Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern e. V - Band 27 - Symposium

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Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern e. V - Band 27 - Symposium
Schriftenreihe
des Landesjagdverbandes
       Bayern e. V.
               Band 27

                 Symposium
      des Landesjagdverbandes Bayern –
         Bayerischer Jagdverband e.V.
      und der Bayerischen Akademie für
                Jagd und Natur
           Jagd und Tierschutz
      3. Juli 2019 in Grub bei München
Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern e. V - Band 27 - Symposium
Impressum:
Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern –
Bayerischer Jagdverband e. V.
Band 27
3. Symposium „Jagd und Tierschutz“
Landesjagdverband Bayern – Bayerischer Jagdverband e. V.,
Hohenlindner Str. 12, 85622 Feldkirchen
Schriftleitung: Dr. Joachim Reddemann,
Hauptgeschäftsführer des Landesjagdverbandes Bayern –
Bayerischer Jagdverband e. V.

Gestaltung: Michael Berwanger/Tausendblauwerk, Dachau
Druck: bonitasprint, Würzburg

Titelbild: Reinhard Siegel / Piclease

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Eine Verviel-
fältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist
auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen
Bestimmungen des Urheberrechtsgesetz der Bundesrepublik
Deutschland vom 9. September 1965 in der Fassung vom
13. September 2003 zulässig.

ISBN-Nr.: 978-3-9819514-4-8
Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern e. V - Band 27 - Symposium
Symposium
des Bayerischen Jagdverbandes und der
Bayerischen Akademie für Tierschutz, Umwelt- und Jagdwissenschaften

Jagd und Tierschutz
3. Juli 2019 in Grub bei München

Schriftenreihe des
Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.
Band 27

Schriftleitung: Dr. Joachim Reddemann
Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern e. V - Band 27 - Symposium
Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern –
Bayerischer Jagdverband e. V.
herausgegeben vom Landesjagdverband Bayern – Bayerischer Jagdverband e. V.
im Auftrag von Thomas Schreder,
Vizepräsident des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e. V.
und Mechtild Michaela Maurer,
Landesschatzmeisterin im Landesjagdverband Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.

mit finanzieller Förderung durch das
Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
aus Mitteln der Jagdabgabe
Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern e. V - Band 27 - Symposium
Herausgeber und Verfasser

Unter Schriftleitung von
Dr. Joachim Reddemann
Hauptgeschäftsführer des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e. V.

mit Beiträgen von

                              Prof. Dr. rer. nat. Walter Arnold
                          Veterinärmedizinische Universität Wien Wien (A)

                                               Dr. Josef Bauer
                          Leitender Landwirtschaftsdirektor a. D. Landshut (D)

                         Univ. Doz. Dr. med. vet. Armin Deutz
Sachverständiger für Veterinärwesen, Jagd, Fütterung, Tierschutz,
                 Tierhaltung, Milch und Milchprodukte, Wildbret St. Lambrecht (A)

                                            Gerhard Gruber
                                        RUAG Ammotec GmbH Fürth (D)

                                                Steffen Guber
                                                  Rechtsanwalt Berlin (D)

                       Prof. Dr. forest. Dr. med. Sven Herzog
        Dozentur für Wildökologie u. Jagdwirtschaft, TU Dresden Tharandt (D)

                                          Dr. Matthias Müller
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Erlangen (D)

                wHR Prof. Dr. med. vet. Rudolf Winkelmayer
                   Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e. V. Pachfurth (A)

                                   3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 5
Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern e. V - Band 27 - Symposium
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Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern e. V - Band 27 - Symposium
Inhalt

Vorwort: „Waidgerechte Jagd verwirklicht den Tierschutzgedanken“
Thorsten Glauber, MdL
Bayerischer Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz     9

Vorwort: „Tierschutz bei der Jagd – unverzichtbar und verpflichtend“
Alexander Flierl, MdL
BJV-Regierungsbezirksvorsitzender der Oberpfalz,
zuständiges Präsidiumsmitglied für den Ausschuss Wildkrankheiten,
Wildernährung, Tierschutz                                          11

