Abwehr mit System - Medizinische Universität Innsbruck

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Abwehr mit System - Medizinische Universität Innsbruck
Magazin der Medizinischen Universität Innsbruck

Abwehr mit System
Leber Centrum Innsbruck               Lebensqualitätsforschung            Spotlights
Diagnose, Therapie & Forschung rund   Wie Menschen mit Erkrankung und     Kalte Zellteilung • Gerald Brandacher
um Zirrhose und Transplantation       genetischen Dispositionen umgehen   Realtime Sequencing • animalFree
Abwehr mit System - Medizinische Universität Innsbruck
Der Moment, auf den
                           wir täglich hinarbeiten.

                                                                               schulterwurf
© photo: Espen Rasmussen

                           Sofortige Hilfe in unserem Spital in Sierra Leone
                           rettete Francis das Leben. Momente wie diesen
                           gibt es nur dank Ihrer Spende.
                           Jeder Beitrag macht unsere Hilfe stärker.
                           www.
                            ww. aerzte-ohne-grenzen.at/helfen
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Abwehr mit System - Medizinische Universität Innsbruck
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser!

       I
           n dieser Ausgabe unseres Campus-Ma-                 Ein Ereignis möchte ich an dieser Stelle
           gazins MED•INN beschäftigen wir uns               noch hervorheben: Die Ilse & Helmut Wach-
           mit unserem Forschungsschwerpunkt                 ter Stiftung feiert Jubiläum. Zum zehnten
       Transplantation, Infektion & Immunität.               Mal wird Ende 2019 der Wachter-Preis für
       Herausragende Leistungen finden sich auf              herausragende Leistungen auf dem Gebiet
       diesem Gebiet quer durch unseren medizi-              der medizinischen Forschung zum Wohle der
       nischen Campus. Das „Leber Centrum Inns-              Menschheit an der Medizinischen Universität
       bruck“ ist ein gutes Beispiel, um zu zeigen,          Innsbruck verliehen.
       wie fächerübergreifende Zusammenarbeit                  Über das Schwerpunktthema hinaus gibt
       in Diagnose, Therapie und Forschung auf               es natürlich auch diesmal wieder viele weitere
       höchstem Niveau funktioniert. Unsere For-             herausragende Leistungen, von denen wir ei-      IMPRESSUM
       scherinnen und Forscher, Ärztinnen und Ärzte          nige stolz in dieser Ausgabe präsentieren dür-
                                                                                                              Herausgeberin & Medieninhaberin:
       profitieren hier auch von der räumlichen Nähe         fen. Finden Sie bei der Lektüre heraus, welch    Medizinische Universität Innsbruck,
       des Medizin-Campus Innsbruck.                         spannende und wichtige Forschung am Cam-         Christoph-Probst-Platz, Innrain 52,
          Die Grundlage für die ausgezeichneten Er-          pus der Medizinischen Universität Innsbruck      Innsbruck
                                                                                                              Verlegerin: KULTIG Corporate
       folge in diesem Forschungsschwerpunkt der             passiert.                                        Publishing – Koch & Partner KG,
       Medizinischen Universität Innsbruck sind                Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!        Maria-Theresien-Str. 21, Inns­bruck
       uns quasi bereits in die Wiege gelegt wor-                                                             Redaktion: David Bullock (db),
                                                                                                              Mag. Andreas Hauser (ah),
       den: Pioniere wie Raimund Margreiter, der die           Mit freundlichen Grüßen,                       Mag. Doris Heidegger (hei),
       Transplantation in Innsbruck weltbekannt ge-                                                           Dr. ­Barbara ­Hoffmann-Ammann
       macht hat, oder Christoph Huber, der in den                                                            (hof), Mag. ­Annemarie Schönherr (as)
                                                                                                              Layout & Bildbearbeitung:
       1980er-Jahren die neusten Erkenntnisse der                                                             Lara Hochreiter, Florian Koch
       Stammzelltransplantation nach Tirol brachte,                        Ihr W. Wolfgang Fleischhacker      Anzeigen: Mag. Marina Unterberger
       beeinflußsen noch heute das Geschehen am                                                               Fotos: Andreas Friedle, Florian
                                                                                                              Lechner, Medizinische Universität
       Campus. Huber erinnt sich an diese Zeit des                                             Rektor der     Innsbruck
       Aufbruchs im Interview.                                        Medizinischen Universität Innsbruck     Druck: Gutenberg, Linz

Foto: Medizinische Universität Innsbruck / Florian Lechner

                                                                                                                               01 | 2018 MED•INN      3
Abwehr mit System - Medizinische Universität Innsbruck
Inhalt
    Thema: Transplantation,
    Infektion & Immunität
    8
    Wenn die Leber nicht mehr mitspielt, braucht es optimale
    Behandlung bis hin zur Transplantation. Am „Leber Centrum
    Innsbruck“ ermöglicht eine fächerübergreifende Zusammenar-
    beit Diagnose, Therapie und Forschung auf höchstem Niveau.

    15
    Reinhard Würzner über das internationale ­Doktoratskolleg
    HOROS, das sich auf Infektionen bei geschwächter               Auf Grund fehlender hormoneller Schutzmechanismen sind vor allem Männer von
                                                                   Leberkrebs betroffen – das Coverbild zeigt eine Zellkultur aus Gewebe eines Leberkarzi-
    ­Immunabwehr spezialisiert hat.                                noms eines 15-jährigen Kaukasiers. Bild: Georg Friedrich Vogel

    16                                                             18
    Dominik Wolf forscht zur Tumorimmunologie­sowie                Durchblutungsstopp und Wiederdurchblutung sind Stress-
    an L­ eukämie-Erkrankungen und weiß, wo die Chancen            faktoren für Transplantate. Bei den dadurch bedingten Ischä-
    und H ­ erausforderungen in der Entwicklung innovativer        mie-Reperfusionsschäden spielen Sauerstoffradikale eine Rolle.
    ­Krebsimmuntherapien liegen.                                   Das Team um Jakob Troppmair will deren Produktion verhindern.

    Junge Forschung 20                                             Günter Weiss beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit
     26 / Fabio Gsaller                                            dem Eisenstoffwechsel, Antworten auf neue Fragen will er
                                                                   nun in einem eigenen Christian Doppler Labor finden.

                                                                   22
                                                                   Anfang der 1980er-Jahre brachte Christoph Huber die
                                                                   ­ euesten Erkenntnisse der Stammzelltransplantation aus den
                                                                   n
                                                                   USA nach Tirol und wurde Innsbrucks erster Professor für
                                                                   Immunbiologie.

    28
    Junge Forschung: Fabio Gsaller sucht neue Behandlungsme-       Rubriken
    thoden für Pilzinfektionen, die Neuroradiologin Astrid Grams   Editorial/Impressum 3 | Preise & Auszeichnungen 6
    faszinieren innovative bildgebende Verfahren.                  Im Detail: Neuro-Muskuläre Synapse 24 | Kurz & Gut 26

                                                                                                                                     Coverfoto: Georg Friedrich Vogel

4   MED•INN 01 | 2018
Abwehr mit System - Medizinische Universität Innsbruck
Spotlights                                                                               30
          36 / Martina Roilo und Ludger Hengst                                                  Lebensqualität: Wie Menschen mit ihrer Erkrankung, mit Be-
                                                                                                handlung und genetischen Dispositionen umgehen, beschäftigt
                                                                                                Barbara Sperner-Unterweger und Bernhard Holzner.

                                                                                                34
                                                                                                animalFree: Forschen möglichst ohne Tiermodelle ist ein Ziel
                                                                                                der Medizinischen Universität I­nnsbruck.

                                                                                                36
                                                                                                Zellteilung: Martina Roilo zeigt erstmals, wie Zellteilungen bei
                                                                                                Kälte verhindert werden.

       38                                                                                       39
       Gender: Neue Icons machen Frauen sichtbarer und stellen                                  Village: Forscherinnen und Forscher arbeiten an Unterstüt-
       erstmals Wissenschaftlerinnen und Ärztinnen dar.                                         zungsmaßnahmen für Kinder psychisch erkrankter Eltern.

       40                                                                                       42
       Interview: Vizerektor Peter Loidl über den drohenden                                     Infrastruktur: Im Oktober 2019 nimmt in Innsbruck Öster-
       Mangel an Basisausbildungsplätzen, gestiegene                                            reichs modernstes Lehr- und Lerngebäude seinen Betrieb auf.
       ­AbsolventInnenzahlen und die Notwendigkeit, auch im
        ­Medizinstudium Spezialisierungen einzuführen.                                                                                      44 / Gerald Brandacher

        44
        ALUMNI im Porträt: Nach der Habilitation wollte Gerald
       Brandacher über den Tellerrand schauen und ging in die USA.
       Dort ist er geblieben und ist heute führender Forscher für
       ­rekonstruktive Transplantationschirurgie in Baltimore.

