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AUF DEN PUNKT. Das Servicemagazin für unsere Mitglieder Nr. 2 / April 2021 Warum sich Mitarbeit in den Gremien lohnt Seite 12 Digitale Kommunikation im Gesundheitswesen Seite 36 info.service Offizielle Bekanntmachungen Seite 22
INHALT STANDPUNKT Blamabel 3 AKTUELLES KVH testet im Vorbeifahren 4 Coronapolitik – leider keine Erfolgsgeschichte 6 Pest und Cholera – was machen wir heute anders? 10 TITELTHEMA Primi inter Pares in den KV-Gremien 12 „Mich entspannt die Berufspolitik“ 14 „Das ist für mich bereichernd“ 16 „Ich sehe die Berufspolitik ein bisschen als Hobby“ 18 „Die Selbstverwaltung ist die beste Ordnungsform“ 19 Es ist die Qualität, die zählt 20 Stimmen aus der Praxis 24 „Nichtstun führt zu nichts“ 26 Junge Stimmen: was sie erwarten 30 GUT INFORMIERT Akupunktur richtig abrechnen 32 Digitale Kommunikation im Gesundheitswesen 36 Alles an einem Ort 40 Vorsicht: keine Abrechnungsdateien ohne vorherige Überprüfung einreichen 40 QUALITÄT QM strukturiert und gemeinsam weiterentwickeln 41 PRAXISTIPPS Wie war das? Fragen aus der Praxis 42 SERVICE Ihr Kontakt zu uns/Impressum 43 2 AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
STANDPUNKT Blamabel Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, sicher, es ist nicht alles schlecht: Wir haben den Win- ter überstanden, der Frühling hat begonnen und die warmen Monate des Jahres liegen vor uns. Und sonst? Läuft es auch ganz gut, wenn wir nicht über Corona sprechen. Wenn wir es aber tun – und es führt auch an dieser Stelle kein Weg daran vorbei –, dann stellen wir fest, dass eigentlich gar nichts rich- tig läuft. Ein Fachminister, der kostenlose Tests für alle verspricht, die es nicht gibt. Eine Kanzlerin, die nicht erklären kann, warum ausgerechnet ein Impfstoff, der in Mainz entwickelt wurde, in Deutschland Mangel- Wirklich nicht! Auch hier liegt auf der Hand, wie rich- ware ist. Ein Kanzleramtsminister, der noch immer tige Entscheidungen und gute Politik aussähen. Diese eine App anpreist, deren Praxis(un)tauglichkeit mitt- Offensichtlichkeit lässt uns einigermaßen fassungs- lerweile bewiesen sein dürfte. Und schließlich, als los zurück. Nicht fassungslos genug, um nicht doch Sahnehäubchen quasi, der Kanzlerin Ankündigung, kontinuierlich für die richtige Politik in Wiesbaden zu die Minister Spahn und Scheuer mit der Umsetzung trommeln und die richtigen Entscheidungen einzu- der eilig zusammengezimmerten Teststrategie inklu- fordern. Schließlich am Ende mit Erfolg, denn bei den sive kostenloser Bürgertests zu beauftragen. Scheu- Impfungen hat schließlich doch die Vernunft gesiegt er und Spahn – bei diesen Namen kommen uns viele – sowohl was unsere Impfungen als auch was die Assoziationen, wahrscheinlich nicht unbedingt solche Impfungen in den Praxen angeht. Dass dies möglich erfolgreicher Politik. Während bei Jens Spahn in den war, darüber haben wir uns gefreut. Dass es über- vergangenen Wochen das Gap zwischen vollmun- haupt nötig war, hinterlässt ein ziemlich zwiespäl digen Ankündigungen und dem kleinlauten Kassie- tiges Gefühl. ren ebendieser immer größer wurde, steht Andreas Scheuer primär für ein Milliardengrab beim Thema Weniger ambivalent ist unsere Meinung zum Thema Autobahnmaut und ein bemerkenswert schlechtes Schutzschirm. Dass der Gesetzgeber an dieser Stelle politisches Gedächtnis. Beide sind damit, zumindest kneift und die Niedergelassenen für ihre Honorarver- in den Augen der Kanzlerin, geradezu prädestiniert, luste selbst aufkommen lässt, ist ein wirklicher Skan- beim Testen nun endlich die Fahrt aufzunehmen, die dal. Das darf nicht so bleiben! So gesehen ist doch unser Land braucht. ziemlich viel schlecht in diesem Corona-Frühling in Deutschland. Ob sich gute Politik dadurch auszeichnet, unbedingt und immer genau das Gegenteil dessen zu tun, was man eigentlich tun sollte, ist eine ausgezeichnete Fra- Mit kollegialen Grüßen, Ihre ge. Manchmal kommt es uns so vor. Beispiele gefäl- lig? Diejenigen zu impfen, die in der ambulanten Ver- sorgung Tag für Tag ihre Frau beziehungsweise ihren Mann stehen und ein besonderes Expositionsrisiko haben? Wo kämen wir denn da hin? Impfungen den- jenigen anzuvertrauen, für die es Alltagsgeschäft ist Frank Dastych Dr. Eckhard Starke und die sich wie sonst niemand damit auskennen? Vorstandsvorsitzender stv. Vorstandsvorsitzender AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021 3
AKTUELLES KVH testet im Vorbeifahren Die Impfungen gegen SARS-CoV-2 laufen schleppend, noch immer sind die vulnerablen Gruppen nicht vollständig geimpft. Und das, obwohl Coronaaus- brüche in Alten- und Pflegeheimen zu hohen Inzidenzen und Todeszahlen bei- tragen. Umso wichtiger sind und bleiben die Testungen. Die KVH und das Hes- sische Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) haben daher ein mobiles Coronatestcenter konzipiert, das Gesundheitsminister Kai Klose und die Vor- stände der KVH, Frank Dastych und Dr. Eckhard Starke, in Wiesbaden vorge- stellt haben. Sorgte bei den hessischen Medien für Interesse: die Vorstellung des neuen mobilen Testcenters. Im Kampf gegen das Coronavirus und lokale Aus- mit besonders hoher Sensitivität und eine Auswer- bruchsgeschehen in Alten- und Pflegeeinrichtungen tung innerhalb sehr kurzer Zeit möglich. Die bis zu setzen die KVH und das Sozialministerium seit An- dreiköpfige „Besatzung“ kann sowohl PoC- wie auch fang Februar auf ein mobiles Testcenter. Das Test- PCR-Schnelltests durchführen und auswerten. Dazu mobil ist in ganz Hessen unterwegs und in der Regel sind das ichroma COVID-19 Ag-System, mit dem innerhalb von 24 Stunden am Einsatzort. Betroffe- auch Antikörpertests möglich sind, und das Bosch ne Heime können das zum rollenden Testcenter um- Vivalytic System zur Auswertung von PCR-Schnell- funktionierte und im KV-Design gestaltete Wohnmo- tests mit an Bord. Nur bei Massenausbrüchen müs- bil über die regionalen Gesundheitsämter und das sen PCR-Tests noch in einem externen Labor unter- Ministerium anfordern. Ausgestattet mit moderns- sucht werden. ter Labortechnik sind in dem Fahrzeug Schnelltests 4 AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
