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Praxiserwerb und -nachfolge
bei steuerberatenden Berufen
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Stand: Mai 2012
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

    Praxiserwerb und -Nachfolge
bei steuerberatenden Berufen

Autor:
Dipl.-Kfm. Wirt.-Ing. Wolfgang Wehmeier
Geschäftsführer des Steuerberaterverbandes Berlin-Brandenburg e.V.

                                                                                                                     03
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

Inhaltsverzeichnis

1.    Einleitung                                                                           07

2.    Der „richtige“ Praxisnachfolger?                                                     07

3.    Die „richtige“ Praxis?                                                               08

4.    Kontaktmöglichkeiten für Käufer und Verkäufer                                        09

5.    Praxis-Übertragungsanlässe                                                           10

6.    Der optimale Zeitpunkt für eine Praxisnachfolge?                                     12

7.    Erforderliche Verkaufsunterlagen                                                     13

8.    Vorsicht bei Muster-Vorlagen!                                                        13

9.    Mitarbeiter – wo bleiben sie?                                                        14

10.   Praxiswert – wie ermitteln?                                                          15

      10.1.   Bewertung des ideellen Praxiswerts in Verkaufsfällen                         15

      10.2.   Erbschaftsteuerliche und ertragsteuerliche Bewertungsanlässe                 16

      10.3.   Der Praxiswert beim Zugewinnausgleichsanspruch                               17

11.   Kaufpreis – wie setzt er sich zusammen?                                              19

12.   Nachträgliche Kaufpreisänderungen?                                                   19

13.   Kaufpreiszahlung – wie abwickeln?                                                    20

14.   Achtung Verschwiegenheitspflicht: Zustimmung der Mandanten!                          20

15.   Praktische und vertragliche Fallstricke!                                             21

      15.1.   Zurückbehaltung von Arbeitsunterlagen                                        21

      15.2.   Überzogene Wettbewerbsverbote                                                22

      15.3.   Nicht realisierbare Übernahmebedingungen                                     23

16.   Übergangsmodelle zu Nachfolgegestaltungen                                            23

17.   Übersicht Ablaufplan Praxisnachfolge                                                 24

      Anhang: Regionale Ansprechpartner DStV-Mitgliedsverbände

                                                                                                                05
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

          Praxiserwerb und -nachfolge
bei steuerberatenden Berufen

1. Einführung

Auch wenn es schwer fällt, irgendwann muss es sein:                                  staltungen erfordern individuelle Beratungen, die nur
Die Übergabe der Praxisschlüssel an den Nachfolger1!                                 persönlich möglich sind.
Auf was ist dabei vorher zu achten, was könnte wichtig
sein, um einen reibungslosen Übergang sicherzustel-                                  Die Geschäftsführungen der Mitgliedsverbände sowie
len? Nachfolgend werden in Kurzform praxisrelevante                                  z.T. ehrenamtlich tätige Berufsangehörige des Deut-
Aspekte der Praxisnachfolge bei Verkauf einer Einzel-                                schen Steuerberaterverbandes stehen hierfür einzeln
praxis dargestellt2.                                                                 oder kooperativ zur Verfügung. Die regionalen An-
                                                                                     sprechpartner vor Ort sind im Anhang verzeichnet.                        
Die Vielzahl der denkbaren Probleme und Lösungs-
ansätze zur Praxisübertragung und der Nachfolgege-

2. Der „richtige“ Praxisnachfolger

Gibt es den idealen Praxisnachfolger und wie sähe er                                 das auch für dessen aktuellen Lebensabschnittspart-
aus: Ein fachlich spezialisiertes Allround-Genie, ortsun-                            ner? Patentrezepte zur Auswahl gibt es nicht. Persön-
abhängig und jederzeit verfügbar, mit unbegrenzter                                   liche Lebenseinstellungen können am einfachsten bei
Finanzkraft; ein persönlich-menschliches Vorbild mit                                 einem gemeinsamen Essen (ggfs. mit Lebenspartner)
überragend sozialer Teamfähigkeit und unbestrittenen                                 erkundet werden. Die (überlassene) Wahl des Restau-
Führungsqualitäten gepaart mit zukunftsorientierter                                  rants, des Essens und korrespondierender Getränke
Unternehmerkompetenz? Könnte sein, aber die Wahr-                                    gibt Anhaltspunkte über Vorlieben und Ansprüche. Die
scheinlichkeit ihn kennenzulernen?                                                   Entscheidung für Fassbrause oder 47’er Chateau PET-
                                                                                     RUS signalisiert finanzielle Erwartungen oder Entnah-
Was ist das entscheidende Erfolgskonzept Ihrer Praxis,                               meverhalten.
welche persönlichen Eigenschaften und/oder fach-
lichen Fähigkeiten muss der Nachfolger mitbringen?                                   Familiäre Planungen, Freizeiterwartungen oder beste-
Taxi-EÜR-Berechner, Mittelstandsberater oder global                                  hende finanzielle Verpflichtungen sind höchst privater
agierender Unternehmer-Coach?                                                        Natur. Es sind aber auch Themen, die zumindest bei
Fachlich ist selbstverständlich ein intensives Gespräch                              Nachfolgegestaltungen bedacht und offen gelegt wer-
notwendig, dass die Anforderungen an den Nachfol-                                    den sollten. Insbesondere, wenn mehrmonatige/-jäh-
ger verdeutlicht. Maßgeblich sind die Erwartungen der                                rige Übergangszeiträume erforderlich oder gewünscht
Mandanten, nicht des Veräußerers.                                                    werden und privat widerstreitende Interessenlagen auf
                                                                                     einander prallen könnten, die im Ergebnis eine zufrie-
Was sagt Ihr erstes „10-Sekunden-Gefühl“ beim per-                                   denstellende Übergabe in Frage stellen oder sogar ver-
sönlichen Kennenlernen. Passt oder passt nicht? Gilt                                 hindern.

1
    Nachfolgend wird nur aus Abkürzungs- und Vereinfachungsgründen die männliche Form verwendet.
2
    Auf weiterführende Literatur wird verwiesen. Hierzu und für Gestaltungen mit gesellschaftsrechtlichen Berufsausübungsformen, vgl. z.B. Wehmeier, Praxisübertra-
    gungen in wirtschaftsprüfenden und steuerberatenden Berufen, 5. Auflage 2009.

                                                                                                                                                                      07
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

         Wer kauft Praxen und warum?                                                          Jeder Praxisveräußerer tut gut daran, alle möglichen
          Nach StB-Examen zur Existenzgründung;                                              Erwerberaspekte klar zu identifizieren und eindeutig
          Etablierte Einzelpraxen (5-10 Jahre am Markt) zur                                  beantworten zu lassen. Abzuschätzen ist, ob diese mit
           Umsatzerweiterung;                                                                 den eigenen Lebensplänen in Einklang zu bringen sind.
          Fach-/Anwälte zur Umsatzsteigerung                                                 Eine alleinige Chiffreantwort, dass „großes Interesse an
          Gesellschaften (ca. 3-5 Gesellschafter) zur regiona-                               der Übernahme der Praxis besteht, mit freundlichen
           len Erweiterung/strategischen Umsatzabsicherung;                                   Grüßen“ ist bei der Kontaktaufnahme nicht sehr hilf-
          StB-Ketten/-Netzwerke strategische Erweiterung von                                 reich, weil wenig informativ. Wer als Interessent nicht
           Marktanteilen.                                                                     wenigstens ein paar Angaben macht, die ihn als Nach-
                                                                                              folger attraktiv und aussichtsreich machen, fällt schon
         Jeder vorstehende potentielle Nachfolger oder jede                                   an dieser Stelle aus dem Bewerber-Pool.
         Interessentengruppe bringt unterschiedliche Voraus-
         setzungen/Erfahrungen persönlicher, fachlicher und                                   Erwerber müssen sich vor Augen führen, dass ver-
         finanzieller Art mit sich. Daran geknüpft sind i.d.R.                                kaufswillige Praxisinhaber i.d.R. keinen Beauty-Contest
         ebenso unterschiedliche Erwerbsmotive und entspre-                                   zur Auslese machen, sondern auf die Daten angewie-
         chende Anforderungen an die zu erwerbende Praxis(-                                   sen sind: Begründung warum Erwerb, wann realisier-
         struktur).                                                                           bar, Familienstand, (schulpflichtige) Kinder, regional
                                                                                              variabel, (spezifische) Fachkenntnisse, Führungserfah-
                                                                                              rung, Finanzierungsvolumen.       

