Planen lohnt sich - Haufe
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05.2017 | 12.40 EUR www.personalmagazin.de MATERIAL-NR. 04062-5199 Entsend ung Manage ment, Richtlin ien, Versiche rung Planen lohnt sich S . 62 Wie strategische Personalplanung im Mittelstand und in agilen Konzernen gelingt S. 18 RECRUITING Worauf Sie bei GESUNDHEITSMANAGEMENT KÜNDIGUNG Was das neue der Personalauswahl in den Wo Unternehmen wirklich Bundesteilhabegesetz für Schwer- USA achten müssen S. 38 ansetzen müssen S. 50 behinderte vorschreibt S. 74
EDITORIAL 3 Liebe Leserinnen und Leser, ein alter Studienfreund, inzwischen Dekan der Evanglischen Kirche, berichtete mir, dass sie in seiner Heimatstadt neulich einen Vertreter von Google eingeladen haben, um den Dialog mit der Wirtschaft zu pflegen. Mein Freund ist liberal und weltoffen, ein intellektueller Kopf und sehr belesen, gleichwohl irritierte ihn die Visitenkarte des Gesprächspartners, ja er echauffierte sich sogar: Auf der Visitenkarte des Firmenvertreters stand als Berufsbezeichunung „Evangelist“. Der christliche Hinter- grund des Wortes ist offen- „Evangelis- sichtlich. Das Wort heißt ursprünglich „Verkünder ten bringen der frohen Botschaft“, neue Ideen wurde zunächst für die in die Fir- Verfasser der Evangelien men. Die verwendet, später für die christliche Tradition dient Missionare, die in fremde als Inspirationsquelle.“ Gefilde auszogen. Im 20. Reiner Straub, Herausgeber Jahrhundert nannten sich in den USA evangelikale Überzeugungstäter wie Billy Graham, die am rechten Rand angesiedelt waren, Evangelisten. Die US-Technologiebranche hat den Begriff adaptiert, er gilt als „cooler“ Jobtitel. Bei Linkedin sind über 30.000 „Evangelisten“ verzeichnet, bei Xing knapp 2.000. Die „Technologie-Evangelisten“ arbeiten wie christ- liche Missionare: Sie haben eine Idee, die sie verbreiten möchten. Das machen sie nicht über Machtstrukturen, sondern durch die Kraft der Begeisterung. Sie sind Überzeugungstäter im besten Sinne des Wortes. Mit den Missionaren haben sie noch etwas gemeinsam: Sie wollen Sinn stiften und die Welt besser machen. Bei aller Begeisterung – denn meist handelt es sich bei „Technologie- Evangelisten“ ja um sympathische Leute – sie sollten auch von der dunklen Seite der Geschichte lernen: Wo das Evangelisieren zur Schwärmerei wird, kann sich die gute Idee in ihr Gegenteil verkehren. 05 / 17 personalmagazin
4 INHALT_MAI 2017 „Wertschätzung ist wichtig“ Audi-Arbeitsdirektor Thomas Sigi erläu- tert im Interview, wie Inklusion gelingt. © AUDI Diese Symbole weisen auf Add-Ons in der Personalmagazin-App hin. Video Audio Bildergalerie Umfrage Rechner 42 18 Zusatzinfo SZENE MANAGEMENT ORGANISATION 06 News und Events 32 News und Dienstleistungsmarkt 48 News und Softwaremarkt 09 Experimentierfreude 34 Agile Führung mit Zielen 50 Trend und praktische Rückblick auf den DGFP-Kongress Ein agiler Rahmen für einen struk- Bedeutung turierten Zielvereinbarungsprozess Worauf Betriebe beim Gesundheits- 10 „Auf Augenhöhe“ management wirklich setzen sollten Wo die Selbst-GmbH steht und wo 38 Personalauswahl in den USA sie hin will, erläutert der Vorsitzende So umgehen Sie die Stolperfallen 53 Senior-Experten digital Joachim Schledt managen 42 „Wertschätzung ist wichtig“ Seit 17 Jahren beschäftigt Bosch 12 Exzellente Arbeitsplatzkultur Audi-Arbeitsdirektor Thomas Sigi Mitarbeiter im Ruhestand als Be- „Deutschlands Beste Arbeitgeber über Diversity und Inklusion rater. Jetzt setzt das Unternehmen 2017“ wurden ausgezeichnet sogar eine Software dafür ein 44 Online wird das neue 16 HR-Start-ups Premium 56 Kilometer automatisch erfassen Personalmanagement mit Personio Trends bei MBA-Programmen Worauf es bei elektronischen Fahrtenbüchern ankommt TITELTHEMA 59 Wie arbeiten wir 2025? Eine Kolumne von Frank Schrader, 18 Planen lohnt sich 26 Planen ja, aber bitte agil Piening Personal Warum auch kleinere Unternehmen Bausteine für die Personalplanung eine strategische Personalplanung im agilen Umfeld 60 Digitalisiert in die Zukunft brauchen Workforce Management unterstützt 22 Hintergründe zum BMAS-Projekt 30 „Keine starren Pläne“ die Mobilität der Mitarbeiter Wie Siemens Agilität mit Langfrist- 24 Lösungen für kleines Geld planung vereint, zeigt Personalvor- Tools für die Personalplanung stand Janina Kugel personalmagazin 05 / 17
5 © LDPROD / SHUTTERSTOCK.COM Planen lohnt sich Egal ob Mittelständler oder Konzern: Eine strategische Personal- planung ist auch in Zeiten schnellen Wan- dels unverzichtbar. Mit welchen Instrumenten dies gelingt, lesen Sie im Titelthema. SPEZIAL PERSÖNLICH 62 Entsendung passgenau regeln 84 News und Weiterbildung Wie Core-Flex-Richtlinien helfen 86 Mangelberuf HR 64 Zulagen richtig abrechnen Dem Personalbereich fehlen Häufige Fehler in der Entgelt Fach- und Führungskräfte abrechnung für Expatriates 88 Buchtipps 67 Das Risiko reist mit Warum Auslandskrankenver 90 Ganz persönlich sicherungen kein Luxus sind Dominik Hahn, Allianz SE, beantwortet den Fragebogen RECHT RUBRIKEN 72 News und aktuelle Urteile 03 Editorial 74 Das Bundesteilhabegesetz Neue Regeln zum Umgang mit 89 Impressum, Rückblick Schwerbehinderten 90 Vorschau 78 Gegen die Lohnlücke So bereiten Sie sich auf das Entgelttransparenzgesetz vor 80 Umgang mit Phantomlohn Wie Sie Fallen in der Sozial versicherung vermeiden 05 / 17 personalmagazin
