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AUF DEN PUNKT. Das Servicemagazin für unsere Mitglieder Nr. 5 / Okt. 2020 Digitalisierung: Der Rhythmus, bei dem man mit muss Seite 10 Ambulante Notfallversorgung à la Hessen Seite 4 info.service Offizielle Bekanntmachungen Seite 22
INHALT STANDPUNKT Die tibetanische Gebetsmühle 3 AKTUELLES Ambulante Notfallversorgung à la Hessen 4 „Signalkraft in Richtung Berlin ist da“ 7 Hausärztin Birgit Beyer gehört zum Corona-Heldenkader 9 TITELTHEMA Digitalisierung: Von den Besten zu lernen wäre besser gewesen! 10 Grünes Licht für die Telematikinfrastruktur 12 „Die TI gehört in den Elektronikschrott!“ 14 „Mehrwert der Digitalisierung muss erkennbar sein“ 18 KIM kommt 20 Papierbescheinigung ade 22 Elektronischer Heilberufsausweis 2.0 23 Die Hoheit der elektronischen Patientenakte liegt beim Patienten 25 Twitter-Nachrichten als Quelle für Forschung 27 Gesundheits-Apps – auf Papier verordnet 28 Steigendes Interesse an Videosprechstunde 31 GUT INFORMIERT Tipps für eine sichere Praxis-IT 34 IT-Sicherheit: Neue Vorgaben im Anmarsch 36 Baustelle DMP Herzinsuffizienz 37 QUALITÄT QM soll leben – auch die Richtlinie 38 PRAXISTIPPS Meine Daten in der Arztsuche 40 Gesundheitsportal geht online 40 Wie war das? Fragen aus der Praxis 42 SERVICE Ihr Kontakt zu uns/Impressum 43 2 AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020
STANDPUNKT Die tibetanische Gebetsmühle Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, nicht immer sind Wiederholungen derart erleuchtend, wie es der tibetische Buddhismus der mittlerweile sprichwörtlichen Gebetsmühle zuschreibt. Wiederho- lungen sind oft lästig, manchmal sogar nervtötend. Und sie lösen beim Empfänger sehr oft den Reflex des „Lass mich doch bitte endlich damit in Ruhe“ aus. Mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist es genau- so. Keiner kann es mehr hören, sein muss es trotz- dem. Und deshalb ist die „Digitalisierung“ auch eines als Hessen versuchen dies, wo es uns möglich ist, so unserer Dauerbrennerthemen in der Kommunikation zum Beispiel bei unserem eRezept-Projekt MORE, das mit Ihnen. Denn es muss sein, auch wenn es kaum wir technologisch eng an den guten Erfahrungen aus noch einer hören kann und will. Der Spagat zwischen Estland ausgerichtet haben. gesetzlichem „Muss“ und dem ärztlichen Fragen nach dem Sinn durchzieht unsere Titelstrecke dieser Aus- Wann es in Deutschland so weit ist, dass wir mit Mut gabe in besonderem Maße. Denn auf der einen Seite und richtigen Entscheidungen endlich Schwung in ist es uns wichtiger denn je, uns politisch zu positio- die Digitalisierung bringen, können wir nicht sagen. nieren und Fehlentwicklungen auch als solche zu be- Ob die Verstaatlichung der gematik durch Herrn nennen. Auf der anderen Seite steht unsere Verpflich- Spahn ein Beleg für Hyperaktivität, das Reißen des tung, gesetzliche Regelungen durchzusetzen, selbst Geduldsfadens oder die richtige Weichenstellung ist, dann, wenn wir sie für falsch, in diesem Themenkom- beurteilen Sie deshalb ebenfalls bitte selbst. Es steht plex sogar für grob falsch, halten. auf jeden Fall zu befürchten, dass wir noch sehr oft über die Digitalisierung werden reden müssen, bevor Erklären kann man es ja auch kaum noch, warum Besserung in Sicht ist. wir in Deutschland bei der Digitalisierung so langsam vorankommen und von „Konkurrenten“ wie den bal- Mit kollegialen Grüßen, Ihre tischen Staaten mittlerweile um Lichtjahre abgehängt wurden. Vielleicht ist die Erklärung aber auch ganz einfach: Vielleicht sind es die Industrieinteressen, die uns seit Jahren in die falschen – weil veralteten – Pro- jekte investieren und uns konsequent an Gabelungen in die falsche Richtung abbiegen lassen? Dann wäre der Umkehrschluss einfach. Lasst uns in Deutschland Frank Dastych Dr. Eckhard Starke von den Besten lernen und uns daran orientieren! Wir Vorstandsvorsitzender stv. Vorstandsvorsitzender AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020 3
AKTUELLES Ambulante Notfallversorgung à la Hessen Die Reform der ambulanten Notfallversorgung ist eines der zentralen Struktur themen im deutschen Gesundheitswesen. Vor diesem Hintergrund startet in Hessen im Herbst das „SaN-Projekt“. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) und ihre Partner aus Gesundheit und Politik setzen dabei auf einen sekto renübergreifenden Ansatz. Details stellte das Bündnis im August bei einer Presse konferenz vor. Auch auf dem Podium: Staatsminister Kai Klose. Nicht jeder S chwächeanfall muss im Krankenhaus behandelt werden. Daher ist es sinnvoll, die niedergelassenen Ärzte in die Notfallversorgung einzubinden. Wie muss eine Reform der ambulanten Notfallversor- Jeder Patient muss die Versorgung bekommen, die er gung aussehen, um die Versorgung sowohl für die Pati- braucht – schnell und gut. Dafür sollen Krankenhäuser, enten als auch für die Leistungserbringer wie beispiels- Rettungsdienste und Bereitschaftsdienste besser ver- weise Krankenhäuser, Arztpraxen, Bereitschaftsdienste zahnt werden. Die vorgesehenen Integrierten Notfall- oder Rettungsdienste zu optimieren? Diese Frage be- zentren (INZ) sieht die KVH zwar kritisch, grundsätzlich schäftigt Politiker und Institutionen des Gesundheits- geht sie den sektorenübergreifenden Ansatz jedoch wesens seit geraumer Zeit. Eine erste konkrete Antwort mit. Allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: gab Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Anfang So sollen künftig nicht nur die Ärztlichen Bereitschafts- des Jahres mit einem Referentenentwurf für ein Gesetz dienste (ÄBD), sondern auch die niedergelassenen Ärz- zur Reform der Notfallversorgung. Seine Vorstellung: te in die Notfallversorgung eingebunden werden. 4 AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020
