Abwehr mit System - Medizinische Universität Innsbruck
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Magazin der Medizinischen Universität Innsbruck Abwehr mit System Leber Centrum Innsbruck Lebensqualitätsforschung Spotlights Diagnose, Therapie & Forschung rund Wie Menschen mit Erkrankung und Kalte Zellteilung • Gerald Brandacher um Zirrhose und Transplantation genetischen Dispositionen umgehen Realtime Sequencing • animalFree
Der Moment, auf den wir täglich hinarbeiten. schulterwurf © photo: Espen Rasmussen Sofortige Hilfe in unserem Spital in Sierra Leone rettete Francis das Leben. Momente wie diesen gibt es nur dank Ihrer Spende. Jeder Beitrag macht unsere Hilfe stärker. www. ww. aerzte-ohne-grenzen.at/helfen Erste Bank AT43 2011 1289 2684 7600
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser! I n dieser Ausgabe unseres Campus-Ma- Ein Ereignis möchte ich an dieser Stelle gazins MED•INN beschäftigen wir uns noch hervorheben: Die Ilse & Helmut Wach- mit unserem Forschungsschwerpunkt ter Stiftung feiert Jubiläum. Zum zehnten Transplantation, Infektion & Immunität. Mal wird Ende 2019 der Wachter-Preis für Herausragende Leistungen finden sich auf herausragende Leistungen auf dem Gebiet diesem Gebiet quer durch unseren medizi- der medizinischen Forschung zum Wohle der nischen Campus. Das „Leber Centrum Inns- Menschheit an der Medizinischen Universität bruck“ ist ein gutes Beispiel, um zu zeigen, Innsbruck verliehen. wie fächerübergreifende Zusammenarbeit Über das Schwerpunktthema hinaus gibt in Diagnose, Therapie und Forschung auf es natürlich auch diesmal wieder viele weitere höchstem Niveau funktioniert. Unsere For- herausragende Leistungen, von denen wir ei- IMPRESSUM scherinnen und Forscher, Ärztinnen und Ärzte nige stolz in dieser Ausgabe präsentieren dür- Herausgeberin & Medieninhaberin: profitieren hier auch von der räumlichen Nähe fen. Finden Sie bei der Lektüre heraus, welch Medizinische Universität Innsbruck, des Medizin-Campus Innsbruck. spannende und wichtige Forschung am Cam- Christoph-Probst-Platz, Innrain 52, Die Grundlage für die ausgezeichneten Er- pus der Medizinischen Universität Innsbruck Innsbruck Verlegerin: KULTIG Corporate folge in diesem Forschungsschwerpunkt der passiert. Publishing – Koch & Partner KG, Medizinischen Universität Innsbruck sind Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen! Maria-Theresien-Str. 21, Innsbruck uns quasi bereits in die Wiege gelegt wor- Redaktion: David Bullock (db), Mag. Andreas Hauser (ah), den: Pioniere wie Raimund Margreiter, der die Mit freundlichen Grüßen, Mag. Doris Heidegger (hei), Transplantation in Innsbruck weltbekannt ge- Dr. Barbara Hoffmann-Ammann macht hat, oder Christoph Huber, der in den (hof), Mag. Annemarie Schönherr (as) Layout & Bildbearbeitung: 1980er-Jahren die neusten Erkenntnisse der Lara Hochreiter, Florian Koch Stammzelltransplantation nach Tirol brachte, Ihr W. Wolfgang Fleischhacker Anzeigen: Mag. Marina Unterberger beeinflußsen noch heute das Geschehen am Fotos: Andreas Friedle, Florian Lechner, Medizinische Universität Campus. Huber erinnt sich an diese Zeit des Rektor der Innsbruck Aufbruchs im Interview. Medizinischen Universität Innsbruck Druck: Gutenberg, Linz Foto: Medizinische Universität Innsbruck / Florian Lechner 01 | 2018 MED•INN 3
Inhalt Thema: Transplantation, Infektion & Immunität 8 Wenn die Leber nicht mehr mitspielt, braucht es optimale Behandlung bis hin zur Transplantation. Am „Leber Centrum Innsbruck“ ermöglicht eine fächerübergreifende Zusammenar- beit Diagnose, Therapie und Forschung auf höchstem Niveau. 15 Reinhard Würzner über das internationale Doktoratskolleg HOROS, das sich auf Infektionen bei geschwächter Auf Grund fehlender hormoneller Schutzmechanismen sind vor allem Männer von Leberkrebs betroffen – das Coverbild zeigt eine Zellkultur aus Gewebe eines Leberkarzi- Immunabwehr spezialisiert hat. noms eines 15-jährigen Kaukasiers. Bild: Georg Friedrich Vogel 16 18 Dominik Wolf forscht zur Tumorimmunologiesowie Durchblutungsstopp und Wiederdurchblutung sind Stress- an L eukämie-Erkrankungen und weiß, wo die Chancen faktoren für Transplantate. Bei den dadurch bedingten Ischä- und H erausforderungen in der Entwicklung innovativer mie-Reperfusionsschäden spielen Sauerstoffradikale eine Rolle. Krebsimmuntherapien liegen. Das Team um Jakob Troppmair will deren Produktion verhindern. Junge Forschung 20 Günter Weiss beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit 26 / Fabio Gsaller dem Eisenstoffwechsel, Antworten auf neue Fragen will er nun in einem eigenen Christian Doppler Labor finden. 22 Anfang der 1980er-Jahre brachte Christoph Huber die euesten Erkenntnisse der Stammzelltransplantation aus den n USA nach Tirol und wurde Innsbrucks erster Professor für Immunbiologie. 28 Junge Forschung: Fabio Gsaller sucht neue Behandlungsme- Rubriken thoden für Pilzinfektionen, die Neuroradiologin Astrid Grams Editorial/Impressum 3 | Preise & Auszeichnungen 6 faszinieren innovative bildgebende Verfahren. Im Detail: Neuro-Muskuläre Synapse 24 | Kurz & Gut 26 Coverfoto: Georg Friedrich Vogel 4 MED•INN 01 | 2018
Spotlights 30 36 / Martina Roilo und Ludger Hengst Lebensqualität: Wie Menschen mit ihrer Erkrankung, mit Be- handlung und genetischen Dispositionen umgehen, beschäftigt Barbara Sperner-Unterweger und Bernhard Holzner. 34 animalFree: Forschen möglichst ohne Tiermodelle ist ein Ziel der Medizinischen Universität Innsbruck. 36 Zellteilung: Martina Roilo zeigt erstmals, wie Zellteilungen bei Kälte verhindert werden. 38 39 Gender: Neue Icons machen Frauen sichtbarer und stellen Village: Forscherinnen und Forscher arbeiten an Unterstüt- erstmals Wissenschaftlerinnen und Ärztinnen dar. zungsmaßnahmen für Kinder psychisch erkrankter Eltern. 40 42 Interview: Vizerektor Peter Loidl über den drohenden Infrastruktur: Im Oktober 2019 nimmt in Innsbruck Öster- Mangel an Basisausbildungsplätzen, gestiegene reichs modernstes Lehr- und Lerngebäude seinen Betrieb auf. AbsolventInnenzahlen und die Notwendigkeit, auch im Medizinstudium Spezialisierungen einzuführen. 44 / Gerald Brandacher 44 ALUMNI im Porträt: Nach der Habilitation wollte Gerald Brandacher über den Tellerrand schauen und ging in die USA. Dort ist er geblieben und ist heute führender Forscher für rekonstruktive Transplantationschirurgie in Baltimore. 46 47 Sequenzierung: Die „third generation realtime sequencing“ ist Intensivmedizin: Wie akute Nierenschädigung auf der schnell, mobil und verspricht revolutionäre Möglichkeiten. Intensivstation richtig und zeitgerecht therapiert wird. 48 50 Wachter-Preis: Lukas A. Huber, Vorsitzender der Epidemiologie: Über den Zusammenhang von Restrisiko bei Ilse & Helmut Wachter Stiftung, über prominente Preisträger. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lipoprotein(a). Fotos: Medizinische Universität Innsbruck (1), Andreas Friedle (2), Georg Friedrich Vogel (1) 01 | 2018 MED•INN 5
