Porsche Engineering - Inside China - Magazin
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Porsche Engineering Magazin Ausgabe 1/2020 www.porsche-engineering.de AUTOMOBILENT WICKLUNG DER ZUKUNF T Inside China
Zu kleiner Ausfahrt aufgebrochen. Mit monumentaler Story heimgekommen. Der neue 911 Turbo S. Im 911 Turbo S hat jede Ausfahrt das Potenzial zum unvergesslichen Epos. Dafür sorgen eine Leistung von 478 kW (650 PS), Porsche Active Aerodynamics (PAA), das PASM Sportfahrwerk und eine Vielzahl intelligenter Assistenzsysteme. Mehr unter www.porsche.de/911Turbo Kraftstoffverbrauch (in l/100 km) innerorts 15,5 · außerorts 8,6 · kombiniert 11,1; CO₂-Emissionen kombiniert 254 g/km
Porsche Engineering Magazin 1/2020 EDITORIAL 3 Liebe Leserinnen und Leser, ein chinesisches Sprichwort sagt: „Die eine Generation baut die Straße, auf der die nächste fährt.“ Wir – als Unternehmen, als Gesellschaft, als Individuen – stellen im Hier und Jetzt wesentliche Weichen für kommende Generationen. Dies betrifft konkrete Ent- wicklungen, an denen wir arbeiten, genauso wie die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten. Seit Jahrzehnten pflegen wir eine partnerschaftliche Zusammen arbeit mit chinesischen Unternehmen. Und lernen täglich vonei- nander. Die Mobilität ist im Umbruch – in kaum einem anderen Land ist das stärker sichtbar als in China. Neue Antriebsstrategien, hochautomatisierte Fahrfunktionen und eine Vielzahl von Konnek- tivitätsdiensten prägen den chinesischen Markt. Gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern entwickeln wir diese Technologien weiter. Dabei hilft uns neben unserem Verständnis des Marktes und unseren Kompetenzen in klassischen wie digitalen Disziplinen insbesondere eine Sache: die tiefe Überzeugung, dann erfolgreich zu sein, wenn unsere Kunden erfolgreich sind. Wir sind stolz darauf, seit mehr als 25 Jahren die Entwicklung der automobilen Zukunft in China zu begleiten und diese gemeinsam mit chinesischen Automobilherstellern, Zulieferern, ITUnternehmen sowie lokalen Gesellschaften internationaler OEMs zu gestalten. Dabei ist uns eine positive Kultur der Zusammenarbeit genauso Dr. Peter Schäfer, Geschäftsführer von Porsche Engineering wichtig wie neueste Erkenntnisse aus Wirtschaft und Wissenschaft, von TechPlayern und Universitäten. So arbeiten wir gemeinsam daran, die Straßen zu bauen, auf denen die nächste Generation fahren wird. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser ChinaAusgabe unseres Magazins. Ihr Peter Schäfer ÜBER PORSCHE ENGINEERING: Zukunftsweisende Lösungen sind der Anspruch, den Ferdinand Porsche bereits im Jahr 1931 mit der Gründung seines Konstruktionsbüros verfolgt hat. Er legte damit den Grundstein für die heutige PorscheKundenentwicklung. Dem fühlen wir uns mit jedem Projekt, welches wir für unsere Kunden durchführen, verpflichtet. Porsche Engineering kombiniert dabei Expertise aus den Bereichen Fahrzeug und Systementwicklung mit neuesten Innovationen aus der Funktions und SoftwareEntwicklung und validiert diese durch umfassende Simulations und Testingmöglichkeiten.
34 Zellkultur: Forscher entwickeln neue Batterien 52 E-Pionier: Mate Rimac baut Supersportwagen und Batteriesysteme DOSSIER 10 – 33 12 Partnerschaft: In Shanghai arbeitet Porsche Engineering für chinesische OEMs und westliche Kunden 58 Transfer mit Tradition: Erkenntnisse aus dem Motorsport fließen in die Serie ein 42 Auf den Punkt: Perfekt temperiert an der Ladesäule
Porsche Engineering Magazin Ausgabe 1/2020 03 Editorial 04 Inhalt 06 Meldungen DOSSIER: INSIDE CHINA 10 Markt mit großem Einfluss Dossierüberblick 12 Gefragte Expertise In Shanghai bietet Porsche Engineering chinesischen und westlichen OEMs umfassende Expertise 18 Flexible Plattform Konzept und Package für verschiedene Karosserie- und Antriebsvarianten 24 Am Himmel befestigt Neue Fahrwerkplattform mit Skyhook-Funktion für China 28 „Wir stärken die Kernkompetenzen der Automobilhersteller“ Interview mit Tencent Vice President Cham Zhong über die Zukunft des Autos 32 Eng vernetzt Chinesische Digitalkonzerne treiben die Vernetzung mit der Automobilindustrie voran TRENDS UND TECHNOLOGIEN 34 Die perfekte Zelle Forscher auf der Suche nach besseren Batterien für E-Fahrzeuge ZUKUNFT 40 Die Datenreligion Bestsellerautor Yuval Noah Harari über Algorithmen und den neuen „Dataismus“ PERFORMANCE UND EXPERTISE 42 Algorithmus mit Weitblick Mit prädiktivem Thermomanagement zur optimal temperierten Batterie 48 Permanenter Gesundheitscheck Künstliche Intelligenz überwacht den Zustand von Fahrzeugbatterien AUSKUNFT 52 Unter Strom Mate Rimac über sein Unternehmen und die Mobilität der Zukunft PORSCHE UND PRODUKT 58 Von der Boxengasse ins Autohaus Bei Porsche arbeiten Teams aus Rennsport und Serie eng zusammen 64 Die Kraft der Evolution Der neue 911 Turbo S und das neue 911 Turbo S Cabriolet im Porträt QUER GEDACHT 68 Quer gedacht Empfehlungen für Denker, Tüftler und Nerds HERKUNFT 70 Familienauto für China Porsche Engineering entwickelte 1994 den „C88“ 71 Impressum Autoren 24 Andreas Burkert ist „ATZ“- 32 Valerio Pellegrini ist Kommunika- 58 Constantin Gillies ist Volkswirt Korrespondent und Buchautor. tionsdesigner in Mailand. Er und Wirtschaftsjournalist. Seine Er schreibt über Automobil- beschäftigt sich unter anderem mit Themen: Unternehmen, Techno- technik, Elektromobilität und KI. Datenvisualisierung und Illustration. logie, Digitalisierung und Logistik.
6 Meldungen Virtual und Augmented Reality Schnelle Entscheidungen mit dem Visual Engineering Tool Porsche Engineering setzt bei der Entwicklung verstärkt auf Virtual und Augmented Reality (VR und AR). Mit der Eigenentwicklung, dem Visual Engineering Tool (VET), können die Ingenieure in vielen Fällen aufwendige Realmodelle, Umbauten und somit den Zeit- und Kostenaufwand verringern. Zum Einsatz kam VET unter anderem bei der Entwicklung des neuen Porsche Cayenne Coupés, zu dessen Highlights das große Glasdach gehört. Statt verschiedene Varianten real aufzubauen, erstellten die Entwickler aus CAD-Daten ein virtuelles Modell. Es ließ sich tagesaktuell mit zahlreichen realistischen Glasvarianten versehen und in unterschiedlichsten Lichtverhältnissen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Dadurch konnten notwendige Entscheidungen schneller getroffen werden. Das VET-System wird von Porsche Engineering kontinuierlich weiterentwickelt. Mit ihm lassen sich nicht nur optische Aspekte oder Bauteilvarianten beurteilen, sondern auch technische Inhalte darstellen. Bisher wurde VET für Ergonomie- und Montageuntersuchungen, Porsche Cayenne Coupé die Darstellung von Messdaten und als Kraftstoffverbrauch innerorts: 11,7 - 11,6 l/100 km virtueller Windkanal eingesetzt. Neben VR Kraftstoffverbrauch außerorts: 8,0 - 7,9 l/100 km wird derzeit auch Augmented Reality in das Kraftstoffverbrauch kombiniert: 9,4 - 9,3 l/100 km CO₂-Emissionen kombiniert: 215 - 212 g/km VET-System integriert, zum Beispiel für die Energieeffizienzklasse: D standortübergreifende Zusammenarbeit. #Inside Porsche Engineering bei Instagram Porsche Engineering hat seinen Social-Media-Auftritt Porsche erweitert und ist unter @porsche.engineering jetzt auch auf Instagram vertreten. Neben Informationen zu aktuellen Ereignissen oder Events können die Besucher in die Welt Engineering des Unternehmens eintauchen und erleben, welchen Trends und Technologien sich seine Ingenieure widmen.
