PUNKT - Warum sich Mitarbeit in den Gremien lohnt - AUF DEN

 
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PUNKT - Warum sich Mitarbeit in den Gremien lohnt - AUF DEN
AUF DEN
 PUNKT.
Das Servicemagazin für unsere Mitglieder Nr. 2 / April 2021

Warum sich Mitarbeit
in den Gremien lohnt
Seite 12

Digitale Kommunikation
im Gesundheitswesen
Seite 36

info.service
Offizielle Bekanntmachungen
Seite 22
PUNKT - Warum sich Mitarbeit in den Gremien lohnt - AUF DEN
INHALT

             STANDPUNKT
             Blamabel                                                                     3

             AKTUELLES
             KVH testet im Vorbeifahren                                                   4
             Coronapolitik – leider keine Erfolgsgeschichte                               6
             Pest und Cholera – was machen wir heute anders?                             10

             TITELTHEMA
             Primi inter Pares in den KV-Gremien                                         12
             „Mich entspannt die Berufspolitik“                                          14
             „Das ist für mich bereichernd“                                              16
             „Ich sehe die Berufspolitik ein bisschen als Hobby“                         18
             „Die Selbstverwaltung ist die beste Ordnungsform“                           19
             Es ist die Qualität, die zählt                                              20
             Stimmen aus der Praxis                                                      24
             „Nichtstun führt zu nichts“                                                 26
             Junge Stimmen: was sie erwarten                                             30

             GUT INFORMIERT
             Akupunktur richtig abrechnen                                                32
             Digitale Kommunikation im Gesundheitswesen                                  36
             Alles an einem Ort                                                          40
             Vorsicht: keine Abrechnungsdateien ohne vorherige Überprüfung einreichen    40

             QUALITÄT
             QM strukturiert und gemeinsam weiterentwickeln                              41

             PRAXISTIPPS
             Wie war das? Fragen aus der Praxis                                          42
             SERVICE
             Ihr Kontakt zu uns/Impressum                                                43

2            AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
PUNKT - Warum sich Mitarbeit in den Gremien lohnt - AUF DEN
STANDPUNKT

Blamabel
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

sicher, es ist nicht alles schlecht: Wir haben den Win-
ter überstanden, der Frühling hat begonnen und
die warmen Monate des Jahres liegen vor uns. Und
sonst? Läuft es auch ganz gut, wenn wir nicht über
Corona sprechen. Wenn wir es aber tun – und es
führt auch an dieser Stelle kein Weg daran vorbei –,
dann stellen wir fest, dass eigentlich gar nichts rich-
tig läuft. Ein Fachminister, der kostenlose Tests für alle
verspricht, die es nicht gibt. Eine Kanzlerin, die nicht
erklären kann, warum ausgerechnet ein Impfstoff, der
in Mainz entwickelt wurde, in Deutschland Mangel-            Wirklich nicht! Auch hier liegt auf der Hand, wie rich-
ware ist. Ein Kanzleramtsminister, der noch immer            tige Entscheidungen und gute Politik aussähen. Diese
eine App anpreist, deren Praxis(un)tauglichkeit mitt-        Offensichtlichkeit lässt uns einigermaßen fassungs-
lerweile bewiesen sein dürfte. Und schließlich, als          los zurück. Nicht fassungslos genug, um nicht doch
Sahnehäubchen quasi, der Kanzlerin Ankündigung,              kontinuierlich für die richtige Politik in Wiesbaden zu
die Minister Spahn und Scheuer mit der Umsetzung             trommeln und die richtigen Entscheidungen einzu-
der eilig zusammengezimmerten Teststrategie inklu-           fordern. Schließlich am Ende mit Erfolg, denn bei den
sive kostenloser Bürgertests zu beauftragen. Scheu-          Impfungen hat schließlich doch die Vernunft gesiegt
er und Spahn – bei diesen Namen kommen uns viele             – sowohl was unsere Impfungen als auch was die
Assoziationen, wahrscheinlich nicht unbedingt solche         Impfungen in den Praxen angeht. Dass dies möglich
erfolgreicher Politik. Während bei Jens Spahn in den         war, darüber haben wir uns gefreut. Dass es über-
vergangenen Wochen das Gap zwischen vollmun-                 haupt nötig war, hinterlässt ein ziemlich zwiespäl­
digen Ankündigungen und dem kleinlauten Kassie-              tiges Gefühl.
ren ebendieser immer größer wurde, steht Andreas
Scheuer primär für ein Milliardengrab beim Thema             Weniger ambivalent ist unsere Meinung zum Thema
Autobahnmaut und ein bemerkenswert schlechtes                Schutzschirm. Dass der Gesetzgeber an dieser Stelle
politisches Gedächtnis. Beide sind damit, zumindest          kneift und die Niedergelassenen für ihre Honorarver-
in den Augen der Kanzlerin, geradezu prädestiniert,          luste selbst aufkommen lässt, ist ein wirklicher Skan-
beim Testen nun endlich die Fahrt aufzunehmen, die           dal. Das darf nicht so bleiben! So gesehen ist doch
unser Land braucht.                                          ziemlich viel schlecht in diesem Corona-Frühling in
                                                             Deutschland.
Ob sich gute Politik dadurch auszeichnet, unbedingt
und immer genau das Gegenteil dessen zu tun, was
man eigentlich tun sollte, ist eine ausgezeichnete Fra-      Mit kollegialen Grüßen, Ihre
ge. Manchmal kommt es uns so vor. Beispiele gefäl-
lig? Diejenigen zu impfen, die in der ambulanten Ver-
sorgung Tag für Tag ihre Frau beziehungsweise ihren
Mann stehen und ein besonderes Expositionsrisiko
haben? Wo kämen wir denn da hin? Impfungen den-
jenigen anzuvertrauen, für die es Alltagsgeschäft ist        Frank Dastych		               Dr. Eckhard Starke
und die sich wie sonst niemand damit auskennen?              Vorstandsvorsitzender stv. Vorstandsvorsitzender

                                                                                     AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021          3
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AKTUELLES

                          KVH testet im Vorbeifahren
                          Die Impfungen gegen SARS-CoV-2 laufen schleppend, noch immer sind die
                          vulnerablen Gruppen nicht vollständig geimpft. Und das, obwohl Coronaaus-
                          brüche in Alten- und Pflegeheimen zu hohen Inzidenzen und Todeszahlen bei-
                          tragen. Umso wichtiger sind und bleiben die Testungen. Die KVH und das Hes-
                          sische ­Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) haben daher ein mobiles
                          Corona­testcenter konzipiert, das Gesundheitsminister Kai Klose und die Vor-
                          stände der KVH, Frank Dastych und Dr. Eckhard Starke, in Wiesbaden vorge-
                          stellt haben.

        Sorgte bei den
   hessischen Medien
     für Interesse: die
Vorstellung des neuen
 mobilen Testcenters.

                          Im Kampf gegen das Coronavirus und lokale Aus-        mit besonders hoher Sensitivität und eine Auswer-
                          bruchsgeschehen in Alten- und Pflegeeinrichtungen     tung innerhalb sehr kurzer Zeit möglich. Die bis zu
                          setzen die KVH und das Sozialministerium seit An-     dreiköpfige „Besatzung“ kann sowohl PoC- wie auch
                          fang Februar auf ein mobiles Testcenter. Das Test-    PCR-Schnelltests durchführen und auswerten. Dazu
                          mobil ist in ganz Hessen unterwegs und in der Regel   sind das ichroma COVID-19 Ag-System, mit dem
                          innerhalb von 24 Stunden am Einsatzort. Betroffe-     auch Antikörpertests möglich sind, und das Bosch
                          ne Heime können das zum rollenden Testcenter um-      Vivalytic System zur Auswertung von PCR-Schnell-
                          funktionierte und im KV-Design gestaltete Wohnmo-     tests mit an Bord. Nur bei Massenausbrüchen müs-
                          bil über die regionalen Gesundheitsämter und das      sen PCR-Tests noch in einem externen Labor unter-
                          Ministerium anfordern. Ausgestattet mit moderns-      sucht werden.
                          ter Labortechnik sind in dem Fahrzeug Schnelltests

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AKTUELLES

                                                                   Gemeinsam gegen Corona:
                                                                   Gesundheitsminister Kai Klose (l.)
                                                                   und Dr. Eckhard Starke.