AKTUELLES EIN PROJEKT MIT STARKEN PARTNERN Rettungsdiensten, 116117, 112, ÄBD-Zentralen und eben Arztpraxen in Echtzeit dieselben Informationen Genau das erproben die KVH und ihre Partner, das zur Verfügung. Das hat viele Vorteile: „Die neue, ge- Hessische Ministerium für Soziales und Integration, meinsame Struktur gibt uns die Möglichkeit, Patien- die Hessische Krankenhausgesellschaft (HKG), die ten schnell und zielgerichtet dem für sie richtigen Ver- Landkreise Main-Taunus, Main-Kinzig und Gießen sorgungssektor zuzuführen. Dazu ist es im Rahmen als Verantwortliche für die Rettungsdienste, die Lan- des Projekts erstmals möglich, dass der Rettungs- desärztekammer Hessen sowie der Hessische Städte- dienst nicht nur Krankenhäuser, sondern auch Arzt- tag und Hessische Landkreistag und das Zentralinsti- praxen anfährt, um Patienten in die ambulante Ver- tut für die kassenärztliche Versorgung, ab Herbst mit sorgung zu übergeben. Das gibt es so in Deutschland dem SaN-Projekt. Dazu werden in den drei genann- kein zweites Mal“, erklärt Dr. Eckhard Starke, stell- ten Landkreisen stationäre, ambulante und rettungs- vertretender Vorstandsvorsitzender der KVH. Die so- dienstliche Strukturen sowie deren digitale Systeme genannten Partnerpraxen müssen dazu lediglich ihre eng miteinander verzahnt. Das ermöglicht eine Kom- freien Kapazitäten im IVENA-System hinterlegen. munikation über die Sektorengrenzen hinweg und eine passgenaue Steuerung der Patienten. Ob Patienten in ein Krankenhaus oder in die ambu- lante Versorgung gehören, ermitteln die Disponen- Doch wie funktioniert die „Sektorenübergreifende ten der 116117 und 112 am Telefon oder das Ret- ambulante Notfallversorgung“ (SaN) konkret? Im tungsdienstpersonal vor Ort beim Patienten. Auch Mittelpunkt stehen mit SmED (Standardisierte medi- hier bedeutet die Vernetzung der Akteure einen ech- zinische Ersteinschätzung in Deutschland) und IVENA ten Mehrwert. Rufen Patienten beispielsweise die 112 (Interdisziplinärer Versorgungsnachweis) zwei An- an und bei der Befragung stellt sich heraus, dass es wendungen, die jede für sich entweder in der am- sich nicht um einen medizinischen Notfall handelt, bulanten (SmED) oder in der stationären (IVENA) werden sie und ihre Angaben unverzüglich an die Versorgung bereits etabliert sind. So führen die Dis 116117 übermittelt. Die Patienten müssen die me- ponenten der 116117 die Befragung der Patienten dizinische Ersteinschätzung demnach nicht noch ein- schon seit einiger Zeit mit Unterstützung von SmED mal durchlaufen und können sofort in eine Partner- durch, um festzustellen, ob es sich um einen Notfall praxis oder ÄBD-Zentrale vermittelt werden. „Für die oder einen Non-Notfall handelt. Im stationären Sek- Krankenhäuser ist das ein großer Schritt nach vorne, tor kommt unterdessen IVENA, ein System zur Res- denn die Notaufnahmen, die oftmals durch Non-Not- sourcenübersicht, zum Einsatz. Es zeigt zum Beispiel fälle überlastet sind, werden entsprechend entlastet“, dem Rettungsdienst in Echtzeit die Kapazitäten der so Prof. Dr. Steffen Gramminger, Geschäftsführender Krankenhäuser an. Direktor der HKG. Susanne Simmler, Erste Kreisbeige- ordnete des Main-Kinzig-Kreises und stellvertretend VERNETZUNG BIETET VIELE VORTEILE für die teilnehmenden Landkreise und Rettungsdiens- te auf dem Podium, ergänzt: „Für die Rettungsdienste Kern des SaN-Projekts ist die Vernetzung beider Sys- bedeutet das, dass nicht indizierte Einsätze weitestge- teme und deren sektorenübergreifende Verwendung. hend vermieden werden können. Das spart Ressour- Dadurch stehen Krankenhäusern, Notaufnahmen, cen und Kosten.“ AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020 5
AKTUELLES Der Blick aufs Podium mit den Rednern, selbstverständlich mit 1,5 Metern Mindestabstand. PATIENTEN NICHT MEHR KONZENTRIEREN ursacht keine zusätzlichen Ausgaben, sie wird durch die ohnehin bestehenden Mittel finanziert“, erläutert Vor dem Hintergrund der Reformpläne aus dem Prof. Dr. Gramminger. Bundesgesundheitsministerium betont das Bünd- nis, dass das SaN-Projekt kein Konkurrenzmodell HESSEN ÜBERNIMMT VORREITERROLLE sei. Demnach habe man die Pläne Spahns lediglich modifiziert und, wo nötig, optimiert. „Herr Spahn „Wir sind von unserem Ansatz überzeugt und gehen möchte eine deutschlandweit einheitliche ambulan- davon aus, dass wir in Hessen eine Vorreiterrolle in te Notfallversorgung. Die geplanten INZ haben uns Sachen ambulanter Notfallversorgung einnehmen in diesem Zusammenhang – insbesondere aus Kos- können. Selbstverständlich werden wir hier und da tengründen – von Beginn an nicht überzeugt. Denn: nachjustieren müssen, aber das ist in so einem Pro- Warum sollten wir aufwendig neue Strukturen schaf- jekt vollkommen normal“, gibt sich Dr. Starke optimis- fen, wenn sämtliche Strukturen, die wir für eine op- tisch. Entsprechend positive Signale aus Berlin habe es timale Notfallversorgung brauchen, in Hessen und bereits gegeben, auch vom Bundesgesundheitsminis- anderen Bundesländern bereits vorhanden sind und ter. Dessen hessisches Pendant, Sozial- und Integrati- lediglich miteinander vernetzt werden müssen?“, so onsminister Kai Klose, unterstützt das SaN-Projekt. Er Dr. Starke. Und weiter: „Die Corona-Pandemie hat sagt: „Ich bin gespannt auf die Erkenntnisse, die wir darüber hinaus gezeigt, dass es wenig sinnvoll ist, aus dem Projekt gewinnen werden und hoffe, dass sie Patienten an einer Stelle wie den INZ zu konzent- uns dem Ziel einer sektorenübergreifenden Patienten- rieren. Unser Ansatz, Patienten – unterstützt durch versorgung ein großes Stück näherbringen.“ Gegen- Echtzeitinformationen über Krankenhaus- und Pra- über den Journalisten stellte er zudem die sehr gute xiskapazitäten – auf stationäre und ambulante Ein- Zusammenarbeit der Partner heraus und bedankte richtungen zu verteilen, zahlt genau darauf ein.“ sich für das Engagement. Auf Sicht, so Klose, kön- ne auch der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) mit Und was ist mit den Kosten? „Die Strukturen sind im einbezogen werden. Das sei mit Blick auf eine Pande- stationären, ambulanten und rettungsdienstlichen Be- miesituation sinnvoll. n reich in den drei Landkreisen bereits vorhanden, wir Alexander Kowalski führen sie nur zusammen. Dadurch entstehen kaum Kosten. Und auch die Versorgung der Patienten ver- 6 AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020
AKTUELLES „Signalkraft in Richtung Berlin ist da“ Das „SaN-Projekt“ ist die hessische Antwort auf die Reformpläne zur Notfall versorgung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Auf den PUNKT. sprach mit dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der KVH, Dr. Eckhard Starke, über das Projekt und die Hintergründe. Herr Dr. Starke, was ist das SaN-Projekt? häusern und den Rettungsdiensten verwendet. Im Dr. Starke: Hinter dem SaN-Projekt steckt die hes- Rahmen des Projekts haben wir nun beide Systeme sische Vision einer sektorenübergreifenden ambu- miteinander verzahnt, sodass Patientendaten zwi- lanten Notfallversorgung. Dabei verfolgen wir den schen den Strukturen ausgetauscht werden können ganzheitlichen Ansatz, dass sich alle an der Notfallver- und IVENA nun auch Kapazitäten von Arztpraxen und sorgung Beteiligten – also Krankenhäuser, Rettungs- ÄBD-Zentralen anzeigt – und das jeweils in Echtzeit. dienste, 112 und 116117 sowie niedergelassene Ärz- tinnen und Ärzte und der Ärztliche Bereitschaftsdienst Die Rettungsdienste können demnach also (ÄBD) – unter Verwendung digitaler Systeme mitein auch Praxen anfahren? ander