Porsche Engineering Magazin 1/2020 7 Weiterer Ausbau der Funktions- und Softwareentwicklung Mehr Mitarbeiter und Büroflächen in Cluj Porsche Engineering setzt sein Wachstum im rumänischen Cluj fort. Der auf die Bereiche Funktions- und Softwareentwicklung spezialisierte Standort hatte Ende 2019 wie geplant rund 200 Mitarbeiter und wird im Laufe dieses Jahres weitere Arbeitsplätze schaffen. Auch räumlich expandiert Porsche Engineering Romania und bereitet sich so auf „Wir haben viel in weiteres Wachstum vor. Die steigenden Zahlen bei Personal und Fläche spiegeln die vielen bearbeiteten Projekte wider, vor allem in den Aktivitäten wie Bereichen Künstliche Intelligenz und autonomes Fahren. „Wir haben viel in Aktivitäten wie modellbasierte und Web-Entwicklung investiert. modellbasierte und Web- Da sich der Automobilmarkt in diese Richtung entwickelt, werden wir Entwicklung investiert.“ unsere Kompetenzen in beiden Bereichen weiter ausbauen“, sagt Marius Mihailovici, Geschäftsführer von Porsche Engineering Romania. In Cluj Marius Mihailovici, arbeiten Experten in nationalen und internationalen Teams gemeinsam an Geschäftsführer von Porsche Engineering Romania neuesten Technologien zur Entwicklung sowie Erprobung und Absiche- rung der Autos der Zukunft.
8 MELDUNGEN Porsche Turbo Charging Porsche Leipzig eröffnet Schnellladepark und lädt zum kostenfreien Stromtanken ein Porsche hat in Leipzig unter dem Namen „Porsche Turbo Charging“ 12 öffentliche Schnellladesäulen einen neuen öffentlichen Ladepark ans Netz gebracht. Im Kundenzent- rum von Porsche Leipzig in der Messestadt sind ab sofort zwölf Schnell- ladesäulen mit 350 kW (Gleichstrom) und vier Ladepunkte mit 22 kW (Wechselstrom) in Betrieb – an sieben Tagen der Woche, rund um die Uhr und für Kunden aller Fahrzeugmarken. Die Gesamtleistung des Ladeparks, inklusive sechs interner Schnellladepunkte und weiterer 22 350 kW Gleichstrom (12 Stück) interner Ladepunkte, beträgt rund 7 MW. Der Strom stammt vollständig aus regenerativen Energiequellen. Im Rahmen eines Lade-Flash-Mobs lud Porsche Leipzig am 29. Februar die Öffentlichkeit zum kostenfreien Stromtanken in den Ladepark ein. Das Event war nach kurzer Zeit ausgebucht: Mehr als 400 Besucher mit 170 E-Fahrzeugen nahezu aller Fahrzeugmarken nahmen an dem elektrisierenden Ereignis teil. Für 22 kW technische Fragen und Unterstützung beim Laden standen Experten Wechselstrom (4 Stück) von Porsche Engineering zur Verfügung. Die Schnellladesäulen mit dem Namen „Porsche Turbo Charger“ wurden von Porsche Engineering entwickelt und setzen in Sachen Ladedauer neue Maßstäbe: Je nach Fahrzeugmodell kann in nur fünf Minuten Energie für bis zu 100 Kilo- meter Reichweite geladen werden. Die Schnellladefunktion können alle Fahrzeuge mit einem Combined-Charging-System-Anschluss (CCS2) 7 MW Leistung, inkl. interner Ladepunkte nutzen.
Porsche Engineering Magazin 1/2020 9 Zukunftsweisende Dauerlauftests Fahrroboter ergänzen Testfahrer am Steuer Das Ingenieurteam des Nardò Technical Center (NTC) beschäftigt sich außer mit neuen Möglichkeiten für die Erprobung autonomer Fahrfunktionen auch mit der Zukunft von Automotive-Dauerlauftests. Im Februar war ein Serienfahrzeug Hunderte von Kilometern auf dem Rundkurs und den benachbarten Teststrecken unterwegs. Am Steuer saß dabei kein menschlicher Fahrer, stattdessen hatte ein Roboter das Kommando über Lenkrad und Pedale. Auf der Rundstrecke wurde auf bis zu 130 km/h beschleunigt und dabei in einer einzigen Nachtschicht 600 Kilometer zurückgelegt. Während der Tests war der Sportwagen über eine direkte Funkverbindung mit einem weiteren Fahrzeug verbunden. So konnten die Ingenieure alle Parameter in Echtzeit beobachten und hätten im Notfall auch per Fernsteuerung eingreifen können. Professionelle Testfahrer werden auch in Zukunft für die Fahrzeugvalidierung unverzichtbar bleiben, allerdings lassen sich durch die Fahrautomatisierung per Roboter ähnliche Tests besser reproduzierbar durchführen. Die Fehlermarge ist dabei so klein, dass man selbst kleinste Abweichungen von den Sollwerten erkennen kann. „Diese fahrerlosen Tests sind zukunftsweisend“, sagt Davide Palermo, Manager des ADAS Center of Competence am NTC. „Wir haben dabei einen großen Sprung nach vorne gemacht – in Bezug auf die Komplexität der Testautomatisierung, die Fahrzeug- einrichtung, die Parameterabstimmung und die intensive Aktivität auf der Strecke.“ Turbo for Talents Sommercamp für Jugendliche in Nardò Das Nardò Technical Center setzt sein Engagement für die lokale Gemeinschaft im Rahmen der Partnerschaft mit dem Fußballklub A.C. Nardò fort. Schwerpunkte des Programms sind in diesem Jahr unter anderem die Prävention von Mob- bing und Initiativen zur Verbreitung wichtiger pädagogi- scher Werte wie Sportlichkeit, Fairness, Integrität, Respekt und Vertrauen. Das Engagement in Nardò ist Teil des Porsche-Unternehmensprogramms „Turbo for Talents“, das die soziale und persönliche Entwicklung junger Menschen durch eine hochwertige Sportausbildung fördern will.
Porsche Engineering Magazin 1/2020 MARK T MIT GROSSEM EINFLUSS 11 China boomt. Eine kaufkräftige Mittelschicht erwartet erstklassige Fahrzeuge, die sich nahtlos mit den allgegenwärtigen Smartphones verbin- den. Chinesische und westliche OEMs treiben neue genauso wie klassische Fahrzeug-Entwicklungsthemen mit Hochdruck voran. Berichte aus einem Land, das die Zukunft der Mobilität mitbestimmt. 12 Gefragte Expertise Entwicklungen für chinesische und westliche OEMs in Shanghai 18 Flexible Plattform Variantenentwicklung in China 24 Am Himmel befestigt Neue Fahrwerkplattform in 18 Monaten 28 „Wir stärken die Kernkompetenzen der Automobilhersteller“ Cham Zhong, Vice President von Tencent, im Interview 32 Eng vernetzt Chinesische Digitalkonzerne und der Automobilmarkt
12 INSIDE CHINA Autostadt: In Anting dreht sich fast alles ums Automobil. Porsche Engineering ist hier mit einem Standort vertreten, der auf die spezifischen Bedürfnisse der lokalen Kunden eingehen und auf einen der besten Talent-Pools Chinas zugreifen kann.