         3. Die „richtige“ Praxis?

         Wie sähen die ideale Praxis und deren Strukturdaten aus Sicht eines Erwerbers aus?
         Welche Praxis würden Sie lieber erwerben:

                                                      Fall A                                                Fall B
              Lage                                    Ländlich abgeschieden                                 Mittelstadt, öffentliche Verkehrsmittel,
                                                      Schlechte Verkehrsanbindung                           PKW-Parkplätze

              Praxisräume                             „Artgerechte Käfighaltung“                            Nachhaltigkeit 3, u.a. warme, freundliche
                                                                                                            Farben, vor max. 3 Jahren renoviert

              Umsatz                                  120.000,- oder 2,5 Mio €                              500.000,- €

              Rendite                                 15 %                                                  Knapp 40 %

              Management                              Fachmann                                              Unternehmer

              Organisation                            Zufallsprinzip                                        ISO 9001:2008 zertifiziert

              EDV                                     Lochstreifen-Verarbeitung, industrieller              E-Government-tauglich, Heimarbeitsplätze
                                                      Geräuschpegel bei Betrieb

              Mitarbeiter                             Durchschnittsalter 55 Jahre,                          StFachwirte, StFA, Hochschulabsolventen,
                                                      Bildungsstand BiRiLiG (nicht BILMOG)                  AzuBI

              Mandanten-Akquisition                   Der „gute“ Ruf                                        Strategisches Marketing

              Mandantenstruktur                       Mono-Branche Möbel,                                   High-Tech-, IT-/Gesundheitsmarkt-Branchen
                                                      Durchschnittsalter 60 Plus

              Leistungsangebot                        „Buchführungsfabrik“                                  Prospektive Beratung, Spezialisierung

              Arbeitszeiteinsatz                      60 Std. plus                                          45 Std.

              Verträge                                Langfristige Bindungen                                Flexible Anpassung möglich

         3
             Vgl. http://www.ccpmre.de/files/voe/discussionpaper_zapke-liese.pdf, Kriterien S. 10.

08
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

Zugegeben, vorstehende Schlagworte kennzeichnen              Zwar auch änderbar, aber eher langfristig korrigierbar.
schwarz-weiß Situationen. Sie kommen zwar tatsäch-           Unter diesen Aspekten können diese und ggfs. weitere
lich real vor, häufiger jedoch liegen sie in allen Schat-    persönlichen Anforderungen geprüft und entschieden
tierungen dazwischen.                                        werden.

Was ist Ihnen wichtig: hohe Rendite oder hoher Frei-         Der Kauf einer Steuerberater-Praxis ist eine Zukunfts-
zeitanspruch? Auch beides zugleich schließt sich nicht       entscheidung. Wo wollen Sie in fünf oder 10 Jahren
aus. Aber was wäre Ihnen wichtiger? Stellen Sie (zu-         stehen und inwieweit bieten die angebotenen Praxen
sammen mit ihrem Lebenspartner) bitte Ihre eigene            dazu die Voraussetzungen?
Prioritätenliste auf. Welche Kriterien soll die Idealkanz-
lei erfüllen, welche stellt dem ersten Anschein nach         Abschließend sei die These vertreten, dass ALLES ver-
schon eine „NO-GO-Area“ dar, wo sind Kompromisse             änderbar ist, man muss es nur tun! Bei Seminaren,
möglich?                                                     die sich thematisch mit dem Kanzleimanagement be-
                                                             schäftigen, ist immer wieder die Teilnehmer-Reaktion
Hilfreich kann die Unterscheidung sein, was können           zu beobachten, „Alles schön und gut, aber bei mir …“
Sie beeinflussen/verändern? Grundsätzlich und in wel-        NEIN! SIE wollen nicht tatsächlich, sonst würden SIE ES
chem zeitlichen Rahmen. Mit der Standortwahl der Re-         TUN! Alle Beispiele prallen immer wieder ab, obwohl
gion ist die erste Entscheidung gefallen, mit dem Ab-        es zahlreich LEBENDE Beweise gibt, dass die Vorschlä-
schluss des Mietvertrages die örtliche Priorität gesetzt.    ge funktionieren. Es geht, auch bei Ihnen….       

4. Kontaktmöglichkeiten für Käufer und Verkäufer

Übliche Methoden und Wege einen Nachfolger zu su-                   SH http://www.stbv.de/praxboer/lvslh/
chen sind:                                                          TH http://www.stbv.de/praxboer/thue/
 Chiffre-Inserate in Fachzeitschriften (Pro: Ansprache             WL http://www.stbv.de/index.php?siteid=36
  überregionalen Potentials – Contra: Streuverluste);
 Chiffre-Inserate in Medien der Berufsorganisatio-              (Pro: Zeitnah, aktuell, Kenntnis regionaler Bedingun-
  nen (Mitteilungsblätter, Zeitschriften) (Pro: regiona-         gen, vertraulich, kostenfrei, unabhängig - Contra:
  le Konzentration – Contra: gestreckter Veröffentli-            Serviceleistung nicht lückenlos bekannt);
  chungsrythmus, eher zufällige Kenntnisnahme);                 Gewerbliche Praxisvermittler (Pro: bundesweite Ver-
 (Internet-)Praxisbörsen auf den Homepages der                  breitung - Contra: Kosten (je 3% vom Verkaufspreis
  Mitgliedsverbände des Deutschen Steuerberater-                 von Käufer und Verkäufer), Seriositäts- und Vertrau-
  verbandes e.V. (DStV):                                         lichkeitsmängel);
   BY http://www.stbv.de/praxboer/lvbay/                       Gewerbliche Personalvermittler (Headhunter) (Pro:
   BE/BB http://www.steuerberaterverband-berlin-                Fachkenntnisse Personalauswahl – Contra: hohe
     brandenburg.de/?id=65&name=Praxisboerse                     Kosten).
   HB http://www.stbv.de/praxboer/lvbre/
     angebote.php3                                           Zu beobachten ist, dass Scheinangebote in Praxen-
   DÜ http://www.stbverband-duesseldorf.de/                 börsen eingestellt werden: Zum einen von gewerbli-
     DE/1636/Praxenboerse.php                                chen Maklern, um Adressmaterial von interessierten
   HE http://www.stbv.de/praxboer/lvhes/                    Erwerbern zu erhalten, zum anderen aber auch von
   KÖ http://www.stbverband-koeln.de/menu_                  Berufsangehörigen, die den eigenen „Marktwert“ bzw.
     praxen-boerse/content/koeln/praxenboerse.htm            das lokale Interesse erkunden wollen. Kommentare
   MV http://www.stbv.de/praxboer/lvmvp/                    zum ersteren erübrigen sich. Ältere Kollegen fragen
   NDS/SA http://www.steuerberater-verband.de/              übrigens häufig an, woher diese Makler ihre Adresse
     index_leistungen_praxenboerse.php                       haben und ein latentes Verkaufsinteresse vermuten.
   RP http://www.stbverband-rheinland-pfalz.de/             Das Internet macht es leicht, die beliebtesten Vorna-
     praxenboerse.php                                        men der 40er Jahre: http://www.beliebte-vornamen.
   SN http://www.stbverband-sachsen.de/                     de/3768-1940er-jahre.htm, Milena-Laureen und Lou-
     sachsen_os/praxenboerse/                                Simon sind dort nicht zu finden…

                                                                                                                                09
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

         Zu bedenken ist bei „Testangeboten“, dass potentielle                      gen dürften Zweifel an der Seriosität/Fachkompetenz
         Erwerber nicht bei ihren Hausbanken/KfW in Misskre-                        hervorrufen und die dauerhaft vertrauensvolle Zusam-
         dit geraten sollten, wenn ernsthafte Finanzierungszu-                      menarbeit mit diesen Banken ggfs. belasten/in Frage
         sagen eingeholt werden. Mehrfach unrealisierte Anfra-                      stellen. 
         5. Praxis-Übertragungsanlässe

         Anlässe zur Übertragung einer Praxis sind vielfältig                       Aus vielen Seminaren mit spontanen Feedbackfragen
         denkbar. Zu unterscheiden sind freiwillige und un-                         hierzu wurde deutlich, dass das Gros der teilnehmen-
         freiwillige Entscheidungen über eine Praxisnachfolge.                      den Steuerberater gar keine oder nur rudimentäre Re-
         Anzustreben ist die Vorbereitung der Nachfolge zu                          gelungen getroffen hat. Periodisch zu aktualisierende
         Lebzeiten des Praxisinhabers: Plan- und organisierbare                     Unternehmertestamente werden zwar den Mandan-
         Abläufe zwischen den Vertragspartnern sind möglich.                        ten anempfohlen, aber im eigenen Bereich…

