerz auch ein guter Lehrmeister,
     Keinesfalls kann oder soll diese Broschüre das Bera-       weil wir nach einem erlebten Schmerz zukünftig die
     tungsgespräch mit Ihrem Arzt ersetzen. Bei Fragen oder     Schmerz auslösende Situation zu vermeiden versuchen.
     Unsicherheiten sollte er immer Ihr erster Ansprechpart-
     ner sein.                                                  Schmerz kann aber auch zum Feind werden, z. B. dann,
                                                                wenn er trotz Abheilung des akuten Schmerzauslösers
                                                                fortbesteht, über die Zeit seine sinnvolle Funktion als
                                                                Warnsignal verliert und zu einer ständigen Belastung (in
                                                                manchen Fällen sogar zu einem eigenständigen Krank-
                                                                heitsbild – der sog. chronischen Schmerzkrankheit)
                                                                wird. Schmerzmediziner nennen einen solchen Prozess
                                                                „Chronifizierung“.
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     Schmerzrezeptoren und
     Schmerznervenfasern
     Spezielle Messfühler nehmen Schmerzreize auf. Diese          Werden diese Schmerzrezeptoren aktiviert, so leiten
     Messfühler sind überall im Körper verteilt (also z. B. der   sie über angeschlossene Nervenfasern ein Signal zum
     Haut, den Knochen, Sehnen, Muskeln, aber auch ver-           Rückenmark und von dort weiter zum Gehirn, welches
     schiedenen inneren Organen, wie z. B. dem Darm oder          (selbst ohne Schmerzfühler!) für die Bewertung des
     Gallen/Harnblase) und registrieren Schmerzen.                Schmerzereignisses verantwortlich ist und Betroffenen
                                                                  die Bedeutung der Signale nicht nur bzgl. Schmerzort,
     Besonders viele Schmerzmessfühler befinden sich in der       Schmerzart, Schmerzintensität und Schmerzcharakter
     Haut, die ja nach außen den Körper schützen soll. Diese      vermittelt (oder besser „übersetzt“), sondern auch für die
     sog. Schmerzrezeptoren (oder Nozizeptoren) reagieren         emotionale Bewertung des Schmerzereignisses verant-
     sowohl auf von außen kommende Reize (wie z. B. Ver-          wortlich zeichnet.
     letzungen, Hitze, Kälte, Druck, Zug, Giftstoffe, Chemika-
     lien oder Viren und Bakterien) als auch auf körpereigene
     Schmerzauslöser (wie z. B. Schwellungen, spontane
     Blutungen, Entzündungen, Verstopfungen, etc.).
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     Schmerzleitung
                                                                                                                                                                           Wichtig:
     Die Signalübermittlung vom Ort der Schädigung                              elektrisch weiter und „übergeben“ es dann an bestimm-
     (also z. B. der Haut) bis zum Ort der Verarbeitung                         ten Umschaltstellen (wie z. B. dem Rückenmark) mit Hilfe                                   Erst wenn ein Schmerzreiz das Gehirn
     (dem Gehirn) erfolgt im Bruchteil einer Sekunde und                        von Botenstoffen auf nachfolgende Nervenzellen, die das                                    erreicht, kann der Schmerz bewusst wahr-
     unbewusst. Dabei leiten die Nervenfasern selbst das                        Signal dann weiter Richtung Gehirn fortleiten.                                             genommen werden.
     Schmerzsignal zunächst wie in einem Stromkabel

                                                                                                                                                                                                      Endorphine
                                                                                                                                           Opioid-Rezeptor

                         Botenstoffe
                                   Botenstoff-Rezeptoren

                                                                                                                                                             Botenstoffe
               Impuls                   Impuls

                                                           Abbildung: Nervenzellen leiten an ihren Kontakt-                                                                     Abbildung: Weiterleitung des Schmerzimpulses
        Nervenzelle A                    Nervenzelle B     stellen (Synapsen) den elektrischen Impuls
                        Kontaktstelle
                                                           mithilfe von Botenstoffen weiter
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     Therapeutisches Ziel: der synaptische
     Spalt                                                             Weiterleitung des Schmerzreizes                Schmerzdämpfung durch Endorphine

     Diese räumliche Trennung von funktionell eigent-
     lich miteinander verbundenen Nervenfasern durch
     den sog. „synaptischen Spalt“ und die dadurch                                             Endorphine

     notwendige Kommunikation mittels Botenstoffen
                                                                                                                                             Endorphine
     (sog. Neurotransmittern) ermöglicht es die Schmerz-
     signalüberleitung gezielt zu beeinflussen, um z. B.                                  Opioid-Rezeptor                               Opioid-Rezeptor

     die Freisetzung dieser Botenstoffe zu unterbinden,
     ihre Wanderung zwischen zwei Nervenzellen zu
     hemmen, ihre Bindung an die nachfolgende Nerven-
     zelle zu blockieren oder die Reaktionsbereitschaft           Schmerz                                   Schmerz    Schmerz                                     Kein Schmerz
     dieser Nerven auf die ankommenden Signalboten zu
     stören. Eine Möglichkeit, die der Körper nutzt, um
     über die Freisetzung sog. endogener (d. h. körper-
     eigener) Schmerzdämpfer (die sog. Endorphine) die
     Schmerzweiterleitung zu hemmen.
                                                                                          Botenstoffe                                    Botenstoffe

                                                           Abbildung: Weiterleitung des Schmerzsignals
                                                           über den synaptischen Spalt                                                                    Abbildung: Hemung der Schmerzweiterleitung durch Endorphine
20                                                                                                                                                                                          21

                                                                                                                             Wann werden Opioid haltige Medikamente
                                                                                                                             gegeben?
                                                                                                                             Opioide sollten bei chronischen Schmerzen immer in Kom-
     Wenn Schmerzen über längere Zeit fortbestehen oder sogar               Schmerzdämpfung durch Opioide
                                                                                                                             bination mit anderen schmerzlindernden Maßnahmen sowie
     chronisch werden, erschöpfen sich die Möglichkeiten der
                                                                                                                             im Rahmen eines ganzheitlichen, d.h. auf die individuellen
     körpereigenen Schmerzabwehr und bedarf es einer Unter-
                                                                                                                             Bedürfnisse des jeweils betroffenen Patienten ausgerichteten
     stützung durch geeignete Medikamente. Dabei bieten sich
                                                                                                    Opioide                  Konzeptes eingesetzt werden. Die Auswahl des letztlich zum
     die Opioide an, weil sie aufgrund ihrer strukturellen Ähnlich-
                                                                                                                             Einsatz kommenden Wirkstoffes und seiner Darreichungs-
     keit mit den Endorphinen einen Teil Ihrer Wirkung über das
                                                                                                                             form sollte sich an dem zu behandelnden Schmerzproblem
     körpereigene Schmerzkontrollsystem entfalten können.
                                                                                                                             orientieren und sowohl die individuellen Besonderheiten
                                                                                                                             des konkreten Einzelfalles bzgl. Begleiterkrankungen und
                                                                                                                             Begleittherapien berücksichtigen als auch ggf. bedeutsame
                                                                              Schmerz
                                                                                                              Kein Schmerz
                                                                                                                             Vorlieben und Fähigkeiten.