vernetzen und Synergien schaffen – für eine Dr. Starke: Ja, genau. Patientinnen und Patienten, optimierte und ressourcengerechte Versorgung und die kein Notfall sind, werden in die ambulante Ver- zum Wohl der Patientinnen und Patienten. sorgung übergeben. So vermeiden wir nicht indizier- te Fahrten der Rettungsdienste und entlasten die Not Wie kam es zu dem Projekt? aufnahmen. Das ist im SaN-Projekt erstmals möglich Dr. Starke: Wir sind der Überzeugung, dass wirkliche und deutschlandweit einzigartig. Notfälle natürlich in die Krankenhäuser bzw. Notauf- nahmen gehören, Non-Notfälle jedoch in der ambu- Um was für Praxen handelt es sich dabei? lanten Versorgung richtig aufgehoben sind. Damit die Dr. Starke: Im Prinzip kann jede Praxis eine so- Patientinnen und Patienten entsprechend „gelotst“ genannte Partnerpraxis sein. Dabei spielt es keine werden können, braucht es eine Vernetzung der sta- Rolle, ob es sich um eine Haus- oder Facharztpra- tionären, ambulanten und rettungsdienstlichen Struk- xis handelt. Ideal ist natürlich, wenn eine Praxis ein turen. Genau hier setzt das Projekt an. Wir haben uns möglichst breites Leistungsspektrum anbietet. Ärztin- mit den Krankenhäusern, dem Rettungsdienst und nen und Ärzte, die freie Kapazitäten für die Notfall- der Politik zusammengeschlossen, um einen solchen versorgung zur Verfügung stellen möchten, können sektorenübergreifenden Ansatz zu erproben. dies sehr einfach und ohne großen Aufwand über IVENA tun. Das System ist darüber hinaus sehr flexi- Wie genau sieht diese Vernetzung aus? bel. Sollten zum Beispiel Ressourcen kurzfristig nicht Dr. Starke: Im Fokus stehen mit SmED und IVENA mehr vorhanden sein – zum Beispiel in einem akuten zwei etablierte Systeme, die bisher allerdings nicht Krankheitsfall –, lässt sich die Praxis in IVENA abmel- über die Sektorengrenzen hinaus genutzt wurden. Pa- den. Die Praxen sind zu keiner Zeit verpflichtet, Res- tientendaten, die über die standardisierte medizini- sourcen vorzuhalten. sche Ersteinschätzung mittels SmED erfragt wurden, blieben demnach dort, wo sie erhoben wurden – bei- Welche Vorteile haben denn die Patientinnen spielsweise in der ambulanten Struktur. Gleichzeitig und Patienten? wurde IVENA, eine Anwendung zur Ressourcenüber- Dr. Starke: Der wichtigste Vorteil ist, dass die Pa- sicht in Echtzeit, ausschließlich von den Kranken- tientinnen und Patienten an der richtigen Stelle ver- AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020 7
AKTUELLES Und was sagt Berlin dazu? Dr. Starke: Wir haben unser Projekt sowohl dem Bundesgesundheitsminister wie auch dem GKV-Spit- zenverband und dem G-BA vorgestellt. Die Reaktio- nen waren durchweg positiv, eine gewisse Signalkraft in Richtung Berlin ist da. Ich bin daher vorsichtig opti- mistisch, dass wir in Hessen Vorreiter für Deutschland sein können. Einige Bundesländer sind bereits sehr an unserem Projekt interessiert. Schauen wir einmal in die Zukunft. Wie soll sich das Projekt perspektivisch entwickeln? Dr. Starke: Das SaN-Projekt ist ein Prozess. Wir star- sorgt werden – und das möglichst schnell. Durch die ten erst einmal in den drei Landkreisen Main-Taunus, Ressourcenübersicht in Echtzeit werden lange War- Main-Kinzig und Gießen. Die Verantwortlichen dort tezeiten vermieden. Darüber hinaus zeigt IVENA an, haben das Potenzial des Projekts sofort erkannt. Au- welches Krankenhaus oder welche Praxis für die je- ßerdem verfügen die örtlichen Rettungsdienste be- weiligen Beschwerden geeignet ist. Eine Person mit reits über alle notwendigen Strukturen. Perspektivisch Nasenbluten landet demnach idealerweise nicht in möchten wir aber so schnell wie möglich weitere einer chirurgischen Praxis, sondern vielleicht in einer Landkreise mit ins Boot holen. Ziel ist es, die sektoren- Hals-Nasen-Ohren-Praxis. Zudem müssen die Patien- übergreifende ambulante Notfallversorgung in ganz tinnen und Patienten ihre Symptome, anders als bis- Hessen zu etablieren. her, nur einmal schildern. Die erneute Abfrage der be- reits zuvor erfassten Angaben ist entbehrlich. Rufen Möchten Sie den Ärztinnen und Ärzten ab- sie zum Beispiel die 116117 an, sind aber ein Notfall, schließend noch etwas sagen? werden sie und ihre Angaben unverzüglich an die 112 Dr. Starke: Mit dem SaN-Projekt ist es seit langer weitergeleitet. Das spart wertvolle Zeit. Zeit zum ersten Mal gelungen, alle Beteiligten an ei- nen Tisch zu holen, um gemeinsam an einer optimier- Anfang des Jahres hat Jens Spahn seine Vor- ten Notfallversorgung zu arbeiten. Allein das zeigt, stellung von einer Reform der Notfallversor- wie wichtig dieses Projekt und wie groß der Schritt gung in Form eines Referentenentwurfs prä- nach vorne ist. Ich möchte mich daher bei allen Part- sentiert. Wie passt das SaN-Projekt dazu? nern, dem Hessischen Ministerium für Soziales und Dr. Starke: Unser Ansatz ist ein modifizierter. Auch Integration, der Hessischen Krankenhausgesellschaft, Herr Spahn verfolgt ja den Gedanken, die Sektoren den beteiligten Landkreisen und Rettungsdiensten, zu verzahnen. Wir halten jedoch nichts davon, so- der Landesärztekammer Hessen, dem Hessischen genannte Integrierte Notfallzentren (INZ) als zentra- Landkreis- sowie Städtetag und dem Zentralinstitut le Anlaufstellen zu installieren. Diese deutschlandweit der KVen für die Zusammenarbeit bedanken. Unse- flächendeckend zu betreiben ist schon alleine aus ren hessischen Ärztinnen und Ärzten möchte ich sa- Kostengründen kaum machbar. Darüber hinaus hat gen: Der sektorenübergreifende Ansatz steht und fällt uns die Corona-Pandemie gelehrt, dass es der falsche mit Ihnen. Er funktioniert nur deshalb, weil wir eine Weg ist, Menschen zu konzentrieren. Es gilt vielmehr, ambulante Versorgung auf sehr hohem Niveau ha- volle Notaufnahmen und Wartebereiche zu vermei- ben. Wir freuen uns daher sehr, wenn auch Sie Ihre den. Unser Projekt spielt hier seine Stärke aus, denn Ressourcen zur Verfügung stellen und gemeinsam mit IVENA wissen die Verantwortlichen jederzeit, wie mit uns den Gedanken ambulant vor stationär mit Le- voll die Krankenhäuser, Praxen oder ÄBD-Zentralen ben füllen. n sind. Wir können die Patientenströme also entspre- Die Fragen stellte chend steuern. Alexander Kowalski 8 AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020