         Bei der Praxis-Übergabe aus Krankheitsgründen ist je                       Zu regeln sind die Aspekte: Wer kann und darf Sie ver-
         nach Krankheitsbild dem Praxisinhaber das Heft des                         treten, wenn Sie kurzfristig für vier Wochen ausfallen?
         Handelns ggfs. schon aus der Hand genommen. Der                            Hat Ihre Vertretung alle notwendigen Informationen
         Leser mag sich fragen, wie viele Beispiele er persönlich                   und Zugriff darauf, um die Praxis in der Zeit Ihres Aus-
         oder aus Gesprächen kennt, dass Personen im Kran-                          falls in Ihrem Sinne/gem. den Anforderungen der Man-
         kenhaus erwachen, Stimmen wahrnehmen, sehen                                danten weiter zu führen? Wie lange können Sie von
         können, aber nicht mehr sprechen und sich nicht mehr                       Ihrem Ersparten leben, wenn Ihnen etwas zustößt? Ist
         bewegen können. Ob Hoffnung oder ignorante Arro-                           Ihre Familie finanziell abgesichert, wenn Ihnen etwas
         ganz berechtigen, ein solches Schicksal für sich persön-                   zustoßen sollte?
         lich auszuschließen, soll offen bleiben. Was wäre aber
         wenn? Was ist für diesen Fall in und mit der Praxisfort-                   Grob-Übersicht der Risiken nach Dauer:
         führung geregelt?

          kurz-/mittelfristiger Ausfall                    Geschäftsunfähigkeit/                           Tod
                                                           Betreuungsnotwendigkeit
          A. Vertretung                                    A. Vertretung                                   A. Vertretung
          Information (z.B. Angehörige, Mandanten,         Information (z.B. Angehörige, Mandanten, Kam-   Information (z.B. Angehörige, Mandanten,
          Kammer, Verband)                                 mer, Verband)                                   Kammer, Verband)
          Vertretungsregelung (§ 69 StBerG)                Vertretungsregelung (§§ 70, 71 StBerG)          Vertretungsregelung (§§ 70, 71 StBerG)
          Vollmachten                                      Vollmachten (Generalvollmacht)                  Zugang zu Passwörtern
          Zugang zu spezifischen Passwörtern               Zugang zu Passwörtern                           Zugang zu Konten
                                                           Zugang zu Konten                                Testament

                                                           Verfügungen (Patienten-/Betreuungsverfügung)
          B. Risiko-Absicherung                            B. Risiko-Absicherung                           B. Risiko-Absicherung
          Versicherungsübersicht                           Versicherungsübersicht                          Versicherungsübersicht
          Übersicht private Vermögen/Schulden              Übersicht private Vermögen/Schulden             Übersicht private Vermögen/Schulden
          Übersicht private Finanzen/                      Übersicht private Finanzen/Kapitalbedarf        Übersicht private Finanzen/Kapitalbedarf
          Kapitalbedarf                                    Absicherung bestehender Kredite                 Absicherung bestehender Kredite

           C. Betriebswirtschaftliche/steuerliche Fragen
           Organigramm/Stellenplan Praxis
           Bestellung Kammer
           Checklisten (Mandanten/Lieferanten, Auftragsübersicht, Verträge, Zahlungsübersichten, Schlüsselverzeichnis Mitgliedschaften)
           Kündigungfristen Mitarbeiter/Lieferanten
           Vermögens/Schuldenübersicht
           Übersicht Praxisplanung

10
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

Detaillierte Hinweise und Checklisten4 zu Notfallplä-                               § 70 Bestellung eines Praxisabwicklers7
nen („Notfallkoffer“) gibt es in der Literatur5, oder z.T.
bei Banken und Versicherungen.                                                      Bei Tod eines Steuerberaters kann die zuständige Steu-
                                                                                    erberaterkammer einen anderen Steuerberater oder
Verwiesen wird explizit auf das Kapitel „5.2.3.5 Hin-                               Steuerbevollmächtigten in der Regel für die Dauer
weise der Bundessteuerberaterkammer zu notwendi-                                    eines Jahres zum Abwickler der Praxis bestellen. Ab-
gen Maßnahmen im Todesfall von Steuerberatern“ in                                   wickeln bedeutet, die schwebenden Angelegenheiten
dem von der Bundessteuerberaterkammer herausge-                                     abzuwickeln, d.h. die laufenden Aufträge fortzuführen.
gebenen „Berufsrechtlichen Handbuch“.                                               Wenn auch der Abwickler berechtigt ist, innerhalb der
                                                                                    ersten sechs Monate neue Aufträge anzunehmen, stellt
Für eine Übergangszeit hält auch das Berufsrecht im                                 die Abwicklung eigentlich den worst case einer - eben
Steuerberatungsgesetz alternative Lösungen parat, vgl.                              nicht geregelten - Praxisnachfolge dar.
hierzu im Einzelnen:
                                                                                    Allein zum Erkennen der Hinterbliebenen, dass und
§ 69 Bestellung eines allgemeinen Vertreters6                                       wie die weitere Praxisführung zu regeln ist, vergeht
                                                                                    wertvolle Zeit, weil die Mandanten – nach einer sehr
Steuerberater und Steuerbevollmächtigte müssen ei-                                  kurzen Schamfrist – das Mandat selbst regeln. Die Um-
nen allgemeinen Vertreter bestellen, wenn sie länger                                setzung mit Hilfe der Berufskammern benötigt weite-
als einen Monat daran gehindert sind, ihren Beruf aus-                              ren Zeitbedarf, und die Klarstellung der Abwickler, dass
zuüben; die Bestellung ist der zuständigen Steuerbe-                                es eben keine dauerhafte Perspektive gibt, wirkt - und
raterkammer unverzüglich anzuzeigen. Auf Antrag des                                 soll auch - nicht mandatsstabilisierend.
Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten bestellt                                 Im Ergebnis verflüchtigt sich der Praxiswert kurzfristig,
die zuständige Steuerberaterkammer den Vertreter.                                   die erzielten Einnahmen unter Abzug der Abwicklungs-
Der Vertreter muß ein Steuerberater oder Steuerbe-                                  kosten bleiben weit hinter dem Ertrag aus einer Veräu-
vollmächtigter (§§ 40, 42) sein.                                                    ßerung zurück.

Sicher ist jedem Leser der Abs. 1 des § 69 StBerG be-                               § 71 Bestellung eines Praxistreuhänders8
kannt (oder erinnerlich). Aber wie viel Prozent der rd.
47.000 Praxisinhaber können von sich behaupten, sie                                 Über die Regelung eines eingesetzten Praxistreuhän-
hätten eine diesbezügliche Regelung getroffen? Ge-                                  ders wird ein Zeitpolster für langfristige Lösungen
schätzt unter 10 Prozent. Warum? Brauche ich nicht,                                 geschaffen. Soll die Praxis eines verstorbenen Steu-
ich mache nicht länger als vier Wochen Urlaub, so lang                              erberaters oder Steuerbevollmächtigten auf eine be-
krank werden kann ich mir gar nicht erlauben usw. Die                               stimmte Person übertragen werden, die im Zeitpunkt
Liste der Ausreden ließ sich noch um einen ehrliche-                                des Todes des verstorbenen Berufsangehörigen noch
ren Grund erweitern, man möchte sich nicht ohne Not                                 nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, kann
gern in die (Praxis-)Karten sehen lassen.                                           auf Antrag der Erben die zuständige Steuerberater-
                                                                                    kammer für einen Zeitraum bis zu drei Jahren einen
Empfehlung: Unter dem Aspekt der Praxisnachfolge                                    Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten zum Treu-
vielleicht doch einen Berufsangehörigen (vielleicht die                             händer bestellen. In Ausnahmefällen kann der Zeit-
sympathische junge Kollegin die immer im XY-Seminar                                 raum um ein weiteres Jahr verlängert werden.
neben Ihnen sitzt) auf das Thema mal unverfänglich
anzusprechen: auf die Praxisvertretung, nicht auf die -
geplante – Nachfolgeregelung.

4
  http://www.lfi-muenchen.de/publikationen/Notfallplan.pdf - http://www.hwk-trier.de/101/klimax3.0/html/hwktrier/download/beratung/notfallplanung.pdf?oid=
  3&e173=1
  - http://www.liv-fehr.de/themen-von-a-z/notfallplan.html - http://www.rausch-steuerberater.de/oesbilder/Erste-Hilfe-Handbuch.pdf -
5
  Bayerisches Staatsministeriums der Justiz (Hg.) - Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter, C. H. Beck, ISBN 3-406-54052-X; Vorsorge für den Erbfall, C. H. Beck,
  ISBN 978-3-406-55972-3.
6
  Vgl. auch 5.2.3.1 Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zur Bestellung eines allgemeinen Vertreters, in Berufsrechtliches Handbuch 2009; Wehmeier, Amt-
  licher Vertreter und Teilnichtigkeitsklausel, DSWR 1997, S. 94; Gilgan/Wehmeier: Neue Berufspflicht: Bestellung eines allgemeinen Vertreters (§ 69 StBerG), Stbg
  1995, S. 107.
7
  Vgl. 5.2.3.4 Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zur Tätigkeit des Steuerberaters als Praxisabwickler (§ 70 StBerG), in Berufsrechtliches Handbuch 2009.
8
  Vgl. auch 5.2.3.2 Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zur Bestellung eines Praxistreuhänders, in Berufsrechtliches Handbuch 2009.