                                                                                                Botenstoffe

                                           Abbildung: Wirkung der Opioide
22                                                                                                                                                                                                                                       23

     Das WHO-Stufenschema der
     Schmerztherapie
     Um den Zugang von Menschen mit starken krebsbedingten         WHO-Stufe 1: für die Erstbehandlung gängige Schmerz-
     Schmerzen in Entwicklungsländern sowie Regionen mit           mittel, die keine Opioide, also keine morphinartigen Stoffe
     religiösen, wirtschaftlichen oder kulturellen Hemmnissen      enthalten (z. B. Paracetamol, Metamizol oder entzündungs-
                                                                                                                                                                                                 Stufe 3
     bzgl. starkwirksamer Opioidanalgetika zu erleichtern hat      hemmende Stoffe wie Ibuprofen oder Diclofenac).
     die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits 1986 ein
     Stufenschema vorgestellt, dass – mit Abstrichen – auch für    WHO-Stufe 2: reichen die Medikamente der ersten Stufe
                                                                                                                                                                  Stufe 2                          STARKE OPIOIDANALGETIKA
     die Behandlung nichttumorbedingter starker (und anderwei-     nicht aus, werden schwach wirksame Opioide gegeben und
     tig therapieschwieriger) Schmerzen eine Orientierungshilfe    ggf. auch in Kombination mit denen der Stufe 1 verabreicht.
                                                                                                                                                                                                   + Nichtopioidanalgetika
     sein kann.
                                                                                                                                   Stufe 1                          SCHWACHE OPIOIDANALGETIKA
                                                                   WHO-Stufe 3: reichen auch die Wirkstoffe der Stufe 2 nicht
                                                                                                                                                                                                   + unterstützende Maßnahmen
     Dieses sieht – abhängig vom Ansprechen der Schmerzen          aus bzw. liegen starke Schmerzen vor, sollen sog. stark wirk-
                                                                                                                                                                    + Nichtopioidanalgetika
     auf die jeweiligen Therapien und der Schmerzintensität –      same Opioide (wie z. B. Morphin, Hydromorphon, Oxycodon,
                                                                                                                                     NICHTOPIOIDANALGETIKA                                         + Ko-Medikation
     eine schrittweise Anpassung der medikamentösen Therapie       Fentanyl, Buprenorphin oder Tapentadol) gegeben werden.
                                                                                                                                                                    + unterstützende Maßnahmen
     in drei Stufen vor (wobei auf jeder Stufe eine Kombination
                                                                                                                                     + unterstützende Maßnahmen
     mit sog. adjuvanten Schmerzmitteln – wie z. B. Antidepres-
                                                                                                                                                                    + Ko-Medikation
     siva, Antikonvulsiva oder Muskelrelaxanzien – möglich ist):
                                                                                                                                     + Ko-Medikation

                                                                                                                                                                                                                 Abbildung: WHO-Stufenschema
24                                                                                                                                 25

     Welche Unterschiede gibt es zwischen den
     verschie­denen stark-wirksamen Opioiden
     der WHO-Stufe 3?

     Die derzeit in Deutschland verfügbaren stark-wirksamen          Neben LAO und SAO gibt es noch die Sonderform der ultra-
     Opioide werden nach ihrer Wirkdauer und dem Wirkein-            schnell anflutenden Fentanylpräparate (die sog. rapid onset
     tritt nach Einnahme sowie durch ihre Darreichungsform           opioids, ROO), die in Deutschland für die Notfallbehandlung
     unterschieden.                                                  tumorbedingter Durchbruchschmerzen zugelassen sind und
                                                                     für die Dauerbehandlung keine Rolle spielen.
     Grundlage einer längerfristigen Schmerztherapie mit Opioi-
     den sollten langwirkende Darreichungsformen (sog. long-ac-      Von den stark wirksamen Opioiden werden die sog.
     ting opioids, LAO) sein, wie es sie für alle Opioidwirkstoffe   schwach-wirksamen Opioiden unterschieden! Sie unterliegen
     gibt. In der Frühphase der Behandlung (d.h. während der         zumeist nicht der Betäubungsmittel-Verschreibungsverord-
     schrittweisen Dosisfindung können diese LAOs vorüber-           nung und werden bei akuten und chronischen Schmerzen
     gehend mit wirkstoffidentischen kurzwirksamen Präpara-          angewandt, die mit herkömmlichen Schmerzmitteln (ohne
     ten (sog. short-acting opioids, SAO) ergänzt werden, um         Opioide) nicht gelindert werden können.
     die Dauer bis zum Erreichen einer wirksamen Zieldosis zu
     überbrücken.
26                                                                                                                   27

     Auf welche Weise kann man Opioide zu
     sich nehmen?
     Hinsichtlich ihrer Darreichungsform wird bzgl. der langwirken-
     den Opioide zwischen Wirkstoffen (Morphin, Hydromorphon,
                                                                      Wichtig:
     Oxycodon und Tapentadol) in Form von Tabletten oder Kap-
     seln unterschieden die oral verabreicht (also geschluckt) wer-   Mit Ausnahme von Menschen mit einer
     den müssen und solchen wie Fentanyl oder Buprenorphin,           strukturellen oder funktionellen Beeinträch-
     die als sog. transdermale therapeutische Systeme (TTS) auf       tigung bzgl. der Wirkstoffeinnahme über
     die Haut geklebt werden und ihren Wirkstoff unter Umge-          den Mund oder der Wirkstoffaufnahme in
     hung des Magen-Darm-Bereichs an den Körper abgeben.              den Körper über den Magen-Darm-Bereich,
                                                                      sollte bei der Behandlung chronischer
     Weitere Möglichkeiten der Wirkstoffzufuhr ergeben sich über      Schmerzen der oralen Darreichungsform
     die Anwendung in Zäpfchenform, die intravenöse Gabe über         aus Sicherheitsgründen der Vorzug gege-
     einen Zugang, die subkutane Verabreichung durch Injektion        ben werden.
     in die Haut und die direkte Abgabe des Wirkstoffes in das
     Hirnwasser des Rückenmarks unter Verwendung geeigneter
     externer und interner (d. h. implantierbarer) Pumpensysteme.
28                                                                                                                                                                                                                         29

     Nebenwirkungen der Opioid-Therapie
                                                                                                               45
     Nebenwirkungen wie z. B. Verstopfung, Übelkeit und                                                                 41
     Sedierung treten bei der Mehrheit der mit Opioiden          Gut zu wissen:
     behandelten Patienten auf. Sie stellen nicht nur eine
                                                                 Vor allem bei Patienten, die zum ersten Mal
     große Belastung für den individuell betroffenen Patienten
                                                                 Opioide verordnet bekommen, kann es zu        34                   32
     dar, sondern sind regelhaft auch Anlass für eine vorzei-
                                                                 Nebenwirkungen kommen. Die meisten die-
     tige Therapiebeendigung.                                                                                                                   29
                                                                 ser Effekte treten nur in der Anfangsphase
                                                                 einer Schmerztherapie auf, in der sich
     In einer Metaanalyse randomisierter kontrollierter Stu-
                                                                 der Körper auf den Wirkstoff einstellt und
     dien, in denen Opioide bei Patienten mit chronischen                                                      23
                                                                 dadurch die unerwünschten Begleiterschei-                                                 20
     nichttumorbedingten Schmerzen eingesetzt worden
                                                                 nungen tolerieren kann. Die Verstopfung ist
     waren, war die opioidinduzierte Verstopfung (dt. Obsti-
                                                                 die häufigste Nebenwirkung, die nicht nur                                                             15         15
     pation; engl. opioid-induced constipation, OIC) mit 41 %
                                                                 vorübergehend auftritt.
     die häufigste Nebenwirkung, gefolgt von Übelkeit (bei
                                                                                                               11
     32 %) und Müdigkeit (29 %; Kalso E et al. Pain. 2004;
     112(3):372-380).