Forschungspreis Otto-Kraupp-Preis Im Juni fand in Salzburg die Jah- Ende Mai wurde im Billrothhaus restagung der Österreichischen der Gesellschaft der Ärzte in Kardiologischen Gesellschaft mit Wien bereits zum 20. Mal der Beteiligung der Österreichischen Otto-Kraupp-Preis vergeben. Gesellschaft für Herzchirurgie Unter den drei besten Habilita- und thorakale Gefäßchirurgie tionen findet sich auch jene von statt. Die 34-jährige Herzchir- Isabel Heidegger-Pircher, in der urgin Julia Dumfarth wurde im sie sich dem häufigsten Tumor Rahmen des Kongresses mit des Mannes, dem Prostata- dem Hans-Heinz Khünl-Brady- karzinom, widmet. Die Urologin Preis ausgezeichnet. Aortener- Ausgezeichnetes Trio forscht an der Universitätsklinik krankungen und Herztransplan- für Urologie zur Entwicklung tationen stehen im Mittelpunkt Gottfried Baier (Zellgenetik, li.), Zlatko Trajanoski neuer Biomarker für die frühzei- der wissenschaftlichen und klini- (Bioinformatik, re.) und Andreas Villunger (Entwick- tige Erkennung von Prostatak- schen Arbeit der gebürtigen Lin- lungsimmunologie) haben Grund zur Freude: Die drei rebs wie auch zur Identifikation zerin, die an der Medizinischen Grundlagenforscher der Medizinischen Universität von Resistenzmechanismen Universität Innsbruck den Clini- Innsbruck erhielten einen Advanced Grant des Euro- neuartiger Therapien bei metas- cal PhD im Programm „Cardiova- päischen Forschungsrats (ERC). Damit fließen in den tasiertem Prostatakrebs scular Medicine“ absolvierte. nächsten fünf Jahren etwa 7,5 Millionen Euro an For- schungsförderung nach Tirol. Alle drei Wissenschaftler forschen auf dem Gebiet der Immuno-Onkologie, Baier gehört zu den Pionieren Gedächtnispreis der Krebsimmuntherapie. Mit seinem Forschungspro- jekt soll ein tiefer gehendes Verständnis für die mole- kularen Prozesse in Tumor- und Immunzellen während der Therapie erlangt werden: „Unser Tiroler Ansatz, der sich auf Immun-Checkpoints im Inneren von T-Lym- phozyten fokussiert, zielt darauf ab, die Entwicklung einer völlig neuen Klasse von Krebs-Immuntherapeu- tika zu ermöglichen.“ Krebsimmuntherapie bei Darmkrebs anwendbar zu Hautkrebszentrum machen, ist das Ziel von Trajanoski. Im Gegensatz zu anderen onkologischen Erkrankungen sprechen die Die Innsbrucker Universitäts- meisten Patientinnen und Patienten mit Darmkrebs klinik für Dermatologie, Vene- nicht auf die Krebsimmuntherapie an. Trajanoski und rologie & Allergologie ist zum Romana Gerner und Christoph sein Team möchten nun Avatare entwickeln, die vor- „Hautkrebszentrum mit Emp- Grander von der Universitätskli- hersagen, welche Kombination aus Immuntherapie fehlung der Deutschen Krebsge- nik für Innere Medizin I wurden und Standardtherapie bei bestimmten Patientinnen sellschaft e. V.“ ernannt worden. im Rahmen der 51. Jahresta- und Patienten wirken wird. Das unabhängige Institut „On- gung der Österreichischen Ge- Der programmierte Zelltod begleitet Villunger durch koZert“ betreut das Zertifizie- sellschaft für Gastroenterologie seine Forscherlaufbahn, unter anderem untersucht er rungssystem zur Überprüfung und Hepatologie (ÖGGH) im das Phänomen der Aneuploidie: Durch Fehler bei der von Organkrebszentren und Juni in Salzburg mit dem Fried- Zellteilung kommt es zu einer ungleichen Chromo- Onkologischen Zentren gemäß rich-Wewalka-Gedächtnispreis somen-Verteilung – ein Merkmal vieler Tumorzellen. den fachlichen Anforderungen. 2018 ausgezeichnet. Beide For- Dabei konnte Villungers Team die zentrale Rolle des Die Auszeichnung wurde für den schungsarbeiten bieten einen Tumorsuppressors p53 und des Protein-Komplex Zeitraum 2016-2020 zuerkannt. wichtigen Ansatz zur Entwick- „PIDDosome“ beschreiben, nun soll geklärt werden, ob Damit wurde bestätigt, dass die lung innovativer Therapien bei das PIDDosome ein relevantes Ziel für die Entwicklung PatientInnen in Innsbruck nach chronisch entzündlichen Darm- neuer Therapien zur Behandlung von Krebs oder zur den neuesten Erkenntnissen be- und Lebererkrankungen. Verwendung in der regenerativen Medizin ist. handelt werden. Fotos: Medizinische Universität Innsbruck / Florian Lechner (1), ÖGGH (1), Stefan Burghart (1) 6 MED•INN 01 | 2018
Ehrenmedaille Prämierte Talenteförderung Die Österreichische Gesellschaft Die Medizinische Universität Innsbruck und die Univer- für Kinder- und Jugendchirurgie sität Innsbruck erhielten den erstmals in Österreich ver- hat Josef Hager die Ehrenmit- liehenen „Nurturing Talents Prize“. Ausgezeichnet werden gliedschaft und Ehrenmedaille damit Institutionen, die für eine internationale Jury die verliehen. Der ehemalige Leiter überzeugendsten Konzepte für Mentoring-Aktivitäten der Innsbrucker Abteilung für im Hinblick auf den ERC (European Research Council) Kinder- und Jugendchirurgie er- haben. „An der Medizinischen Universität Innsbruck ver- Nachwuchsforscherin hielt die Auszeichnung für seine folgen wir ein Konzept zur Förderung von ERC-Anträgen, langjährigen Verdienste. Auch das auf folgenden drei Säulen beruht: finanzielle Anreize, Stephanie Mangesius absolviert nach seiner Pensionierung 2012 Training und Support sowie Infrastruktur. Dazu haben wir derzeit ihre Facharztausbildung engagierte sich Hager für die maßgeschneiderte Unterstützungsprogramme entwickelt, an der Uniklinik für Neuroradio- Weiterentwicklung seines Fa- die das Stellen von Anträgen erleichtern. Darüber hinaus logie. Für ihre wissenschaftliche ches. Über 9.500 kinder- und haben wir mit dem Neubau der Inneren Medizin Süd bei- Arbeit zur Verbesserung der Dia- jugendchirurgische Eingriffe aller spielsweise neue Forschungsverfügungsflächen, die so gnostik bei Parkinsonerkrankun- Schweregrade hat Josef Hager in eingerichtet sind, dass wir flexibel auf die Bedürfnisse von gen ist sie von der „Europäischen seinem langjährigen Berufsleben neuen ERC-Preisträgerinnen und -Preisträgern reagieren Gesellschaft für Neuroradiologie“ durchgeführt. können“, erklärte