                                                                                                                                                                      11
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

         Der Treuhänder führt sein Amt unter eigener Verant-        X Herrn oder Frau... anzurufen, kann als Erstmaßnah-
         wortung jedoch für Rechnung und auf Kosten der             me genügen. Für Mandanten ist bei Geschäftsunfähig-
         Erben des verstorbenen Steuerberaters oder Steuer-         keit und Todesfällen das Wissen entscheidend, dass
         bevollmächtigten. Er hat Anspruch auf eine angemes-        eine Lösung für die Kanzleifortführung gefunden wur-
         sene Vergütung.                                            de. Für den Fall der offenkundigen Unsicherheit ohne
                                                                    Lösungsangebot wird die These vertreten, dass nach
         Welche Lösung zweckmäßig ist, hängt von den rea-           ca. 6 bis 8 Wochen keine Praxisübertragung mehr
         len Umständen im Einzelfall ab. Wichtig ist, dass eine     stattfinden muss, weil sich die Mandanten in alle Win-
         andere Person als der Praxisinhaber informiert ist, die    de zerstreut haben.  
         weiß, was zu tun ist.
         Eine in der Praxis hinterlegte und für eine vertraute
         Mitarbeiterin zugängliche/auffindbare (!) Notiz, im Fall

         6. Der optimale Zeitpunkt für eine Praxisnachfolge?

         Mit 65 fit for fun in die Rente oder noch Weitermachen         reitung auf das StB-Examen, einmal durchgefallen);
         in der Praxis? Gibt es einen optimalen Zeitpunkt oder         60 Monate (Familiennachfolge: Abitur, Bachelor-
         –raum für eine Praxisnachfolge?                                Studium, 2 Jahre berufsvorbereitende praktische
                                                                        Tätigkeit).
         Gegenfrage: Sind alle Steuerberater gleich alt, gesund,
         in familiär gleicher Situation, haben gleiche Vor- und     Häufiges Argument, „Ich würde ja gern aufhören, aber
         Berufsqualifikationen, persönliche Wochenarbeits-          ich habe so viele Mandanten, die so an mir hängen.“
         zeit mit identischen Praxen hinsichtlich Rechtsform,       Wirklich? Lohnt es sich wirklich, ohne Mitarbeiter mo-
         Dienstleistungsangebot, Umsatzaufkommen, Ertrags-          natlich noch ein paar Lohnabrechnungen zu machen
         kraft, Mandantenstruktur, Mitarbeiterqualifikation, Auf-   und pünktlich Umsatzsteuervoranmeldungen abzu-
         bau- und Ablauforganisation, Vertragsbindungen, in         geben? Bekanntlich können bis zu 10 % des Um-
         regional vergleichbarer Lage? Nein? Dann muss wohl         satzdurchschnitts der letzten drei Jahre steuerlich
         auch die Antwort individuell ausfallen.                    begünstigt fortgeführt werden. Lohnt sich dafür der
                                                                    Kammer- und Verbandsbeitrag, die Versicherungsprä-
         1. Gesundheit: heute ja, aber auch noch in einem Jahr?     mie? Die Update-Kosten für EDV usw. unter Berück-
         2. Finanzielles Muss? Wer auf die Realisierung des Pra-    sichtigung der alternativ gewonnenen zeitlichen Frei-
            xiswertes als die (!) Altersvorsorge gesetzt hat, hat   heit, Lebenszeit kommen nie wieder zurück.
            wenig Alternativen.
         3. Fachlich auf der Höhe? Ja sicher, wenn schon die        I have a dream…:
            Mandanten das Gegenteil bemerken, ist es aller-
            dings zu spät für eine erfolgversprechende Nach-        Praxisinhaber 57 Jahre, geplantes Ausstiegsalter 63-65
            folge.                                                  Jahre. Zur Optimierung des potentiellen Verkaufsprei-
                                                                    ses wird die Praxis in den letzten 5-7 Jahren umstruk-
         Je ausgeprägter die genannten Umstände/Merkmale            turiert (auf Vordermann gebracht):
         einzeln oder in Kombination real vorhanden sind, je         Es werden nur noch Mitarbeiter unterschiedlichen
         länger wird es dauern, einen geeigneten Nachfolger zu         Alters mit hoher Berufsqualifikation und besonde-
         finden. Vereinzelte Literaturhinweise, dass z.B. bereits      rem Interesse an betriebswirtschaftlichen Fragestel-
         mit dem Erwerb einer Praxis die eigene Nachfolgersu-          lungen eingestellt, sie werden erfolgsorientiert ver-
         che beginnen sollte, sind m.E. irreal.                        gütet und motiviert.
                                                                     Strategisches Marketing statt Zufallsfunde: Die bisher
         Aus persönlicher Erfahrung kann folgender Zeitbedarf          sich zufällig ergebene Mandantenstruktur wird nach
         für Normalfälle zur Realisierung einer Praxisveräusse-        dem ABC-Prinzip korrigiert. B-Mandanten wer-den
         rung geschätzt werden:                                        auf dem Weg zu A-Mandaten gebracht, C-Mandate
          12 Monate Nachfolger aus Markt;                             ggfs. aussortiert; neue Mandanten werden nur nach
          24 Monate interne Nachfolger (Angestellte in Vorbe-         Vorkalkulation und Deckungsbeiträge angenommen

12
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

    (Ausnahmen: nachweislich zu erwartende Multipli-         Die Rendite steigt auf…. Prozent
    katoreffekte).                                           Ihre persönliche Arbeitszeit pro Woche sinkt dauer-
   Statt persönlicher Spezialisierung wird in Wissens-       haft auf …. Stunden.
    datenbanken hinterlegtes Know-How/Expertise für
    zukunftsträchtige Geschäftsfelder erarbeitet (z.B.    Einzige Voraussetzung: Haben Sie noch die Kraft, vom
    Gesundheitsmarkt, Altersvorsorge etc.).               Steuerberater zum Unternehmer zu werden?
   Die EDV-/Kommunikations-Hard- und Software wird
    auf das sich abzeichnende Anforderungsprofil des      Zum „Weitermachen bis zum ...“ vgl. auch die Hinweise
    (steuerlichen) E-Government und dem Erwartungs-       im Kapitel Übergangsmodelle.      
    horizont der Internet-Generation vorbereitet/ange-
    passt.
   Die Aufbau- und Prozessorganisation erfüllt die ISO
    9001-2009-Norm und den Anforderungen an Qua-
    litäts- und Risikomanagement.

7. Erforderliche Verkaufsunterlagen

Was müssen für die Verkaufsverhandlungen mindes-             Aufstellung Mitarbeiterdaten (u.a. Qualifikation, Ge-
tens an Unterlagen vorbereitet/beigebracht werden:            haltsdaten, Vereinbarungen)
 EÜR/Bilanzen min. letzten drei, besser fünf Jahre          Mandantenliste (Excel: u.a. Rechtsform, Mandant
 Letzte Monats-BWA (bei Vertragsschluss)                     seit, Honorarangaben)  
 Übersicht laufender Verträge (Miete, Leasing, Liefe-
  rungen etc.)

8. Vorsicht bei Muster-Vorlagen!

Schon die im vorstehenden Abschnitt „optimaler Zeit-      Mitgliedern der DStV-Landesverbände zugängliche
punkt“ aufgezählten Fallumstände dürften deutlich         Muster für einen Verkaufsvertrag finden sich im Ser-
gemacht haben, dass es keinen alle Individualitäten       vicebereich auf deren Homepages unter: stbdirekt –
umfassenden und abschließend formulierten Ver-            Musterverträge:
kaufsvertrag geben kann.