                                                                     Übrigen könne das Testmobil nicht nur in
                                                                     Alten- und Pflegeheimen, sondern auch
                                                                     bei einem Coronaausbruch in einer Kin-
                                                                     dertagesstätte oder Schule zum Testen
                                                                     des Personals eingesetzt werden.

                                                                     GESUNDHEITSMINISTER LOBT
                                                                     ­HANDLUNGSSCHNELLIGKEIT
                                                                      DER KV

                                                                      Hessens Gesundheitsminister Kai Klose
                                                                      zeigte sich trotz eiskalter Temperaturen bei
                                                                      der Vorstellung des Testmobils erfreut dar-
                                                                      über, dass in Hessen nun ein mobiles Test-
SCHNELLER ÜBERBLICK ÜBER DAS                                          center zur Verfügung steht. Gegenüber
­INFEKTIONSGESCHEHEN                                      Medienvertretern sagte er: „Unser Testmobil ist eine
                                                          flexible und kreative Ergänzung unserer bestehenden
„Mit dem Testmobil“, so die KVH-Vorstände, „errei-        vielfältigen Maßnahmen. Das Beispiel zeigt einmal
chen wir zwei Ziele: Die Alten- und Pflegeheime ha-       mehr die hohe Einsatzbereitschaft der KVH und die
ben, wenn das Testmobil das Gelände wieder verlässt,      bewährte und gefestigte Zusammenarbeit zwischen
im Normalfall einen exakten Überblick über den In-        hessischem Gesundheitsministerium und der KVH seit
fektionsstatus von Bewohnern und Pflegepersonal.“         Beginn und beim Kampf gegen die Pandemie. Und:
Das sei wichtig, weil anhand eines solchen Überblicks     Wir entwickeln weiter, was wir tun.“ Abschließend
unmittelbar Maßnahmen wie räumliche Trennungen            bedankte er sich ausdrücklich bei allen am Projekt
vorgenommen werden könnten, ohne dass wertvol-            beteiligten KVH-Mitarbeitern für die schnelle Umset-
le Zeit verstreicht. „Gleichzeitig bleiben die Einrich-   zung des mobilen Testkonzepts. Er hoffe allerdings,
tungen in der Regel arbeitsfähig und die Bewohne-         dass das Testmobil möglichst wenig oder bestenfalls
rinnen und Bewohner können maximal geschützt              überhaupt nicht zum Einsatz kommen muss. n
werden“, unterstrichen Dastych und Dr. ­Starke. Im                                            Alexander Kowalski

  3 Einsätze
        in Kitas
  Das Testmobil hatte vom 8. bis 12.
  März mehrere Einsätze: am Montag
  in einer Kita in Hofgeismar, am Diens-
  tag in einer Kita in Kelsterbach und
  am Mittwoch in einer Kita in Kassel.
  Für Kinder gibt es Extratests. Hierbei
  reicht ein einfacher Wangenabstrich.
  Dies ist deutlich angenehmer als die
  herkömmlichen Tests.

                                                                                     AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021               5
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AKTUELLES

                Coronapolitik – leider keine
                ­Erfolgsgeschichte
            „Was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß“, wusste schon Wilhelm
             Busch. Diesen Ausspruch nahm sich Frank Dastych, Vorstandsvorsitzender der
             Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH), in der Vertreterversammlung (VV) im
             März ganz offensichtlich zu Herzen. Seine Kritik an der Coronapolitik auf Bundes-
             und Landesebene war jedenfalls an Ironie kaum zu überbieten.

                Und doch machte er deutlich: Was in Berlin und           HESSEN BEIM IMPFEN STABIL SCHLECHT
                Wiesbaden passiert, ist ein Potpourri aus Unzuläng-
                lichkeiten und grenzt bisweilen an Dilettantismus:       Doch der Reihe nach: Überhaupt nicht einverstan-
                angefangen bei Gratistests für alle, die nicht in aus-   den zeigte sich Dastych mit der hessischen Impfkam-
                reichender Menge zur Verfügung stehen, über ein          pagne. Gerade einmal 60 Prozent der gelieferten
                Öffnungskonzept, das niemand versteht, bis hin zu        Impfdosen seien verimpft worden. Die Verantwort-
                einer Schnelltest-Taskforce unter der Leitung von        lichen um den hessischen Innenminister Peter Beuth
                Gesundheitsminister Jens Spahn und seinem Kolle-         kritisierte er insbesondere für ihr „dilettantisches
                gen aus dem Verkehrsressort, Andreas Scheuer, die        Terminmanagement“. Diese hatten kurzerhand die
                ihr Können bereits an anderer Stelle nicht unter Be-     116117 zur Hotline für die Vergabe der Impftermi-
                weis gestellt haben, und last, but not least einem, so   ne gemacht. „Ein großer Fehler“, so Dastych. Es sei
                ­Dastych, „hessischen Impfdesaster“.                     vorhersehbar gewesen, dass die zusätzlichen Anrufe

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AKTUELLES

                                                         Safety first – Schnelltests bei Vorstand und Co.
                                                         sorgten in der Europa-Allee für Sicherheit.

                                                           es darum, auch den Psychotherapeuten möglichst
                                                           bald ein Impfangebot zu machen. Der hessische Ge-
                                                           sundheitsminister Kai Klose habe bereits zugesagt,
                                                           sich darum zu kümmern. „Wir bleiben am Ball. Da­
                                                           rauf können Sie sich verlassen“, versprach Dastych in
                                                           Richtung der Psychotherapeuten. Im Vorfeld der VV
                                                           hatte es von einigen Psychotherapeuten Proteste ge-
                                                           gen den Vorstand gegeben, weil diese bei der Imp-
                                                           fung nicht berücksichtigt wurden. In einer Stellung-
                                                           nahme distanzierten sich die psychotherapeutischen
die Hotline überlasten. Viele Impfberechtigte seien        Mitglieder der VV ausdrücklich von dieser Kritik und
überhaupt nicht durchgekommen, um einen Termin             dankten den Vorstandsvorsitzenden für ihren Einsatz
zur Impfung zu vereinbaren. „Genau davor haben             und die erfolgreichen Verhandlungen in Wiesbaden.
wir gewarnt, leider hat Wiesbaden nicht auf uns ge-
hört.“ Die Konsequenz sei, dass Hessen beim Impfen         HERDENIMMUNITÄT NUR DURCH IMPFEN
stark hinterherhinke.                                      IN DEN PRAXEN MÖGLICH

Immerhin, so der KVH-Chef, habe das Innenministe-          Im nächsten Schritt, forderte Dastych, müsse nun
rium auf Bitten und Drängen der KVH endlich zuge-          endlich das Impfen in den Arztpraxen beginnen. An-
stimmt, sowohl die niedergelassenen Ärzte wie auch         dernfalls würde es schwierig, in den nächsten Mona-
das Praxispersonal „außer der Reihe“ zu impfen. Die        te eine Herdenimmunität zu erreichen. Das Angebot
Impfungen erfolgten schließlich an zwei aufeinander-       der Niedergelassenen stehe, es sei jetzt an der Poli-
folgenden Wochenenden im Februar und März. „Ein            tik, dieses anzunehmen, um die hessische Impfkam-
wichtiger Schritt“, sagte Dastych und wies darauf          pagne in Schwung zu bringen.
hin, dass gerade Hausärzte aufgrund der hohen Pa-
tientenzahl ein erhöhtes Infektionsrisiko hätten. Ent-     Wenig begeistert zeigte sich der Vorstandsvorsitzen-
sprechend zufrieden sei er darüber, dass das Impf­­        de zudem von der politischen Performance rund um
angebot gut angenommen worden sei. Nun gehe                die Gratisschnelltests für alle. Nicht nur, dass zum

                                                                                                                           Corona sei Dank
                                                                                                                           konnten die Vertreter
                                                                                                                           auch dieses Mal nur
                                                                                                                           digital mit dabei sein.