        46                                                                                      47
        Sequenzierung: Die „third generation realtime sequencing“ ist                            Intensivmedizin: Wie akute Nierenschädigung auf der
        schnell, mobil und verspricht revolutionäre Möglichkeiten.                              ­Intensivstation richtig und zeitgerecht therapiert wird.

        48                                                                                      50
        Wachter-Preis: Lukas A. Huber, Vorsitzender der                                         Epidemiologie: Über den Zusammenhang von Restrisiko bei
        Ilse & Helmut Wachter Stiftung, über prominente Preisträger.                            Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lipoprotein(a).

Fotos: Medizinische Universität Innsbruck (1), Andreas Friedle (2), Georg Friedrich Vogel (1)

                                                                                                                                                01 | 2018 MED•INN    5
Abwehr mit System - Medizinische Universität Innsbruck
Forschungspreis                                                                                              Otto-Kraupp-Preis

    Im Juni fand in Salzburg die Jah-                                                                          Ende Mai wurde im Billrothhaus
    restagung der Österreichischen                                                                             der Gesellschaft der Ärzte in
    Kardiologischen Gesellschaft mit                                                                           Wien bereits zum 20. Mal der
    Beteiligung der Österreichischen                                                                           Otto-Kraupp-Preis      vergeben.
    Gesellschaft für Herzchirurgie                                                                             Unter den drei besten Habilita-
    und thorakale Gefäßchirurgie                                                                               tionen findet sich auch jene von
    statt. Die 34-jährige Herzchir-                                                                            Isabel Heidegger-Pircher, in der
    urgin Julia Dumfarth wurde im                                                                              sie sich dem häufigsten Tumor
    Rahmen des Kongresses mit                                                                                  des Mannes, dem Prostata-
    dem Hans-Heinz Khünl-Brady-                                                                                karzinom, widmet. Die Urologin
    Preis ausgezeichnet. Aortener-                 Ausgezeichnetes Trio                                        forscht an der Universitätsklinik
    krankungen und Herztransplan-                                                                              für Urologie zur Entwicklung
    tationen stehen im Mittelpunkt      Gottfried Baier (Zellgenetik, li.), Zlatko Trajanoski                  neuer Biomarker für die frühzei-
    der wissenschaftlichen und klini-   (Bioinformatik, re.) und Andreas Villunger (Entwick-                   tige Erkennung von Prostatak-
    schen Arbeit der gebürtigen Lin-    lungsimmunologie) haben Grund zur Freude: Die drei                     rebs wie auch zur Identifikation
    zerin, die an der Medizinischen     Grundlagenforscher der Medizinischen Universität                       von      Resistenzmechanismen
    Universität Innsbruck den Clini-    Innsbruck erhielten einen Advanced Grant des Euro-                     neuartiger Therapien bei metas-
    cal PhD im Programm „Cardiova-      päischen Forschungsrats (ERC). Damit fließen in den                    tasiertem Prostatakrebs
    scular Medicine“ absolvierte.       nächsten fünf Jahren etwa 7,5 Millionen Euro an For-
                                        schungsförderung nach Tirol.
                                           Alle drei Wissenschaftler forschen auf dem Gebiet
                                        der Immuno-Onkologie, Baier gehört zu den Pionieren
         Gedächtnispreis                der Krebsimmuntherapie. Mit seinem Forschungspro-
                                        jekt soll ein tiefer gehendes Verständnis für die mole-
                                        kularen Prozesse in Tumor- und Immunzellen während
                                        der Therapie erlangt werden: „Unser Tiroler Ansatz, der
                                        sich auf Immun-Checkpoints im Inneren von T-Lym-
                                        phozyten fokussiert, zielt darauf ab, die Entwicklung
                                        einer völlig neuen Klasse von Krebs-Immuntherapeu-
                                        tika zu ermöglichen.“
                                           Krebsimmuntherapie bei Darmkrebs anwendbar zu                            Hautkrebszentrum
                                        machen, ist das Ziel von Trajanoski. Im Gegensatz zu
                                        anderen onkologischen Erkrankungen sprechen die                        Die Innsbrucker Universitäts-
                                        meisten Patientinnen und Patienten mit Darmkrebs                       klinik für Dermatologie, Vene-
                                        nicht auf die Krebsimmuntherapie an. Trajanoski und                    rologie & Allergologie ist zum
    Romana Gerner und Christoph         sein Team möchten nun Avatare entwickeln, die vor-                     „Hautkrebszentrum mit Emp-
    Grander von der Universitätskli-    hersagen, welche Kombination aus Immuntherapie                         fehlung der Deutschen Krebsge-
    nik für Innere Medizin I wurden     und Standardtherapie bei bestimmten Patientinnen                       sellschaft e. V.“ ernannt worden.
    im Rahmen der 51. Jahresta-         und Patienten wirken wird.                                             Das unabhängige Institut „On-
    gung der Österreichischen Ge-          Der programmierte Zelltod begleitet Villunger durch                 koZert“ betreut das Zertifizie-
    sellschaft für Gastroenterologie    seine Forscherlaufbahn, unter anderem untersucht er                    rungssystem zur Überprüfung
    und Hepatologie (ÖGGH) im           das Phänomen der Aneuploidie: Durch Fehler bei der                     von Organkrebszentren und
    Juni in Salzburg mit dem Fried-     Zellteilung kommt es zu einer ungleichen Chromo-                       Onkologischen Zentren gemäß
    rich-Wewalka-Gedächtnispreis        somen-Verteilung – ein Merkmal vieler Tumorzellen.                     den fachlichen Anforderungen.
    2018 ausgezeichnet. Beide For-      Dabei konnte Villungers Team die zentrale Rolle des                    Die Auszeichnung wurde für den
    schungsarbeiten bieten einen        Tumorsuppressors p53 und des Protein-Komplex                           Zeitraum 2016-2020 zuerkannt.
    wichtigen Ansatz zur Entwick-       „PIDDosome“ beschreiben, nun soll geklärt werden, ob                   Damit wurde bestätigt, dass die
    lung innovativer Therapien bei      das PIDDosome ein relevantes Ziel für die Entwicklung                  PatientInnen in Innsbruck nach
    chronisch entzündlichen Darm-       neuer Therapien zur Behandlung von Krebs oder zur                      den neuesten Erkenntnissen be-
    und Lebererkrankungen.              Verwendung in der regenerativen Medizin ist.                           handelt werden.

                                                                                 Fotos: Medizinische Universität Innsbruck / Florian Lechner (1), ÖGGH (1), Stefan Burghart (1)

6   MED•INN 01 | 2018
Abwehr mit System - Medizinische Universität Innsbruck
Ehrenmedaille                                              Prämierte Talenteförderung