AKTUELLES Gemeinsam gegen Corona: Gesundheitsminister Kai Klose (l.) und Dr. Eckhard Starke. Übrigen könne das Testmobil nicht nur in Alten- und Pflegeheimen, sondern auch bei einem Coronaausbruch in einer Kin- dertagesstätte oder Schule zum Testen des Personals eingesetzt werden. GESUNDHEITSMINISTER LOBT HANDLUNGSSCHNELLIGKEIT DER KV Hessens Gesundheitsminister Kai Klose zeigte sich trotz eiskalter Temperaturen bei der Vorstellung des Testmobils erfreut dar- über, dass in Hessen nun ein mobiles Test- SCHNELLER ÜBERBLICK ÜBER DAS center zur Verfügung steht. Gegenüber INFEKTIONSGESCHEHEN Medienvertretern sagte er: „Unser Testmobil ist eine flexible und kreative Ergänzung unserer bestehenden „Mit dem Testmobil“, so die KVH-Vorstände, „errei- vielfältigen Maßnahmen. Das Beispiel zeigt einmal chen wir zwei Ziele: Die Alten- und Pflegeheime ha- mehr die hohe Einsatzbereitschaft der KVH und die ben, wenn das Testmobil das Gelände wieder verlässt, bewährte und gefestigte Zusammenarbeit zwischen im Normalfall einen exakten Überblick über den In- hessischem Gesundheitsministerium und der KVH seit fektionsstatus von Bewohnern und Pflegepersonal.“ Beginn und beim Kampf gegen die Pandemie. Und: Das sei wichtig, weil anhand eines solchen Überblicks Wir entwickeln weiter, was wir tun.“ Abschließend unmittelbar Maßnahmen wie räumliche Trennungen bedankte er sich ausdrücklich bei allen am Projekt vorgenommen werden könnten, ohne dass wertvol- beteiligten KVH-Mitarbeitern für die schnelle Umset- le Zeit verstreicht. „Gleichzeitig bleiben die Einrich- zung des mobilen Testkonzepts. Er hoffe allerdings, tungen in der Regel arbeitsfähig und die Bewohne- dass das Testmobil möglichst wenig oder bestenfalls rinnen und Bewohner können maximal geschützt überhaupt nicht zum Einsatz kommen muss. n werden“, unterstrichen Dastych und Dr. Starke. Im Alexander Kowalski 3 Einsätze in Kitas Das Testmobil hatte vom 8. bis 12. März mehrere Einsätze: am Montag in einer Kita in Hofgeismar, am Diens- tag in einer Kita in Kelsterbach und am Mittwoch in einer Kita in Kassel. Für Kinder gibt es Extratests. Hierbei reicht ein einfacher Wangenabstrich. Dies ist deutlich angenehmer als die herkömmlichen Tests. AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021 5
AKTUELLES Coronapolitik – leider keine Erfolgsgeschichte „Was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß“, wusste schon Wilhelm Busch. Diesen Ausspruch nahm sich Frank Dastych, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH), in der Vertreterversammlung (VV) im März ganz offensichtlich zu Herzen. Seine Kritik an der Coronapolitik auf Bundes- und Landesebene war jedenfalls an Ironie kaum zu überbieten. Und doch machte er deutlich: Was in Berlin und HESSEN BEIM IMPFEN STABIL SCHLECHT Wiesbaden passiert, ist ein Potpourri aus Unzuläng- lichkeiten und grenzt bisweilen an Dilettantismus: Doch der Reihe nach: Überhaupt nicht einverstan- angefangen bei Gratistests für alle, die nicht in aus- den zeigte sich Dastych mit der hessischen Impfkam- reichender Menge zur Verfügung stehen, über ein pagne. Gerade einmal 60 Prozent der gelieferten Öffnungskonzept, das niemand versteht, bis hin zu Impfdosen seien verimpft worden. Die Verantwort- einer Schnelltest-Taskforce unter der Leitung von lichen um den hessischen Innenminister Peter Beuth Gesundheitsminister Jens Spahn und seinem Kolle- kritisierte er insbesondere für ihr „dilettantisches gen aus dem Verkehrsressort, Andreas Scheuer, die Terminmanagement“. Diese hatten kurzerhand die ihr Können bereits an anderer Stelle nicht unter Be- 116117 zur Hotline für die Vergabe der Impftermi- weis gestellt haben, und last, but not least einem, so ne gemacht. „Ein großer Fehler“, so Dastych. Es sei Dastych, „hessischen Impfdesaster“. vorhersehbar gewesen, dass die zusätzlichen Anrufe 6 AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
AKTUELLES Safety first – Schnelltests bei Vorstand und Co. sorgten in der Europa-Allee für Sicherheit. es darum, auch den Psychotherapeuten möglichst bald ein Impfangebot zu machen. Der hessische Ge- sundheitsminister Kai Klose habe bereits zugesagt, sich darum zu kümmern. „Wir bleiben am Ball. Da rauf können Sie sich verlassen“, versprach Dastych in Richtung der Psychotherapeuten. Im Vorfeld der VV hatte es von einigen Psychotherapeuten Proteste ge- gen den Vorstand gegeben, weil diese bei der Imp- fung nicht berücksichtigt wurden. In einer Stellung- nahme distanzierten sich die psychotherapeutischen die Hotline überlasten. Viele Impfberechtigte seien Mitglieder der VV ausdrücklich von dieser Kritik und überhaupt nicht durchgekommen, um einen Termin dankten den Vorstandsvorsitzenden für ihren Einsatz zur Impfung zu vereinbaren. „Genau davor haben und die erfolgreichen Verhandlungen in Wiesbaden. wir gewarnt, leider hat Wiesbaden nicht auf uns ge- hört.“ Die Konsequenz sei, dass Hessen beim Impfen HERDENIMMUNITÄT NUR DURCH IMPFEN stark hinterherhinke. IN DEN PRAXEN MÖGLICH Immerhin, so der KVH-Chef, habe das Innenministe- Im nächsten Schritt, forderte Dastych, müsse nun rium auf Bitten und Drängen der KVH endlich zuge- endlich das Impfen in den Arztpraxen beginnen. An- stimmt, sowohl die niedergelassenen Ärzte wie auch dernfalls würde es schwierig, in den nächsten Mona- das Praxispersonal „außer der Reihe“ zu impfen. Die te eine Herdenimmunität zu erreichen. Das Angebot Impfungen erfolgten schließlich an zwei aufeinander- der Niedergelassenen stehe, es sei jetzt an der Poli- folgenden Wochenenden im Februar und März. „Ein tik, dieses anzunehmen, um die hessische Impfkam- wichtiger Schritt“, sagte Dastych und wies darauf pagne in Schwung zu bringen. hin, dass gerade Hausärzte aufgrund der hohen Pa- tientenzahl ein erhöhtes Infektionsrisiko hätten. Ent- Wenig begeistert zeigte sich der Vorstandsvorsitzen- sprechend zufrieden sei er darüber, dass das Impf de zudem von der politischen Performance rund um angebot gut angenommen worden sei. Nun gehe die Gratisschnelltests für alle. Nicht nur, dass zum Corona sei Dank konnten die Vertreter auch dieses Mal nur digital mit dabei sein. AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021 7
AKTUELLES Start am 8. März weder Strukturen noch genügend lässige Dritte‘ mit der Durchführung der Tests beauf- PoC-Testkits zur Verfügung gestanden hätten, auch tragen kann. Vielleicht können wir uns dann bald habe sich Jens Spahn wieder einmal keine Gedan- beim Bäcker testen lassen. Dann müssen wir nur ent- ken darüber gemacht, wie die Arztpraxen die zusätz- scheiden, ob wir das Testergebnis am Stück oder ge- liche Belastung personell stemmen sollten. „Nur gut, schnitten möchten“, konnte sich Dastych ein wenig dass der Öffentliche Gesundheitsdienst laut Testver- Sarkasmus nicht verkneifen. Zudem stünde in den ordnung ,weitere geeignete, qualifizierte und zuver- Sternen, ob und wann genügend Tests vorhanden STELLUNGNAHME DER PSYCHOTHERAPEUTISCHEN MITGLIEDER DER VV Im Februar 2021 erreichte der Vorstand der KV Hessen, dass die niedergelassene Ärzteschaft in Hessen bevorzugt gegen SARS-CoV-2 geimpft werden kann. In einem Rundschreiben an alle Mitglieder der Kas- senärztlichen Vereinigung Hessen gab der Vorstand der KV Hessen dieses erfreuliche Verhandlungsergeb- nis