Vorwort: „Tierschutz ist im sozial-ethischen Verständnis der
Gesellschaft tief verankert“
Dr. med. vet. Armin Gangl
Vorsitzender BJV-Fachausschuss „Wildkrankheiten,
Wildernährung und Tierschutz“                                     13

Vorwort: „Verantwortungsvolles Jagen berücksichtigt
stets den Tierschutz“
Dr. Joachim Reddemann
Hauptgeschäftsführer des Landesjagdverbandes Bayern –
Bayerischer Jagdverband e. V.                                     14

Fachbeiträge

Tierschutz im Lichte jagdlicher Nachhaltigkeit
Prof. Dr. Dr. Sven Herzog                                         19

Diagnostik von Wildkrankheiten – ein wichtiger Beitrag
zum Tierschutz
Dr. Matthias Müller                                               29

Angewandte Ethik auf der Jagd
Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer                                      35

Umfang tierschutzrechtlicher Handlungspflichten
des Jagdausübungsberechtigten
bei schwer verletzten wildlebenden Tieren
RA Steffen Guber                                                  43

Moderne Jagdzeiten – effiziente Regulation mit Rücksicht
auf die saisonale Physiologie des Wildes
Prof. Dr. Walter Arnold                                           57

Notzeitfütterung – dargestellt am Reh
Dr. Josef Bauer                                                   65

Fütterungshygiene und fütterungsbedingte Krankheiten
Dr. Armin Deutz                                                   71

Tötungswirkung von Jagdmunition
Gerhard Gruber                                                    79

                                  3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 7
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Vorwort

„Waidgerechte Jagd verwirklicht den
Tierschutzgedanken“

Staatsminister Thorsten Glauber, MdL

      Liebe Jägerinnen und Jäger!

Die gesellschaftliche Debatte um das Thema Jagd und Tierschutz reißt nicht ab.
Immer wieder werden Jagd und Tierschutz als Gegensätze bezeichnet. Umso
mehr ist zu begrüßen, dass die bayerische Jägerschaft sich dieser Debatte sach-
lich und offen stellt und sich auch mit gewandelten gesellschaftlichen Erwar-
tungen und Sichtweisen konstruktiv auseinandersetzt. Das 3. Symposium „Jagd
und Tierschutz“ hat dafür ein wertvolles Forum geboten, für das ich gerne die
Schirmherrschaft übernommen habe. Der BJV zeigt hier, dass die bayerische
Jägerschaft zu dem hohen Stellenwert steht, der dem Tierschutz in unserer
Gesellschaft generell und insbesondere bei der Jagd zukommt!

  Für mich als Umwelt- und Tierschutzminister ist die waidgerechte Jagdaus-
übung seit jeher ein wichtiger Baustein für erfolgreichen Natur- und Tierschutz
im Wald. Jägerinnen und Jäger erhalten den Lebensraum der Wildtiere. Sie re-
gulieren die Populationen bei Reh, Hirsch und Wildschwein und tragen so dazu
bei, Schäl- und Verbissschäden zu vermindern – alles Leistungen, die dem Öko-
system Wald zugutekommen! „Nebenbei“ produzieren sie hochwertige regio-
nale Lebensmittel – von Tieren, die ein Leben in freier Wildbahn genießen durf-
ten. Artgerechter geht es kaum! Als Minister für Lebensmittelsicherheit treibt
mich dabei freilich die Frage nach der bleihaltigen Munition um. Einerseits soll
der Schuss sicher wirken, das Tier nicht leiden. Andererseits sind Bleirückstände
im feinen Wildbret eine gesundheitlich höchst unerwünschte Zutat. Weniger
Blei bei weiterhin sicherer Wirkung muss daher die Devise sein – gestützt auf
valide wissenschaftliche Erkenntnis!