AKTUELLES Hausärztin Birgit Beyer gehört zum Corona-Heldenkader Auf Einladung des Deutschen Fußball-Bunds und von Volkswagen wird die Feldataler Hausärztin 2021 zum Finale der Fußball-Europameisterschaft nach London fliegen. Birgit Beyer ist Ärztin aus Leidenschaft. Viele Menschen haben während der Corona-Zeit Großes und Großartiges für das Allgemeinwohl ge- leistet. 23 von ihnen wurden nun vom Deutschen Fußball-Bund und dessen Mobilitätspartner Volks- wagen in einen „Heldenkader“ berufen. Als Danke- schön für ihren unermüdlichen Einsatz während der Corona-Pandemie geht es im kommenden Jahr nach London zum Finale der Fußball-Europameisterschaft. Vorgeschlagen wurde Birgit Beyer, Allgemeinmedi- zinerin im Vogelsbergkreis, klammheimlich von ih- rem Sohn Constantin (18): „Was sie [meine Mutter] für mich zur Heldin macht, ist ihr Tatendrang, neben dem Alltag als Ärztin auch noch in der Versorgung der Risikopatienten unserer Gemeinde mitzuhelfen. Dank Menschen wie ihr schaffen wir es, durch sol- che Krisen zu kommen und ich bin unendlich stolz, dass sie meine Mutter ist.“ Als fußballbegeisterter junger Mann, der länger hö- informieren. Aber verständlicherweise überwog bei herklassig gespielt hat, erfuhr Constantin von der Birgit Beyer, die ihren Sohn immer unterstützt hat in Online-Kampagne. Fünf Wochen lang konnten seiner Leidenschaft für den Fußball, die Freude über Menschen auf der Internetseite von Volkswagen ihre Auszeichnung. Sie sagt: „Das ist eine wirklich ihre ganz persönlichen Helden vorschlagen. Eine tolle Aktion und hier im Dorf jetzt ein großes The- Jury, der unter anderem Bundestrainer Joachim Löw ma, denn die Zeitung hat auch schon darüber be- angehörte, stellte dann aus mehreren hundert Vor- richtet. Ich freue mich wirklich sehr über mein Ti- schlägen den finalen 23er-Heldenkader zusammen, cket zum Finale der Fußball-Europameisterschaft zu dem auch Birgit Beyer zählt. Als dann Constan- und wie positiv mein Sohn mich sieht.“ Die KV Hes- tin einen Anruf von Volkswagen (VW) erhielt mit der sen gratuliert Birgit Beyer herzlich zu ihrer Auszeich- Frage nach den Kontaktdaten seiner Mutter, kam er nung als Corona-Heldin und dankt Constantin für mächtig ins Schwitzen, denn seine Mutter wusste ja seine Courage. n von nichts und VW wollte sie über ihre Nominierung Petra Bendrich AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020 9
TITELTHEMA Digitalisierung: Von den Besten zu lernen wäre besser gewesen! Beim Thema Digitalisierung wird sich in den Nach dem Motto „Das ist der Rhythmus, wo jeder nächsten zwei Jahren vieles verändern. Wir könn- mit muss“, können wir uns dem Wandel natürlich ten von den Besten lernen und erfolgreiche Sys- nicht entziehen. Zudem ist es unsere Aufgabe, Sie teme aus anderen Ländern, wie zum Beispiel aus über anstehende Veränderungen und Neuerun- Estland, an unsere Marktgegebenheiten adaptie- gen zu informieren, damit Sie sich in Ihrem Praxis ren. Davon ließen sich wirkliche Mehrwerte für die alltag darauf einstellen können. Daher haben wir Patienten, die Praxen und die Versorgung ablei- Ihnen selbstverständlich die wichtigsten Regelun- ten. Das wäre eine klassische Win-win-Situation gen zusammengefasst, damit Sie sich einen Über- für alle Beteiligten, sogar unter Einhaltung höchs- blick verschaffen können rund um die anstehen- ter IT-Sicherheitsstandards. Warum das aber nicht de Digitalisierung. Sie finden hier alles Wichtige so ist und was wir konkret kritisieren, lesen Sie auf zur geplanten Zeitschiene, zum neuen Dienst für den nächsten Seiten im Interview mit den beiden Kommunikation im Gesundheitswesen, zur eAU, Vorständen der KV Hessen. zum eHBA und zur ePA sowie zu den verordnungs fähigen Apps. n Petra Bendrich AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020 11
TITELTHEMA Grünes Licht für die TI Nach den Plänen der Politik wird es nun Schlag auf Schlag gehen mit der Di gitalisierung in den Praxen. Die Vernetzung im Gesundheitswesen schreitet voran. Der Nutzen für die Praxen bleibt abzuwarten, der Nutzen für die Pati enten muss sich auch beweisen. Wie es in Sachen Digitalisierung weitergeht, sehen Sie hier. eMP KIM (elektronischer DiGA Medikationsplan) (Digitale Gesundheits- (Kommunikation im Medizinwesen) Angaben zur Medikation anwendungen) und eines Patienten können in „Apps auf Rezept“ Kommunikationsdienst zum Form eines eMP auf der eGK DiGA können über das sicheren Dokumentenaus eingesehen und gespeichert Muster 16 verordnet tausch über die TI. werden. werden. seit Sommer seit Sommer seit Herbst 2020 2020 2020 2020 seit 1. Juli seit Sommer 2020 2020 NFDM Vergütung von Versand und (Notfalldatenmanagement) Empfang von eArztbriefen Mit dem NFDM werden medizinische Der Versand von eArztbriefen über Notfalldaten direkt auf der eGK des den KIM-Dienst wird vergütet. Patienten gespeichert. 12 AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020
TITELTHEMA Datenspende eVerordnung Freiwillige Datenspende (elektronische Verordnung) von Versicherten möglich. ePA Pflicht zur elektronischen Verord (elektronische Patientenakte) ab 2023 nung verschreibungspflichtiger Die ePA ist auf der eGK hinterlegt Arzneimittel. und beinhaltet eine übergreifende ab 2022 Dokumentation der Krankheits geschichte. ab 1. Januar 2021 (freiwillig); ab 1. Juli 2021 (verpflichtend) 2023 2022 2021 ab 2022 voraussichtlich ab 1. Oktober 2021 eImpfpass (vorausgesetzt, die Kassen stimmen der Frist zu) (elektronischer Impfpass) eAU Der eImpfpass soll in der ePA genutzt (elektronische Arbeitsunfähig werden können. Damit wäre er das erste keitsbescheinigung) medizinische Informationsobjekt (MIO). Die eAU wird elektronisch über den KIM- Dienst vom Arzt an die Krankenkasse übermittelt. n Petra Bendrich AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020 13
TITELTHEMA „Die TI gehört in den Elektronik schrott!“ Der Vorstand der KVH zeigt klare Kante. Im Interview legen die Vorstandsvorsit zenden Frank Dastych und Dr. Eckhard Starke dar, warum die Digitalisierung an sich richtig, im deutschen Gesundheitswesen aber krachend gescheitert ist. Wenn Sie die Digitalisierung im deutschen Ge- so weiter, bereits veraltet war. Man hat sich von der sundheitswesen mit wenigen Begriffen be- Industrie mit Pseudosicherheitsargumenten bei der schreiben müssten, welche wären das? gematik gewaltig über den Tisch ziehen lassen. Im Dastych: Kein Konzept, kein Plan, kein Ziel, keine Prinzip brummen die Dinger zwar und stellen Verbin- Ideen. dungen her, aber mehr können sie auch nicht. Starke: Notwendig, aber nicht praxistauglich. Man hat also damals schon einen Geburtsfeh- Warum gibt es denn weder Konzept noch Plan ler gemacht? oder Idee? Dastych: Das war von Anfang an verwachst. Und Dastych: Man hat auf die bisherigen Player im das Problem ist, dass dort inzwischen so viel Geld System gesetzt und dabei verkannt, dass die Not- geflossen ist, dass sich kein Politiker mehr traut, die wendigkeit der Digitalisierung nicht gleichzeitig längst überfällige Notbremse zu ziehen. kompatibel mit den Interessen einer vorrangig pro- fitorientierten