bekannt und wies unter großem Bedauern darauf hin, dass vorläufig wegen der Impfstoffknappheit die Mitglieder älter als 65 Jahre und die Psychologischen Psychotherapeuten noch nicht geimpft werden könnten. Von beiden zuständigen Ministerien der Landesregierung habe man aber die Zusicherung, dass bald auch für diese Gruppen eine Lösung gefunden und dann die gesamte ambulante Versorgung im Zu- ständigkeitsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen geimpft sein werde. Als der Vorstand der KV Hessen dieses Verhandlungsergebnis bekannt gegeben hatte und ausdrücklich die vorläufige Zurückstellung der älteren Mitglieder, der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kin- der- und Jugendlichen-Psychotherapeuten bedauert hatte, kam es gleichwohl von einigen Mitgliedern aus den letztgenannten Gruppen zu empörten Reaktionen und Protesten gegenüber dem Vorstand und dem Hessischen Sozialminister. Zahlreiche dieser Protestschreiben enthielten völlig abwegige Unterstellungen und schwerwiegende Beschimpfungen, die in Form und Inhalt indiskutabel waren und beleidigende For- men angenommen hatten. Demgegenüber erklärt die Gruppe der psychotherapeutischen Mitglieder der Vertreterversammlung der KV Hessen, dass sie den Verhandlungserfolg ihres Vorstandes ausdrücklich und dankbar begrüßt. Sie weist darauf hin, dass keine Gruppe in der Impfaktion diskriminiert wurde, sondern dass wegen der Knappheit des Impfstoffs Prioritäten notwendig waren. Unerträglich ist es deshalb, wenn aus diesem sachlich be- gründeten Umstand von einigen Mitgliedern der KV Hessen willkürliche und unbegründete Vorwürfe ge- genüber dem Vorstand und dem Hessischen Sozialminister abgeleitet werden, die in Form und Inhalt ehr- verletzend sind und paranoiden Einstellungen entsprechen. Die Vertreter aller psychotherapeutisch tätigen KV-Mitglieder distanzieren sich ausdrücklich von solchen Äußerungen und bedauern es sehr, dass sich einzelne Mitglieder aus den Gruppen der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten zu völlig abwegigen und halt- losen Verdächtigungen gegenüber dem eigenen KV-Vorstand und gegenüber dem Hessischen Sozialmi- nister verleiten ließen. Die Gruppe der psychotherapeutischen Mitglieder der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen weist jegliche Schmähkritik gegenüber dem Vorstand zurück und spricht dem Vorstand ausdrücklich ihren Dank aus für die mit der hessischen Landesregierung vereinbarte Vereinbarung zur vorgezogenen Impfung der niedergelassenen Ärzteschaft in Hessen. Ilka Heunemann (Psychologische Psychotherapeutin) Gabriele Peter (Psychologische Psychotherapeutin) Helga Planz (Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin) Michael Ruh (Psychologischer Psychotherapeut) Robert Schmidtner (Psychologischer Psychotherapeut) Ingrid Moeslein-Teising (ärztliche Psychotherapeutin) Dr. Albrecht Köhl (ärztlicher Psychotherapeut) 8 AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
AKTUELLES seien. Bei der Taskforce zur Testlogistik um Spahn ter. Damit ist die Versorgung in der Region zunächst und Scheuer sei ein „Himmelfahrtskommando“ je- einmal sichergestellt. Neu ist, dass der Bus an eine denfalls nicht auszuschließen. Noch dazu sei auch örtliche Hausarztpraxis angegliedert ist. Die Finanzie- die Kommunikation wieder einmal nicht optimal ge- rung trägt zu 80 Prozent das Land Hessen. Die KVH wesen. Dazu Dastych: „Wir haben durch eine Presse- zieht sich indes aus der Verantwortung zurück. „Für konferenz mit Ministerpräsident Volker Bouffier und uns als KVH war es wichtig, dass der Medibus wei- Kai Klose davon erfahren, dass wir vier Tage später terhin bestehen bleibt. Mit der Neuorganisation sind – darunter ein Wochenende – in unseren Covid-Ko- wir sehr zufrieden“, erklärte Dr. Starke. ordinierungscentern Schnelltests durchführen sollen. Das nenne ich eine optimale Vorbereitung.“ Der KVH-Vize informierte die Vertreter zudem über eine anstehende Verkürzung der Öffnungszeiten im Für Verärgerung und Entsetzen in der VV sorgte Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD). Ausgehend von der neue Schutzschirm für die ambulante Versor- internen Analysen werde die KVH die Öffnungszeiten gung. „Dieser Schutzschirm spottet jeder Beschrei- dahingehend verändern, dass die Zentralen zu bisher bung und ist vollkommen inakzeptabel“, machte kaum frequentierten Zeiten künftig nicht mehr ge- Dastych seinem Ärger Luft. „Dass wir Niedergelasse- öffnet sind. Die 24-Stunden-Bereitschaft bleibe da- ne die Verluste für wichtige Versorgungsleistungen von unberührt, so Dr. Starke. Selbstverständlich ließe wie ambulantes Operieren und Vorsorgeleistungen sich der ÄBD weiterhin nicht wirtschaftlich betrei- aus Rückstellungen, die wir an anderer Stelle benö- ben, jedoch würden durch die neuen Öffnungszei- tigen, selbst tragen sollen, beschleunigt die existen- ten Kosten eingespart. zielle Bedrohung der ambulanten Versorgung. Wer so entscheidet, macht klar, dass er die ambulan- Nach neun Jahren ten Strukturen gar nicht schützen will“, so der Vor- VV ist Schluss: standsvorsitzende. Dr. Eckhard Starke, stellvertreten- Dafür gibt es die der Vorstandsvorsitzender der KVH, pflichtete ihm goldene Ehrennadel für Dr. Christoph bei: „Dass die Kostenträger in diesem Zusammen- Schüürmann (r.). hang immer wieder auf Nachholeffekte verweisen, ist gelinde gesagt eine Frechheit. Solche Effekte wird es weder bei den Haus- noch bei den Fachärzten ge- ben. Das wissen auch die Kostenträger.“ Bereits im Vorfeld der VV hatte die KVH die Verantwortlichen öffentlich scharf kritisiert. MEDIBUS FÄHRT WEITER Bei allem Coronaärger gab es allerdings auch gute GOLDENE EHRENNADEL FÜR DR. CHRISTOPH Nachrichten. So berichtete Dr. Starke über die posi- SCHÜÜRMANN tive Entwicklung in der Causa Medibus. Der Fortbe- stand der mobilen Arztpraxis, die seit 2018 schlecht Den emotionalen Höhepunkt der VV setzte die Ver- versorgte Gemeinden in Osthessen anfährt, war auf- abschiedung von Dr. Christoph Schüürmann. Es war grund ungeklärter Finanzierungsfragen lange Zeit of- seine letzte VV. Für seine Verdienste um die ärztli- fen gewesen. Jetzt ist klar: Der Medibus fährt wei- che Selbstverwaltung erhielt er aus den Händen des VV-Vorsitzenden, Dr. Klaus-Wolfgang Richter, die goldene Ehrennadel der KVH. Dr. Schüürmann war seit 2011 Mitglied der VV, war jahrelang Mitglied Mehr als 800 Patienten an Standorten – der Medibus ist eine 5 im Strukturausschuss „Ambulantes Operieren“ und in der laufenden Legislatur gewähltes Mitglied der KBV-Vertreterversammlung. Er kehrt nun für seinen starke Alternative im ländlichen Raum! verdienten Ruhestand in seine niedersächsische Hei- mat zurück. n Alexander Kowalski AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021 9