6 SZENE_NEWS Stellenwechsel ANA-CRISTINA GROHNERT Noch ist sie Geschäftsführerin und Arbeitsdirektorin bei Ernst & Young in Hamburg. Zum 1. Juli wird Ana-Cristina Grohnert in den Vorstand der Allianz Deutschland wechseln. Dort übernimmt sie die Position von Wolfgang Brezina, derzeit Arbeitsdirektor und im Vorstand verantwortlich für das Ressort Personal und Interne Dienste. Der 55-Jährige wechselt als Head of HR Operations zur Allianz SE, wo er den Bereich aufbauen und ope- rationalisieren wird. Die Diplom-Betriebswirtin Grohnert begann ihre Karriere 1992 bei Preussag und arbeitete bei ABB Asset Finance und DG Hyp, bevor sie 2007 als Partnerin zu Ernst & Young kam. Sie engagiert sich unter anderem als Vorstandsvorsitzende bei der Charta der Vielfalt. Ihr Wechsel in den Vorstand der Allianz steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. MELANIE CALVI Seit dem 1. Februar ist Melanie Calvi bei Nissan Centre Europe als Manager Human Resources & General Affairs für die Personalarbeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz zuständig. Die 45-Jährige folgte auf Roger Schneider, der zu Yanfeng Automotive Interiors gewechselt ist. Seit April 2012 war die ausgebildete Touristikfachwirtin als Leiterin Human Resources in der Zentrale der Autobahn Tank & Rast Gruppe tätig. Davor arbeitet Melanie Calvi, die ihre Laufbahn in der Reisever anstaltung bei Rocktours begonnen hatte, als persönliche Assistentin des Geschäftsführers bei Tank © NISSAN & Rast, bevor sie in den Personalbereich des Unternehmens wechselte. STEFAN GROSCH Bereits seit Januar 2017 ist Stefan Grosch als Executive Vice President bei Bosch Automotive Stee- ring tätig. Er trat die Nachfolge von Henning Wagner nicht nur als Arbeitsdirektor an, sondern auch als Geschäftsführer für Finanzen und Einkauf. Zuvor hatte Stefan Grosch, der seine berufliche Laufbahn 1992 bei Bosch gestartet hatte, innerhalb der Unternehmensgruppe Führungsaufgaben in Werken in Spanien und Brasilien sowie als Leiter der Zentralabteilung Planung und Controlling in der Konzernzentrale inne. Zuletzt war er als Leiter der Zentralabteilung Unternehmensrevision bei der Robert Bosch AG tätig. ANA CAMPOS BERNHARD WILKEN Seit Jahresanfang ist Ana Campos als Head of Human Resources des Seit 15. Februar ist Bernhard Wilken Abteilungsleiter Personal bei IT-Dienstleisters Trivadis tätig. Die Wirtschaftsinformatikerin war der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin. Nach Personallei- zuletzt als Head of Human Resources für die Rückversicherungs-Ge- tungsfunktionen bei der Spar Handels AG, der Deutschen Bahn AG sellschaft New Reinsurance tätig und verfügt über mehr als 15 Jahre und der Bundesagentur für Arbeit war er zuletzt bei der Deutschen Führungserfahrung in global tätigen Unternehmen. Rentenversicherung Berlin-Brandenburg tätig. Beim Demogra- phie-Netzwerk leitet er das Regionalnetzwerk Berlin-Brandenburg. FRIDTJOF HELEMANN Mit Wirkung zum 1. Februar wurde Fridtjof Helemann in die Ge- EVELYNE ZAFFINO schäftsleitung des Pharmaunternehmens Lonza berufen. Dort ist er Anfang 2017 startete das neue Führungsgremium von ZF After- für die Bereiche Human Resources, Kommunikation sowie Umwelt, market – entstanden durch den Zusammenschluss von ZF Services Gesundheit und Sicherheit zuständig. Zuvor war Helemann, der und TRW Aftermarket. Innerhalb der Geschäftsleitung hat Evelyne seine Laufbahn als HR-Manager bei Daimler-Benz begann, unter Zaffino die Position als Vice President Human Resources inne. Zuletzt anderem als Corporate Vice President HR bei Henkel tätig. war sie Personalleiterin bei TRW Global Parts and Services in Paris. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de personalmagazin 05 / 17
7 Als Art Coach leitet die Kunsthis- torikerin DR. ULRIKE LEHMANN Mitarbeiter und Führungskräfte an, sich mit Kunst zu beschäftigen. Dies bietet nach ihrer Erfahrung eine gute Möglichkeit, Kreativität in Unternehmen zu fördern. Drei Fragen an ... ... Ulrike Lehmann zum Thema Kunst und Kreativität Frage eins: Frau Lehmann, wie wichtig ternehmen kommen – etwa durch ist Kreativität überhaupt für Unter- Ausstellungen, Führungen oder nehmen? kunstbasierte Kreativ-Workshops, Ulrike Lehmann: 2016 hat das Welt- die die eigene Kreativität trainie- wirtschaftsforum in Davos eine Stu- ren. So kann Kunst aktiv in den Ar- die herausgegeben, die feststellte, beitsalltag eingebunden werden. Es dass Kreativität zu einem der drei ist wichtig, es den Menschen zu er- wichtigsten Skills für Unternehmen leichtern, sich der Kunst zu öffnen. wird. Laut Studie stand Kreativität 2015 noch auf Platz fünf, 2020 wird Frage drei: Wie kann ein Betrachter sie auf Platz drei stehen. Die Unter- von Kunst seine Kreativität trainie- nehmen werden große Anstrengun- ren? Haben Sie ein Beispiel? gen machen müssen, Kreativität zu Lehmann: Als Beispiel kann ich eine fördern und ins Haus zu holen, um mehrteilige Bilderserie von Picasso im Wettbewerb und im digitalen nennen. Diese war Gegenstand eines Wandel bestehen zu können. Aber Seminars in der Apple-University: Kreativität muss irgendwo herkom- Auf Bild eins bis drei war ein Stier men. Die Beschäftigung mit Kunst zu sehen, der immer detaillierter dar- ist eine Möglichkeit dafür. gestellt wurde. Ab dem vierten Bild wurde der Stier immer stärker abs- Frage zwei: Wie soll Kunst in die Un- trahiert, bis auf Bild elf nur noch ein ternehmen kommen? Sollen Arbeit- Strich mit dem Umriss eines Stiers geber Bilder in den Werkshallen oder zu sehen war. In der Abstraktion Chefbüros aufhängen? lag die Essenz: Der Stier war immer Lehmann: In den Werkshallen sind noch zu erkennen. Die Apple-Mit- Bilder sicherlich besser platziert arbeiter ließen sich davon anregen, als in den Chefbüros. In den Chef- eine übersichtlich gestaltete Fern- büros ist die Kunst isoliert. Nur we- bedienung zu entwickeln. Damals nige Personen haben Zugang. Noch gab es nur Fernbedienungen mit 50 besser wäre es, Meeting-Räume und mehr Knöpfen. Das Ergebnis war auszustatten, in denen Mitarbeiter eine minimalistische Fernbedienung, zusammenkommen, um neue Ideen die nur ein Rad enthielt, das gedreht und Projekte zu entwickeln. Kunst und geklickt werden konnte. Das war kann aber auch anders in die Un- ein gutes Beispiel für Reduktion. 05 / 17 personalmagazin
