RÄUME FÜR ALLE TRÄUME VOM GLÜCK - Sölden
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RÄUME TRÄUME ZIELE AM FÜR ALLE VOM GLÜCK HORIZONT Drinnen und draußen Oben, unten und rundum Überall dem Ötztaler das Ötztal erkunden urlaubsselig sein Pioniergeist begegnen O E T Z TA L - M AG. C O M Ötztal. Tirol in Hochform. oetztal.com
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EDITORIAL Liebe Gäste, bei uns hat alles Priorität, was ein gesundes Miteinander von Besuchern, Bewohnern und Mitarbeitern möglich macht. Wir vom Ötztal Magazin tragen dazu bei mit Inspira- tionen und Informationen für die einzigartige, so erholsame wie erlebnisreiche und si- chere Sommerfrische in unserem Tal. In unserem neuen Magazin für den Sommer 2021 stehen die Ötztaler Lebensräume als Fixpunkte im Fokus. Sie sind jederzeit und für immer unsere Freiräume – allen voran die grandiose Natur der Ötztaler Alpen. Mitten im Klimawandel überrascht sie uns sogar mit einem neuen Lebensraum, den Gletschervorfeldern und ihrer außergewöhnlichen Flora. Beobachtet, erlebt, nutzt und schont mit uns die natürlichen Lebensräume, ob als Abenteuer- oder Sportfreunde, ob als Berg- oder Naturfreunde aller Art! Lebensräume sind auch Arbeitsräume. Wir zeigen euch, was Dorfchronisten, Historiker, Seilbahner oder Wetterexperten im Ötztal für uns alle tun. „Hauptsache, wir haben ein Dach über dem Kopf!“ Das sagten einst hochalpine Bergsteiger. Unser Magazin nimmt euch mit auf Reisen durch die Außen- und Innenräume der Ötztaler Herbergs- und Wohnkultur im Wandel der Zeit. Grenzenlos ist der Lebensraum der Fantasie. Unser Ötztal Magazin nimmt euch mit auf Schatzsuche und spannende Touren. Herzlich, euer Redaktionsteam O E T Z TA L - M AG. C O M 1 O E T Z TA L - M AG. C O M 1
I N H A LT 12 Vom Eis befreit – Das Gletschervorfeld als neuer Lebensraum 42 Ein Like fürs Bike So toll lernen Kinder biken 34 Quelle des Wohlbefindens Impressum Die Geschichte der Therme Herausgeber: Ötztal Tourismus, 6450 Sölden Konzept Inhalt: media von mersi Redaktionsbüro, Wien Konzept Layout: NORDEN Werbeagentur, Innsbruck, www.norden.co Redaktion: Isolde v. Mersi, Carmen Fender, Yvonne Auer Creative Director: Julian Sprengel Fotoredaktion: Yvonne Auer, NORDEN Werbeagentur Coverbild: Wandern in Gurgl, Heinz Zak G ew i n Bildnachweis: © Ötztal Tourismus – C. Bayer, S. Dierk, W. Elmer, M. Geisler, D. Gehm, U. Grinzinger, R. Gstrein, E. Hessenberger, J. Hohfeld, E. Holzknecht, T. Hupfer, J. Kreulitsch, M. Krings, F. Künzel 4 Ü be r n ach ne tunge L. Lehmeier, A. Lohmann, E. Lorenzi, F. Oss, C. Penning, B. Ritschel, B. Schäfer, P. Schildbach, C. Schöch mit H n D. Schultheiß, J. Sprengel, P. Stöckl, T. Vielgut, W. Watzke, R. Wyhlidal, H. Zak , ©Aqua Dome, © Berghotel albpen sion fü eine F r Gstrein, © Heimatmuseum Längenfeld, © Turmmuseum Oetz, © AREA 47 – R. Wyhlidal, © Bergbahnen 2 Erwa amilie chsen mit Sölden – C. Nösig, © Bergbahnen Hochoetz – C. Schneider, © Liftgesellschaft Obergurgl-Hochgurgl, en und © Naturpark Ötztal, © Ötzi-Dorf 2 Kind Die jeweiligen Autorenbilder wurden mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt. ÖTZT AL SU + ern MMER im We CARD rt von Illustrationen: © Ötztal Tourismus – NORDEN Werbeagentur/L. Günther € 2.100 ,00 Auflage: 32.000 D/EN Druck: Buchdruckerei Lustenau Offenlegung lt. § 15 Mediengesetz: Eigentümer zu 100 % und Herausgeber ist Ötztal Tourismus, 6450 Sölden, T +43 (0) 57200, info@oetztal.com, Direktor Mag. Oliver Schwarz 2 O E T Z TA L - M AG. C O M
Inhalt Bergsteigen Wandern 12 Vom Eis befreit 20 5 Fragen zum Bergwetter 16 Vom Luxus des Überlebens 22 Hier geht’s rund 24 Standpunkt: Gebt mir die Gipfel! 25 Standpunkt: Lasst mir die Talgründe! Natur Wir Ötztaler 26 Holla die Gams 19 Heimkehrer 27 Röslein schwarz 28 Training für die Seele Landleben Familie 30 Herrgottswinkel 40 Blicke in den Zauberspiegel 32 Bäuerliche Wort-Antiquitäten 42 Ein Like fürs Bike Wasser Abenteuer 34 Quelle des Wohlbefindens 37 Unten am Fluss Radsport Standards 44 Mountainbiken am Taleingang 01 Editorial 02 Inhalt & Impressum Kultur 04 Ötztal Flash 46 Alles außer gewöhnlich 06 Impressionen 50 Das Coole am Ötzi 51 Ötztal Rätsel – mit Gewinn! 53 Talschluss: Am Puls der Zeit 54 Ötztal Landkarte Genuss 38 Tradition trifft Innovation 52 Ausklang: Gute Geister O E T Z TA L - M AG. C O M 3
NEWS Ötztal Flash Memmingen/ München DE Garmisch/München Fernpass DE Friedrichshafen Telfs DE A12 Imst ÖTZTAL HAIMING Innsbruck BAHNHOF HAIMINGER BERG Zürich A12 OCHSENGARTEN Arlberg Zirl CH SAUTENS Kühtai OETZ Salzburg/Wien München UMHAUSEN NIEDERTHAI LÄNGENFELD GRIES HUBEN DE WIEN HOCHSÖLDEN MÜNCHEN SALZBURG SÖLDEN FRIEDRICHSHAFEN AT ZWIESELSTEIN ZÜRICH HOCHGURGL CH IT BOZEN IT Bozen VENT Timmelsjoch/ Wintersperre OBERGURGL Ötztal & i-Oetztal – Mobile App Das Ötztal im Social Network Kostenlose Mobile App: Facebook, Instagram, YouTube und www.oetztal.com WhatsApp führen Sie virtuell ins Ötztal. Wir bauen unsere Kommuni- kation über Social Media laufend wei- ter aus. 4 O E T Z TA L - M AG. C O M
NEWS Das Ötztal und Covid-19 Oetz und sein Kulturturm Zur Ergänzung behördlicher Corona-Si- Mit der Ausstellung „Der Stuibenfall. cherheitsvorgaben führt Ötztal Touris- Kleine Kulturgeschichte eines Natur- mus seine eigene, 2020 eingerichtete Task- denkmals“ und dem Begleitbuch von force auch in diesem Sommer weiter mit Walter Falkner zeigt das Turmmuseum zusätzlichen Schutzmaßnahmen zur flexiblen und zielge- Oetz Tirols größten Wasserfall von Mai bis Oktober 2021 aus nauen Reaktion auf die aktuelle Lage im Tal. Immer aktuell: neuer Perspektive. Durch den Ortskern ins Turmmuseum www.oetztal.com/covid-19 führen die wöchentlichen Kinder- und Familienführungen „Zeitreise durch das alte Oetz in den Turm“. www.oetztalermuseen.at/turmmuseum Mehr Öffis für Biker Sesshafte und Fahrende Aufgerüstet haben die öffentlichen Lini- „Jenische“ nennen sich Nachfahren ei- enbusse seit 2020 mit neuen, einfach zu nes verarmten und diskriminierten Teils bedienenden Anhängern für jeweils 16 Bi- der Tiroler Bevölkerung. Der Geschichte kes und E-Bikes. Zwischen Imst und Gur- dieser umherziehenden Wanderhändler gl steht Fahrgästen bei 10 Bussen kostenloser Radtransport oder Pfannenflicker widmet sich der Gedächtnisspeicher in zur Verfügung. An den Haltestellen gibt es QR-Codes, um per Lehn/Längenfeld mit der Ausstellung „Fahrend? Jenische Ge- Smartphone frühzeitig freie Kapazitäten abzufragen. schichten“ von Juni 2021 bis Oktober 2021. Die „Jenischen Kul- www.soelden.com/biken turtage“ sind für den 17. und 18. Juli 2021 im Veranstaltungs- zentrum