       Die Österreichische Gesellschaft                            Die Medizinische Universität Innsbruck und die Univer-
       für Kinder- und Jugendchirurgie                             sität Innsbruck erhielten den erstmals in Österreich ver-
       hat Josef Hager die Ehrenmit-                               liehenen „Nurturing Talents Prize“. Ausgezeichnet werden
       gliedschaft und Ehrenmedaille                               damit Institutionen, die für eine internationale Jury die
       verliehen. Der ehemalige Leiter                             überzeugendsten Konzepte für Mentoring-Aktivitäten
       der Innsbrucker Abteilung für                               im Hinblick auf den ERC (European Research Council)
       Kinder- und Jugendchirurgie er-                             haben. „An der Medizinischen Universität Innsbruck ver-          Nachwuchsforscherin
       hielt die Auszeichnung für seine                            folgen wir ein Konzept zur Förderung von ERC-Anträgen,
       langjährigen Verdienste. Auch                               das auf folgenden drei Säulen beruht: finanzielle Anreize,       Stephanie Mangesius absolviert
       nach seiner Pensionierung 2012                              Training und Support sowie Infrastruktur. Dazu haben wir         derzeit ihre Facharztausbildung
       engagierte sich Hager für die                               maßgeschneiderte Unterstützungsprogramme entwickelt,             an der Uniklinik für Neuroradio-
       Weiterentwicklung seines Fa-                                die das Stellen von Anträgen erleichtern. Darüber hinaus         logie. Für ihre wissenschaftliche
       ches. Über 9.500 kinder- und                                haben wir mit dem Neubau der Inneren Medizin Süd bei-            Arbeit zur Verbesserung der Dia-
       jugendchirurgische Eingriffe aller                          spielsweise neue Forschungsverfügungsflächen, die so             gnostik bei Parkinsonerkrankun-
       Schweregrade hat Josef Hager in                             eingerichtet sind, dass wir flexibel auf die Bedürfnisse von     gen ist sie von der „Europäischen
       seinem langjährigen Berufsleben                             neuen ERC-Preisträgerinnen und -Preisträgern reagieren           Gesellschaft für Neuroradiologie“
       durchgeführt.                                               können“, erklärte Rektor W. Wolfgang Fleischhacker an-           (ESNR) ausgezeichnet worden.
                                                                   lässlich der Preisüberreichung. Die Medizinische Univer-         Mangesius hat im Rahmen der
                                                                   sität Innsbruck war bei der letzten ERC-Advanced-Grants          Jahrestagung in Rotterdam den
                                                                   Ausschreibung mit drei ausgezeichneten Forschern (siehe          „ESNR 2018 Pioneers and Past
                     MSA-Award                                     Beitrag Seite 6) die erfolgreichste Universität in Österreich.   Presidents Award“ in der Katego-
                                                                   Im Bereich Life Sciences lag die Medizinische Universität        rie Diagnostische Neuroradiolo-
       Nadia Stefanova, Leiterin des La-                           Innsbruck damit gleichauf mit der Universität Oxford.            gie verliehen bekommen.
       bors für experimentelle Neurode-
       generationsforschung, erhielt im
       Oktober 2018 den renommierten
       JiePie Schouppe Award 2018                                               Paul-Ehrlich-Preis für Innsbrucker Studierende
       der europäischen Patientenor-
                                                                     Die Innsbrucker Medizin-Studierenden Ursula Leuschner, Antonius Abousif, Filipp Soko-
                                                                     lovski, Felix Böhm und David Plappert (im Bild von links), tatkräftig unterstützt durch Nat-
                                                                     halie Scheiber, Julia Böhm und Christian Stiller und Teambetreuer Miar Ouaret, stellten
                                                                     sich im Juli 2018 gemeinsam mit 14 weiteren Teams von renommierten medizinischen
                                                                     Hochschulen aus dem deutschsprachigen Raum dem Paul-Ehrlich-Contest. Dabei geht es
                                                                     für die Studierenden darum, möglichst schnell und richtig Blickdiagnosen, Differentialdia-
                                                                     gnosen, Multiple-Choice-Fragen sowie praktische Aufgaben zu bewältigen. „Nach der er-
                                                                     folgreichen Vorrunde als Gruppenerster konnten wir uns im Finale dank einer durchgehend
                                                                     soliden Leistung als Sieger aufs Podest stellen“, berichtet Filipp Sokolovski .

       ganisation MSA-AMS für ihre
       herausragenden experimentellen
       Forschungen zur Multisystema-
       trophie. Die Parkinson ähnliche,
       rasch fortschreitende neurode-
       generative Erkrankung wird in
       Innsbruck vom Team um Gregor
       Wenning und Nadia Stefano-
       va seit mehr als zwanzig Jahren
       als eine von weltweit wenigen
       Forschungsgruppen intensiv er-
       forscht.

Fotos: Robert Recker (1), Medizinische Universität Innsbruck (2)

                                                                                                                                                    01 | 2018 MED•INN   7
Abwehr mit System - Medizinische Universität Innsbruck
8   MED•INN 01 | 2018
Abwehr mit System - Medizinische Universität Innsbruck
Wenn die
                                                             Leber nicht
                                                             mehr mitspielt
                                                             Die Leber ist nicht nur Entgiftungszentrale, sie ist zentrales
                                                             Stoffwechsel- sowie Speicherorgan und bedeutend für das
                                                             Immunsystem. Die Behandlung von Lebererkrankungen, von
                                                             Lebertumoren und Lebermetastasen ist daher komplex und
                                                             erfordert fächerübergreifende Zusammenarbeit. Am „Leber
                                                             Centrum Innsbruck“ ermöglicht solch eine reibungslose
                                                             Kooperation verschiedener Disziplinen die Diagnose, Therapie
                                                             und Forschung auf höchstem Niveau.

Foto: Medizinische Universität Innsbruck / Florian Lechner

                                                                                                                              01 | 2018 MED•INN   9
Abwehr mit System - Medizinische Universität Innsbruck
A
                                                          ls kleiner Bub, erzählt Dietmar Öf-                         wurden seit den 1970er-Jahren über 1.500
       Leberzirrhose                                      ner-Velano, sei er bei der ersten                           Lebern transplantiert, allein im Jahr 2016
                                                          Mondlandung begeistert vor dem                              waren es 81. Die Gründe für einen Austausch
       Eine Leberzirrhose entwickelt
                                                Fernseher gesessen. „Damals hat es: ‚Wir                              der Leber sind unterschiedlich, an erster Stelle
       sich durch den Umbau der Ar-
       chitektur des Lebergewebes – es          haben den Weltraum erobert‘ geheißen“, er-                            steht, weiß der Internist Herbert Tilg, „in vie-
       bilden sich kleine Knoten, die von       innert sich der Leiter der Innsbrucker Universi-                      len Ländern der Alkohol. Alkohol macht leber-
       derbem Bindegewebe umgeben               tätsklinik für Visceral-, Transplantations- und                       krank. Er ist bei uns die Hauptursache einer
       sind. Im weiteren Verlauf wird die
                                                Thoraxchirurgie: „Es war eine Riesenleistung,                         Leberzirrhose – das schlägt sich durch bis zur
       Leber hart, das Blut aus dem Ma-
       gen-Darm-Trakt kann nicht mehr           in Wirklichkeit hatten wir aber den Weltraum                          Transplantation.“ Durch das Hepatitis-C-Virus
       so gut durch die Leber abfließen.        nicht einmal angekratzt.“ Ähnlich sei es in der                       (HCV) bedingte Lebererkrankungen als Trans-
       Dies führt zum Blutstau vor der          Medizin, man könne heute zwar zu bestimm-                             plantationsursache gehen hingegen zurück.
       Leber und zu Folgeerscheinungen
                                                ten Zeitpunkten die Ausdehnung eines Tu-                                 „Wir operieren heute die Patientinnen und
       wie Ausbildung von Krampfadern
       in der Speiseröhre oder Bauch-           mors exakt bestimmen, über das biologische                            Patienten, die sich vor 20, 30 Jahren infiziert
       wassersucht. Hauptursachen ei-           Verhalten – Warum wächst ein Tumor lang-                              haben“, sagt Tilg, Leiter der Universitätsklinik
       ner Leberzirrhose sind in Europa         sam, der andere schnell? Warum streut ein                             für Innere Medizin I. Unbehandelt führt eine
       meistens übermäßiger Alkohol-
                                                Tumor, der andere nicht? – „wissen wir wenig“.                        HCV-Infektion zu Leberzirrhose und mit hoher
       konsum oder eine chronische Le-
       berentzündung (Virushepatitis).          Natürlich komme man auch in der Medizin                               Wahrscheinlichkeit zu Leberkrebs – sie zählt
                                                immer weiter, man könne sehr gut helfen, den                          damit zu den tödlichsten Viruserkrankungen
                                         1
                                                Weltraum habe man aber noch nicht erobert:                            weltweit. Die mit starken Nebenwirkungen
                                                „Vielleicht sind wir, bildlich gesprochen, inzwi-                     behafteten Interferon-Therapien wurden
                                                schen am Mars.“ Für einen weiteren Schritt in                         inzwischen von neuen Medikamenten, so-
                                                den – medizinischen – Weltraum sind an der                            genannten DAAs (directly acting antiviral
                                                Medizinischen Universität Innsbruck nun die                           agents), abgelöst. Seit 2013 werden sie auch
                                                besten Voraussetzungen gegeben: Als eines                             in Innsbruck angeboten.
                                         2
                                                der ersten Leberzentren weltweit ging in Tirol
                                                im Jahr 2018 ein neues Gerät für Lebertrans-                          „HEPATITIS C ist die erste chronische Virus­
                                                plantationen in Betrieb. Und das Gerät, da sind                       infektion, die wir durch medikamentöse Be-
                                                sich Öfner-Velano und seine Kollegen einig,                           handlung heilen können“, erläutert Heinz Zol-
                                                hat das Potenzial, die Transplantationsmedizin                        ler, Leiter des Hepatologischen Labors an der
       1: Histologischer Befund einer Zirrho-   zu revolutionieren.                                                   Universitätsklinik für Innere Medizin I. Insofern
       se mit Bindegewebssepten (blau)             War die erste erfolgreiche Lebertransplan-                         sei das global ausgerufene Gesundheitsziel
       2: regulär konfigurierte Leber mit
       einem einzelnen Entzündungsherd
                                                tation durch den US-Amerikaner Thomas                                 der WHO, Hepatitis C bis 2030 zu eliminieren,
       (rundliche Struktur rechts neben der     Starzl im Jahr 1967 noch eine globale Sen-                            in Tirol durchaus umsetzbar. „Elimination be-
       Bildmitte oben) aber ansonsten un-       sation, die erste in Innsbruck durch Raimund                          deutet in diesem Fall nicht ein Verschwinden
       auffälliger Leberstruktur ohne Fibrose
                                                Margreiter im Jahr 1977 noch eine Pionier-                            wie bei Kinderlähmung oder Pocken, sondern
                                                leistung, „ist die Lebertransplantation“, so Öf-                      eine Reduktion der Mortalität und Neuinfek-
                                                ner-Velano, „inzwischen Routine.“ In Innsbruck                        tion nach genauen Vorgaben“, präzisiert Zoller