Rektor W. Wolfgang Fleischhacker an- (ESNR) ausgezeichnet worden. lässlich der Preisüberreichung. Die Medizinische Univer- Mangesius hat im Rahmen der sität Innsbruck war bei der letzten ERC-Advanced-Grants Jahrestagung in Rotterdam den Ausschreibung mit drei ausgezeichneten Forschern (siehe „ESNR 2018 Pioneers and Past MSA-Award Beitrag Seite 6) die erfolgreichste Universität in Österreich. Presidents Award“ in der Katego- Im Bereich Life Sciences lag die Medizinische Universität rie Diagnostische Neuroradiolo- Nadia Stefanova, Leiterin des La- Innsbruck damit gleichauf mit der Universität Oxford. gie verliehen bekommen. bors für experimentelle Neurode- generationsforschung, erhielt im Oktober 2018 den renommierten JiePie Schouppe Award 2018 Paul-Ehrlich-Preis für Innsbrucker Studierende der europäischen Patientenor- Die Innsbrucker Medizin-Studierenden Ursula Leuschner, Antonius Abousif, Filipp Soko- lovski, Felix Böhm und David Plappert (im Bild von links), tatkräftig unterstützt durch Nat- halie Scheiber, Julia Böhm und Christian Stiller und Teambetreuer Miar Ouaret, stellten sich im Juli 2018 gemeinsam mit 14 weiteren Teams von renommierten medizinischen Hochschulen aus dem deutschsprachigen Raum dem Paul-Ehrlich-Contest. Dabei geht es für die Studierenden darum, möglichst schnell und richtig Blickdiagnosen, Differentialdia- gnosen, Multiple-Choice-Fragen sowie praktische Aufgaben zu bewältigen. „Nach der er- folgreichen Vorrunde als Gruppenerster konnten wir uns im Finale dank einer durchgehend soliden Leistung als Sieger aufs Podest stellen“, berichtet Filipp Sokolovski . ganisation MSA-AMS für ihre herausragenden experimentellen Forschungen zur Multisystema- trophie. Die Parkinson ähnliche, rasch fortschreitende neurode- generative Erkrankung wird in Innsbruck vom Team um Gregor Wenning und Nadia Stefano- va seit mehr als zwanzig Jahren als eine von weltweit wenigen Forschungsgruppen intensiv er- forscht. Fotos: Robert Recker (1), Medizinische Universität Innsbruck (2) 01 | 2018 MED•INN 7
Wenn die Leber nicht mehr mitspielt Die Leber ist nicht nur Entgiftungszentrale, sie ist zentrales Stoffwechsel- sowie Speicherorgan und bedeutend für das Immunsystem. Die Behandlung von Lebererkrankungen, von Lebertumoren und Lebermetastasen ist daher komplex und erfordert fächerübergreifende Zusammenarbeit. Am „Leber Centrum Innsbruck“ ermöglicht solch eine reibungslose Kooperation verschiedener Disziplinen die Diagnose, Therapie und Forschung auf höchstem Niveau. Foto: Medizinische Universität Innsbruck / Florian Lechner 01 | 2018 MED•INN 9
A ls kleiner Bub, erzählt Dietmar Öf- wurden seit den 1970er-Jahren über 1.500 Leberzirrhose ner-Velano, sei er bei der ersten Lebern transplantiert, allein im Jahr 2016 Mondlandung begeistert vor dem waren es 81. Die Gründe für einen Austausch Eine Leberzirrhose entwickelt Fernseher gesessen. „Damals hat es: ‚Wir der Leber sind unterschiedlich, an erster Stelle sich durch den Umbau der Ar- chitektur des Lebergewebes – es haben den Weltraum erobert‘ geheißen“, er- steht, weiß der Internist Herbert Tilg, „in vie- bilden sich kleine Knoten, die von innert sich der Leiter der Innsbrucker Universi- len Ländern der Alkohol. Alkohol macht leber- derbem Bindegewebe umgeben tätsklinik für Visceral-, Transplantations- und krank. Er ist bei uns die Hauptursache einer sind. Im weiteren Verlauf wird die Thoraxchirurgie: „Es war eine Riesenleistung, Leberzirrhose – das schlägt sich durch bis zur Leber hart, das Blut aus dem Ma- gen-Darm-Trakt kann nicht mehr in Wirklichkeit hatten wir aber den Weltraum Transplantation.“ Durch das Hepatitis-C-Virus so gut durch die Leber abfließen. nicht einmal angekratzt.“ Ähnlich sei es in der (HCV) bedingte Lebererkrankungen als Trans- Dies führt zum Blutstau vor der Medizin, man könne heute zwar zu bestimm- plantationsursache gehen hingegen zurück. Leber und zu Folgeerscheinungen ten Zeitpunkten die Ausdehnung eines Tu- „Wir operieren heute die Patientinnen und wie Ausbildung von Krampfadern in der Speiseröhre oder Bauch- mors exakt bestimmen, über das biologische Patienten, die sich vor 20, 30 Jahren infiziert wassersucht. Hauptursachen ei- Verhalten – Warum wächst ein Tumor lang- haben“, sagt Tilg, Leiter der Universitätsklinik ner Leberzirrhose sind in Europa sam, der andere schnell? Warum streut ein für Innere Medizin I. Unbehandelt führt eine meistens übermäßiger Alkohol- Tumor, der andere nicht? – „wissen wir wenig“. HCV-Infektion zu Leberzirrhose und mit hoher konsum oder eine chronische Le- berentzündung (Virushepatitis). Natürlich komme man auch in der Medizin Wahrscheinlichkeit zu Leberkrebs – sie zählt immer weiter, man könne sehr gut helfen, den damit zu den tödlichsten Viruserkrankungen 1 Weltraum habe man aber noch nicht erobert: weltweit. Die mit starken Nebenwirkungen „Vielleicht sind wir, bildlich gesprochen, inzwi- behafteten Interferon-Therapien wurden schen am Mars.“ Für einen weiteren Schritt in inzwischen von neuen Medikamenten, so- den – medizinischen – Weltraum sind an der genannten DAAs (directly acting antiviral Medizinischen Universität Innsbruck nun die agents), abgelöst. Seit 2013 werden sie auch besten Voraussetzungen gegeben: Als eines in Innsbruck angeboten. 2 der ersten Leberzentren weltweit ging in Tirol im Jahr 2018 ein neues Gerät für Lebertrans- „HEPATITIS C ist die erste chronische Virus plantationen in Betrieb. Und das Gerät, da sind infektion, die wir durch medikamentöse Be- sich Öfner-Velano und seine Kollegen einig, handlung heilen können“, erläutert Heinz Zol- hat das Potenzial, die Transplantationsmedizin ler, Leiter des Hepatologischen Labors an der 1: Histologischer Befund einer Zirrho- zu revolutionieren. Universitätsklinik für Innere Medizin I. Insofern se mit Bindegewebssepten (blau) War die erste erfolgreiche Lebertransplan- sei das global ausgerufene Gesundheitsziel 2: regulär konfigurierte Leber mit einem einzelnen Entzündungsherd tation durch den US-Amerikaner Thomas der WHO, Hepatitis C bis 2030 zu eliminieren, (rundliche Struktur rechts neben der Starzl im Jahr 1967 noch eine globale Sen- in Tirol durchaus umsetzbar. „Elimination be- Bildmitte oben) aber ansonsten un- sation, die erste in Innsbruck durch Raimund deutet in diesem Fall nicht ein Verschwinden auffälliger Leberstruktur ohne Fibrose Margreiter im Jahr 1977 noch eine Pionier- wie bei Kinderlähmung oder Pocken, sondern leistung, „ist die Lebertransplantation“, so Öf- eine Reduktion der Mortalität und Neuinfek- ner-Velano, „inzwischen Routine.“ In Innsbruck tion nach genauen Vorgaben“, präzisiert Zoller Herbert Tilg, Heinz Zoller (v.li.): Ziel, Hepatitis C bis 2030 in Tirol zu eliminieren. 10 MED•INN 01 | 2018