AKTUELLES Ein Beitrag von Dr. Eckhard Starke, Vorstand der KV Hessen Pest und Cholera – was machen wir heute anders? Seuchen, Epidemien und Pandemien haben die Menschen bis heute begleitet. Was lernen wir daraus, und was wiederholt sich? Eine nicht vollständige Betrach- tung mitten in einer Herausforderung. Als die Pest und später die Völlig überraschend wurde im April das Wetter bes- Cholera in Europa ihre Spu- ser und völlig überraschend änderte sich das Anste- ren hinterließen, suchten die ckungsrisiko von allein. Die Angst relativierte sich, wir Menschen wie heute nach fuhren in den Urlaub und machten das, was man in Schuldigen und wilde Ver- den Ferien so liebt: in den Tag leben, feiern und mit al- schwörungstheorien verbrei- ten und neuen Urlaubsbekanntschaften das Leben ge- teten sich schnell. Bei der nießen. Völlig überraschend ging die Sommerzeit zu Pest zeigte man rasch auf die Ende und ungewöhnlicherweise wurde es im Herbst Juden, die Cholera schien so- wieder nass und kälter und das Virus vom Frühjahr gar ein Instrument der Rei- zeigte sich auf einmal schlimmer als je zuvor. chen zu sein, um sich der Armen zu entledigen. Tat- Und wieder gab es Verdrängungen und Schuldzuwei- sächlich wütete in Hamburg die Erkrankung in St. sungen, wieder gab es Verlierer und Gewinner. Und Pauli schlimmer als in Altona. Und tatsächlich gibt es mehr noch als vorher zeigen sich politisch Verantwort- Menschen, die heute denken, es seien wieder die Er- liche härter und kritischer als andere, auch rückt der folgreichen, die etwas im Schilde führen und sogar Wahlkampf näher und damit der Wunsch nach be- mit der Impfung und anderen digitalen Instrumen- sonderen Positionen innerhalb der Gesellschaft. Wer ten etwas übertragen möchten zur besseren Kontrol- hat später schon immer Recht gehabt, wer hätte es le und weiteren Gewinnmaximierung. besser gemacht, wer schlechter? Zu Beginn des Jahres 2020 schaute man aus Europa Und wie schon vor Jahrhunderten gibt es auch in un- etwas ungläubig auf China, wo Menschen wohnen, serer Gesellschaft Gewinner und Verlierer. Denken wir die sogar Tiere verspeisen, die hierzulande kaum je- an die Kinder, die Nähe und behutsame Führung be- mand gern anfassen möchte. Und wie schon zu Zei- nötigen, an die Älteren, die nichts sehnlicher brau- ten der Pest hatten wir die Schuldigen schnell gefun- chen als Nähe und Berührung, weil sie sich eh schon den auf den Wochenmärkten, die so ganz anders nicht mehr der Gesellschaft zugehörig fühlen und in aussehen als unsere. Erst als die schockierenden Bil- architektonisch modern eingerichteten Aufbewah- der aus Italien in unseren Wohnzimmern Einzug hiel- rungsstätten am Rande der Stadt leben. ten, ahnten wir, dass eine Pandemie keine Einreise erlaubnis benötigt. Und denken wir an die, die anfällig geworden sind in ihrem Schmerz darüber, von einem Tag zum anderen Der Schock führte zu einer kollektiven Angst, die Ver- vor den Trümmern ihrer Lebensplanung zu stehen: antwortlichen aus Politik und der Wissenschaft strit- die Betreiber von Gaststätten und kleinen Geschäften ten sich um die richtigen Sicherheitsmaßnahmen und ebenso wie diejenigen, die mit Leidenschaft in der übertrafen sich gegenseitig mit guten und schlechten Luftfahrt gearbeitet haben und jetzt nicht mehr be- Vorschlägen. nötigt werden. Denken wir an diejenigen, die allein- 10 AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
AKTUELLES erziehend in einer Dreizimmerwohnung jetzt beim Aber individuelle Entscheidungen müssen auch von Homeoffice gleichzeitig die Kinder beim E-Learning einzelnen Personen getroffen und verteidigt werden. unterstützen müssen. Sie werden hellhöriger in ih- Das ist leider unmodern geworden, man tut das, rem täglichen Schmerz, wenn Kritiker ihre Theorien was übergeordnete Räte und Ausschüsse in absolu- verbreiten. Aber sie werden auch als Querdenker be- ter Rechtssicherheit anordnen, nicht das, was für den schimpft, vielleicht auch von denen, die regelmäßig einzelnen Menschen in seiner einzigartigen Situation ihr Gehalt auf dem Konto sehen, im Eigenheim woh- geboten ist. nen mit Garten und einem Arbeitszimmer für jeden Familienangehörigen. Und dann sind wir bei der Systemrelevanz. Für mich persönlich ist die Großmutter, die ihre Enkel schüt- Während in früheren Zeiten die Kommunikation eher zend im Arm hält und ihnen spannende Geschich- nach dem Spiel „stille Post“ ablief, gibt es heute viele ten vorliest, genauso systemrelevant wie der Polizist, Möglichkeiten, weltweit Informationen zeitnah aus- der darauf achtet, dass die Großmutter dabei alle Hy- zutauschen. Es ist relativ neu, jeden Tag zu erfahren, gieneregeln einhält. Und kann man jetzt denjenigen in welcher Region und in welchem Land wie viele Schuld an der schleppend anlaufenden Impfaktion Menschen infiziert und wie viele „im Zusammenhang geben, die vor einem halben Jahr nicht einmal wuss- mit Covid-19“ gestorben sind. Aber die absoluten ten, welcher Impfstoff sich durchsetzen würde? Zahlen werden schlicht nebeneinandergestellt, als ob nicht bei über 30.000 Gestorbenen an und in Zusam- Kurz: Wird es nicht langsam Zeit, nicht danach zu su- menhang mit Covid-19 auch jedes Jahr 30.000 Men- chen, wer woran Schuld hat, sondern aufzulisten, schen im Zusammenhang mit multiresistenten Kei- was wir beim nächsten Mal besser machen? men sterben oder allein im Jahr 2020 innerhalb eines halben Jahres 20.000 Menschen im Zusammenhang Es wird Zeit, darüber zu sprechen, wie wir in Zukunft mit der Hitzewelle. Jeder Tote ist ein bedauernswertes mit den Menschen in unserer Gesellschaft verständ- Schicksal, aber in Deutschland stirbt jedes Jahr beina- licher reden, wie wir ihnen einerseits eine Perspekti- he eine Million. ve geben können, eine derart schwere Phase zu ertra- gen, andererseits ihnen das, was wirklich wichtig ist, Und damit sind wir bei der Kommunikation in die Ge- so erklären, dass sie es verstehen können. sellschaft. Unterschiedliche Wissenschaftler diskutie- ren öffentlich über ihre Erkenntnisse, die sich natür- Noch immer haben wir nicht genügend getan, um licherweise im Laufe der Zeit verändern, Berater und der Situation in den Pflegeheimen und der ambulan- Politiker geben ihre Meinung zum Besten, positive ten Betreuung gerecht zu werden. Es wird Zeit, darü- Entwicklungen werden gleichzeitig mit der Warnung ber nachzudenken, welche Aufgaben der Öffentliche verknüpft, es könnte bald wieder schlechter werden. Gesundheitsdienst übernehmen kann und wie viel er Referenzanwendungen und Berechnungsfaktoren uns wert ist. Allein mit viel Geld die Möglichkeiten zu werden derart oft geändert, dass der nicht wissen- schaffen, Menschen