                                                Herbert Tilg, Heinz Zoller (v.li.): Ziel, Hepatitis C bis 2030 in Tirol zu eliminieren.

10   MED•INN 01 | 2018
das WHO-Ziel, der – basierend auf Daten des
        Hepatologischen Labors – in einer epidemio-
        logischen Modellrechnung zeigen konnte, wie
        es „durch das Schaffen von Gesundheitsbe-
        wusstsein, das Unterbrechen von Infektions-
        wegen und die Behandlung von Neuinfek-
        tionen“ erreicht werden kann. Rund 2.000
        HCV-Infizierte leben derzeit in Tirol, „mit einer
        gestiegenen Diagnoserate könnten in Tirol
        1.254 Neuinfektionen bis zum Jahr 2030 und
        damit auch 150 neue Leberzirrhosen vermie-
        den werden“, prognostiziert Zoller. Pläne für
        Datenerfassung, Therapiedokumentation, Er-
        höhung der Diagnose- und Behandlungsrate
        bei Risikogruppen liegen vor. „Mit Partnern         Werner Jaschke: „Bildgebende Verfahren unterstützen
        wird an der Konkretisierung und Umsetzung           Diagnose, Behandlung und Therapie.“
        dieser Pläne gearbeitet“, berichtet Tilg.
           Hat man bei Hepatitis C „den mühsamen            können wir Tumore ab einer Größe von ein bis
        Weg bis zur sensationellen Therapie“ schon          zwei Zentimeter“. Computertomografie (CT)
        hinter sich, steht bei Hepatitis E noch viel For-   und Magnetresonanztomografie (MRT) eröff-
        schungsarbeit bevor. Anfangs hauptsächlich          neten dabei neue Einsichten, „vor 30 Jahren“,
                                                                                                                  sRFA-Methode
        im asiatischen Raum verortet, mehrten sich          erinnert sich Jaschke, „war die Möglichkeit,
        in den letzten Jahren HEV-Fälle in Europa.          einen Leberzelltumor nachzuweisen, relativ            Mit einer eigens entwickelten Metho-
        „Rund 40 Prozent der Bevölkerung hatten             begrenzt.“ Während man beim CT die erhöh-             de – der stereotaktischen Radiofre-
        Kontakt mit dem Virus, die meisten spüren es        te arterielle Durchblutung des Tumors nutzt           quenzablation (sRFA) – operieren an
                                                                                                                  der Innsbrucker Uniklinik für Radiolo-
        nicht. Wenn aber, kann es zu schwerwiegen-          (Jaschke: „Ab der Größe von einem Zentimeter
                                                                                                                  gie Ärztinnen und Ärzte rund um Reto
        den Verläufen kommen, die nicht nur die Leber       steigt die Durchblutung durch die Leberarte-          Bale unter anderem Lebertumoren.
        betreffen, sondern auch zu neurologischen           rie dramatisch an.“), greift man beim MRT auf         Die sRFA ermöglicht unter der Ver-
        Erkrankungen führen“, sagt Tilg, der auf einen      Kontrastmittel zurück, die sich in Leberzellen        wendung stereotaktischer Steue-
        weiteren Risikofaktor verweist: die nicht-alko-     anreichern, in Tumorzellen der Leber hingegen         rungshilfen eine punktgenaue Zerstö-
                                                                                                                  rung des Tumorgewebes mittels Hitze
        holische Fettleber. „Die Erkrankung korreliert      nicht. Die Arbeit der Innsbrucker Radiologen
                                                                                                                  (60 bis 100 Grad Celsius), der Tumor
        mit der Zunahme an Übergewicht, Adipositas          beschränkt sich aber nicht nur auf Kontrolle          wird quasi verkocht. Dafür werden
        und Diabetes II, ist daher global betrachtet ein    und Diagnose, neben der in Innsbruck ent-             Nadeln präzise in den Tumor einge-
        großes Problem“, so Tilg. Besonders proble-         wickelten stereotaktischen Radiofrequenz­             bracht. Die Lokalisation erfolgt mit
        matisch sei, dass eine nicht-alkoholische Fett-     ablation (siehe rechts) kommen auch andere            Unterstützung von aktuellen CT-Auf-
                                                                                                                  nahmen. Nach dem minimalinvasiven
        leber direkt einen Leberzelltumor entwickeln        Methoden für die lokale Behandlung von Le-
                                                                                                                  Eingriff verbleiben nur kleine Narben,
        kann: „Dafür haben wir keine Screening-Mög-         berkrebs bzw. -metastasen zum Einsatz. Bei            die Patientinnen und Patienten kön-
        lichkeit.“                                          einer Selektiven Internen Radiotherapie (SIRT)        nen im Schnitt nach ein bis vier Tagen
                                                            etwa werden radioaktive Mikropartikel in den          das Krankenhaus wieder verlassen.
        LEBERKREBS (hepatozelluläres Karzinom,              Bereich des Tumors eingebracht, um ihn „von           Mehr zur sRFA lesen Sie in MED•INN
                                                                                                                  02/2016.
        HCC) macht rund neun Prozent aller Krebs­           Innen“ zu zerstören. „Angewandt wird die Me-
        erkrankungen aus und ist weltweit die zweit-        thode derzeit nur bei Fällen mit einem fortge-
        häufigste krebsbezogene Todesursache,               schrittenen Tumor, der in die Pfortader einge-
        Hauptrisikofaktor ist eine Leberzirrhose, „die      wachsen ist“, schränkt Jaschke den Einsatz
        bei uns meistens die Folge einer ernährungs-        von SIRT ein. Bei Patientinnen und Patienten,
        bedingten Fettlebererkrankung oder einer            die auf eine Spenderleber warten, setzt man
        Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Infektion ist“,       auf die Chemoembolisationstherapie. Dabei
        erläutert Werner Jaschke, Direktor der Inns-        werden über einen feinen Katheter Chemo-
        brucker Universitätsklinik für Radiologie. Pati-    therapeutika genau zum Tumor gebracht, die
        entinnen und Patienten mit Leberzirrhose wer-       einerseits die arterielle Durchblutung dros-
        den daher mittels bildgebenden Verfahren in         seln, andererseits gezielt Tumorzellen zerstö-
        einjährigen Abständen überwacht, „erkennen          ren. „Zu dieser Behandlung als Überbrückung

Fotos: Andreas Friedle (3), Heinz Zoller (2)

                                                                                                                                    01 | 2018 MED•INN      11
Neue Methoden der Leberchirurgie
                         Im Bereich der Leberchirurgie gehört Innsbruck zu den international renommier-
                         testen Zentren. Ein Grund, wieso ein Workshop „Hands on Course on Liver Sur-
                         gery“ der Europäischen Gesellschaft für chirurgische Onkologie (ESSO) erstmals
                         an der Medizinischen Universität Innsbruck stattfand. Über 20 Chirurginnen und
                         Chirurgen aus 15 verschiedenen Ländern fanden sich Ende April in Innsbruck ein,
                         um von zehn internationalen und lokalen Experten unter realen Bedingungen
                         neueste Methoden der Leberchirurgie zu erfahren. „Dieser Kurs ist ein praktischer
                         Workshop über die chirurgische Anatomie sowie operative und interventionelle
                         Techniken zur gezielten Entfernung von Lebertumoren. Er konzentriert sich auf
                         ein Verständnis der funktionellen Leberanatomie und chirurgisch/technische As-
                         pekte, die für Leberchirurgen und -chirurginnen notwendig sind. Darüber hinaus
                         werden operativ relevante Lebererkrankungen, Diagnostik, perioperatives Ma-
                         nagement und radiologische Interventionen bei Lebererkrankungen in einer evi-
                                                                    denzbasierten und multidisziplinären
                                                                    Umgebung diskutiert“, erklärt Stefan
                                                                    Stättner, Leitender Oberarzt an der
                                                                    Uniklinik für Viszeral, Transplantation-
                                                                    und Thoraxchirurgie, der sich dafür
                                                                    eingesetzt hat, dass der Kurs in Inns-
                                                                    bruck stattfinden kann.

