Praxiserwerb und -nachfolge - bei steuerberatenden Berufen www.dstv.de - dstv-praxenboerse
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Impressum Verantwortlich für den Inhalt: Deutscher Steuerberaterverband e.V. Littenstraße 10 10179 Berlin Telefon: 030 27876-2 Telefax: 030 27876-799 E-Mail: dstv.berlin@dstv.de www.dstv.de Stand: Mai 2012
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen Praxiserwerb und -Nachfolge bei steuerberatenden Berufen Autor: Dipl.-Kfm. Wirt.-Ing. Wolfgang Wehmeier Geschäftsführer des Steuerberaterverbandes Berlin-Brandenburg e.V. 03
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 07 2. Der „richtige“ Praxisnachfolger? 07 3. Die „richtige“ Praxis? 08 4. Kontaktmöglichkeiten für Käufer und Verkäufer 09 5. Praxis-Übertragungsanlässe 10 6. Der optimale Zeitpunkt für eine Praxisnachfolge? 12 7. Erforderliche Verkaufsunterlagen 13 8. Vorsicht bei Muster-Vorlagen! 13 9. Mitarbeiter – wo bleiben sie? 14 10. Praxiswert – wie ermitteln? 15 10.1. Bewertung des ideellen Praxiswerts in Verkaufsfällen 15 10.2. Erbschaftsteuerliche und ertragsteuerliche Bewertungsanlässe 16 10.3. Der Praxiswert beim Zugewinnausgleichsanspruch 17 11. Kaufpreis – wie setzt er sich zusammen? 19 12. Nachträgliche Kaufpreisänderungen? 19 13. Kaufpreiszahlung – wie abwickeln? 20 14. Achtung Verschwiegenheitspflicht: Zustimmung der Mandanten! 20 15. Praktische und vertragliche Fallstricke! 21 15.1. Zurückbehaltung von Arbeitsunterlagen 21 15.2. Überzogene Wettbewerbsverbote 22 15.3. Nicht realisierbare Übernahmebedingungen 23 16. Übergangsmodelle zu Nachfolgegestaltungen 23 17. Übersicht Ablaufplan Praxisnachfolge 24 Anhang: Regionale Ansprechpartner DStV-Mitgliedsverbände 05
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen 1. Einführung Auch wenn es schwer fällt, irgendwann muss es sein: staltungen erfordern individuelle Beratungen, die nur Die Übergabe der Praxisschlüssel an den Nachfolger1! persönlich möglich sind. Auf was ist dabei vorher zu achten, was könnte wichtig sein, um einen reibungslosen Übergang sicherzustel- Die Geschäftsführungen der Mitgliedsverbände sowie len? Nachfolgend werden in Kurzform praxisrelevante z.T. ehrenamtlich tätige Berufsangehörige des Deut- Aspekte der Praxisnachfolge bei Verkauf einer Einzel- schen Steuerberaterverbandes stehen hierfür einzeln praxis dargestellt2. oder kooperativ zur Verfügung. Die regionalen An- sprechpartner vor Ort sind im Anhang verzeichnet. Die Vielzahl der denkbaren Probleme und Lösungs- ansätze zur Praxisübertragung und der Nachfolgege- 2. Der „richtige“ Praxisnachfolger Gibt es den idealen Praxisnachfolger und wie sähe er das auch für dessen aktuellen Lebensabschnittspart- aus: Ein fachlich spezialisiertes Allround-Genie, ortsun- ner? Patentrezepte zur Auswahl gibt es nicht. Persön- abhängig und jederzeit verfügbar, mit unbegrenzter liche Lebenseinstellungen können am einfachsten bei Finanzkraft; ein persönlich-menschliches Vorbild mit einem gemeinsamen Essen (ggfs. mit Lebenspartner) überragend sozialer Teamfähigkeit und unbestrittenen erkundet werden. Die (überlassene) Wahl des Restau- Führungsqualitäten gepaart mit zukunftsorientierter rants, des Essens und korrespondierender Getränke Unternehmerkompetenz? Könnte sein, aber die Wahr- gibt Anhaltspunkte über Vorlieben und Ansprüche. Die scheinlichkeit ihn kennenzulernen? Entscheidung für Fassbrause oder 47’er Chateau PET- RUS signalisiert finanzielle Erwartungen oder Entnah- Was ist das entscheidende Erfolgskonzept Ihrer Praxis, meverhalten. welche persönlichen Eigenschaften und/oder fach- lichen Fähigkeiten muss der Nachfolger mitbringen? Familiäre Planungen, Freizeiterwartungen oder beste- Taxi-EÜR-Berechner, Mittelstandsberater oder global hende finanzielle Verpflichtungen sind höchst privater agierender Unternehmer-Coach? Natur. Es sind aber auch Themen, die zumindest bei Fachlich ist selbstverständlich ein intensives Gespräch Nachfolgegestaltungen bedacht und offen gelegt wer- notwendig, dass die Anforderungen an den Nachfol- den sollten. Insbesondere, wenn mehrmonatige/-jäh- ger verdeutlicht. Maßgeblich sind die Erwartungen der rige Übergangszeiträume erforderlich oder gewünscht Mandanten, nicht des Veräußerers. werden und privat widerstreitende Interessenlagen auf einander prallen könnten, die im Ergebnis eine zufrie- Was sagt Ihr erstes „10-Sekunden-Gefühl“ beim per- denstellende Übergabe in Frage stellen oder sogar ver- sönlichen Kennenlernen. Passt oder passt nicht? Gilt hindern. 1 Nachfolgend wird nur aus Abkürzungs- und Vereinfachungsgründen die männliche Form verwendet. 2 Auf weiterführende Literatur wird verwiesen. Hierzu und für Gestaltungen mit gesellschaftsrechtlichen Berufsausübungsformen, vgl. z.B. Wehmeier, Praxisübertra- gungen in wirtschaftsprüfenden und steuerberatenden Berufen, 5. Auflage 2009. 07
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen Wer kauft Praxen und warum? Jeder Praxisveräußerer tut gut daran, alle möglichen Nach StB-Examen zur Existenzgründung; Erwerberaspekte klar zu identifizieren und eindeutig Etablierte Einzelpraxen (5-10 Jahre am Markt) zur beantworten zu lassen. Abzuschätzen ist, ob diese mit Umsatzerweiterung; den eigenen Lebensplänen in Einklang zu bringen sind. Fach-/Anwälte zur Umsatzsteigerung Eine alleinige Chiffreantwort, dass „großes Interesse an Gesellschaften (ca. 3-5 Gesellschafter) zur regiona- der Übernahme der Praxis besteht, mit freundlichen len Erweiterung/strategischen Umsatzabsicherung; Grüßen“ ist bei der Kontaktaufnahme nicht sehr hilf- StB-Ketten/-Netzwerke strategische Erweiterung von reich, weil wenig informativ. Wer als Interessent nicht Marktanteilen. wenigstens ein paar Angaben macht, die ihn als Nach- folger attraktiv und aussichtsreich machen, fällt schon Jeder vorstehende potentielle Nachfolger oder jede an dieser Stelle aus dem Bewerber-Pool. Interessentengruppe bringt unterschiedliche Voraus- setzungen/Erfahrungen persönlicher, fachlicher und Erwerber müssen sich vor Augen führen, dass ver- finanzieller Art mit sich. Daran geknüpft sind i.d.R. kaufswillige Praxisinhaber i.d.R. keinen Beauty-Contest ebenso unterschiedliche Erwerbsmotive und entspre- zur Auslese machen, sondern auf die Daten angewie- chende Anforderungen an die zu erwerbende Praxis(- sen sind: Begründung warum Erwerb, wann realisier- struktur). bar, Familienstand, (schulpflichtige) Kinder, regional variabel, (spezifische) Fachkenntnisse, Führungserfah- rung, Finanzierungsvolumen. 