Kalkbrennanlage Sautens angesetzt. www.oetztalermuseen.at/gedachtnisspeicher Artenvielfalt in Gefahr Den Stressstecker ziehen Die Ötztaler Flora und Fauna ist arten- Ein Wochenende zum Entspannen und reich, aber vielfach bedroht. Daher setzt Krafttanken mit Bewegung und Natur- sich der Naturpark Ötztal 2021 mit den beobachtung, Kulinarik und Musik bie- Themen „Artenvielfalt“ und „Artenster- tet das Bergsteigerdorf mit dem Wochen- ben“ auseinander: In der Sommerausstellung endprogramm „Vent unplugged“ im September im Naturparkhaus in Längenfeld, aber auch im talweiten Ver- 2021. anstaltungs- und Wanderangebot. www.vent.at www.naturpark-oetztal.at Ötztaler Genussbotschafter Geolehrpfad Winkelberg 2.0 Seit 2020 dürfen sich die ersten jungen Neue Lernimpulse zum Köfler Bergsturz Köche der gehobenen Gastronomie und und seinen Gesteinen gibt es in Längen- Hotellerie offiziell „Ötztaler Genussbot- feld. Der Erlebnisweg auf der bewähr- schafter“ nennen. Nachdem sie in 3 Modu- ten Route des Geolehrpfads mit Start in len Zusatzqualifikationen in den Themengebieten „Ötzta- Winklen und Ziel am Winkelbergsee hat 10 neue ler Fleischspezialitäten“, „Almwirtschaft im Ötztal“ und „Obst, Stationen. Mit Hilfe von Installationen vor Ort, einer analo- Wein, Wild, Fisch, Foodhunting, Natur und Kultur“ erworben gen Karte und der Locandy App können Besucher das Rätsel haben, repräsentieren sie in ihren Betrieben die Vielfalt der des Köfler Bergsturzes lösen. kulinarischen Traditionen und die Vielfalt des Tals. www.laengenfeld.com www.oetztal-genussbotschafter.at Preisgekröntes Ötztal Websites Ötztal Magazin www.oetztal.com In der Kategorie Brand Communication – www.soelden.com Print hat das Ötztal Magazin den German www.gurgl.com Brand Award 2020 des Rats für Formgebung gewonnen, eines der weltweit führenden Kompetenzzentren für Design, Kommunikation und Innovation. O E T Z TA L - M AG. C O M 5
IMPRESSIONEN Wolfgang Watzke BIKE REPUBLIC SÖLDEN „Fernar Trail“ O E T Z TA L - M AG. C O M 9
IMPRESSIONEN 10 O E T Z TA L - M AG. C O M
IMPRESSIONEN Heinz Zak Zirbenwald und Klettersteig in Obergurgl 1.930 Meter O E T Z TA L - M AG. C O M 11
BERGSTEIGEN Blick ins Rotmoostal Vom Eis befreit Bernd Ritschel Wo die Gletscher geschmolzen sind, entsteht in kurzer Zeit ein neuer Lebens- raum für Tiere und Pflanzen: das Gletschervorfeld. Unser Autor hat die neuen Naturwunder am Rand des Rotmoosferners in Gurgl beobachtet. 12 O E T Z TA L - M AG. C O M
„ BERGSTEIGEN Es gibt nur wenige Orte auf der Erde, wo sich die Natur so frei entwickeln kann. Hier passiert maximale Veränderung auf E ine Herde Haflinger galoppiert schnell abschmelzen. Die Flächen, die engstem Raum und voller Leichtigkeit und mit we- das Eis freigibt, nennt man Gletscher- henden Mähnen über die Wie- vorfeld. Dort entwickelt sich binnen we- in kürzester Zeit. “ sen bei der Schönwieshütte. Ein grüner niger Jahre neues Leben. An den Rän- Hügel, dahinter ein weites Tal. Bin ich dern wachsen erste Büsche und Bäume, hier wirklich in den Alpen? Ja, und wie. im Vorfeld selbst blühen Dutzende ver- Auch wenn das Rotmoostal vom Land- schiedener Blumen. Die Wurzeln die- schaftsbild wunderbar in das schot- ser jungen Vegetation stabilisieren den und Wärme des kurzen Sommers nut- tische Hochland oder gar nach Island Boden und verhindern damit das Weg- zen. Mal überwiegt das Violett des Al- passen würde, so ist es doch ein Teil der spülen von Erdreich, Kies und Sand bei pen-Leinkrauts, dann wieder das Ötztaler Alpen. Alles hier erinnert an ei- Starkregen und Hochwasser. Der Bota- leuchtende Gelb des Fetthennen-Stein- ne archaische, seit Ewigkeiten unverän- niker Roland Mayer vom „Naturpark brechs. Wenige Meter weiter entdecke derte Urlandschaft. Über vier Kilome- Ötztal“ ist begeistert: „Es gibt nur weni- ich einen Alpentragant und einen kom- ter zieht das Hochtal als grüner Trog ge Orte auf der Erde, wo sich die Natur plett mit Stängellosem Leimkraut be- Richtung Südosten. Erst an seinem En- – das heißt die Pflanzen- und Tierwelt wachsenen kleinen Buckel. Niemals de steilen sich die Geröll- und Felsflan- – so frei und in so einer Fülle und Viel- hätte ich in diesem kargen Gelände so ken auf, bevor die Eisfelder des Rot- falt entwickeln kann wie in einem neu eine Blumenvielfalt erwartet. moos- und Wasserfallferners zu den entstanden Gletschervorfeld. Hier pas- Welche Kraft steckt nur in all den win- schroffen Gipfeln hinaufziehen. siert maximale Veränderung auf engs- zigen Blumen, um den von Regen und Beide Gletscher haben sich in den letz- tem Raum und in kürzester Zeit.“ Wind verdichteten Sand zu durchdrin- ten Jahren stark zurückgezogen. Und gen? In diesem kleinen Gletschervor- genau dort, wo das Eis zuletzt abge- feld auf fast 2.500 Meter kann man jeden schmolzen ist, entsteht ein neuer Le- Sommer wieder Evolution pur erleben. bensraum der Natur. Aber was tritt un- Weit verzweigt hat sich der Gletscher- ter dem Eis zutage? Wie lange dauert es, bach vom Rotmoosferner seinen Lauf bis sich erstes Leben, erstes Grün und durchs Tal gesucht und die Landschaft damit wieder eine Pflanzen- und Tier- gestaltet. Mal mäandert er um Kiesbän- welt dort ansiedelt? ke herum, wenig später sind es fast ein Alpen-Leinkraut Dutzend einzelner Wasserläufe, die pa- Maximaler Wandel rallel talaus fließen. Selbst auf den In- Heute weiß man, dass vor allem die Als der gut markierte Wanderweg hin- seln dazwischen, die ja nur aus Ge- Gletscherzungen in den Tieflagen, die auf zum Rücken der Hohen Mut nach röll und Sand bestehen, blüht es im Ju- nicht von Schutt bedeckt sind, sehr links abzweigt, gehe ich einfach gera- ni und Juli. Links und rechts der Bach- deaus weiter. Nur mehr selten entde- läufe stehen die sattgrünen Wiesen und cke ich ein paar Trittspuren im Sand. die feuchten Moos- und Moorflächen, Eis und Wasser haben hier kleine Morä- für die das Rotmoostal so bekannt ist. nenrücken und windgeschützte Mul- Weißes Wollgras weht im lauen Wind den entstehen lassen. Vorsichtig setze des Nachmittags. ich meine Schritte auf den Fels. Über- all dort, wo Sand und Kies überwie- „Es war einmal...“ gen, schmücken bunte Farbkleckse Mit diesen Worten werde ich wohl in Rotmoostal den graubraunen Boden. Es sind aber- ein paar Jahren ein „modernes“ Mär- tausende kleiner Blumen, die Licht chen für meine Enkel beginnen. Es wird O E T Z TA L - M AG. C O M 13