                                                                             Fotos: Medizinische Universität Innsbruck / Florian Lechner

12   MED•INN 01 | 2018
„Das Metastasenregister wäre eine
                                                             Win-Win-Sitution für alle.“
                                                                                  Dietmar Öfner-Velano

                                                           besprochen werden, um dann „wie in einem
                                                           Tumorboard vor Ort zu entscheiden, welche
                                                           Behandlung wo durchgeführt wird“. Verwaltet
                                                           werden alle Fälle in einem zentralen Register,
                                                           was wiederum die Möglichkeit für umfassende
                                                           Versorgungsforschung bietet. Für Öfner-Vela-
                                                           no eröffnet das beantragte Metastasenregister
                                                           eine Win-Win-Situation: Patientinnen und Pa-
                                                           tienten erhalten in der Peripherie die bestmög-
                                                           liche Behandlung, die Medizinische Universität
                                                           Innsbruck bekommt Zugang zu Daten fürs
                                                           wissenschaftliche Arbeiten.
                                                              Nicht Leberresektion, sondern Lebertrans-
                                                           plantation ist die Behandlung bei einer Gal-        Innsbrucker
                                                           lengangatresie, einer Fehlbildung der Gal-
                                                                                                               Transplantationen
                                                           lengänge außerhalb der Leber. „Die Leber
       zur Transplantation konnten wir maßgebliche         arbeitet und produziert Galle. Aufgrund der         Die Geschichte der Innsbrucker
       Arbeiten publizieren, die zur Etablierung des       Fehlbildung kann die Gallenfüssigkeit nicht in      Transplantationschirurgie       ist
                                                           den Darm gelangen, sie staut sich in den Le-        untrennbar mit dem Namen Rai-
       Verfahrens beigetragen haben“, berichtet
                                                                                                               mund Margreiter verbunden. Der
       Jaschke.                                            berzellen und ist dort stark giftig. Das führt in   Zillertaler studierte in Innsbruck
                                                           wenigen Monaten zum Vollbild einer Leber-           von 1959 bis 1965 Medizin.
       BEHANDLUNG, besser gesagt Vorbehand-                zirrhose“, erklärt Thomas Müller, Direktor der      1967 wurde er Assistent an der
                                                           Universitätsklinik für Pädiatrie I, die angebore-   Universitätsklinik für Chirurgie,
       lung, ist auch für Dietmar Öfner-Velano ein
                                                                                                               nach Facharztausbildung (1972)
       entscheidender Faktor, wenn es um die chi-          ne Erkrankung, die eine Lebertransplantation        und Habilitation (1980) wurde
       rurgische Entfernung von Lebermetastasen            im Kleinkindalter notwendig macht. In Frage         er 1999 Vorstand der Universi-
       geht. „Ein kolorektales Karzinom mit Leber-         kommt dabei eine Lebendspende – ein naher           tätsklinik für Chirurgie. Der ers-
                                                           Angehöriger spendet einen Teil seiner Leber,        ten Nierentransplantation (1974)
       metastasen haben vor 15, 20 Jahren nur we-
                                                                                                               folgte eine Lebertransplantation
       nige Prozent der Betroffenen fünf Jahre und         in den meisten Fällen Segment II und III des        (1977). Als erster in Österreich
       mehr überlebt. Heute sind es 50 Prozent,            linken Leberlappens, der über die Jahre wieder      gelang ihm eine Transplantation
       wenn wir in Kombination mit antitumorö-             nachwächst. „Innsbruck ist das einzige Zent-        von Nieren und Pankreas (1978),
       sen medikamentösen Therapien operieren              rum in Österreich, das diese Lebendspenden          des Herzens (1983), von Lunge
                                                                                                               und Herz (1985), der Doppel-
       können“, berichtet der Chirurg. Technisch sei       anbietet“, berichtet Müller.                        lunge (1987), des Darms (1990),
       vieles machbar, begrenzend sei aber, „wie              Rund zehn solcher Transplantationen­wer­         der Inselzellen (1990) und der
       viel nicht befallene Leber nach dem operati-        den pro Jahr in Innsbruck durchgeführt, das         Hände (2000). Weltweiter Pio-
       ven Eingriff übrigbleibt“. Das Ziel ist es daher,   Zehn-Jahre-Überleben, weiß Trans­plan­ta­           nier war er mit der kombinierten
                                                                                                               Leber-Nieren-Transplantation
       mit Vorbehandlung nicht-operable Tumoren            tions­chirurg Stefan Schneeberger, liegt bei        (1983) sowie der Multiviszer-
       operabel zu machen. „Dabei gibt es unzählige        deutlich über 90 Prozent: „Der limitierende         altransplantation (1989).
       Möglichkeiten. Am Leber Centrum Innsbruck           Faktor ist die Größe, selbst ein kleiner Teil der
       haben wir viel Expertise und können die beste       Leber eines Erwachsenen kann für ein Klein-
       Variante für die Betroffenen aussuchen“, sagt       kind zu groß sein.“ Unterstützung holen sich
       Öfner-Velano. Diese Expertise noch mehr – vor       die Chirurgen dafür von der Radiologie, via
       allem vernetzter – nutzen will der Mediziner        CT-Bilder wird die Gefäßanatomie abgeklärt,
       mit Hilfe eines Metastasenregisters für die         das Volumen des Spenderteils genau berech-
       Bezirkskrankenhäuser in Nord- und Osttirol          net und mit dem Empfänger verglichen. „Es
       sowie Vorarlberg. In diesem „intradisziplinären     muss ja in den Körper des Kindes passen“,
       Tumorboard“ sollen alle Fälle von Leberzell-        erläutert Werner Jaschke. Die Bildgebung
       tumor bzw. Lebermetastasen via Telemedizin          kommt aber generell vor Lebertransplanta-

Fotos: Andreas Friedle (2)