3. Die „richtige“ Praxis? Wie sähen die ideale Praxis und deren Strukturdaten aus Sicht eines Erwerbers aus? Welche Praxis würden Sie lieber erwerben: Fall A Fall B Lage Ländlich abgeschieden Mittelstadt, öffentliche Verkehrsmittel, Schlechte Verkehrsanbindung PKW-Parkplätze Praxisräume „Artgerechte Käfighaltung“ Nachhaltigkeit 3, u.a. warme, freundliche Farben, vor max. 3 Jahren renoviert Umsatz 120.000,- oder 2,5 Mio € 500.000,- € Rendite 15 % Knapp 40 % Management Fachmann Unternehmer Organisation Zufallsprinzip ISO 9001:2008 zertifiziert EDV Lochstreifen-Verarbeitung, industrieller E-Government-tauglich, Heimarbeitsplätze Geräuschpegel bei Betrieb Mitarbeiter Durchschnittsalter 55 Jahre, StFachwirte, StFA, Hochschulabsolventen, Bildungsstand BiRiLiG (nicht BILMOG) AzuBI Mandanten-Akquisition Der „gute“ Ruf Strategisches Marketing Mandantenstruktur Mono-Branche Möbel, High-Tech-, IT-/Gesundheitsmarkt-Branchen Durchschnittsalter 60 Plus Leistungsangebot „Buchführungsfabrik“ Prospektive Beratung, Spezialisierung Arbeitszeiteinsatz 60 Std. plus 45 Std. Verträge Langfristige Bindungen Flexible Anpassung möglich 3 Vgl. http://www.ccpmre.de/files/voe/discussionpaper_zapke-liese.pdf, Kriterien S. 10. 08
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen Zugegeben, vorstehende Schlagworte kennzeichnen Zwar auch änderbar, aber eher langfristig korrigierbar. schwarz-weiß Situationen. Sie kommen zwar tatsäch- Unter diesen Aspekten können diese und ggfs. weitere lich real vor, häufiger jedoch liegen sie in allen Schat- persönlichen Anforderungen geprüft und entschieden tierungen dazwischen. werden. Was ist Ihnen wichtig: hohe Rendite oder hoher Frei- Der Kauf einer Steuerberater-Praxis ist eine Zukunfts- zeitanspruch? Auch beides zugleich schließt sich nicht entscheidung. Wo wollen Sie in fünf oder 10 Jahren aus. Aber was wäre Ihnen wichtiger? Stellen Sie (zu- stehen und inwieweit bieten die angebotenen Praxen sammen mit ihrem Lebenspartner) bitte Ihre eigene dazu die Voraussetzungen? Prioritätenliste auf. Welche Kriterien soll die Idealkanz- lei erfüllen, welche stellt dem ersten Anschein nach Abschließend sei die These vertreten, dass ALLES ver- schon eine „NO-GO-Area“ dar, wo sind Kompromisse änderbar ist, man muss es nur tun! Bei Seminaren, möglich? die sich thematisch mit dem Kanzleimanagement be- schäftigen, ist immer wieder die Teilnehmer-Reaktion Hilfreich kann die Unterscheidung sein, was können zu beobachten, „Alles schön und gut, aber bei mir …“ Sie beeinflussen/verändern? Grundsätzlich und in wel- NEIN! SIE wollen nicht tatsächlich, sonst würden SIE ES chem zeitlichen Rahmen. Mit der Standortwahl der Re- TUN! Alle Beispiele prallen immer wieder ab, obwohl gion ist die erste Entscheidung gefallen, mit dem Ab- es zahlreich LEBENDE Beweise gibt, dass die Vorschlä- schluss des Mietvertrages die örtliche Priorität gesetzt. ge funktionieren. Es geht, auch bei Ihnen…. 4. Kontaktmöglichkeiten für Käufer und Verkäufer Übliche Methoden und Wege einen Nachfolger zu su- SH http://www.stbv.de/praxboer/lvslh/ chen sind: TH http://www.stbv.de/praxboer/thue/ Chiffre-Inserate in Fachzeitschriften (Pro: Ansprache WL http://www.stbv.de/index.php?siteid=36 überregionalen Potentials – Contra: Streuverluste); Chiffre-Inserate in Medien der Berufsorganisatio- (Pro: Zeitnah, aktuell, Kenntnis regionaler Bedingun- nen (Mitteilungsblätter, Zeitschriften) (Pro: regiona- gen, vertraulich, kostenfrei, unabhängig - Contra: le Konzentration – Contra: gestreckter Veröffentli- Serviceleistung nicht lückenlos bekannt); chungsrythmus, eher zufällige Kenntnisnahme); Gewerbliche Praxisvermittler (Pro: bundesweite Ver- (Internet-)Praxisbörsen auf den Homepages der breitung - Contra: Kosten (je 3% vom Verkaufspreis Mitgliedsverbände des Deutschen Steuerberater- von Käufer und Verkäufer), Seriositäts- und Vertrau- verbandes e.V. (DStV): lichkeitsmängel); BY http://www.stbv.de/praxboer/lvbay/ Gewerbliche Personalvermittler (Headhunter) (Pro: BE/BB http://www.steuerberaterverband-berlin- Fachkenntnisse Personalauswahl – Contra: hohe brandenburg.de/?id=65&name=Praxisboerse Kosten). HB http://www.stbv.de/praxboer/lvbre/ angebote.php3 Zu beobachten ist, dass Scheinangebote in Praxen- DÜ http://www.stbverband-duesseldorf.de/ börsen eingestellt werden: Zum einen von gewerbli- DE/1636/Praxenboerse.php chen Maklern, um Adressmaterial von interessierten HE http://www.stbv.de/praxboer/lvhes/ Erwerbern zu erhalten, zum anderen aber auch von KÖ http://www.stbverband-koeln.de/menu_ Berufsangehörigen, die den eigenen „Marktwert“ bzw. praxen-boerse/content/koeln/praxenboerse.htm das lokale Interesse erkunden wollen. Kommentare MV http://www.stbv.de/praxboer/lvmvp/ zum ersteren erübrigen sich. Ältere Kollegen fragen NDS/SA http://www.steuerberater-verband.de/ übrigens häufig an, woher diese Makler ihre Adresse index_leistungen_praxenboerse.php haben und ein latentes Verkaufsinteresse vermuten. RP http://www.stbverband-rheinland-pfalz.de/ Das Internet macht es leicht, die beliebtesten Vorna- praxenboerse.php men der 40er Jahre: http://www.beliebte-vornamen. SN http://www.stbverband-sachsen.de/ de/3768-1940er-jahre.htm, Milena-Laureen und Lou- sachsen_os/praxenboerse/ Simon sind dort nicht zu finden… 09
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen Zu bedenken ist bei „Testangeboten“, dass potentielle gen dürften Zweifel an der Seriosität/Fachkompetenz Erwerber nicht bei ihren Hausbanken/KfW in Misskre- hervorrufen und die dauerhaft vertrauensvolle Zusam- dit geraten sollten, wenn ernsthafte Finanzierungszu- menarbeit mit diesen Banken ggfs. belasten/in Frage sagen eingeholt werden. Mehrfach unrealisierte Anfra- stellen. 