                                                                                                                            13
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

            DStI-Mustervertrag                                      Jahre sein. Diese Formel mag wirtschaftlich gerecht-
             (StBdirekt-Nr. 004267, PDF - 0,09MB)                    fertigt und vertretbar sein. Ist sie es aber auch, wenn
             Praxisübertragungsvertrag mit Erläuterungen             der Umsatz in den letzten drei (fünf) Jahren kontinu-
            DStI-Mustervertrag                                      ierlich gesunken ist? In Zahlen (nur beispielhaft):
             (StBdirekt-Nr. 004268, PDF - 0,08MB)
             Praxisübertragungsvertrag ohne Erläuterungen                Jahr      € Umsatz     Gewichtet     gew. Umsatz
                                                                         2006        600.000         1           600.000
         Zum Teil sind bei den Mitgliedsverbänden weitere
         Muster erhältlich, auf die verwiesen wird, z.B.                 2007        550.000         2           1.100.000

          Muster Mandantenliste                                         2008        500.000         3           1.500.000
          Muster Mitarbeiteraufstellung                                 2009        500.000         4           2.000.000
          Muster Information der Mandanten incl. Zustimmung
           zur Datenübertragung.                                         2010        450.000         5           2.250.000

                                                                          Ø          520.000        15           496.667
         Grundsätzlich sollte jede Vertragspartei äußerste Vor-
                                                                      überhöht %      115,6                        110,4
         sicht walten lassen, wenn ein Vertragspartner auf von
         Berufsorganisationen herausgegebene Mustervorlagen
         verweist, die damit scheinbar quasi geprüft und neu-        Wird also ein als Musterformulierung vorgegebener
         tral sein sollen. Beispiel für eine solche Vertragsfalle:   Durchschnittsumsatz akzeptiert, stellt sich die Bemes-
         Der Kaufpreis soll mit dem Umsatzverfahren ermittelt        sungsgrundlage mit rd. 15 bzw. 10 % überhöht dar,
         werden. Bemessungsgrundlage soll der (ggfs. gewich-         deren rechnerische Fehlwirkung sich durch den Multi-
         tete) Durchschnittsumsatz der letzten drei (oder fünf)      plikator noch wesentlich erhöhen kann.  
         9. Mitarbeiter – wo bleiben sie?

         Eine häufig gestellte Frage: „Was wird aus meinen Mit-      Gedanken über den Fortbestand der Praxis und ihrer
         arbeitern? Ich möchte, dass sie ihre Arbeitsplätze be-      Arbeitsplätze machen.
         halten.“                                                    Wann sollte man die Mitarbeiter über die Nachfolge
         § 613 a BGB schreibt bei Betriebsübergängen die             informieren? Wenn der Übertragungsvertrag „in tro-
         Übernahme des Personals vor, Kündigungen wegen              ckenen Tüchern“ ist. Soweit mit dem Nachfolger noch
         des Inhaberwechsels sind nicht zulässig. Die Erhaltung      über einzelne Modalitäten verhandelt wird und der
         des Mitarbeiterteams ist aber nicht nur rein rechtlich      Übergang daran noch scheitern kann, ruft die Bekannt-
         notwendig, sondern liegt im ureigensten Interesse           gabe eines vorläufigen „Zwischenstandes“ eher Ver-
         des Erwerbers. Praxisinhaber sind alleinige vertragliche    unsicherung hervor, als den gegenteilig gewünschten
         Partner ihrer Mandanten. Zu den Mitarbeitern besteht        Effekt. Im Gegenteil, tendenziell unsichere Mitarbeiter
         aber durch den häufigeren Kontakt bei der laufenden         werden vielleicht bei sich hinziehenden Verhandlun-
         Mandatsbearbeitung vielfach ein genauso intensives          gen ihrerseits aktiv werden und sich um einen neuen
         (Vertrauens-)Verhältnis, das nicht unnötig unterbro-        Arbeitsplatz bemühen, schlimmstenfalls unter Mitnah-
         chen werden sollte. Mandantenbefragungen haben              me ihrer Mandanten. Dadurch könnte sogar vor Ab-
         bestätigt, dass ein häufiger persönlicher Zuständig-        schluss der Vertragsverhandlungen deren wirtschaft-
         keitswechsel ein Kündigungsgrund sein kann.                 lich relevanteste Substanz, der Mandantenstamm,
                                                                     gefährdet werden.
         Wenn der Wechsel des Praxisinhabers allein schon ein
         Kündigungsgrund sein kann, bedeutet ein gleichzeiti-        Soweit Erwerber aus Kostengründen eine Reduzierung
         ger Wechsel des zuständigen Sachbearbeiters ein er-         des Mitarbeiterbestandes und Kündigungen einfor-
         höhtes Risiko, dem sich kein Erwerber aussetzen sollte.     dern, sollten diese durch den Veräußerer ausgespro-
                                                                     chen werden. In der Regel werden dazu Abfindungs-
         Sicher werden sich auch die Mitarbeiter ab einem be-        zahlungen notwendig, die aber im Kaufpreis erhöhend
         stimmten erreichten Lebensalter des Praxisinhabers          berücksichtigt werden können. Der zu erwartende Un-

14
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

mut der gekündigten (und die Verunsicherung der ver-                              Alter, Eintrittsdatum, Berufsqualifikation, Gehalt, ge-
bleibenden) Mitarbeiter würde sich aber gegen den                                 haltliche/soziale Nebenleistungen, Urlaubsanspruch,
Veräußerer wenden und nicht das erst aufzubauende                                 Wettbewerbsverbot, arbeitsrechtliche Besonderheiten.
Vertrauensverhältnis zum Erwerber schon vorab belas-
ten.                                                                              Die Namen der Mitarbeiter müssen nicht aufgeführt
                                                                                  werden9. Zwar ist grundsätzlich der Schutz persön-
Aus den gleichen Gründen erscheint es auch nicht                                  licher Daten zu beachten, aber ohne Kenntnis der
opportun, soweit mit dem Arbeitsrecht vereinbar, zeit-                            vorgenannten Kriterien kann nach persönlicher Auf-
nah mit der Praxisübertragung Veränderungen im Ge-                                fassung eine sachgerechte Entscheidung über den
haltssystem vorzunehmen, also z.B. ein Wechsel von                                Praxiserwerb nicht getroffen werden. Gegebenenfalls
einem Umsatz-/Gewinn-Beteiligungsmodell zurück zu                                 kann auch eine Vertraulichkeitsabrede mit potentiellen
einem monatlichen Festgehalt. Die so variabel bezahl-                             Erwerbern getroffen werden, die diese verpflichtet, im
ten Mitarbeiter würden es als geminderte Akzeptanz                                Falle des Nichterwerbs diese Tabelle bzw. übergebene
ihrer individuellen Leistungsstärke empfinden.                                    Unterlagen (z.B. verwendete Arbeitsverträge) zu ver-
                                                                                  nichten.    
Eine Excel-Tabelle mit den Mitarbeiter-Daten gehört zu
den bereit zu stellenden Verkaufsunterlagen, z.B. mit
folgenden Angaben:

10. Praxiswert - wie ermitteln?

10.1. Bewertung des ideellen Praxiswerts in Verkaufsfällen

Zum Pro und Contra der relevanten Bewertungsme-                                   Fälle zwischen 80-120 %. Der verhandelte Preisrah-
thoden, insbesondere den brancheneinschlägigen Be-                                men kann darüber oder darunter liegen.
wertungshinweisen der Bundessteuerberaterkammer,
ist alles Wesentliche gesagt und geschrieben10. Das                               Mit der Frage, wie hoch der Verkaufs-Prozentsatz sein
Umsatzverfahren wird als vereinfachte Preisfindun-                                könnte, sind auch der Bewertungsanlass und damit
gen11 in der theoretischen Bewertungsliteratur über-                              die Bewertungsmethode, das sog. Umsatzverfahren
wiegend abgelehnt, ist real unter den anwendenden                                 vorgegeben. Nach dem Verfahren wird ein Prozentsatz
Vertragspartnern (keine Gutachter) aber weiterhin Nr.                             (Multiplikator) mit einer Bemessungsgrundlage (dem
1. Die typische Alltagsfrage aus dem Kollegenkreis lau-                           um Sondereinflüsse bereinigte fortführbare Nettoum-
tet deshalb weiter: „Zu wie viel % kann ich die Praxis                            satz) multipliziert. Detailinteressierte werden auf die
verkaufen?“ Antwort: Mit Stand Frühjahr 2012 liegt der                            Literatur verwiesen12.
realisierte Bewertungsrahmen für rd. 95 Prozent aller