das WHO-Ziel, der – basierend auf Daten des Hepatologischen Labors – in einer epidemio- logischen Modellrechnung zeigen konnte, wie es „durch das Schaffen von Gesundheitsbe- wusstsein, das Unterbrechen von Infektions- wegen und die Behandlung von Neuinfek- tionen“ erreicht werden kann. Rund 2.000 HCV-Infizierte leben derzeit in Tirol, „mit einer gestiegenen Diagnoserate könnten in Tirol 1.254 Neuinfektionen bis zum Jahr 2030 und damit auch 150 neue Leberzirrhosen vermie- den werden“, prognostiziert Zoller. Pläne für Datenerfassung, Therapiedokumentation, Er- höhung der Diagnose- und Behandlungsrate bei Risikogruppen liegen vor. „Mit Partnern Werner Jaschke: „Bildgebende Verfahren unterstützen wird an der Konkretisierung und Umsetzung Diagnose, Behandlung und Therapie.“ dieser Pläne gearbeitet“, berichtet Tilg. Hat man bei Hepatitis C „den mühsamen können wir Tumore ab einer Größe von ein bis Weg bis zur sensationellen Therapie“ schon zwei Zentimeter“. Computertomografie (CT) hinter sich, steht bei Hepatitis E noch viel For- und Magnetresonanztomografie (MRT) eröff- schungsarbeit bevor. Anfangs hauptsächlich neten dabei neue Einsichten, „vor 30 Jahren“, sRFA-Methode im asiatischen Raum verortet, mehrten sich erinnert sich Jaschke, „war die Möglichkeit, in den letzten Jahren HEV-Fälle in Europa. einen Leberzelltumor nachzuweisen, relativ Mit einer eigens entwickelten Metho- „Rund 40 Prozent der Bevölkerung hatten begrenzt.“ Während man beim CT die erhöh- de – der stereotaktischen Radiofre- Kontakt mit dem Virus, die meisten spüren es te arterielle Durchblutung des Tumors nutzt quenzablation (sRFA) – operieren an der Innsbrucker Uniklinik für Radiolo- nicht. Wenn aber, kann es zu schwerwiegen- (Jaschke: „Ab der Größe von einem Zentimeter gie Ärztinnen und Ärzte rund um Reto den Verläufen kommen, die nicht nur die Leber steigt die Durchblutung durch die Leberarte- Bale unter anderem Lebertumoren. betreffen, sondern auch zu neurologischen rie dramatisch an.“), greift man beim MRT auf Die sRFA ermöglicht unter der Ver- Erkrankungen führen“, sagt Tilg, der auf einen Kontrastmittel zurück, die sich in Leberzellen wendung stereotaktischer Steue- weiteren Risikofaktor verweist: die nicht-alko- anreichern, in Tumorzellen der Leber hingegen rungshilfen eine punktgenaue Zerstö- rung des Tumorgewebes mittels Hitze holische Fettleber. „Die Erkrankung korreliert nicht. Die Arbeit der Innsbrucker Radiologen (60 bis 100 Grad Celsius), der Tumor mit der Zunahme an Übergewicht, Adipositas beschränkt sich aber nicht nur auf Kontrolle wird quasi verkocht. Dafür werden und Diabetes II, ist daher global betrachtet ein und Diagnose, neben der in Innsbruck ent- Nadeln präzise in den Tumor einge- großes Problem“, so Tilg. Besonders proble- wickelten stereotaktischen Radiofrequenz bracht. Die Lokalisation erfolgt mit matisch sei, dass eine nicht-alkoholische Fett- ablation (siehe rechts) kommen auch andere Unterstützung von aktuellen CT-Auf- nahmen. Nach dem minimalinvasiven leber direkt einen Leberzelltumor entwickeln Methoden für die lokale Behandlung von Le- Eingriff verbleiben nur kleine Narben, kann: „Dafür haben wir keine Screening-Mög- berkrebs bzw. -metastasen zum Einsatz. Bei die Patientinnen und Patienten kön- lichkeit.“ einer Selektiven Internen Radiotherapie (SIRT) nen im Schnitt nach ein bis vier Tagen etwa werden radioaktive Mikropartikel in den das Krankenhaus wieder verlassen. LEBERKREBS (hepatozelluläres Karzinom, Bereich des Tumors eingebracht, um ihn „von Mehr zur sRFA lesen Sie in MED•INN 02/2016. HCC) macht rund neun Prozent aller Krebs Innen“ zu zerstören. „Angewandt wird die Me- erkrankungen aus und ist weltweit die zweit- thode derzeit nur bei Fällen mit einem fortge- häufigste krebsbezogene Todesursache, schrittenen Tumor, der in die Pfortader einge- Hauptrisikofaktor ist eine Leberzirrhose, „die wachsen ist“, schränkt Jaschke den Einsatz bei uns meistens die Folge einer ernährungs- von SIRT ein. Bei Patientinnen und Patienten, bedingten Fettlebererkrankung oder einer die auf eine Spenderleber warten, setzt man Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Infektion ist“, auf die Chemoembolisationstherapie. Dabei erläutert Werner Jaschke, Direktor der Inns- werden über einen feinen Katheter Chemo- brucker Universitätsklinik für Radiologie. Pati- therapeutika genau zum Tumor gebracht, die entinnen und Patienten mit Leberzirrhose wer- einerseits die arterielle Durchblutung dros- den daher mittels bildgebenden Verfahren in seln, andererseits gezielt Tumorzellen zerstö- einjährigen Abständen überwacht, „erkennen ren. „Zu dieser Behandlung als Überbrückung Fotos: Andreas Friedle (3), Heinz Zoller (2) 01 | 2018 MED•INN 11
Neue Methoden der Leberchirurgie Im Bereich der Leberchirurgie gehört Innsbruck zu den international renommier- testen Zentren. Ein Grund, wieso ein Workshop „Hands on Course on Liver Sur- gery“ der Europäischen Gesellschaft für chirurgische Onkologie (ESSO) erstmals an der Medizinischen Universität Innsbruck stattfand. Über 20 Chirurginnen und Chirurgen aus 15 verschiedenen Ländern fanden sich Ende April in Innsbruck ein, um von zehn internationalen und lokalen Experten unter realen Bedingungen neueste Methoden der Leberchirurgie zu erfahren. „Dieser Kurs ist ein praktischer Workshop über die chirurgische Anatomie sowie operative und interventionelle Techniken zur gezielten Entfernung von Lebertumoren. Er konzentriert sich auf ein Verständnis der funktionellen Leberanatomie und chirurgisch/technische As- pekte, die für Leberchirurgen und -chirurginnen notwendig sind. Darüber hinaus werden operativ relevante Lebererkrankungen, Diagnostik, perioperatives Ma- nagement und radiologische Interventionen bei Lebererkrankungen in einer evi- denzbasierten und multidisziplinären Umgebung diskutiert“, erklärt Stefan Stättner, Leitender Oberarzt an der Uniklinik für Viszeral, Transplantation- und Thoraxchirurgie, der sich dafür eingesetzt hat, dass der Kurs in Inns- bruck stattfinden kann. Fotos: Medizinische Universität Innsbruck / Florian Lechner 12 MED•INN 01 | 2018