8 SZENE_NEWS SZENE_EVENTS „Xing New Work Award 2017“: BILDERGALERIE New Worker treffen sich in Berlin Mehr zu den Gewinnern des „Xing New Work Award“ erfahren Sie in einer Bil- A lles in New Work: Unter die- ger bei den Start-ups wurde Edition F, dergalerie in der Personalmagazin-App. sem Zeichen stand die diesjäh- auf den Plätzen folgten das Jungunter- rige Verleihung der „Xing New nehmen Pippa and Jean und das Start- Work Awards“. Als Location hatte sich up Leadership 3. Bei den etablierten das Business-Netzwerk diesmal das Unternehmen wurde der Tech-Riese Lena Felixberger (Descape), Julia Küm- neue Kongresszentrum am Westhafen Cisco als Gewinner gekürt, Platz zwei per (Match-Watch), Hermann Arnold Berlin ausgesucht. Neu war auch, dass ging an die Online-Plattform Traum-Fe- (Haufe-Umantis), Sven Franke („Au- ein ganztägiger New-Work-Kongress rienwohnungen, Platz drei an das Wie- genhöhe“-Film), Christa Weidner (Free die Preisverleihung begleitete und dass ner Technikunternehmen Tele Haase. lance IT) und Ali Mahlodji (Whatchado). diesmal neben Firmen auch einzelne In der neuen Kategorie wurden gleich Einen ausführlichen Nachbericht lesen New Worker ausgezeichnet wurden. Sie- sechs „New Worker“ ausgezeichnet: Sie unter: www.haufe.de/personal.de TERMINE 4. Mai, Köln 2. Innovationstagung „Arbeit, ildung und Gesundheit 4.0“ B Tel. 0211 806-0 www.tuv.com 9. und 10. Personal 2017 Süd und Corporate Mai, Stuttgart Health Convention Tel. 0621 70019-0 © EYECATCHME.PHOTOGRAPHY www.personal-sued.de www.corporate-health-convention.de 10. und 11. 4. Personalkonferenz Mai, Mainz Tel. 06131 2409-807 www.personalkonferenz-mainz.de 19. Mai, Berlin Hoffest von HR Pepper Von Sparringspartnern lernen Tel. 030 2593575-0 www.hrpepper.de E s gibt ganz unterschiedliche Wege, den idealen Pfad ins digitale 22. und 23. 10. Recruiting Convent Mai, Bensberg Tel. 0261 9528-171 Zeitalter zu beschreiten. „Viel wichtiger als Gegensätze zu postu- www.recruiting-convent.de lieren ist es, voneinander zu lernen“, sagen die Organisatoren der 16. Kienbaum Jahrestagung. Deshalb wartet die Veranstaltung, 20. und 21. 16. Zukunftskongress Juni, Wolfsburg Tel. 0341 12479646 die am 18. Mai in Ehreshoven bei Köln stattfindet, mit Sparring-Work- http://kongress.zukunft.business/ shops auf, in denen unterschiedliche Geschäftsmodelle und Organi- sationsformen gegenübergestellt werden. In den „HR-Ring“ steigen 21. Juni, Köln Digital Leadership Summit Tel. 0160 90967353 Airbus und Datev, Axel Springer und Zalando, die Deutsche Bahn und www.digital-leadership-summit.de die Bundesagentur für Arbeit, Google Germany und IBM Deutschland. Anschließend werden die Sparring-Ergebnisse zusammengeführt und 29. bis 30. Personalmanagementkongress Juni, Berlin Tel. 030 848590 diskutiert. Den Abschlussvortrag hält Verleger und Autor Jakob Aug- www.personalmanagementkongress.de stein zum Thema „Ethik und Digitalisierung“. www.kienbaum.com personalmagazin 05 / 17
SZENE_DGFP-KONGRESS 9 Beim DGFP-Kongress gewann Swisscom den St. Galler Leadership Award. BILDERGALERIE Mehr zum DGFP-Kongress und der Ver- leihung des St. Galler Leadership Award erfahren Sie in einer Bildergalerie in der Personalmagazin-App. beiter und Führungskräfte fit für die Arbeitswelt 4.0 macht. Ein Höhepunkt war der Vortrag von Professor Heike Bruch von der Universität St. Gallen: Sie erklärte, wie Leadership und New Work zusammenhängen, und warnte da- © DGFP / JAN ZAPPNER vor, neue Arbeitsformen nur deswegen umzusetzen, weil sie gerade angesagt seien. „Erst müssen Unternehmen ihre Kultur- und Leadership-Hausaufgaben machen“, mahnte Bruch, „dann können Experimentierfreude sie mobile Arbeitsformen einführen – und zwar genau in dieser Reihenfolge.“ Zum Abschluss des ersten Kongresstags wurden bei der Verleihung des St. Gal- RÜCKBLICK. Beim DGFP-Kongress 2017 wurde viel ex- ler Leadership Award 2017 vorbildliche Leadership- und Kulturinitiativen vorge- perimentiert, etwa mit einer Start-up-Tour. Gleichzeitig stellt. Als Sieger kürten die Kongress blieb der Verband bewährten Erfolgsfaktoren treu. teilnehmer Swisscom für ihr einfaches, kurzes und schnell zu bedienendes Bottom-up-Befragungstool, das eine leb- hafte Kulturdiskussion anstößt. Ausprobieren, aus Erfahrungen lernen Von Andrea Sattler (Red.) warb DGFP-Vize Gerhard Rübling auch Lebhaft ging es am zweiten Kongresstag zu Beginn des Kongressprogramms am weiter, den Wolfgang Fassnacht von D ie Digitalisierung praktikabel Nachmittag: Er propagierte eine schnel- SAP mit seiner mitreißenden Key machen: Dieses Ziel hatte sich lere, agilere, experimentierfreudigere note eröffnete. „Es sind goldene Zeiten die Deutsche Gesellschaft für HR-Arbeit. „Man muss nicht alles bis für Personaler“, rief Fassnacht seinen Personalführung (DGFP) bei zum Ende durchdenken, dafür haben HR-Kollegen zu. „Wir haben so viele ihrem Kongress in Berlin auf die Fahnen wir keine Zeit“, so Rübling. „Wir brau- Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen!“ geschrieben. Dort trafen sich am 23. und chen 80-Prozent-Lösungen, müssen pilo- Ein spannendes Beispiel dafür lieferte 24. März rund 400 Personaler im Kon- tieren, ausprobieren.“ Rübling ergänzte Ariane Reinhart von Continental: Sie gresscentrum Westhafen. Statt einem aber, dass künftig nicht alles digital und berichtete von einem Projekt zum stra- herkömmlichen Kongressprogramm disruptiv werde. Manche Arbeitsplätze tegischen Skill Management mit dem startete am Vormittag des ersten Tags würden bestehen bleiben wie bisher. Start-up HR Forecast. Auch DGFP-Che- zunächst eine sogenannte „Innovation Praktikable Antworten auf die Frage, fin Katharina Heuer rief zum Abschluss Tour“: Mit dem Bus ging es kreuz und welche Rolle HR bei der Digitalisierung zu mehr Lust am Ausprobieren und Ein- quer durch Berlin, um in Acceleratoren spielen kann, gaben im Laufe des Kon- mischen auf. Firmen und Politik hätten junge Start-up-Ideen kennenzulernen. gresses hochkarätige Speaker: Milagros noch keine fertigen Lösungskonzepte Für die HR-Arbeit, die die Personaler Caina Carreiro-Andree von BMW stellte parat, sondern probierten Dinge aus in den Ideenschmieden erleben konnten, dar, wie HR bei dem Autobauer Mitar- und lernten aus ihren Erfahrungen. 05 / 17 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