eHealth-Industrie ist. Man hat die In- Apropos Notbremse. Mit Herrn Spahn gibt es dustrie ins Boot ge- ja einen hyperaktiven Gesundheitsminister, der holt, man hat auf sie sich im letzten Jahr entschlossen hat, die gema- gehofft – und diese tik zu verstaatlichen. Ist dadurch irgendetwas hat am Ende Lösun- besser geworden? gen produziert, von Dastych: Dieser hyperaktive Gesundheitsminister denen sie selber pro- hat einen hyperaktiven Abteilungsleiter eingestellt, fitiert, die aber aus aber aus meiner Sicht ist dadurch nichts besser ge- meiner Sicht weder worden, im Gegenteil: Gerade in der Situation, in praxistauglich noch der wir uns jetzt befinden – und ich spreche von ei- zukunftsfähig sind. ner wirklichen Krise –, an der auch die KBV nicht ganz unschuldig ist, hätte eigentlich eine vernünf- Wann hätte man tige Analyse des Status quo uns mehr geholfen als merken können, ein „Weiter so“ mit der Brechstange. Denn sind wir dass das so ist? mal ganz ehrlich: Dieser Abteilungsleiter geht im- Dastych: Gleich am mer nach dem gleichen Muster vor, er droht mit der Anfang, als es um die Keule und setzt überall die Brechstange an, um für Spezifikation der Kon- seinen Minister das Ganze voranzutreiben. Letzt- nektoren ging, war lich macht Herr Ludewig das, was Menschen mit klar, dass hier eine der Patientenverfügung eigentlich verhindern sol- proprietäre Hardware len. Wenn man ohne Hoffnung auf Genesung als gebaut wurde, die beatmungspflichtiger Patient auf der Intensivstation vor sechs, sieben Jahren von den Kernprozessen her, liegt, dann kauft Herr Ludewig im Moment ein neu- also Übertragungsgeschwindigkeit, Bandbreite und es Beatmungsgerät. 14 AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020
TITELTHEMA Dann müsste man doch konsequenterweise gen, was man errei- die Beatmungsgeräte abstellen, um im Bild zu chen will? Und wie bleiben … kann ich das, was ich Dastych: Für diese Telematikinfrastruktur, wie wir erreichen will, umset- sie im Moment haben, müssten wir die Beatmungs- zen? Wir in Deutsch- geräte längst abstellen. Offensichtlich sind damit land gehen leider oft aber viel zu viele Profitinteressen der Industrie ver- ganz anders vor. Wir knüpft und man hat Angst um die politischen Kon- pumpen viel Geld in sequenzen, denn wenn wir mal in Länder schauen, irgendetwas, ohne in denen erfolgreich das Gesundheitssystem ver- eben vorher genau netzt wird – und dabei denke ich an Krankenhäu- zu wissen, was es ser, niedergelassene Praxen, Apotheken, Heil- und denn eigentlich leis- Hilfsmittelerbringer –, wie in Estland, dann sieht ten soll. Das kann ja man, dass das absolut erfolgreich mit internationa- nur schiefgehen. len Standards in der Technologie möglich und trotz- dem sicher ist und Dinge ermöglicht, die man unter Jetzt sagt der Herr Telemedizin versteht. Denn seien wir ehrlich: Unse- Spahn ja, das gan- re Konnektoren werden dazu nie in der Lage sein, ze Thema Digitali- weil sie gar nicht die Übertragungsraten hinbekom- sierung sei ein der- men. All das ist in anderen Ländern schon möglich, artiges Desaster gewesen, er habe die Zügel während wir in Deutschland gerade das Rad zum in die Hand nehmen müssen und arbeitet jetzt zehnten Mal neu erfinden, ohne dass auch nur ein nur noch mit Sanktionen. Das führt doch dazu, Rad halbwegs rund läuft. Nein, lasst uns nach Est- dass sich die Fronten immer mehr verhärten … land schauen, lasst uns innovative Technologie aus Dastych: Man muss das zweiteilen. Es gibt sicher ei- Ländern importieren, in denen es funktioniert, dann nen Teil Digitalisierungsgegner, deren letzter Inno- werden wir auch die IT-skeptischen Anwender end- vationsschritt in der Praxis der TI30-Taschenrechner lich überzeugen. Und dann bringen wir auch endlich aus dem Jahr 1975 ist. Das ist keine große Grup- etwas in die Praxen, das einen echten Mehrwert für pe, eher ein niedriger einstelliger Prozentsatz. Aber Patienten und Praxen hat. es gibt immer mehr Kolleginnen und Kollegen, die die Faxen dicke haben, die sogar IT-affin sind und Was unterscheidet denn die Technologie wie keine Probleme mit der Digitalisierung haben, aber die Konnektoren, zum Beispiel die aus Estland, inzwischen keinen Nutzen mehr sehen. Ein exzel- von den deutschen „Steinzeitkonnektoren“? lentes Beispiel ist die elektronische Arbeitsunfähig- Dastych: Es ist so, dass diese Konnektoren auf in- keitsbescheinigung: Die bringt den Praxen null Nut- ternationalen Sicherheitsstandards aufsetzen und zen und Mehrwert, der Versorgung ebenso nicht. damit letztendlich schnell und unproblematisch im- Sie brauchen dafür ein saumäßig teures Update ih- mer auf den aktuellsten Stand der Technik gebracht res Konnektors, sie brauchen dafür einen elektroni- werden können. Was nutzt es, wenn man an ei- schen Heilberufsausweis mit digitaler Signatur, um nem privilegierten Standort in Hessen seine Pra- am Ende etwas zu generieren, was allen voran den xis hat – damit meine ich Glasfaseranschluss – und Krankenkassen nutzt. Die Arbeitgeber schreien auch tatsächlich von dem jeweiligen Provider einen An- nicht unbedingt nach der elektronischen AU, den Pa- schluss mit einem Gigabyte Bandbreite angeboten tienten ist es leidlich egal – und wenn solche Din- bekommt und diesen Konnektor dranhängt. Dann ge dann mit Zwang in die Praxen gebracht werden, ist das ungefähr so, als wenn man an einen Por- dann sagen irgendwann auch die Gutwilligsten: Du sche Holzräder aus dem 18. Jahrhundert schraubt. kannst mich mal! Und man wundert sich, dass es schon ab Tempo 40 nicht mehr läuft. Welchen Ausweg aus dieser Situation gibt Starke: Und ich wundere mich, warum man auch es denn? Denn Herrn Spahns Wahrnehmung aus aktuellen Fehlern nichts Vernünftiges lernt, denn scheint ja zu sein, dass die Digitalisierung zu einer Idee, wie zum Beispiel der Corona-APP, ge- stockt, weil die Ärzte nicht hinterherkommen. hört es doch zunächst einmal, sich danach zu fra- Also zieht er die Daumenschrauben an … AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020 15