5. Praxis-Übertragungsanlässe Anlässe zur Übertragung einer Praxis sind vielfältig Aus vielen Seminaren mit spontanen Feedbackfragen denkbar. Zu unterscheiden sind freiwillige und un- hierzu wurde deutlich, dass das Gros der teilnehmen- freiwillige Entscheidungen über eine Praxisnachfolge. den Steuerberater gar keine oder nur rudimentäre Re- Anzustreben ist die Vorbereitung der Nachfolge zu gelungen getroffen hat. Periodisch zu aktualisierende Lebzeiten des Praxisinhabers: Plan- und organisierbare Unternehmertestamente werden zwar den Mandan- Abläufe zwischen den Vertragspartnern sind möglich. ten anempfohlen, aber im eigenen Bereich… Bei der Praxis-Übergabe aus Krankheitsgründen ist je Zu regeln sind die Aspekte: Wer kann und darf Sie ver- nach Krankheitsbild dem Praxisinhaber das Heft des treten, wenn Sie kurzfristig für vier Wochen ausfallen? Handelns ggfs. schon aus der Hand genommen. Der Hat Ihre Vertretung alle notwendigen Informationen Leser mag sich fragen, wie viele Beispiele er persönlich und Zugriff darauf, um die Praxis in der Zeit Ihres Aus- oder aus Gesprächen kennt, dass Personen im Kran- falls in Ihrem Sinne/gem. den Anforderungen der Man- kenhaus erwachen, Stimmen wahrnehmen, sehen danten weiter zu führen? Wie lange können Sie von können, aber nicht mehr sprechen und sich nicht mehr Ihrem Ersparten leben, wenn Ihnen etwas zustößt? Ist bewegen können. Ob Hoffnung oder ignorante Arro- Ihre Familie finanziell abgesichert, wenn Ihnen etwas ganz berechtigen, ein solches Schicksal für sich persön- zustoßen sollte? lich auszuschließen, soll offen bleiben. Was wäre aber wenn? Was ist für diesen Fall in und mit der Praxisfort- Grob-Übersicht der Risiken nach Dauer: führung geregelt? kurz-/mittelfristiger Ausfall Geschäftsunfähigkeit/ Tod Betreuungsnotwendigkeit A. Vertretung A. Vertretung A. Vertretung Information (z.B. Angehörige, Mandanten, Information (z.B. Angehörige, Mandanten, Kam- Information (z.B. Angehörige, Mandanten, Kammer, Verband) mer, Verband) Kammer, Verband) Vertretungsregelung (§ 69 StBerG) Vertretungsregelung (§§ 70, 71 StBerG) Vertretungsregelung (§§ 70, 71 StBerG) Vollmachten Vollmachten (Generalvollmacht) Zugang zu Passwörtern Zugang zu spezifischen Passwörtern Zugang zu Passwörtern Zugang zu Konten Zugang zu Konten Testament Verfügungen (Patienten-/Betreuungsverfügung) B. Risiko-Absicherung B. Risiko-Absicherung B. Risiko-Absicherung Versicherungsübersicht Versicherungsübersicht Versicherungsübersicht Übersicht private Vermögen/Schulden Übersicht private Vermögen/Schulden Übersicht private Vermögen/Schulden Übersicht private Finanzen/ Übersicht private Finanzen/Kapitalbedarf Übersicht private Finanzen/Kapitalbedarf Kapitalbedarf Absicherung bestehender Kredite Absicherung bestehender Kredite C. Betriebswirtschaftliche/steuerliche Fragen Organigramm/Stellenplan Praxis Bestellung Kammer Checklisten (Mandanten/Lieferanten, Auftragsübersicht, Verträge, Zahlungsübersichten, Schlüsselverzeichnis Mitgliedschaften) Kündigungfristen Mitarbeiter/Lieferanten Vermögens/Schuldenübersicht Übersicht Praxisplanung 10
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen Detaillierte Hinweise und Checklisten4 zu Notfallplä- § 70 Bestellung eines Praxisabwicklers7 nen („Notfallkoffer“) gibt es in der Literatur5, oder z.T. bei Banken und Versicherungen. Bei Tod eines Steuerberaters kann die zuständige Steu- erberaterkammer einen anderen Steuerberater oder Verwiesen wird explizit auf das Kapitel „5.2.3.5 Hin- Steuerbevollmächtigten in der Regel für die Dauer weise der Bundessteuerberaterkammer zu notwendi- eines Jahres zum Abwickler der Praxis bestellen. Ab- gen Maßnahmen im Todesfall von Steuerberatern“ in wickeln bedeutet, die schwebenden Angelegenheiten dem von der Bundessteuerberaterkammer herausge- abzuwickeln, d.h. die laufenden Aufträge fortzuführen. gebenen „Berufsrechtlichen Handbuch“. Wenn auch der Abwickler berechtigt ist, innerhalb der ersten sechs Monate neue Aufträge anzunehmen, stellt Für eine Übergangszeit hält auch das Berufsrecht im die Abwicklung eigentlich den worst case einer - eben Steuerberatungsgesetz alternative Lösungen parat, vgl. nicht geregelten - Praxisnachfolge dar. hierzu im Einzelnen: Allein zum Erkennen der Hinterbliebenen, dass und § 69 Bestellung eines allgemeinen Vertreters6 wie die weitere Praxisführung zu regeln ist, vergeht wertvolle Zeit, weil die Mandanten – nach einer sehr Steuerberater und Steuerbevollmächtigte müssen ei- kurzen Schamfrist – das Mandat selbst regeln. Die Um- nen allgemeinen Vertreter bestellen, wenn sie länger setzung mit Hilfe der Berufskammern benötigt weite- als einen Monat daran gehindert sind, ihren Beruf aus- ren Zeitbedarf, und die Klarstellung der Abwickler, dass zuüben; die Bestellung ist der zuständigen Steuerbe- es eben keine dauerhafte Perspektive gibt, wirkt - und raterkammer unverzüglich anzuzeigen. Auf Antrag des soll auch - nicht mandatsstabilisierend. Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten bestellt Im Ergebnis verflüchtigt sich der Praxiswert kurzfristig, die zuständige Steuerberaterkammer den Vertreter. die erzielten Einnahmen unter Abzug der Abwicklungs- Der Vertreter muß ein Steuerberater oder Steuerbe- kosten bleiben weit hinter dem Ertrag aus einer Veräu- vollmächtigter (§§ 40, 42) sein. ßerung zurück. Sicher ist jedem Leser der Abs. 1 des § 69 StBerG be- § 71 Bestellung eines Praxistreuhänders8 kannt (oder erinnerlich). Aber wie viel Prozent der rd. 47.000 Praxisinhaber können von sich behaupten, sie Über die Regelung eines eingesetzten Praxistreuhän- hätten eine diesbezügliche Regelung getroffen? Ge- ders wird ein Zeitpolster für langfristige Lösungen schätzt unter 10 Prozent. Warum? Brauche ich nicht, geschaffen. Soll die Praxis eines verstorbenen Steu- ich mache nicht länger als vier Wochen Urlaub, so lang erberaters oder Steuerbevollmächtigten auf eine be- krank werden kann ich mir gar nicht erlauben usw. Die stimmte Person übertragen werden, die im Zeitpunkt Liste der Ausreden ließ sich noch um einen ehrliche- des Todes des verstorbenen Berufsangehörigen noch ren Grund erweitern, man möchte sich nicht ohne Not nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, kann gern in die (Praxis-)Karten sehen lassen. auf Antrag der Erben die zuständige Steuerberater- kammer für einen Zeitraum bis zu drei Jahren einen Empfehlung: Unter dem Aspekt der Praxisnachfolge Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten zum Treu- vielleicht doch einen Berufsangehörigen (vielleicht die händer bestellen. In Ausnahmefällen kann der Zeit- sympathische junge Kollegin die immer im XY-Seminar raum um ein weiteres Jahr verlängert werden. neben Ihnen sitzt) auf das Thema mal unverfänglich anzusprechen: auf die Praxisvertretung, nicht auf die - geplante – Nachfolgeregelung. 4 http://www.lfi-muenchen.de/publikationen/Notfallplan.pdf - http://www.hwk-trier.de/101/klimax3.0/html/hwktrier/download/beratung/notfallplanung.pdf?oid= 3&e173=1 - http://www.liv-fehr.de/themen-von-a-z/notfallplan.html - http://www.rausch-steuerberater.de/oesbilder/Erste-Hilfe-Handbuch.pdf - 5 Bayerisches Staatsministeriums der Justiz (Hg.) - Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter, C. H. Beck, ISBN 3-406-54052-X; Vorsorge für den Erbfall, C. H. Beck, ISBN 978-3-406-55972-3. 6 Vgl. auch 5.2.3.1 Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zur Bestellung eines allgemeinen Vertreters, in Berufsrechtliches Handbuch 2009; Wehmeier, Amt- licher Vertreter und Teilnichtigkeitsklausel, DSWR 1997, S. 94; Gilgan/Wehmeier: Neue Berufspflicht: Bestellung eines allgemeinen Vertreters (§ 69 StBerG), Stbg 1995, S. 107. 7 Vgl. 5.2.3.4 Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zur Tätigkeit des Steuerberaters als Praxisabwickler (§ 70 StBerG), in Berufsrechtliches Handbuch 2009. 8 Vgl. auch 5.2.3.2 Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zur Bestellung eines Praxistreuhänders, in Berufsrechtliches Handbuch 2009. 11