10 SZENE_NETZWERKTREFFEN „Begegnung auf Augenhöhe“ INTERVIEW. Was macht gegenwärtig die Selbst-GmbH? Wofür steht sie? Joachim Schledt, Vorsitzender des Netzwerks und Personalleiter von Alnatura, gibt Einblick. personalmagazin: Die Selbst-GmbH wurde personalmagazin: Sie haben ein E-Book mit 1999 von Heinz Fischer, Werner Then dem Titel „Positives Menschenbild in der und Thomas Sattelberger gegründet, Letz- Personalarbeit“ auf den Markt gebracht. terer war viele Jahre die Gallionsfigur. Formuliert der Titel die gemeinsame Wo steht die Selbst-GmbH heute? Überzeugung Ihrer Mitglieder? Joachim Schledt: Es war für uns ein Rie- Schledt: Das trifft auch mein persönliches senschritt aus dem Windschatten einer Menschenbild, den Menschen als Indivi- Gallionsfigur herauszutreten, die lange duum mit Befindlichkeiten, mit Eigenar- Zeit die Organisation geprägt hat. Wir ten, mit Individualitäten zu sehen, ohne alle mussten uns emanzipieren, agie- wertend zu sein. Wir wollen Menschen ren statt mitlaufen. Da hat im positiven auf Augenhöhe begegnen, im Netzwerk- Sinne auch eine Bereinigung unter den kontext und im Arbeitskontext. Mitgliedern stattgefunden. Heute haben wir sehr viel Energie und ein hohes Maß personalmagazin: In den Firmen gehören an Selbstverantwortung. Machtkämpfe zum Alltag, es gibt zahl- reiche Compliance-Verstöße. Der Mensch personalmagazin: Wofür steht das Persona- hat offenbar auch schlechte Seiten. JOACHIM SCHLEDT ist Vorsitzender des ler-Netzwerk heute? Schledt: Wenn wir vom positiven Men- Personaler-Netzwerks Selbst-GmbH und Schledt: Wir begegnen uns auf Augen- schenbild reden, heißt das ja nicht, dass Personalleiter bei Alnatura. höhe, unabhängig von Hierarchien wir das Böse ausschließen. Wir gehen und Funktionen. Wir arbeiten in einer aber davon aus, dass der Mensch von freundschaftlich zugewandten Atmo- Grund auf positiv in die Welt kommt sphäre, die das Informelle betont und personalmagazin: Was tun Sie, um neue, und sich seine Welt gestalten kann. Wir wir wollen gemeinsam eine konstrukti- auch jüngere Mitglieder für Ihr Netzwerk sind aber kein idealistischer Verein und ve Zeit verbringen. Unser Anspruch ist zu gewinnen? sind auch der Überzeugung, dass nicht- es, am Puls der Zeit zu sein und neue Schledt: Wir müssen die Themen und gesetzeskonformes Verhalten in Un- Trends früher als andere aufzugreifen. die Formate so gestalten, dass wir offen ternehmen sanktioniert werden muss, und attraktiv für die jungen Menschen gerade auf der Führungsebene. Die personalmagazin: Bei Ihnen stehen wie beim sind. Wir wissen, dass wir hier mehr Grenzen müssen für alle deutlich sein. Bundesverband der Personalmanager tun müssen. Wir arbeiten an dieser persönliche Mitgliedschaften im Vorder- Herausforderung. Mit Angela Langner- personalmagazin: Ihr Unternehmen, Alna- grund. Was unterscheidet Sie vom BPM? Thiele haben wir jetzt eine neue Frau tura, orientiert sich an den Prinzipien Schledt: Mit unseren 500 Mitgliedern für den Vorstand gewonnen, die für die kollegiale Führung und Selbstorganisati- sind wir deutlich kleiner und haben jüngere Generatione steht und uns hel- on. Warum? keinen großen Kongress, auf den die fen kann, unsere Themen und Formate Schledt: Wir beobachten, dass die Welt Mitglieder kommen, um Vorträge anzu- aufzufrischen. Sie hat auch die Aufga- komplexer wird und sich mit herkömm- hören. Die Selbst-GmbH ist ein Mitmach- be, sich speziell um junge Personalpro- lichen Führungsstrukturen nicht mehr Netzwerk, in dem man Anregungen und fis, die im Sinne von „New Work“ neue steuern lässt. Arbeiten und entscheiden Ideen bekommt, aber auch selber zum Anforderungen an Arbeitgeber stellen, lässt sich nicht mehr trennen. Zweitens Austausch beiträgt. zu kümmern. müssen wir in den Unternehmen in Zu- Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de personalmagazin 05 / 17
11 NETZWERKTREFFEN DER SELBST-GMBH Mehr Partizipation für das Individuum Neue Partizipations- und Mitbestimmungsmodelle wurden auf dem Netzwerktreffen kunft so führen, wie wir heute un- der Selbst-GmbH diskutiert, zu dem sich 60 Mitglieder bei der Haufe Gruppe in Freiburg sere Kinder erziehen – nämlich auf versammelten. Auch ein neuer Vorstand wurde gewählt. Augenhöhe. Drittens zeichnet sich ab, dass sich unser Gründer und Ge- Mit einem kritischen Blick auf Führungspraxis eröffnete Hermann Arnold, Verwaltungsrats- sellschafter aus dem operativen Ge- präsident und Ermutiger von Haufe-Umantis, das Treffen. Statt auf Weisung und Kontrolle schäft zurückzieht. Wenn sich eine sollten Unternehmen mehr auf Selbstorganisation und Partizipation setzen, so Arnold. Dabei prägende Führungspersönlichkeit räumte er auch mit Missverständnissen in der Debatte um Demokratie in Unternehmen auf: zurückzieht, müssen die Kräfte der „Demokratie heißt nicht, dass jeder zu jedem Thema mitredet.“ Michael Guggemos, Ge- Selbstorganisation und Selbstver- schäftsführer der Hans Böckler Stiftung, äußerte sich kritisch: „Wer Responsekultur als Ersatz antwortung gestärkt werden. für Mitbestimmungsrechte betrachtet, wird scheitern“, sagte er und warb für die klassische Mitbestimmung: „Die Betriebsverfassung stellt sicher, dass die Arbeitnehmer auf Augenhöhe personalmagazin: Was ist für Sie die Vi- mit dem Arbeitgeber verhandeln können.“ Hans-Peter Löw widersprach und fragte, ob man sion für die Selbst-GmbH? Wo stehen die Betriebsverfassung nicht in Rente schicken müsse. „Rechtsbegriffe wie Arbeitsort oder Sie in fünf Jahren im Vergleich zu Arbeitszeit verändern sich grundlegend und passen nicht mehr in die neue Arbeitswelt“, anderen HR-Organisationen? sagte der Arbeitsrechtler von Allen & Overy. Sven Frank stellte das Projekt „Mitbestimmung Schledt: Wir haben keine Vision im Plus“ der Bahn vor: Sozialpartner, Führungskräfte und Mitarbeiter des Konzerns waren aufge- herkömmlichen Sinne und sehen fordert, neue Ideen zur Mitbestimmung einzureichen. Aus den 55 eingereichten Ideen sollen uns nicht im Wettbewerb. Wir ma- Prototypen entstehen. Joachim Schledt, Personalleiter bei Alnatura, gab einen Einblick, wie chen unser Ding, bieten coole The- das Öko-Unternehmen Selbstorganisation umsetzt. „Unsere Kultur ist darauf angelegt, die men, coole Menschen, coole Loca- Mitwirkung der Mitarbeiter außerhalb der Betriebsverfassung hinzubekommen.“ Im Rahmen tions. Und wer da mitmachen will, des Netzwerktreffens fand auch die Mitgliederversammlung der Selbst-GmbH statt, bei der ist herzlich eingeladen. Und sollten der alte Vorstand in seinem Amt bestätigt wurde. Vor- wir keine coolen Dinge mehr zu sitzender bleibt Joachim Schledt (Alnatura), zweite Vor- bieten haben, wird sich unsere Or- sitzende Dr. Wolfgang Runge (Manpower) und Stephan BILDERGALERIE ganisation von selbst auflösen. Von Grabmeier (Haufe-Umantis). Neu hinzu gewählt wurde Bilder vom Netzwerktreffen Visionen bin ich ganz weit weg. Angela Langner-Thiele (Evonik Industries), die sich um der Selbst-GmbH sehen Sie in den Nachwuchs kümmern soll. (str) der Personalmagazin-App. Das Interview führte Reiner Straub.