BERGSTEIGEN Vom Rotmoosferner existieren nur noch ein paar einzelne Gletscherreste unter dem Rotmoos- joch. Schlimm? Ja und nein. Alpentragant im Rotmoostal ein Märchen voll eisiger Abenteuer und im Talschluss der 3.489 Meter hohe Hintere Zunge. Mittlerweile hat sich der Wasser- leidenschaftlicher Emotionen. Eine Seelenkogel. Links davon das tausend- fallferner bis weit hinauf Richtung See- Frage stellt sich aber jetzt schon: Wird fach fotografierte und auf Postkarten lenkogel zurückgezogen. es den Rotmoosferner dann überhaupt verewigte Dreigestirn von Scheiber-, Vom Rotmoosferner existieren nur noch geben? Trinker- und Heuflerkogel. Im Osten ra- noch ein paar einzelne, nicht mehr mit- An manchen Tagen sind es eher trauri- gen steil und abweisend Gipfel wie Gra- einander verbundene Gletscherreste ge Erinnerungen, die ich mit dem Rück- natenkogel, Hochfirst und Liebenerspit- unter dem Rotmoosjoch. Schlimm? Ja gang der Gletscher in den Alpen verbin- ze auf. Alles scheint wie immer – und und nein. Seit es die Erde gibt, verän- de. So manche Eistouren, die wir in un- doch hat sich die Landschaft massiv dert sie ihr Antlitz. Aber wir Menschen serer Jugend, das heißt vor mittlerweile verändert. Im Frühsommer bedecken brauchen sie zum Leben und ohne Na- 40 Jahren, noch durchwegs mit Steigei- noch große, strahlend weiße Schneeflä- tur gibt es für uns langfristig kein Über- sen an den Bergschuhen gehen konn- chen das Eis der Gletscher und vor allem leben. ten, sind heute im Hochsommer eisfreie auch die neu entstandenen, weitläufi- Bergtouren. Die Gletscher ziehen sich gen Geröllhänge. Im Spätsommer, wenn „Happy End?“ unaufhaltsam in die Hochlagen der Al- nur noch die schneefreien Gletscherflä- Nur noch ein paar hundert Meter tren- pen zurück. chen im Talschluss zu sehen sind, wird nen mich von der sonnigen Terrasse der das volle Ausmaß des Gletscherrück- Schönwieshütte. Hunger und Durst ha- Nichts bleibt, wie es ist ganges sichtbar. ben meinen Schritt zuletzt beschleu- Landschaftlich hat sich die Schöpfung Schon seit vielen Jahren sind der Rot- nigt. Selbstverständlich suche ich mir mit dem Rotmoostal und der Hohen moos- und der Wasserfallferner nicht einen Tisch mit ungetrübtem Blick ins Mut in epischer Schönheit entfaltet. 15 mehr miteinander verbunden. Noch in Rotmoostal. Die Traurigkeit beim Ge- Dreitausender umrahmen den Kamm den 1980er Jahren verschmolzen ihre danken an die zurückweichenden Glet- der Hohen Mut. Alles überragend steht Eisströme zu einer breiten, mächtigen scher weicht jetzt Freude und Zuver- SÖLDEN HOCHGURGL Noch im Frühling 2003 waren der Rotmoosferner und der Wasserfallferner miteinander verbunden OBERGURGL (links). Mittlerweile ist die schmale Eiszunge längst abgeschmolzen und beide Gletscher haben sich VENT weit zurückgezogen (rechts). ROTMOOSTAL 14 O E T Z TA L - M AG. C O M
BERGSTEIGEN Die Schönwieshütte 2.270 Meter sicht. Zuversicht deswegen, weil ich dort hinten niemals in so kurzer Zeit so viel frisches Leben erwartet hätte und Freu- de, weil das Rotmoostal auch mit kleine- ren Gletschern einfach wunderschön ist. Kein anderes Gletschervorfeld im Ötztal ist so vielfältig und dank der Seilbahn auf BERND RITSCHEL die Hohe Mut auch so angenehm zu errei- chen. Rotmoostal Das Ötztal ist seit Jahrzehnten eines der Seit es die Erde gibt, gibt es den Wandel. bevorzugten Touren- und Fotomotivreviere Altes geht, Neues entsteht. Natürlich des international renommierten bayeri- müssen wir alle Anstrengung auf den schen Autors und Fotografen. Schutz dieser so wertvollen Natur rich- ten. Deren Kraft und Ressourcen sind be- grenzt. Doch letztendlich erzählt jedes einzelne neue Gletschervorfeld, das gera- Weitere Informationen unter de in den Alpen entsteht, von einem klei- www.oetztal.com nen Wunder. Und – zumindest lokal be- www.naturpark-oetztal.at trachtet – von einem kleinen ökologi- schen „Happy End“. Das sollte uns Men- Wollgras im Rotmoostal Berg-Blogs unter schen Ansporn sein. www.oetztal.com/magazin O E T Z TA L - M AG. C O M 15
BERGSTEIGEN Vom Luxus des Überlebens Maren Krings LÄNGENFELD SÖLDEN HOCHSTUBAIHÜTTE ZWIESELSTEIN Hochstubaihütte 3.175 Meter 16 O E T Z TA L - M AG. C O M
BERGSTEIGEN Nur vom Sölder Windachtal aus ist die Hochstubaihütte zu Fuß erreichbar. 3.175 Meter über dem Meer ruht der Hüttenzauber auf einem Fundament aus straffer Logistik und höherer Improvisationskunst. D as Geräusch schlagender Rotoren erreicht einen Kinoabend – erste Reihe. Hinter uns türmen sich mich, als ich auf Augenhöhe mit Bergkräutern aber bereits große Gewitterwolken auf. Die Urkraft eine Wildbiene im Windachtal beobachte. Se- der Elemente stellt für Thomas oft eine harte Heraus- kunden später fliegt ein Helikopter über mich hinweg, forderung dar. Auf dem Weg zum 100 Meter tiefer gelege- voll beladen mit Nahrungsmitteln und Bauholz an ei- nen Schmelzwassersee für den Wasserbedarf der Hüt- nem langen Tau. Knappe zwölf Flugminuten wird der te zeugen unzählige Blitzeinschläge in der Strom- und Heli brauchen, um die 1.200 Meter vom Tal zur Hochstu- Wasserleitung von den heftigen Unwettern, die den baihütte zurückzulegen. Wir dagegen haben noch viele Hüttenbetrieb schon behindert haben. Für Thomas al- Stunden Fußmarsch vor uns. les kein Problem, denn neben seiner langjährigen Er- Silvia, meine Bergführerin, hat diese Route wegen fahrung als Heeresbergführer ist er gelernter Elektri- des „Überraschungsei-Effekts“ ausgewählt. Der stei- ker, leidenschaftlicher Koch, Wasseraufbereitungsex- le Weg schlängelt sich durch drei Vegetationszonen, perte, alpiner Ersthelfer vor Ort und …na ja, einfacher von den Almwiesen des Windachtals ins karge Gelän- wäre es, Qualitäten aufzuzählen, die er nicht besitzt. de oberhalb der Baumgrenze und zuletzt in hochal- pines Gelände, das die „Himmelsleiter“ markiert. Die- Höhere Logistik se senkrecht angelegte Treppe im Fels entlässt uns in „Bevor man sich hier oben darauf verlassen kann, Hil- das Hochplateau, auf dem majestätisch die Hochstu- fe zu bekommen, ist es sinnvoller, sich selbst zu helfen“, baihütte thront. Zugegeben, diese Tour ist nichts für bemerkt er beiläufig im Gespräch. Auf Hütten in Ext- einen geschwächten Körper wie meinen, ohne Akkli- remlage ist alles höherer Logistik unterworfen, von der matisierung an die Höhe über der Dreitausendergren- Gasflasche bis zur Müllentsorgung. Dazu zählt wäh- ze. Für mich kamen die Anzeichen der Höhenkrank- rend der knapp 3 Monate dauernden Saison außer heit überraschend. Jedoch komme es häufiger vor, 650 kg Restmüll auch der organische Müll, den die Gäs- dass Besucher kreideweiß um eine kräftigende Sup- te erleichtert in zwei Trockentoiletten hinterlassen. Die pe bäten statt ums wohlverdiente Weißbier, tröstet der Container müssen ein bis zwei Mal pro Saison ausge- DAV-Hüttenwart Heiko Kunath. schaufelt, ihr Inhalt gut verpackt mit dem Helikopter Der Hüttenwirt Thomas Grollmus wird auf einer der abtransportiert werden. Eine echte „Scheißarbeit“, aber am höchsten gelegenen Hütten im europäischen Al- sie gehört dazu. Anerkennend erzählt Thomas, dass die penraum meist mit ganz anderen Herausforderun- Dresdner DAV-Mitglieder auch bei dieser Arbeit ohne gen konfrontiert. Denn weit ist der Weg für alles, was Zögern kräftig mit anpacken. „Hier oben“, so erzählt er hier oben gebraucht wird. Darum gibt es die Unter- weiter, „geht eben ohne solidarisches Miteinander gar scheidung zwischen überlebenswichtigen Dingen und nichts.