einzustellen, reicht nicht, wenn schaftlich tätige Mensch irgendwann aufgibt und kei- ich nicht gleichzeitig definiere, welche Aufgaben eine ne Angabe mehr in einen Zusammenhang mit vorhe- solche Einrichtung zukünftig haben soll. Und müssen rigem Zahlenmaterial stellen kann. Dabei haben wir wir uns nicht auch Gedanken darüber machen, wel- inzwischen Kommunikationswissenschaftler, die ihre che Vorteile eine ambulante ärztliche Versorgung in Dienste regelmäßig anbieten. Die Krisenkommunika- dieser Krise im Vergleich zu anderen Ländern hatte? tion ist eine eigenständige Wissenschaft geworden – Wir entwickeln gerade eine Staatsmedizin, die un- aber in einer Krise kümmert sich keiner darum. ter Covid-Bedingungen in vielen anderen Ländern der Welt versagt hat! In einer bewundernswert schnellen Zeit wurden in- zwischen Impfstoffe entwickelt. Schon vorher be- Es wird Zeit, einen zukünftigen Krisenplan zu entwi- schäftigten sich der Ethikrat und andere hochgelehr- ckeln. Ich wünsche mir, dass auch die mit am Tisch te Herrschaften mit einer Triage vor Aufnahme auf sitzen, die heute die aktuelle Krise ohne Rücksicht auf die Intensivstation. Als ob es nicht eine individuelle ihre Gesundheit abarbeiten. n Therapieoption für jeden einzelnen Menschen gäbe, Dr. Eckhard Starke unabhängig davon, wie reich oder alt er oder sie ist. Vorstand der KV Hessen AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021 11
TITELTHEMA 12 AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
TITELTHEMA Primi inter Pares in den KV-Gremien Es ist der große Vorteil der Selbstverwaltung, dass der höchst abwechslungsreichen Gremienarbeit – sie geführt werden kann von Experten, die aus immer verbunden mit der Hoffnung, dafür auch Be- praktischer Erfahrung genau wissen, wovon sie geisterung bei jungen Kolleginnen und Kollegen zu sprechen. Das macht sie stark und führt im Ideal- wecken. Der Nachwuchs fehlt und ohne ihn kön- fall zu einer hohen Akzeptanz bei den Beteiligten. nen die KV-Gremien nicht dauerhaft schlagkräftig In der Realität ist aber leider vieles anders. Immer bleiben. Daher berichten wir auch über die span- größer ist der Einfluss des Staates; die Lippenbe- nenden Aufgaben der zahlreichen QS-Kommissio- kenntnisse, Anhänger der Selbstverwaltung zu sein, nen. Und Politikwissenschaftler Prof. Roland Czada werden durch wiederholte und immer tiefere Ein- erklärt ganz prägnant, warum die Selbstverwaltung griffe in selbige konterkariert. Dem gilt es mit ei- die beste Ordnungsform ist. Zudem haben wir vom ner handlungsstarken Selbstverwaltung entgegen- Bündnis Junge Ärzte ein Statement erhalten, wel- zuwirken. Die massive Einflussnahme, der sich die che Wünsche und Anregungen sie an die Vertreter Selbstverwaltung ständig ausgesetzt sieht, ist den der ambulanten Versorgung richten. Aufhänger da- zahlreichen Mitgliedern der verschiedenen KV-Gre- für war ihr Positionspapier zu Nachhaltigkeit im Ge- mien sehr bewusst. Sich dem entschlossen entge- sundheitswesen und globalem Gesundheitsschutz. genzustellen, motiviert sie, sich berufspolitisch zu Und wenn Sie nach der Lektüre der Titelstrecke ei- engagieren. In den folgenden Artikeln kommen da- nen persönlichen Kontakt zu einem der VV-Mit- her vier Mitglieder der Vertreterversammlung und glieder haben möchten, dann schreiben Sie uns an die beiden Vorsitzenden zu Wort. Alle sind langjäh- aufdenpunkt@kvhessen.de. Wir leiten Ihr Anliegen rig niedergelassen und bestens mit dem System ver- gern weiter. n traut. Aus erster Hand schildern sie ihre Eindrücke Petra Bendrich AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021 13
TITELTHEMA „Mich entspannt die Berufspolitik“ Christian Sommerbrodt, Hausarzt aus Wiesbaden, erzählt im Interview, warum ihn die Arbeit in der ärztlichen Selbstverwaltung interessiert und warum ihn die Berufspolitik sogar entspannt. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich in derungen, die permanenten negativen Einflüsse der der Selbstverwaltung zu engagieren? Krankenkassen: Das sind alles viele kleine Schritte, Christian Sommerbrodt: Das war ein Prozess. Der bei denen man immer am Ball bleiben muss. Und Anstoß dafür war tatsächlich der Wunsch, die Weiter man beschäftigt sich nicht nur mit den Veränderun- bildung für Allgemeinmediziner voranzutreiben. Darü- gen in der Hausarztpraxis. Ich habe in dieser Legisla- ber bin ich mit der DEGAM und dem Hausärzteverband tur auch die gemeinsame Arbeit mit den Fachärzten in Kontakt gekommen. Und der Hausärzteverband schätzen gelernt. Wie ich von denjenigen, die länger hat sich sehr um das Thema der Weiterbildung ge- dabei sind als ich, gehört habe, war das nicht immer kümmert. Dadurch bin ich näher an die politische Ar- so. Viele unserer Ideen werden von den Fachärzten beit des Hausärzteverbands gerückt und bin von dort unterstützt und umgekehrt. dann in die Delegiertenversammlungen und zu ande- ren Veranstaltungen eingeladen worden. In der Wei- Was würden Sie jemandem raten, der mit dem terbildung war ich in einer Praxis, in der ich auf mei- Gedanken spielt, sich in der Selbstverwaltung ne Fragen oft die Antwort bekam: „Das ist so, frag zu engagieren? nicht!“ Das fand ich unbefriedigend und deshalb habe Sommerbrodt: Das Wichtigste ist Geduld. Man ich mich in die Themen reingefressen, auch zum Bei- kann wirklich einiges erreichen, aber es dauert al- spiel, wenn es um Verordnungen ging. Während mei- les seine Zeit und um gute Ideen muss man auch ner Weiterbildung kam es zur EBM-Reform 2007 zu kämpfen können. Aber als Erstes können wir wählen vielen Fragen und ich hatte ein Excel-Tool gebastelt, und dadurch Einfluss nehmen. Sicherlich kann man mit dem man einen Quartalsablauf in einer Hausarzt- trotzdem nicht alles ändern oder beeinflussen. Mir praxis simulieren konnte, eher um es selbst zu ver- wird zu wenig transportiert, worauf wir Einfluss ha- stehen. Und dieses Abrechnungstool wurde dann ein ben und worauf nicht. zentraler Bestandteil meiner Weiterbildungen, die ich damals, für andere Ärzte in Weiterbildung zu halten Welche Bereiche sind das denn? angefangen habe. Dadurch wurde mein Interesse ge- Sommerbrodt: Zum Beispiel, wenn wir jetzt ganz weckt, mich auch mehr in Richtung KV zu engagie- aktuell über unsere Bemühungen reden, die Co- ren. Und vor fünf Jahren bin ich in den Vorstand des ronaimpfungen in den niedergelassenen Bereich Landesverbands gekommen und wurde in die KV-Ver- zu bringen. Früher oder später wird die Impfung in treterversammlung gewählt. der normalen Niederlassung landen. Der Kampf be- steht aber darin, diesen Prozess zu beschleunigen, Gibt es etwas, auf das Sie stolz sind in der Ar- dass man auf die Ministerien einwirkt, dass man Ide- beit in der VV? en entwickelt, die sich umsetzen lassen, dass man Sommerbrodt: Die KV steht in einer zentraleren sich reinarbeitet und dann eben auch denjenigen, Stellung im Gesundheitssystem und man kommt die zu entscheiden haben, gute Gründe für die rich- mit unglaublich vielen Fragestellungen in Kontakt. tigen Entscheidungen liefert. Ganz aktuell hat mich Da ist ein permanenter Einsatz notwendig. Die Digi- der Vorstand der KV gebeten, mir Gedanken zu ma- talisierung des Gesundheitssystems, die Weiterent- chen, wie wir das Thema in die Hausarztpraxis be- wicklung des EBM, die politischen Einflüsse aus dem kommen können. Und da ich im Impfzentrum arbei- Land und dem Bund, die Umsetzung neuer Anfor- te und die Abläufe kenne, konnte ich sehr detailliert 14 AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