TITELTHEMA Dastych: Das ist ja meine Kritik an Herrn Spahn. Ich toren und wenn diese Konnektoren ohnehin 2022 glaube, dass er überhaupt keine Ahnung von dem auslaufen, warum machen wir dann bitteschön bis hat, was er da eigentlich tut. Er hat sich zum politi- dahin weiter, obwohl wir jetzt schon wissen, dass es schen Ziel gesetzt, irgendwelche Lösungen zu pro- keine zukunftsfähige Lösung ist? Ob Software VPN, duzieren – für welche Probleme auch immer. Und was wir angeregt haben, da eine Lösung ist, muss das, was halbwegs vernünf- man sehen. Für einen Großteil der Praxen ist das so, tige Leute über Jahre im- aber beim Software VPN bedeutet es, dass man da- »Was nutzt es, wenn man […] ei- mer wieder gefordert haben, rauf angewiesen ist, dass diese Software permanent nen Anschluss mit einem Giga- nämlich mit Anwendungen upgedatet wird. Und was ganz sicher so ist: Sie kön- byte Bandbreite angeboten be- an die Praxen heranzutre- nen eine solche Software nur auf ein sauberes und kommt und diesen Konnektor ten, die einen echten Nut- sicheres System aufspielen, sonst ist das System be- dranhängt. Dann ist das ungefähr zen für die Patientenversor- reits kompromittiert, bevor Sie die Software über- so, als wenn man an einen Por- gung bringen, uns also in der haupt aufspielen. Das sind natürlich gewisse Anfor- sche Holzräder aus dem 18. Jahr- Versorgung nach vorne brin- derungen, aber die kann man auch so handhabbar hundert schraubt. Und man wun- gen, machen wir den glei- gestalten, dass sie für Praxen machbar sind. Wir brau- dert sich, dass es schon ab Tempo chen Mist der vergangenen chen wirklich praxistaugliche Lösungen. Aber weder 40 nicht mehr läuft.« Jahre einfach weiter. Nur mit die eAU noch der Versichertenstammdatenabgleich Frank Dastych noch mehr Hurra, Gebrüll noch eine aus meiner Sicht völlig nutzlose elektroni- und Sanktionen. Das ist aus sche Patientenakte, die eigentlich nichts anderes ist meiner Sicht eine absolute als ein Schweizer Käse, also viele Löcher und ein biss- Sackgasse. chen was drumrum, die weder vollständig noch ver- Starke: Es geht vor allem nicht darum, dass ich als nünftig administriert ist, auf die Ärzte nur nach Maß- Politiker etwas einführe, um dies auf mein Haben- gabe des Patienten – und damit nur unvollständig, konto meiner Karriere verbuchen zu können, son- zum Teil gar nicht – zugreifen können, das ist doch dern es geht darum, den Praxen klarzumachen, was Mist, Murks und Pfusch. Alle innovativen Digitalan- erreicht werden soll – so kommt man raus aus der wendungen, wie zum Beispiel unser preisgekröntes Sackgasse. Ärzte sind ja per se nicht gegen jeden eRezept, setzen doch auf eine Technologie jenseits Fortschritt, aber sie wollen das Ziel erkennen und der Telematikinfrastruktur. Das ist doch bezeichnend. nachvollziehen und schon längst hätte es dazu einen Wir haben tatsächlich mit der gematik an der Stel- vernünftigen Dialog mit der Ärzteschaft gebraucht. le ein im eigenen Saft schmorendes, am Ende völlig Das ist leider in der Vergangenheit nicht erfolgt. Mit nutzloses Vernetzungsprojekt. der Brechstange geht das nicht … Dastych: Wir haben ja als FALK-KVen ein entspre- Muss sich auch die Ärzteschaft Vorwürfe ma- chendes Positionspapier publiziert, wobei das erst ein chen lassen? erster Aufschlag ist. Wir sagen ja nicht: Stoppt die Di- Dastych: Ich glaube nicht, dass die KBV derzeit einen gitalisierung. Sondern wir sagen: Macht die Digitali- konstruktiven Dialog mit der innovativen Ärzteschaft sierung endlich praxistauglich. Wir müssen uns von ersetzen kann. Die Kassenärztliche Bundesvereini- der PVS-Industrie an einer Stelle wirklich befreien. gung hat sich so ein bisschen von dem Spahnschen Es handelt sich um faktisch monopolistische Struk- Trend anstecken lassen, dass Vernetzung in erster Li- turen in zwei Konzernen, die nur noch das liefern, nie mal reguliert werden müsse, gesetzlich vorgege- was ihnen die größten Profite bringt, die jede Inte- ben sei. Und das ist der völlig falsche Weg, weil es roperabilität durch standardisierten Datenaustausch jegliche Innovation und Dynamik in dem Bereich ab- verhindern, einen Export zwischen verschiedenen würgt. Das beste Beispiel dafür ist das, was die KBV PVS-Systemen unmöglich machen. Das ist schein- zusammen mit dem BSI (Bundesamt für die Sicherheit bar auch ein Thema, das Herrn Spahn nicht interes- in der Informationstechnologie; Anmerkung der Re- siert, da hält er wohl schützend die Hand über diese daktion) als Sicherheitsrichtlinie konzipiert hat, auch Industriekonsortien, aus welchen Gründen auch im- wenn das mit der TI nichts zu tun hat, aber das ist pa- mer. Ich hoffe, dass Parteibücher in parteinahen Wirt- thognomonisch für das Denken der KBV, maximal al- schaftsräten da nicht die entscheidende Rolle spielen. les regulieren zu wollen und eigentlich keine konkrete Wir brauchen innovative Lösungen, was die Vernet- Vorstellung vom Nutzen dieser Regulierung zu haben, zung angeht. Wir müssen weg von diesen Konnek- außer wir machen alles ganz sicher. Und eben kei- 16 AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020
TITELTHEMA »(…) die elektronische Arbeitsunfä- ne konkreten Vorstellungen higkeitsbescheinigung: Die bringt den Starke: Es ist immer ein Spa- von den Auswirkungen auf Praxen null Nutzen und Mehrwert, der gat eines KV-Vorstands zwi- die Praxis zu haben, und da Versorgung ebenso nicht. Sie brau- schen der eigenen Haltung kritisiere ich auch die bei- chen dafür ein saumäßig teures Up- und dem, was er aus gesetz- den ärztlichen Vorstände, date ihres Konnektors, sie brauchen lichen Gründen als Vorstand denen es offenbar nicht ge- dafür einen elektronischen Heilberufs- einer Körperschaft tun muss lingt, hier den dritten Vor- ausweis mit digitaler Signatur, um am und dem, was wir unseren stand und die dort zuarbei- Ende etwas zu generieren, was allen Mitgliedern zumuten kön- tenden ITler in irgendeiner voran den Krankenkassen nutzt. Die nen. Und dieser Spagat wird Form davon zu überzeugen, Arbeitgeber schreien auch nicht unbe- zunehmend schwieriger und dass das Ganze eben einen dingt nach der elektronischen AU, den bei der Digitalisierung ist ir- Nutzen für die Praxis haben Patienten ist es leidlich egal.« gendwo der Geduldsfaden muss. Dabei will ich Herrn Frank Dastych gerissen. Man trifft auf eine Dr. Kriedel gar nicht zu sehr Ärzteschaft, die auf der einen kritisieren, denn er ist kein Seite in Ehren älter gewor- Arzt und hat niemals in seinem Leben auch nur im den ist, die wir gar nicht mehr mitnehmen können und mittelbaren Dunstkreis von niedergelassenen Praxen die auch ausgebrannt ist, und eine junge Generati- gearbeitet. Er ist in der KV WL als Verwaltungsmann on, die diesen Beruf gerade aus diesen Gründen nicht groß geworden, hat immer nur verwaltet. Das tut er mehr so attraktiv findet, dass sie wirklich in der Nie- im Moment übrigens auch. Aber er weiß leider nicht, derlassung arbeiten will. Das sehen wir jeden Tag. was er tut, wenn man die Auswirkungen auf die nie- Und deshalb ist es höchste Zeit, diese beiden Strö- dergelassenen Strukturen anschaut. Leider ist der Di- mungen wieder zueinander zu führen und das geht alog mit den Vorständen aus den Landes-KVen sehr nicht, indem wir weiter mitmachen wie bisher. defizitär. Dort schlägt man immer mehr die Hände Dastych: Man muss dabei