                                                                                                                                                                                            Abb. 3: Die opioidinduzierte
                                                                                                                                                                                            Verstopfung (OIC) ist die
                                                                                                                                                                                            häufigste Nebenwirkung bei
                                                                                                               0                                                                            Patienten mit chronischen
                                                                                                                    Verstopfung   Übelkeit   Müdigkeit   Schwindel   Juckreiz   Erbrechen   Schmerzen
30                                                                                                                                                                                                                                                        31

                                                                                                                                                                                           Grad der Beeinträchtigung (0=keine, 10=maximal vorstellbare)

                                                                                                                               Symptomcheckliste   Symptome                      Nein/Ja   0     1    2     3     4    5     6     7     8    9    10
                                                                                                                                                   Schwindelgefühl?
     Die meisten opioidbedingten Nebenwirkungen treten vor       Im Alltag und für das Gespräch mit dem behandelnden                               Müdigkeit?
     allem in der Anfangsphase der Behandlung auf, lassen        Arzt wichtig ist eine einfache Übersicht (z.B wie die nach-
                                                                                                                                                   Mundtrockenheit?
     sich häufig durch eine langsame und schrittweise Dosis-     folgende), in die Patienten ihre Beschwerden vor und
                                                                                                                                                   Übelkeit?
     steigerung vermeiden bzw. bzgl. ihrer Beschwerdeintensi-    unter der Behandlung mit einem Opioidanalgetikum ein-
                                                                                                                                                   Erbrechen?
     tät abschwächen und verschwinden mit zunehmender            tragen sollten und auf deren Grundlage sie dann in das
     Therapiedauer. Einige Nebenwirkungen jedoch, wie z. B.      Gespräch mit ihrem Arzt einsteigen können.                                        Verstopfungsgefühl?
     die opioidinduzierte Verstopfung halten in der Regel wäh-                                                                                     Harter Stuhl?
     rend der gesamten Dauer der Opioidbehandlung an [11].                                                                                         Probleme beim Stuhlgang?
                                                                                                                                                   Probleme beim Wasserlassen?
                                                                                                                                                   Juckreiz?
                                                                                                                                                   Muskelzuckungen?
                                                                                                                                                   Einschlafstörungen?
                                                                                                                                                   Druchschlafstörungen?
                                                                                                                                                   Albträume?
                                                                                                                                                   Appetitlosigkeit?
                                                                                                                                                   Gewichtszunahme?
                                                                                                                                                   Stimmungsveränderung?
                                                                                                                                                   Atemnot?
                                                                                                                                                   Sehstörungen?
32                                                                                                                                                                                                                                                                     33

     Die opioidinduzierte Verstopfung                                                                                      Impuls: Darmbewegung

     Sie ist die häufigste, hartnäckigste und auf Dauer auch   das elektrische Signal weitergeleitet und eine definierte               Opioid-Rezeptor                    Darm
     schwerwiegendste Nebenwirkung einer Dauerthera-           Reaktion (z. B. eine Darmbewegung) ausgelöst (Abb. 7)
     pie mit Opioiden und erklärt sich durch die Wirkung                                                                                                                         Stuhl
     der Opioide auf das (sog. enterale) Nervensystem von      Ähnlich wie bei den Schmerzimpuls leitenden Nerven-
                                                                                                                                                                            Darmbewegung
     Magen und Darm. Der Darm verdaut eigenständig die         fasern kann auch hier durch körpereigene (endogene),
     aufgenommene Nahrung und leitet sie in wellenförmi-       wie von außen (exogen) zugeführte Opioide die Weiter-
     gen Bewegungen – ähnlich einem Regenwurm – weiter.        leitung des Signals unterbrochen und damit die Darm-                                                                           Opioide:
     Die dabei eingesetzte Muskulatur in der Darmwand          funktion gestört werden.                                                                                                       Nebenwirkung Verstopfung
     wird durch das selbstständig funktionierende enterale
     Nervensystem versorgt, welches nicht der bewussten        Die Darmmuskulatur wird somit, zumindest teilweise,                                                                                                                                       Darm
                                                                                                                           Abbildung: Die Nerven des sogenannten Bauch-                                              Opioide
     Kontrolle unterliegt.                                     gelähmt, sodass der Weitertransport des Nahrungs-           hirns senden Impulse aus, welche die Darm-
                                                                                                                           bewegung veranlassen
                                                               breis im Darm ins Stocken gerät. Die Verstopfung wird                                                                                                                                     Darmlähmung
     Dieses „Bauchhirn“ veranlasst die Muskeln des Darms,      zusätzlich dadurch gefördert, dass dem Stuhl durch den
     sich an den Abschnitten zusammenzuziehen und              Verdauungsprozess im Darm und die verlängerten Trans-                                                                     Darmbewegung                                                       Stuhl
                                                                                                                                                                                                                               Darmlähmung
     wieder zu entspannen, an denen der Darm durch den         portzeiten vermehrt Wasser entzogen wird (weshalb er
     Nahrungsbrei gedehnt wird. So wie bei allen anderen       austrocknet und hart wird), an bestimmten Stellen im
     Nerven auch, werden hier an den Kontaktstellen (Syn-      Darm „Pförtner-Funktionen“ blockiert werden (und damit
     apsen) zwischen den Nerven, aber auch zu den Muskel-      die Passage verhindert) und auch wichtige Verdauungs-
     zellen des Darms, Botenstoffe freigesetzt und damit       enzyme nur unzureichend bereit gestellt werden.                                                                           Abbildung Werden durch Opioide („-Schlüssel“) die Opioidre-
                                                                                                                                                                                         zeptoren im Nervensystem des „Bauch- hirns“ besetzt, wird die
                                                                                                                                                                                         Weiterleitung des Signals „Darmbewegung“ unterbrochen.
34                                                                                                                                                                                                                                                  35