9
   Es sind aber auch Situationen denkbar, dass Erwerber mit zu übernehmenden Mitarbeitern in arbeitsrechtliche Streitigkeiten aus vorangegangenen Arbeitsver-
   hältnissen involviert waren und auf Konsensfähigkeit zu prüfen sind,
10
   Vgl. hierzu mehrfach Wehmeier, Praxisbewertung: Ertragswertmethode - und sonst nichts?, Stbg 1996, 486; Veräußerung einer Steuerberater-Praxis, DSWR 1997,
   230; Bewertung einer Steuerberater-Praxis - Ergänzung und Erwiderung zu Platz, INF 2000, S. 310 ff. -, INF 2000, 598; Planung der Kanzleinachfolge, DSWR
   2003, 2; Nachfolgeplanung bei freiberuflichen Praxen im Familienbesitz, DSWR 2005, 361; Praxisveräußerung: Ein filmreifes Fallbeispiel - Besprechung des OLG
   Naumburg-Urteils v. 19.07.2005 - 1 U 83/04 -, Stbg 2006, 80; Praxisverkauf und Vertragsfalle „Kaufpreisreduzierung, INF 2006, 678; Unternehmensbewertung:
   Das „angelehnte“ Ertragswertverfahren, Stbg 2007, 436; Praxisbewertung: Wert- und Preistreiber, Stbg 2008, 19; Praxisbewertung – Anmerkungen zu den Hin-
   weisen der Bundessteuerberaterkammer v. 30.6.2010, StBg 2010, 465; Bewertung von Steuerberater-Praxen, NWB 9/2011, 726; Praxisbewertung: Praxiswert
   entwertet?, StBg 11/2011 (i.Vorber.); Umsatzverfahren ablehnend: Peemöller/Meyer/Pries, Bewertung von Steuerberatungskanzleien, DSWR 1998, 78; Peemöl-
   ler/Bömelburg/Hoferer, Ansätze zur Ertragswertermittlung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien, DStR 1994, S. 914.
11
   IDW-Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1 i.d.F. 2008), FN-IDW 2008, S. 271, Rz 164 f.
12
   Vgl. Wehmeier, Praxisübertragungen, Rz 216.

                                                                                                                                                                  15
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

              Korrekturschritt                         Fallumstände                                        2009                   2010                   2011
              Netto-Umsatz €                                                                            300.000                310.000               305.000

              - persönliche Umsätze                    Testamentsvollstreckung                             -2.000

                                                       Beirat, Autor                                                               -500

              - einmalige Umsätze                      Schenkungsfälle                                                           -4.500

                                                       Gutachten                                                                                        -3.000

                                                       Erbschaftssteuerfälle                               -5.000

                                                       Außenprüfungen                                                            -2.500

              - entfallende Umsätze                    gekündigt                                                                                        -1.500

                                                       Betriebsaufgabe

                                                       Insolvenz                                                                 -6.500

                                                       abgerechnete 2-Jahresumsätze                                               -1.000

              - durchlaufende Posten                   weiterberechnete EDV-FiBU-Kosten                    -1.200                 -1.200                -1.200

              + Korrekturposten                        besond. Krankheitstand Mitarbeiter                                                                7.800

              = Zwischensumme                                                                              -8.200               -16.200                  2.100

              bereinigte Umsätze                                                                         291.800               293.800                307.100

              Durchschnittsumsatz                                                                        297.567

              x individueller Multiplikator                                                                 105%

              = ideeller Praxiswert                                                                      312.445

         Sofern andere Anlässe als der Verkaufsfall vorliegen, wird auf gesetzliche bzw. höchstrichterliche Hinweise bzw.
         Vorgaben zur Bewertungsmethodik verwiesen.

         10.2 Erbschaftsteuerliche und ertragsteuerliche13 Bewertungsanlässe

         Maßgeblich ist seit dem 1.1.2009 das vereinfach-                                  lungsstromorientierten Verfahren bei der Bemessung
         te Ertragswertverfahren14 gem. §§ 199 ff BewG. Die                                des Kaufpreises eine andere übliche Methode zugrun-
         Bewertung kann nach dem vereinfachten Ertrags-                                    de legen würde, können sich insbesondere auch aus
         wertverfahren erfolgen. Sind branchentypisch ertrags-                             branchenspezifischen Verlautbarungen ergeben, z.B.
         wertorientierte Verfahren ausgeschlossen (weil z.B.                               bei Kammerberufen aus Veröffentlichungen der Kam-
         Multiplikatorenverfahren oder Substanzwertverfahren                               mern16.
         zur Anwendung kommen), ist das vereinfachte Er-
         tragswertverfahren nicht anzuwenden. Sind branchen-                               FAZIT: Da die Bewertungshinweise der BStBK auch das
         typisch auch ertragswertorientierte Verfahren anzu-                               Multiplikatorverfahren vorsehen und dies tatsächlich in
         wenden, ist eine Bewertung nach dem vereinfachten                                 praxi überwiegend angewendet wird, ergibt sich nicht
         Ertragswertverfahren möglich.15 Anhaltspunkte dafür,                              die ausschließliche Anwendung des vereinfachten Er-
         dass ein Erwerber neben den Ertragswert- oder zah-                                tragswertverfahrens. Es ist möglich, aber nicht zwingend.

         13
            BMF v. 22.9.2011, Bewertung von Unternehmen und Anteilen an Kapitalgesellschaften; Anwendung der bewertungsrechtlichen Regelungen für ertragsteuerliche
            Zwecke, IV C 6 – S 2180/10/10001, BStBl 2011 I, S. 606.
         14
            Vgl. z.B. Knief/Weippert, Erste praktische Erfahrungen mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren gemäß §§ 199 ff. Bewertungsgesetz, Stbg 2010,1; Gerber/
            König: Die Konsequenzen des vom BMF festgelegten Basiszinssatzes, BB 2010, S. 348; Flöter/Matern, Erbschaftsteuerreform: Fehlbewertung von Betriebsver-
            mögen - Vereinfachtes Ertragswertverfahren ist keine geeignete Methode, NWB 2008, S. 1727; Stamm/Blum, Erbschaftsteuerliche Bewertung von Betriebs-
            vermögen: Vereinfachtes Ertragswertverfahren und Paketzuschlag - Der neue Erlass der Finanzverwaltung zur Bewertung nach der Erbschaftsteuerreform, StuB
            2009 S. 806.
         15
            Abschn. 19 Abs. 1: Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftssteuer- und Be-
            wertungsgesetz v. 17.5.2011, BStBl I 2011, S. 606.
         16
            H 3 (1) Abschnitt 3. Nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften Abs. 2 Satz 3, Anwendung der §§ 11, 95 bis 109 und 199ff. BewG i.d.F. durch das ErbStRG,
            Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 25.6.2009, BStBl I 2009, 698.

16
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

10.3. Der Praxiswert beim Zugewinnausgleichsanspruch

„Eine Bemessung dieses Wertes allein nach dem Um-         BGH-Begründung, „…der Sachverständige habe den
satz verbietet sich schon deswegen, weil der Umsatz       immateriellen Wert der Zahnarztpraxis zu Recht nach
keine sicheren Rückschlüsse auf die Gewinnerwartung       einer bewertenden und deshalb als „modifiziert“ be-
und somit auch nicht auf den am Stichtag realisier-       zeichneten Ertragswertmethode bestimmt…“. Aufklä-
baren Wert zulässt. …Ein reines Umsatzwertverfahren       rend dagegen der BGH-Hinweis, „ein zusätzlich zu
eignet sich deswegen auch nicht als Vergleichsmaßstab     bewertender Goodwill der freiberuflichen Kanzlei oder
für eine andere Bewertungsmethode. … Stattdessen          Praxis darf aber nicht darauf hinauslaufen, künftig zu
hat der Senat schon in seiner bisherigen Rechtspre-       erzielende Gewinne zu kapitalisieren und güterrecht-
chung eine modifizierte Ertragswertmethode gebilligt,     lich auszugleichen. Vielmehr ist auch insoweit nur der
die sich an den durchschnittlichen Erträgen orientiert    am Stichtag nachhaltig vorhandene Wert der Praxis
und davon einen individuellen Unternehmerlohn des         oder des Praxisanteils zu erfassen, der sich in der bis
Inhabers absetzt“17. „Die Bewertung einer freiberufli-    dahin aufgebauten und zum maßgeblichen Zeitpunkt
chen Praxis erfolgt grundsätzlich auch nicht nach dem     vorhandenen Nutzungsmöglichkeit niederschlägt…“19
reinen Ertragswertverfahren, weil sich eine Ertragspro-   Entgegen dem IDW S1 Ansatz einer zukunftsorien-
gnose kaum von der Person des derzeitigen Inhabers        tierten Barwertberechnung künftiger Überschüsse
trennen lässt und der Ertrag von ihm durch unterneh-      endet bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs-
merische Entscheidungen beeinflusst werden kann.“18       anspruchs die Zukunft am Bewertungsstichtag (dem
                                                          Zustellungstag der Scheidungsklage).
Fazit: Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist
ein modifiziertes Ertragswertverfahren anzuwenden.        Der Sachverständige hat den Anspruch im BGH-Fall
Fraglich könnte sein, worin die „Modifizierung“ des       vom 9.2.2011 wie folgt ermittelt:
Ertragswertverfahrens liegt? Wenig erhellend ist die