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen Der Treuhänder führt sein Amt unter eigener Verant- X Herrn oder Frau... anzurufen, kann als Erstmaßnah- wortung jedoch für Rechnung und auf Kosten der me genügen. Für Mandanten ist bei Geschäftsunfähig- Erben des verstorbenen Steuerberaters oder Steuer- keit und Todesfällen das Wissen entscheidend, dass bevollmächtigten. Er hat Anspruch auf eine angemes- eine Lösung für die Kanzleifortführung gefunden wur- sene Vergütung. de. Für den Fall der offenkundigen Unsicherheit ohne Lösungsangebot wird die These vertreten, dass nach Welche Lösung zweckmäßig ist, hängt von den rea- ca. 6 bis 8 Wochen keine Praxisübertragung mehr len Umständen im Einzelfall ab. Wichtig ist, dass eine stattfinden muss, weil sich die Mandanten in alle Win- andere Person als der Praxisinhaber informiert ist, die de zerstreut haben. weiß, was zu tun ist. Eine in der Praxis hinterlegte und für eine vertraute Mitarbeiterin zugängliche/auffindbare (!) Notiz, im Fall 6. Der optimale Zeitpunkt für eine Praxisnachfolge? Mit 65 fit for fun in die Rente oder noch Weitermachen reitung auf das StB-Examen, einmal durchgefallen); in der Praxis? Gibt es einen optimalen Zeitpunkt oder 60 Monate (Familiennachfolge: Abitur, Bachelor- –raum für eine Praxisnachfolge? Studium, 2 Jahre berufsvorbereitende praktische Tätigkeit). Gegenfrage: Sind alle Steuerberater gleich alt, gesund, in familiär gleicher Situation, haben gleiche Vor- und Häufiges Argument, „Ich würde ja gern aufhören, aber Berufsqualifikationen, persönliche Wochenarbeits- ich habe so viele Mandanten, die so an mir hängen.“ zeit mit identischen Praxen hinsichtlich Rechtsform, Wirklich? Lohnt es sich wirklich, ohne Mitarbeiter mo- Dienstleistungsangebot, Umsatzaufkommen, Ertrags- natlich noch ein paar Lohnabrechnungen zu machen kraft, Mandantenstruktur, Mitarbeiterqualifikation, Auf- und pünktlich Umsatzsteuervoranmeldungen abzu- bau- und Ablauforganisation, Vertragsbindungen, in geben? Bekanntlich können bis zu 10 % des Um- regional vergleichbarer Lage? Nein? Dann muss wohl satzdurchschnitts der letzten drei Jahre steuerlich auch die Antwort individuell ausfallen. begünstigt fortgeführt werden. Lohnt sich dafür der Kammer- und Verbandsbeitrag, die Versicherungsprä- 1. Gesundheit: heute ja, aber auch noch in einem Jahr? mie? Die Update-Kosten für EDV usw. unter Berück- 2. Finanzielles Muss? Wer auf die Realisierung des Pra- sichtigung der alternativ gewonnenen zeitlichen Frei- xiswertes als die (!) Altersvorsorge gesetzt hat, hat heit, Lebenszeit kommen nie wieder zurück. wenig Alternativen. 3. Fachlich auf der Höhe? Ja sicher, wenn schon die I have a dream…: Mandanten das Gegenteil bemerken, ist es aller- dings zu spät für eine erfolgversprechende Nach- Praxisinhaber 57 Jahre, geplantes Ausstiegsalter 63-65 folge. Jahre. Zur Optimierung des potentiellen Verkaufsprei- ses wird die Praxis in den letzten 5-7 Jahren umstruk- Je ausgeprägter die genannten Umstände/Merkmale turiert (auf Vordermann gebracht): einzeln oder in Kombination real vorhanden sind, je Es werden nur noch Mitarbeiter unterschiedlichen länger wird es dauern, einen geeigneten Nachfolger zu Alters mit hoher Berufsqualifikation und besonde- finden. Vereinzelte Literaturhinweise, dass z.B. bereits rem Interesse an betriebswirtschaftlichen Fragestel- mit dem Erwerb einer Praxis die eigene Nachfolgersu- lungen eingestellt, sie werden erfolgsorientiert ver- che beginnen sollte, sind m.E. irreal. gütet und motiviert. Strategisches Marketing statt Zufallsfunde: Die bisher Aus persönlicher Erfahrung kann folgender Zeitbedarf sich zufällig ergebene Mandantenstruktur wird nach für Normalfälle zur Realisierung einer Praxisveräusse- dem ABC-Prinzip korrigiert. B-Mandanten wer-den rung geschätzt werden: auf dem Weg zu A-Mandaten gebracht, C-Mandate 12 Monate Nachfolger aus Markt; ggfs. aussortiert; neue Mandanten werden nur nach 24 Monate interne Nachfolger (Angestellte in Vorbe- Vorkalkulation und Deckungsbeiträge angenommen 12
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen (Ausnahmen: nachweislich zu erwartende Multipli- Die Rendite steigt auf…. Prozent katoreffekte). Ihre persönliche Arbeitszeit pro Woche sinkt dauer- Statt persönlicher Spezialisierung wird in Wissens- haft auf …. Stunden. datenbanken hinterlegtes Know-How/Expertise für zukunftsträchtige Geschäftsfelder erarbeitet (z.B. Einzige Voraussetzung: Haben Sie noch die Kraft, vom Gesundheitsmarkt, Altersvorsorge etc.). Steuerberater zum Unternehmer zu werden? Die EDV-/Kommunikations-Hard- und Software wird auf das sich abzeichnende Anforderungsprofil des Zum „Weitermachen bis zum ...“ vgl. auch die Hinweise (steuerlichen) E-Government und dem Erwartungs- im Kapitel Übergangsmodelle. horizont der Internet-Generation vorbereitet/ange- passt. Die Aufbau- und Prozessorganisation erfüllt die ISO 9001-2009-Norm und den Anforderungen an Qua- litäts- und Risikomanagement. 7. Erforderliche Verkaufsunterlagen Was müssen für die Verkaufsverhandlungen mindes- Aufstellung Mitarbeiterdaten (u.a. Qualifikation, Ge- tens an Unterlagen vorbereitet/beigebracht werden: haltsdaten, Vereinbarungen) EÜR/Bilanzen min. letzten drei, besser fünf Jahre Mandantenliste (Excel: u.a. Rechtsform, Mandant Letzte Monats-BWA (bei Vertragsschluss) seit, Honorarangaben) Übersicht laufender Verträge (Miete, Leasing, Liefe- rungen etc.) 8. Vorsicht bei Muster-Vorlagen! Schon die im vorstehenden Abschnitt „optimaler Zeit- Mitgliedern der DStV-Landesverbände zugängliche punkt“ aufgezählten Fallumstände dürften deutlich Muster für einen Verkaufsvertrag finden sich im Ser- gemacht haben, dass es keinen alle Individualitäten vicebereich auf deren Homepages unter: stbdirekt – umfassenden und abschließend formulierten Ver- Musterverträge: kaufsvertrag geben kann. 13