TITELTHEMA beschreiben, was wir brauchen, um die Impfungen in der Praxis umzusetzen. Ein anderes Beispiel ist die Bezahlung der Ärzte in Weiterbildung. In meiner Weiterbildungszeit hat man 2.000 Euro bekommen, die Hälfte von dem, was man an der Klinik bekam. Wir konnten durch die Zusammenarbeit mit einigen Partnern (HESA, JADE, DEGAM, Hausärzteverband) erreichen, inner- Christian Sommer- halb von drei Jahren die Weiterbildungstarife im nie- des Hausärzteverbandes trifft sich dreimal im Jahr, brodt wurde 2016 in die VV gewählt. dergelassenen Bereich auf die Tarife des Marburger macht zusammen 13 Termine im Jahr. Wenn es dann Bunds anzuheben. Man kann also schon etwas be- noch weiter Richtung KV oder Ärztekammer geht, wegen, wenn man Druck aufbaut, wenn man dran- tickt das Zeitkonto natürlich höher. Man nimmt das bleibt. Aber es geht halt nicht unbedingt schnell. aber nicht wahr, wenn es auch ein bisschen ein Hob Deshalb kann ich denjenigen, die mit einem Engage- by ist. Natürlich könnte ich auf der Couch sitzen und ment liebäugeln, raten: Habt Geduld! Man kann ein Buch lesen, statt über Gesetzestexten zu brüten nicht, weil einem etwas nicht gefällt, aufschlagen, und zu überlegen, was das für die Arbeit der Haus auf den Tisch hauen und erwarten, dass sich alles ärztinnen und Hausärzte bedeutet. Tatsächlich ent- sofort ändert. Das sind Prozesse und man muss be- spannt mich das aber. Das belastet mich nicht. reit sein, diese Prozesse mitzutragen. Aber das kann man lernen und das kann man am besten im Berufs- Und die Termine zum Beispiel an den Wochen- verband tun. Der Hausärzteverband ist regional or- enden? ganisiert, mit Bezirken, mit lokalen Treffen, da kann Sommerbrodt: Natürlich ist nicht alles gleich span- man hingehen und mitarbeiten. In die Delegierten- nend, aber das ist normal. In jedem Lebensbezug versammlung des Hausärzteverbandes wird man von oder Freizeitvergnügen gibt es neben Tollem auch seinem Bezirk gewählt. Da waren bei mir also zu- Dinge, die nun mal dazugehören. Auch der Einsatz erst Bezirkswahlen, in denen ich vom Bezirk Wies- an dem ein oder anderen Wochenende. Doch die baden zum Landesdelegierten im Hausärzteverband Sitzungen und Abstimmungen in der Vertreterver- gewählt worden bin. Dann gings als Wiesbadener sammlung sind wichtig, und die einzelnen Stimmen auf die DV und vor fünf Jahren bin ich in den Vor- haben ein großes Gewicht, weil die VV mit 50 Mit- stand des Landesverbands und dann später auch als gliedern relativ klein ist. Es macht einen Unterschied, Vertreter in die VV gewählt worden. ob ich einer von 10.000 niedergelassenen Ärzten oder ob ich einer von 50 bin. Das hält die Spannung Wie sieht es denn mit dem Thema Zeitaufwand schon aufrecht. Und selbst, wenn wir mit unserer Ar- aus? beit nicht immer nur Gutes bewirken können, ist das Sommerbrodt: Das ist schwierig. Wenn man es Abwehren von noch Schlimmerem in meinen Augen gern macht und viel positiven Input hat, dann fehlt manchmal auch ein Erfolg. Das ist schon eine gro- einem diese Zeit nicht im negativen Sinn. Wenn man ße Verantwortung und Langeweile kommt deshalb denn rechnen möchte: Die meisten hessischen Be- nicht auf. n zirke treffen sich zehnmal im Jahr, meist im Rahmen Die Fragen stellte eines Qualitätszirkels. Die Delegiertenversammlung Karl M. Roth AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021 15
TITELTHEMA „Das ist für mich bereichernd“ Was motiviert eine Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychothe- rapie/Psychoanalytikerin aus dem ländlichen Bad Hersfeld, sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich in der VV und in anderen Gremien zu engagieren? Auf den PUNKT. sprach darüber mit Ingrid Moeslein-Teising. Über ihre Tätigkeit im Berufsverband DGPT (Deut- Sie schätzt an ihrem berufspolitischen und teils auch sche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychothera- wissenschaftlichen Engagement den Kontakt zu kom- pie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie) kam In- petenten Kolleginnen und Kollegen, die wie sie et- grid Moeslein-Teising vor über zehn Jahren erstmals was gestalten und entwickeln wollen. Sie ist von der als Stellvertreterin eines VV-Mitglieds in Kontakt mit Ordnungsform der Selbstverwaltung hundertprozen- der Vertreterversammlung (VV) der KVH. Sie hat dann tig überzeugt. Es bringen sich dort Fachleute ein, die rasch gemerkt, dass die VV ein wichtiges Entschei- eben aufgrund ihrer Fachexpertise richtige Entschei- dungsgremium ist, und sich für die Liste Sprechende dungen treffen können, die verstehen, wovon sie Medizin als Kandidatin aufstellen lassen. Gewähltes sprechen, und die nicht nur einen „Trockenkurs“ hin- VV-Mitglied ist sie nun schon in der zweiten Legisla- ter sich haben. Zudem sieht sie in ihrem ehrenamt- tur. Sie sagt: „Die Liste Sprechende Medizin tritt ein lichen Engagement eine Bereicherung für ihre Pra- für Ärzte, die in der Arzt/Psychotherapeut-Patient- xistätigkeit, da sie in unterschiedlichen Rollen ganz Beziehung und im ärztlichen/psychotherapeutischen unterschiedliche Aufgaben ausfüllen kann. „Das Gespräch einen wesentlichen gesundheitspolitisch macht das Spektrum meines Berufes sehr breit. Das ist zu schützenden Kern ärztlicher und psychotherapeu- für mich bereichernd“, sagt sie. Dass sich nicht mehr tischer Kunst und Tätigkeit sehen.“ Sie ist stolz dar- Frauen in den Gremien engagieren, bedauert sie. Sie auf, dass sie in der VV, der sie seit zehn Jahren an- hofft, dass sich zukünftig mehr Frauen in der VV en- gehört, maßgeblich mitwirken konnte, dass sich die gagieren werden und meint schmunzelnd: „In unserer Psychotherapeuten als eine respektierte Kraft in der Fachgruppe sind wir da vorbildlich!“ Sie ist überzeugt: VV weiter etablieren konnten. „Wir haben einen gu- „Wenn man einmal anfängt, wird es immer interes- ten Stand und alle wissen, dass wir mit den anderen santer und wirkmächtiger.