Porsche Engineering Magazin 1/2020 GEFR AGTE E XPERTISE 13 Seit 2015 führt das Unternehmen hier gemeinsam mit seinen Kunden vor Ort Entwicklungsprojekte durch, vor allem in den Bereichen Chassis, Elektrik/Elektronik, High Power Charging und Softwareentwicklung. Solche Aktivitäten in China haben bei Porsche Engineering eine lange Tradition: Seit mehr als 25 Jahren sind die Entwickler hier aktiv, sodass die Bürogründung nur die logische Konsequenz war. „Kundenprojekte sind Teil der Historie von Porsche“, sagt Kurt Schwaiger, Leiter der Niederlassung in Shanghai. „Und das führen wir Gefragte hier fort.“ Neben chinesischen OEMs sind auch Unter nehmen der VWGruppe wichtige Auftraggeber. Schneller auf Kundenanforderungen Expertise reagieren Kurt Schwaigers Ziel ist es, durch den Standort in Anting schneller auf Kundenanforderungen reagieren Text: Thomas Kern Mitwirkender: Kurt Schwaiger Fotos: Kai Hartmann zu können. Denn zum einen liegen zwischen China und Deutschland je nach Jahreszeit sechs beziehungs weise sieben Stunden Zeitunterschied, die die Prozesse verlangsamen. Zum anderen gab es früher Sprach In Anting bei Shanghai arbeiten rund 75 Mitarbeiter von barrieren, die mit der Niederlassung vor Ort nun über Porsche Engineering für chinesische Automobilhersteller wunden sind. Jetzt kann Kurt Schwaiger mit seinem und Kunden aus der VW-Gruppe. Der Standort verfügt Team einerseits chinesische Kunden bei der Fahrzeug über modernste Testeinrichtungen und beschäftigt sich entwicklung unterstützen, andererseits westlichen Kunden wertvolles Wissen über den chinesischen mit aktuellen technischen Trends der Automobilindustrie Markt vermitteln. wie dem autonomen Fahren und der E-Mobilität. Die Expertise von Porsche Engineering ist derzeit besonders gefragt, denn der chinesische Markt ist im Umbruch. Die Zeiten, in denen China die „Werkbank der Welt“ war, sind lange vorbei. Das Land ist auf dem Weg zu einer HightechÖkonomie mit einer breiten, gebildeten und zahlungskräftigen Mittelschicht. Die Kunden sind hier längst genauso anspruchsvoll wie auf den traditionellen Märkten. Und auch die Regierung hat ehrgeizige Pläne: Das intelligente und vollständig vernetzte Auto (ICV, Intelligent and Connected Vehicle) soll bis spätestens 2025 Realität auf Chinas Straßen werden. Alle Fahrzeuge sollen dann in Echtzeit mit einer Cloud kommunizieren und Informationen teilen, N zum Beispiel über Verkehrsstaus. Zudem sollen bis spätestens 2030 15 Prozent aller Fahrzeuge in China hochautomatisch, zehn Prozent sogar vollautomatisch ahe der weltbekannten Formel1Renn fahren. Auf die Zukunft des Autos hat der chinesische strecke „Shanghai International Circuit“ liegt die Stadt Seit mehr als Markt darum einen großen Einfluss. Anting, wo sich schon früh ein Zentrum der chinesi schen Automobilindustrie entwickelt hat. So wurde 25 Porsche Engineering beschäftigt sich in Shanghai dort 1984 die Shanghai Automotive Industry Corpo Jahren ist mit nahezu allen Bereichen der Fahrzeugentwicklung. ration (SAIC) gegründet und 1988 das Joint Venture Porsche Engineering „Die ChassisEntwicklung stand am Anfang“, sagt für chinesische SAICVW. Inzwischen haben hier auch Startups wie Kurt Schwaiger. „Damit haben wir uns hier einen guten Kunden aktiv. Nio und Zulieferer wie Schaeffler, ZF und Brose ihren Namen gemacht.“ Mittlerweile sind ganze Chassis Sitz. Und auch sonst dreht sich in der Stadt fast alles Systeme hinzugekommen, die auf einer hochentwi um das Automobil. Seit 2007 gibt es in Anting ein ckelten Elektronik basieren: AllradLenkung, Stabilisa Automuseum, und gleich daneben befindet sich auch das Porsche Experience Center. Kein Wunder also, 2015 toren, VierradAntrieb und Luftfedern. „Elektronische ChassisSysteme sind besonders in den vergangenen eröffnete Porsche dass Porsche Engineering in Anting die ideale Umge Engineering den Standort zwei Jahren für viele Kunden interessant geworden“, bung für seinen Standort in China gefunden hat. in Anting bei Shanghai. so Kurt Schwaiger.
14 INSIDE CHINA Fahrwerksysteme für China: Mitarbeiter nehmen die korrekten Einstellungen vor und kontrollieren die Fahrwerkskomponenten. High Power Charging: Test eines Batterie- und Batteriemanagementsystems für E-Fahrzeuge (links) Überprüfung: Review des Entwurfs von Fahrgestell- komponenten (rechts)
Porsche Engineering Magazin 1/2020 GEFR AGTE E XPERTISE 15 Hinzu kommt der Bereich der Elektrik/Elektronik (E/E), ligenten Chassis-Systeme, vor allem aber wegen der unter den alle intelligenten Steuergeräte in einem Fahr- neuen elektronischen Fahrerassistenzsysteme, die in zeug fallen. Die Ingenieure von Porsche Engineering in Zukunft zum autonomen Fahren führen werden. Gerade Shanghai entwickeln die Software zunächst nach den bei ihnen ist es wichtig, dass sie vor Ort in China ent- Anforderungen ihrer Kunden und prüfen sie anschlie- wickelt werden. „Das Verkehrsverhalten in China unter- ßend an HiL-Prüfständen (Hardware in the Loop). Die scheidet sich von Europa oder den USA. Die Menschen Prüfstände spielen den Steuergeräten vor, dass sie sich fahren hier anders“, erklärt der zuständige Ingenieur Ben Ben Wang bereits im Fahrzeug befinden, und erlauben auf diese Wang. „Zum Beispiel ist die relative Zahl der Verkehrs- Manager Software Weise Tests, lange bevor reale Prototypen zur Verfü- Development anfänger in China viel höher. Auch die Verkehrszeichen gung stehen. Wurden die Tests bisher in Deutschland sind zum Teil unterschiedlich, und beim automatischen durchgeführt, gibt es die dafür notwendigen Geräte Parken müssen wir berücksichtigen, dass Tiefgaragen seit 2017 auch in Anting. „Das spart enorm viel Zeit, in China anders gebaut sind.“ Ben Wang stammt weil wir die wichtigen Tests jetzt zeitnah vor Ort durch- ursprünglich aus der angrenzenden Provinz Jiangsu. führen können“, sagt Naikai Du, der zuständige Leiter Seit zwei Jahren ist er bei Porsche Engineering. Seine für die Entwicklung der HiL-Prüfstände in Anting. Arbeit empfindet er als herausfordernd und inspirierend: „Wir müssen uns ständig auf neue Anforderungen des Das High Power Charging von Elektrofahrzeugen ist ein Kunden einstellen. Die Bereiche Verkehr und Verkehrs- Naikai Du weiteres großes Thema in China, denn hier entsteht Senior Manager Electric & steuerung sind beispielsweise massiv in Bewegung.