aufpassen, dass sich die über dem Kopf zusammen. Und die Stimme der Ver- ewig gestrigen Schreier, ob das die IG med oder an- nunft, die die KBV eigentlich sein sollte, schweigt lei- dere sind, nicht bestätigt fühlen. Weil das ist es näm- der schon sehr lange. lich überhaupt nicht. Wenn man wirklich nach vorne sehen will, dann muss man diesen ganzen, milliar- Jetzt haben Sie als Regional-KV ja das Problem, denteuren TI-Mist komplett in den Elektronikschrott dass Sie die Einführung eines Systems überwa- entsorgen. Jetzt kommen die ewig Gestrigen und chen müssen, das Sie gerade als komplettes sagen: Wir haben es schon immer gewusst! Und Desaster beschrieben haben … dazu muss man sagen: Man muss das Ganze ablö- Dastych: Hier geht es natürlich um unser Rollenver- sen durch modernere, innovativere, bessere und pra- ständnis. Und so bitter das ist: Wir sind als eine Kör- xistaugliche Lösungen. Ich könnte mir beispielsweise perschaft des öffentlichen Rechts dazu verpflichtet, ein eigenes PVS-System der KBV/KV-Welt vorstellen, Gesetze zu exekutieren, die wir – by the way – auch das im Prinzip jede Praxis nutzen kann, mit offener dankenswerterweise noch bezahlen dürfen. Aber Systemarchitektur, wo man die Datenbank problem- wir sind nun an einem Punkt angekommen, wo wir los rausziehen kann, um es zu exportieren. Das wäre anfangen müssen, als Landes-KVen unsere Stim- ein System, das aus meiner Sicht zu unserem Versor- me zu erheben. Ja, wir sanktionieren, wir zwingen gungsauftrag passt, denn Sicherstellung setzt heute unsere Mitglieder zu etwas, wovon wir nicht mehr elektronische Kommunikation und Abrechnung vor- überzeugt sind. Es war Hoffnung auf die Trendwen- aus. Und wenn man diese Aufgaben im Rahmen der de da, es war Hoffnung da auch mit der Übernah- Sicherstellung hat, dann ist es doch nur logisch, dass me durch das BMG, dass insbesondere der Einfluss man dafür auch die Software zur Verfügung stellt. der Krankenkassen zurückgedrängt wird, es war So könnte man die kartellartige Marktmacht, die wir Hoffnung da mit dem neuen gematik-Chef – alle im Moment haben und die den Praxen schadet, auf Hoffnungen sind enttäuscht worden und eigentlich brechen. n am schlimmsten ist Herr Spahn. Wenn man mal ge- Die Fragen stellte nau hinschaut, dann fehlt ihm wohl gerade bei der Karl M. Roth Digitalisierung die Expertise. AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020 17
TITELTHEMA „Mehrwert der Digitalisierung muss erkennbar sein“ Am 24. Juli 2020 erhielt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Post von den Vor ständen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesver einigung. In einem offenen Brief formulierten sie sieben Forderungen: Sehr geehrter Herr Bundesminister Spahn, die Notwendigkeit, aber auch die Herausforderungen der Digitalisierung des deutschen Gesundheits- systems sind den niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten bewusst. Unsere Vertragsärzte und -psychotherapeuten wollen eine aktive Rolle bei der Digitalisierung und ihrer praktischen Umsetzung spielen, soweit diese einer Verbesserung der medizinischen Versorgung der Patienten dient. Die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen der TI-Ausgestaltung sind jedoch geeignet, die notwendige Akzeptanz der Niedergelassenen zu verspielen. Sie verhindern damit eine erfolgreiche und sinnvolle digitale Vernetzung der Beteiligten. Gegenwärtig ist den Niedergelassenen der Mehr- wert digitaler Anwendungen nicht mehr zu vermitteln. Die Vertragsärzte haben die Pflichten, die spä- teren Datennutzer wie z. B. Krankenkassen und Arbeitgeber aber den Vorteil in Form von besseren und schnelleren Informationen. Zudem müssen die Praxen teilweise die Kosten für technisches Ver- sagen dieser Systeme selbst tragen. Sie werden gleichzeitig mit Sanktionen bedroht, wenn sie nicht fristgemäß Anwendungen implementieren, die entweder noch nicht verfügbar oder technisch un- ausgereift sind. Die derzeitigen Digitalisierungskonzepte bedeuten für die Praxen keine Arbeitserleichterung, sondern stellen eine zunehmende Bürokratisierung im ärztlichen Alltag dar. Es wird aktuell immer deutlicher absehbar, dass unsere Niedergelassenen diese Bedingungen nicht mehr tolerieren. Wir stellen derzeit fest, dass immer mehr junge Kollegen die Niederlassung scheuen und immer mehr ältere Kollegen aus der Versorgung ausscheiden – mit schwerwiegenden Auswirkun- gen auf die Sicherstellung der Versorgung, besonders in der Fläche. Denn rund 34 Prozent der Nieder- gelassenen sind über 60 Jahre alt. Die Vertragsärzte und -psychotherapeuten fordern: 1. Der Mehrwert der Digitalisierung und insbesondere der Anbindung an die TI muss für die Nieder- gelassenen klar erkennbar sein. Neue digitale Anwendungen müssen sich auf die originären Auf- gaben der Vertragsärzte beschränken. 18 AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020
TITELTHEMA 2. Vor der Einführung von Systemen der Digitalisierung muss deren Funktionsfähigkeit gewährleistet sein. Zudem ist sicherzustellen, dass es ein dauerhaftes Ersatzverfahren gibt. 3. Die Zeiträume für die Einführung digitaler Anwendungen müssen angemessen im Hinblick auf Plausibilität und Machbarkeit sein. Bestehende Fristen zur Umsetzung müssen erheblich verlängert werden, um entsprechende Übergänge und Anpassungen bis zur Funktionsfähigkeit sicher zu er- möglichen. 4. Die Androhung von Sanktionen bei nicht fristgemäßer Implementierung erzeugt unnötige Wider- stände und ist daher kontraproduktiv. 5. Die Kosten der Anbindung an die TI sowie alle Folgekosten müssen angemessen finanziert werden. Dies betrifft auch die Kosten aufgrund der dringend notwendigen und längst überfälligen Daten- schutzfolgeabschätzung. 6. Dem KV-System muss die Möglichkeit gegeben werden, endlich industrieunabhängig eigene Lö- sungen für den PVS/TI-Bereich in den Vertragsarztpraxen zu entwickeln und den Mitgliedern der KVen zur Verfügung zu stellen. 7. Bei der Ausgestaltung der IT-Sicherheitsrichtlinie nach § 75 Absatz 5 SGB V muss sichergestellt sein, dass die technischen Anforderungen sinnvoll und tragbar für die Praxen der Niedergelasse- nen sind. Statt des „Einvernehmens“ muss nur noch das „Benehmen“ mit dem Bundesamt für Si- cherheit in der Informationstechnik (BSI) hergestellt werden. Die vollständige Finanzierung der da- mit verbundenen Kosten für die Praxen muss vorab abschließend geklärt sein. Sehr geehrter Minister Herr Spahn, unsere Vertragsärzte sind derzeit in die Bekämpfung der Covid-19- Pandemie personell und zeitlich sehr stark eingebunden; sie engagieren sich mit Unterstützung der KVen über ihre vertragsärztlichen Pflichten hinaus. Die parallele Umsetzung der TI-Vorgaben ohne Be- rücksichtigung der aktuellen angespannten Lage in der ambulanten medizinischen Versorgung wird durch unsere Mitglieder nicht akzeptiert werden. Auch die Androhung einer Ersatzvornahme wird die Haltung der Vertragsärzte nicht ändern! Trotz der unverändert bestehenden Notwendigkeit, den von Ihnen mit Schreiben vom 20. März 2020 benannten „Ersten Schutzwall gegen das Virus“ weiter aufrechtzuerhalten, sind wir überzeugt, dass wir mit der Umsetzung der vorgenannten Forderungen eine für die Vernetzung der Patienten und für die Praxistätigkeit unterstützende digitale Vernetzung aller Beteiligten im Gesundheitswesen erreichen können. Mit freundlichen Grüßen Die Vorstände der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020 19