                                                                                                                          Gegenmaßnahmen

                                                                                                                          Um dem Problem der opioidbedingten Verstopfung              auf unterschiedlichem Wege (auch vorbeugend) ent-
     Eine Verstopfung kann sich nicht nur durch eine           entsprechender Zustandsverschlechterungen deutlich
                                                                                                                          gerecht zu werden, sollten zunächst – d. h. vor Beginn      gegenwirken – allerdings ist Ihre Wirkung auf die durch
     Abnahme der Stuhlgangshäufigkeit, sondern auch            jenseits der eigtl. ursächlich verantwortlichen Verstop-
                                                                                                                          einer Opioidbehandlung! – geprüft werden, ob das            Opioide ausgelöste Verstopfung meist nur gering.
     durch Bauchkrämpfe, Schmerzen, Blähungen, saures          fung – ein Krankheitsbild, das dann als sog. opioid-
                                                                                                                          Stuhlverhalten normal ist oder ob bereits eine ander-
     Aufstoßen und Übelkeit bemerkbar machen. Des Wei­         bedingte Darmfehlfunktion (engl. Opioid-induced bowel
                                                                                                                          weitig bedingte Verstopfungsneigung besteht. Diese          So wird durch einige Laxanzien vermehrt Wasser in den
     teren sind sog. paradoxe Durchfälle (d. h. ein Wechsel    dysfunction) beschrieben wird.
                                                                                                                          sollte ggf. durch geeignete Maßnahmen – wie z. B. eine      Darm befördert, sodass der Stuhl insgesamt weicher
     von Verstopfung mit plötzlichem Durchfall), die Bildung
                                                                                                                          ausreichend hohe Trinkmenge, eine ausgeglichene und         wird und damit leichter zu transportieren ist. Gleichzeitig
     von vergrößerten, schmerzenden Hämorrhoiden sowie         Natürlich leidet unter einer anhaltenden Verstopfung
                                                                                                                          ausreichend ballaststoffhaltige Ernährung und regelmä-      kommt es durch die zwangsläufig damit einhergehende
     im Extremfall auch ein Darmverschluss möglich.            nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Alltags-
                                                                                                                          ßige körperliche Bewegung – behandelt werden, wobei         Volumenzunahme zu einer zusätzlichen Dehnung der
                                                               funktionalität und nicht selten verzichten Betroffene
                                                                                                                          diesbezüglich grundsätzlich gilt: alles in Maßen und ver-   Darmmuskulatur, was wiederum das enterale Nerven-
     Durch die verlängerte Passagezeit und die beeinträch-     aufgrund dieser Beschwerden lieber auf ihre (ansonsten
                                                                                                                          nünftiger Menge!                                            system anregt die Darmmuskulatur zu aktivieren und
     tigte Freisetzung von Verdauungssekreten kann es          wirksame) Schmerztherapie.
                                                                                                                                                                                      sich der Darm zusammenzieht. In gleicher Weise wirken
     zusätzlich zu Fehlverdauung von Nahrungsbestandtei-
                                                                                                                          Anschließend wird derzeit empfohlen der Entwicklung         auch Quellmittel und letztlich auch Ballaststoffe, die
     len, aber auch Medikamenten kommen, mit der Folge
                                                                                                                          einer opioidbedingten Verstopfung durch die frühzei-        Wasser im Darm binden. Manche Laxanzien wirken
                                                                                                                          tige Einnahme eines – im Falle der Opioidbehandlung         dagegen als Gleitmittel und versuchen so den Weiter-
                                                                                                                          ärztlicherseits auch zu Lasten der Krankenversicherun-      transport des Nahrungsbreis zu fördern und andere
                                                                                                                          gen verordnungsfähigen – Abführmittels zu begegnen.         wiederum stimulieren direkt die Nervenzellen der
                                                                                                                          Diese sogenannten Laxanzien können einer Verstopfung        Darmwand.
36                                                                                                                                                                                                                                                             37

     Wirkung von Laxanzien überschaubar –                                                                              Seit kurzem sind neuere Medikamente (sog. peripherally-
     Nebenwirkungen häufig                                                                                             acting mu(μ)-opioid receptor antagonist, kurz PAMORAs)         Impuls: Darmbewegung
                                                                                                                       verfügbar, die gezielt entwickelt wurden, um die Ursa-
     Insgesamt ist die Wirkung konventioneller Laxanzien bei    Unabhängig davon führen die Laxanzien jedoch zu den    chen der opioidbedingten Verstopfung ursächlich zu
                                                                                                                                                                                                                                                     Darm
     einen durch Opioid Schmerzmittel entstandene Verstop-      o.g. Stuhlveränderungen, die nun – ohne dass diese     behandeln. Diese PAMORA wirken wie eine Art Anti-
     fung deutlich beschränkt [25]. In einer Umfrage gaben      das ursächliche Problem der gestörten Stuhlpassage     Opioid und blockieren die Bindungsstellen der Opioide                                                                                Stuhl
     mehr als neun von zehn der unter einer opioidbedingten     lösen – selbst zu einem Gesundheitsproblem werden      an den Nervenkontaktstellen von Magen und Darm.
     Verstopfung leidenden Betroffenen an, dass sie – trotz     und zusätzliche Nebenwirkungen wie Völlegefühl und     Dadurch kann das Opioid selbst dort nicht mehr (länger)                                                                         Darmbewegung

     einer ausreichenden Dosierung verschiedener Laxanzien      saurem Aufstoßen, Bauchschmerzen, Koliken und          binden und es wird somit (wieder) eine normale Darm-
     – nur eine unzureichende Linderung ihrer Beschwerden       paradoxe Durchfälle bis hin zur Inkontinenz auslösen   funktion gewährleistet.
     erzielen konnten. Die Gründe hierfür sind vielschichtig,   können.
     ganz wesentlich jedoch dadurch bedingt, dass Opioide                                                              Wichtig zu wissen ist, dass die erwünschte Schmerz-
     durch ihre Hemmung der Signalweiterleitung in den                                                                 linderung durch die Opioide unter den PAMORA nicht
     autonomen/unabhängigen Nervenzellen des Magen-                                                                    beeinträchtigt wird, da sie aufgrund ihrer Struktur und
     Darm-Bereichs genau jene Darmreflexe ausschalten, die                                                             Größe die sog. Blut-Hirn-Schranke (eine Schutzbarriere      Gehirn

     die Standardlaxanzien benötigen, um eine Wirkung zu                                                               zwischen den Blutgefäßen und dem Blut mit all seinen
     entfalten.                                                                                                        Inhaltsstoffen einerseits und dem zentralen Teil des Ner-
                                                                                                                                                                                   Blut-Hirnschranke
                                                                                                                       vensystems andererseits) nicht überwinden können und
                                                                                                                       somit ausschließlich „peripher“ – also z. B. im Bereich     Blutbahn
                                                                                                                       von Magen und Darm – wirken können.
                                                                                                                                                                                     Abbildung: Der Filter Blut-Hirn-Schranke lässt Opioide, nicht
                                                                                                                                                                                     aber die PAMORAs passieren. Daher bleibt die schmerzlindernde
                                                                                                                                                                                     Wirkung der Opioide erhalten
38                                                                                                                                                                                                                                                          39

     Verstopfung – wer spricht darüber?
                                                                                                                              Hilfsmittel A: Bristol Stuhlformen Skala
     Bitte zögern Sie nicht Ihren Arzt direkt anzusprechen,     ein Drittel aller befragten Patienten, die im letzten Monat
                                                                                                                              Durch die Bezugnahme auf einfache Hilfsmittel – wie     Typ 1                           getrennte Klumpen wie Nüsse
     wenn Sie Opioide einnehmen und sie darunter eine Ver-      bei ihrem Arzt waren an, die aus ihrer Opioidanwendung                                                                                                (schwierig zu entleeren)
                                                                                                                              z. B. die Bristol Stuhlformen Skala (siehe Abbildung)
     änderung ihres sonst üblichen Stuhlverhaltens beob-        resultierenden Verstopfungssymptome im Rahmen ihres
                                                                                                                              oder den sog. Bowel-Function Index (BFI; siehe nach-    Typ 2                           Wurstform, aber klumpig
     achten. Auch wenn das Thema schwierig und mitunter         Arztbesuchs nicht konkret angesprochen zu haben [25].
                                                                                                                              folgend) können Sie Ihrem Arzt rasch das Ausmaß
     auch emotional besetzt ist und Ihnen Ihr behandelnder                                                                                                                                                            Wurstform, aber mit Rissen und
                                                                                                                              ihrer Verstopfungsbeschwerden – auch im zeitlichen      Typ 3
     Schmerzmediziner vielleicht auch gar nicht als erster                                                                                                                                                            Spalten auf der Oberfläche
                                                                                                                              Verlauf bzw. unter verschiedenen Gegenmaßnahmen
     Ansprechpartner für dieses Problem in den Sinn kommt,
                                                                                                                              verdeutlichen.                                          Typ 4
                                                                                                                                                                                                                      Wurst- oder Schlangenform,
     ist es doch wichtig, dass Sie hier von sich aus aktiv                                                                                                                                                            weich und glatt