“ ein riesiger Markt für E-Autos. Um den Porsche Taycan Electronics in wenigen Minuten laden zu können, hat Porsche Nahtlose Verbindung von Auto und Handy Engineering eine spezielle Ladesäule entwickelt, die bis zu 350 kW Ladeleistung liefert. Allerdings haben die Testen und Validieren gehören auch zum Portfolio der großen Märkte unterschiedliche Normen. In China gilt Niederlassung Shanghai. Hier spielen Infotainment- der nationale GB/T-Standard (GuoBiao), und die Lade- Systeme und deren Interkonnektivität eine wichtige säule muss darum an die Anforderungen des chinesi- Rolle. „Darauf legen Autofahrer in China besonders viel schen Marktes angepasst werden. „Wir sind zusammen Wert“, sagt Kurt Schwaiger. Tatsächlich gibt es wohl mit einem lokalen Unternehmen dafür der Entwick- Estha Li kaum ein Land, in dem das Smartphone so omniprä- lungspartner. Alle Porsche-Händler in China werden mit Senior Manager sent ist wie hier. Nahezu alle Vorgänge des alltäglichen dieser Ladesäule ausgerüstet“, so Kurt Schwaiger. Connectivity Lebens werden mittlerweile mit dem Mobiltelefon ab- gewickelt, optimiert und gemessen. Zum Beispiel mit Die Softwareentwicklung nimmt inzwischen einen WeChat: Das Programm ist einerseits das chinesische immer wichtigeren Platz in der Arbeit von Porsche Pendant des Kurznachrichten-Dienstes WhatsApp. Engineering in Anting ein. Einerseits wegen der intel- Gleichzeitig erfüllt es aber auch noch die Funktionen von Instagram, Facebook, Twitter – und vor allem einer Kreditkarte. Nahezu alle Bezahlvorgänge in China laufen heute über WeChat Pay oder den Konkurrenz- Dienst Alipay. „Darum gehen die chinesischen Auto- fahrer davon aus, dass es eine nahtlose Verbindung von Auto und Handy gibt“, sagt Kurt Schwaiger. 911 Carrera Cabriolet Um den Verkehrsfluss besser zu steuern, Staus Kraftstoffverbrauch vorzubeugen und Unfälle sofort zu erkennen, geht die innerorts: 12,9 l/100 km Kraftstoffverbrauch Vernetzung noch weiter. „Bei Plug-in-Hybrid- sowie außerorts: 7,6 l/100 km vollelektrischen Fahrzeugen werden hierfür relevante Kraftstoffverbrauch Daten über einen vom Konzern gehosteten Server kombiniert: 9,6 l/100 km CO₂-Emissionen an die lokale Regierungs-Infrastruktur übermittelt“, kombiniert: 218 g/km erklärt Estha Li. Sie kommt ursprünglich aus Peking Energieeffizienzklasse: G und arbeitet seit 2017 für Porsche Engineering. „Durch unseren Server können wir gezielt und bedarfsgerecht Taycan Turbo S Informationen teilen, die dazu beitragen, unterschied- Stromverbrauch lichste Hilfestellungen für den Fahrer zu realisieren. kombiniert: Entsprechende Funktionen müssen und können nur in 26,9 kWh/100 km CO₂-Emissionen kombi- China selbst entwickelt werden.“ niert: 0 g/km Effizienzklasse: Deutschland: A+ Niederlassungsleiter Kurt Schwaiger lebt seit zehn Schweiz: B Jahren in Shanghai. Als er 2015 seine Stelle in Anting
16 INSIDE CHINA Zukunftstechnologie: Arbeit am intelligent vernetzten Fahrzeug 3 Fragen an Kurt Schwaiger „China beschreitet neue, eigene Wege“ Was erwarten die Kunden in China? 1 Vor allem eine hohe Reaktionsgeschwindig- keit. Hier geht alles viel schneller. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit der Niederlassung in Shanghai in der gleichen Zeitzone wie unsere Kunden sind und über die nötige Sprachkom- petenz verfügen, um schnell und flexibel auf die Anforderungen reagieren zu können. Hinzu kommt auch eine gewisse Preissensibilität. „Das Verkehrsverhalten in 2 Wie schwierig ist es, gute Mitarbeiter in China zu finden? China unterscheidet sich von Prinzipiell gibt es sehr viele gute Fachkräfte Europa oder den USA. Die in China. Allerdings ist es aufwendiger, sie zu finden. Wir haben in Shanghai einen Menschen fahren hier anders.“ Standortvorteil, denn die Stadt übt auf viele Chinesen eine große Anziehung aus. Unsere guten Beziehungen zur Tongji-Universität Ben Wang, Manager Software Development helfen auch bei der Suche nach neuen jungen Talenten. Hinzu kommt unsere starke Marke. Die Fluktuation ist bei unseren Mitarbeitern darum nur im niedrigen einstelligen Bereich. Inwiefern unterscheidet sich der chinesische 3 vom westlichen Automobilmarkt? antrat, hatte der Standort Shanghai acht Mitarbeiter. Die chinesischen Unternehmen haben Mittlerweile sind es 75, und bis Jahresende sollen es mittlerweile ein sehr hohes Niveau erreicht. über 100 sein. Die Niederlassung wird parallel von Das hochautomatisierte Fahren wird in 1.500 auf 2.100 Quadratmeter wachsen. Geogra- fisch verteilt sie sich auf zwei Standorte: Im Autocity Innovation Park in Anting befindet sich der größere Teil. Dort soll in den kommenden Monaten noch ein >100 Mitarbeiter sollen bis China in den kommenden Jahren ein großes Thema werden. China beschreitet hier neue, eigene Wege. So wird zum Beispiel für V2X- Ende 2020 am Standort Anwendungen ausschließlich auf Mobilfunk- zweites Gebäude angemietet werden, um das Team Shanghai arbeiten. Standards wie LTE-V und 5G gesetzt. Da weiter vergrößern zu können. Im Erdgeschoss wird sich es die chinesische Regierung nicht erlaubt, dann auch eine Werkstatt befinden, zu der die Kunden geobasierte Daten zu exportieren, muss die Zutritt haben. Der zweite Teil der Niederlassung ist in gesamte Testarbeit hier im Land stattfinden. Minhang, einem Randbezirk im Südosten von Shanghai. Fester Bestandteil der Arbeit am Standort Shanghai ist auch die Kooperation mit der renommierten Tongji- Universität. Alle zwei Jahre veranstalten die Partner ge-
Porsche Engineering Magazin 1/2020 GEFR AGTE E XPERTISE 17 meinsam das „Tongji Porsche Engineering Symposium“, bei dem Top-Manager über neueste Entwicklungen auf dem Automobilmarkt diskutieren. Teil der Koopera- tion ist darüber hinaus der Austausch im Rahmen von Praktika und Abschlussarbeiten sowie die Förderung des lokalen Formula-Student-Teams, bei dem Stu- denten ihren eigenen Rennwagen entwickeln und an Wettbewerben teilnehmen. So hat die Niederlassung eine ideale Anbindung an einen der besten Talent-Pools Chinas – eine wichtige Voraussetzung für weiteres Wachstum auf einem der wichtigsten Automotive- Märkte der Welt. ZUSAMMENGEFASST Der chinesische Automobilmarkt ist im Umbruch. Die Kunden erwarten erstklassige Technik sowie Lösungen, die sich an ihren Anforderungen orientieren – etwa bei der Vernetzung von Fahrzeug und Smartphone. In seiner Niederlassung in Anting ist Porsche Engineering nahe am Markt, sodass das Kurt Schwaiger Team schnell auf Anfragen lokaler Kunden reagieren kann. Um- Der Niederlassungsleiter lebt seit zehn Jahren in gekehrt vermitteln die Mitarbeiter westlichen Unternehmen Shanghai. Das Büro hat sich zunächst mit der wertvolles Wissen über den Markt in China. Chassis-Entwicklung einen Namen gemacht, heute bietet es ein breites Portfolio von Themen an. Tests vor Ort: Mit HiL-Prüfständen untersuchen Ingenieure die Software von Steuergeräten.