TITELTHEMA KIM kommt Arztbriefe, Befunde oder einfach nur eine Nachricht an die Kollegen in der Facharztpraxis oder im Krankenhaus schnell und sicher per Knopfdruck versen den: Mit dem neuen Dienst für Kommunikation im Medizinwesen (KIM) ist das demnächst möglich. Was genau KIM ist, welchen Dienst die KBV anbietet und was Sie tun müssen, lesen Sie hier. Genauso einfach wie ein Dienst anbieten. Das ist E-Mail-Programm, nur mit ein Novum. Denn bis- dem Unterschied, dass lang war ihr das nicht ge- jede Nachricht und je- stattet. Die Arbeiten an des Dokument verschlüsselt und erst beim Empfän- dem Dienst laufen auf Hochtouren. Im Oktober soll ger wieder entschlüsselt wird – das ist KIM. Über sol- kv.dox – so der Name des KV-eigenen KIM-Diens- che KIM-Dienste soll künftig die gesamte elektronische tes – fertig sein. (Anmerkung: Das genaue Datum Kommunikation im Gesundheitswesen laufen. Arzt- stand zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch praxen benötigen einen solchen Dienst ver- nicht fest.) mutlich ab Herbst 2021: Dann nämlich müssen Praxen voraussichtlich sämtliche Arbeitsunfä- Kv.dox ist gedacht als ein Dienst von Ärzten für Ärz- higkeitsbescheinigungen ihrer Patienten an die te; ein passgenaues Angebot, mit dem man so vie- jeweilige Krankenkasse per KIM senden. Dies le Nachrichten, Arztbriefe oder AU-Bescheinigungen schreibt das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) vor. Nä- digital versenden kann, wie man möchte. Es gibt here Infos zur eAU finden Sie in diesem Heft auf S. 22. keine Kontingentbeschränkung. Kv.dox ist monat- lich kündbar und bei Fragen oder technischen Pro- Dabei ist es egal, für welchen Anbieter sich Ärzte blemen hilft das Serviceteam von kv.dox schnell und und Psychotherapeuten entscheiden. Sie haben hier- kompetent weiter. Und das Ganze eben unabhängig bei die komplett freie Wahl, denn nach der gesetz- von der Industrie und von Verkaufsinteressen sonsti- lichen Vorgabe muss ein KIM-Dienst herstellerunab- ger Marktteilnehmer. hängig sein. Das bedeutet: Jeder KIM-Dienst muss von der gematik, der Betreibergesellschaft der Tele- KOSTEN FÜR KIM SIND GEDECKT matikinfrastruktur (TI), zugelassen und mit jedem Praxisverwaltungssystem (PVS) kompatibel sein. Ärz- Zur Finanzierung des KIM-Dienstes hat die KBV mit te und Psychotherapeuten können also unabhängig dem GKV-Spitzenverband eine Finanzierungsverein- von ihrem PVS-Anbieter entscheiden, welcher KIM- barung getroffen. Diese sieht folgende Beträge vor: Dienst für sie der richtige ist. Mit der CompuGroup Medical Deutschland AG gibt es bereits einen zerti- • 100 Euro: für die Einrichtung des Dienstes (einmal fizierten Anbieter. je Praxis) • 23,40 Euro: für die laufenden Betriebskosten (pro KBV BIETET EIGENEN KIM-DIENST AN: Quartal je Praxis, wird bereits seit 1. April 2020 ge- KV.DOX zahlt) Neben der Industrie wird aber auch die Kassen Zu den Finanzierungs- und Betriebskostenpauscha- ärztliche Bundesvereinigung (KBV) einen solchen len kommt die Vergütung für den eArztbrief: Bis zu 20 AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020
TITELTHEMA 23,40 Euro je Arzt und Quartal für den Versand und Praxen, die bereits an die TI angebunden sind, benö- Empfang sowie seit Juli 2020 eine Strukturförder- tigen vor allem ein Update für ihren Konnektor. Das pauschale von einem EBM-Punkt (10,99 Cent) je ver- Update ist auch nötig, um neue digitale Anwendun- sendeten eArztbrief. gen wie das NFDM nutzen zu können. Praxen sollten sich für weitere Informationen an ihren PVS-Herstel- Für kv.dox zahlt man einen monatlichen Festpreis. Da- ler oder IT-Dienstleister wenden. rin ist alles enthalten. Der Preis liegt somit im Rah- men der genannten Finanzierungspauschale. Weitere Außerdem benötigt man für KIM einen Vertrag mit Infos zu allen Fördermöglichkeiten rund um die Tele- einem zugelassenen KIM-Anbieter und von diesem matik-Infrastruktur sind im Serviceteil dieser Ausgabe ein Clientmodul sowie das entsprechende PVS- auf S. 6 aufgelistet. Modul des jeweiligen PVS-Herstellers. Wichtig: Um die Förderung erhalten zu können, ge- Für die qualifizierte elektronische Signatur beim Ver- ben Praxen die hessenspezifische GOP 98151 in ih- sand via KIM braucht man zudem den eHBA (elek- rer Abrechnung an und weisen der KV Hessen so tronischer Heilberufsausweis) mindestens der Gene- den Besitz eines KIM-fähigen Konnektors nach. Die ration 2.0. Näheres dazu auf S. 23. GOP 98151 setzen Praxen nur einmalig im Quartal, in dem das Konnektor-Update erfolgt, bei einem ALLES NEU UND DIGITAL UND ALLES GUT? Versicherten an. Wer „Digitalisierung des Gesundheitswesens“ sagt, WAS BENÖTIGT EINE PRAXIS FÜR DIE EIN- muss eigentlich auch immer ein „Ja, aber…“ hinzu- RICHTUNG VON KIM? fügen. Denn so viel Baustelle und so viel berechtig- te Kritik an der Digitalisierung gab es wohl noch nie. Grundlage für KIM ist zunächst erst mal ein Anschluss Deshalb spart auch die KV Hessen daran nicht (sie- an die TI mit dem sogenannten E-Health-Konnektor. he das Interview mit den beiden Vorsitzenden auf Dieser unterstützt neben dem Versichertenstamm- S. 14). Nichtsdestotrotz ist diese Kritik kein Freifahrt- datenmanagement (VSDM) auch medizinische An- schein für alle Digitalisierungsskeptiker und solche, wendungen wie den elektronischen Medikationsplan die es schon immer gewusst haben wollen: Nicht die (eMP) und das Notfalldatenmanagement (NFDM). Digitalisierung ist das Problem, sondern die Art der Umsetzung: ohne Praxisbezug und ohne erkennba- ren Praxisnutzen. n Cornelia Kur Weitere Infos finden Sie hier: Infobox www.kvhessen.de/kim Hier haben wir Ihnen alles Wissenswerte rund um das Thema zusammengestellt. www.kbv.de/kv.dox Alle Infos rund um das KIM-Angebot der KBV. fachportal.gematik.de/zulassungen Liste der von der gematik zugelassenen TI-Komponenten, darunter auch KIM. AUF DEN PUNKT NR. 5 / OKT 2020 21
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