“ Luxusgütern. Letztere muss man selbst hoch-, Reste Auf dem Dach des Winterraums befinden sich neue selbst wieder hinuntertragen. Eine passende Parabel Solarzellen. Sie ersetzen das Dieselaggregat, das nur für unsere ökologische Krise, finde ich. mehr ersatzweise bei tiefer Verschneiung zum Ein- Nach dem köstlichen Abendessen erkunde ich die un- satz kommt. Allerdings reicht der Solarstrom nicht für berührte Berglandschaft ringsum. Ein atemberauben- Warmwasser: Duschen gibt’s nicht. Das Brennholz zum der Sonnenuntergang schenkt uns ganz ohne Strom Beheizen bringt der Heli. O E T Z TA L - M AG. C O M 17
BERGSTEIGEN Hochstubaihütte Teure Luftpost Nur kurz ist die Pause, die Thomas sich gönnen kann, Cessna auf Kufen auf dem Gletscher vor dem Winter- um mir die Logistik der Hüttenversorgung zu zeigen, raum. Das geht jetzt nicht mehr, weil das Gletscher- denn auf dem Herd kocht bereits das Gulasch für die eis massiv weggeschmolzen ist. An ein Relikt aus die- nächsten Hüttengäste. „Wie schaut es mit den Vege- ser Zeit erinnert sich Thomas noch, der seit neun Jah- tariern aus?“, frage ich. Nun schmunzelt Thomas, der ren die Hütte bewirtschaftet: Ein Kasten Bier, der am sonst eher ernst wirkt: „Für den Umweltschutz würden Ende der Cessna-Landebahn deponiert und von einem die Vegetarier besser daran tun, hier Fleisch zu essen.“ Schneesturm begraben wurde. Jahrzehnte später aper- Wie das, wo doch erwiesen ist, dass Fleischkonsum glo- te der Bierkasten aus – leider leer! bal hohe CO2-Emissionen verursacht? Einleuchtend Nachdenklich schaut Thomas zum Wütenkarferner, Thomas’ Erklärung: „Auf dieser Höhe gehört frisches wo sich die Gletscherspalten wie ein Spinnennetz he- Gemüse zur Kategorie ,Luxus’.“ rausgebildet haben. Er fürchtet, das Ende dieses Glet- schers noch zu erleben. Am frühen Vormittag zeigt das Thermometer bereits 21 Grad Celsius auf über 3.000Meter an. Wir beginnen den Abstieg, zurück zu Leichtigkeit und Luxus, mit geschärftem Sinn für die fragile Schön- heit der Alpen. Weitere Informationen unter www.hochstubaihuette.at Berg-Blogs unter www.oetztal.com/magazin Hüttenwirt Thomas Den Fleischvorrat für die ganze Saison bringt der Heli beim ersten Versorgungsflug; er wird sofort in der Tief- kühltruhe gelagert. Bei frischen Obst- und Gemüse- sorten ist das nicht ohne weiteres möglich. Tatsächlich hat die steigende Zahl von Vegetariern (im Tal bei we- niger aufwändigen Transportwegen sehr löblich) die Zahl der Versorgungsflüge verdreifacht. Momentan jedoch fliegt der Heli nie leer ins Tal, erzählt Thomas, während er auf den wachsenden Berg Plastikmüll im MAREN KRINGS Lagerraum deutet. Bis Mitte der 1990er Jahre versorg- ten zwei Materialseilbahnen die Hütte. Weil sie immer Die Dokumentarfotografin, Autorin und Nomadin ist fokussiert wieder von Lawinen zerstört wurden, stellte man auf auf soziale und ökologische Auswirkungen der Klimakrise. Sie Belieferung aus der Luft um. Anfänglich landete eine publiziert in internationalen Medien. 18 O E T Z TA L - M AG. C O M
W I R Ö T Z TA L E R Heimkehrer Die Technikleidenschaft hat den Ötztaler Patrick Kuprian hinaus in die Welt geführt. Heute geht er seiner Berufung bei den Bergbahnen Sölden nach. Markus Geisler B ei unserem Zusammentreffen auf der Sonnenterrasse in Hochsölden fällt die Giggijochbahn ins Blickfeld. Dass Patrick Kuprian einmal am Bau der weltweit leistungs- stärksten Seilbahn mitwirken würde, hat er in seiner Jugendzeit nicht erwartet. Als 15-Jähri- gem waren ihm nur zwei Dinge klar: „Ich woll- te einen technischen Beruf erlernen und gleich- zeitig nicht in die Fußstapfen meines Vaters als Betriebsleiter treten.“ Zwei Jahrzehnte später hat sich dieser Vorsatz überlebt. Heute verant- wortet Kuprian als Betriebsleiter der Bergbah- nen Sölden sieben Seilbahnanlagen im Bereich Gampe und führt ein Team von rund 30 Mitar- beitern. Patrick Kuprian Fort von daheim Der Lebensweg des Das Funkgerät ist Patricks ständiger Mittdreißigers ist ge- Begleiter. prägt von der Lust auf neue Erfahrungen. Unten: Die weltweit Beim Seilbahnprodu- leistungsstärkste zenten Doppelmayr ab- Seilbahn: Giggijoch- solvierte er seine Aus- bahn in Sölden. bildung zum Elek- troanlagentechniker, blieb danach fast 12 Jahre in Vorarlberg. Als Montagetechni- ker wurde er zum Vielflieger: Auf allen Kon- tinenten bereitete der Ötztaler neue Berg- bahnen für die Inbetriebnahme vor. Sein zu- friedenes Fazit: „Ich bin froh über diese Zeit. Da- durch schätze ich das Ötztal mehr.“ 2012 hatte der Sölder genug vom Leben aus dem Koffer und startete als Techniker bei den Berg- bahnen. Nach Aus- und Fortbildungen und ei- nem Fachhochschulstudium trägt er den Titel „Akademischer Experte für Seilbahnmanage- ment“. Die Faszination für seinen Beruf ist un- gebrochen: „Eigentlich haben wir ja zwei Jobs. MARKUS GEISLER Einmal Dienstleister und dann Techniker. Lei- der ist die Wahrnehmung für die anspruchsvol- Der Längenfelder arbei- len Tätigkeiten an den Seilbahnanlagen bei vie- tet in einer Kommunika- len Menschen nicht besonders ausgeprägt.“ tionsagentur in Imst und widmet sich mit viel Leidenschaft den facet- Berg-Blogs unter tenreichen Themen des www.oetztal.com/magazin Ötztals. O E T Z TA L - M AG. C O M 19