12 SZENE_ARBEITGEBERATTRAKTIVITÄT Exzellente Arbeitsplatzkultur AWARD. „Stolz wie Bolle“ können „Deutschlands Beste Arbeitgeber 2017“ sein. Die Preisträger des Wettbewerbs zeichnen sich durch exzellente Arbeitsplatzkultur aus. Von Daniela Furkel (Red.) – das ist doch total verrückt“, erinnert sich Andreas Schubert, Geschäftsführer W ürde Carl Julius Andreas von Great Place to Work Deutschland, an Bolle noch leben, würde er die ersten Reaktionen aus der deutschen vermutlich als einer von Wirtschaft. Sein Geschäftsführungskolle- „Deutschlands Besten Ar- ge Frank Hauser ergänzt: „Das erste Jahr beitgebern 2017“ auf der Bühne der Ber- war stark davon geprägt, dass wir unsere liner Bolle Festsäle stehen. Nach seinem Botschaft ‚Mitarbeiterorientierung ist ei- Berufsstart als Maurerlehrling entwi- ne Erfolgsgarantie für Unternehmen‘ ins ckelte er sich zu einem äußerst kreativen Land getragen haben.“ In einer Zeit, die Unternehmer. 1887 nahm seine Meierei von hohen Arbeitslosenzahlen geprägt C. Bolle, auf deren Gelände sich 130 Jah- war, sei das von vielen Arbeitgebern be- re später die Top-Arbeitgeber Deutsch- lächelt worden. Aber schon damals gab lands treffen, ihren Betrieb auf. Von dort es einige Weitsichtige, die die Bedeutung aus vertrieb Bolle nicht nur sehr erfolg- von Arbeitsplatzkultur erkannt und sich reich Frischmilch, Käse, Butter und Mar- an den Wettbewerben beteiligt haben. garine, sondern er setzte sich auch stark für seine Arbeitnehmer ein. Die Gewinner der Größenklassen Heute, in einer Zeit, in der viele Bran- Stolze Mitarbeiter chen von einem zunehmenden Fach- Für die Kinder seiner Arbeiter richtete kräftemangel geprägt sind, erkennen er eine Schule ein, für die Erwachsenen immer mehr Unternehmen, dass sie eine Kapelle. Außerdem sorgte Carl Bol- etwas für die Attraktivität als Arbeitge- le mit einer Gastwirtschaft und einer ber tun müssen. Insgesamt 700 Unter- Leihbücherei für das körperliche und nehmen beteiligten sich am Wettbewerb geistige Wohl seiner Mitarbeiter. Nicht „Deutschlands Beste Arbeitgeber“. Die von ungefähr entstanden Redensarten besten 100 dürfen nun für ein Jahr das wie „stolz wie Bolle“, die heute noch im Gütesiegel tragen. Sprachgebrauch sind. Ende des 19. Jahr- Bei den Unternehmen mit mehr als zwei und drei folgen die DIS AG und Vec- hunderts schuf Carl Bolle eine außeror- 5.000 Mitarbeitern erreichte Infineon tor Informatik. Das größte Teilnehmer- dentliche Arbeitsplatzkultur. Technologies den ersten Platz. Auf Platz feld machen die Unternehmen mit 50 bis Für die Initiatoren des Wettbewerbs zwei folgte Lidl Deutschland. Ein drit- 500 Mitarbeitern aus. In dieser Größen- „Deutschlands Beste Arbeitgeber“ stellte ter Platz wurde in dieser Größenklasse klasse erreichte Pascoe Naturmedizin es daher eine besondere Fügung dar, ihre nicht vergeben. In der Größenklasse der den ersten Platz, gefolgt von St. Gereon diesjährige Preisverleihung in den Räum- Firmen mit 2.001 bis 5.000 Mitarbeitern Seniorendienste und Maiborn-Wolff. lichkeiten mit bedeutsamer Historie zu siegte die Sick AG, gefolgt von der Ma- veranstalten. Auch sie selbst blicken schinenfabrik Reinhausen und der Ing- Mitarbeiterbefragung und Kultur-Audit mittlerweile auf eine bewegte 15-jährige Diba. Die Größenklasse von 501 bis 2.000 Der Prämierung ist ein umfangreiches Geschichte zurück. „Unternehmen las- Mitarbeitern wird in diesem Jahr von Bewertungsverfahren vorausgegangen, sen sich von ihren Mitarbeitern bewerten Adobe Deutschland angeführt. Auf Platz das im ersten Schritt eine anonyme Mit- personalmagazin 05 / 17
13 BILDERGALERIE In der Personalmagazin-App sehen Sie weitere Bilder von der Preisverleihung in den Bolle Festsälen in Berlin. Zahlreiche Teilnehmer nutzen die Er- in allem einen sehr guten Arbeitsplatz“. gebnisse aus Mitarbeiterbefragung und In durchschnittlichen Unternehmen stim- Kultur-Audit auch für die laufende Wei- men dieser Aussage hingegen nur 65 Pro- terentwicklung der Arbeitsplatzkultur. zent der Beschäftigten zu. Auch in puncto ADD-ON Daher beteiligen sich einige bereits seit kompetentes Führungsverhalten (81 ge- Eine alphabetische Liste der 100 aus- fünf, sieben oder zehn Jahren an den re- genüber 56 Prozent), gutes Betriebsklima gezeichneten Arbeitgeber stellen wir in gelmäßigen Wettbewerben. Dazu Dr. Ger- (93 gegenüber 64 Prozent), Anerkennung der App zur Verfügung. trud Demmler, Mitglied des Vorstands guter Arbeit (74 gegenüber 36 Prozent), der SBK: „Für uns als Dienstleister ist Unterstützung der beruflichen Entwick- lung (75 gegenüber 44 Prozent), betrieb- liche Gesundheitsförderung (78 gegen- über 38 Prozent) und in vielen weiteren © GERO BRELOER FÜR GPTW Bereichen der Arbeitsplatzkultur liegen die ausgezeichneten Arbeitgeber weit über dem Unternehmensdurchschnitt. Daher ist es wenig verwunderlich, dass 85 Prozent der Angestellten der diesjährigen Wettbewerbssieger dazu bereit sind, ihr eigenes Unternehmen als Arbeitgeber weiterzuempfehlen. Bei den „durchschnittlichen“ Arbeitgebern sind nur 57 Prozent dazu bereit. Erfolgsmotor Arbeitsplatzkultur Von einer guten Arbeitsplatzqualität profitieren Beschäftigte und Arbeitgeber zugleich. So weisen die Wettbewerbssie- ger nur 9.3 Krankentage pro Mitarbeiter und Jahr auf (Durchschnitt 19 Kranken- tage), eine geringe Fluktuation von fünf Prozent (Durchschnitt 14 Prozent) sowie eine hohe Innovationskraft von 72 Pro- Allen Grund zum zent (Durchschnitt 58 Prozent). Jubeln hatten Die 100 Gewinner aus Deutschland die Preisträger sind auch für den europaweiten Wettbe- des diesjährigen werb „Europas Beste Arbeitgeber 2017“ Wettbewerbs. qualifiziert, an dem sich rund 20 Länder beteiligen. Dessen Gewinner werden am 8. Juni in Paris bekannt gegeben. Partner arbeiterbefragung zu Kernthemen wie das Thema Mitarbeiterengagement ein des Great-Place-to-Work-Wettbewerbs Führung, Vertrauen, Förderung, Zusam- entscheidender Punkt. Deshalb sind wir sind das Personalmagazin, das Handels- menarbeit und Teamgeist vorsieht. Im bereits seit zehn Jahren mit dabei.“ blatt und das Demographie Netzwerk zweiten Schritt findet ein Kultur-Audit DDN. Bewerbungen für den Folgewett- statt – eine Managementbefragung zu Das zeichnet Top-Arbeitgeber aus bewerb sind ab sofort möglich unter Maßnahmen der Personal- und Füh- Die Siegerunternehmen zeichnen sich www.greatplacetowork.de. Mitmachen rungsarbeit. Die Ergebnisse beider Ins insbesondere durch eine gute Arbeitskul- können Unternehmen aller Branchen, trumente werden im Verhältnis zwei tur und durch fördernde Arbeitsbedin- Non-Profit-Organisationen und öffent- (Mitarbeiterbefragung) zu eins (Kultur- gungen aus. Das zeigt eine Auswertung liche Arbeitgeber ab 50 Beschäftigten. Audit) gewichtet und führen im Ver- der Studienergebnisse: 89 Prozent der Die Teilnahme an den Benchmark-Befra- gleich mit den Resultaten der anderen Mitarbeiter von „Deutschlands Besten Ar- gungen ist auch ohne Wettbewerbsteil- Wettbewerbsteilnehmer zur Siegerliste. beitgebern 2017“ sagen, sie hätten „alles nahme möglich. 05 / 17 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