                                                                                          AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021                      7
PUNKT - Warum sich Mitarbeit in den Gremien lohnt - AUF DEN
AKTUELLES

                Start am 8. März weder Strukturen noch genügend         lässige Dritte‘ mit der Durchführung der Tests beauf-
                PoC-Testkits zur Verfügung gestanden hätten, auch       tragen kann. Vielleicht können wir uns dann bald
                habe sich Jens Spahn wieder einmal keine Gedan-         beim Bäcker testen lassen. Dann müssen wir nur ent-
                ken darüber gemacht, wie die Arztpraxen die zusätz-     scheiden, ob wir das Testergebnis am Stück oder ge-
                liche Belastung personell stemmen sollten. „Nur gut,    schnitten möchten“, konnte sich Dastych ein wenig
                dass der Öffentliche Gesundheitsdienst laut Testver-    Sarkasmus nicht verkneifen. Zudem stünde in den
                ordnung ,weitere geeignete, qualifizierte und zuver-    Sternen, ob und wann genügend Tests vorhanden

                   STELLUNGNAHME DER PSYCHOTHERAPEUTISCHEN MITGLIEDER DER VV
                   Im Februar 2021 erreichte der Vorstand der KV Hessen, dass die niedergelassene Ärzteschaft in Hessen
                   bevorzugt gegen SARS-CoV-2 geimpft werden kann. In einem Rundschreiben an alle Mitglieder der Kas-
                   senärztlichen Vereinigung Hessen gab der Vorstand der KV Hessen dieses erfreuliche Verhandlungsergeb-
                   nis bekannt und wies unter großem Bedauern darauf hin, dass vorläufig wegen der Impfstoffknappheit
                   die Mitglieder älter als 65 Jahre und die Psychologischen Psychotherapeuten noch nicht geimpft werden
                   könnten. Von beiden zuständigen Ministerien der Landesregierung habe man aber die Zusicherung, dass
                   bald auch für diese Gruppen eine Lösung gefunden und dann die gesamte ambulante Versorgung im Zu-
                   ständigkeitsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen geimpft sein werde.
                   Als der Vorstand der KV Hessen dieses Verhandlungsergebnis bekannt gegeben hatte und ausdrücklich
                   die vorläufige Zurückstellung der älteren Mitglieder, der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kin-
                   der- und Jugendlichen-Psychotherapeuten bedauert hatte, kam es gleichwohl von einigen Mitgliedern aus
                   den letztgenannten Gruppen zu empörten Reaktionen und Protesten gegenüber dem Vorstand und dem
                   Hessischen Sozialminister. Zahlreiche dieser Protestschreiben enthielten völlig abwegige Unterstellungen
                   und schwerwiegende Beschimpfungen, die in Form und Inhalt indiskutabel waren und beleidigende For-
                   men angenommen hatten.
                   Demgegenüber erklärt die Gruppe der psychotherapeutischen Mitglieder der Vertreterversammlung der
                   KV Hessen, dass sie den Verhandlungserfolg ihres Vorstandes ausdrücklich und dankbar begrüßt. Sie weist
                   darauf hin, dass keine Gruppe in der Impfaktion diskriminiert wurde, sondern dass wegen der Knappheit
                   des Impfstoffs Prioritäten notwendig waren. Unerträglich ist es deshalb, wenn aus diesem sachlich be-
                   gründeten Umstand von einigen Mitgliedern der KV Hessen willkürliche und unbegründete Vorwürfe ge-
                   genüber dem Vorstand und dem Hessischen Sozialminister abgeleitet werden, die in Form und Inhalt ehr-
                   verletzend sind und paranoiden Einstellungen entsprechen.
                   Die Vertreter aller psychotherapeutisch tätigen KV-Mitglieder distanzieren sich ausdrücklich von solchen
                   Äußerungen und bedauern es sehr, dass sich einzelne Mitglieder aus den Gruppen der Psychologischen
                   Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten zu völlig abwegigen und halt-
                   losen Verdächtigungen gegenüber dem eigenen KV-Vorstand und gegenüber dem Hessischen Sozialmi-
                   nister verleiten ließen. Die Gruppe der psychotherapeutischen Mitglieder der Vertreterversammlung der
                   Kassenärztlichen Vereinigung Hessen weist jegliche Schmähkritik gegenüber dem Vorstand zurück und
                   spricht dem Vorstand ausdrücklich ihren Dank aus für die mit der hessischen Landesregierung vereinbarte
                   Vereinbarung zur vorgezogenen Impfung der niedergelassenen Ärzteschaft in Hessen.
                   Ilka Heunemann (Psychologische Psychotherapeutin)
                   Gabriele Peter (Psychologische Psychotherapeutin)
                   Helga Planz (Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin)
                   Michael Ruh (Psychologischer Psychotherapeut)
                   Robert Schmidtner (Psychologischer Psychotherapeut)
                   Ingrid Moeslein-Teising (ärztliche Psychotherapeutin)
                   Dr. Albrecht Köhl (ärztlicher Psychotherapeut)

8               AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
PUNKT - Warum sich Mitarbeit in den Gremien lohnt - AUF DEN
AKTUELLES

seien. Bei der Taskforce zur Testlogistik um Spahn       ter. Damit ist die Versorgung in der Region zunächst
und Scheuer sei ein „Himmelfahrtskommando“ je-           einmal sichergestellt. Neu ist, dass der Bus an eine
denfalls nicht auszuschließen. Noch dazu sei auch        örtliche Hausarztpraxis angegliedert ist. Die Finanzie-
die Kommunikation wieder einmal nicht optimal ge-        rung trägt zu 80 Prozent das Land Hessen. Die KVH
wesen. Dazu Dastych: „Wir haben durch eine Presse-       zieht sich indes aus der Verantwortung zurück. „Für
konferenz mit Ministerpräsident Volker Bouffier und      uns als KVH war es wichtig, dass der Medibus wei-
Kai Klose davon erfahren, dass wir vier Tage später      terhin bestehen bleibt. Mit der Neuorganisation sind
– darunter ein Wochenende – in unseren Covid-Ko-         wir sehr zufrieden“, erklärte Dr. Starke.
ordinierungscentern Schnelltests durchführen sollen.
Das nenne ich eine optimale Vorbereitung.“               Der KVH-Vize informierte die Vertreter zudem über
                                                         eine anstehende Verkürzung der Öffnungszeiten im
Für Verärgerung und Entsetzen in der VV sorgte           Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD). Ausgehend von
der neue Schutzschirm für die ambulante Versor-          internen Analysen werde die KVH die Öffnungszeiten
gung. „Dieser Schutzschirm spottet jeder Beschrei-       dahingehend verändern, dass die Zentralen zu bisher
bung und ist vollkommen inakzeptabel“, machte            kaum frequentierten Zeiten künftig nicht mehr ge-
Dastych seinem Ärger Luft. „Dass wir Niedergelasse-      öffnet sind. Die 24-Stunden-Bereitschaft bleibe da-
ne die Verluste für wichtige Versorgungsleistungen       von unberührt, so Dr. Starke. Selbstverständlich ließe
wie ambulantes Operieren und Vorsorgeleistungen          sich der ÄBD weiterhin nicht wirtschaftlich betrei-
aus Rückstellungen, die wir an anderer Stelle benö-      ben, jedoch würden durch die neuen Öffnungszei-
tigen, selbst tragen sollen, beschleunigt die existen-   ten Kosten eingespart.
zielle Bedrohung der ambulanten Versorgung. Wer
so entscheidet, macht klar, dass er die ambulan-
                                                                                                                   Nach neun Jahren
ten Strukturen gar nicht schützen will“, so der Vor-
                                                                                                                   VV ist Schluss:
standsvorsitzende. Dr. Eckhard Starke, stellvertreten-                                                             Dafür gibt es die
der Vorstandsvorsitzender der KVH, pflichtete ihm                                                                  goldene Ehrennadel
                                                                                                                   für Dr. Christoph
bei: „Dass die Kostenträger in diesem Zusammen-
                                                                                                                   ­Schüürmann (r.).
hang immer wieder auf Nachholeffekte verweisen,
ist gelinde gesagt eine Frechheit. Solche Effekte wird
es weder bei den Haus- noch bei den Fachärzten ge-
ben. Das wissen auch die Kostenträger.“ Bereits im
Vorfeld der VV hatte die KVH die Verantwortlichen
öffentlich scharf kritisiert.