“ Inzwischen hat Moes- Fachgruppen konstruktiv und gut zusammenarbeiten. lein-Teising nur noch einen halben Versorgungauf- Unser Honorar ist zwar niedriger als das anderer Fach- trag. Die andere Hälfte der Zeit widmet sie sich neben gruppen, aber von der Haltung und der Zusammenar- Fort- und Weiterbildungsaufgaben voll und ganz der beit her sehen wir uns als Gleiche unter Gleichen. Das Berufspolitik. Als ehemalige langjährige Vorsitzende läuft alles sehr kollegial ab. Das wissen wir zu schät- der Ärztlichen Kreisvereinigung Bad Hersfeld setzt sie zen, denn das ist nicht in allen KVen selbstverständ- sich auch für die Versorgung im ländlichen Raum, be- lich und gewährleistet“, sagt sie. Sie setzt sich ein für sonders in Nord- und Osthessen, ein. Es ist ihr ein An- eine starke Selbstverwaltung und gegen die Auslage- liegen, in ihrem ländlichen Umfeld gegen Unterver- rung von Entscheidungsprozessen aus den Organen sorgung zu kämpfen, auch gegen die unterschätzte der KV in wirtschaftlich ausgerichtete Parallelorgani- psychiatrische Unterversorgung. sationen. Sie ist überzeugt, dass sich eine stark regio- nal vertretene Kassenärztliche Vereinigung immer gut Vor Corona stand sie Videosprechstunden eher ab- behaupten kann gegen die Versuche der Politik, sie lehnend gegenüber. Corona hat sie aber eines Besse- in den ökonomischen Verteilungskämpfen zwischen ren belehrt. Schon frühzeitig bot sie ihren Patienten den einzelnen Arztgruppen zu zerschlagen! auch Videosprechstunden an. „Als Vertreterin der Sprechenden Medizin bin ich froh, dieses Tool – trotz Parallel zur VV engagiert sich Moeslein-Teising auch aller damit verbundenen Nachteile – nutzen und den in zahlreichen anderen Gremien und Vereinigungen. Kontakt zu den PatientInnen damit aufrechterhalten 16 AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
TITELTHEMA zu können. So macht mir auch während der Pande- ist keine Ware! Gerade in der Coronapandemie ist mie das Behandeln weiter große Freude.“ Aber sie unserer Gesellschaft da einiges auf die Füße gefal- warnt auch: „Mit Sorge betrachte ich die zunehmen- len. Es wäre zu wünschen, dass hieraus Lehren für de Ökonomisierung des Gesundheitswesens, das die Zukunft der Versorgung gezogen werden.“ n doch der Daseinsfürsorge gilt und nicht der Profit- Petra Bendrich maximierung! Natürlich muss sparsam und ressour- censchonend gehandelt werden. Aber: Der Mensch Ingrid Moeslein-Teising aus Bad Hersfeld Interviewpartnerin Mitglied der VV seit 2011 • Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytikerin DPV/IPA/DGPT/Gruppenanalytikerin D3G • niedergelassen in freier Praxis (hälftiger Vertragsarztsitz) • verheiratet, 3 erwachsene Töchter (2 Allgemeinärztinnen, 1 Psychologische Psychotherapeutin i. A.) und 6 Enkel Wissenschaftliche Interessen, Publikationen und Vorträge: Frau und Psychoanalyse, die Frau im Lebenszyklus. Psychoanalyse/Psychotherapie in der Versorgungslandschaft. Wissenschaftliche Funktionen: Dozentin am Alexander-Mitscherlich-Institut (Psychoanalytisches Institut) Kassel Europäische Co-Chair von COWAP (Committee on Women and Psychoanalysis) in der IPA (Internationale Psychoanalytische Vereinigung) Berufspolitische Funktionen (Auswahl): DGPT (Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsycholo- gie): Stellvertretende Vorsitzende der DGPT (outgoing), Vorsitzende des Landesverbandes Hessen der DGPT (ehem.) DPV (Deutsche Psychoanalytische Vereinigung): Berufspolitischer Ausschuss (Gaststatus) Mitglied des Ausschusses „Psychotherapie“ der Landesärztekammer Hessen Div. Funktionen in der KVH: Mitglied der Vertreterversammlung, des Regionalbeirates Kassel, des Be- rufungsausschusses, des Versorgungsebenenausschusses, des EHV-Beirates; Ärztliche Vorsitzende des Beratenden Fachausschusses Psychotherapie, QZ-Moderatorin Funktionen in der KBV: Stellvertretendes Mitglied im Beratenden Fachausschuss Psychotherapie der KBV STÄKO (Ständige Konferenz der ärztlichen psychotherapeutischen Verbände) für BÄP/Berufsverband der ärztlichen Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker in der DGPT (Stellvertreterposition) Unterausschuss Psychotherapie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) (Stellvertreterposition) Mitgliedschaften (Auswahl): DPV (Deutsche Psychoanalytische Vereinigung), DGPT (Deutsche Gesellschaft für P sychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V.), DGPM (Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie), D3G (Deutsche Gesellschaft Gruppenanalyse) LAISPS Los Angeles Institute and Society for Psychoanalytic Studies Weitere Funktionen: Ehrenamtliche Richterin am Hessischen Heilberufegericht AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021 17
TITELTHEMA „Ich sehe die Berufspolitik ein bisschen als Hobby“ Dr. Karin Schmitt-Hessemer ist seit 20 Jahren VV-Mitglied, für Ilka Heunemann ist es die erste Legislatur. Wir haben beide zu ihrem Einstieg in die Gremien arbeit und zu ihrer Motivation befragt. Wie kamen Sie auf legen in der VV für die Belange von Psychotherapeu- die Idee, sich in der ten einzusetzen. Ein sehr wichtiger Schritt in dieser VV zu engagieren? Legislatur war es sicher, dass wir wieder ermöglicht Dr. Karin Schmitt- bekamen, dass ein Psychotherapiebeauftragter vom Hessemer: Da ging es Vorstand benannt wurde. Dadurch können wir unsere mir wie wohl vielen KV- Anliegen und Belange einfacher beim Vorstand plat- Mitgliedern: Ein Kollege, zieren und die Psychotherapie wird insgesamt noch Die Augenärztin der der VV schon länger besser in der KV Hessen repräsentiert. Dr. Karin Schmitt- angehörte, rief mich im Vorfeld der Wahlen an und Schmitt-Hessemer: Meine Lieblingstätigkeit war Hessemer ist seit 2001 Mitglied schlug mir vor, mich zu engagieren. Nach einer gewis- und ist der Zulassungsausschuss, dem ich seit eini- der Vertreter sen Bedenkzeit habe ich dem zugestimmt und es bis gen Jahren angehöre. Leider leidet die Effizienz der versammlung. heute nicht bereut. Zusammenarbeit derzeit etwas unter den coronabe- Ilka Heunemann: Auch ich wurde von einem Kolle- dingten Auflagen und Videokonferenzen, die unum- gen angesprochen, ob ich mich nicht bei den Wahlen gänglich sind. Ich bin aber sicher, dass diesbezüglich der KV Hessen als Kandidatin aufstellen lassen wolle. bald bessere Zeiten auf uns zukommen. Über die Aus- Als langjährig Aktive im Vorstand der Deutschen Psy- schusstätigkeit hinaus ist es mir immer eine Freude, chotherapeutenVereini- Kolleginnen und Kollegen eine Frage beantworten gung habe ich natürlich oder helfen zu können. Diese direkten Kontakte unter sofort Ja gesagt. Ich fin- Ärzten und Psychotherapeuten finde ich sehr wichtig. de es wichtig, dass bei einer Berufsgruppe mit Was