                                                                                                         DM
     durchschnittliche Praxiseinnahmen 1996-1998                                                 3.116.476,17

     90 % davon als nachhaltig realisierbar                                  90%                2.804.828,55

     abzgl. Kosten, Ausgaben, AfA pp                                                            1.859.314,00

     durchschnittl. Praxisrohgewinn 1996-1998                                                     945.514,55

     abzgl. Ertragsteuern darauf                                             35%                  330.930,09

     abzgl. Unternehmerlohn (2 Inhaber)                                                           180.000,00

     Ertragswert                                                                                  434.584,46

     multipl. mit nachschüssigen Rentenbarwertfaktor                                                  2,7620

     Goodwill                                                                                   1.200.322,28

     zzgl. Substanzwert                                                                           189.985,00

     Praxiswert mod. Ertragswertmethode                                                         1.390.307,28

     davon 1/2 = Anteil Antragsteller                                        50%                  695.153,64

     abzgl. latente ESt (Fünftelregelung)                                                         373.996,00

     Ausgleichsanspruch aus Praxis                                                                321,157,64

Aus vorstehender Berechnung ergeben sich weitere Fragen:

17
   BGH vom 2.2.2011, XII ZR 185/08, DStR 2011, 1683.
18
   BGH vom 9.2.2011, XII ZR 40/09, HFR 2011, S. 914.
19
   BGH vom 9.2.2011 a.a.O.
                                                                                                                          17
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

             Wie wird der kalkulatorische Unternehmerlohn er-                              folgt für den relevanten Zeitraum geschätzt werden:
              mittelt?                                                                      4,5 % abzgl. 35 % ESt = Netto-Basiszins zzgl. rd. 45 %
             Woraus ergibt sich der Rentenbarwertfaktor?                                   Risikozuschlag (4,5–1,58 = 2,93+1,33 =4,25).
             Welche Steuerlast kann vom Praxiswert abgezogen
              werden?                                                                       Offen bleiben die Bestimmungsgründe des mit drei
                                                                                            Jahren bemessenen Kapitalisierungszeitraums, hier
         Zu 1) und 3): Mit Urteil vom 2.2.2011 hat der BGH                                  als „Nachhaltigkeitsdauer“ bezeichnet. Warum be-
         entschieden, dass bei der Bewertung des Goodwills                                  trägt sie hier bei einer Gemeinschaftspraxis nur drei
         ein Unternehmerlohn abzusetzen ist, der den individu-                              Jahre und im zitierten BGH-Fall v. 9.2.2011 für eine
         ellen Verhältnissen des Praxisinhabers entspricht. Der                             StB-Einzelpraxis sechs Jahre? Die Begrifflichkeit und
         Unternehmerlohn hat insbesondere der beruflichen                                   zeitliche Begrenzung der Nachhaltigkeitsdauer ist mit
         Erfahrung und der unternehmerischen Verantwortung                                  der Methode der modifizierten Übergewinnverrentung
         Rechnung zu tragen sowie die Kosten einer angemes-                                 verbunden und primär der Literatur22 und Rechtspre-
         senen sozialen Absicherung zu berücksichtigen. Von                                 chung23 zur Bewertung von medizinischen Praxen zu
         dem ermittelten Wert der Praxis sind unabhängig von                                entnehmen. Sie wird z.T. mit zwei bis fünf Jahren ange-
         einer Veräußerungsabsicht latente Ertragsteuern in Ab-                             nommen, weil der Erwerber nach dieser Zeit den Wert
         zug zu bringen. Diese sind nach den tatsächlichen und                              des Patientenstammes durch das gewonnene Vertrau-
         rechtlichen Verhältnissen zu bemessen, die am Stich-                               en seiner Patienten auf sich übertragen haben soll.
         tag vorlagen.20                                                                    Andere Autoren beziffern die Nachhaltigkeitsdauer der
                                                                                            Gewinnerzielung je nach objekt- oder subjektbeding-
         Zu 2) Der Kapitalisierungszins bildet zusammen mit                                 ter Unterscheidung des Goodwills mit einer Dauer zwi-
         der Kapitalisierungsdauer rechnerisch wichtige Ein-                                schen drei und acht Jahren24.
         flussfaktoren in jeder Ertragswertberechnung und ist
         von entscheidender Bedeutung. Den Rentenbarwert-                                   Der Begründungsvielfalt zur Bestimmung der Nachhal-
         faktor „hat das sachverständig beratene Oberlandesge-                              tigkeits- oder Goodwillverflüchtigungsdauer25 sind da-
         richt mit einem Rentenbarwertfaktor multipliziert, den                             mit kaum Grenzen gesetzt. In der wissenschaftlichen
         es für das Ende der Ehezeit mit 2,7620 bemisst. Dabei                              Literatur werden Übergewinnverfahren überwiegend
         hat es den im Rahmen seiner Bewertungsmethode                                      abgelehnt.26 Eine Verdoppelung der Nachhaltigkeits-
         um die Ertragssteuer reduzierten Basiszinssatz, einen                              dauer auf „unverdächtige“ sechs Jahre hätte im Fall der
         Zuschlag für das allgemeine Unternehmensrisiko, eine                               Gemeinschaftspraxis (BGH vom 2.2.2011) den Good-
         Abzinsung der Zukunftsgewinne und eine dreijährige                                 willanteil um rd. 530.000 DM bzw. 56 % erhöht. Ob
         Nachhaltigkeitsdauer berücksichtigt.“21 Dies ergibt ei-                            es sich lohnt, für diesen Betrag ein paar Überlegungen
         nen Kapitalisierungszins von 4,25 %. Höhe des Basis-                               anzustellen, mag der Leser entscheiden…                      
         zinses, sowie Höhe des Risikozuschlages können wie

         20
            BGH vom 2.2.2011, XII ZR 185/08, DStR 2011, S. 1683.
         21
            BGH v. 2.2.2011, Rz 42.
         22
            Vgl. z.B. Boos, der den Zeitraum der Nachhaltigkeit als zentrale Fragestellung beim modifizierten Ertragswertverfahren bezeichnet, Bewertung von Arztpraxen im
            Rahmen des Zugewinnausgleichs“, MedR 2005, S. 203 ; Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer ärztlichen Praxis, Band 5 Beratungsservice für Ärzte,
            4.Aufl. 1999, S.80 f. Für StB vgl. Hübner/Hübner, Abenteuer Steuerberatung, S. 32 (ohne weiterführende Hinweise).
         23
            Schlesw.-Holst. OLG vom 29.1.2004, 5 U 46/97, MedR 2004, S. 215.
         24
            Kralicek/Kralicek/Böhmdorfer, Kennzahlen für Geschäftsführer, S. 425.
         25
            Knief, Praxisbewertungstool für Steuerberaterpraxen, Rz 1827, www.peter-knief.de.
         26
            Schmitz, Unternehmensbewertungstheorie und –praxis – Validität praxisrelevanter Unternehmensbewertungsverfahren, Diss. 2010, Berg. Universität Wuppertal,
            S. 61 mit Verweis auf Moxter, Die Bedeutung der Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, ZfbF 1980, S. 454.

18
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

11. Kaufpreis – wie setzt er sich zusammen?

Was bestimmt den Kaufpreis? Ein vorstehend nach                           derungen und Verbindlichkeiten werden üblicherweise
dem Umsatzverfahren ermittelter Praxiswert bezieht                        nicht vom Käufer übernommen, sondern vom (Alt-)
sich nur auf den ideellen Praxiswert, verstanden als                      Praxisinhaber realisiert.
Wert des Mandantenstammes. Der Kaufpreis insge-
samt ergibt sich überschlägig wie folgt:                                  Achtung Fallstrick: Bewertung des Literaturbestandes!
                                                                          Jahr(zehnt)elang z.T. persönlich eingeordnete Ergän-
               „bereinigter“ €-Umsatz (BMG)                               zungslieferungen in Loseblattsammlungen führen
x              Multiplikator (%)                                          gelegentlich zu einer überhöhten Wertschätzung der
=              ideeller Praxiswert (€)                                    vorhandenen Bibliothek, die zu Fehlentscheidungen
+              Substanzwert (Inventar)                                    führen können: „Wer meine Bibliothek nicht achtet,
+              ao Erträge                                                 wird auch meine Mandanten nicht achten!“ Pauschal-
               (z.B. Mietkaution, DATEV-Rückvergütung, 		                 angebote können hier aus einer emotionalen Verhand-
               Bankbürgschaft)                                            lungssackgasse führen.
=              Verkaufspreis (€ Netto o. USt))
                                                                          Beim Ertragswertverfahren gem. IDW S1 kommt zum
Bei der Bewertung des Substanzwertes, hier primär                         Ertragswert (Barwert der finanziellen Überschüsse)
des Inventars, hat sich in der Praxis statt einer Einzel-                 noch der Liquidationswert des nicht betriebsnotwendi-
bewertung oder Übernahme der Buchwerte, häufig                            gen Vermögens (Tz 59 ff). Vereinfacht kann dies dem
eine Pauschalierung bzw. Schätzung als vorteilhaft                        vorstehend genannten Substanzwert gleichgesetzt
erwiesen. Vor der Praxisübertragung entstandene For-                      werden. 
12. Nachträgliche Kaufpreisänderungen?