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen DStI-Mustervertrag Jahre sein. Diese Formel mag wirtschaftlich gerecht- (StBdirekt-Nr. 004267, PDF - 0,09MB) fertigt und vertretbar sein. Ist sie es aber auch, wenn Praxisübertragungsvertrag mit Erläuterungen der Umsatz in den letzten drei (fünf) Jahren kontinu- DStI-Mustervertrag ierlich gesunken ist? In Zahlen (nur beispielhaft): (StBdirekt-Nr. 004268, PDF - 0,08MB) Praxisübertragungsvertrag ohne Erläuterungen Jahr € Umsatz Gewichtet gew. Umsatz 2006 600.000 1 600.000 Zum Teil sind bei den Mitgliedsverbänden weitere Muster erhältlich, auf die verwiesen wird, z.B. 2007 550.000 2 1.100.000 Muster Mandantenliste 2008 500.000 3 1.500.000 Muster Mitarbeiteraufstellung 2009 500.000 4 2.000.000 Muster Information der Mandanten incl. Zustimmung zur Datenübertragung. 2010 450.000 5 2.250.000 Ø 520.000 15 496.667 Grundsätzlich sollte jede Vertragspartei äußerste Vor- überhöht % 115,6 110,4 sicht walten lassen, wenn ein Vertragspartner auf von Berufsorganisationen herausgegebene Mustervorlagen verweist, die damit scheinbar quasi geprüft und neu- Wird also ein als Musterformulierung vorgegebener tral sein sollen. Beispiel für eine solche Vertragsfalle: Durchschnittsumsatz akzeptiert, stellt sich die Bemes- Der Kaufpreis soll mit dem Umsatzverfahren ermittelt sungsgrundlage mit rd. 15 bzw. 10 % überhöht dar, werden. Bemessungsgrundlage soll der (ggfs. gewich- deren rechnerische Fehlwirkung sich durch den Multi- tete) Durchschnittsumsatz der letzten drei (oder fünf) plikator noch wesentlich erhöhen kann. 9. Mitarbeiter – wo bleiben sie? Eine häufig gestellte Frage: „Was wird aus meinen Mit- Gedanken über den Fortbestand der Praxis und ihrer arbeitern? Ich möchte, dass sie ihre Arbeitsplätze be- Arbeitsplätze machen. halten.“ Wann sollte man die Mitarbeiter über die Nachfolge § 613 a BGB schreibt bei Betriebsübergängen die informieren? Wenn der Übertragungsvertrag „in tro- Übernahme des Personals vor, Kündigungen wegen ckenen Tüchern“ ist. Soweit mit dem Nachfolger noch des Inhaberwechsels sind nicht zulässig. Die Erhaltung über einzelne Modalitäten verhandelt wird und der des Mitarbeiterteams ist aber nicht nur rein rechtlich Übergang daran noch scheitern kann, ruft die Bekannt- notwendig, sondern liegt im ureigensten Interesse gabe eines vorläufigen „Zwischenstandes“ eher Ver- des Erwerbers. Praxisinhaber sind alleinige vertragliche unsicherung hervor, als den gegenteilig gewünschten Partner ihrer Mandanten. Zu den Mitarbeitern besteht Effekt. Im Gegenteil, tendenziell unsichere Mitarbeiter aber durch den häufigeren Kontakt bei der laufenden werden vielleicht bei sich hinziehenden Verhandlun- Mandatsbearbeitung vielfach ein genauso intensives gen ihrerseits aktiv werden und sich um einen neuen (Vertrauens-)Verhältnis, das nicht unnötig unterbro- Arbeitsplatz bemühen, schlimmstenfalls unter Mitnah- chen werden sollte. Mandantenbefragungen haben me ihrer Mandanten. Dadurch könnte sogar vor Ab- bestätigt, dass ein häufiger persönlicher Zuständig- schluss der Vertragsverhandlungen deren wirtschaft- keitswechsel ein Kündigungsgrund sein kann. lich relevanteste Substanz, der Mandantenstamm, gefährdet werden. Wenn der Wechsel des Praxisinhabers allein schon ein Kündigungsgrund sein kann, bedeutet ein gleichzeiti- Soweit Erwerber aus Kostengründen eine Reduzierung ger Wechsel des zuständigen Sachbearbeiters ein er- des Mitarbeiterbestandes und Kündigungen einfor- höhtes Risiko, dem sich kein Erwerber aussetzen sollte. dern, sollten diese durch den Veräußerer ausgespro- chen werden. In der Regel werden dazu Abfindungs- Sicher werden sich auch die Mitarbeiter ab einem be- zahlungen notwendig, die aber im Kaufpreis erhöhend stimmten erreichten Lebensalter des Praxisinhabers berücksichtigt werden können. Der zu erwartende Un- 14
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen mut der gekündigten (und die Verunsicherung der ver- Alter, Eintrittsdatum, Berufsqualifikation, Gehalt, ge- bleibenden) Mitarbeiter würde sich aber gegen den haltliche/soziale Nebenleistungen, Urlaubsanspruch, Veräußerer wenden und nicht das erst aufzubauende Wettbewerbsverbot, arbeitsrechtliche Besonderheiten. Vertrauensverhältnis zum Erwerber schon vorab belas- ten. Die Namen der Mitarbeiter müssen nicht aufgeführt werden9. Zwar ist grundsätzlich der Schutz persön- Aus den gleichen Gründen erscheint es auch nicht licher Daten zu beachten, aber ohne Kenntnis der opportun, soweit mit dem Arbeitsrecht vereinbar, zeit- vorgenannten Kriterien kann nach persönlicher Auf- nah mit der Praxisübertragung Veränderungen im Ge- fassung eine sachgerechte Entscheidung über den haltssystem vorzunehmen, also z.B. ein Wechsel von Praxiserwerb nicht getroffen werden. Gegebenenfalls einem Umsatz-/Gewinn-Beteiligungsmodell zurück zu kann auch eine Vertraulichkeitsabrede mit potentiellen einem monatlichen Festgehalt. Die so variabel bezahl- Erwerbern getroffen werden, die diese verpflichtet, im ten Mitarbeiter würden es als geminderte Akzeptanz Falle des Nichterwerbs diese Tabelle bzw. übergebene ihrer individuellen Leistungsstärke empfinden. Unterlagen (z.B. verwendete Arbeitsverträge) zu ver- nichten. Eine Excel-Tabelle mit den Mitarbeiter-Daten gehört zu den bereit zu stellenden Verkaufsunterlagen, z.B. mit folgenden Angaben: 10. Praxiswert - wie ermitteln? 10.1. Bewertung des ideellen Praxiswerts in Verkaufsfällen Zum Pro und Contra der relevanten Bewertungsme- Fälle zwischen 80-120 %. Der verhandelte Preisrah- thoden, insbesondere den brancheneinschlägigen Be- men kann darüber oder darunter liegen. wertungshinweisen der Bundessteuerberaterkammer, ist alles Wesentliche gesagt und geschrieben10. Das Mit der Frage, wie hoch der Verkaufs-Prozentsatz sein Umsatzverfahren wird als vereinfachte Preisfindun- könnte, sind auch der Bewertungsanlass und damit gen11 in der theoretischen Bewertungsliteratur über- die Bewertungsmethode, das sog. Umsatzverfahren wiegend abgelehnt, ist real unter den anwendenden vorgegeben. Nach dem Verfahren wird ein Prozentsatz Vertragspartnern (keine Gutachter) aber weiterhin Nr. (Multiplikator) mit einer Bemessungsgrundlage (dem 1. Die typische Alltagsfrage aus dem Kollegenkreis lau- um Sondereinflüsse bereinigte fortführbare Nettoum- tet deshalb weiter: „Zu wie viel % kann ich die Praxis satz) multipliziert. Detailinteressierte werden auf die verkaufen?