18 INSIDE CHINA E L X I F B L E P L T F O AT R Anpassungsfähig: Plattformen müssen die Anforderungen unterschiedlicher Antriebe und verschiedener Modellvarianten berücksichtigen. M
Porsche Engineering Magazin 1/2020 FLE XIBLE PL AT TFORM 19 In der Fahrzeugentwicklung nimmt die Konzept- und Package-Auslegung in der frühen Phase eine zentrale Rolle ein, denn hier werden die technischen Grundlagen für die späteren Produkte geschaffen. Für einen Kunden aus China hat Porsche Engineering aus einer vorhandenen Fahrzeugarchitektur in relativ kurzer Zeit die Machbarkeit eines umfassenden Plattformkonzepts mit verschiedenen Karosserievarianten und Antriebssystemen geprüft und wertvolle Hinweise für die weiteren Entwicklungsaktivitäten geliefert. Text: Richard Backhaus Mitwirkende: Humberto de Campos do Carmo, Stefan Bender Illustrationen: Florian Müller W enn Automobilhersteller ein neues Fahrzeugmodell entwickeln, ist eine gute Vorplanung gefragt. Schon zu Beginn des Entwicklungsprozesses Varianten zu entwickeln: einerseits eine zusätzliche Limousine, andererseits Motorisierungsversionen mit Verbrennungsmotoren, Elektroantrieb mit Range- müssen das technische Konzept und das Package Extender sowie Hybridsystem. Soll die Konzeptent- (Auslegung der Fahrzeuggeometrie unter Beachtung wicklung wie in diesem Fall auf einem vorhandenen von Ergonomie und Nutzen sowie Definition und Fahrzeug aufbauen, beginnen die Experten mit einer Management der Bauräume) festgelegt sein, damit genauen Analyse der vorhandenen Plattform. „Dabei das fertige Fahrzeug später auch den ursprünglichen orientieren wir uns jeweils an den kritischsten Fahr- Vorstellungen entspricht. Manche Projekte erfordern zeugvarianten, wie zum Beispiel am schwersten oder allerdings ein anderes Vorgehen. Etwa wenn ein leistungsfähigsten Derivat, sozusagen dem Worst- OEM eine Fahrzeugentwicklung bereits gestartet hat Case-Szenario“, erklärt de Campos do Carmo. und sich später entscheidet, weitere davon abgelei- tete Modelle und Antriebsversionen auf den Markt Wie sich bei den Untersuchungen zeigte, war die zu bringen. Rohbaustruktur des Vorderwagens für die schwerste Variante des SUV zu weich. „Um die Crashsicherheit zu Zurzeit kommen solche Anfragen verstärkt von Auto- verbessern, haben wir eine größere Dimensionierung mobilherstellern aus China. „Dort werden aktuell viele der vorderen Längsträger vorgeschlagen“, berichtet OEMs neu gegründet, die erst seit wenigen Jahren de Campos do Carmo. „Auch die Radaufhängungen Automobile entwickeln“, erklärt Humberto de Campos do Carmo, der als Leiter Fachdisziplin Fahrzeug Konzepte und Package bei Porsche Engineering schon eine große Bandbreite unterschiedlicher Projekte für Kunden weltweit umgesetzt hat. „Für eine konzeptio- nelle Plattformentwicklung unter Berücksichtigung aller Antriebsvarianten und verschiedener Modellderi- vate wenden sich diese Unternehmen darum an uns. Es geht dann zum Beispiel darum, das vorhandene Fahr- zeugkonzept durch weitere Karosserie- und Antriebs- derivate zu einer Plattform auszubauen.“ „Wir haben Fachexperten aus allen Fahrzeug- bereichen, und bei den Werkzeugen nutzen wir neueste Ein Beispiel aus jüngster Zeit ist ein im Auftrag eines Simulations- und Entwicklungstools.“ chinesischen Kunden erstelltes Plattformkonzept. Ziel war es, ausgehend von einem bereits bestehenden Humberto de Campos do Carmo, SUV-Modell mit reinem Elektroantrieb verschiedene Leiter Fachdisziplin Fahrzeug Konzepte und Package
20 INSIDE CHINA mussten wir verändern, damit sich unterschiedliche wir kostenintensive Änderungen in diesem Bereich Bodenfreiheiten und Standhöhen bei SUV und Limousi- vermeiden konnten.“ Die Batterie des rein elektrischen ne realisieren lassen.“ Durch Reifen mit verschiedenen Fahrzeugs füllt dabei den gesamten verfügbaren Durchmessern, Federn unterschiedlicher Härte sowie Bauraum aus, bei den Versionen mit Range-Extender spezielle Distanzstücke am Achsträger konnten die und Hybridantrieb wurde hinter dem etwas kleineren Entwickler die Fahrzeughöhe an die variierenden Batteriepack noch der Kraftstofftank für den Verbren- Anforderungen anpassen, ohne in die grundlegende nungsmotor platziert. Achskonstruktion eingreifen zu müssen. Auch das Kühlsystem musste verändert werden: Die Analyse Kernelemente der Plattform zeigte, dass der Wärmetauscher für die SUV-Version mit Verbrennungsmotor zu klein ausgelegt war. Er Zeigt sich bei der Konzeptentwicklung, dass der Ände- wurde im Rahmen der weiteren Fahrzeugentwicklung rungsaufwand an der vorhandenen Plattform zu hoch an die neuen Bedingungen angepasst. ist, steht der Kunde vor der Wahl: Er kann entweder sein aktuelles Projekt zugunsten einer plattformkonfor- Eine der größten Herausforderungen war das Package men Lösung aufgeben oder beide Ansätze parallel vor- der unterschiedlich großen Batterien für die elektrifi- antreiben. „Aus Kostensicht wäre die Fokussierung auf zierten Modellvarianten. „Wir haben gemeinsam mit die zukunftsfähige Plattformarchitektur meistens am dem Kunden das Konzept für eine Unterbodenstruktur besten“, meint de Campos do Carmo. „Wenn ein Fahr- erarbeitet, die für alle Fahrzeuge identisch ist“, sagt zeugprojekt allerdings schon sehr weit fortgeschritten de Campos do Carmo. „Jeweils unterschiedliche ist, entscheiden sich die Kunden oftmals dafür, beide Aufnahmepunkte nehmen die verschieden großen Konzepte gleichzeitig zur Marktreife zu entwickeln und Batterien der elektrifizierten Varianten auf, sodass die Mehrkosten als Lehrgeld zu verbuchen.“ Konzeptionelle Plattformentwicklung Ausgehend von einem bereits bestehenden SUV-Modell mit reinem Elektroantrieb hat Porsche Engineering verschiedene Varianten entwickelt: einerseits eine zusätzliche Limousine, andererseits Motorisierungsversionen mit Verbrennungsmotoren, Elektroantrieb mit Range-Extender sowie Hybridsystem. Basisfahrzeug SUV 1 SUV-Varianten Limousine-Varianten Plattform Gleichteile E-Plattform HV-Modul Plattform Gleichteile E-Plattform HV-Modul SUV 2 Limousine 1 Plattform Gleichteile E-Plattform HV-Modul Plattform Gleichteile E-Plattform HV-Modul Verbrennungsmotor- Fahrzeug Plug-in-Hybrid-Fahrzeug Elektrofahrzeug mit Range-Extender SUV 3 Limousine 2 Batterielektrisches Fahrzeug
Porsche Engineering Magazin 1/2020 FLE XIBLE PL AT TFORM 21 Schrittweise Entwicklung Die optimale Unter- Ergonomiekonzept: Festlegung der Sitzpositionen bringung der Passagiere: Das ist das wichtigste Ziel jedes Fahrzeugkonzeptes. Erster Schritt ist das Ergonomiekonzept auf Basis der Anthropometrie (der Wissenschaft von den menschlichen Körper- und Skelettmerkmalen). Das Maßkonzept be- schreibt die geometrischen Werte und Zusammen- hänge, außerdem berück- sichtigt es gesetzliche Maßkonzept: Vorgaben und die Bau- Festlegung der Hauptabmessungen räume von Komponenten. Das Packagekonzept garantiert schließlich, dass am Ende alles am richtigen Platz ist. Hier geht es unter anderem darum, die Ziele der Fachabteilungen mit ihren teilweise konträren Anforderungen in Einklang zu bringen. Packagekonzept: Festlegung der Hauptkomponenten