Häufig gewünscht und ggfs. zur Mandantenüberlei-                          Mandanten bleiben, oder wie sich die Umsätze nach
tung sinnvoll kann sein, dass der Verkäufer für einen                     der Übergabe entwickeln würden.
bestimmten Zeitraum als Freier Mitarbeiter für den Er-
werber tätig wird. Das kann kostenfrei z.B. 5 Stunden                     Häufige Frage, ob das Ausscheiden bzw. Verlustrisiko
pro Woche im Zeitraum von 1-3 Monaten erfolgen,                           vom Erwerber oder noch vom Verkäufer zu tragen ist:
darüber hinaus ein zu vergütender Stundensatz von x                       „Was machen denn die Anderen, was ist üblich?“ Es
vereinbart werden. Kaufpreiserhöhend kann aber gere-                      kann unterschiedlich geregelt werden:
gelt werden, wenn der Verkäufer nach der Praxisüber-
tragung neue Mandate für den Erwerber akquirieren                         1. Endgültiger Preisabschlag (in % vom Gesamtpreis
kann. Solche nachträglich gewollten Erhöhungen des                           oder pauschal in €)
Verkaufspreises sind zulässig und eher einvernehm-                        2. Minderungsklausel (nach tatsächlicher Entwicklung)
lich, aber explizit im Verkaufsvertrag, zu vereinbaren.                   3. Kompromiss-Auffüll-Klausel (nachträgliche Minde-
                                                                             rungen und Zuwächse werden berücksichtigt)
Kontrovers wird dagegen die Frage nachträglicher                          4. Endgültiger Kaufpreis (ohne nachträgliche Variatio-
Kaufpreissenkungen diskutiert, wenn Mandanten                                nen)
nach dem Übertragungsstichtag kündigen27. Der bis-
her erzielte Umsatz kann auch sinken, weil sich die                       Persönliche Auffassung des Verfassers:
Honorar-Bemessungsgrundlagen bei den Mandanten                            Vor der Praxisübergabe sind die Mandanten zu befra-
verändert haben. Diese vertraglichen Regelungen wer-                      gen, ob sie das Auftragsverhältnis mit dem Erwerber
den z.T. als Minderungs-, Umsatzrückrechnungs- oder                       fortsetzen. Nur die zustimmenden Mandanten werden
Springerklausel bezeichnet. Geltend gemacht werden                        auch bezahlt, nicht Zustimmende scheiden aus der
sie gern mit dem Hinweis, man wisse ja nicht ob die                       Bemessungsgrundlage aus. Gekaufte Mandate sind für

27
     Synonym zu verstehen für Fälle der Betriebsaufgabe, Insolvenz usw.

                                                                                                                                           19
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen

         den Erwerber wie selbst extern vom Markt gewonnene                             übergabe erzielt wird.“ Mit einer solchen unbegrenz-
         Mandate zu behandeln. Zu beiden kann zu Beginn kein                            ten Klausel lassen sich sehr wirksam wirtschaftlich
         Vertrauensverhältnis bestehen, sondern muss durch                              unattraktive Mandanten aussondern (sog. B- und C-
         gemachte Erfahrungen aufgebaut werden. Damit liegt                             Mandate). Die Klauseln finden sich in verschiedensten
         es allein im Einflussbereich, Geschick und (Wohl-)Wol-                         Varianten in fast allen Musterverträgen! Im Ergebnis
         len des Erwerbers, wie intensiv und zufriedenstellend                          kann der Erwerber den endgültigen Kaufpreis bestim-
         er das Auftragsverhältnis zum Mandanten gestaltet.                             men. Auch der Hinweis auf Korrektur-Formulierungen
         Darauf hat und soll i.d.R. der Verkäufer keinen Einfluss                       „…soweit sie nicht vom Erwerber zu vertreten sind…“
         mehr (haben). An diesem laufenden Geschäftsrisiko                              bringt keine Rechtssicherheit.28 Persönliches Fazit: kei-
         würde sich der Verfasser nicht beteiligen wollen.                              ne Klausel, keine Preisabschläge!            
         Achtung Vertragsfalle: „Der Kaufpreis bestimmt sich
         nach dem Umsatz, der nach einem Jahr ab der Praxis-

         13. Kaufpreiszahlung – wie abwickeln?

         Entgeltlich (Barzahlung, Raten, Renten, Mischformen,                           Abzahlungen durch Beteiligung an Umsätzen oder Ge-
         Umsatz-/Gewinnbeteiligungen, Sachwerte) oder un-                               winnen, z.B. fünf Jahre 20 % vom Umsatz? Kann man
         entgeltlich (Schenkung, vorweggenommene Erbfol-                                machen, bedeutet aber fünf Jahre Unsicherheit und
         ge)? Jede Tilgungsform hat steuerliche Konsequenzen                            Beteiligung in/an der künftigen Entwicklung. Außer-
         für Verkäufer und Erwerber (für letzteren auch be-                             dem zu kontrollieren bzw. Einsichtnahme in Unterla-
         triebswirtschaftliche). Wann und wie sollte/könnte der                         gen, die den erworbenen Mandantenstamm von neu
         Kaufpreis gezahlt werden? Entscheidend sind m.E. die                           und selbst gewonnenen Mandanten unterscheidet.
         Lebenspläne des Verkäufers.
                                                                                        Von welchen Käufern sind sichere Finanzierungen zu
         Überwiegend (bitte nicht als „berufsüblich“ werten)                            erwarten? Jüngere Erwerber (Existenzgründer) finan-
         wird vereinbart:                                                               zieren i.d.R. durch KfW-Mittel (15-20 % Eigenkapital
          Anzahlung bei Vertragsschluss: Dokumentiert beider-                          wird erwartet). Etablierte Berufsangehörige verfü-
           seitig die Ernsthaftigkeit der Vertragsdurchführung                          gen i.d.R. über höheres Eigenkapital, erwarten aber
          2. Teilzahlung bei Praxisübergabe                                            auch belastbare Renditedaten der Praxen. Berufs-
          Restzahlung(en) je nach Wunsch und Einzelumstän-                             Gesellschaften/-Netzwerke/-Ketten versprechen z.T.
           den bis zu 1-2 Jahren nach Übergabestichtag.                                 großzügige Lösungen, fraglich ist fraglich ist nur, was
                                                                                        real in EURO als Kaufpreis zum Zeitpunkt x auf dem
         Rentenzahlungen: Nein danke, wenn sie nicht durch
         sofort vollstreckungsfähige Titel abgesichert sind/wer-
                                                                                        Konto des Verkäufers eingeht und dort bleibt                  
         den können.

         14. Achtung Verschwiegenheitspflicht: Zustimmung der
             Mandanten erforderlich!

         Der BGH hat mehrfach entschieden, dass aufgrund                                Rechtlich nicht tragfähig sind Literaturhinweise, die
         des informationellen Selbstbestimmungsrechts, die                              durch „Scheinsozietäten“ das Problem zu umgehen
         Mandanten schriftlich der Übergabe ihrer edv-gespei-                           versuchen. Der vom BGH entschiedene Fall war nur
         cherten Daten an den Praxisnachfolger zustimmen                                auf Grund der besonderen tatsächlichen Umstände
         müssen. Ein Verstoß tatsächlicher oder rechtlicher Art                         gerechtfertigt, weil die Erwerber seit Jahren die Man-
         (im Vertrag) hätte die Nichtigkeit des gesamten Vertra-                        danten kannten und deren RA-Fälle bearbeitet hat-
         ges zur Folge.                                                                 ten29. Keinesfalls genügt eine Fallgestaltung, in der sich

         28
            Zur Nichtigkeit einer solchen Klausel vgl. OLG Naumburg vom 19.7.2005, 1 U 83/04, Stbg 2006, S. 80; Zu de-ren Wirksamkeit bei Kenntnis des Käufers von
         ihrer Bedeutung, OLG Naumburg vom 29.3.2006, 1 U 48/05, INF 2006, S. 484.
         29
           BGH v. 13.6.2001, VIII ZR 176/00, NJW 2001, S. 2462.

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