   Auch die übrigen Leistungen waidgerechter Jagdausübung in Sachen Tier-
schutz können sich sehen lassen. Ich nenne die jagdliche Erlösung kranker, ver-
letzter oder verunglückter Tiere; wertvolle Verdienste um den Schutz von Wild-
tieren erwirbt sich die Jägerschaft auch mit ihrem engagierten Einsatz gegen
den „Mähtod“ auf unseren Feldern oder mit der Fütterung in Notzeiten. Und,
nicht zuletzt, leisten unsere Jägerinnen und Jäger einen wichtigen Beitrag zur
effektiven Bekämpfung von Tierkrankheiten und Tierseuchen. Das Wissen um
Tierkrankheiten und der richtige Umgang mit ihnen schützt Wild- und Nutztiere
und auch uns Menschen! Dazu gehört die Früherkennung durch Beprobung
von Fallwild, der professionelle Umgang mit Fallwild, um die Ausbreitung von
Seuchen zu verhindern, und im Ernstfall auch eine verstärkte Bejagung wie zu-
letzt der Wildschweine zur Verhütung der Afrikanischen Schweinepest. Für die
wertvolle Unterstützung beim Kampf gegen die ASP bin ich den bayerischen
Jägerinnen und Jägern verbunden, ebenso dem BJV für die Auszahlung der
Prämien!

                                      3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 9
Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern e. V - Band 27 - Symposium
Vorwort

               Mit alledem sind die bayerischen Jägerinnen und Jäger wichtige Partner in
             Sachen Tierschutz und Nachhaltigkeit. Sie leisten einen bedeutenden Beitrag
             zur Erhaltung der Biodiversität in Bayern und sind wertvolle Helfer, wenn es
             um die Eindämmung von Tierseuchen geht. Dafür sage ich Ihnen allen meinen
             herzlichen Dank!

               Als Minister für die Artenvielfalt bin ich der bayerischen Jägerschaft eben-
             so dankbar für die klare Positionierung gegen die illegale Tötung geschützter
             Wildtiere. Hier geht es nicht um „Wilderer-Romantik“, sondern schlicht und
             einfach um kriminelles Handeln, dem wir entschieden die Stirn bieten müssen.
             Lassen Sie uns in diesem Sinne auch weiterhin gemeinsam eintreten für ein
             gesundes Ökosystem Wald, für gesunde Wildtiere und eine reiche Artenvielfalt!

             Herzliche Grüße

             Thorsten Glauber, MdL
             Bayerischer Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz

     Seite 10 I Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.
Vorwort

Tierschutz bei der Jagd –
unverzichtbar und verpflichtend

Alexander Flierl, MdL

N
         icht erst seit der Tierschutz 1998 als Staatsziel in die Bayerische Ver-
         fassung eingefügt wurde und die Bundesrepublik Deutschland mit der
         Änderung von Art. 20 a des Grundgesetzes vier Jahre später nachzog,
diskutiert die Gesellschaft die Frage des verantwortungsvollen Umgangs der
Menschen mit den Tieren. Dabei formuliert Art. 141 Abs. 1 S. 2 der Bayerischen
Verfassung treffend das Verhältnis und die Beziehung zu den Tieren: „Tiere
werden als Lebewesen und Mitgeschöpfe geachtet und geschützt.“ Diese ver-
fassungsrechtliche Wertentscheidung und Wertung hat der Gesetzgeber zu
beachten und bindet die Verwaltung, vor allem bei der Auslegung und Anwen-
dung des geltenden Rechts.

   Neben der formaljuristischen Bedeutung des Tierschutzes ist mit der eindeu-
tigen Einordnung der Tiere als Mitgeschöpfe eine moralisch-ethische Verpflich-
tung verbunden. Für uns Jägerinnen und Jäger nichts Neues, seit jeher ist der
Tierschutz elementar und entscheidend für das jagdliche Handeln. Die wesent-
lichen Aspekte finden sich bereits in dem 1880 erschienenen Gedicht „Waid-
mannsheil“ von Oskar v. Riesenthal:

  Das ist des Jägers Ehrenschild,
  daß er beschützt und hegt sein Wild,
  waidmännisch jagt, wie sich’s gehört,
  den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.