MEDIBUS FÄHRT WEITER

Bei allem Coronaärger gab es allerdings auch gute        GOLDENE EHRENNADEL FÜR DR. CHRISTOPH
Nachrichten. So berichtete Dr. Starke über die posi-     SCHÜÜRMANN
tive Entwicklung in der Causa Medibus. Der Fortbe-
stand der mobilen Arztpraxis, die seit 2018 schlecht     Den emotionalen Höhepunkt der VV setzte die Ver-
versorgte Gemeinden in Osthessen anfährt, war auf-       abschiedung von Dr. Christoph Schüürmann. Es war
grund ungeklärter Finanzierungsfragen lange Zeit of-     seine letzte VV. Für seine Verdienste um die ärztli-
fen gewesen. Jetzt ist klar: Der Medibus fährt wei-      che Selbstverwaltung erhielt er aus den Händen des
                                                         VV-Vorsitzenden, Dr. Klaus-Wolfgang Richter, die
                                                         goldene Ehrennadel der KVH. Dr. Schüürmann war
                                                         seit 2011 Mitglied der VV, war jahrelang Mitglied

  Mehr als     800      Patienten an
  Standorten – der Medibus ist eine
                                               5         im Strukturausschuss „Ambulantes Operieren“ und
                                                         in der laufenden Legislatur gewähltes Mitglied der
                                                         KBV-Vertreterversammlung. Er kehrt nun für seinen
  starke Alternative im ländlichen Raum!                 verdienten Ruhestand in seine niedersächsische Hei-
                                                         mat zurück. n
                                                                                         Alexander Kowalski

                                                                                 AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021                    9
PUNKT - Warum sich Mitarbeit in den Gremien lohnt - AUF DEN
AKTUELLES

             Ein Beitrag von Dr. Eckhard Starke, Vorstand der KV Hessen

             Pest und Cholera – was machen
             wir heute anders?
             Seuchen, Epidemien und Pandemien haben die Menschen bis heute begleitet.
             Was lernen wir daraus, und was wiederholt sich? Eine nicht vollständige Betrach-
             tung mitten in einer Herausforderung.

                                      Als die Pest und später die     Völlig überraschend wurde im April das Wetter bes-
                                      Cholera in Europa ihre Spu-     ser und völlig überraschend änderte sich das Anste-
                                      ren hinterließen, suchten die   ckungsrisiko von allein. Die Angst relativierte sich, wir
                                      Menschen wie heute nach         fuhren in den Urlaub und machten das, was man in
                                      Schuldigen und wilde Ver-       den Ferien so liebt: in den Tag leben, feiern und mit al-
                                      schwörungstheorien verbrei-     ten und neuen Urlaubsbekanntschaften das Leben ge-
                                      teten sich schnell. Bei der     nießen. Völlig überraschend ging die Sommerzeit zu
                                      Pest zeigte man rasch auf die   Ende und ungewöhnlicherweise wurde es im Herbst
                                      Juden, die Cholera schien so-   wieder nass und kälter und das Virus vom Frühjahr
                                      gar ein Instrument der Rei-     zeigte sich auf einmal schlimmer als je zuvor.
                                      chen zu sein, um sich der
                                      Armen zu entledigen. Tat-       Und wieder gab es Verdrängungen und Schuldzuwei-
             sächlich wütete in Hamburg die Erkrankung in St.         sungen, wieder gab es Verlierer und Gewinner. Und
             Pauli schlimmer als in Altona. Und tatsächlich gibt es   mehr noch als vorher zeigen sich politisch Verantwort-
             Menschen, die heute denken, es seien wieder die Er-      liche härter und kritischer als andere, auch rückt der
             folgreichen, die etwas im Schilde führen und sogar       Wahlkampf näher und damit der Wunsch nach be-
             mit der Impfung und anderen digitalen Instrumen-         sonderen Positionen innerhalb der Gesellschaft. Wer
             ten etwas übertragen möchten zur besseren Kontrol-       hat später schon immer Recht gehabt, wer hätte es
             le und weiteren Gewinnmaximierung.                       besser gemacht, wer schlechter?

             Zu Beginn des Jahres 2020 schaute man aus Europa         Und wie schon vor Jahrhunderten gibt es auch in un-
             etwas ungläubig auf China, wo Menschen wohnen,           serer Gesellschaft Gewinner und Verlierer. Denken wir
             die sogar Tiere verspeisen, die hierzulande kaum je-     an die Kinder, die Nähe und behutsame Führung be-
             mand gern anfassen möchte. Und wie schon zu Zei-         nötigen, an die Älteren, die nichts sehnlicher brau-
             ten der Pest hatten wir die Schuldigen schnell gefun-    chen als Nähe und Berührung, weil sie sich eh schon
             den auf den Wochenmärkten, die so ganz anders            nicht mehr der Gesellschaft zugehörig fühlen und in
             aussehen als unsere. Erst als die schockierenden Bil-    architektonisch modern eingerichteten Aufbewah-
             der aus Italien in unseren Wohnzimmern Einzug hiel-      rungsstätten am Rande der Stadt leben.
             ten, ahnten wir, dass eine Pandemie keine Einreise­
             erlaubnis benötigt.                                      Und denken wir an die, die anfällig geworden sind in
                                                                      ihrem Schmerz darüber, von einem Tag zum anderen
             Der Schock führte zu einer kollektiven Angst, die Ver-   vor den Trümmern ihrer Lebensplanung zu stehen:
             antwortlichen aus Politik und der Wissenschaft strit-    die Betreiber von Gaststätten und kleinen Geschäften
             ten sich um die richtigen Sicherheitsmaßnahmen und       ebenso wie diejenigen, die mit Leidenschaft in der
             übertrafen sich gegenseitig mit guten und schlechten     Luftfahrt gearbeitet haben und jetzt nicht mehr be-
             Vorschlägen.                                             nötigt werden. Denken wir an diejenigen, die allein-

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AKTUELLES

erziehend in einer Dreizimmerwohnung jetzt beim            Aber individuelle Entscheidungen müssen auch von
Home­office gleichzeitig die Kinder beim E-Learning        einzelnen Personen getroffen und verteidigt werden.
unterstützen müssen. Sie werden hellhöriger in ih-         Das ist leider unmodern geworden, man tut das,
rem täglichen Schmerz, wenn Kritiker ihre Theorien         was übergeordnete Räte und Ausschüsse in absolu-
verbreiten. Aber sie werden auch als Querdenker be-        ter Rechtssicherheit anordnen, nicht das, was für den
schimpft, vielleicht auch von denen, die regelmäßig        einzelnen Menschen in seiner einzigartigen Situation
ihr Gehalt auf dem Konto sehen, im Eigenheim woh-          geboten ist.
nen mit Garten und einem Arbeitszimmer für jeden
Familienangehörigen.                                       Und dann sind wir bei der Systemrelevanz. Für mich
                                                           persönlich ist die Großmutter, die ihre Enkel schüt-
Während in früheren Zeiten die Kommunikation eher          zend im Arm hält und ihnen spannende Geschich-
nach dem Spiel „stille Post“ ablief, gibt es heute viele   ten vorliest, genauso systemrelevant wie der Polizist,
Möglichkeiten, weltweit Informationen zeitnah aus-         der darauf achtet, dass die Großmutter dabei alle Hy-
zutauschen. Es ist relativ neu, jeden Tag zu erfahren,     gieneregeln einhält. Und kann man jetzt denjenigen
in welcher Region und in welchem Land wie viele            Schuld an der schleppend anlaufenden Impfaktion
Menschen infiziert und wie viele „im Zusammenhang          geben, die vor einem halben Jahr nicht einmal wuss-
mit Covid-19“ gestorben sind. Aber die absoluten           ten, welcher Impfstoff sich durchsetzen würde?
Zahlen werden schlicht nebeneinandergestellt, als ob
nicht bei über 30.000 Gestorbenen an und in Zusam-         Kurz: Wird es nicht langsam Zeit, nicht danach zu su-
menhang mit Covid-19 auch jedes Jahr 30.000 Men-           chen, wer woran Schuld hat, sondern aufzulisten,
schen im Zusammenhang mit multiresistenten Kei-            was wir beim nächsten Mal besser machen?
men sterben oder allein im Jahr 2020 innerhalb eines
halben Jahres 20.000 Menschen im Zusammenhang              Es wird Zeit, darüber zu sprechen, wie wir in Zukunft
mit der Hitzewelle. Jeder Tote ist ein bedauernswertes     mit den Menschen in unserer Gesellschaft verständ-
Schicksal, aber in Deutschland stirbt jedes Jahr beina-    licher reden, wie wir ihnen einerseits eine Perspekti-
he eine Million.                                           ve geben können, eine derart schwere Phase zu ertra-
                                                           gen, andererseits ihnen das, was wirklich wichtig ist,
Und damit sind wir bei der Kommunikation in die Ge-        so erklären, dass sie es verstehen können.
sellschaft. Unterschiedliche Wissenschaftler diskutie-
ren öffentlich über ihre Erkenntnisse, die sich natür-     Noch immer haben wir nicht genügend getan, um
licherweise im Laufe der Zeit verändern, Berater und       der Situation in den Pflegeheimen und der ambulan-
Politiker geben ihre Meinung zum Besten, positive          ten Betreuung gerecht zu werden. Es wird Zeit, darü-
Entwicklungen werden gleichzeitig mit der Warnung          ber nachzudenken, welche Aufgaben der Öffentliche
verknüpft, es könnte bald wieder schlechter werden.        Gesundheitsdienst übernehmen kann und wie viel er
Referenzanwendungen und Berechnungsfaktoren                uns wert ist. Allein mit viel Geld die Möglichkeiten zu
werden derart oft geändert, dass der nicht wissen-         schaffen, Menschen einzustellen, reicht nicht, wenn
schaftlich tätige Mensch irgendwann aufgibt und kei-       ich nicht gleichzeitig definiere, welche Aufgaben eine
ne Angabe mehr in einen Zusammenhang mit vorhe-            solche Einrichtung zukünftig haben soll. Und müssen
rigem Zahlenmaterial stellen kann. Dabei haben wir         wir uns nicht auch Gedanken darüber machen, wel-
inzwischen Kommunikationswissenschaftler, die ihre         che Vorteile eine ambulante ärztliche Versorgung in
Dienste regelmäßig anbieten. Die Krisenkommunika-          dieser Krise im Vergleich zu anderen Ländern hatte?
tion ist eine eigenständige Wissenschaft geworden –        Wir entwickeln gerade eine Staatsmedizin, die un-
aber in einer Krise kümmert sich keiner darum.             ter Covid-Bedingungen in vielen anderen Ländern der
                                                           Welt versagt hat!
In einer bewundernswert schnellen Zeit wurden in-
zwischen Impfstoffe entwickelt. Schon vorher be-           Es wird Zeit, einen zukünftigen Krisenplan zu entwi-
schäftigten sich der Ethikrat und andere hochgelehr-       ckeln. Ich wünsche mir, dass auch die mit am Tisch
te Herrschaften mit einer Triage vor Aufnahme auf          sitzen, die heute die aktuelle Krise ohne Rücksicht auf
die Intensivstation. Als ob es nicht eine individuelle     ihre Gesundheit abarbeiten. n
Therapieoption für jeden einzelnen Menschen gäbe,                                               Dr. Eckhard Starke
unabhängig davon, wie reich oder alt er oder sie ist.                                    Vorstand der KV Hessen