     werden!
                                                                                                                                                                                                                      weiche Häufchen, mit klaren
                                                                          Gut zu wissen:                                                                                              Typ 5
                                                                                                                                                                                                                      Rändern, (leicht zu entleeren)
     Viele Patienten mit einer opioidbedingten Verstopfung
                                                                          Keine der genannten Medikamente gegen                                                                                                       Flockige Stücke mit zerissenen
     zögern, über ihre Beschwerden zu sprechen oder neh-                                                                                                                              Typ 6
                                                                          Verstopfung machen abhängig. Sie können                                                                                                     Rändern, breiiger Stuhl
     men entsprechende Auffälligkeiten oder Veränderungen
                                                                          problemlos nach einer Schmerzbehandlung
     ihres Stuhlverhaltens gar nicht als Folge ihrer Opioide-                                                                                                                         Typ 7                           Flüssig, keine festen Bestandteile,
                                                                          wieder abgesetzt werden.* Im Gegensatz                                                                                                      vollkommen flüssig
     handlung war. So gab im Rahmen einer Umfrage z. B.
                                                                          zu anderen Mitteln bekämpfen PAMORA
                                                                          gezielt die Ursachen der opioidbeding-
                                                                          ten Verstopfung und wirken effektiv und                                                                     Abbildung: Bristol Stuhlformen Skala

                                                                          nebenwirkungsarm.
40                                                                                                                                                                                                                                                          41

     Hilfsmittel B: Bowel Function Index

     Nicht nur im deutschsprachigen Großraum hat sich
                                                                beantwortet werden und aus denen dann (durch einfa-         clinical important difference, MCID“), d.h. eines
     - sowohl zur Diagnosestellung, als auch zur Verlaufs-                                                                                                                      Die folgenden Fragen beziehen sich auf die vergangenen Tage.
                                                                che Mittelwertbildung) der eigentliche BFI-Wert berech-     konkreten Änderungswertes (von 12mm VAS),           Bitte beantworten Sie diese Fragen bezüglich Ihrer Darmfunktion
     beobachtung der Beschwerdeintensität, bzw. dem
                                                                net wird.                                                   dessen Überschreiten Betroffene mit einer kli-
     Ansprechen auf eine gewählte Therapie - der sog.                                                                                                                           Leichtigkeit des Stuhlgangs
                                                                                                                            nisch relevanten Änderung ihres Stuhlverhaltens
     Bowel Function Index (BFI) als einfache und sensitive                                                                                                                      Ihr Wert:
                                                                Der BFI hat sich nicht nur in kontrollierten klinischen     assoziieren.
     Alternative zu den zahlreichen anderen international
                                                                Studien als geeignet erwiesen das Ausmaß einer OIC zu                                                           0 (keine Schwierigkeiten)                     100 (große Schwierigkeiten)
     diskutierten (und verwendeten) Instrumenten erwiesen.
                                                                bestimmen, sondern zeichnet sich insbesondere auch          Durch die Verwendung als Teil standardisierter
                                                                                                                                                                                Gefühl der unvollständigen Darmentleerung
                                                                durch eine hohe Veränderungssensitivität (der erfasste      konventioneller Befragungen (z. B. des Deutschen    Ihr Wert:
     Beim BFI handelt es sich um ein kurzes und einfach
                                                                Zeitraum betrifft die jeweils letzten 7 Tage) - insbeson-   Schmerzfragebogens bzw. - Schmerztagebuchs
     anzuwendendes Selbstauskunftsinstrument, welches                                                                                                                           0 (überhaupt nicht/keine)                                100 (sehr stark)
                                                                dere auch unter praktischen Alltagsbedingungen - aus.       DGS) oder elektronischer Assistenzsysteme (wie
     entwickelt wurde, um das Ausmaß einer opioidbeding-
                                                                                                                            z. B. iDocLive(R)) kann der BFI dabei helfen den
     ten Verstopfung zu messen. Der BFI (siehe Abbildung)                                                                                                                       Schweregrad der Verstopfung
                                                                Entscheidender Vorteil des BFI gegenüber anderen            vorliegenden Leitlinienempfehlungen zu Erst- und    Ihr Wert:
     besteht aus drei Fragen (zu Leichtigkeit des Stuhlgangs,
                                                                Instrumenten ist das Vorhandensein eines definierten        Verlaufsdiagnostik auf ökonomische Art und Weise
     Unvollständigkeit der Darmentleerung und Grad der                                                                                                                          0 (überhaupt nicht/keine)                                100 (sehr stark)
                                                                Cut-Offs zur Abgrenzung zwischen einem unauffälligen        nachzukommen.
     Verstopfung in den vergangenen sieben Tagen), die
                                                                (≤28,8mm VAS) und einem (im Sinne einer Obstipation)
     von Patienten selbst unter Verwendung einer visuellen
                                                                auffälligen Stuhlverhalten (>28,8 mm VAS) sowie eines                                                                                                       Abb. X: Bowel-Function Index
     Analogskala analog der Schmerzintensität (0=keine
                                                                sog. klinisch bedeutungsvollen Unterschieds („minimal
     Beschwerden, 100 = maximal vorstellbare Beschwerden)
42                                                                                                                       43

     Hilfsmittel C: Das eigene Gefühl bzgl. vorher
     und nachher
     Bisweilen genügt es aber einfach auch im Gespräch        Bzgl. der Stuhlfrequenz gilt für Mitteleuropa ein Grenz-
     mit Ihrem Arzt auf den Unterschied von Stuhlfrequenz,    wert von mindestens drei spontanen (d. h. nicht durch
     Aussehen, Geruch und Menge hinzuweisen, so wie er        Medikamente oder sonstige Maßnahmen verursachten)
     von Ihnen unter der aktuellen Opioidbehandlung im Ver-   Stuhlgängen pro Woche sowie das Gefühl einer voll-
     gleich zum Zeitraum vor deren Beginn erlebt wird, denn   ständigen Darmentleerung ohne übermäßiges Pressen
     für die Diagnosestellung entscheidend ist die Änderung   bei einer weder zu harten noch zu weichen Stuhlbe-
     des Stuhlverhaltens in zeitlichem Zusammenhang mit       schaffenheit als normal.
     einer Änderung der Opioidtherapie (also nicht nur Neu-
     einstellung, sondern auch Dosiserhöhung und/oder
     Wechsel von Wirkstoff oder Verabreichungsform.
44                                                                                                                                                                                 45

     Andere opioidbedingte Nebenwirkungen

     Übelkeit/Erbrechen                                                                                                   Weitere Maßnahmen