“ Antwort: Mit Stand Frühjahr 2012 liegt der Literatur verwiesen12. realisierte Bewertungsrahmen für rd. 95 Prozent aller 9 Es sind aber auch Situationen denkbar, dass Erwerber mit zu übernehmenden Mitarbeitern in arbeitsrechtliche Streitigkeiten aus vorangegangenen Arbeitsver- hältnissen involviert waren und auf Konsensfähigkeit zu prüfen sind, 10 Vgl. hierzu mehrfach Wehmeier, Praxisbewertung: Ertragswertmethode - und sonst nichts?, Stbg 1996, 486; Veräußerung einer Steuerberater-Praxis, DSWR 1997, 230; Bewertung einer Steuerberater-Praxis - Ergänzung und Erwiderung zu Platz, INF 2000, S. 310 ff. -, INF 2000, 598; Planung der Kanzleinachfolge, DSWR 2003, 2; Nachfolgeplanung bei freiberuflichen Praxen im Familienbesitz, DSWR 2005, 361; Praxisveräußerung: Ein filmreifes Fallbeispiel - Besprechung des OLG Naumburg-Urteils v. 19.07.2005 - 1 U 83/04 -, Stbg 2006, 80; Praxisverkauf und Vertragsfalle „Kaufpreisreduzierung, INF 2006, 678; Unternehmensbewertung: Das „angelehnte“ Ertragswertverfahren, Stbg 2007, 436; Praxisbewertung: Wert- und Preistreiber, Stbg 2008, 19; Praxisbewertung – Anmerkungen zu den Hin- weisen der Bundessteuerberaterkammer v. 30.6.2010, StBg 2010, 465; Bewertung von Steuerberater-Praxen, NWB 9/2011, 726; Praxisbewertung: Praxiswert entwertet?, StBg 11/2011 (i.Vorber.); Umsatzverfahren ablehnend: Peemöller/Meyer/Pries, Bewertung von Steuerberatungskanzleien, DSWR 1998, 78; Peemöl- ler/Bömelburg/Hoferer, Ansätze zur Ertragswertermittlung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien, DStR 1994, S. 914. 11 IDW-Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1 i.d.F. 2008), FN-IDW 2008, S. 271, Rz 164 f. 12 Vgl. Wehmeier, Praxisübertragungen, Rz 216. 15
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen Korrekturschritt Fallumstände 2009 2010 2011 Netto-Umsatz € 300.000 310.000 305.000 - persönliche Umsätze Testamentsvollstreckung -2.000 Beirat, Autor -500 - einmalige Umsätze Schenkungsfälle -4.500 Gutachten -3.000 Erbschaftssteuerfälle -5.000 Außenprüfungen -2.500 - entfallende Umsätze gekündigt -1.500 Betriebsaufgabe Insolvenz -6.500 abgerechnete 2-Jahresumsätze -1.000 - durchlaufende Posten weiterberechnete EDV-FiBU-Kosten -1.200 -1.200 -1.200 + Korrekturposten besond. Krankheitstand Mitarbeiter 7.800 = Zwischensumme -8.200 -16.200 2.100 bereinigte Umsätze 291.800 293.800 307.100 Durchschnittsumsatz 297.567 x individueller Multiplikator 105% = ideeller Praxiswert 312.445 Sofern andere Anlässe als der Verkaufsfall vorliegen, wird auf gesetzliche bzw. höchstrichterliche Hinweise bzw. Vorgaben zur Bewertungsmethodik verwiesen. 10.2 Erbschaftsteuerliche und ertragsteuerliche13 Bewertungsanlässe Maßgeblich ist seit dem 1.1.2009 das vereinfach- lungsstromorientierten Verfahren bei der Bemessung te Ertragswertverfahren14 gem. §§ 199 ff BewG. Die des Kaufpreises eine andere übliche Methode zugrun- Bewertung kann nach dem vereinfachten Ertrags- de legen würde, können sich insbesondere auch aus wertverfahren erfolgen. Sind branchentypisch ertrags- branchenspezifischen Verlautbarungen ergeben, z.B. wertorientierte Verfahren ausgeschlossen (weil z.B. bei Kammerberufen aus Veröffentlichungen der Kam- Multiplikatorenverfahren oder Substanzwertverfahren mern16. zur Anwendung kommen), ist das vereinfachte Er- tragswertverfahren nicht anzuwenden. Sind branchen- FAZIT: Da die Bewertungshinweise der BStBK auch das typisch auch ertragswertorientierte Verfahren anzu- Multiplikatorverfahren vorsehen und dies tatsächlich in wenden, ist eine Bewertung nach dem vereinfachten praxi überwiegend angewendet wird, ergibt sich nicht Ertragswertverfahren möglich.15 Anhaltspunkte dafür, die ausschließliche Anwendung des vereinfachten Er- dass ein Erwerber neben den Ertragswert- oder zah- tragswertverfahrens. Es ist möglich, aber nicht zwingend. 13 BMF v. 22.9.2011, Bewertung von Unternehmen und Anteilen an Kapitalgesellschaften; Anwendung der bewertungsrechtlichen Regelungen für ertragsteuerliche Zwecke, IV C 6 – S 2180/10/10001, BStBl 2011 I, S. 606. 14 Vgl. z.B. Knief/Weippert, Erste praktische Erfahrungen mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren gemäß §§ 199 ff. Bewertungsgesetz, Stbg 2010,1; Gerber/ König: Die Konsequenzen des vom BMF festgelegten Basiszinssatzes, BB 2010, S. 348; Flöter/Matern, Erbschaftsteuerreform: Fehlbewertung von Betriebsver- mögen - Vereinfachtes Ertragswertverfahren ist keine geeignete Methode, NWB 2008, S. 1727; Stamm/Blum, Erbschaftsteuerliche Bewertung von Betriebs- vermögen: Vereinfachtes Ertragswertverfahren und Paketzuschlag - Der neue Erlass der Finanzverwaltung zur Bewertung nach der Erbschaftsteuerreform, StuB 2009 S. 806. 15 Abschn. 19 Abs. 1: Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftssteuer- und Be- wertungsgesetz v. 17.5.2011, BStBl I 2011, S. 606. 16 H 3 (1) Abschnitt 3. Nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften Abs. 2 Satz 3, Anwendung der §§ 11, 95 bis 109 und 199ff. BewG i.d.F. durch das ErbStRG, Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 25.6.2009, BStBl I 2009, 698. 16
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen 10.3. Der Praxiswert beim Zugewinnausgleichsanspruch „Eine Bemessung dieses Wertes allein nach dem Um- BGH-Begründung, „…der Sachverständige habe den satz verbietet sich schon deswegen, weil der Umsatz immateriellen Wert der Zahnarztpraxis zu Recht nach keine sicheren Rückschlüsse auf die Gewinnerwartung einer bewertenden und deshalb als „modifiziert“ be- und somit auch nicht auf den am Stichtag realisier- zeichneten Ertragswertmethode bestimmt…“. Aufklä- baren Wert zulässt. …Ein reines Umsatzwertverfahren rend dagegen der BGH-Hinweis, „ein zusätzlich zu eignet sich deswegen auch nicht als Vergleichsmaßstab bewertender Goodwill der freiberuflichen Kanzlei oder für eine andere Bewertungsmethode. … Stattdessen Praxis darf aber nicht darauf hinauslaufen, künftig zu hat der Senat schon in seiner bisherigen Rechtspre- erzielende Gewinne zu kapitalisieren und güterrecht- chung eine modifizierte Ertragswertmethode gebilligt, lich auszugleichen. Vielmehr ist auch insoweit nur der die sich an den durchschnittlichen Erträgen orientiert am Stichtag nachhaltig vorhandene Wert der Praxis und davon einen individuellen Unternehmerlohn des oder des Praxisanteils zu erfassen, der sich in der bis Inhabers absetzt“17. „Die Bewertung einer freiberufli- dahin aufgebauten und zum maßgeblichen Zeitpunkt chen Praxis erfolgt grundsätzlich auch nicht nach dem vorhandenen Nutzungsmöglichkeit niederschlägt…“19 reinen Ertragswertverfahren, weil sich eine Ertragspro- Entgegen dem IDW S1 Ansatz einer zukunftsorien- gnose kaum von der Person des derzeitigen Inhabers tierten Barwertberechnung künftiger Überschüsse trennen lässt und der Ertrag von ihm durch unterneh- endet bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs- merische Entscheidungen beeinflusst werden kann.