22 INSIDE CHINA Gemeinsame Unterbodenstruktur Unterschiedliche Aufnahmepunkte der gemeinsamen Unterbodenstruktur nehmen die verschieden großen Batterien der elektrifizierten Varianten auf. Die Batterie des rein elektrischen Fahrzeugs füllt dabei den gesamten verfügbaren Bauraum aus. Bei den Versionen mit Range- Extender und Hybridantrieb wurde hinter dem etwas kleineren Batteriepack noch der Kraftstofftank für den Verbrennungsmotor platziert. Batterie Batterie Batterie Batterieelektrisches Plug-in-Hybrid- Elektofahrzeug mit Fahrzeug Fahrzeug Range-Extender Idealerweise sollte ein Kunde darum schon im Vorfeld ein entscheidender Faktor, um das Projekt innerhalb definieren, welche Segmente und Antriebskonzepte der Zeitvorgaben erfolgreich abschließen zu können.“ sowie Motorisierungen eine neue Plattform abdecken soll. Das gibt den für Konzept und Package verant- Die Definition von Konzept und Package eines neuen wortlichen Ingenieuren Rahmenbedingungen sowie Fahrzeugs erfordert umfangreiche Erfahrungen auf maximale Freiräume und die Möglichkeit, die Fahr- allen Ebenen der Fahrzeugentwicklung und der Ent- zeugplattform gezielt zu entwickeln, wobei sie auch wicklungsmethodenkette. „Wir haben Fachexperten Faktoren wie die Produkt- und Markenstrategie des aus allen Fahrzeugbereichen, und bei den Werkzeugen Automobilherstellers in ihre Überlegungen einfließen nutzen wir neueste Simulations- und Entwicklungs- lassen können. Der Kunde profitiert dabei von einem tools“, so de Campos do Carmo. „Hinzu kommt die effizienten Entwicklungsprozess, der in sehr kurzer Zeit hohe Flexibilität und Kundenorientierung, mit der wir zu optimalen Ergebnissen führt. Entwicklungsprojekte bearbeiten und die auch unsere Partner aus China schätzen.“ Kunden aus China arbeiten typischerweise nach einem sehr engen Zeitplan, der nicht mit den Entwicklungszy- klen europäischer Automobilhersteller vergleichbar ist. „Beim oben genannten Projekt hatten wir rund sechs ZUSAMMENGEFASST Wochen Zeit – von der Bedarfsanalyse bis zum fertigen Ergebnis. Um Kommunikationsprobleme im Abstim- Idealerweise steht die Konzeptentwicklung ganz am Anfang eines Projektes. Aber auch aus einem bestehenden Fahrzeug mungsprozess zu vermeiden, haben uns Resident lässt sich ein Plattformkonzept für weitere Antriebs- und Engineers des Kunden als Bindeglied zum Entwickler- Modellvarianten ableiten. Im Fall eines chinesischen Kunden team in China unterstützt“, sagt de Campos do Carmo. ist dies Porsche Engineering durch Änderungen unter anderem „Diese vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit war an Fahrwerk, Kühlung und Unterboden gelungen.
Porsche Engineering Magazin 1/2020 FLE XIBLE PL AT TFORM 23 Package von Hochvoltbatterien China erlebt derzeit einen wahren Hybrid- teriesystems. „Da es bei Hochvoltbatterien und Elektrofahrzeug-Boom, der zur Entwick- sprichwörtlich um jeden Millimeter geht, lung einer Vielzahl neuer Fahrzeugkonzepte ist eine genaue Definition der technischen führt. „Viele der Automobilhersteller sind Anforderungen die Grundvoraussetzung der StartupUnternehmen, denen wir bei der Package-Entwicklung“, so Bender. Integration der Hochvoltbatterie ins Fahrzeug „Gibt uns ein Kunde das technische Unterstützung geben können“, Bei vielen kleineren Unternehmen fehlt diese Zellmodul für sein Fahrzeug- sagt Stefan Bender, Fachprojektleiter Analyse. „Oftmals führt das dazu, dass wir Batterie-Package bei Porsche Engineering. zusammen mit dem Kunden parallel zum projekt vor, integrieren wir eigentlichen Batterie-Package-Projekt einen es so, dass es alle Anforde- Generell ist die Hochvoltbatterie das größte auf seine Bedürfnisse abgestimmten Ent- rungen bestmöglich erfüllt.“ und schwerste Einzelmodul, das im Rahmen wicklungsprozess erarbeiten“, sagt Bender. der Konzept- und Package-Entwicklung im Als Beispiel nennt er einen Kunden, der Stefan Bender, Fachprojektleiter Fahrzeug untergebracht werden muss. Die eine zu groß dimensionierte Batterie in sein Batterie-Package Anforderungen an die Crashsicherheit, die für Fahrzeug integrieren wollte. „Gemeinsam mit die Fahrdynamik wichtige Schwerpunktlage ihm haben wir erst einmal festgelegt, welche des Fahrzeugs, die Verkabelung des Hochvolt- Leistungsfähigkeit das Fahrzeug und damit Bordnetzes und das Thermomanagement des die Batterie überhaupt haben muss.“ Dabei kann Porsche Engineering auf eine Energiespeichers reduzieren den Spielraum über Jahrzehnte gewachsene Expertise der Entwickler bei der Platzierung des Bat- Um alle Vorgaben mit ihren gegenseitigen bei der Entwicklung und Optimierung der Wechselwirkungen erfüllen zu können, muss elektrischen, mechanischen und thermo- die Integration der Batterie in das Fahrzeug dynamischen Eigenschaften von Batterien so früh wie möglich im Entwicklungsprozess zurückgreifen. Die Experten nutzen beispiels- angestoßen werden. Das gilt sowohl für weise Rechenmodelle, die inhouse erstellt reine Elektrofahrzeuge als auch für Hybrid und validiert werden – etwa für das „Herz“ modelle, die auf einer konventionellen, des Energiespeichers, die Batteriezelle. für Verbrennungsmotoren ausgelegten Für sie stehen neben den Simulationstools Fahrzeugplattform basieren und bei denen auch Prüfstände bereit. eigentlich keine Bauraumreserven für den Energiespeicher vorgesehen sind. Das Ziel „Beim Konzept und Package einer Traktions- ist immer, das Batteriemodul schon bei batterie berücksichtigen wir alle Details des der Entwicklung so kompakt wie möglich Fahrzeugs. So ist bei einem Sportwagen im zu konstruieren, um viele Freiheiten für die Gegensatz zu einem Stadtfahrzeug mit hohen Platzierung zu lassen, und es dann anforde- Momentanströmen zu rechnen“, erklärt rungsgerecht im Fahrzeug unterzubringen. Bender. „Darauf stimmen wir beispielsweise „Gibt uns ein Kunde dabei das Zellmodul die Verbindung der einzelnen Zellen innerhalb für sein Fahrzeugprojekt vor, integrieren wir des Batteriepacks ab, damit die Übergangs- es so, dass es alle Anforderungen bestmög- widerstände und die daraus resultierende lich erfüllt“, so Bender. „Zielführender sind Wärmentwicklung während mehrerer kurz Einzelmodul: Die Hochvoltbatterie hat große Auswirkungen auf Crashsicher- allerdings Gesamtsystemlösungen, bei denen hintereinander folgender Beschleunigungs- heit und Fahrdynamik. Ihre Integration wir die Batterieeinheit individuell entwickeln vorgänge nicht zu sehr steigen und die ist darum eine und maßgeschneidert auf das Package Motorleistung nicht aus Bauteilschutz- besondere Herausforderung. abstimmen können.“ gründen reduziert werden muss.“