„Das Metastasenregister wäre eine Win-Win-Sitution für alle.“ Dietmar Öfner-Velano besprochen werden, um dann „wie in einem Tumorboard vor Ort zu entscheiden, welche Behandlung wo durchgeführt wird“. Verwaltet werden alle Fälle in einem zentralen Register, was wiederum die Möglichkeit für umfassende Versorgungsforschung bietet. Für Öfner-Vela- no eröffnet das beantragte Metastasenregister eine Win-Win-Situation: Patientinnen und Pa- tienten erhalten in der Peripherie die bestmög- liche Behandlung, die Medizinische Universität Innsbruck bekommt Zugang zu Daten fürs wissenschaftliche Arbeiten. Nicht Leberresektion, sondern Lebertrans- plantation ist die Behandlung bei einer Gal- Innsbrucker lengangatresie, einer Fehlbildung der Gal- Transplantationen lengänge außerhalb der Leber. „Die Leber zur Transplantation konnten wir maßgebliche arbeitet und produziert Galle. Aufgrund der Die Geschichte der Innsbrucker Arbeiten publizieren, die zur Etablierung des Fehlbildung kann die Gallenfüssigkeit nicht in Transplantationschirurgie ist den Darm gelangen, sie staut sich in den Le- untrennbar mit dem Namen Rai- Verfahrens beigetragen haben“, berichtet mund Margreiter verbunden. Der Jaschke. berzellen und ist dort stark giftig. Das führt in Zillertaler studierte in Innsbruck wenigen Monaten zum Vollbild einer Leber- von 1959 bis 1965 Medizin. BEHANDLUNG, besser gesagt Vorbehand- zirrhose“, erklärt Thomas Müller, Direktor der 1967 wurde er Assistent an der Universitätsklinik für Pädiatrie I, die angebore- Universitätsklinik für Chirurgie, lung, ist auch für Dietmar Öfner-Velano ein nach Facharztausbildung (1972) entscheidender Faktor, wenn es um die chi- ne Erkrankung, die eine Lebertransplantation und Habilitation (1980) wurde rurgische Entfernung von Lebermetastasen im Kleinkindalter notwendig macht. In Frage er 1999 Vorstand der Universi- geht. „Ein kolorektales Karzinom mit Leber- kommt dabei eine Lebendspende – ein naher tätsklinik für Chirurgie. Der ers- Angehöriger spendet einen Teil seiner Leber, ten Nierentransplantation (1974) metastasen haben vor 15, 20 Jahren nur we- folgte eine Lebertransplantation nige Prozent der Betroffenen fünf Jahre und in den meisten Fällen Segment II und III des (1977). Als erster in Österreich mehr überlebt. Heute sind es 50 Prozent, linken Leberlappens, der über die Jahre wieder gelang ihm eine Transplantation wenn wir in Kombination mit antitumorö- nachwächst. „Innsbruck ist das einzige Zent- von Nieren und Pankreas (1978), sen medikamentösen Therapien operieren rum in Österreich, das diese Lebendspenden des Herzens (1983), von Lunge und Herz (1985), der Doppel- können“, berichtet der Chirurg. Technisch sei anbietet“, berichtet Müller. lunge (1987), des Darms (1990), vieles machbar, begrenzend sei aber, „wie Rund zehn solcher Transplantationenwer der Inselzellen (1990) und der viel nicht befallene Leber nach dem operati- den pro Jahr in Innsbruck durchgeführt, das Hände (2000). Weltweiter Pio- ven Eingriff übrigbleibt“. Das Ziel ist es daher, Zehn-Jahre-Überleben, weiß Transplanta nier war er mit der kombinierten Leber-Nieren-Transplantation mit Vorbehandlung nicht-operable Tumoren tionschirurg Stefan Schneeberger, liegt bei (1983) sowie der Multiviszer- operabel zu machen. „Dabei gibt es unzählige deutlich über 90 Prozent: „Der limitierende altransplantation (1989). Möglichkeiten. Am Leber Centrum Innsbruck Faktor ist die Größe, selbst ein kleiner Teil der haben wir viel Expertise und können die beste Leber eines Erwachsenen kann für ein Klein- Variante für die Betroffenen aussuchen“, sagt kind zu groß sein.“ Unterstützung holen sich Öfner-Velano. Diese Expertise noch mehr – vor die Chirurgen dafür von der Radiologie, via allem vernetzter – nutzen will der Mediziner CT-Bilder wird die Gefäßanatomie abgeklärt, mit Hilfe eines Metastasenregisters für die das Volumen des Spenderteils genau berech- Bezirkskrankenhäuser in Nord- und Osttirol net und mit dem Empfänger verglichen. „Es sowie Vorarlberg. In diesem „intradisziplinären muss ja in den Körper des Kindes passen“, Tumorboard“ sollen alle Fälle von Leberzell- erläutert Werner Jaschke. Die Bildgebung tumor bzw. Lebermetastasen via Telemedizin kommt aber generell vor Lebertransplanta- Fotos: Andreas Friedle (2) 01 | 2018 MED•INN 13
ler Funktionsfähigkeit am Leben erhalten. Die- se neue Form der Zwischenlagerung bietet für Schneeberger mehrere Vorteile: Die Funktion der Spenderleber kann im Detail überprüft werden, was auch die Transplantation älterer Spenderorgane erlauben wird; die dadurch er- höhte Zahl an Spenderlebern ermöglicht mehr Transplantationen; die gewonnene Zeit kann für eine bessere Vorbereitung der Organemp- fänger genutzt werden; Transplantationen werden planbarer, die Operationstermine kön- nen den Arbeitszeiten entsprechend festge- legt werden. Insgesamt rechnet Schneeberger damit, dass von Metra in einem zukünftigen Revolutionäre Technik tionen zum Einsatz. „Die Gefäßanatomie, die Standardbetrieb „rund 50 Prozent der Spen- wir im Lehrbuch lernen, kommt nur in rund 50 derlebern profitieren würden“. „Metra“ erzeugt für die Spenderleber Prozent der Fällen vor. Alle anderen habe eine Der Forscher denkt aber schon weiter. In ein ähnliches Umfeld wie im Körper. einer Studie will er mit seinem Team untersu- abweichende Anatomie“, weiß der Radiologe. Die sogenannte „Ex-vivo-Perfusion“ erfolgt auf Körpertemperatur. Es wird In den letzten Jahrzehnten hat sich Inns- chen, wie sich die Leber über einen längeren keine künstliche Flüssigkeit, sondern bruck zu einem der größten Transplantati- Zeitraum außerhalb des Körpers verhält. Mit Blut verwendet, sobald die Leber an onszentren Europas entwickelt, 2016 wurden molekularbiologischen und bioenergetischen Metra angeschlossen ist, funktioniert mehr als die Hälfte der Lebertransplantationen Untersuchungen sowie Vitabilitätsmessun- sie wie im Körper: Sie produziert Gal- Österreichs in Tirol durchgeführt, bezüglich gen mache sich ein vollkommen neues Gebiet le, verstoffwechselt Glucose und be- hält ihren physiologischen pH-Wert. der Überlebensraten „liegen wir im guten glo- auf: Was passiert im Organ von selbst? Re- Metra ermöglicht damit auch eine balen Schnitt, obwohl wir auch viele schwieri- generiert es? Benötigt es dafür Zusatzstoffe Qualitätskontrolle über die Funktion ge Fälle transplantieren“, erklärt Schneeberger, oder nicht? Wo kann man therapeutisch an- der Leber. Geplant sind auch Studien, der das Innsbrucker