“18 anspruchs die Zukunft am Bewertungsstichtag (dem Zustellungstag der Scheidungsklage). Fazit: Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein modifiziertes Ertragswertverfahren anzuwenden. Der Sachverständige hat den Anspruch im BGH-Fall Fraglich könnte sein, worin die „Modifizierung“ des vom 9.2.2011 wie folgt ermittelt: Ertragswertverfahrens liegt? Wenig erhellend ist die DM durchschnittliche Praxiseinnahmen 1996-1998 3.116.476,17 90 % davon als nachhaltig realisierbar 90% 2.804.828,55 abzgl. Kosten, Ausgaben, AfA pp 1.859.314,00 durchschnittl. Praxisrohgewinn 1996-1998 945.514,55 abzgl. Ertragsteuern darauf 35% 330.930,09 abzgl. Unternehmerlohn (2 Inhaber) 180.000,00 Ertragswert 434.584,46 multipl. mit nachschüssigen Rentenbarwertfaktor 2,7620 Goodwill 1.200.322,28 zzgl. Substanzwert 189.985,00 Praxiswert mod. Ertragswertmethode 1.390.307,28 davon 1/2 = Anteil Antragsteller 50% 695.153,64 abzgl. latente ESt (Fünftelregelung) 373.996,00 Ausgleichsanspruch aus Praxis 321,157,64 Aus vorstehender Berechnung ergeben sich weitere Fragen: 17 BGH vom 2.2.2011, XII ZR 185/08, DStR 2011, 1683. 18 BGH vom 9.2.2011, XII ZR 40/09, HFR 2011, S. 914. 19 BGH vom 9.2.2011 a.a.O. 17
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen Wie wird der kalkulatorische Unternehmerlohn er- folgt für den relevanten Zeitraum geschätzt werden: mittelt? 4,5 % abzgl. 35 % ESt = Netto-Basiszins zzgl. rd. 45 % Woraus ergibt sich der Rentenbarwertfaktor? Risikozuschlag (4,5–1,58 = 2,93+1,33 =4,25). Welche Steuerlast kann vom Praxiswert abgezogen werden? Offen bleiben die Bestimmungsgründe des mit drei Jahren bemessenen Kapitalisierungszeitraums, hier Zu 1) und 3): Mit Urteil vom 2.2.2011 hat der BGH als „Nachhaltigkeitsdauer“ bezeichnet. Warum be- entschieden, dass bei der Bewertung des Goodwills trägt sie hier bei einer Gemeinschaftspraxis nur drei ein Unternehmerlohn abzusetzen ist, der den individu- Jahre und im zitierten BGH-Fall v. 9.2.2011 für eine ellen Verhältnissen des Praxisinhabers entspricht. Der StB-Einzelpraxis sechs Jahre? Die Begrifflichkeit und Unternehmerlohn hat insbesondere der beruflichen zeitliche Begrenzung der Nachhaltigkeitsdauer ist mit Erfahrung und der unternehmerischen Verantwortung der Methode der modifizierten Übergewinnverrentung Rechnung zu tragen sowie die Kosten einer angemes- verbunden und primär der Literatur22 und Rechtspre- senen sozialen Absicherung zu berücksichtigen. Von chung23 zur Bewertung von medizinischen Praxen zu dem ermittelten Wert der Praxis sind unabhängig von entnehmen. Sie wird z.T. mit zwei bis fünf Jahren ange- einer Veräußerungsabsicht latente Ertragsteuern in Ab- nommen, weil der Erwerber nach dieser Zeit den Wert zug zu bringen. Diese sind nach den tatsächlichen und des Patientenstammes durch das gewonnene Vertrau- rechtlichen Verhältnissen zu bemessen, die am Stich- en seiner Patienten auf sich übertragen haben soll. tag vorlagen.20 Andere Autoren beziffern die Nachhaltigkeitsdauer der Gewinnerzielung je nach objekt- oder subjektbeding- Zu 2) Der Kapitalisierungszins bildet zusammen mit ter Unterscheidung des Goodwills mit einer Dauer zwi- der Kapitalisierungsdauer rechnerisch wichtige Ein- schen drei und acht Jahren24. flussfaktoren in jeder Ertragswertberechnung und ist von entscheidender Bedeutung. Den Rentenbarwert- Der Begründungsvielfalt zur Bestimmung der Nachhal- faktor „hat das sachverständig beratene Oberlandesge- tigkeits- oder Goodwillverflüchtigungsdauer25 sind da- richt mit einem Rentenbarwertfaktor multipliziert, den mit kaum Grenzen gesetzt. In der wissenschaftlichen es für das Ende der Ehezeit mit 2,7620 bemisst. Dabei Literatur werden Übergewinnverfahren überwiegend hat es den im Rahmen seiner Bewertungsmethode abgelehnt.26 Eine Verdoppelung der Nachhaltigkeits- um die Ertragssteuer reduzierten Basiszinssatz, einen dauer auf „unverdächtige“ sechs Jahre hätte im Fall der Zuschlag für das allgemeine Unternehmensrisiko, eine Gemeinschaftspraxis (BGH vom 2.2.2011) den Good- Abzinsung der Zukunftsgewinne und eine dreijährige willanteil um rd. 530.000 DM bzw. 56 % erhöht. Ob Nachhaltigkeitsdauer berücksichtigt.“21 Dies ergibt ei- es sich lohnt, für diesen Betrag ein paar Überlegungen nen Kapitalisierungszins von 4,25 %. Höhe des Basis- anzustellen, mag der Leser entscheiden… zinses, sowie Höhe des Risikozuschlages können wie 20 BGH vom 2.2.2011, XII ZR 185/08, DStR 2011, S. 1683. 21 BGH v. 2.2.2011, Rz 42. 22 Vgl. z.B. Boos, der den Zeitraum der Nachhaltigkeit als zentrale Fragestellung beim modifizierten Ertragswertverfahren bezeichnet, Bewertung von Arztpraxen im Rahmen des Zugewinnausgleichs“, MedR 2005, S. 203 ; Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer ärztlichen Praxis, Band 5 Beratungsservice für Ärzte, 4.Aufl. 1999, S.80 f. Für StB vgl. Hübner/Hübner, Abenteuer Steuerberatung, S. 32 (ohne weiterführende Hinweise). 23 Schlesw.-Holst. OLG vom 29.1.2004, 5 U 46/97, MedR 2004, S. 215. 24 Kralicek/Kralicek/Böhmdorfer, Kennzahlen für Geschäftsführer, S. 425. 25 Knief, Praxisbewertungstool für Steuerberaterpraxen, Rz 1827, www.peter-knief.de. 26 Schmitz, Unternehmensbewertungstheorie und –praxis – Validität praxisrelevanter Unternehmensbewertungsverfahren, Diss. 2010, Berg. Universität Wuppertal, S. 61 mit Verweis auf Moxter, Die Bedeutung der Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, ZfbF 1980, S. 454. 18
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen 11. Kaufpreis – wie setzt er sich zusammen? Was bestimmt den Kaufpreis? Ein vorstehend nach derungen und Verbindlichkeiten werden üblicherweise dem Umsatzverfahren ermittelter Praxiswert bezieht nicht vom Käufer übernommen, sondern vom (Alt-) sich nur auf den ideellen Praxiswert, verstanden als Praxisinhaber realisiert. Wert des Mandantenstammes. Der Kaufpreis insge- samt ergibt sich überschlägig wie folgt: Achtung Fallstrick: Bewertung des Literaturbestandes! Jahr(zehnt)elang z.T. persönlich eingeordnete Ergän- „bereinigter“ €-Umsatz (BMG) zungslieferungen in Loseblattsammlungen führen x Multiplikator (%) gelegentlich zu einer überhöhten Wertschätzung der = ideeller Praxiswert (€) vorhandenen Bibliothek, die zu Fehlentscheidungen + Substanzwert (Inventar) führen können: „Wer meine Bibliothek nicht achtet, + ao Erträge wird auch meine Mandanten nicht achten!