14 SZENE_ARBEITGEBERATTRAKTIVITÄT „Zutrauen und Wertschätzung“ INTERVIEW. Lidl Deutschland erreichte den zweiten Platz in seiner Größenklasse. Torsten Heimann, Geschäftsleiter Personal, über die Bedeutung von Arbeitsplatzkultur. personalmagazin: Herzlichen Glückwunsch tet. Ein wichtiger Punkt ist auch das zum zweiten Platz bei den Unternehmen Thema „Zutrauen“. Wir trauen unse- mit über 5.000 Mitarbeitern. Werden Sie ren Mitarbeitern zu, Verantwortung zu die Auszeichnung für das Personalmar- übernehmen. Dafür bieten wir ihnen keting verwenden? beispielsweise entsprechende Entschei- Torsten Heimann: Danke! Wir freuen uns dungsspielräume und unterstützen sie. sehr über die Auszeichnung, vor allem weil unsere Mitarbeiter uns direkt be- personalmagazin: Wie groß sind die Heraus- wertet haben. Das Siegel verwenden wir forderungen für die Mitarbeiterbindung für unser Personalrecruiting beispiels- in Ihren Filialen? weise auf Broschüren, Flyern und Ban- Heimann: In unseren Filialen findet das nern sowie auf unserer Karriere-Web- Kerngeschäft statt. Selbstverständlich site. Auch unsere Kunden informieren wollen wir unsere Mitarbeiter langfristig wir im Lidl-Haushaltshandzettel über an uns binden und Perspektiven bieten, die Auszeichnung. deswegen ist uns eine positive Arbeits- platzkultur sehr wichtig. Dazu tragen personalmagazin: Was ist für Sie an einem zum Beispiel ein Lidl-Mindestlohn von TORSTEN HEIMANN ist seit September Wettbewerb wie „Deutschlands Beste zwölf Euro pro Stunde, Gesundheitstage, 2016 Geschäftsleiter Personal bei Lidl Arbeitgeber“ wichtig? interne Weiterbildungsmaßnahmen und Deutschland. Heimann: Wir haben zum zweiten Mal flexible Arbeitszeit- sowie Ausbildungs- am Wettbewerb „Deutschlands Beste modelle für unserer Mitarbeiter in den Arbeitgeber“ teilgenommen. In diesem Filialen bei. Jahr haben wir erstmals die Auszeich- schaffen, auf unterschiedliche Bedürf- nung erhalten, darauf sind wir sehr nisse und Wünsche einzugehen. Wir personalmagazin: Welchen Mehrwert bringt stolz. Wichtig für eine Teilnahme an tun dies, indem wir individuelle Auf- die Teilnahme am Great-Place-to-Work- Wettbewerben ist uns, dass der Vergabe stiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten Wettbewerb für Ihr Unternehmen? prozess objektiv und transparent ist. über alle Hierarchiestufen und Bereiche Heimann: Über 4.100 Lidl-Mitarbeiter wur- Außerdem sollten die jeweiligen Aus- hinweg aufzeigen, betriebliche Sozial- den bundesweit aus allen Bereichen und zeichnungen eine gewisse Relevanz und und Gesundheitsleistungen sowie eine über alle Hierarchien befragt. Die Er- Bekanntheit haben. überdurchschnittliche Vergütung bie- gebnisse nutzt der Personalbereich, um ten und jedem einzelnen Mitarbeiter Handlungsfelder zu identifizieren und personalmagazin: Great Place to Work Fairness, Zutrauen und Wertschätzung Maßnahmen abzuleiten. Klar ist, dass Deutschland prämiert Exzellenz in Ar- entgegenbringen. Wir leben einen res wir uns auf unserem Erfolg nicht ausru- beitsplatzkultur. Was macht die Arbeits- pektvollen und fairen Umgang mitei- hen, sondern jeden Tag weiter daran ar- platzkultur bei Ihnen besonders? nander, unabhängig von Position und beiten, zufriedene Mitarbeiter zu haben Heimann: Unsere Herausforderung ist, Arbeitsplatz. Das bestätigen auch die und auch extern als engagierter Arbeit- dass ein Teil unserer insgesamt rund Umfrageergebnisse von „Great Place to geber mit attraktiven Arbeitsbedingun- 78.000 Mitarbeiter im Büro und ein Work“: Mit über 90 Prozent haben die gen wahrgenommen zu werden. großer Teil in den Filialen und Lagern Befragten Lidl in der Kategorie „Fair- arbeiten. Wir müssen also den Spagat ness“ überdurchschnittlich gut bewer- Das Interview führte Daniela Furkel. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de personalmagazin 05 / 17
16 SZENE_HR START-UP Was ist die Idee dahinter? Wer im deutschen Markt nach Personalsoftware sucht, findet zunächst etablierte Anbieter von Individualsoftware. Wegen der hohen Kosten und langen Einrichtungszeiträume kommen diese für Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern oft nicht infrage. Zudem existieren zahlreiche „Insellösungen“, die nur einen bestimmten HR-Prozess abbilden, zum Beispiel die Urlaubs- verwaltung. Die Verwendung einzelner Tools wird in der Praxis jedoch schnell unübersichtlich und führt zu inkonsistenten Daten und ineffizienten Abläufen. Andererseits können US- amerikanische Cloud-Anbieter in Sachen Datenschutz häufig nicht die strengen Anforderungen in Deutschland erfüllen. Die Idee hinter Personio war, sämtliche HRM- und Recruiting- Prozesse kleiner und mittlerer Unternehmen in einer intuitiv bedienbaren Software zu bündeln und dabei den deutschen Standards in punkto Datenschutz gerecht zu werden. Beim Betrieb der Server setzt Personio daher ausschließlich auf zertifizierte Anbieter mit Rechenzentren in Deutschland. Wie war die Entwicklungszeit? Personio umfasst unter anderem die Bereiche Job-Multi- Posting, Bewerbermanagement, Mitarbeiter-Onboarding, Die Software wurde in der Anfangsphase mit einer kleinen digitale Personalakte, Urlaubsverwaltung, Genehmigungs- Zahl Pilotkunden getestet und kontinuierlich verbessert. In den prozesse, Gehaltsmanagement, Anwesenheitsverwaltung, vergangenen zwölf Monaten wuchs der Kundenstamm durch Dokumentenverwaltung, Performance, Berichte sowie vorbe- Empfehlungen und ohne aktives Marketing auf mehr als 100 reitende Lohnbuchhaltung. Unternehmen mit 20 bis 600 Mitarbeitern an. Die „Entwick- Jeder Mitarbeiter erhält ein eigenes Benutzerkonto mit lungszeit“ betrachten wir als kontinuierlichen Prozess: mit bestimmten Zugriffsrechten und kann je nach Bedarf direkt jedem neuen Kunden kommen neue Anforderungen und Ideen. in HR-Prozesse wie Urlaubsanträge, Stammdatenänderungen Von der Umsetzung dieser Ideen profitieren wiederum alle oder Bewerberevaluation einbezogen werden. bestehenden und künftigen Kunden. © RAKETE: FRANK PETERS / THINKSTOCKPHOTOS.DE; RESTLICHE FOTOS: PERSONIO Personio lässt sich ohne Installation auf jedem browserfähigen Gerät nutzen und wird auf zertifizierten Rechen zentren in Deutschland betrieben. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de personalmagazin 05 / 17
17 Wer hat‘s gegründet? Was können etablierte Unter Personio wurde 2015 von Hanno Renner, Roman Schumacher, nehmen von Ihnen lernen? Arseniy Vershinin und Ignaz Forstmeier gegründet. Die Gründer Eine unserer Stärken liegt in der lernten sich am Münchner Center for Digital Technology and Ma- Geschwindigkeit, mit der Neues um- nagement (CDTM) kennen, aus dem bereits erfolgreiche Unterneh- gesetzt und Bestehendes verbessert men wie Outfittery, Stylight, Freeletics oder eGym entstanden sind. wird. Oft liegen nur wenige Wochen zwischen einer Kundenanfrage und HR der Implementierung einer neuen Funktion. Diese Agilität erhalten wir uns durch flache Hierarchien und START In unserer Serie stellen wir Ihnen UP große Gestaltungs- und Entschei- Jungunternehmer aus dem HR-Bereich dungsspielräume für jeden Einzelnen. Unsere Mitarbeiter arbeiten sich nicht mit ihrer Idee vor. In dieser Ausgabe durch vorgegebene Aufgabenlisten, das Unternehmen Personio. sondern bewegen sich in crossfunk- tionalen Teams gemeinsam auf ein höheres Organisationsziel hin. Diese Ziele versuchen wir in regelmäßigen Abständen genau zu messen, etwa Was soll noch geändert werden? Kundenzufriedenheit anhand des „Net Ziel ist es, Personio zur zentralen HR-Plattform für kleinere und mittlere Unternehmen Promoter Score“. Das motiviert und in Europa auszubauen, an die andere HRM- oder Recruiting-Tools „andocken“ können. schafft Transparenz. Als Schmankerl Aus Kundensicht liegen die Kernprozesse und Mitarbeiterinformationen einheitlich und stellen wir allen Mitarbeitern Elektro- sicher bei Personio und können je nach Anforderung mit anderen Services ausgetauscht roller der Marke Unu als „Geschäftswa- und verknüpft werden. Diesen Ansatz verfolgen wir heute bereits mit dem Recruiting- gen“ zur Verfügung. Gerade zur Rush Service „Go Hiring“. Jobanzeigen, die einmal in Personio erstellt wurden, können damit Hour gibt es kaum ein schnelleres und automatisch auf mehr als 100 deutschen Karriereseiten veröffentlicht werden. unterhaltsameres Fortbewegungsmittel.