24 INSIDE CHINA Am Himmel befestigt Text: Andreas Burkert Mitwirkende: Dr. Martin Braun, Johannes Wüst Porsche Engineering hat für einen chinesischen Kunden eine Fahrwerkplattform inklusive variablem Dämpfersystem mit Skyhook-Funktion entwickelt. Die Herausforderung: In nur 18 Monaten sollte eine intelligente und kostenoptimierte Fahrwerkkonstruktion für eine Baureihe mit zwei Elektrofahrzeugen entstehen. Im März 2020 startete pünktlich die Serienproduktion. D as Fahrwerk prägt den Charakter eines Fahr- zeugs. Je besser das Zusammenspiel zwischen Radauf- hängung, Reifen, Karosserie und dem Fahrer ist, umso Element eines semi-aktiven Fahrwerksystems ist das variable Dämpfersystem PASM (Porsche Active Suspension Management). Es reagiert während der souveräner lassen sich anspruchsvolle Fahrmanöver Fahrt blitzschnell auf dynamische Veränderungen, etwa beherrschen, was für sportliche Fahrer oftmals kauf- bei plötzlichen Ausweichmanövern. In Bruchteilen einer entscheidend ist. Daneben leistet das Fahrwerk aber Sekunde erhöht PASM die Dämpferkraft an beiden auch einen bedeutenden Beitrag zur Fahrsicherheit und Achsen, um die Seitenneigung oder das Aufschaukeln zum Fahrkomfort, der wegen der Elektrifizierung des der Karosserie zu reduzieren. Damit sind äußerst prä Antriebsstrangs und des Trends zum automatisierten zise und sichere Fahrmanöver möglich. Fahren in Zukunft von noch größerer Bedeutung sein wird als heute. Für die internationale Automobilbranche Porsche Engineering nutzt seine Erfahrungen auf dem gehören disruptive Entwicklungen wie die E-Mobilität Gebiet der Fahrwerkkonstruktion von Sportwagen, zu den größten Herausforderungen. Automobilunter- um seinen Kunden Lösungen auf dem aktuellen Stand nehmen setzen deshalb auf fortschrittliche Entwick- der Technik anbieten zu können – zum Beispiel im Fall lungswerkzeuge, um den gestiegenen Anforderungen eines chinesischen Unternehmens: „Wir wurden be- an Fahrdynamik und -komfort gerecht zu werden. auftragt, die Vorder und Hinterachse für eine Baureihe mit mehreren Elektrofahrzeugen von Grund auf neu Welche Möglichkeiten moderne Fahrwerke bieten, zu entwickeln, inklusive der Softwarealgorithmen und zeigen unter anderem die Sportwagen, die Porsche bis Regler für ein variables Dämpfersystem“, berichtet heute entwickelt hat. Sie verfügen neben dem Fahr- Johannes Wüst, Leiter Fachdisziplin Fahrwerkkonstruk- dynamikregelsystem zur Stabilisierung im fahrdynami- tion. Dr. Martin Braun, Leiter Fachdisziplin Fahrwerk schen Grenzbereich (Porsche Stability Management, systeme bei Porsche Engineering ergänzt, dass „der PSM) auch über eine intelligente Drehmomentver- Kunde uns dazu Benchmark-Fahrzeuge vorgegeben hat, teilung (Torque Vectoring). Ein ebenfalls etabliertes deren Performance innerhalb eines herausfordernden
Porsche Engineering Magazin 1/2020 AM HIMMEL BEFESTIGT 25 Souverän in den Serpentinen: Die neu entwickelte Fahrwerkplattform überzeugt durch Komfort und hohe Fahrdynamik.
26 INSIDE CHINA Zeit- und Kostenrahmens erreicht oder übertroffen Dämpferreglung an die Steuersysteme im jeweiligen werden sollten“. Ziel war ein Fahrwerk, das sich in Zielfahrzeug optimal anpassen. Zugleich unterstützt sie puncto Komfort und Fahrdynamik mit etablierten inter- verschiedene Sensoranordnungen, wodurch man maß- nationalen Wettbewerbern messen kann. geschneiderte Lösungen in kurzer Zeit und zu geringen Kosten umsetzen kann. „Diese Art der softwarebasier- Die mechanische Konstruktion der Vorder- und Hinter- ten Regelung ist komplex“, sagt Braun. „Sie erlaubt achse war zwar klassisch, aber aufgrund der kurzen es aber, die Produktionskosten gering zu halten, da Entwicklungszeit sowie der zu betrachtenden Deri- zahlreiche Komfort- und Fahrdynamikfunktionen vate in der gesamten Plattform dennoch anspruchs- hauptsächlich durch Algorithmen abgebildet werden.“ voll. So ist ein Doppel-Querlenker-Achskonzept mit geschmiedeten Leichtmetalllenkern und Schwenk- Die Skyhook-Funktion hält den lagern wesentlicher Teil der Vorderachse. Die untere Fahrzeugaufbau möglichst ruhig Lenkerebene wurde aufgelöst, um Lenkrollradius und Spurdifferenzwinkel (Ackermann) zu optimieren. „Bei „Diese Art der Am Ende kamen dadurch nur wenige Sensoren und der Hinterachse haben wir großen Wert auf eine sehr Aktoren zum Einsatz. Anstatt vier Niveau- und acht gute Dämpferübersetzung und Längsfederung gelegt“, softwarebasierten Beschleunigungssensoren sowie einer inertialen erklärt Wüst das Fünflenker-Konzept. „Außerdem Regelung erlaubt Messeinheit (Inertial Measurement Unit, IMU) wurden achteten wir bei beiden Achsen auf hervorragende es, die Produktions- lediglich zwei Beschleunigungssensoren und zwei Werte für die Elastokinematik und Steifigkeit.“ Die Niveausensoren sowie eine IMU verbaut. So entstand Achskonzepte eignen sich zudem nicht nur für einen kosten gering zu eine kostenoptimierte, intelligente Dämpferrege- Sedan, sondern auch für einen SUV. Das betrifft die halten.“ lung (Continuous Damping Control, CDC) auf Basis Anforderungen an Federwege und die maximal mögli- einer klassischen Skyhook-Funktion mit zahlreichen che Achslast beziehungsweise Betriebsfestigkeit. Dr. Martin Braun, softwarebasierten Sonderfunktionen – unter anderem Leiter Fachdisziplin einer Schlaglocherkennung sowie einer Spurwechsel- Fahrwerksysteme Um die geforderten Fahreigenschaften zu erreichen, Funktion. Im aktiven Zustand hält sie den Fahrzeug- haben die Ingenieure für die Dämpferregelung der aufbau möglichst ruhig, unabhängig vom jeweiligen Vorder- und Hinterachse eine spezielle elektronische Fahrbahnzustand – als wäre das Fahrzeug am Himmel Systemarchitektur entwickelt. Mit ihr lässt sich die (sky) befestigt (hooked). Die Regelung schafft es dabei, Aufbau der Dämpferregelung Die Architektur des Reglers kann verschiedene Sensoranordnungen unterstützen. So lassen sich individuelle Kundenanforderungen in kurzer Zeit und zu geringen Kosten umsetzen. Dämpferregelung im Steuergerät Beschleunigungs- Sensoren Vorne links Vorne rechts Diagnose Programmierschnittstelle OUT Spezielle Programmierschnittstelle IN Funktionen Fehler behandlung Dämpferströme XYZ Signalfilter Vorne links Inertiale Skalierung Stromverteilung Vorne rechts Messeinheit Hinten links Signalweiterleitung Hinten rechts Verteilung Niveau- Skyhook Sensoren Achsfusion Hinten links Hinten rechts