würden Sie dem berufspolitisch interes- über 70 Prozent Frauen sierten Nachwuchs empfehlen? anteil auch Frauen in den Schmitt-Hessemer: Dem Nachwuchs würde ich un- Gremien vertreten sind. bedingt raten, sich berufspolitisch zu engagieren. Dies Und ich freue mich na- trägt erheblich dazu bei, die eigene Tätigkeit und die türlich, mich auch durch Hintergründe besser zu verstehen. Ich kann auch ver- Ilka Heunemann dieses Amt noch mehr sprechen, dass es meistens Spaß macht. praktiziert als für die Interessen der Psychologischen Psychothe Heunemann: Dem Interesse unbedingt nachzuge- Psychologische Psychothera- rapeuten und Kinder- und Jugendlichen Psychothera hen und mit einem Berufs- oder Fachverband, der peutin in Bad peuten in Hessen einsetzen zu können. in der KV Hessen aktiv ist, Kontakt aufzunehmen. Es Schwalbach. ist sicher am Anfang hilfreich, ein Netzwerk zu ha- Was sind Ihre größten Erfolge im Zusammen- ben und sich gemeinsam mit erfahrenen Kollegin- hang mit Ihrem Engagement in der VV? nen und Kollegen engagieren zu können – noch mal Heunemann: Mein Wunsch war es, sich gemeinsam mehr, wenn man, wie wir Psychotherapeuten, immer mit den psychotherapeutischen Kolleginnen und Kol- anzahlmäßig in der Minderheit in der VV bleiben wird. 18 AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
TITELTHEMA Wie viel Zeit wenden Sie für Ihre Tätigkeit auf? Schmitt-Hessemer: Das ist schwer zu beantworten. Heunemann: Ich habe aufgehört, mich mit der Zeit, Da gibt es große Schwankungen. In meinem Fall sind die ich für Berufspolitik einsetze, auseinanderzuset- es sicher in jeder Woche einige Stunden. Das sollte zen. Ich sehe es ein bisschen auch als ein Hobby, da aber niemanden abschrecken, denn ich gehöre ja ei- fragt man sich ja auch nicht, wie viele Stunden man nigen Ausschüssen an, die recht zeitintensiv sind. Mit am Abend oder Wochenende noch dafür aufgewen- geringerem zeitlichen Aufwand ist auf jeden Fall auch det hat. eine effektive KV-Arbeit möglich. n Die Fragen stellte Petra Bendrich „Die Selbstverwaltung ist die beste Ordnungsform“ Zu den Vorteilen des deutschen Gesundheitssystems Professor Roland Czada ist Politikwissenschaftler Vorgaben politischer Parteifunktionäre oder gemäß und beschäftigt sich unter anderem mit Staatstheo- der Fülle seines Geldbeutels medizinisch behandelt rie und Verwaltungsforschung. In einem Klartext-In- werden? Das in relativer Autonomie vom Staat funk- terview aus dem Jahr 2020 spricht er über die „Intel- tionierende Solidarsystem erweist sich gerade aus ligenz der Demokratie“, die Vorteile des deutschen Patientensicht weltweit als vorbildlich. Gesundheitssystems und Europas Handeln in der Kri- se. Aus diesem Interview hat Auf den PUNKT. zwei Politische und insbesondere auch Gesundheits- Fragen und Antworten übernommen. systeme leben von der Akzeptanz ihrer Teil- haber. Hat sich die Corona-Krise auf die Le- Ein Baustein der medizinischen Versorgung in gitimität des deutschen Ansatzes ausgewirkt Deutschland ist die Selbstverwaltung. Welchen beziehungsweise wird sie dies in Zukunft tun? Nutzen bringt diese Ärzten und Patienten? Prof. Roland Cazada: Akzeptanz beruht überwie- Prof. Roland Cazada: Die Medizin sieht ihre Auf- gend auf Leistung und Zweckerfüllung. Das gilt für gabe darin, Kranke zu heilen und ihnen ein lebens- das Gesundheitssystem mehr als für andere Politik- wertes Dasein zu ermöglichen. Die Ärzteschaft war felder. Ein Autobahnstau oder eine Zugverspätung immer Fürsprecher der Patienten, während Kranken- sind lästig. Staus und Verspätungen im Gesundheits- kassen und Regierungen über die Ausgaben des Ge- system tangieren das Recht und den Wunsch auf sundheitssystems zu wachen haben. Die daraus ent- Leben. Ich bin sicher, dass die Pandemie den Stel- stehende Konfliktlinie tritt in der Selbstverwaltung lenwert von Gesundheitsdiensten und deren Ord- der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) klar zu- nungsform verstärkt ins Bewusstsein gerückt hat. tage. Sie dient dem friedlichen Interessenausgleich Die vergleichende Gesundheitssystemforschung hat ebenso wie einer evidenzbasierten Qualitätssiche- schon jetzt darauf reagiert und eine Neubewertung rung. Es ist keine perfekte, aber im internationa- von Erfolgsparametern erkennen lassen. Der leich- len Vergleich meines Erachtens die beste Ordnungs- te Zugang zu ambulanten Versorgungsleistungen in form. In Selbstverwaltung erlassene Therapienormen der Fläche genießt dabei höchste Wertschätzung. werden im Kreis sachverständiger Leistungsträger beschlossen und nach deren professionellen Quali- Nachgedruckt mit freundlicher Genehmigung der tätskriterien umgesetzt. Wer wollte stattdessen nach KBV aus „Klartext 3/2020“, Seite 15. n AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021 19
TITELTHEMA Es ist die Qualität, die zählt Hohe Standards sind dank der fachärztlichen Kommissionen gesichert. So ist es in lockdownfreien Zeiten: Mit prall gefüllten schon radiologisch tätig waren, begannen, im Auf- Taschen und Trolleys trifft an einem Mittwochnachmit- trag der KVH im Rahmen von Fachgesprächen die tag neben anderen Qualitätssicherungskommissionen Qualitätsprüfung für die genehmigungspflichtigen die Qualitätssicherungskommission (QS-Kommission) Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung Koloskopie in der KVH ein. Berge von Behandlungs- durchzuführen. Gestartet wurde mit zwei Fachprü- dokumentationen müssen besprochen und beurteilt fern, die vom Vorstand der KVH benannt wurden. In werden. Im Nebenraum tagt die QS-Kommission So- den 80ern folgte als nächstes großes Prüfgebiet die nographie – ein ganz anderes Bild: Auf der Liege liegt Sonographie. Zwischen 1980 und 1985 entwickel- live eine Probandin aus einem Team der Qualitätssi- ten sich hieraus die ersten QS-Kommissionen. cherung; mithilfe des KV-eigenen Ultraschallgeräts zeigt ein Arzt im Rahmen seines Kolloquiums, dass er Inzwischen engagieren sich in 24 QS-Kommissionen schallen kann und dies nach bestandenem Kolloqui- mehr als 200 Kommissionsmitglieder im Sinne der um auch QS-seitig darf. Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Ver- sorgung. Anhand bundesweiter gesetzlicher Vor- QUALITÄTSSICHERUNGSKOMMISSIONEN – gaben finden sich diese Kommissionen in allen 17 FACHÄRZTLICHE EXPERTISE PUR Kassenärztlichen Vereinigungen wieder – ein gro- ßer Antritt zur Sicherung der Qualität in der ambu- In Hessen fiel der Startschuss für die Qualitätsprü- lanten Versorgung. Fachärzte der jeweiligen Diszip- fung bereits in den 60er-Jahren. Einige Ärzte, die linen werden für ihre Arbeit in den Kommissionen 20 AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
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