18 TITEL_PERSONALPLANUNG Planen lohnt sich PROJEKT. Auch kleinere Unternehmen brauchen eine strategische Personalplanung. Wie viel das bringt, belegen die Teilnehmer eines vom BMAS geförderten Projekts. Von Christoph Stehr gefördert wird. Ziel war es, einen um- fassenden Werkzeugkasten zur strate- D ie Großen, die Kleinen, die gischen Personalplanung für kleine und Dicken zu uns!“, warb das mittelständische Unternehmen – laut Modehaus Marx in Trier in Definition der EU-Kommission sind das den 1970er-Jahren für seine Betriebe bis 250 Mitarbeiter – zusam- reiche Auswahl an Sonder- und Zwi- menzustellen. Nach knapp drei Jahren schengrößen. Heute noch behauptet befindet sich das Projekt in der End- sich damit das Traditionsunternehmen, phase und das Projektteam, bestehend das 87 Mitarbeiter hat, gegen die starke aus dem Institut für Beschäftigung und Konkurrenz in der Fußgängerzone der Employability IBE als Leitung, der Deut- 100.000-Einwohner-Stadt an der Mosel. schen Gesellschaft für Personalführung „Wie für unsere Kunden gilt auch für e.V. (DGFP), der Dynaplan AG, der WMP unsere Mitarbeiter: Sie haben höchst Consult – Wilke Maack GmbH und der unterschiedliche Eigenschaften, Bedarfe Zukunftsallianz Arbeit & Gesellschaft und Ansprüche“, sagt die Geschäftsfüh- e.V. (ZAAG), legt nun ein Ergebnis vor, rende Gesellschafterin Karin Kaltenkir- das „Starter-Set Strategische Personal- chen. „Das spiegelt sich in einer Vielzahl planung – geeignet für KMU“. Zentraler beruflicher Qualifikationen wider. Wenn Baustein ist der KMU-Planungsrechner, © HELMUT THEWALT TRIER „Wenn wir unsere HR-Ressourcen lang- fristig sichern wollen, müssen wir neue Wege in der Personalplanung gehen.“ Karin Kaltenkirchen, Modehaus Marx in Trier wir diese fein abgestimmte Mischung der auf der Simulationssoftware Dyna- an HR-Ressourcen langfristig sichern plan Smia beruht und zukünftige Per- wollen, müssen wir neue Wege in der sonalbedarfe mit der Entwicklung des Personalplanung gehen.“ Mitarbeiterbestands abgleicht. Dabei Seit Mitte 2014 nimmt das Modehaus geht es nicht nur um die Anzahl der be- © TUTYE / THINKSTOCKPHOTOS.DE Marx an dem Projekt „Strategische Per- nötigten Mitarbeiter, sondern auch um sonalplanung für KMU“ teil, das vom die Kompetenzen, die in Zukunft benö- Bundesministerium für Arbeit und tigt werden. In wenigen Wochen können Soziales (BMAS) im Rahmen der Ini- alle mittelständischen Arbeitgeber das tiative Neue Qualität der Arbeit (Inqa) aus sechs Instrumenten, darunter ein Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
19 Online-Selbstcheck und ein Planungs- mensdaten zur personalwirtschaftlichen die Führungskräfte des Modehauses rechner, bestehende Starter-Set kosten- Planung und Steuerung. 2010 befasste veranstalteten. Im Mittelpunkt standen los anfordern. sich das Modehaus Marx in einem Vor- die fünf Schritte der Strategischen Per- Es ist nicht das erste Mal, dass Kalten- gängerprojekt des BMAS mit lebenspha- sonalplanung: Jobfamilien bilden, den kirchen Erfahrungen mit HR-Analytics senorientierter Personalarbeit. Das neue aktuellen Personalstand ermitteln, den macht, dem Gewinnen, Verknüpfen und Projekt mündete in einen Workshop, den strategischen Personalbedarf festlegen, Extrapolieren von HR- und Unterneh- zwei IBE-Mitarbeiterinnen in Trier für daraus mögliche Unter- und Überbeset- Wer strategisch plant, muss sich um den Nachwuchs keine Sorgen machen.
20 TITEL_PERSONALPLANUNG zungen ableiten sowie Handlungsfelder gesgeschäft schon die nötige Motivation bestimmen, beispielsweise Maßnahmen LINK-TIPP und Zeit? So war das Projekt für mich ein zu Rekrutierung und Weiterbildung. Ein willkommener Anstoß zur Selbstreflexi- Mehr Informationen zum BMAS-Projekt wichtiges Thema war die eigenständige on und strategischen Ausrichtung, nach- und Zugang zum Starter-Set unter Anwendung des Starter-Sets – schließ- dem ich 20 Jahre lang Personalplanung www.spp-kmu.de lich sollen die Unternehmen in die Lage eher aus dem Bauch gemacht habe.“ versetzt werden, ihren Personalbedarf ohne fremde Hilfe, etwa durch Berater, Unterstützung im „War for Talents“ strategisch zu planen. Das „Starter-Set Strategische Personal- Für das Modehaus Marx sind neun und Nachwuchskräfte sowie 50-plus- planung – geeignet für KMU“ wird un- Jobfamilien relevant, wie sich heraus- Mitarbeiterinnen. Dazwischen klafft entgeltlich bereitgestellt, was in dieser stellte, darunter Einkauf, Modeberatung, ein Loch. „Wenn die älteren Mitarbei- Zielgruppe sicher kein zu vernachlässi- Kasse, Dekoration, Einkauf, Buchhal- terinnen irgendwann auf einen Schlag gender Aspekt ist. Das Paket enthält ne- tung und Änderungsschneiderei. Als in Rente gehen, haben wir ein richtiges ben dem KMU-Planungsrechner einen Planungshorizont wurden fünf Jahre Problem“, sagt Kaltenkirchen. „Dies in webbasierten „Check: Strategische Per- bestimmt. In diesem Zeitraum kann sich nackten Zahlen präsentiert zu bekom- sonalplanung“ zum Einstieg ins Thema viel ändern, wie Kaltenkirchen erläutert: men, war für mich ein Aha-Erlebnis.“ und zur Selbstanalyse (https://personal- „Es gibt spezifische Trends im Textilein- Die „nackten Zahlen“ beruhen darauf, planung.inqa-check.de/startseite), ein zelhandel, die unseren Personalbedarf dass der KMU-Planungsrechner jeden Handbuch für Personalverantwortliche, quantitativ und qualitativ prägen wer- Beschäftigten mit Namen, individuel- eine Präsentation zur internen Doku- den. Beispielsweise kommen zukünftig ler Wochenarbeitszeit, FTE-Kapazität, mentation im Betrieb, einen Ratgeber mehr digitale Medien im Verkaufsraum Geburtstag und Jobfamilie erfasst und für Betriebsräte sowie ein Trainingskon- zum Einsatz, etwa Kundeninformati- anhand von Erfahrungswerten das vo- zept zur Schulung von Betriebsräten. onssysteme. Die müssen unsere Mitar- raussichtliche Ausscheiden, etwa zum Der Name „Starter-Set“ lässt schon ver- beiterinnen und Mitarbeiter bedienen Renteneintritt, ermittelt. Kaltenkirchen muten, dass es den Initiatoren auf eine können.“ Die Arbeit mit dem KMU-Pla- will gegensteuern, indem sie künftig Verstetigung der Arbeit mit den Mate- rialien ankommt. So müssen die Per- sonaldaten im KMU-Planungsrechner sorgfältig gepflegt werden, weil sonst „Betriebe erhalten mit unseren Instru- die Prognosen nicht mehr stimmen. Im Modehaus Marx übernimmt die Perso- menten einen ersten Überblick über die nalbuchhaltung diese Aufgabe. Verein- Schritte einer Personalplanung.