  Das Kriegsgeschoß der Haß regiert,
  Die Lieb’ zum Wild den Stutzen führt:
  Drum denk’ bei Deinem täglich Brot
  Ob auch Dein Wild nicht leidet Noth?

  Behüt’s vor Mensch und Thier zumal!
  Verkürze ihm die Todesqual!
  Sei außen rauh, doch innen mild,
  Dann bleibet blank Dein Ehrenschild!

  Achtung des Wildes, Hege, sauberes, schnelles Erlegen, der Schutz vor Wilde-
rern, Futternot und Wildseuchen sind wichtige Gesichtspunkte des Tierschutzes
und der Waidgerechtigkeit; ein Begriff der keinesfalls antiquiert, sondern damit
moderner denn je ist.

   Das 3. Tierschutzsymposium trägt dem Rechnung mit fundierten Vorträgen
versierter Referenten zu allen Aspekten des Tierschutzes bei der Jagd. Die Bei-
träge besitzen eine deutliche Signalwirkung in die Jägerschaft hinein mit wich-
tigen Erkenntnissen für die Jagdausübung und setzen wertvolle Impulse nach
außen in die Gesellschaft für die anstehenden politischen Diskussionen und –
sicher nicht ausbleibenden – Auseinandersetzungen um die Jagd.

                                      3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 11
Vorwort

               Diesen gesellschaftlichen Diskurs werden wir nur bestehen können, wenn
             der Tierschutz weiter zentralen Raum im jägerischen Handeln einnimmt und
             eingehalten wird.

               Tierschutz war, ist und bleibt daher für alle Waidmänner und -frauen unver-
             zichtbar bei unserem Tun und verpflichtet uns – insbesondere dem Wild gegen-
             über. Gerade denjenigen ist dies entgegenzuhalten, die die Jagd ablehnen und
             nur auf das Töten von Tieren reduzieren (wollen).

               Mit Waidmannsheil
               Ihr

             Alexander Flierl, MdL
             BJV-Regierungsbezirksvorsitzender der Oberpfalz,
             zuständiges Präsidiumsmitglied für den Ausschuss Wildkrankheiten, Wildernährung, Tierschutz

     Seite 12 I Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.
Vorwort

„Tierschutz ist im sozial-ethischen
Verständnis der Gesellschaft tief verankert“

Dr. Armin Gangl

D
        er Wandel der Zeit bringt selbstverständlich viele Änderungen alt her-
        gebrachter Überzeugungen und Einstellungen mit sich. Einem stetigen
        Wandlungsprozess sind beispielsweise die Mensch-Tier-Beziehungen
unterworfen. Aus reinen „Nutztieren“ sind bis heute Mitgeschöpfe geworden.
Ihr Schutz ist im sozial-ethischen Verständnis der Gesellschaft tief verankert,
und ungeachtet der Tatsache, dass Tierschutz polarisiert, ist er zu „Jedermann’s
Sache“ geworden.

  Die Berührungspunkte zum Tierschutz sind dabei für unterschiedliche Bevöl-
kerungsgruppen ganz verschieden. Aber alle Personen, die Tiere nutzen oder in
deren Obhut sich Tiere befinden, sind dem Tierschutz verpflichtet. Das gilt auch
für die Jägerschaft. Der verantwortungsvolle und tiergerechte Umgang mit Tie-
ren betrifft sowohl „unsere“ Wildtiere im Sinne der Hege und der Nutzung
als auch unsere „tierischen“ Jagdhelfer. Obwohl uns allen bewusst ist, dass
Jagd und Tierschutz untrennbar miteinander verbunden sind, gibt es noch viele
Themenbereiche, die beleuchtet und diskutiert werden müssen. Inwieweit kön-
nen wir nachhaltig jagen ohne Tierschutzaspekte aus den Augen zu verlieren?
Inwieweit ist die Jagd noch zeitgemäß und ist sie mit den heutigen Vorstellung
von Tierschutz und Tierethik vereinbar? Wie sehen moderne Jagdzeiten aus,
wie füttern wir Tiere tierschutzkonform?