                                                                                   AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021            11
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12        AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021
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Primi inter Pares in den
KV-Gremien
Es ist der große Vorteil der Selbstverwaltung, dass    der höchst abwechslungsreichen Gremienarbeit –
sie geführt werden kann von Experten, die aus          immer verbunden mit der Hoffnung, dafür auch Be-
praktischer Erfahrung genau wissen, wovon sie          geisterung bei jungen Kolleginnen und Kollegen zu
sprechen. Das macht sie stark und führt im Ideal-      wecken. Der Nachwuchs fehlt und ohne ihn kön-
fall zu einer hohen Akzeptanz bei den Beteiligten.     nen die KV-Gremien nicht dauerhaft schlagkräftig
In der Realität ist aber leider vieles anders. Immer   bleiben. Daher berichten wir auch über die span-
größer ist der Einfluss des Staates; die Lippenbe-     nenden Aufgaben der zahlreichen QS-Kommissio-
kenntnisse, Anhänger der Selbstverwaltung zu sein,     nen. Und Politikwissenschaftler Prof. Roland Czada
werden durch wiederholte und immer tiefere Ein-        erklärt ganz prägnant, warum die Selbstverwaltung
griffe in selbige konterkariert. Dem gilt es mit ei-   die beste Ordnungsform ist. Zudem haben wir vom
ner handlungsstarken Selbstverwaltung entgegen-        Bündnis Junge Ärzte ein Statement erhalten, wel-
zuwirken. Die massive Einflussnahme, der sich die      che Wünsche und Anregungen sie an die Vertreter
Selbstverwaltung ständig ausgesetzt sieht, ist den     der ambulanten Versorgung richten. Aufhänger da-
zahlreichen Mitgliedern der verschiedenen KV-Gre-      für war ihr Positionspapier zu Nachhaltigkeit im Ge-
mien sehr bewusst. Sich dem entschlossen entge-        sundheitswesen und globalem Gesundheitsschutz.
genzustellen, motiviert sie, sich berufspolitisch zu   Und wenn Sie nach der Lektüre der Titelstrecke ei-
engagieren. In den folgenden Artikeln kommen da-       nen persönlichen Kontakt zu einem der VV-Mit-
her vier Mitglieder der Vertreterversammlung und       glieder haben möchten, dann schreiben Sie uns an
die beiden Vorsitzenden zu Wort. Alle sind langjäh-    aufdenpunkt@kvhessen.de. Wir leiten Ihr Anliegen
rig niedergelassen und bestens mit dem System ver-     gern weiter. n
traut. Aus erster Hand schildern sie ihre Eindrücke                                        Petra Bendrich

                                                                             AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021       13
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         „Mich entspannt die Berufspolitik“
          Christian Sommerbrodt, Hausarzt aus Wiesbaden, erzählt im Interview, warum
          ihn die Arbeit in der ärztlichen Selbstverwaltung interessiert und warum ihn die
          Berufspolitik sogar entspannt.

          Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich in               derungen, die permanenten negativen Einflüsse der
          der Selbstverwaltung zu engagieren?                       Krankenkassen: Das sind alles viele kleine Schritte,
          Christian Sommerbrodt: Das war ein Prozess. Der           bei denen man immer am Ball bleiben muss. Und
          Anstoß dafür war tatsächlich der Wunsch, die Weiter­      man beschäftigt sich nicht nur mit den Veränderun-
          bildung für Allgemeinmediziner voranzutreiben. Darü-      gen in der Hausarztpraxis. Ich habe in dieser Legisla-
          ber bin ich mit der DEGAM und dem Haus­ärzteverband       tur auch die gemeinsame Arbeit mit den Fachärzten
          in Kontakt gekommen. Und der Haus­ärzteverband            schätzen gelernt. Wie ich von denjenigen, die länger
          hat sich sehr um das Thema der Weiterbildung ge-          dabei sind als ich, gehört habe, war das nicht immer
          kümmert. Dadurch bin ich näher an die politische Ar-      so. Viele unserer Ideen werden von den Fachärzten
          beit des Hausärzteverbands gerückt und bin von dort       unterstützt und umgekehrt.
          dann in die Delegiertenversammlungen und zu ande-
          ren Veranstaltungen eingeladen worden. In der Wei-        Was würden Sie jemandem raten, der mit dem
          terbildung war ich in einer Praxis, in der ich auf mei-   Gedanken spielt, sich in der Selbstverwaltung
          ne Fragen oft die Antwort bekam: „Das ist so, frag        zu engagieren?
          nicht!“ Das fand ich unbefriedigend und deshalb habe      Sommerbrodt: Das Wichtigste ist Geduld. Man
          ich mich in die Themen reingefressen, auch zum Bei-       kann wirklich einiges erreichen, aber es dauert al-
          spiel, wenn es um Verordnungen ging. Während mei-         les seine Zeit und um gute Ideen muss man auch
          ner Weiterbildung kam es zur EBM-Reform 2007 zu           kämpfen können. Aber als Erstes können wir wählen
          vielen Fragen und ich hatte ein Excel-Tool gebastelt,     und dadurch Einfluss nehmen. Sicherlich kann man
          mit dem man einen Quartalsablauf in einer Hausarzt-       trotzdem nicht alles ändern oder beeinflussen. Mir
          praxis simulieren konnte, eher um es selbst zu ver-       wird zu wenig transportiert, worauf wir Einfluss ha-
          stehen. Und dieses Abrechnungstool wurde dann ein         ben und worauf nicht.
          zentraler Bestandteil meiner Weiterbildungen, die ich
          damals, für andere Ärzte in Weiterbildung zu halten       Welche Bereiche sind das denn?
          angefangen habe. Dadurch wurde mein Interesse ge-         Sommerbrodt: Zum Beispiel, wenn wir jetzt ganz
          weckt, mich auch mehr in Richtung KV zu engagie-          aktuell über unsere Bemühungen reden, die Co-
          ren. Und vor fünf Jahren bin ich in den Vorstand des      ronaimpfungen in den niedergelassenen Bereich
          Landesverbands gekommen und wurde in die KV-Ver-          zu bringen. Früher oder später wird die Impfung in
          treterversammlung gewählt.                                der normalen Niederlassung landen. Der Kampf be-
                                                                    steht aber darin, diesen Prozess zu beschleunigen,
          Gibt es etwas, auf das Sie stolz sind in der Ar-          dass man auf die Ministerien einwirkt, dass man Ide-
          beit in der VV?                                           en entwickelt, die sich umsetzen lassen, dass man
          Sommerbrodt: Die KV steht in einer zentraleren            sich reinarbeitet und dann eben auch denjenigen,
          Stellung im Gesundheitssystem und man kommt               die zu entscheiden haben, gute Gründe für die rich-
          mit unglaublich vielen Fragestellungen in Kontakt.        tigen Entscheidungen liefert. Ganz aktuell hat mich
          Da ist ein permanenter Einsatz notwendig. Die Digi-       der Vorstand der KV gebeten, mir Gedanken zu ma-
          talisierung des Gesundheitssystems, die Weiterent-        chen, wie wir das Thema in die Hausarztpraxis be-
          wicklung des EBM, die politischen Einflüsse aus dem       kommen können. Und da ich im Impfzentrum arbei-
          Land und dem Bund, die Umsetzung neuer Anfor-             te und die Abläufe kenne, konnte ich sehr detailliert