“ Pauschal- (z.B. Mietkaution, DATEV-Rückvergütung, angebote können hier aus einer emotionalen Verhand- Bankbürgschaft) lungssackgasse führen. = Verkaufspreis (€ Netto o. USt)) Beim Ertragswertverfahren gem. IDW S1 kommt zum Bei der Bewertung des Substanzwertes, hier primär Ertragswert (Barwert der finanziellen Überschüsse) des Inventars, hat sich in der Praxis statt einer Einzel- noch der Liquidationswert des nicht betriebsnotwendi- bewertung oder Übernahme der Buchwerte, häufig gen Vermögens (Tz 59 ff). Vereinfacht kann dies dem eine Pauschalierung bzw. Schätzung als vorteilhaft vorstehend genannten Substanzwert gleichgesetzt erwiesen. Vor der Praxisübertragung entstandene For- werden. 12. Nachträgliche Kaufpreisänderungen? Häufig gewünscht und ggfs. zur Mandantenüberlei- Mandanten bleiben, oder wie sich die Umsätze nach tung sinnvoll kann sein, dass der Verkäufer für einen der Übergabe entwickeln würden. bestimmten Zeitraum als Freier Mitarbeiter für den Er- werber tätig wird. Das kann kostenfrei z.B. 5 Stunden Häufige Frage, ob das Ausscheiden bzw. Verlustrisiko pro Woche im Zeitraum von 1-3 Monaten erfolgen, vom Erwerber oder noch vom Verkäufer zu tragen ist: darüber hinaus ein zu vergütender Stundensatz von x „Was machen denn die Anderen, was ist üblich?“ Es vereinbart werden. Kaufpreiserhöhend kann aber gere- kann unterschiedlich geregelt werden: gelt werden, wenn der Verkäufer nach der Praxisüber- tragung neue Mandate für den Erwerber akquirieren 1. Endgültiger Preisabschlag (in % vom Gesamtpreis kann. Solche nachträglich gewollten Erhöhungen des oder pauschal in €) Verkaufspreises sind zulässig und eher einvernehm- 2. Minderungsklausel (nach tatsächlicher Entwicklung) lich, aber explizit im Verkaufsvertrag, zu vereinbaren. 3. Kompromiss-Auffüll-Klausel (nachträgliche Minde- rungen und Zuwächse werden berücksichtigt) Kontrovers wird dagegen die Frage nachträglicher 4. Endgültiger Kaufpreis (ohne nachträgliche Variatio- Kaufpreissenkungen diskutiert, wenn Mandanten nen) nach dem Übertragungsstichtag kündigen27. Der bis- her erzielte Umsatz kann auch sinken, weil sich die Persönliche Auffassung des Verfassers: Honorar-Bemessungsgrundlagen bei den Mandanten Vor der Praxisübergabe sind die Mandanten zu befra- verändert haben. Diese vertraglichen Regelungen wer- gen, ob sie das Auftragsverhältnis mit dem Erwerber den z.T. als Minderungs-, Umsatzrückrechnungs- oder fortsetzen. Nur die zustimmenden Mandanten werden Springerklausel bezeichnet. Geltend gemacht werden auch bezahlt, nicht Zustimmende scheiden aus der sie gern mit dem Hinweis, man wisse ja nicht ob die Bemessungsgrundlage aus. Gekaufte Mandate sind für 27 Synonym zu verstehen für Fälle der Betriebsaufgabe, Insolvenz usw. 19
Praxiserwerb und -nachfolge bei steuerberatenden Berufen den Erwerber wie selbst extern vom Markt gewonnene übergabe erzielt wird.“ Mit einer solchen unbegrenz- Mandate zu behandeln. Zu beiden kann zu Beginn kein ten Klausel lassen sich sehr wirksam wirtschaftlich Vertrauensverhältnis bestehen, sondern muss durch unattraktive Mandanten aussondern (sog. B- und C- gemachte Erfahrungen aufgebaut werden. Damit liegt Mandate). Die Klauseln finden sich in verschiedensten es allein im Einflussbereich, Geschick und (Wohl-)Wol- Varianten in fast allen Musterverträgen! Im Ergebnis len des Erwerbers, wie intensiv und zufriedenstellend kann der Erwerber den endgültigen Kaufpreis bestim- er das Auftragsverhältnis zum Mandanten gestaltet. men. Auch der Hinweis auf Korrektur-Formulierungen Darauf hat und soll i.d.R. der Verkäufer keinen Einfluss „…soweit sie nicht vom Erwerber zu vertreten sind…“ mehr (haben). An diesem laufenden Geschäftsrisiko bringt keine Rechtssicherheit.28 Persönliches Fazit: kei- würde sich der Verfasser nicht beteiligen wollen. ne Klausel, keine Preisabschläge! Achtung Vertragsfalle: „Der Kaufpreis bestimmt sich nach dem Umsatz, der nach einem Jahr ab der Praxis- 13. Kaufpreiszahlung – wie abwickeln? Entgeltlich (Barzahlung, Raten, Renten, Mischformen, Abzahlungen durch Beteiligung an Umsätzen oder Ge- Umsatz-/Gewinnbeteiligungen, Sachwerte) oder un- winnen, z.B. fünf Jahre 20 % vom Umsatz? Kann man entgeltlich (Schenkung, vorweggenommene Erbfol- machen, bedeutet aber fünf Jahre Unsicherheit und ge)? Jede Tilgungsform hat steuerliche Konsequenzen Beteiligung in/an der künftigen Entwicklung. Außer- für Verkäufer und Erwerber (für letzteren auch be- dem zu kontrollieren bzw. Einsichtnahme in Unterla- triebswirtschaftliche). Wann und wie sollte/könnte der gen, die den erworbenen Mandantenstamm von neu Kaufpreis gezahlt werden? Entscheidend sind m.E. die und selbst gewonnenen Mandanten unterscheidet. Lebenspläne des Verkäufers. Von welchen Käufern sind sichere Finanzierungen zu Überwiegend (bitte nicht als „berufsüblich“ werten) erwarten? Jüngere Erwerber (Existenzgründer) finan- wird vereinbart: zieren i.d.R. durch KfW-Mittel (15-20 % Eigenkapital Anzahlung bei Vertragsschluss: Dokumentiert beider- wird erwartet). Etablierte Berufsangehörige verfü- seitig die Ernsthaftigkeit der Vertragsdurchführung gen i.d.R. über höheres Eigenkapital, erwarten aber 2. Teilzahlung bei Praxisübergabe auch belastbare Renditedaten der Praxen. Berufs- Restzahlung(en) je nach Wunsch und Einzelumstän- Gesellschaften/-Netzwerke/-Ketten versprechen z.T. den bis zu 1-2 Jahren nach Übergabestichtag. großzügige Lösungen, fraglich ist fraglich ist nur, was real in EURO als Kaufpreis zum Zeitpunkt x auf dem Rentenzahlungen: Nein danke, wenn sie nicht durch sofort vollstreckungsfähige Titel abgesichert sind/wer- Konto des Verkäufers eingeht und dort bleibt den können. 14. Achtung Verschwiegenheitspflicht: Zustimmung der Mandanten erforderlich! Der BGH hat mehrfach entschieden, dass aufgrund Rechtlich nicht tragfähig sind Literaturhinweise, die des informationellen Selbstbestimmungsrechts, die durch „Scheinsozietäten“ das Problem zu umgehen Mandanten schriftlich der Übergabe ihrer edv-gespei- versuchen. Der vom BGH entschiedene Fall war nur cherten Daten an den Praxisnachfolger zustimmen auf Grund der besonderen tatsächlichen Umstände müssen. Ein Verstoß tatsächlicher oder rechtlicher Art gerechtfertigt, weil die Erwerber seit Jahren die Man- (im Vertrag) hätte die Nichtigkeit des gesamten Vertra- danten kannten und deren RA-Fälle bearbeitet hat- ges zur Folge. ten29. Keinesfalls genügt eine Fallgestaltung, in der sich 28 Zur Nichtigkeit einer solchen Klausel vgl. OLG Naumburg vom 19.7.2005, 1 U 83/04, Stbg 2006, S. 80; Zu de-ren Wirksamkeit bei Kenntnis des Käufers von ihrer Bedeutung, OLG Naumburg vom 29.3.2006, 1 U 48/05, INF 2006, S. 484. 29 BGH v. 13.6.2001, VIII ZR 176/00, NJW 2001, S. 2462. 20
Sie können auch lesen