     Eine recht häufige Nebenwirkung beim Einsatz von         des Erbrechens die weitere Aufnahme des Giftes in den       uu Bei akuter Übelkeit oder nach dem Erbrechen den
     opioidhaltigen Medikamenten sind Übelkeit und Erbre-     Körper zu verhindern.                                          Oberkörper aufrecht halten und ggf. im Bett eine
     chen. Viele Patienten glauben fälschlicherweise, dass                                                                   ­sitzende Position einnehmen, um zu verhindern,
     Opioide – wie viele andere Schmerzmedikamente auch       Gegenmaßnahmen: durch eine langsame schrittweise                dass Erbrochenes in die Atemwege gelangt.
     – den Magen belasten, das ist aber falsch! Ursache ist   Dosissteigerung kann versucht werden die Intensität
                                                                                                                          uu Für frische Luft sorgen
     vielmehr, dass Opioide im Rahmen ihrer Gesamtwirkung     dieser beiden Nebenwirkungen in Grenzen zu halten.
     auch Kontaktstellen eines Nervenzellverbandes (des       Grundsätzlich empfiehlt es sich aber diese in aller Regel   uu Den Betroffenen nicht mit für ihn unangenehmen
     sog. Brechzentrums) im Gehirn besetzen, welcher Übel-    nur in der Frühphase der Behandlung und vorüberge-             Gerüchen konfrontieren
     keit erzeugen und Erbrechen auslösen kann.               hend auftretenden Nebenwirkungen bereits vorbeugend
                                                                                                                          uu Nur kleine Mahlzeiten anbieten; alles weglassen,
                                                              durch verschiedene Medikamente bzw. Wirkstoffe zu
                                                                                                                             was eventuell Übelkeit auslöst oder als zusätzliche
     Dieses Nervenzentrum ist entwicklungsgeschichtlich       behandeln. Hierfür stehen verschiedene Alternativen
                                                                                                                             Belastung empfunden wird.
     für eine wichtige Schutzfunktion verantwortlich: Mess-   (wie z. B. Haloperidol oder Levomepromazin, etc.) zu
     fühler in Magen, Darm und Gehirn registrieren, wenn      Verfügung. Bitte fragen Sie hierzu Ihren Arzt.
     Giftstoffe, wie z. B. Alkohol oder verdorbene Nahrung,
     in den Körper gelangen, und melden dies dem Brech-
     zentrum, welches dann versucht durch den Vorgang
46                                                                                                                                                                                                                                                 47

     Schwindel, Benommenheit, Müdigkeit                                                                                   Juckreiz                                                   Wichtig ist auch:

                                                                                                                                                                                     die Haut vor Austrocknung zu bewahren:
     Opioide wirken allgemein dämpfend auf Gehirn und           Dies kann – wie viele andere unerwünschte Nebenwir-       Juckreiz tritt bei der Einnahme opioidhaltiger Medika-
     Rückenmark. Vor allem bei Patienten, die zum ersten        kungen einer Opioidbehandlung - besonders zu Beginn       mente recht häufig auf. Mögliche Ursache ist eine          uu Kühlende Emulsionen oder Umschläge einsetzen
     Mal Opioide einnehmen und diese (z. B. mit dem Ziel        der Behandlung, also in der Einstellungsphase, der Fall   vermehrte Freisetzung von Histamin (eines wichtigen
                                                                                                                                                                                     uu Hautpflege mit rückfettenden Hautpflegemitteln
     einer rascheren/stärkeren Schmerzlinderung) zu schnell     sein.                                                     Botenstoffs, der vor allem bei allergischen und entzünd-
                                                                                                                                                                                        verwenden
     und/oder zu hoch dosieren, können diese Nebenwir-                                                                    lichen Reaktionen eine Rolle spielt) sowie die Stimula-
     kungen auftreten.                                          Lassen die genannten Nebenwirkungen nicht innerhalb       tion/Reizung von druck- und berührungsempfindlichen        uu Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
                                                                weniger Tage nach, sollte der Arzt informiert werden.     Nervenfasern in Haut und Rückenmark durch die
                                                                                                                                                                                     uu Eher kalt waschen oder duschen
     Auch kann die Reaktionsfähigkeit vorübergehend ein-        Er wird ggf. die Dosis reduzieren oder das Medikament     Opioide.
     geschränkt sein. Eventuell ist auch die Fahrtauglichkeit   wechseln.                                                                                                            uu Beim Abtrocknen abtupfen, nicht abrubbeln
     und damit die Teilnahme am Straßenverkehr vorüberge-                                                                 Gegenmaßnahmen: Es gibt verschiedene Medikamente,
                                                                                                                                                                                     uu Kratzen kann den Juckreiz verstärken; daher Fingernägel
     hend nicht möglich.                                                                                                  die den Juckreiz lindern können. Hierzu gehören unter
                                                                                                                                                                                        schneiden, nachts Baumwollhandschuhe tragen
                                                                                                                          anderem lokal wirksame Mittel – vorübergehend u.U.
                                                                                                                          auch kortisonhaltige Medikamente.                          uu Bevorzugt lockere Kleidung (Baumwolle) tragen, die einen
                                                                                                                                                                                        Wärmestau verhindert
48                                                                                                                                                                                       49

     Probleme beim Wasserlassen:                                    Verengung der Pupillen (Miosis)                         Minderung des Atemantriebs

     Opioide wirken – wie in der Darmwandmuskulatur                 Bis auf eine eventuell eingeschränkte Nachtsicht        Eine bei Schmerzpatienten sehr seltene, aber im Falle
     – auch im Bereich der Harnwege auf Nerven die die              ergeben sich hieraus keine weiteren medizinischen       ihres Auftretens lebensbedrohliche Nebenwirkung, ist
     Bewegung der Harnblasenmuskulatur steuern. Wer-                Probleme.                                               die Unterdrückung des Atemreizes. Opioide können
     den diese Kontaktstellen durch Opioide besetzt, kann                                                                   Nervenzellen im Atemzentrum des Gehirns hemmen,
     es, ähnlich wie beim Darm, zu Funktionsstörungen                                                                       sodass der Patient „vergisst“ zu atmen. Diese Wirkung
     kommen.                                                                                                                wird bei Schmerzpatienten – also Menschen die Opioide
                                                                    Mundtrockenheit
                                                                                                                            aus medizinischen Gründen und zur Linderung starker
     Typische Symptome sind:                                                                                                Schmerzen einnehmen – extrem selten beobachtet und
                                                                    Unter Opioiden kann die Speichelproduktion gehemmt
                                                                                                                            tritt vor allem als gefürchtete Komplikation bei Freizeit-
     uu Nachlassender Harndrang                                     sein. In der Folge kann Mundtrockenheit entstehen,
                                                                                                                            konsumenten und Drogenabhängigen auf.
                                                                    welche sich negativ auf die Mundflora auswirkt. Mund-
     uu Ungewolltes Verlieren kleiner Mengen Urin (Überlaufblase)
                                                                    trockenheit fördert Zahnfleischentzündungen und macht
                                                                                                                            Gegenmaßnahmen: Sofortiges Beenden der Opioid-
     uu Schmerzen im Blasenbereich, Krämpfe                         die Zähne empfindlicher gegenüber Karies.
                                                                                                                            zufuhr (Cave transdermale therapeutische Systeme),
     uu Häufiges Wasserlassen kleiner Urinmengen                                                                            ggf. Einnahme von Medikamenten, welche – wie z. B.
                                                                    Abhilfe: Möglichst viel Wasser trinken und vorbeugend
                                                                                                                            Naloxon – die Wirkung des Opioids vorübergehend
     Gegenmaßnahmen: Treten die o. g. Symptome dauer-               intensive Mundhygiene betreiben.
                                                                                                                            aufheben.
     haft auf, sollten Sie Ihren Arzt darauf ansprechen.
50                                                                                                                                                                                                                                                 51