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beschreiben, was wir brauchen, um die Impfungen
in der Praxis umzusetzen.

Ein anderes Beispiel ist die Bezahlung der Ärzte in
Weiterbildung. In meiner Weiterbildungszeit hat
man 2.000 Euro bekommen, die Hälfte von dem,
was man an der Klinik bekam. Wir konnten durch
die Zusammenarbeit mit einigen Partnern (HESA,
JADE, DEGAM, Hausärzteverband) erreichen, inner-                                                                   Christian Sommer-
halb von drei Jahren die Weiterbildungstarife im nie-   des Hausärzteverbandes trifft sich dreimal im Jahr,        brodt wurde 2016
                                                                                                                   in die VV gewählt.
dergelassenen Bereich auf die Tarife des Marburger      macht zusammen 13 Termine im Jahr. Wenn es dann
Bunds anzuheben. Man kann also schon etwas be-          noch weiter Richtung KV oder Ärztekammer geht,
wegen, wenn man Druck aufbaut, wenn man dran-           tickt das Zeitkonto natürlich höher. Man nimmt das
bleibt. Aber es geht halt nicht unbedingt schnell.      aber nicht wahr, wenn es auch ein bisschen ein Hob­
Deshalb kann ich denjenigen, die mit einem Engage-      by ist. Natürlich könnte ich auf der Couch sitzen und
ment liebäugeln, raten: Habt Geduld! Man kann           ein Buch lesen, statt über Gesetzestexten zu brüten
nicht, weil einem etwas nicht gefällt, aufschlagen,     und zu überlegen, was das für die Arbeit der Haus­
auf den Tisch hauen und erwarten, dass sich alles       ärztinnen und Hausärzte bedeutet. Tatsächlich ent-
sofort ändert. Das sind Prozesse und man muss be-       spannt mich das aber. Das belastet mich nicht.
reit sein, diese Prozesse mitzutragen. Aber das kann
man lernen und das kann man am besten im Berufs-        Und die Termine zum Beispiel an den Wochen-
verband tun. Der Hausärzteverband ist regional or-      enden?
ganisiert, mit Bezirken, mit lokalen Treffen, da kann   Sommerbrodt: Natürlich ist nicht alles gleich span-
man hingehen und mitarbeiten. In die Delegierten-       nend, aber das ist normal. In jedem Lebensbezug
versammlung des Hausärzteverbandes wird man von         oder Freizeitvergnügen gibt es neben Tollem auch
seinem Bezirk gewählt. Da waren bei mir also zu-        Dinge, die nun mal dazugehören. Auch der Einsatz
erst Bezirkswahlen, in denen ich vom Bezirk Wies-       an dem ein oder anderen Wochenende. Doch die
baden zum Landesdelegierten im Hausärzteverband         Sitzungen und Abstimmungen in der Vertreterver-
gewählt worden bin. Dann gings als Wiesbadener          sammlung sind wichtig, und die einzelnen Stimmen
auf die DV und vor fünf Jahren bin ich in den Vor-      haben ein großes Gewicht, weil die VV mit 50 Mit-
stand des Landesverbands und dann später auch als       gliedern relativ klein ist. Es macht einen Unterschied,
Vertreter in die VV gewählt worden.                     ob ich einer von 10.000 niedergelassenen Ärzten
                                                        oder ob ich einer von 50 bin. Das hält die Spannung
Wie sieht es denn mit dem Thema Zeitaufwand             schon aufrecht. Und selbst, wenn wir mit unserer Ar-
aus?                                                    beit nicht immer nur Gutes bewirken können, ist das
Sommerbrodt: Das ist schwierig. Wenn man es             Abwehren von noch Schlimmerem in meinen Augen
gern macht und viel positiven Input hat, dann fehlt     manchmal auch ein Erfolg. Das ist schon eine gro-
einem diese Zeit nicht im negativen Sinn. Wenn man      ße Verantwortung und Langeweile kommt deshalb
denn rechnen möchte: Die meisten hessischen Be-         nicht auf. n
zirke treffen sich zehnmal im Jahr, meist im Rahmen                                          Die Fragen stellte
eines Qualitätszirkels. Die Delegiertenversammlung                                                Karl M. Roth

                                                                                AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021                 15
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         „Das ist für mich bereichernd“
          Was motiviert eine Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychothe-
          rapie/Psychoanalytikerin aus dem ländlichen Bad Hersfeld, sich in ihrer Freizeit
          ehrenamtlich in der VV und in anderen Gremien zu engagieren? Auf den PUNKT.
          sprach darüber mit Ingrid Moeslein-Teising.

          Über ihre Tätigkeit im Berufsverband DGPT (Deut-            Sie schätzt an ihrem berufspolitischen und teils auch
          sche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychothera-           wissenschaftlichen Engagement den Kontakt zu kom-
          pie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie) kam In-           petenten Kolleginnen und Kollegen, die wie sie et-
          grid Moeslein-Teising vor über zehn Jahren erstmals         was gestalten und entwickeln wollen. Sie ist von der
          als Stellvertreterin eines VV-Mitglieds in Kontakt mit      Ordnungsform der Selbstverwaltung hundertprozen-
          der Vertreterversammlung (VV) der KVH. Sie hat dann         tig überzeugt. Es bringen sich dort Fachleute ein, die
          rasch gemerkt, dass die VV ein wichtiges Entschei-          eben aufgrund ihrer Fachexpertise richtige Entschei-
          dungsgremium ist, und sich für die Liste Sprechende         dungen treffen können, die verstehen, wovon sie
          Medizin als Kandidatin aufstellen lassen. Gewähltes         sprechen, und die nicht nur einen „Trockenkurs“ hin-
          VV-Mitglied ist sie nun schon in der zweiten Legisla-       ter sich haben. Zudem sieht sie in ihrem ehrenamt-
          tur. Sie sagt: „Die Liste Sprechende Medizin tritt ein      lichen Engagement eine Bereicherung für ihre Pra-
          für Ärzte, die in der Arzt/Psychotherapeut-Patient-­        xistätigkeit, da sie in unterschiedlichen Rollen ganz
          Beziehung und im ärztlichen/psychotherapeutischen           unterschiedliche Aufgaben ausfüllen kann. „Das
          Gespräch einen wesentlichen gesundheitspolitisch            macht das Spektrum meines Berufes sehr breit. Das ist
          zu schützenden Kern ärztlicher und psychotherapeu-          für mich bereichernd“, sagt sie. Dass sich nicht mehr
          tischer Kunst und Tätigkeit sehen.“ Sie ist stolz dar-      Frauen in den Gremien engagieren, bedauert sie. Sie
          auf, dass sie in der VV, der sie seit zehn Jahren an-       hofft, dass sich zukünftig mehr Frauen in der VV en-
          gehört, maßgeblich mitwirken konnte, dass sich die          gagieren werden und meint schmunzelnd: „In unserer
          Psychotherapeuten als eine respektierte Kraft in der        Fachgruppe sind wir da vorbildlich!“ Sie ist überzeugt:
          VV weiter etablieren konnten. „Wir haben einen gu-          „Wenn man einmal anfängt, wird es immer interes-
          ten Stand und alle wissen, dass wir mit den anderen         santer und wirkmächtiger.“ Inzwischen hat Moes-
          Fachgruppen konstruktiv und gut zusammenarbeiten.           lein-Teising nur noch einen halben Versorgungauf-
          Unser Honorar ist zwar niedriger als das anderer Fach-      trag. Die andere Hälfte der Zeit widmet sie sich neben
          gruppen, aber von der Haltung und der Zusammenar-           Fort- und Weiterbildungsaufgaben voll und ganz der
          beit her sehen wir uns als Gleiche unter Gleichen. Das      Berufspolitik. Als ehemalige langjährige Vorsitzende
          läuft alles sehr kollegial ab. Das wissen wir zu schät-     der Ärztlichen Kreisvereinigung Bad Hersfeld setzt sie
          zen, denn das ist nicht in allen KVen selbstverständ-       sich auch für die Versorgung im länd­lichen Raum, be-
          lich und gewährleistet“, sagt sie. Sie setzt sich ein für   sonders in Nord- und Osthessen, ein. Es ist ihr ein An-
          eine starke Selbstverwaltung und gegen die Auslage-         liegen, in ihrem ländlichen Umfeld gegen Unterver-
          rung von Entscheidungsprozessen aus den Organen             sorgung zu kämpfen, auch gegen die unterschätzte
          der KV in wirtschaftlich ausgerichtete Parallelorgani-      psychiatrische Unterversorgung.
          sationen. Sie ist überzeugt, dass sich eine stark regio-
          nal vertretene Kassenärztliche Vereinigung immer gut        Vor Corona stand sie Videosprechstunden eher ab-
          behaupten kann gegen die Versuche der Politik, sie          lehnend gegenüber. Corona hat sie aber eines Besse-
          in den ökonomischen Verteilungskämpfen zwischen             ren belehrt. Schon frühzeitig bot sie ihren Patienten
          den einzelnen Arztgruppen zu zerschlagen!                   auch Videosprechstunden an. „Als Vertreterin der
                                                                      Sprechenden Medizin bin ich froh, dieses Tool – trotz
          Parallel zur VV engagiert sich Moeslein-Teising auch        aller damit verbundenen Nachteile – nutzen und den
          in zahlreichen anderen Gremien und Vereinigungen.           Kontakt zu den PatientInnen damit aufrechterhalten