Transplantationszentrum setzen? Schneebergers Überlegung ist eine um die Leber länger als 24 Stunden leitet. Mit dem Leber Centrum Innsbruck wird „Organtherapie außerhalb des Körpers“, seine aufbewahren zu können bzw. die Le- ber zu regenerieren. „Das ist das Fas- dieses Know-how mit anderem Wissen über Vision die Transplantation von Organen nicht zinierende an der Technologie“, erklärt Erkrankungen der menschlichen Entgiftungs- nur von Hirntoten, sondern auch von Verstor- der Transplantationschirurg Stefan zentrale verknüpft, um modernste Therapien benen. „Jeder, der verstirbt, könnte als Organ- Schneeberger: „Mit ihr gelingt der anzubieten und die Forschung voranzutreiben spender zur Verfügung stehen, wenn nicht das Brückenschlag zwischen Tissue En- – ein wichtiges neues Instrument dabei ist die Organsterben so schnell fortschreiten würde. geneering, also dem Züchten neuer Organe, und unserem Ansatz, subop- „Metra“, ein Gerät zur normothermen Maschi- Angenommen, wir können Organe reparieren, timale Organe zu optimiren.“ nenperfusion. öffnet sich ein vollkommen neues Fenster: „Mit Maschinenperfusion gehen wir weg Organ entnehmen, konditionieren, regenerie- von der Situation, in der wir ein Organ nur ren und transplantieren“, blickt Schneeberger lagern, hin zu einem System, mit dem man in die Zukunft. ah ¶ Organe außerhalb des Körpers behandeln und mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen kann“, beschreibt Schneeberger die Maschine, die seine Kollegin Annemarie Weißenbacher als „Intensivstation für die Leber“ bezeichnet. Metra ermöglicht eine Zwischenlagerung der Leber, für – derzeit zugelassene – 24 Stunden wird das Organ bei Körpertemperatur und vol- „Wir sind das einzige Zentrum in Österreich, das Leber-Lebendspenden für Kinder anbietet.“ Thomas Müller Fotos: Andreas Friedle (2), Florian Lechner 14 MED•INN 01 | 2018
Mit Nähe zur Klinik Koordinator Reinhard Würzner über das internationale Doktoratskolleg HOROS, das sich auf Infektionen bei geschwächter Immunabwehr spezialisiert hat. Das Doktoratskolleg HOROS wurde Ende 2017 positiv evaluiert und geht in die zweite Runde. Wie ist Ihre persönliche Bilanz? REINHARD WÜRZNER: Wir waren sehr er- folgreich und konnten das umsetzen, was wir uns vorgenommen haben, die Internationali- tät insbesondere. Auch die Studierenden sind sehr gut zusammengewachsen. Sie können für sich agieren und müssen nicht immer den Umweg über uns ProfessorInnen gehen. HOROS steht für „Host Response in opportuni stic infections“ – was heißt das für die inhalt liche Ausrichtung des Kollegs ? WÜRZNER: Wir schauen uns eine Situation an, die es vor rund 50 Jahren noch gar nicht gab – die Reaktion eines immunsupprimier- Wie kommen Studierende ins Kolleg? StudiumFakten ten Immunsystems z.B. nach Transplantation. WÜRZNER: Über eine internationale Aus- Das Doktoratsprogramm HOROS In der Regel ist es so, dass das Immunsystem schreibung. In Abständen werden die offenen („Host Response in opportunistic – auch wenn der Mensch „schlecht drauf“ ist Stellen bekannt gemacht, innerhalb von vier infections“) unterstützt den For – so gut funktioniert, um nicht an bestimm- Wochen müssen die Bewerbungen hier sein. schungsschwerpunkt „Infektion, ten Pilzen wie z.B. Candida oder Aspergillus Für jede Stelle wählen wir zwei Bewerbungen Immunität und Transplantation“ der Medizinischen Universität zu erkranken. Jeder von uns atmet 30 bis 50 aus, laden sie ein und wählen nach Qualität Innsbruck. Die sieben klinischen Sporen pro Tag ein, sie werden vom Immun- aus. Das passiert innerhalb von zwei Tagen, ein und präklinischen Arbeitsgrup- system bekämpft. Es gibt aber immunsup- Vorstellungsgespräch, eine Laborführung und pen widmen sich verschiedenen pressive Zustände – eben nach Transplan- ein Abendessen mit den bisherigen Studieren- Aspekten der Wirt-Pathogen-In- tation –, wo vielleicht drei, vier Keime nicht den, auch um zu schauen, wie die Neuen in die teraktion. Markenzeichen von HOROS sind einerseits die patien- abgetötet und zur Gefahr werden. Arbeitsgruppen passen würden. Entspricht tennahe Forschung, andererseits Wer profitierte bisher vom Kolleg? keiner der zwei und ein anderer Faculty-Mem- das Anliegen, den Studierenden WÜRZNER: Insgesamt rund 50 Studierende. ber hat zwei phantastische Bewerber, schlägt aus fünf Kontinenten relevante Es gibt sieben HOROS-Studierende, die über man einem davon dies Projekt vor. Kenntnisse zum wirtschaftlichen die FWF-Förderung eine Stelle, Forschungs- Trotz Fokus auf Grundlagenforschung ist das Nutzen von Forschungserkennt- nissen zu vermitteln. Ende 2017 mittel, die Möglichkeit eines halben Auslands- Kolleg sehr nah an der Klinik. Absicht? wurde HOROS evaluiert und vom jahrs und im Anschluss ein viertes Studienjahr WÜRZNER: Auf jeden Fall, die Kollegs sind FWF für eine letzte Verlängerung bekommen. Im Schnitt kann jeder Faculty- österreichweit grundlagenorientiert, auch an empfohlen. Member noch zwei weitere Studierende Medizinischen Universitäten sind Mediziner aufnehmen. Diesen „Associated students“ wie ich als Sprecher die Ausnahme. Wir haben werden die Stellen über andere Förderungen in der Faculty Mediziner wie Günter Weiss, die finanziert, sie können drei Monate im Aus- mit Patientinnen und Patienten arbeiten, oder land und einige Monate länger studieren. Alle solche wie Cornelia Lass-Flörl und mich, die durchlaufen ein Lernprogramm, das auch den mittelbar mit ihnen befasst sind: Wir analysie- Studierenden des PhD-Programms „Infection, ren jeden Tag Proben von Patientinnen und Pa- Immunity and Transplantation“ offen steht – tienten und versuchen herauszufinden, welche daher die große Zahl der Profitierenden. Infektionen dahinterstecken. ah ¶ Foto: Andreas Friedle 01 | 2018 MED•INN 15