                                                                                                                                01 | 2018 MED•INN    13
ler Funktionsfähigkeit am Leben erhalten. Die-
                                                                                                  se neue Form der Zwischenlagerung bietet für
                                                                                                  Schneeberger mehrere Vorteile: Die Funktion
                                                                                                  der Spenderleber kann im Detail überprüft
                                                                                                  werden, was auch die Transplantation älterer
                                                                                                  Spenderorgane erlauben wird; die dadurch er-
                                                                                                  höhte Zahl an Spenderlebern ermöglicht mehr
                                                                                                  Transplantationen; die gewonnene Zeit kann
                                                                                                  für eine bessere Vorbereitung der Organemp-
                                                                                                  fänger genutzt werden; Transplantationen
                                                                                                  werden planbarer, die Operationstermine kön-
                                                                                                  nen den Arbeitszeiten entsprechend festge-
                                                                                                  legt werden. Insgesamt rechnet Schneeberger
                                                                                                  damit, dass von Metra in einem zukünftigen
     Revolutionäre Technik                     tionen zum Einsatz. „Die Gefäßanatomie, die        Standardbetrieb „rund 50 Prozent der Spen-
                                               wir im Lehrbuch lernen, kommt nur in rund 50       derlebern profitieren würden“.
     „Metra“ erzeugt für die Spenderleber      Prozent der Fällen vor. Alle anderen habe eine        Der Forscher denkt aber schon weiter. In
     ein ähnliches Umfeld wie im Körper.                                                          einer Studie will er mit seinem Team untersu-
                                               abweichende Anatomie“, weiß der Radiologe.
     Die sogenannte „Ex-vivo-Perfusion“
     erfolgt auf Körpertemperatur. Es wird        In den letzten Jahrzehnten hat sich Inns-       chen, wie sich die Leber über einen längeren
     keine künstliche Flüssigkeit, sondern     bruck zu einem der größten Transplantati-          Zeitraum außerhalb des Körpers verhält. Mit
     Blut verwendet, sobald die Leber an       onszentren Europas entwickelt, 2016 wurden         molekularbiologischen und bio­energetischen
     Metra angeschlossen ist, funktioniert     mehr als die Hälfte der Lebertransplantationen     Untersuchungen sowie Vitabilitätsmessun-
     sie wie im Körper: Sie produziert Gal-    Österreichs in Tirol durchgeführt, bezüglich       gen mache sich ein vollkommen neues Gebiet
     le, verstoffwechselt Glucose und be-
     hält ihren physiologischen pH-Wert.
                                               der Überlebensraten „liegen wir im guten glo-      auf: Was passiert im Organ von selbst? Re-
     Metra ermöglicht damit auch eine          balen Schnitt, obwohl wir auch viele schwieri-     generiert es? Benötigt es dafür Zusatzstoffe
     Qualitätskontrolle über die Funktion      ge Fälle transplantieren“, erklärt Schneeberger,   oder nicht? Wo kann man therapeutisch an-
     der Leber. Geplant sind auch Studien,     der das Innsbrucker Transplantationszentrum        setzen? Schneebergers Überlegung ist eine
     um die Leber länger als 24 Stunden        leitet. Mit dem Leber Centrum Innsbruck wird       „Organtherapie außerhalb des Körpers“, seine
     aufbewahren zu können bzw. die Le-
     ber zu regenerieren. „Das ist das Fas-
                                               dieses Know-how mit anderem Wissen über            Vision die Transplantation von Organen nicht
     zinierende an der Technologie“, erklärt   Erkrankungen der menschlichen Entgiftungs-         nur von Hirntoten, sondern auch von Verstor-
     der Transplantationschirurg Stefan        zentrale verknüpft, um modernste Therapien         benen. „Jeder, der verstirbt, könnte als Organ-
     Schneeberger: „Mit ihr gelingt der        anzubieten und die Forschung voranzutreiben        spender zur Verfügung stehen, wenn nicht das
     Brückenschlag zwischen Tissue En-         – ein wichtiges neues Instrument dabei ist die     Organsterben so schnell fortschreiten würde.
     geneering, also dem Züchten neuer
     Organe, und unserem Ansatz, subop-
                                               „Metra“, ein Gerät zur normothermen Maschi-        Angenommen, wir können Organe reparieren,
     timale Organe zu optimiren.“              nenperfusion.                                      öffnet sich ein vollkommen neues Fenster:
                                                  „Mit Maschinenperfusion gehen wir weg           Organ entnehmen, konditionieren, regenerie-
                                               von der Situation, in der wir ein Organ nur        ren und transplantieren“, blickt Schneeberger
                                               lagern, hin zu einem System, mit dem man           in die Zukunft.                           ah ¶
                                               Organe außerhalb des Körpers behandeln und
                                               mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen
                                               kann“, beschreibt Schneeberger die Maschine,
                                               die seine Kollegin Annemarie Weißenbacher
                                               als „Intensivstation für die Leber“ bezeichnet.
                                               Metra ermöglicht eine Zwischenlagerung der
                                               Leber, für – derzeit zugelassene – 24 Stunden
                                               wird das Organ bei Körpertemperatur und vol-

                                               „Wir sind das einzige Zentrum in
                                                 ­Österreich, das Leber-Lebendspenden­
                                                  für Kinder anbietet.“
                                                                            Thomas Müller

                                                                                                                           Fotos: Andreas Friedle (2), Florian Lechner

14   MED•INN 01 | 2018
Mit Nähe zur Klinik
       Koordinator Reinhard Würzner über das internationale Doktoratskolleg HOROS,
       das sich auf Infektionen bei geschwächter Immunabwehr spezialisiert hat.

       Das Doktoratskolleg HOROS wurde Ende 2017
       positiv evaluiert und geht in die zweite Runde.
       Wie ist Ihre persönliche Bilanz?
       REINHARD WÜRZNER: Wir waren sehr er-
       folgreich und konnten das umsetzen, was wir
       uns vorgenommen haben, die Internationali-
       tät insbesondere. Auch die Studierenden sind
       sehr gut zusammengewachsen. Sie können
       für sich agieren und müssen nicht immer den
       Umweg über uns ProfessorInnen gehen.
       HOROS steht für „Host Response in opportuni­
       stic infections“ – was heißt das für die inhalt­
       liche Ausrichtung des Kollegs ?
       WÜRZNER: Wir schauen uns eine Situation
       an, die es vor rund 50 Jahren noch gar nicht
       gab – die Reaktion eines immunsupprimier-          Wie kommen Studierende ins Kolleg?                StudiumFakten
       ten Immunsystems z.B. nach Transplantation.        WÜRZNER: Über eine internationale Aus-            Das Doktoratsprogramm HOROS
       In der Regel ist es so, dass das Immunsystem       schreibung. In Abständen werden die offenen       („Host Response in opportunistic
       – auch wenn der Mensch „schlecht drauf“ ist        Stellen bekannt gemacht, innerhalb von vier       in­fec­tions“) unterstützt den For­­
       – so gut funktioniert, um nicht an bestimm-        Wochen müssen die Bewerbungen hier sein.          schungsschwerpunkt „Infektion,
       ten Pilzen wie z.B. Candida oder Aspergillus       Für jede Stelle wählen wir zwei Bewerbungen       Immunität und Transplantation“
                                                                                                            der Medizinischen Universität
       zu erkranken. Jeder von uns atmet 30 bis 50        aus, laden sie ein und wählen nach Qualität       Innsbruck. Die sieben klinischen
       Sporen pro Tag ein, sie werden vom Immun-          aus. Das passiert innerhalb von zwei Tagen, ein   und präklinischen Arbeitsgrup-
       system bekämpft. Es gibt aber immunsup-            Vorstellungsgespräch, eine Laborführung und       pen widmen sich verschiedenen
       pressive Zustände – eben nach Transplan-           ein Abendessen mit den bisherigen Studieren-      Aspekten der Wirt-Pathogen-In-
       tation –, wo vielleicht drei, vier Keime nicht     den, auch um zu schauen, wie die Neuen in die     teraktion. Markenzeichen von
                                                                                                            HOROS sind einerseits die patien-
       abgetötet und zur Gefahr werden.                  Arbeitsgruppen passen würden. Entspricht          tennahe Forschung, andererseits
       Wer profitierte bisher vom Kolleg?                 keiner der zwei und ein anderer Faculty-Mem-      das Anliegen, den Studierenden
       WÜRZNER: Insgesamt rund 50 Studierende.            ber hat zwei phantastische Bewerber, schlägt      aus fünf Kontinenten relevante
       Es gibt sieben HOROS-Studierende, die über         man einem davon dies Projekt vor.                 Kenntnisse zum wirtschaftlichen
       die FWF-Förderung eine Stelle, Forschungs-         Trotz Fokus auf Grundlagenforschung ist das       Nutzen von Forschungserkennt-
                                                                                                            nissen zu vermitteln. Ende 2017
       mittel, die Möglichkeit eines halben Auslands-     Kolleg sehr nah an der Klinik. Absicht?           wurde HOROS evaluiert und vom
       jahrs und im Anschluss ein viertes Studienjahr     WÜRZNER: Auf jeden Fall, die Kollegs sind         FWF für eine letzte Verlängerung
       bekommen. Im Schnitt kann jeder Faculty­-          österreichweit grundlagenorientiert, auch an      empfohlen.
       Member noch zwei weitere Studierende               Medizinischen Universitäten sind Mediziner
       aufnehmen. Diesen „Associated students“            wie ich als Sprecher die Ausnahme. Wir haben
       werden die Stellen über andere Förderungen         in der Faculty Mediziner wie Günter Weiss, die
       finanziert, sie können drei Monate im Aus-         mit Patientinnen und Patienten arbeiten, oder
       land und einige Monate länger studieren. Alle      solche wie Cornelia Lass-Flörl und mich, die
       durchlaufen ein Lernprogramm, das auch den         mittelbar mit ihnen befasst sind: Wir analysie-
       Studierenden des PhD-Programms „Infection,         ren jeden Tag Proben von Patientinnen und Pa-
       Immunity and Transplantation“ offen steht –        tienten und versuchen herauszufinden, welche
       daher die große Zahl der Profitierenden.           Infektionen dahinterstecken.             ah ¶

Foto: Andreas Friedle

                                                                                                                             01 | 2018 MED•INN     15
Wohin geht die Reise?
     In der modernen Krebsforschung und -therapie ist die Immunonkologie nicht mehr
     wegzudenken. Dominik Wolf forscht seit vielen Jahren zur Tumorimmunologie­und
     an Leukämie-Erkrankungen und weiß, wo die Chancen und Herausforderungen in
     der Entwicklung innovativer Krebsimmuntherapien liegen.