WA N D E R N 5 Fragen zum Bergwetter Unser Autor hat mit dem Tiroler Meteorologen Thomas Pichler erör- tert, was Wanderer und Bergsteiger über das sommerliche Wetter in den Alpen wissen sollten. Und dazu passende Profi-Tipps für die Tou- renplanung bekommen. 1. Woran erkenne ich seriöse Wetterportale im Internet? Uwe Grinzinger 2. Gibt’s Gewitter nur an Sommernachmittagen? Der regionale Wetterexperte Thomas Pichler Nein. Nur das bekanntere Wärmegewitter tritt empfiehlt, zu hinterfragen: „Steht da ein profes- vor allem im Sommerhalbjahr auf, bevorzugt in sioneller Wetterdienst dahinter, bei dem auch der zweiten Tageshälfte. Wer also seine Wande- tatsächlich ein Meteorologe die Prognose er- rung früh beendet, kann dem Wärmegewitter stellt? Oder handelt es sich um ein kommerzi- recht gut aus dem Weg gehen. Genau das funk- elles Portal, das nur User auf seine Seite locken tioniert beim Frontgewitter nicht: Diese zweite will?“ Ersterer liefert in der Regel verlässliche, Gewitterart kann zu jeder Jahres- und Tageszeit regional zugeschnittene Vorhersagen. Letzte- auftauchen – eben dann, wenn eine Schlecht- res dagegen automatisierte Computerprogno- wetterfront eintrifft. Zusätzlich zu Blitz und sen, auf Wunsch auch für jeden Punkt der Erde Donner bringen Frontgewitter oft einen mar- – oft von zweifelhafter Qualität, ohne jeglichen kanten Wettersturz samt Abkühlung. Umso Text, nur mit bunten Symbolen. „Im Zweifelsfall wichtiger ist hier ein möglichst präziser Wetter- sollte man sich da eher an die amtlichen, staat- bericht. Denn das einzig Sichere bei einem Ge- lichen Wetterberichte halten“, rät Thomas. Auch witter ist: in keines hineinkommen! der Vorhersagezeitraum gibt Aufschlüsse: De- tailprognosen, die über fünf Tage hinausgehen, sind nicht sonderlich seriös. 20 O E T Z TA L - M AG. C O M
WA N D E R N Wetterforscher Pichler mit Messgeräten 4. Was bedeuten Fronten für den Wanderer? Sie bringen Wetterverschlechterung und Re- gen – die Frage ist nur, wie schnell und wie in- tensiv. Bei einer Warmfront passiert das meist gemächlich. Wer sich darauf einstellt, irgend- wann nass zu werden und vorsichtshalber in Talnähe bleibt, kann bei Warmfrontaufzug durchaus noch kurze Wanderungen unterneh- 3. Was unterscheidet beide men. Ganz anders bei der Kaltfront: Sie sorgt Gewitterarten? häufig für plötzliche Temperaturstürze, starke „Das Wärmegewitter erkennt man gut anhand Niederschläge und manchmal auch Gewitter – der Quellwolken, die allmählich in die Höhe die oben erwähnten Frontgewitter. Ein Regen- wachsen“, erklärt Thomas Pichler. Beim Front- symbol alleine ist bei der Wetterprognose somit gewitter dagegen bleibt oft viel weniger Zeit zu wenig, um zwischen Warm- und Kaltfront zum Wolkenbeobachten und Reagieren: Schon zu unterscheiden. Der Wetterbericht muss auch bald nach den ersten Anzeichen bilden sich erklären, warum es zum Regen kommt. mächtige Quellwolken, Blitz und Donner. 5. Welche Eigenheiten hat das Wetter im Ötztal? Expertentipps „Dass es hier drei Wetterregionen gibt“, weiß Meteorologe Thomas Pichler übers Thomas Pichler. „Sie wiederholen, vereinfacht Bergwetter gesagt, den großen Querschnitt von Alpen- nordseite – Inneralpin – Alpensüdseite. Und 1. Wetterbericht studieren zwar innerhalb eines Tales: Das vordere, nörd- Immer über die Wetterentwicklung informieren, liche Ötztal, bis etwa Umhausen, erhält Nieder- spätestens am Vortag. Mithilfe der Prognose dann schläge häufiger von Nordwesten. Der Bereich die Tour planen. Dabei das Wanderziel an den Wet- nahe dem Alpenhauptkamm, zwischen Ober- terbericht anpassen, nicht umgekehrt! gurgl und Vent, ist hingegen stärker von Süden her beeinflusst. Dazwischen liegt das mittlere 2. Früh aufstehen Ötztal, von Längenfeld bis Sölden. Es bekommt Zeitig starten, speziell im Sommer! Denn im aus beiden Himmelsrichtungen in etwa gleich Tagesverlauf nimmt die Gefahr von Schauern und viel ab.“ Wärmegewittern üblicherweise zu. Weitere Informationen unter 3. Regen-, Wind- und www.zamg.ac.at Kälteschutz mitnehmen www.oetztal.com/wetter Auch am schönsten Tag kann sich das Wetter im Tagesverlauf schnell ändern. Daher gehören Berg-Blogs unter Regenjacke, Haube und Handschuhe immer www.oetztal.com/magazin in den Rucksack – egal wie die Prognose ist. 4. Den Höhenwind beachten Ziehen Wolken mit dem Wind über den Himmel, befinde ich mich wahrscheinlich in einer wechsel- haften Wetterphase. Mit plötzlichen Wetterum- schwüngen ist zu rechnen, auch schon früh am Tag. 5. Bei Südföhn aufpassen Föhniger Südwind kündigt gerade im Ötztal häufig UWE GRINZINGER markante Wetterstürze an: Gewitter, Starkregen, massive Abkühlung, bis hin zu Schneefall im Der Bergfotograf, -journalist und Wanderführer-Ausbil- Gebirge – auch im Sommer. der ist bei einer Bergtour erst einmal so richtig ins Gewit- ter gekommen. Das reicht ihm aber fürs gesamte Leben. O E T Z TA L - M AG. C O M 21
WA N D E R N Dagmar Gehm Zurück in die Zeit eines der größten Abenteuer des vergangenen Jahrhunderts führt der 18 Kilometer lange Piccard-Rundweg, der sich zu beiden Seiten der Gurgler Ache entlangzieht. A ls der tollkühne Stratosphä- mals mit einem Schlag berühmt. renforscher Auguste Pic- Heute kommen Wanderer auf dem card zur Notlandung auf Piccard-Rundweg zum Schauplatz dem Gurgler Ferner ansetzen muss- der Geschichte. te, sah der Gletscher noch wesent- Der Weg ist mittelschwer und er- lich beeindruckender aus als heute. fordert eine gute Kondition. Sich zu Geradezu einladend, um das seltsa- verlaufen ist ausgeschlossen, denn me Luftgefährt des Schweizers so- von Obergurgl aus geht es immer wie seines Assistenten, dem Ingeni- nur in eine Richtung und nach Über- eur Paul Kipfer, am 27. Mai 1931 but- querung der spektakulären Hänge- terweich abzufedern. brücke in die andere Richtung zu- Wahrscheinlich würde der Fer- rück. Ab dem gut beschilderten Ein- ner auch heute noch eine punktge- stieg in Obergurgl auf 1.930 Meter im- naue Landung garantieren, denn mer im Blick: Die Langtalereckhütte er ist trotz ständiger Schmelze mit auf der Ostseite der Schlucht. Über 9,58 km² der drittgrößte Gletscher Grashänge geht es zunächst auf der Tirols. Westseite zur aufgelassenen Küp- Piccards Ballonlandung machte das pelealm mit ihrer halb verfallenen abgeschiedene Dorf Obergurgl da- Hirtenhütte auf 2.303 Meter. 22 O E T Z TA L - M AG. C O M
WA N D E R N Wolkenkuckucksheim Immer begleitet vom Duft wilder Blumen und Kräuter, müssen wir über mehr als sieben Brücken gehen, unter denen kleine Sturzbäche rau- schen, die sich vom Mannigenbach abspalten. Murmeltiere machen Männchen, Bartgeier kreisen hoch am Himmel. Irgendwann stehen wir unter dem hohen Felsvorsprung, auf dem das traditionsreiche Ramolhaus, die de Kugel im Ortszentrum von Ober- SÖLDEN Hütte des Deutschen Alpenvereins gurgl stellt den Ballon dar, mit dem „Sektion Hamburg und Niederelbe“, der experimentierfreudige Profes- HOCHGURGL auf 3.006 Meter Höhe thront. Ein ech- sor und sein Assistent Paul Kip- tes „Wolkenkuckucksheim“, einge- fer von Augsburg gestartet waren, OBERGURGL rahmt von einem Wolkenkranz. Wer als erste Menschen eine Höhe von VENT dort übernachten möchte, muss den knapp 16.000 Meter erreicht und danach PICCARD-RUNDWEG rechten Abzweig nehmen. Wir blei- wegen eines technischen Versagens ben auf dem erst 2017 angelegten hier auf dem Gletscher zur