Wohin geht die Reise? In der modernen Krebsforschung und -therapie ist die Immunonkologie nicht mehr wegzudenken. Dominik Wolf forscht seit vielen Jahren zur Tumorimmunologieund an Leukämie-Erkrankungen und weiß, wo die Chancen und Herausforderungen in der Entwicklung innovativer Krebsimmuntherapien liegen. Worin liegt die Synergie von Immunologie und Die Immuntherapie wird klassische Therapie Onkologie? formen also nicht verdrängen? DOMINIK WOLF: In den letzten Jahren wurde WOLF: Die Immuntherapie ist eine Ergänzung intensiv daran geforscht, wie das Immunsys- und Chemo- und Strahlentherapien werden tem Krebszellen erkennen kann und wie sich nicht abgelöst, im Gegenteil. Es ist sehr wich- Tumoren dem Zugriff des Immunsystems ent- tig, dass wir die Strahlentherapeuten und die ziehen. Aus diesen Erkenntnissen konnte man Entwickler von verbesserten Chemotherapeu- neue Therapieansätze entwickeln, die heute tika und „Targeted Drugs“ dabei unterstützen, schon als zugelassene Medikamente, oft als ihr Wissen mit dem der Immunologie zu ver- Einzeltherapie im Einsatz sind. Dies war aber weben. Die Immunonkologie stellt also neben nur der erste Schritt. Wir wissen heute auch, den klassischen Therapien die nächste große dass es sehr viele interessante Kombinationen Therapiesäule von Krebs dar, die gerade eben gibt, um das Immunsystem noch „schärfer“ zu durch die Vergabe des Medizin-Nobelpreises machen, etwa indem man die klassische Strah- an die Krebsforscher James Allison und Tasuku len- oder Chemotherapie und neue Therapie- Honjo bestätigt wird. formen, die das Gefäßsystem attackieren, mit Neues immunologisches Wissen wird also die immunaktivierenden Therapien kombiniert. immunonkologische Forschung vorantreiben? 16 MED•INN 01 | 2018
WOLF: Natürlich. Wir müssen verstehen, allem bei hämatologischen Erkrankungen wie warum das Immunsystem bei Krebskran- Lymphomen oder Leukämien eingesetzt wird, ken nicht ausreichend funktioniert. Einer sind wir verblüfft. Dabei werden körpereigene der bekanntesten aktiven Mechanismen ist Immunzellen genetisch verändert, indem man beispielsweise, dass Krebszellen an ihrer sie mit einem chimären Antigenrezeptor aus- Oberfläche Antennen haben – sogenannte stattet. Das Problem dabei: Die Therapie ist Immun-Checkpoints –, die Immunzellen in hochaufwendig und kostenintensiv. Wir müs- deren Aktivierung hemmen. Heute können sen Modelle diskutieren, wie diese Kosten wir diesen negativen Einfluss auf die Immun- aufgeteilt werden können, damit PatientInnen zellen im Tumor mithilfe von blockierenden Zugang zu diesen Therapien bekommen. Antikörpern aufheben, was jedoch nur einem Vor diesem Hintergrund müssten solche The Teil der PatientInnen hilft. Wir beginnen jetzt rapien also möglichst zielgerichtet sein? gerade zu verstehen, warum viele PatientIn- WOLF: Richtig. Wir müssen unbedingt bes- nen nicht profitieren, um daraus die nächste sere Prädiktoren für den Erfolg von sehr Generation verbesserter Immuntherapeutika teuren Immuntherapien finden. Zudem zu entwickeln. Innsbruck ist ein Ort mit ei- muss eine Kostensenkung durch optimierte ner ausgewiesenen Expertise in vielen dieser Herstellungsbedingungen für CAR-T-Zellen Bereiche und Vernetzung ist essenziell für möglich sein, beispielsweise auch durch die die zukünftige Immuntherapie-Entwicklung. lokale Produktion an den akademischen Zen- Ich spreche hier von Wissenschaftlern wie tren. Wir haben ja hier in Innsbruck mit dem Gottfried Baier, der sich mit Immun-Check- Neubau Innere Medizin Süd und den dort points beschäftigt, oder Zlatko Trajanoski, angesiedelten Facilities für Good Manufac- der als Bioinformatiker sehr viele komplexe turing Practice die Möglichkeit einer lokalen Tools zur Vorhersagewahrscheinlichkeit auf Produktion. Immuntherapien entwickelt. Ich spreche aber Sie sehen hier also gute Rahmenbedingungen auch von Klinikern und Wissenschaftlern wie für die immunonkologische Forschung und Kli Herbert Tilg und Alexander Moschen, die nik? sich intensiv mit dem Darm-Mikrobiom und WOLF: Absolut. Einer unserer Forschungs- Dominik Wolf Darmkrebs beschäftigen. Niemand hätte vor schwerpunkte ist die Mikroumgebung des Dominik Wolf (*1972) studierte an Jahren gedacht, dass die bakterielle Darm- Tumors. Wir wollen die Immunonkologie eng der Universität Erlangen-Nürnberg besiedelung mit der Ansprech-Wahrschein- mit der Angiogeneseforschung vernetzten. Medizin und schloss sein Doktorat lichkeit auf Immuntherapeutika assoziiert ist. Mit Andreas Pircher haben wir einen Forscher „summa cum laude“ ab. Nach sei- Auch die Klinik für Innere Medizin V wird in an der Klinik, der gerade aus einem der be- ner Ausbildung zum Internisten an der Medizinischen Universität Inns- enger Kooperation mit MUI-Partnern durch deutendsten Angiogenese-Labors in Leuven bruck, wo er sich 2008 für das Fach die Erforschung der Krebsumgebung – des retour gekommen ist und hohe Expertise Innere Medizin habilitierte (Additiv- Microenvironments – zur Optimierung von in diesem Feld hat. Wir wollen die Rolle des fach Hämatologie und Internistische Krebs-Immuntherapien beitragen können. Gefäßsystems in der Regulation des Immun- Onkologie) folgte er 2011 dem Ruf der Universitätsklinik Bonn auf die Haben Sie die Chancen immunaktivierender systems besser verstehen, weil wir wissen, Professur für Tumorimmunologie Therapien von Beginn an gesehen? dass die Immunzellen über die Gefäße in den und als Stellvertretender Klinikdi- WOLF: Ich bin von der Entwicklung der letz- Tumor hineinkommen und der Tumor damit rektor der Medizinischen Klinik 3 für ten fünf Jahre schon überrascht. Ein relativ ein immunprivilegiertes Organ ist. Auch der Onkologie, Hämatologie, Immunon- kologie und Rheumatologie. Seine einfacher Ansatz, nämlich der Einsatz eines Embryo ist in diesem Zusammenhang eine Forschungsschwerpunkte liegen auf Checkpoint-Antikörpers, etwa in der Erst- interessante Konstellation, denn er hat ein der Immunregulation bei Krebs und linientherapie bei einer bestimmten Unter- hohes Maß an Fremdheit und wird trotzdem Transplantation und der Entzündung gruppe von Lungenkrebs, wirkte besser als nicht abgestoßen. Gottfried Baier arbeitet bei Myeloischen Erkrankungen. Kli- nisch fokussiert sich Wolf auf die Im- die Chemotherapie – das hätte ich nicht für etwa an der immunologischen Funktion der munonkologie, Myeloische Neoplasi- möglich gehalten. Heute ist die Immunthe- Plazenta. Innsbruck ist jedenfalls ein toller en (Akute Leukämie und MPN) und rapie nicht nur in den Universitätskliniken, Platz, um gerade diese komplexe Forschung die Stammzell-Transplantation. Der sondern auch in den Versorgungshäusern so zu betreiben, dass wir unsere nationale mehrfach ausgezeichnete Mediziner leitet seit Oktober 2018 die Univer- im Alltag angekommen. Aber auch von der und internationale Sichtbarkeit verstärken sitätsklinik für Innere V (Hämatologie Effizienz der sogenannten CAR-T-Zellen, ei- können. Das geht eben am besten in koope- und internistische Onkologie) in Inns- ner hochinnovativen Therapieform, die vor rativen Forschungsnetzwerken. hei¶ bruck. Foto: Medizinische Universität Innsbruck / Florian Lechner 01 | 2018 MED•INN 17