     Gewöhnung, Abhängigkeit und Sucht

     Bei regelmäßiger oder einer (wie z. B. im Falle einer      Der menschliche Körper ist an die regelmäßige Zufuhr          freisetzende Darreichungsformen von Opioiden, hohe           nur bei „Schmerzspitzen“ oder instabilen Schmerz­
     schmerzmedizinischen Betreuung erforderlich werden-        einer Vielzahl verschiedenster Produkte/Stoffe gewöhnt        Tagesdosierungen und eine bereits bestehende Sucht           zuständen zu Beginn der Opioideinstellung.
     den) über längere Zeit notwendigen Behandlung mit          und insofern auch „abhängig“, als er bei deren Feh-           bzgl. anderer Medikamente oder Genussgifte. Je nied-
     Opioiden kommt es zu einer Gewöhnung des Körpers           len „Entzugssymptome“ entwickelt. Denken Sie nur              riger die Dosis, je langsamer bzw. gleichmäßiger die         In jedem Fall sollte der eigene Bedarf an Opioiden
     an das Medikament. Diese Gewöhnung erklärt, warum          an Wasser/Flüssigkeiten, Sauerstoff/Atemluft und              Wirkstofffreisetzung erfolgt und je intensiver die behand-   kontinuierlich überprüft und ggf. auch mit dem behan-
     Patienten sog. Entzugssymptome (wie z. B. Unruhe,          Nahrungsmittel. Auch sind Opioide nicht die einzigen          lungsauslösenden Schmerzen sind, desto niedriger ist         delnden Arzt besprochen werden. Medizinisch nicht
     Schwitzen, Stimmungsschwankungen, Schwächege-              lebensnotwendigen Arzneimittel, bei denen eine solche         das Risiko für die Entwicklung einer echten Sucht.           begründbare Steigerungen des Opioidbedarfs, eine
     fühl, Kreislaufstörungen, etc.) erleben, bei denen das     körperliche Abhängigkeit besteht – denken Sie nur an                                                                       nachlassende schmerzlindernde Wirkung oder die
     Opioid plötzlich rasch und vollständig beendet oder        Insulin bei Menschen mit einer Zuckererkrankung, etc.         Zum korrekten Umgang mit Opioiden gehört zudem               Notwendigkeit zur Verkürzung der Einnahmeintervalle
     deutlich in seiner Tagesdosis reduziert wird.                                                                            nicht nur die langsame schrittweise Dosissteigerung zu       können (müssen aber nicht!) mögliche Hinweise auf
                                                                Dennoch darf nicht vernachlässigt werden, dass es             Beginn, sondern auch, dass am Ende einer Behandlung          eine beginnende Suchtproblematik sein und sollten zum
     Diese (körperliche) Gewöhnung ist keine Sucht (!) und      natürlich auch unter einer medizinisch einmal als sinnvoll    durch behutsames „Ausschleichen“ – d.h. eine schritt-        Anlass genommen werden die Behandlung mit einem
     auch der Umstand, dass Patienten zur Vermeidung            erachteten Schmerzbehandlung mit Opioiden im Laufe            weise Absenkung der Dosis – der Körper langsam an            Arzt zu besprechen.
     derartiger Entzugssymptome im Rahmen einer Opioid-         der Zeit zu einer über das übliche Maß der körperlichen       geringere Wirkspiegel gewöhnt wird, womit „Entzugs-
     behandlung auf eine regelmäßige Einnahme eines ihnen       Gewöhnung hinaus gehende krankhafte Abhängigkeit              symptome“ in aller Regel vermieden werden können.
     vertrauten Arzneimittels angewiesen sind, darf nicht mit   im Sinne einer Sucht kommen kann. Mögliche Risiko-            Tropfen oder schnell freisetzende Tabletten sollten nicht
     einer solchen verwechselt werden.                          faktoren hierfür sind z. B. schnell bzw. sogar ultraschnell   als Routinemedikamente verwendet werden, sondern
52                                                                                                                                                                                                                                                        53

     Toleranzentwicklung

     Toleranzentwicklung bedeutet, dass sich der Körper              Diesbezüglich sollte insbesondere auf die Gefahr einer     kritische Tätigkeiten (z. B. die Arbeit an/mit Maschinen       Sinne anderer Verkehrsteilnehmer – lieber verzichten.
     an die Wirkung des Opioids, aber auch an die damit              sog. opioidbedingter Hyperalgesie, also einer durch        oder die aktive Teilnahme am Straßenverkehr) verzichtet        In Zweifelsfällen sollten Sie Ihre Fahrleistung überprü-
     verbundenen Nebenwirkungen gewöhnt. Während                     Opioide ausgelösten Zunahme der Schmerzen geachtet         werden sollte.                                                 fen lassen (Geschicklichkeitstest beim TÜV oder bei
     letzteres sinnvoll und gut ist und in vielen Fällen erst eine   werden, die – wenn sie nicht rechtzeitig erkannt wird zu                                                                  DEKRA).
     stabile Dauerbehandlung mit einem Opioid ermöglicht,            einer kontinuierlichen Dosissteigerung (und damit natür-   Der Körper benötigt eine gewisse Zeit, um sich auf ein
     kann die Gewöhnung an die positiven (schmerzlindern-            lich zu beträchtlichen Problemen) führen kann.             für ihn neues Medikament oder eine neue Dosis ein-
     den) Effekte einer Opioidbehandlung die Sinnhaftigkeit                                                                     zustellen. Vielfach treten anfänglich Nebenwirkungen
     einer längeren Fortführung der Therapie in Frage stellen.       Die positiven Aspekte der Toleranzentwicklung betreffen    auf, welche müde machen oder die Reaktionsfähigkeit
                                                                     die üblichen opioidtypischen Nebenwirkungen. Bis auf       einschränken Treten diese Nebenwirkungen nicht auf
     Lässt die Wirkung eines Opioids – nach zunächst                 die bereits beschriebene Verstopfung lassen die ande-      oder verschwinden nach einer „Eingewöhnungsphase“
     stabiler Dosierung und ausreichend guter Wirkung und            ren Nebenwirkungen (wenn sie denn überhaupt auftre-        gänzlich, ist Autofahren oder das Bedienen von Maschi-
     Verträglichkeit – im zeitlichen Verlauf langsam nach,           ten) im Laufe der Behandlung üblicherweise allmählich      nen unter Schmerztherapie durchaus möglich. Voraus-
     muss der Arzt entscheiden, ob eine Dosissteigerung,             nach oder verschwinden gar ganz. Das bedeutet, dass        setzung hierfür ist, Ihr Arzt gibt Ihnen „grünes Licht“, Sie
     eine Verkürzung der Einnahmeintervalle (3- statt 2-mal          gerade zu Beginn einer Therapie (und hier insbesondere     sind über die Nebenwirkungen und Risiken aufgeklärt
     oder 2- statt einmal täglich) oder gar ein Medikamenten-        während der Dosisfindungsphase) sowie bei notwendig        und Sie fühlen sich auch entsprechend fit. Wichtig ist
     wechsel- bzw. eine Kombinationsbehandlung sinnvoll              werdenden Dosisanpassungen oder Medikamenten-              natürlich auch, dass Sie Ihre Fähigkeit Auto zu fahren
     sein kann.                                                      wechseln Rücksicht genommen und vorübergehend auf          selbstkritisch beurteilen und bei Verdacht – auch im
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                             LUNGEN
 TIPPS UND EMPFEH
     im Umgang mit starken opioidhaltigen                                                                                       Der gleichzeitige Genuss von starken Schmerzmitteln
     Schmerzmitteln                                                   Ihrem Arzt. Er wird mit Ihnen zusammen die Situation      und Alkohol kann das Reaktionsvermögen herabsetzen.
                                                                      neu bewerten und möglicherweise die Dosis erhöhen         Im Rahmen einer Schmerzbehandlung sollte deshalb
                                                                      oder Ihnen ein anderes Medikament (möglicherweise         der Konsum von Alkohol deshalb sparsam erfolgen.
        • Starke opioidhaltige Schmerzmittel benötigen eine          auch zusätzlich) verschreiben.
           spezielle Verschreibung durch den Arzt („BtM-Rezept“,                                                                Auch können einige Medikamente (und hier nicht nur
           „gelbes Rezept“). Sie müssen das Rezept innerhalb         • Treten Nebenwirkungen welcher Art auch immer            verschreibungspflichtige, sondern auch von Ihnen
           einer Woche in der Apotheke einlösen, sonst verliert es      auf oder sind Sie unsicher ob und was da unter der      selbst in Apotheken oder dem online-Versand bezo-
           seine Gültigkeit.                                            Behandlung gerade mit Ihnen, Ihrem Körper und Ihren     gene sowie bestimmte Nahrungsmittel) die Wirkung
                                                                        Beschwerden passiert, so zögern Sie nicht Ihren Arzt    starker Schmerzmittel beeinflussen. Fragen Sie daher
        • Opioidhaltige Schmerzmittel sollten nie ohne Rückspra-       daraufhin anzusprechen. Für die einen oder anderen      bei gleichzeitiger Einnahme vorher Ihren Arzt und ver-
           che mit dem Arzt eigenständig abgesetzt oder in der          Beschwerden (wie z. B. die Verstopfung) wird er Ihnen   gessen Sie nicht ihn auch über all die Dinge zu infor-
           Dosis verändert werden. Es können starke Nebenwir-           ein geeignetes Gegenmittel geben, bei anderen wird      mieren, die er Ihnen nicht selbst verordnet hat.
           kungen oder andere unerwünschte Begleiterscheinun-           er die Dosis anpassen, die Arznei wechseln oder Sie
           gen (z. B. Entzugssymptome) auftreten.                       einfach beruhigen und darauf verweisen, dass die
                                                                        Beschwerden bald von selbst wieder verschwinden
        • „ Nicht den Helden spielen“. Falls Ihre Schmerzen unter      werden. Von daher: vertrauen Sie auf Ihren Arzt und
           der Behandlung nicht nachlassen, sprechen Sie mit            helfen Sie ihm dabei das für Sie richtige zu tun.
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     Reisen mit Opioiden