“ bart ist, dass sie bei jedem Mitarbeiter- Jutta Rump, Institut für Beschäftigung und Employability IBE zu- oder -abgang die Daten aktualisiert. Dass das BMAS mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand ein derart ausgefeiltes HR-Instrument für den nungsrechner ergab, dass die Mitarbei- verstärkt Bewerberinnen zwischen 30 Mittelstand entwickelt hat, hängt mit terzahl im Modehaus Marx insgesamt und 40 Jahren einstellt, auch wenn dies dem hohen Stellenwert zusammen, den steigen muss, wenn das Unternehmen andere Probleme mit sich bringe, weil Berlin dem demografischen Wandel seine Marktstellung halten will. Der Frauen in diesem Alter oft kleine Kin- beimisst, wie BMAS-Referatsleiter An- Verkauf benötigt mindestens drei zu- der haben und deshalb zeitlich weniger dré Große-Jäger im Interview in dieser sätzliche Vollzeitäquivalente (FTE), in flexibel sind. Personalmagazin-Ausgabe erläutert. „In der Dekoration muss die Mitarbeiterzahl „Ich denke, dass die Bedarfsprogno- den nächsten 15 Jahren werden mehr als von zwei auf drei steigen. sen, die wir im Projekt erstellt haben, zwei Millionen Fachkräfte in Engpass- valide sind“, sagt Kaltenkirchen. „Über- berufen in Rente gehen“, erläutert Pro- Anstoß zur Selbstreflexion zeugt hat mich, dass wir uns alles in fessorin Jutta Rump, die das IBE leitet. Ein weiteres Ergebnis aus dem Projekt Workshops selbst erarbeitet haben. Na- „Insbesondere KMU sind davon betrof- war, dass in der Altersstruktur kom- türlich wäre dies auch ohne das Projekt fen. Für sie gewinnt die Thematik noch plett die Mitte fehlt. Das Modehaus und die Beratung durch das IBE möglich stärker an Brisanz, als es bei großen Marx beschäftigt viele Auszubildende gewesen, aber wer findet dafür im Ta- Playern der Fall ist. Denn im Gegensatz personalmagazin 05 / 17
21 zu großen Unternehmen verfügen KMU schen einem Textileinzelhändler und optimal einzusetzen. Außerdem hat das häufig nicht über die strukturellen und einer Behörde könnten die für die Per- Instrument eine Art Weckfunktion: Es finanziellen Mittel, um mit groß ange- sonalplanung relevanten Unterschiede macht auf zukünftige Bedarfe aufmerk- legten Kampagnen und Maßnahmen am nicht sein: hier 87 Mitarbeiter, dort 438; sam und erzeugt dadurch einen Hand- War for Talents zu partizipieren – und hier tarifvertraglich geregelte Anstel- lungsdruck.“ In welche Richtung dieser sich dabei durchzusetzen.“ lungsverhältnisse, dort in weiten Teilen Druck wirkt, weiß Kentenich bereits. Eine langfristige strategische Perso- Beamtenrecht; hier vielfältige Rekru- Beispielsweise werden digitale Techni- nalplanung, die die Entwicklung des gesamten Unternehmens berücksichti- ge, könne diesen Nachteil wettmachen. Rump sieht einen wesentlichen Vorteil „Das Instrument bringt keine neuen Be- des Starter-Sets darin, dass die einzel- nen Produkte ohne großen Zeiteinsatz werber, aber es hilft, die Ressourcen, die und mit wenig Vorwissen angewendet der Markt hergibt, optimal einzusetzen.“ werden können. „Gerade der Zeitaspekt Jürgen Kentenich, Finanzamt Trier ist es, der leider häufig dazu führt, dass kleine und mittlere Unternehmen vor der Umsetzung weiterer personalpolitischer Maßnahmen zurückschrecken“, sagt die tierungswege mit eigener Berufsausbil- ken in der Finanzverwaltung wichtiger; Professorin. „Darüber hinaus erhalten dung, aber auch viele Quereinsteiger, entsprechende Qualifikationen früh auf- Betriebe mit unseren Instrumenten ei- dort starre Laufbahnmodelle, nach de- zubauen, ist wichtig. Ein anderer Trend nen ersten Überblick über die wesent- nen ein Großteil der neuen Mitarbeiter besteht darin, dass eine steigende Zahl lichen Schritte einer Personalplanung schlüsselfertig von der landeseigenen von Steuervorgängen das Ausland be- und mögliche Folgemaßnahmen.“ Der Hochschule für Finanzen kommt. trifft. Die Finanzwirte müssen sich des- Bedarf an solcher Unterstützung ist si- Trotzdem hat sich auch für das Finanz- halb künftig auch in anderen nationalen cher da, wie der „Monitor Arbeitsqualität amt Trier die Mitarbeit im Projekt als Steuerrechtssystemen – für Trier spielt und wirtschaftlicher Erfolg“ des BMAS fruchtbar erwiesen. Behördenleiter Jür- Luxemburg eine besondere Rolle – zu- aus dem Jahr 2014 zeigt. Danach verfü- gen Kentenich schätzt vor allem die Pra- rechtfinden, möglichst inklusive Fremd- gen zwar zwei Drittel der befragten Be- xisnähe und die einfache Handhabung: sprachenkenntnisse. triebe über einen Personalplan, doch nur „Das Instrument ist ungeheuer simpel 22 Prozent planen länger als drei Jahre in – sodass ich gedacht habe, darauf hätte Anschub für die Karriere die Zukunft. man selber kommen können. Auch mei- Zwei Mitarbeiter der Geschäftsstelle ne Sachgebietsleiter haben sich überzeu- werden künftig die Daten im KMU-Pla- Individuelle Anpassung möglich gen lassen. Das will schon etwas heißen, nungsrechner halbjährlich aktualisie- Häufig wird an HR-Software kritisiert, schließlich sind wir Steuerfachleute, kei- ren. Die Ergebnisse sollen intern veröf- dass sie ein grobes Raster vorgibt, in das ne gelernten Personaler. Uns muss man fentlicht werden. Kentenich verspricht sich nicht jeder Betrieb einpassen lässt. erst einmal für solche weichen Themen sich davon auch einen Motivationseffekt Moderne Produkte sind deshalb flexibel begeistern, was aber den Leuten vom IBE bei den Beschäftigten: Indem sie erfah- und können die betriebliche Realität und der DGFP gelungen ist.“ ren, mit welchen Zusatzqualifikationen gut modellieren. Auch der KMU-Pla- sie ihre Karriere vorantreiben können, nungsrechner bietet diese Möglichkeit. Instrument erzeugt Handlungsdruck ziehen sie einen persönlichen Nutzen Die Unternehmen legen beispielswei- „Das Instrument löst sicher nicht meine aus der strategischen Personalplanung se die Anzahl der Jobfamilien und die Beschaffungsprobleme am Jobmarkt“, ihres Arbeitgebers – ganz im Sinne der Dauer des Planungshorizonts selbst meint Kentenich. „Die Bewerberzah- Inqa: Sie hat die Zukunftsfähigkeit von fest. Das Finanzamt Trier, das wie das len im öffentlichen Dienst sind zwar Unternehmen genauso im Blick wie das Modehaus Marx zu den Pionieren im noch ausreichend, aber schon jetzt Bedürfnis der Beschäftigten nach moti- BMAS-Projekt gehört, hat sich für zehn zeichnet sich ab, dass die Qualität der vierender, guter Arbeit. Jobfamilien, darunter Außendienst/ Bewerbungen sinkt. In dieser Situation Steuerfahndung oder Sachgebietsleiter, bringt mir das Instrument keine zu- CHRISTOPH STEHR ist freier Journalist in sowie einen Planungshorizont von sie- sätzlichen Bewerber, aber es hilft mir, Hilden. ben Jahren entschieden. Größer als zwi- die Ressourcen, die der Markt hergibt, 05 / 17 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
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