Auf radikalen Wegen Durchblutungsstopp und Wiederdurchblutung sind Stressfaktoren für Transplantate. Bei den dadurch bedingten Ischämie-Reperfusionsschäden spielen Sauerstoffradikale eine entscheidende Rolle. Das Team um Jakob Troppmair will deren Produktion verhindern. E s ist der Zeitpunkt der Radikalen. massiven Produktion von Sauerstoffradika- Der Moment, in dem während einer len einher. Diese „reactive oxygen species“ Transplantation erstmals Empfänger- (ROS) entstehen in den Mitochondrien als blut ein Spenderorgan durchströmt. Dieser Nebenprodukt der Zellatmung und gelten als lebensnotwendige Prozess geht mit einer „böse Buben“ unseres Organismus, werden 18 MED•INN 01 | 2018
sie doch mit Zellalterung, Krebs, Parkinson bilder, einschließlich Ischämie-Reperfusi- und Alzheimer in Verbindung gebracht. „In onsschaden, wesentlich schwächer ausfal- einer gewissen Menge benötigt unser Kör- len. „Das Hemmen von p66Shc dürfte eine per Sauerstoffradikale, zu viele ROS können Schutzfunktion haben“, glaubt Troppmair, aber Eiweiße, Fette oder DNA schädigen. Bei der sich in seiner Arbeit auf die Aktivierung einer Transplantation führt das zu einer Ver- des Proteins während der Reperfusion kon- schlechterung der Organfunktion“, berichtet zentriert: „Wir konnten entsprechende Sig- Daniel Swarovski Jakob Troppmair, Leiter des Daniel Swarovski nalwege identifizieren.“ Eine wichtige Rolle Forschungslabor Forschungslabors an der Medizinischen Uni- spielen dabei die Kinasen PKC-beta und versität Innsbruck. Bei einer Niere kann dies JNK1/2, deren Ausschalten eine Aktivierung Das Daniel Swarovski Forschungsla- die Folge haben, dass das transplantierte von p 66Shcverhindert und für die es – als bor der Universitätsklinik für Visze- potenzielles Target für ein therapeutisches ral-, Transplantation- und Thoraxchi- Organ eine Dialyse benötigt, um sich zu er- rurgie wurde 1993 von Raimund holen, „aber auch dauerhafte Schäden sind Eingreifen – . schon Hemmer gibt. Für ein an- Margreiter gegründet, um der klini- möglich“. Das Problem solcher Schädigungen deres Protein – die Kinase p38 – gelang den schen Spitzenmedizin eine entspre- sei schon länger bekannt, sagt Tropp mair, Innsbrucker Forschern der Nachweis, dass chende Grundlagenforschung im wirkliche Lösungsansätze gebe es aber noch deren Hemmung zu wesentlichen funktionel- Bereich der Transplantationsbiologie len Verbesserungen der Nierenfunktion nach gegenüber zu stellen. Forschungs- keine. Mit seinem Team sucht der Zellbiologe schwerpunkte des Labors sind Fra- nach solchen Lösungsansätzen, das spezielle Ischämie und Reperfusion führt. Für seine gestellungen aus dem Bereich der Interesse gilt Faktoren, „die ROS-Bildung re- weitere Forschungsarbeit hofft Jakob Tropp- Transplantationsmedizin, Wundhei- gulieren.“ mair auch auf Metra, die „Konservierungs- lung und Molekularen Onkologie. maschine“ für Spenderlebern (siehe Seite „Mit den Kolleginnen und Kollegen 14), „dort können wir untersuchen, ob unsere der Viszeral-, Transplantations- und IM LAUFE EINER Transplantation besteht Thoraxchirurgie verbindet uns eine für ein Organ gleich zweimal Gefahr. Zuerst Beobachtungen aus Zell- und Tiermodellen kongeniale Partnerschaft“, betont ist das zu transplantierende Organ einem auch auf eine menschliche Leber zutreffen“. Laborleiter Jakob Troppmair. Tropp- vollständigen Durchblutungsausfall ausge- Eng wird dabei mit der Universitätsklinik für mair studierte an der Universität setzt (Ischämie). Damit dies zu keinem dau- Viszeral-, Transplantations- und Thoraxchir- Innsbruck Biologie und dissertierte urgie zusammengearbeitet – gleich wie beim 1985 bei Christoph Huber an der erhaften Gewebeschaden führt, werden die Abteilung Klinische Immunbiologie. Organe in speziellen Nährlösungen gekühlt, Ansatz, neue Methoden zur Qualitätsprüfung Nach einem sechsjährigen Aufent- die Ischämiezeit kann damit – von Organ von Spenderorganen zu entwickeln. halt am National Cancer Institute in zu Organ unterschiedlich – auf mehrere Aufgrund von Mangel an Spenderorganen Frederick, Maryland (USA) war er am Stunden ausgedehnt werden. Nach erfolg- werden heute auch Organe transplantiert, Institut für Medizinische Strahlen- ter Transplantation wird das Organ wieder die, so Troppmair, „früher nicht verwendet kunde und Zellforschung der Univer- sität Würzburg tätig, wo er sich 2001 durchblutet (Reperfusion), kritisch sind dabei worden wären“. Für Menschen auf der War- im Fach Molekulare Zellbiologie und die ersten 15 Minuten. „In dieser Zeit kommt teliste sind diese nicht optimal funktionieren- Biochemie habilitierte. Seit Herbst es zur massiven Produktion von ROS. Sauer- den Organe aber überlebenswichtig, für den 2002 leitet Jakob Troppmair das stoffradikale schädigen Zellen, sie sind aber Operateur stellt sich die Frage, wie gut das Daniel Swarovski Forschungslabor, auch Signalmoleküle, die Prozesse in Gang Organ ist. Zwar gibt es Kriterien, „wir wollen 2007 wurde er zum Professor für Molekulare Transplantationsbiologie setzen, die zu Entzündungen führen.“ Diese aber Einblicke, die aussagekräftiger sind“. berufen. gehen mit einer erhöhten Anzahl von Granu- Troppmair setzt dabei – in Zusammenarbeit lozyten einher, die wiederum ROS produzie- mir Martin Hermann von der Universitätskli- ren. Troppmair: „Über Wochen und Monate nik für Anästhesie und Intensivmedizin – auf kann es so zu massiven Schädigungen des Farbe. Eine Biopsie des Spenderorgans wird Organs kommen, die medikamentös nicht mit speziellen Farbstoffen versehen, schon mehr behandelbar sind“. nach wenigen Minuten können unter ei- Damit es aber nicht so weit kommt, sollte, nem konfokalen Fluoreszenzmikroskop tote so die Theorie, der Ausgangspunkt blockiert und lebenden Zellen identifiziert, die Anzahl werden. „Wir haben mit p66Shc ein Protein von ROS gemessen und der Zustand der im Auge, das für die ROS-Produktion in den Mitochondrien beobachtet werden. „Dieser Mitochondrien verantwortlich ist“, berichtet Ansatz wurde hier entwickelt und publiziert, der Biologe. Im Mausmodell konnten ver- derzeit laufen Studien, ob der Test Marker lie- schiedene Arbeitsgruppen zeigen, dass beim fert, die eine bessere Beurteilung der Spen- Fehlen von p66Shc ROS-bedingte Krankeits- derorgane ermöglichen.“ ah ¶ Fotos: Andreas Friedle 01 | 2018 MED•INN 19
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