  Um auf diese und einige weitere Fragen Antworten geben zu können, sind
auch im Jahr 2019 namhafte Fachleute auf Einladung des BJV in Grub bei
München zu einem „Tierschutz-Symposium“ zusammengekommen. Die Vor-
träge im Rahmen dieses 3. Symposiums „Jagd und Tierschutz“ hatten dem
interessierten Hörerkreis Wissen transferiert und die Grundlage für angeregte
Diskussionen geliefert. Alle Vorträge der Veranstaltung können nun über die in
diesem Band der Schriftenreihe abgedruckten Beiträge „nachgelesen“ werden.

  Die Organisatoren bedanken sich bei allen Beteiligten und wünschen den
Lesern der Schriftenreihe des Landesjagdverbandes viel Vergnügen.

Dr. med. vet. Armin Gangl
Vorsitzender BJV-Fachausschuss „Wildkrankheiten, Wildernährung und Tierschutz“

                                             3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 13
Vorwort

             „Verantwortungsvolles Jagen
             berücksichtigt stets den Tierschutz“

             Dr. Joachim Reddemann

             D
                     er Bayerische Jagdverband sieht es als seine Aufgabe an, aktuelle Ent-
                     wicklungen in Sachen Tierschutz zu verfolgen, zu bewerten und diese
                     selbstverständlich auch der Jägerschaft zu kommunizieren. Deshalb hat
             er im vergangenen Jahr zum 3. Tierschutzsymposium eingeladen und konnte
             erneut zahlreiche Experten begrüßen.

               Für uns Jäger ist Tierschutz Gesetz und wir haben eine besonders große
             Verantwortung gegenüber allen Wildtieren, und dabei geht es nicht nur um
             das Bewahren, sondern eben gerade auch um das tierschutzgerechte Töten.
             Die Jagd steht vor einer Reihe ethischer Herausforderungen wie schwindende
             Wildtierlebensräume, technische Entwicklungen, Hundeausbildung oder Jagd-
             schutz. Wir Jäger verstehen uns als Anwälte des Wildes und wir müssen auch
             als solche tätig werden und uns präsentieren.

               In der Kritik bei der Jagdausübung stehen insbesondere Drück-Stöber-Jagden
             sowie die Nachtjagd. Professor Herzog widmet sich in seinem Beitrag diesem
             Thema und hebt hervor, dass insbesondere schlecht vorbereitete Bewegungs-
             jagden oft nicht den Gedanken des Tierschutzes ausreichend berücksichtigen.
             So sollte bei Bewegungsjagden grundsätzlich geprüft werden, welches Wild
             freigegeben ist. Außerdem muss bei der Auswahl der Schützen auf Disziplin
             und Erfahrung Wert gelegt wird.

               Der gleichen Meinung ist auch Professor Winkelmayer. Er hebt hervor, dass
             die Jäger in der Gesamtbevölkerung eine verschwindend kleine Minderheit sind
             und daher zum Akzeptanzerhalt ethische Aspekte berücksichtigt werden müs-
             sen. Tierschutz geht nach Winkelmayer vom Individualtierschutz aus. Und In-
             dividualtierschutz geht vor Artenschutz. Das heißt, es zählt nur, was in diesem
             Moment für das einzelne Tier am besten ist, und nicht, ob die Art erhalten
             bleibt oder nicht. Unter diesem Aspekt sind insbesondere gewisse Jagdarten
             und Jagdzeiten auf Raubwild zu bewerten. Eine deutliche Verkürzung der Jagd-
             zeiten empfiehlt Professor Arnold von der Veterinärmedizinischen Universität
             Wien. Besonders im Winter brauchen die Tiere Ruhe. Spätestens ab Weihnach-
             ten sollte die Jagd ruhen, da die Tiere in der kalten Jahreszeit ihren Stoffwechsel
             herunterfahren.