Notlan- Weg zur Brücke, zum Ferner. Bald dung angesetzt hatten. spannt sich am Talschluss die Pic- Das Ereignis ging durch die Welt- Knödelvariationen Und oh Wunder – die langersehnte Langtalereckhütte (2.450 Meter) rückt näher. Endlich Einkehr! Urgemüt- lich ist es in der 1928/29 erbauten und später erweiterten Hütte der Sektion Karlsruhe des Deutschen Alpenver- Piccard-Hängebrücke eins. Senior-Pächter Melitta und Ge- org Gufler unterstützen ihren Sohn, card-Hängebrücke in 100 Meter Höhe. presse und brachte Gurgl in die Hüttenwirt Mario, zum Beispiel bei Höhe über die Schlucht. Noch im Schlagzeilen. „Schönes, unbekann- der Herstellung von Knödeln in al- 18. Jahrhundert konnte man ein- tes Hochgebirge, Gondel und Bal- len Variationen, mit Schweinsbraten fach über den Ferner laufen, um auf lon liegen auf einem Gletscher“, hat- die andere Seite zu kommen. Immer te Piccard nach der glücklichen Lan- mehr zog sich die Gletscherzunge dung in sein Bordbuch notiert. Ei- zurück und erschwerte die Überque- ne Tafel an der Brücke berichtet von rung. Steinschlag und Hochwasser dem Abenteuer. hatten mehrmals die vorherige Brü- Auf der anderen Seite der Brücke, cke beschädigt. Zeit für eine neue, auf dem Weg ins Langtal, scheinen kühne Konstruktion. wir auf dem Mars gelandet zu sein. Rote Felsen, wohin man schaut. Wie auf dem Mars Schön abgeflacht und angenehm Ramolhaus 3.006 Meter In unmittelbarer Nähe der neuen zum Wandern sind die meisten – das Hängebrücke war Auguste Piccard perfekte Podest für den weiten Pan- und Gulasch. Serviert wird rund um notgelandet. Eine große glänzen- oramablick auf Obergurgl! die beiden alten Kachelöfen. Frisch gestärkt treten wir den letz- ten Abschnitt der langen Wande- rung an, passieren die Zollwachhüt- Info te, eine kleine Kapelle und die Schön- Rundweg: Der 18 km lange Pic- wieshütte, um nach sieben Stunden card-Rundweg ist mittelschwer und 1.076 Meter Abstieg wieder in Ober- und eignet sich für geübte Berg- gurgl einzutreffen. wanderer mit guter Kondition. Direkt neben dem silberfarbenen Ballon des Piccard-Denkmals im www.gurgl.com Ortszentrum. Der Kreis hat sich ge- Langtalereckhütte 2.450 Meter schlossen. O E T Z TA L - M AG. C O M 23
S TA N D P U N K T öhenfl ug H Bernd Ritschel Ge ! bt m ir die Gipfel E in Schritt vor und ein All diese Berge gaben und ge- halber zurück. Die Ober- ben meinem Leben Sinn. Aller- schenkel brennen, der Atem dings versuchte ich in den letzten Jahren, geht schwer. Nein, ich wurde nicht unfreiwillig aufs ein wenig „Druck“ aus meinem alpinen Tatendrang Tanzparkett gezogen. Traumtänzer bin ich trotz- zu nehmen. Schwierigkeitsgrade und Gipfelhöhen dem: Ich versuche gerade, in einer gut 35 Grad stei- traten in den Hintergrund. „Der Weg ist das Ziel“ len Geröllflanke irgendwie an Höhe zu gewinnen. wurde zu meiner fotografischen und entschleuni- Weglos und einsam. Alles um mich herum scheint genden Maxime. Aber wenn ich ehrlich bin, ist es lose und locker zu sein, alles rutscht und wackelt. nach wie vor ein unbeschreiblich schönes, ein er- Erst als eine begrünte Rampe nach rechts hin- hebendes, ja fast magisches Gefühl, den höchsten auf zum Südgrat des Lochkogels zieht, geht es sich Punkt eines Berges zu betreten. Hinauszuschauen leichter. Wenig später trete ich aus dem Schatten aufs Wogen des Gipfelmeers, hinabzublicken in die ins Licht. Die Sonne blendet in glasklarer Luft. Ein Täler. Der alpine Dauerseller des 79-jährigen Tiroler Stück steige ich noch höher, um mich auf einem fla- Spitzenbergsteigers Peter Habeler über sein aufre- chen Absatz ins trockene Gras zu setzen. Um mich gendes Leben mit und in den Bergen der Welt trägt herum nur Stille und Weite, Schönheit und Frie- den Titel „Das Ziel ist der Gipfel“. Recht hat er. de. 1.800 Meter tiefer verteilen sich die Häuser von Hu- ben im flachen Grün, eine Talstufe höher glitzern Sinn des Nutzlosen die Dächer von Sölden in der tief stehenden Sonne. Natürlich ist es nutzlos, auf die Gipfel der Alpen Beim Blick über die Gipfel bekomme ich eine Gän- und anderer Gebirge zu steigen. Aber wenn der sehaut: Über 60 Dreitausender ragen in den tief- Nutzen all der Anstrengung, all der Quälerei, der blauen Himmel. Auf die Atterkarspitze und die Wil- Abenteuer und der Gefahren mir auch weiterhin so de Leck im Süden folgen die vergletscherten Gip- viel pures Glück schenkt, bin ich gerne bereit, wei- fel des Gurgler Kammes. Auf die wuchtigen Berge ter dem Nutzlosen zu frönen. des Ramolkammes folgt das riesige Gletschermeer Weise Worte des chinesischen Philosophen der Wildspitze (3.774 Meter). Im Westen all die Gipfel des Tschuang-Tse: „Alle kennen den Nutzen des Nützli- Geigenkammes und des dahinterliegenden Kaun- chen, aber niemand versteht den Nutzen des Nutz- ergrates. losen.“ 24 O E T Z TA L - M AG. C O M
S TA N D P U N K T enhaft u od n Isolde v. Mersi B La ss t mir d ie Talgrün d e! g A nkommen im Ötztal: Ich bin glücklich, wenn ich den Natürlich beginnt das weichen Waldboden unter mei- für die meisten Gäste in ei- nen Füßen federn spüre und den Duft ner Bodenstation. Viele zieht es aber sofort weiter von Farnen, Moos und Pilzen einatme. Oder wenn auf die höchsten Höhen der Ötztaler Alpen. Mich ich dann aus dem Waldesdämmerlicht auf hell nicht. Ich schaue diese grandiosen Berge am liebs- leuchtende Wiesen komme, auf denen malerisch ten als Bühnenkulisse der Natur vom Parkett aus Kühe, Schafe oder Pferde, aber auch schöne Ka- an. Meine ersten Runden ziehe ich immer um die pellen oder Höfe stehen. Und dann hinein in his- Kirche im Dorf – egal, wo ich lande: Draußen in torische Dorfgassen! Windschiefe Scheunen mit Oetz, Umhausen oder Längenfeld, drinnen in Söl- Schindeldach, kunstvoll aufgeschichtete Brenn- den, Vent oder Obergurgl. holzstapel, liebevoll freskierte Fassaden: Ich kann Ich schaue, was es Neues gibt: Promenaden, Rad- mich daran niemals sattsehen. oder Themenwege, Restaurierungen, Kultur- oder Voll in meinem Element fühle ich mich freilich an Natureinrichtungen. Ich kehre ein in Gastwirt- den Waal- und Wasserwegen. Ich bin neben einem schaften, die ich immer schon mochte, und probie- Bach aufgewachsen, der so schnell, so schön und re ein paar neue aus. Am liebsten in Gesellschaft so wild ist wie die Ötztaler Ache. Bis heute schla- von Menschen, die ich im Lauf vieler Jahre im fe ich am besten in Zimmern, von denen aus ich Ötztal kennen und schätzen gelernt habe. das Wasser laut rauschen höre. Einmal, da war ich höchstens vier Jahre alt, fürchtete meine Mut- Lob der Vielfalt ter, ich sei in den Bach gefallen, weil ich aus dem Ganz unten ist gut sein, weil die Orte im Talgrund Garten verschwunden war. Mein Vater fand mich eine Art Scharnier zwischen Kultur- und Natur- schließlich. Im Gasthaus. Am Stammtisch. Mitten raum sind. Vom leise plätschernden Dorfbrunnen in einer Runde honoriger Herren, die sich köstlich ist es nicht weit zum tosenden Wasserfall, das Hei- über mein Geplauder amüsierten und mir dafür matmuseum liegt am Waldesrand, das Ötzi-Dorf einen Saft nach dem anderen spendierten. ebenso. Weil ich sehr ungern steil, aber umso lie- So frühkindlich geprägt können die guten Gründe ber weit gehe, sind mir ausgedehnte Wanderungen fürs Bleiben am Talboden sein. von Dorf zu Dorf am liebsten. O E T Z TA L - M AG. C O M 25