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zu können. So macht mir auch während der Pande-       ist keine Ware! Gerade in der Coronapandemie ist
mie das Behandeln weiter große Freude.“ Aber sie      unserer Gesellschaft da einiges auf die Füße gefal-
warnt auch: „Mit Sorge betrachte ich die zunehmen-    len. Es wäre zu wünschen, dass hieraus Lehren für
de Ökonomisierung des Gesundheitswesens, das          die Zukunft der Versorgung gezogen werden.“ n
doch der Daseinsfürsorge gilt und nicht der Profit-                                       Petra Bendrich
maximierung! Natürlich muss sparsam und ressour-
censchonend gehandelt werden. Aber: Der Mensch

   Ingrid Moeslein-Teising aus Bad Hersfeld

                                                                                                             Interviewpartnerin
   Mitglied der VV seit 2011
   • Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie,
     Psychoanalytikerin DPV/IPA/DGPT/Gruppenanalytikerin D3G
   • niedergelassen in freier Praxis (hälftiger Vertragsarztsitz)
   • verheiratet, 3 erwachsene Töchter (2 Allgemeinärztinnen,
     1 Psychologische Psychotherapeutin i. A.) und 6 Enkel

   Wissenschaftliche Interessen, Publikationen und Vorträge:
   Frau und Psychoanalyse, die Frau im Lebenszyklus.
   Psychoanalyse/Psychotherapie in der Versorgungslandschaft.

   Wissenschaftliche Funktionen:
   Dozentin am Alexander-Mitscherlich-Institut (Psychoanalytisches Institut) Kassel
   Europäische Co-Chair von COWAP (Committee on Women and Psychoanalysis) in der IPA
   (Internationale Psychoanalytische Vereinigung)

   Berufspolitische Funktionen (Auswahl):
   DGPT (Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsycholo-
   gie): Stellvertretende Vorsitzende der DGPT (outgoing), Vorsitzende des Landesverbandes Hessen der
   DGPT (ehem.)
   DPV (Deutsche Psychoanalytische Vereinigung): Berufspolitischer Ausschuss (Gaststatus)
   Mitglied des Ausschusses „Psychotherapie“ der Landesärztekammer Hessen
   Div. Funktionen in der KVH: Mitglied der Vertreterversammlung, des Regionalbeirates Kassel, des Be-
   rufungsausschusses, des Versorgungsebenenausschusses, des EHV-Beirates; Ärztliche Vorsitzende des
   ­Beratenden Fachausschusses Psychotherapie, QZ-Moderatorin
   Funktionen in der KBV: Stellvertretendes Mitglied im Beratenden Fachausschuss Psychotherapie der KBV
   STÄKO (Ständige Konferenz der ärztlichen psychotherapeutischen Verbände) für BÄP/Berufsverband der
   ärztlichen Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker in der DGPT (Stellvertreterposition)
   Unterausschuss Psychotherapie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) (Stellvertreterposition)

   Mitgliedschaften (Auswahl):
   DPV (Deutsche Psychoanalytische Vereinigung), DGPT (Deutsche Gesellschaft für P
                                                                                 ­ sychoanalyse,
   ­Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V.), DGPM (Deutsche Gesellschaft für
    ­Psychosomatische Medizin und Psychotherapie), D3G (Deutsche Gesellschaft Gruppenanalyse)
   LAISPS Los Angeles Institute and Society for Psychoanalytic Studies

   Weitere Funktionen:
   Ehrenamtliche Richterin am Hessischen Heilberufegericht

                                                                            AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021               17
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                       „Ich sehe die Berufspolitik ein
                       bisschen als Hobby“
                       Dr. Karin Schmitt-Hessemer ist seit 20 Jahren VV-Mitglied, für Ilka Heunemann
                       ist es die erste Legislatur. Wir haben beide zu ihrem Einstieg in die Gremien­
                       arbeit und zu ihrer Motivation befragt.

                                                    Wie kamen Sie auf            legen in der VV für die Belange von Psychotherapeu-
                                                    die Idee, sich in der        ten einzusetzen. Ein sehr wichtiger Schritt in dieser
                                                    VV zu engagieren?            Legislatur war es sicher, dass wir wieder ermöglicht
                                                    Dr. Karin Schmitt-­          bekamen, dass ein Psychotherapiebeauftragter vom
                                                    Hessemer: Da ging es         Vorstand benannt wurde. Dadurch können wir unsere
                                                    mir wie wohl vielen KV-      Anliegen und Belange einfacher beim Vorstand plat-
                                                    Mitgliedern: Ein Kollege,    zieren und die Psychotherapie wird insgesamt noch
 Die Augenärztin                                    der der VV schon länger      besser in der KV Hessen repräsentiert.
Dr. Karin Schmitt-­    angehörte, rief mich im Vorfeld der Wahlen an und         Schmitt-Hessemer: Meine Lieblingstätigkeit war
 Hessemer ist seit
    2001 Mitglied      schlug mir vor, mich zu engagieren. Nach einer gewis-     und ist der Zulassungsausschuss, dem ich seit eini-
     der Vertreter­    sen Bedenkzeit habe ich dem zugestimmt und es bis         gen Jahren angehöre. Leider leidet die Effizienz der
    versammlung.       heute nicht bereut.                                       Zusammenarbeit derzeit etwas unter den coronabe-
                       Ilka Heunemann: Auch ich wurde von einem Kolle-           dingten Auflagen und Videokonferenzen, die unum-
                       gen angesprochen, ob ich mich nicht bei den Wahlen        gänglich sind. Ich bin aber sicher, dass diesbezüglich
                       der KV Hessen als Kandidatin aufstellen lassen wolle.     bald bessere Zeiten auf uns zukommen. Über die Aus-
                       Als langjährig Aktive im Vorstand der Deutschen Psy-      schusstätigkeit hinaus ist es mir immer eine Freude,
                                                    chotherapeutenVereini-       Kolleginnen und Kollegen eine Frage beantworten
                                                    gung habe ich natürlich      oder helfen zu können. Diese direkten Kontakte unter
                                                    sofort Ja gesagt. Ich fin-   Ärzten und Psychotherapeuten finde ich sehr wichtig.
                                                    de es wichtig, dass bei
                                                    einer Berufsgruppe mit       Was würden Sie dem berufspolitisch interes-
                                                    über 70 Prozent Frauen­      sierten Nachwuchs empfehlen?
                                                    anteil auch Frauen in den    Schmitt-Hessemer: Dem Nachwuchs würde ich un-
                                                    Gremien vertreten sind.      bedingt raten, sich berufspolitisch zu engagieren. Dies
                                                    Und ich freue mich na-       trägt erheblich dazu bei, die eigene Tätigkeit und die
                                                    türlich, mich auch durch     Hintergründe besser zu verstehen. Ich kann auch ver-
 Ilka Heunemann                                     dieses Amt noch mehr         sprechen, dass es meistens Spaß macht.
     praktiziert als   für die Interessen der Psychologischen Psychothe­         Heunemann: Dem Interesse unbedingt nachzuge-
   Psychologische
     Psychothera-      rapeuten und Kinder- und Jugendlichen Psychothera­        hen und mit einem Berufs- oder Fachverband, der
     peutin in Bad     peuten in Hessen einsetzen zu können.                     in der KV Hessen aktiv ist, Kontakt aufzunehmen. Es
      ­Schwalbach.                                                               ist sicher am Anfang hilfreich, ein Netzwerk zu ha-
                       Was sind Ihre größten Erfolge im Zusammen-                ben und sich gemeinsam mit erfahrenen Kollegin-
                       hang mit Ihrem Engagement in der VV?                      nen und Kollegen engagieren zu können – noch mal
                       Heunemann: Mein Wunsch war es, sich gemeinsam             mehr, wenn man, wie wir Psychotherapeuten, immer
                       mit den psychotherapeutischen Kolleginnen und Kol-        anzahlmäßig in der Minderheit in der VV bleiben wird.