                Mit dem Thema Notzeitfütterung von Wildtieren befassen sich zwei Vorträ-
             ge. Dr. Armin Deutz, Amtstierarzt aus Murau in Österreich, zeigt anschaulich,
             was für gravierende Folgen es haben kann, wenn die Fütterungshygiene nicht
             streng beachtet wird, und wie fütterungsbedingte Krankheiten entstehen. Und
             Dr. Josef Bauer, Leitender Landwirtschaftsdirektor a. D. und ehemaliger langjäh-
             riger Vorsitzender des BJV-Ausschusses Wildkrankheiten, Wildernährung und
             Tierschutz, stellt die Notzeitfütterung am Beispiel des Rehwildes dar. Was ist
             aber unter Notzeit zu verstehen? Und wann tritt sie ein?

     Seite 14 I Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.
Vorwort

  Veterinärdirektor Dr. Matthias Müller vom Landesamt für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit (LGL) Nord geht in seinem Vortrag auf die Diagnostik
von Wildkrankheiten ein, die ebenso einen wichtigen Beitrag zum Tierschutz
darstellt. Er stellt die einzelnen Monitoring-Programme vor und zeigt, anhand
welcher Symptome Schweinepest, Aujeszky, Tuberkulose, Tularämie oder Bru-
cellose bei Wildtieren zu erkennen sind, wie diese Krankheiten übertragen wer-
den, und wie vorgebeugt werden kann.

  Tierschutzgesichtspunkte sind auch bei der Auswahl der geeigneten Ge-
schosse wichtig. Diesem Thema widmet sich Gerhard Gruber von der RUAG.
Bereits seit etlichen Jahren beschäftigt sich die Forschung mit Alternativen zur
bleihaltigen Büchsenmunition. Diese sind aber laut Gruber bisher sehr über-
schaubar, da alternative Materialien hinsichtlich erforderlicher Energie, Härte
und Dichte im Vergleich zu Blei durchwegs schlechter abschneiden.

  Von der rechtlichen Seite betrachtet den Tierschutz Rechtsanwalt Steffen
Guber aus Berlin, der den Umfang rechtlicher Handlungspflichten des Jagd-
ausübungsberechtigten bei schwerverletzten wildlebenden Tieren in den Fokus
nimmt.

  In der Ihnen vorliegenden Ausgabe der Schriftenreihe finden Sie eine Zu-
sammenstellung der Referentenbeiträge vom Symposium. Ich hoffe, dass Sie
mit diesem Tagungsband viele neue Eindrücke gewinnen können und wünsche
Ihnen eine anregende Lektüre.

                                                               Feldkirchen, Mai 2020
Dr. Joachim Reddemann
Hauptgeschäftsführer
des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.

                                            3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 15
Seite 16 I Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.
Fachbeiträge
FOTO: GÖTZ ELLWANGER / PICLEASE

                                             3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 17
Seite 18 I Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.
Tierschutz im Lichte jagdlicher
                                              Nachhaltigkeit