     Bevor Sie eine Urlaubsreise antreten, sollten Sie         z. B. Handelsbezeichnung und Wirkstoffangabe,           Es wird vom Arzt ausgefüllt und muss von der obersten   in einigen Gegenden dieser Welt bereits der Besitz stark
     sich mit Ihrem Arzt besprechen. Im Ausland gelten         Darreichungsform, Wirkstoffkonzentration und            Landesgesundheitsbehörde (meist vom örtlichen           wirksamer Opioide drastisch und ohne Ansehen von
     unter Umständen andere Regeln für das Mitführen           Reichdauer der Verschreibung aufzuführen). Ein          Gesundheitsamt) beglaubigt werden. Sie können sich      Person oder Grunderkrankung bestraft wird.
     von starken opioidhaltigen Schmerzmitteln (=              entsprechendes Formular ist bei der Bundesopiumstelle   das benötigte Formular aber auch unter: www.bfarm.de
     Betäubungsmittel). Für Patienten, die innerhalb           in Bonn erhältlich:                                     als PDF-Datei herunterladen.
     Deutschlands oder in einen Mitgliedsstaat des
     Schengener Abkommens (siehe unten) reisen, gilt:          Kontakt:                                                Bei Reisen außerhalb des Geltungsbereiches des
     Bei einem Urlaub bis zu 30 Tagen kann der Patient                                                                 Schengener Abkommens sollte eine ärztliche
     sämtliche Medikamente mitnehmen. Das betrifft auch        Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte     Bescheinigung in englischer Sprache mitgenommen
     starke Schmerzmittel wie Opioide, die unter das           (BfArM)                                                 werden. Diese sollte Angaben über die Einzel- und
     Betäubungsmittelgesetz fallen.                            Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3                            die Tagesdosis der Medikamente sowie die Dauer der
                                                               53175 Bonn                                              Reise enthalten. Ein Muster für diese Bescheinigung
     Um auf Reisen die medizinische Notwendigkeit              Telefon: 0228-99-307-30                                 gibt es ebenfalls unter www.bfarm.de zum
     der Opioideinnahme zu dokumentieren, ist                  Telefax: 0228-99-307-5207                               downloaden (Startseite/Service/Formulare/Formulare
     hierzu allerdings (wie eigtl. immer) eine ärztliche       E-Mail: poststelle@bfarm.de                             Bundesopiumstelle). Außerdem kann es ratsam sein,
     Bescheinigung erforderlich. Darauf sind die Adresse des                                                           bei der zuständigen Botschaft in Deutschland die
     behandelnden Arztes, wichtige Daten des Patienten                                                                 genauen Richtlinien des Urlaubslandes zu erfragen, da
     und alles Wissenswerte über das Arzneimittel (wie
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     Wichtige Adressen und Links
     Deutsche Schmerzliga e. V.
     Rüsselsheimer Str. 22 / Haus A
     60326 Frankfurt am Main

     Telefon: 069 20019019
     Telefax: 069 26946401                                   Mit freundlicher Unterstützung der
     (montags, mittwochs und freitags: 9:00 bis 11:00 Uhr)   Kyowa Kirin GmbH
     info@schmerzliga.de                                     Monschauer Straße 1
     www.schmerzliga.de                                      40549 Düsseldorf

                                                             Der Inhalt dieser Broschüre entspricht der aktuellen Lehrmeinung und wurde mit großer Sorgfalt entwickelt. Gleichwohl kann keinerlei Gewähr für die
                                                             Vollständigkeit, Aktualität oder inhaltliche Richtigkeit der dargestellten Informationen übernommen werden. Diese Broschüre oder Auszüge dieser
                                                             Broschüre dürfen nicht ohne schriftliche Einwilligung der Deutschen Schmerzliga in irgendeiner Form mit elektronischen oder mechanischen Mitteln
                                                             reproduziert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Alle Rechte vorbehalten.

                                                             Quellenangaben Fotos:
                                                             Titel: © AtWaG-istockphoto.com; S. 6: © skhoward-istockphoto.com; S. 8: © mirzamlk-istockphoto.com; S. 10: © Tom Merton-istockphoto.com;
                                                             S. 12/13: © tommaso79-istockphoto.com; S. 14: © seb_ra-istockphoto.com; S. 21: © benjaminnolte-adobestock.com; S. 25: © DNY59-istock-
                                                             photo.com; S. 26: © Pan_Da-shutterstock.com; S. 42: © Cat Box-shutterstock.com; S. 45: © Andrey Popov-adobestock.com; S. 48: © FroggyF-
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