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Wie viel Zeit wenden Sie für Ihre Tätigkeit auf?        Schmitt-Hessemer: Das ist schwer zu beantworten.
Heunemann: Ich habe aufgehört, mich mit der Zeit,       Da gibt es große Schwankungen. In meinem Fall sind
die ich für Berufspolitik einsetze, auseinanderzuset-   es sicher in jeder Woche einige Stunden. Das sollte
zen. Ich sehe es ein bisschen auch als ein Hobby, da    aber niemanden abschrecken, denn ich gehöre ja ei-
fragt man sich ja auch nicht, wie viele Stunden man     nigen Ausschüssen an, die recht zeitintensiv sind. Mit
am Abend oder Wochenende noch dafür aufgewen-           geringerem zeitlichen Aufwand ist auf jeden Fall auch
det hat.                                                eine effektive KV-Arbeit möglich. n
                                                                                           Die Fragen stellte
                                                                                              Petra Bendrich

„Die Selbstverwaltung ist
die beste Ordnungsform“
Zu den Vorteilen des deutschen Gesundheitssystems

Professor Roland Czada ist Politikwissenschaftler       Vorgaben politischer Parteifunktionäre oder gemäß
und beschäftigt sich unter anderem mit Staatstheo-      der Fülle seines Geldbeutels medizinisch behandelt
rie und Verwaltungsforschung. In einem Klartext-In-     werden? Das in relativer Autonomie vom Staat funk-
terview aus dem Jahr 2020 spricht er über die „Intel-   tionierende Solidarsystem erweist sich gerade aus
ligenz der Demokratie“, die Vorteile des deutschen      Patientensicht weltweit als vorbildlich.
Gesundheitssystems und Europas Handeln in der Kri-
se. Aus diesem Interview hat Auf den PUNKT. zwei        Politische und insbesondere auch Gesundheits-
Fragen und Antworten übernommen.                        systeme leben von der Akzeptanz ihrer Teil-
                                                        haber. Hat sich die Corona-Krise auf die Le-
Ein Baustein der medizinischen Versorgung in            gitimität des deutschen Ansatzes ausgewirkt
Deutschland ist die Selbstverwaltung. Welchen           beziehungsweise wird sie dies in Zukunft tun?
Nutzen bringt diese Ärzten und Patienten?               Prof. Roland Cazada: Akzeptanz beruht überwie-
Prof. Roland Cazada: Die Medizin sieht ihre Auf-        gend auf Leistung und Zweckerfüllung. Das gilt für
gabe darin, Kranke zu heilen und ihnen ein lebens-      das Gesundheitssystem mehr als für andere Politik-
wertes Dasein zu ermöglichen. Die Ärzteschaft war       felder. Ein Autobahnstau oder eine Zugverspätung
immer Fürsprecher der Patienten, während Kranken-       sind lästig. Staus und Verspätungen im Gesundheits-
kassen und Regierungen über die Ausgaben des Ge-        system tangieren das Recht und den Wunsch auf
sundheitssystems zu wachen haben. Die daraus ent-       Leben. Ich bin sicher, dass die Pandemie den Stel-
stehende Konfliktlinie tritt in der Selbstverwaltung    lenwert von Gesundheitsdiensten und deren Ord-
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) klar zu-     nungsform verstärkt ins Bewusstsein gerückt hat.
tage. Sie dient dem friedlichen Interessenausgleich     Die vergleichende Gesundheitssystemforschung hat
ebenso wie einer evidenzbasierten Qualitätssiche-       schon jetzt darauf reagiert und eine Neubewertung
rung. Es ist keine perfekte, aber im internationa-      von Erfolgsparametern erkennen lassen. Der leich-
len Vergleich meines Erachtens die beste Ordnungs-      te Zugang zu ambulanten Versorgungsleistungen in
form. In Selbstverwaltung erlassene Therapienormen      der Fläche genießt dabei höchste Wertschätzung.
werden im Kreis sachverständiger Leistungsträger
beschlossen und nach deren professionellen Quali-       Nachgedruckt mit freundlicher Genehmigung der
tätskriterien umgesetzt. Wer wollte stattdessen nach    KBV aus „Klartext 3/2020“, Seite 15. n

                                                                               AUF DEN PUNKT NR. 2 / APR 2021       19
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          Es ist die Qualität, die zählt
          Hohe Standards sind dank der fachärztlichen Kommissionen gesichert.

          So ist es in lockdownfreien Zeiten: Mit prall gefüllten   schon radiologisch tätig waren, begannen, im Auf-
          Taschen und Trolleys trifft an einem Mittwochnachmit-     trag der KVH im Rahmen von Fachgesprächen die
          tag neben anderen Qualitätssicherungskommis­sionen        Qualitätsprüfung für die genehmigungspflichtigen
          die Qualitätssicherungskommission (QS-Kom­mission)        Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung
          Koloskopie in der KVH ein. Berge von Behandlungs-         durchzuführen. Gestartet wurde mit zwei Fachprü-
          dokumentationen müssen besprochen und beurteilt           fern, die vom Vorstand der KVH benannt wurden. In
          werden. Im Nebenraum tagt die QS-Kommission So-           den 80ern folgte als nächstes großes Prüfgebiet die
          nographie – ein ganz anderes Bild: Auf der Liege liegt    Sonographie. Zwischen 1980 und 1985 entwickel-
          live eine Probandin aus einem Team der Qualitätssi-       ten sich hieraus die ersten QS-Kommissionen.
          cherung; mithilfe des KV-eigenen Ultraschallgeräts
          zeigt ein Arzt im Rahmen seines Kolloquiums, dass er      Inzwischen engagieren sich in 24 QS-Kommissionen
          schallen kann und dies nach bestandenem Kolloqui-         mehr als 200 Kommissionsmitglieder im Sinne der
          um auch QS-seitig darf.                                   Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Ver-
                                                                    sorgung. Anhand bundesweiter gesetzlicher Vor-
          QUALITÄTSSICHERUNGSKOMMISSIONEN –                         gaben finden sich diese Kommissionen in allen 17
          FACHÄRZTLICHE EXPERTISE PUR                               Kassenärztlichen Vereinigungen wieder – ein gro-
                                                                    ßer Antritt zur Sicherung der Qualität in der ambu-
          In Hessen fiel der Startschuss für die Qualitätsprü-      lanten Versorgung. Fachärzte der jeweiligen Diszip-
          fung bereits in den 60er-Jahren. Einige Ärzte, die        linen werden für ihre Arbeit in den Kommissionen

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