                                              Prof. Dr. Dr. Sven Herzog

                              1. Einleitung                                  finden sich viele Produkte tierischen Ursprungs in
                                                                             der Volks- und Naturheilkunde, die häufig nicht
                       Die Einstellung zum Tier in einer Gesellschaft ist evidenzbasiert und damit bezüglich der Wirksam-
                       unter anderem abhängig vom historischen, sozi- keit der verwendeten Substanzen als fragwürdig
                       alen oder religiösen Hintergrund der jeweiligen bezeichnet werden muss.
                       Epoche und den ebenfalls damit zusammenhän-
                       genden gesellschaftlichen, insbesondere ethi-            Die Nutzung des Felles, etwa als Kleidung, ist von
                       schen Normen.                                         vielen (aber keineswegs von allen) Menschen eben-
                                                                             falls noch akzeptiert. Die Kampagnen der 1970er
                          Die Geschichte des Tierschutzes, also letztlich Jahre gegen das Tragen von Pelzen wildlebender Tie-
                       der Sorge für und um das Wohl der Tiere, währt re, die wenige bzw. fragliche Erfolge im Artenschutz
                       bereits lange und beginnt bei den griechischen mit sich brachten, aber zu großen Tierschutzproble-
                       Philosophen, wurde im Mittelalter immer wieder men (Pelztierfarmen) führten, beginnen im kollekti-
                       aufgegriffen (der Heilige Franziskus von Assisi ist ven Gedächtnis langsam zu verblassen.
                       hier sicher das prominenteste Beispiel) und entwi-
                       ckelte mit der Epoche der Aufklärung die grund-          Handelt es sich nur um die Haut eines Tieres
                       legenden Gedanken, die bis heute das fachliche ohne Fell, etwa im Falle der Lederjacke, so ist die
                       und ethische Konzept des Tierschutzes bestim- Akzeptanz deutlich größer.
                       men.
                                                                                Strittig ist auch die Frage, ob und unter welchen
                          In unserer Gesellschaft ist es eine weitestgehend Bedingungen der Schutz anderer (Haus- oder
                       anerkannte ethische Norm, andere (zumindest Wild-)Tiere oder der Schutz der Vegetation das
                       empfindungsfähige) Lebwesen nicht ohne ver- Töten rechtfertigt (Problematik Raubwild, Raub-
                       nünftigen Grund zu töten oder diesen über das zeug, wildernde Hunde und Katzen, Land- und
                       vermeidbare Maß hinaus Leid zuzufügen. Beide Forstwirtschaft). Unstrittig hingegen ist dies beim
                       „Regeln“ können allerdings leicht in Widerspruch Schutz menschlicher Gesundheit oder mensch-
                       zueinander geraten (s. u.), was den Umgang mit lichen Lebens (Notstand, Notwehr). Das reine
                       diesem Thema nicht einfacher macht. Das Empfin- „Jagderlebnis“ wird als Grund für das Töten kaum
                       den von Mitleid mit anderen Lebewesen als eine mehr akzeptiert.
                       typische Persönlichkeitseigenschaft des Menschen
                       ist ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammen-             Das Töten eines Tieres ist auch gerechtfertigt
                       hang.                                                 oder sogar geboten, wenn es schweres Leiden die-
                                                                             ses Tieres beendet oder verhindert. Hier gerät man
                          Über die vernünftigen Gründe, welche das Tö- leicht in Konflikte mit anderen Rechtskreisen, etwa
                       ten rechtfertigen, herrscht keineswegs Einigkeit dem Eigentumsrecht oder dem Artenschutzrecht.
                       in der Gesellschaft. So ist die Nutzung von Tieren
                       als Nahrung üblicherweise ein akzeptierter Recht-        In der Praxis am bedeutendsten ist wohl der tier-
                       fertigungsgrund, den allerdings Vegetarier oder schutzinterne Konflikt: soll ein verletztes Tier zum
                       gar Veganer in dieser Form nicht oder nur einge- Tierarzt gebracht und dort therapiert oder vor Ort
                       schränkt gelten lassen. Eine Gruppe, die sich aus möglichst schnell und möglichst schmerz- und
                       den Veganern entwickelt hat, die „Jäganer“, wie- angstfrei getötet und damit von seinem Leiden
                       derum akzeptieren Wildbret, welches aus waid- erlöst werden? In engem Zusammenhang dazu
ALLE ABB.: S. HERZOG

                       gerechter nachhaltiger Jagd stammt, sehr wohl steht die Frage, ob bei einem Wildtier bereits das
                       als Nahrungsmittel. Auch die Nutzung tierischer Einfangen durch den Menschen oder die Verbrin-
                       Produkte als Heilmittel wird grundsätzlich wenig gung in Gefangenschaft ein nicht vertretbares
                       in Frage gestellt, stellt sich aber komplexer dar. So Leid auslösen kann, ist in diesem Kontext wichtig.