N AT U R Holla die Gams Sie ist Akrobatin, Jagdtrophäe, Sagengestalt und Überlebenskünstlerin. Die Gämse gehört zu den ältesten und erstaunlichsten Hochgebirgstieren der Alpen. Isolde v. Mersi G ämsen sind Vollbluteuropäer. Ihr Vorkom- gische und heilige Tiere. Wer sich gegen sie versündigt, men ist weitgehend auf unseren Kontinent be- wird bestraft. Auch davon künden die Sagen: Weil kein schränkt, eine Rarität in der Tierwelt. Heute sie- Mensch dessen Akrobatik erreichen kann, war das deln sie nur mehr im Alpenraum und in manchen Bal- Gamswild in den Alpen immer schon die faszinierends- kangegenden. Während der letzten europäischen Kalt- te Herausforderung für Jäger. Nur die erfahrensten, ge- zeit, der Würmeiszeit von etwa 115.000 bis 10.000 Jah- ländegängigsten und geduldigsten unter ihnen brin- ren vor heute, erstreckte sich ihr Lebensraum auch auf gen seit jeher Gämsen zur Strecke. Dafür werden sie Mittelgebirgslagen. traditionell auch doppelt belohnt. Zum einen tragen Heute erspähen wir Wanderer Gämsen nur mehr im außer den Gamsböcken auch die Gamsgeißen Gewei- Hochgebirge, in schroffem Felsgelände. Gämsen mö- he, die sie nie abwerfen. Zum anderen haben alle Gäm- gen’s nämlich kalt, schon Temperaturen ab 12 Grad sen einen Gamsbart. Nicht am Kinn, sondern auf dem empfinden sie als unangenehm. In den Alpen bewegen Rücken. Und so sind Gamskrucken an der Hauswand, sich die Tiere daher oberhalb des Waldgürtels auf Hö- noch mehr aber die ambulant vorzeigbaren Gamsbär- hen bis zu 2.500 Meter, außer in kargen Wintern. Fürs Le- te auf den Hüten traditionell die alpinen Jagdtrophä- ben in der Vertikalen sind Gämsen körperlich perfekt en schlechthin. ausgestattet. Das Gamsherz ist so groß und muskulös, Im Alpenbogen leben geschätzte 400.000 Gämsen, die dass es bis zu 200 Herzschläge pro Minute aushält. Das größte Population hat Österreich. Die Tiere sind jagd- Wesentliche sind aber die spreizbaren Hufe mit hart- bar, allerdings nach genauen Regeln. Schutz braucht gummiartigen Sohlen und Außenkanten, die wie Stei- das Gamswild trotzdem. Seuchen wie Gämsblind- geisen funktionieren. Damit können Gämsen bis zu heit, Naturgewalten wie Lawinen und Feinde wie der zwei Meter hoch und sechs Meter weit springen. Ber- Steinadler dezimieren es. Im Sommer setzen oftmals gab rennen sie mit bis zu 50 km/h. rücksichtslose Wanderer die tagaktiven Herden von Weibchen und Jungen unter Stress. Jägerlatein Übrigens gibt es auf der Südinsel Neuseelands die ein- Der Name der Gämse stammt aus einer untergegan- zigen nichteuropäischen Gämsen. Für Jäger am Mount gen Alpensprache und ist seit dem 13. Jahrhundert im Cook kamen per Schiff 1907 acht Gämsen, 1914 zwei Althochdeutschen als „Gamiza“ bezeugt. In der alpi- weitere zum Aufbau einer Population. Beide Frachten nen Sagenwelt, auch der des Ötztals, sind Gämsen ma- stammten aus Österreich. 26 O E T Z TA L - M AG. C O M
N AT U R Röslein schwarz Der Naturpark Ötztal hat 2020 das geschützte Schwarze Kohlröslein zur Pflanze des Jahres gekürt. Isolde v. Mersi Schwarzes Kohlröslein N amen sind Schall und Rauch, pardon: Duft. wiesen. Wo gedüngt wird hoch oben, dort lässt sich das Das kleine Schwarze Kohlröslein verströmt ei- Schwarze Kohlröschen niemals nieder. Es mag nur na- nen intensiv süßen und echt betörenden Ge- turbelassene Magerrasen, Bergwiesen und Weiden. Im ruch nach Vanille. Aber, nochmals pardon: Schwarz ist Ötztal und seinem Naturpark leuchtet und duftet uns es absolut nicht. Auf der Farbpalette eines Malers wäre die wunderbare Bergblume vor allem an den Seiten- es anzusiedeln irgendwo im Grenz- und Mischbereich hängen des Gaisberg- und Rotmoostals in Gurgl entge- von sattem Dunkelrot und tiefem Schokoladenbraun. gen, wo Kalkgestein und Marmor das Fundament bil- Spielt aber keine Rolle. Farb-, Namensgebung und Be- den. schreibung obliegen halt nun mal den Botanikern. Wie alle Orchideenarten ist auch das Schwarze Kohlrös- Die reihen die Gattung der Kohlröschen in die Fa- chen in Tirol vollständig geschützt und darf nicht ge- milie der Orchideen ein. Und liefern dazu folgende pflückt werden. Es gilt aber nicht als gefährdet, obwohl Daten: Das Schwarze Kohlröschen wird zwischen 15 es selten ist. Für seine Schwester hingegen, das Rote und 25 cm hoch. Es wächst in höheren Lagen von der Kohlröschen, das an seiner leuchtenden Farbe mit viel subalpinen bis zur baumfreien alpinen Stufe ober- mehr Rotanteilen zu erkennen ist, steht die botanische halb der Baumgrenze, bis hinauf auf rund 2.300 Meter. Ampel voll auf Rot: Es ist überall in den Westalpen ge- Erstmals beschrieben hat das Schwarze Kohlröschen fährdet, also auch im Ötztal. Der Schutz ist demnach ri- 1561 der Schweizer Arzt und Naturforscher Conrad goros. Gesner. Im Lauf der Zeit hat die kleine Alpenorchidee viele volkstümliche Namen bekommen: Köhlröserl und Brunelle, Blutröserl und Männertreu. Die Volks- medizin schrieb dem Schwarzen Kohlröschen eine kräftig aphrodisierende Wirkung zu; außerdem soll es gegen Abgeschlagenheit wirken und die Nerven beru- higen. ISOLDE V. MERSI Duftspender Das sensible Orchideengewächs ist jedenfalls Indi- Die Südtiroler Magazinmacherin und Kulturreporterin er- kator für falsche oder richtige Behandlung von Berg- zählt am liebsten vom vielfältigen Leben in den Alpen. O E T Z TA L - M AG. C O M 27