Porsche Engineering Magazin 1/2020 AM HIMMEL BEFESTIGT 27 Beschleunigung in Z-Richtung Die Messergebnisse im Fahrzeug zeigen, dass sich hochfrequente Vibrationen im Frequenzspektrum von 16 bis 30 Hertz klar herausfiltern lassen. Beschleunigung in m/s2 1,0 0,9 Referenzfahrzeug Kundenfahrzeug 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 Frequenz in Hz während der Fahrt Vibrationen im gesamten Frequenz- Porsche Engineering gleich zu Beginn der Entwick- bereich und insbesondere höherfrequente Vibrationen lungstätigkeiten Plattformen für Simulation und Rapid im Bereich von 16 bis 30 Hertz zu dämpfen oder Prototyping eingesetzt. „So konnten wir sehr schnell herauszufiltern. erste lauffähige Prototypen realisieren“, erklärt Braun. Die eigens erstellten Entwicklungswerkzeuge erlauben Neben technischen Lösungen auf höchstem Niveau es, vor allem in der frühen Entwicklungsphase innerhalb erwartete der chinesische OEM auch eine enge Zu- kürzester Zeit ein Achskonzept auf den Punkt auszu- sammenarbeit und Unterstützung beim Aufbau seiner legen. „So vermeiden wir größere Änderungsschleifen Kapazitäten. „Die Entwicklungsmannschaft unseres im Versuch“, sagt Wüst. „Das spart nicht nur Entwick- Kunden war anfangs mit unter 400 Mitarbeitern noch lungszeit, sondern auch Versuchsteile, Prototyping- sehr klein und ist im Projektverlauf auf ein Vielfaches Werkzeuge und somit auch sehr viel Budget.“ angewachsen“, berichtet Wüst. „Außerdem wurde „Neben dem neben dem Fahrzeug selbst auch eine komplett neue Fahrzeug selbst Darüber hinaus bot das zeitgleiche Arbeiten an Regel- Produktionsinfrastruktur aufgebaut.“ In enger Zusam- system und Software weiteres Optimierungspotenzial. wurde auch menarbeit mit der Produktion des Kunden haben die Hier lobt Wüst auch den chinesischen Auftraggeber, Entwickler von Porsche Engineering die Anforderungen eine komplett neue der die Entwicklungsziele und Fahrzeugvarianten schon der Massenfertigung diskutiert und bei ihren Designs Produktions- zu Projektstart sehr klar definiert hatte. Auch wurden berücksichtigt. Zudem ließen sie ihre Erfahrungen aus Richtungsentscheidungen basierend auf den Emp- infrastruktur früheren Projekten sowie den Porsche-Produktions- fehlungen von Porsche Engineering sehr schnell und linien in Zuffenhausen und Leipzig einfließen. aufgebaut.“ pragmatisch getroffen, was Verzögerungen vermied. „Ohne diese schnellen Entscheidungen wäre eine so Johannes Wüst, Herausfordernd war auch der sehr ambitionierte Zeit- kurze Entwicklungsdauer nicht möglich gewesen“, so Leiter Fachdisziplin plan des Kunden. Nur 18 Monate nach dem Erstellen Fahrwerkkonstruktion Wüst. Am Ende wurde der ehrgeizige Zeitplan einge- des ersten Prototyps sollte schon der Produktionsstart halten, und die Serienproduktion der Baureihe konnte erfolgen. Um diese Vorgabe erfüllen zu können, hat wie gefordert pünktlich im März 2020 starten.
28 INSIDE CHINA Technologiegigant: Tencent mit Sitz in Shenzhen ist eines der größten Internetunternehmen Chinas. „Wir stärken die Kernkompetenzen der Automobilhersteller“ Interview: Jost Burger Der chinesische Technologiekonzern Tencent treibt die Entwicklung neuer Mobilitätsformen und Services rund ums Fahrzeug voran. Im Interview spricht Cham Zhong, Vice President des Unternehmens, über den Automobilmarkt in China und die Kooperation von Tencent mit klassischen OEMs.
Porsche Engineering Magazin 1/2020 INTERVIE W 29 Vordenker: Cham Zhong will Fahrzeuge zu Datenknoten in Smart Cities machen. Können Sie uns dafür Beispiele nennen? ZHONG: Erstens bieten wir ganzheitliche intelligente Lösungen für Pkws an und bringen beliebte Internet- dienste wie WeChat, QQ Music oder Tencent Maps ins Auto. Darüber hinaus sind wir führend bei der Entwicklung eines In-Car-Light-App-Frameworks – mit Cloud-Update, „Use and Go“-Apps und ohne dass die Nutzer manuelle Downloads durchführen müssen. Es ermöglicht Funktionen wie intelligentes Parken, Autowäsche, Tanken, Aufladen des Autos oder die Reservierung in Restaurants, die alle auf dem „Unconscious Payment System“ von WeChat basieren. Zweitens erschließen wir das Feld des autonomen Fah- rens, wobei wir uns vor allem auf drei Säulen stützen: eine Cloud-Plattform für Daten, eine Simulations- plattform und äußerst präzise Straßenkarten. Für die Simulationsplattform hat Tencent seine Game Engine mit Fahrdynamikmodellen in Industriequalität und ganzheitlichen, auf virtueller Realität beruhen- den Verkehrssimulationen kombiniert. So können die Anwender das autonome Fahren in einer hochgradig realistischen Simulationsumgebung testen. Darüber hinaus haben wir die „Smart 4S“-Lösung eingeführt, um 4S-Händler – Händler, die in einem Full-Service-Ansatz Verkauf (Sales), Service, Ersatz- teile (Spare Parts) und Kundenfeedback (Surveys) zusammenführen – dabei zu unterstützen, Autos effizienter zu verkaufen. Durch digitale Tools und Plattformen wie WeChat sowie KI- und Big-Data- Technologien kann diese Lösung 4S-Händlern helfen, Kunden effizienter zu gewinnen. Mit seiner Automotive-Cloud-Plattform hilft Tencent den Automobilherstellern, den gesamten Produkt- lebenszyklus von der Herstellung über den Verkauf Warum ist der Automobilmarkt für Tencent attraktiv? bis hin zum Kundendienst effizient im Griff zu CHAM ZHONG: Für Tencent ist die Automobilindustrie behalten. Außerdem arbeitet das Tencent Keen eines der wichtigsten Anwendungsfelder des Security Lab seit Jahren im Bereich der Informati- Internets der Dinge. Der chinesische Automarkt onssicherheit. Hier geht es um Internetzugang und ist der größte der Welt, ganz zu schweigen von der Over-the-Air-Fähigkeiten für Fahrzeuge. hohen Akzeptanz und Nachfrage nach intelligenten Produkten bei den chinesischen Verbrauchern: Laut Tencent Wie wichtig ist die Cloud-Technologie im Zusammen- wurde 1998 gegründet einer McKinsey-Umfrage würden 69 Prozent der und erwirtschaftete 2019 hang mit Over-The-Air (OTA)? chinesischen Kunden ihr Auto gerne in ein intelligent einen Umsatz von rund ZHONG: Man kann nicht über Digitalisierung sprechen, vernetztes Fahrzeug eintauschen. Die Automobil- 49 Milliarden Euro. ohne die unverzichtbare Cloud dahinter zu erwähnen. unternehmen wetteifern darum, sich vom Autoher- Tencents Automobile Cloud bietet eine umfassende steller zum Mobilitätsdienstleister zu wandeln. Lösung, die von Infrastructure-as-a-Service und In den vergangenen Jahren sind wir mit 28 Automobil- Platform-as-a-Service über Software-as-a-Service marken aus dem In- und Ausland verschiedene Partnerschaften in den Bereichen intelligente 63.000 bis hin zu Data-as-a-Service reicht. Mitarbeiter hatte Tencent Systeme, autonomes Fahren und Shared Mobility Ende 2019. Was genau sind potenzielle Anwendungen dieser eingegangen. Als Spezialist für digitale Lösungen Technologie? kann Tencent den Automobilherstellern helfen, den ZHONG: Mit der Nutzung von großen Datenmengen chinesischen Markt und die chinesischen Kunden können Automobilhersteller in der F&E- und besser zu verstehen. Fertigungsphase Kosten senken und die Effizienz
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