                                       Worin liegt die Synergie von Immunologie und    Die Immuntherapie wird klassische Therapie­
                                       Onkologie?                                      formen also nicht verdrängen?
                                       DOMINIK WOLF: In den letzten Jahren wurde       WOLF: Die Immuntherapie ist eine Ergänzung
                                       intensiv daran geforscht, wie das Immunsys-     und Chemo- und Strahlentherapien werden
                                       tem Krebszellen erkennen kann und wie sich      nicht abgelöst, im Gegenteil. Es ist sehr wich-
                                       Tumoren dem Zugriff des Immunsystems ent-       tig, dass wir die Strahlentherapeuten und die
                                       ziehen. Aus diesen Erkenntnissen konnte man     Entwickler von verbesserten Chemotherapeu-
                                       neue Therapieansätze entwickeln, die heute      tika und „Targeted Drugs“ dabei unterstützen,
                                       schon als zugelassene Medikamente, oft als      ihr Wissen mit dem der Immunologie zu ver-
                                       Einzeltherapie im Einsatz sind. Dies war aber   weben. Die Immunonkologie stellt also neben
                                       nur der erste Schritt. Wir wissen heute auch,   den klassischen Therapien die nächste große
                                       dass es sehr viele interessante Kombinationen   Therapiesäule von Krebs dar, die gerade eben
                                       gibt, um das Immunsystem noch „schärfer“ zu     durch die Vergabe des Medizin-Nobelpreises
                                       machen, etwa indem man die klassische Strah-    an die Krebsforscher James Allison und Tasuku
                                       len- oder Chemotherapie und neue Therapie-      Honjo bestätigt wird.
                                       formen, die das Gefäßsystem attackieren, mit    Neues immunologisches Wissen wird also die
                                       immunaktivierenden Therapien kombiniert.        immunonkologische Forschung vorantreiben?

16   MED•INN 01 | 2018
WOLF: Natürlich. Wir müssen verstehen,                allem bei hämatologischen Erkrankungen wie
       warum das Immunsystem bei Krebskran-                  Lymphomen oder Leukämien eingesetzt wird,
       ken nicht ausreichend funktioniert. Einer             sind wir verblüfft. Dabei werden körpereigene
       der bekanntesten aktiven Mechanismen ist              Immunzellen genetisch verändert, indem man
       beispielsweise, dass Krebszellen an ihrer             sie mit einem chimären Antigenrezeptor aus-
       Oberfläche Antennen haben – sogenannte                stattet. Das Problem dabei: Die Therapie ist
       Immun-Checkpoints –, die Immunzellen in               hochaufwendig und kostenintensiv. Wir müs-
       deren Aktivierung hemmen. Heute können                sen Modelle diskutieren, wie diese Kosten
       wir diesen negativen Einfluss auf die Immun-          aufgeteilt werden können, damit PatientInnen
       zellen im Tumor mithilfe von blockierenden            Zugang zu diesen Therapien bekommen.
       Antikörpern aufheben, was jedoch nur einem            Vor diesem Hintergrund müssten solche The­
       Teil der PatientInnen hilft. Wir beginnen jetzt       rapien also möglichst zielgerichtet sein?
       gerade zu verstehen, warum viele PatientIn-           WOLF: Richtig. Wir müssen unbedingt bes-
       nen nicht profitieren, um daraus die nächste          sere Prädiktoren für den Erfolg von sehr
       Generation verbesserter Immuntherapeutika             teuren Immuntherapien finden. Zudem
       zu entwickeln. Innsbruck ist ein Ort mit ei-          muss eine Kostensenkung durch optimierte
       ner ausgewiesenen Expertise in vielen dieser          Herstellungsbedingungen für CAR-T-Zellen
       Bereiche und Vernetzung ist essenziell für            möglich sein, beispielsweise auch durch die
       die zukünftige Immuntherapie-Entwicklung.             lokale Produktion an den akademischen Zen-
       Ich spreche hier von Wissenschaftlern wie             tren. Wir haben ja hier in Innsbruck mit dem
       Gottfried Baier, der sich mit Immun-Check-            Neubau Innere Medizin Süd und den dort
       points beschäftigt, oder Zlatko Trajanoski,           angesiedelten Facilities für Good Manufac-
       der als Bioinformatiker sehr viele komplexe           turing Practice die Möglichkeit einer lokalen
       Tools zur Vorhersagewahrscheinlichkeit auf            Produktion.
       Immuntherapien entwickelt. Ich spreche aber           Sie sehen hier also gute Rahmenbedingungen
       auch von Klinikern und Wissenschaftlern wie           für die immunonkologische Forschung und Kli­
       Herbert Tilg und Alexander Moschen, die               nik?
       sich intensiv mit dem Darm-Mikrobiom und              WOLF: Absolut. Einer unserer Forschungs-         Dominik Wolf
       Darmkrebs beschäftigen. Niemand hätte vor             schwerpunkte ist die Mikroumgebung des
                                                                                                              Dominik Wolf (*1972) studierte an
       Jahren gedacht, dass die bakterielle Darm-            Tumors. Wir wollen die Immunonkologie eng
                                                                                                              der Universität Erlangen-Nürnberg
       besiedelung mit der Ansprech-Wahrschein-              mit der Angiogeneseforschung vernetzten.         Medizin und schloss sein Doktorat
       lichkeit auf Immuntherapeutika assoziiert ist.        Mit Andreas Pircher haben wir einen Forscher     „summa cum laude“ ab. Nach sei-
       Auch die Klinik für Innere Medizin V wird in          an der Klinik, der gerade aus einem der be-      ner Ausbildung zum Internisten an
                                                                                                              der Medizinischen Universität Inns-
       enger Kooperation mit MUI-Partnern durch              deutendsten Angiogenese-Labors in Leuven
                                                                                                              bruck, wo er sich 2008 für das Fach
       die Erforschung der Krebsumgebung – des               retour gekommen ist und hohe Expertise           Innere Medizin habilitierte (Additiv-
       Microenvironments – zur Optimierung von               in diesem Feld hat. Wir wollen die Rolle des     fach Hämatologie und Internistische
       Krebs-Immuntherapien beitragen können.                Gefäßsystems in der Regulation des Immun-        Onkologie) folgte er 2011 dem Ruf
                                                                                                              der Universitätsklinik Bonn auf die
       Haben Sie die Chancen immunaktivierender              systems besser verstehen, weil wir wissen,
                                                                                                              Professur für Tumorimmunologie
       Therapien von Beginn an gesehen?                      dass die Immunzellen über die Gefäße in den      und als Stellvertretender Klinikdi-
       WOLF: Ich bin von der Entwicklung der letz-           Tumor hineinkommen und der Tumor damit           rektor der Medizinischen Klinik 3 für
       ten fünf Jahre schon überrascht. Ein relativ          ein immunprivilegiertes Organ ist. Auch der      Onkologie, Hämatologie, Immunon-
                                                                                                              kologie und Rheumatologie. Seine
       einfacher Ansatz, nämlich der Einsatz eines           Embryo ist in diesem Zusammenhang eine
                                                                                                              Forschungsschwerpunkte liegen auf
       Checkpoint-Antikörpers, etwa in der Erst-             interes­sante Konstellation, denn er hat ein     der Immunregulation bei Krebs und
       linientherapie bei einer bestimmten Unter-            hohes Maß an Fremdheit und wird trotzdem         Transplantation und der Entzündung
       gruppe von Lungenkrebs, wirkte besser als             nicht abgestoßen. Gottfried Baier arbeitet       bei Myeloischen Erkrankungen. Kli-
                                                                                                              nisch fokussiert sich Wolf auf die Im-
       die Chemotherapie – das hätte ich nicht für           etwa an der immunologischen Funktion der
                                                                                                              munonkologie, Myeloische Neoplasi-
       möglich gehalten. Heute ist die Immunthe-             Plazenta. Innsbruck ist jedenfalls ein toller    en (Akute Leukämie und MPN) und
       rapie nicht nur in den Universitätskliniken,          Platz, um gerade diese komplexe Forschung        die Stammzell-Transplantation. Der
       sondern auch in den Versorgungshäusern                so zu betreiben, dass wir unsere nationale       mehrfach ausgezeichnete Mediziner
                                                                                                              leitet seit Oktober 2018 die Univer-
       im Alltag angekommen. Aber auch von der               und internationale Sichtbarkeit verstärken
                                                                                                              sitätsklinik für Innere V (Hämatologie
       Effizienz der sogenannten CAR-T-Zellen, ei-           können. Das geht eben am besten in koope-        und internistische Onkologie) in Inns-
       ner hochinnovativen Therapieform, die vor             rativen Forschungsnetzwerken.            hei¶   bruck.