W I R Ö T Z TA L E R Christian Penning Training für die Seele Sieger im Wintersport werden nicht nur im Schnee gemacht. Im Sommer tanken die Skistars aus dem Ötztal Kondition und mentale Power in den heimischen Bergen. Unterwegs mit der Allrounderin Franziska Gritsch und Slalom-Spezialist Fabio Gstrein. F ranziska Gritsch strahlt, als die im Morgentau glitzernden Berg- Olympiastützpunkt nach Innsbruck. hätte sie gerade ihr erstes Welt- wiesen nahe der Gaislachalm – hin- Anderntags kurbelt Fabio mit dem cup-Rennen gewonnen. Da- auf zu den Schotterkaren am Gaisla- Mountainbike einen Trail überm bei steht sie nicht mal auf Ski. Die cher See. Der Slalom-Spezialist und Venter Tal zur Hütte seiner Fami- 23-jährige Ski-Rennläuferin schraubt A-Kader-Athlet aus Sölden genießt lie hinauf – für ihn der perfekte Weg, sich auf dem Rennrad Höhenme- die wenigen Wochen im Sommer in um innere Ruhe zu finden. Gelas- ter um Höhenmeter zum Timmels- den heimischen Hausbergen – zwi- senheit und Konzentration für Voll- joch hinauf. Es ist noch früh, gerade schen Trainingsblöcken auf Schnee, gasfahrten durch den Stangenwald schickt die Sonne ihre ersten Strah- die ebenfalls im Sommer stattfinden. tankt er auch daheim am Bauernhof len über den Bergkamm der Dreitau- Wenn er die Bergschuhe schnürt, ist der Eltern. Wenn er vom Berg kommt, sender, die das Südtiroler Passeier- auch das Teil seines Trainings. Aber geht’s ans Heumachen, in den Stall, tal vom Ötztal und Gurgler Tal tren- ein freieres. „Erholung für den Kopf“ zu Kühen, Ziegen und Hühnern. „Die nen. „In solchen Momenten geht mir nennt er das. Die Heimat – ein Ru- Konkurrenz im Slalom ist knallhart“, das Herz auf“, gesteht sie mit großen hepol. Grüne Almen statt weißer erklärt er. „Oft liegen die 30 Topfahrer Augen. Etwa zur gleichen Zeit streift Hänge. Kraftplätze statt Kraft- und weniger als 1,5 Sekunden auseinan- ihr gleichaltriger Nationalmann- Koordinationstraining. Für Letzte- der. Da reichen Fitness und Technik schaftskollege Fabio Gstrein über res fährt er dreimal pro Woche zum alleine nicht aus.“ 28 O E T Z TA L - M AG. C O M
W I R Ö T Z TA L E R Natur heilt Das sieht auch Franziska Gritsch so. Ganz bewusst hat sich die Umhaus- nerin entschieden, den größten Teil des Sommers daheim im Ötztal zu verbringen. Über 200 Tage im Jahr ist sie auf Achse, die meisten davon im Schnee. Ihr Sommermotto: Re- generieren, Kraft tanken. Schwe- re Verletzungen hätten sie vor ein paar Jahren beinahe aus der Erfolgs- spur geworfen: Wadenbeinbruch, Kreuzbänder gerissen, Schienbein- kopf und Meniskus kaputt. „Im Grunde ein Totalschaden“, resümiert sie. Doch sie nutzte die harte Zeit. Im vergangenen Winter gelangen ihr Franziska am Stuibenfall Top-Platzierungen im Weltcup. Die Basis dafür hat sie sich nicht nur auf Schnee geholt. „Die Sommertage in ein Top-Manager. Nirgendwo sonst der Natur helfen mir, Körper, Geist kannst du besser du selbst sein als in und Seele in einen harmonischen der Natur.“ Ruhige Plätze dafür ge- Dreiklang zu bringen.“ be es im Ötztal trotz manch belieb- tem Insta-Spot mehr als genug, sagt Natur pusht Fabio, als er Franziska zu einem kur- Im Therapiezentrum Radl in Um- zen Trainingslauf über die Moränen hausen absolviert Franziska das des Rettenbachgletschers trifft. Am Konditionstraining: Kniebeugen, nächsten Morgen hat sich die All- Schnellkraft, Rumpfstabilität, fein- round-Athletin mit sich selbst zum motorische Gleichgewichtsübun- gen. Fünf bis sechs Mal pro Woche. Genauso oft ist sie zusätzlich drau- ßen aktiv. „Wenn ich die Treppen zum Stuibenfall hinaufrenne, führt Die Konkurrenz im mich jeder Schritt näher zu mei- Slalom ist knallhart. nem persönlichen Olymp“, grinst sie, als sie nach über 700 Stufen he- Da reichen Fitness chelnd am Scheitel des Wasserfalls ankommt. und Technik alleine „Kein Mensch ist eine reine Leis- tungsmaschine“, überlegt Franzis- nicht aus. ka, „weder ein Spitzensportler noch Yoga und Stretching am Habicher See verabredet. Einer ihrer Lieb- lingsplätze. „Ideal zum Runterkom- men!“ Ruhig atmend findet sie in der Standwaage die Balance. Die Sonne schickt ihre ersten Strahlen durch die Baumkronen am Ufer und lässt kleinste Quarzpartikel im Wasser schimmern wie Goldstaub. „A bissl Glitzer schadet nie im Leben“, meint Franziska versonnen. So klappt’s si- CHRISTIAN PENNING cher auch bald mit Edelmetall im Schnee. Der Autor und Fotograf liebt im Sommer die Vielseitigkeit am Berg: beim Biken, Wandern, Fabio am Trail Alpinsport-Blogs unter Trailrunning und Rennrad- wwww.oetztal.com/magazin fahren. O E T Z TA L - M AG. C O M 29
LANDLEBEN Herrgottswinkel Dagmar Gehm Im Heimatmuseum Längenfeld Sie duften nach Zirbe oder Fichte. Sie verströmen Behaglichkeit und sind als traditionell intime Rückzugsorte für Familien und Gäste in Lockdown- Perioden wichtiger denn je: Die alten Stuben im Ötztal. W enn der Nikolaus kommt, versammelt mehrmonatige Erholungspause ein. Er wird sich sich die ganze Familie im Herrgottswin- wohl gefühlt haben in der heute gut 400 Jahre al- kel“, erzählt Liesl van der Heyde-Hau- ten Stube, ebenso wie die jetzigen Besitzer Waltraud eis. Von 1839 ist das Getäfel in der alten Stube und Anton Haid, die sie als Wohnzimmer nutzen. vom Haus Acherkogel in Tumpen, die Decke ver- Auch die nächste Generation ist stolz auf die Tra- mutlich sogar über hundert Jahre älter. „Zweimal ditionen. Sohn Philipp präzisiert: „Insgesamt ha- im Jahr putzen wir das Zirbenholz mit dunkler ben wir sechs alte Stuben. Fünf davon stehen unter Schmierseife“ sagt Liesl, die mit Ehemann Alex- Denkmalschutz, aber alle sind noch in Gebrauch.“ ander, Kindern und Enkeln den alten Gasthof be- wohnt. Ihre Familie schätzt den Wert des alten Le- Zierde des Hauses bensraums. „Alle sagen: ‚Die Stube muss so bleiben, Nur ein paar Schritte weiter steht das Hotel 3 Moh- wie sie ist.‘“ Innen hält das Schmuckstück, was die ren aus dem Jahr 1908. „Unsere Gäste wissen die prächtige Freskenfassade am Gasthof zum Stern drei schön getäfelten Stuben – darunter das Jagd- in Oetz verspricht. Rundum vertäfelt ist das „Stie- zimmer – immer mehr zu schätzen“, sagt Seniorchef bele“ von 1617. „Ursprünglich gehörte der ‚Stern‘ Hans Swoboda. Die reichen Schnitzereien, die In- zum großen Keilhof des adeligen Benediktinerin- tarsien, Sinnsprüche im Türstock wie: „Den Gästen nen-Stifts in Frauenwörth am Chiemsee“, berich- vom Besten“ oder „Trinke tapfer, zahle bar“ sind ein- tet der heutige Besitzer Georg Amprosi. Schon sei- zigartig. „Wir bemühen uns, den großen Schatz zu ne Vorfahren haben im Herrgottswinkel auf den bewahren“, betont der Hausherr. geschnitzten Stühlen gesessen, zusammen mu- Zurück in versunkene Zeit führen auch die al- siziert, gegessen, gebetet. „Der Tisch war immer ten Stuben in Vent. Die Franz-Senn-Stube im Hotel für die Familie reserviert“, erinnert sich Georg. Kleon etwa oder die Stube im urigen Gasthaus Ober- Im Posthotel Kassl in Oetz legte König Ludwig III. vent. 650 Jahre ist sie alt, das Gasthaus seit 1930 fast von Bayern auf der Flucht nach Ungarn 1919 eine unverändert so, wie es jetzt Stefan und Hilde Gram- 30 O E T Z TA L - M AG. C O M
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