Foto: Medizinische Universität Innsbruck / Florian Lechner

                                                                                                                                01 | 2018 MED•INN      17
Auf radikalen Wegen
     Durchblutungsstopp und Wiederdurchblutung sind Stressfaktoren für Transplantate. Bei
     den dadurch bedingten Ischämie-Reperfusionsschäden spielen Sauerstoffradikale eine
     entscheidende Rolle. Das Team um Jakob Troppmair will deren Produktion verhindern.

                                      E
                                             s ist der Zeitpunkt der Radikalen.     massiven Produktion von Sauerstoffradika-
                                             Der Moment, in dem während einer       len einher. Diese „reactive oxygen species“
                                             Transplantation erstmals Empfänger-    (ROS) entstehen in den Mitochondrien als
                                      blut ein Spenderorgan durchströmt. Dieser     Nebenprodukt der Zellatmung und gelten als
                                      lebensnotwendige Prozess geht mit einer       „böse Buben“ unseres Organismus, werden

18   MED•INN 01 | 2018
sie doch mit Zellalterung, Krebs, Parkinson      bilder, einschließlich Ischämie-Reperfusi-
       und Alzheimer in Verbindung gebracht. „In        onsschaden, wesentlich schwächer ausfal-
       einer gewissen Menge benötigt unser Kör-         len. „Das Hemmen von p66Shc dürfte eine
       per Sauerstoffradikale, zu viele ROS können      Schutzfunktion haben“, glaubt Troppmair,
       aber Eiweiße, Fette oder DNA schädigen. Bei      der sich in seiner Arbeit auf die Aktivierung
       einer Transplantation führt das zu einer Ver-    des Proteins während der Reperfusion kon-
       schlechterung der Organfunktion“, berichtet      zentriert: „Wir konnten entsprechende Sig-        Daniel Swarovski
       Jakob Troppmair, Leiter des Daniel Swarovski     nalwege identifizieren.“ Eine wichtige Rolle      Forschungslabor
       Forschungslabors an der Medizinischen Uni-       spielen dabei die Kinasen PKC-beta und
       versität Innsbruck. Bei einer Niere kann dies    JNK1/2, deren Ausschalten eine Aktivierung        Das Daniel Swarovski Forschungsla-
       die Folge haben, dass das transplantierte        von p ­ 66Shc­verhindert und für die es – als     bor der Universitätsklinik für Visze-
                                                        potenzielles Target für ein therapeutisches       ral-, Transplantation- und Thoraxchi-
       Organ eine Dialyse benötigt, um sich zu er-
                                                                                                          rurgie wurde 1993 von Raimund
       holen, „aber auch dauerhafte Schäden sind        Eingreifen – . schon Hemmer gibt. Für ein an-     Margreiter gegründet, um der klini-
       möglich“. Das Problem solcher Schädigungen       deres Protein – die Kinase p38 – gelang den       schen Spitzenmedizin eine entspre-
       sei schon länger bekannt, sagt Tropp­   mair,    Innsbrucker Forschern der Nachweis, dass          chende Grundlagenforschung im
       wirkliche Lösungsansätze gebe es aber noch       deren Hemmung zu wesentlichen funktionel-         Bereich der Transplantationsbiologie
                                                        len Verbesserungen der Nierenfunktion nach        gegenüber zu stellen. Forschungs-
       keine. Mit seinem Team sucht der Zellbiologe
                                                                                                          schwerpunkte des Labors sind Fra-
       nach solchen Lösungsansätzen, das spezielle      Ischämie und Reperfusion führt. Für seine         gestellungen aus dem Bereich der
       Interesse gilt Faktoren, „die ROS-Bildung re-    weitere Forschungsarbeit hofft Jakob Tropp-       Transplantationsmedizin, Wundhei-
       gulieren.“                                       mair auch auf Metra, die „Konservierungs-         lung und Molekularen Onkologie.
                                                        maschine“ für Spenderlebern (siehe Seite          „Mit den Kolleginnen und Kollegen
                                                        14), „dort können wir untersuchen, ob unsere      der Viszeral-, Transplantations- und
       IM LAUFE EINER Transplantation besteht
                                                                                                          Thoraxchirurgie verbindet uns eine
       für ein Organ gleich zweimal Gefahr. Zuerst      Beobachtungen aus Zell- und Tiermodellen          kongeniale Partnerschaft“, betont
       ist das zu transplantierende Organ einem         auch auf eine menschliche Leber zutreffen“.       Laborleiter Jakob Troppmair. Tropp-
       vollständigen Durchblutungsausfall ausge-        Eng wird dabei mit der Universitätsklinik für     mair studierte an der Universität
       setzt (Ischämie). Damit dies zu keinem dau-      Viszeral-, Transplantations- und Thoraxchir-      Innsbruck Biologie und dissertierte
                                                        urgie zusammengearbeitet – gleich wie beim        1985 bei Christoph Huber an der
       erhaften Gewebeschaden führt, werden die
                                                                                                          Abteilung Klinische Immunbiologie.
       Organe in speziellen Nährlösungen gekühlt,       Ansatz, neue Methoden zur Qualitätsprüfung        Nach einem sechsjährigen Aufent-
       die Ischämiezeit kann damit – von Organ          von Spenderorganen zu entwickeln.                 halt am National Cancer Institute in
       zu Organ unterschiedlich – auf mehrere              Aufgrund von Mangel an Spenderorganen          Frederick, Maryland (USA) war er am
       Stunden ausgedehnt werden. Nach erfolg-          werden heute auch Organe transplantiert,          Institut für Medizinische Strahlen-
       ter Transplantation wird das Organ wieder        die, so Troppmair, „früher nicht verwendet        kunde und Zellforschung der Univer-
                                                                                                          sität Würzburg tätig, wo er sich 2001
       durchblutet (Reperfusion), kritisch sind dabei   worden wären“. Für Menschen auf der War-          im Fach Molekulare Zellbiologie und
       die ersten 15 Minuten. „In dieser Zeit kommt     teliste sind diese nicht optimal funktionieren-   Biochemie habilitierte. Seit Herbst
       es zur massiven Produktion von ROS. Sauer-       den Organe aber überlebenswichtig, für den        2002 leitet Jakob Troppmair das
       stoffradikale schädigen Zellen, sie sind aber    Operateur stellt sich die Frage, wie gut das      Daniel Swarovski Forschungslabor,
       auch Signalmoleküle, die Prozesse in Gang        Organ ist. Zwar gibt es Kriterien, „wir wollen    2007 wurde er zum Professor für
                                                                                                          Molekulare Transplantationsbiologie
       setzen, die zu Entzündungen führen.“ Diese       aber Einblicke, die aussagekräftiger sind“.       berufen.
       gehen mit einer erhöhten Anzahl von Granu-       Troppmair setzt dabei – in Zusammenarbeit
       lozyten einher, die wiederum ROS produzie-       mir Martin Hermann von der Universitätskli-
       ren. Troppmair: „Über Wochen und Monate          nik für Anästhesie und Intensivmedizin – auf
       kann es so zu massiven Schädigungen des          Farbe. Eine Biopsie des Spenderorgans wird
       Organs kommen, die medikamentös nicht            mit speziellen Farbstoffen versehen, schon
       mehr behandelbar sind“.                          nach wenigen Minuten können unter ei-
          Damit es aber nicht so weit kommt, sollte,    nem konfokalen Fluoreszenzmikroskop tote
       so die Theorie, der Ausgangspunkt blockiert      und lebenden Zellen identifiziert, die Anzahl
       werden. „Wir haben mit p66Shc ein Protein        von ROS gemessen und der Zustand der
       im Auge, das für die ROS-Produktion in den       Mitochondrien beobachtet werden. „Dieser
       Mitochondrien verantwortlich ist“, berichtet     Ansatz wurde hier entwickelt und publiziert,
       der Biologe. Im Mausmodell konnten ver-          derzeit laufen Studien, ob der Test Marker lie-
       schiedene Arbeitsgruppen zeigen, dass beim       fert, die eine bessere Beurteilung der Spen-
       Fehlen von p66Shc ROS-bedingte Krankeits-        derorgane ermöglichen.“                   ah ¶

Fotos: Andreas Friedle

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