                                                                                      3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 19
Prof. Dr. Dr. Sven Herzog

                                   2. Grundsätze nachhaltiger Jagd                     Naturschutz wiederum beruht auf einer ethi-
                                                                                    schen Verpflichtung zur Erhaltung der natürli-
                            Jagd (im Sinne menschlicher Jagd) ist eine der          chen Lebensgrundlagen des Menschen als Wert
                            ältesten Formen der Landnutzung. Ein zentraler          an sich oder „für die kommenden Generationen“
                            Aspekt menschlicher Jagd ist das Aufsuchen, das         (antropozentrischer, altruistischer Ansatz) oder
                            Verfolgen und das Töten von freilebenden Wirbel-        auch um sich an der Natur zu erfreuen (anthro-
                            tieren, d.h. Tieren, welche dem Menschen evoluti-       pozentrischer, egoistischer Ansatz). Naturschutz
                            onsbiologisch vergleichsweise nahestehen und zu         ist (zumindest in den letztgenannten Fällen) im-
                            bestimmten Empfindungen fähig sind.                     mer auch eine Naturnutzung. Naturschutz ist
                                                                                    grundsätzlich nicht dem Individuum verpflichtet,
                              Jagd hat das Ziel, Beute zu machen und setzt          sondern einem „Ganzen“, also etwa einer Art,
                            gleichzeitig eine Entkommenschance für das Tier         einem Ökosystem, einer Landschaft. Letztlich
                            voraus. Fehlt letztere, spricht man von „schlach-       können wir Naturschutz, ähnlich wie die Jagd,
                            ten“, im angelsächsischen auch von „cropping“.          ebenfalls als ein sehr extensive – und im Unter-
                                                                                    schied zur Jagd – nichtkonsumtive Form der Na-
                              Jagd hat unterschiedliche Erscheinungsformen:         turnutzung betrachten.
                            Subsistenzjagd, Marktjagd und Freizeitjagd. Der
                            Stellenwert des Tieres ist jeweils unterschiedlich –      Nachhaltigkeit einer jeden Nutzung impliziert
                            in Deutschland gelten jedoch hier grundsätzlich die     ökologische, ökonomische und sozio-kulturelle
                            gleichen Nachhaltigkeits- und Tierschutzstandards.      Aspekte. Nachhaltiges Handeln in diesem Sinne
                            Letztlich ist der gesetzlich verankerte Grundsatz der   bedeutet auch ethisches Handeln (aus individuel-
                            „Waidgerechtigkeit“ ein umfassendes Bekenntnis          ler ebenso wie aus ganzheitlicher Sicht).
                            der Jagd zu Nachhaltigkeit und zum Tierschutz. Der
                            Jäger wird damit sowohl der Arterhaltung, der Be-         Die ökonomische Nachhaltigkeit der Jagd spie-
                            wahrung des Ökosystems, aber auch dem Wohle             gelt sich in der klugen und schonenden Nutzung
                            des Individuums verpflichtet.                           einer nachwachsenden Ressource „Wild“ wieder.

 Abb. 1: Ausgeräumte
 Agrarlandschaften
 schaffen für viele Tiere
 ab Herbst einen massi-
 ven Nahrungsengpass.

           Seite 20 I Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.
Tierschutz im Lichte jagdlicher Nachhaltigkeit

Die Übernutzung wird durch das Ausnutzen der              Individuelle Verstöße gegen Grundsätze des
„kompensatorischen Mortalität“ verhindert, d. h.       Tierschutzes können in leichtsinnigem und wenig
es muss grundsätzlich darauf geachtet werden,          verantwortungsbewusstem Handeln, aber auch
dass durch Jagd die Gesamtmortalität nicht er-         in pathologischen Persönlichkeitsstrukturen Ein-
höht wird. Dies steht allerdings in deutlichem Wi-     zelner begründet sein. Letzteres wird seitens fun-
derspruch zu Bestrebungen, Jagd als Methode zur        damentalistischer Tierschutzorganisationen gerne
Reduktion von Wildbeständen einzusetzen, um            überbewertet und auf Jagd und Jäger in toto pro-
andere – jagdfremde – ökonomische Ziele (etwa          jiziert.
landwirtschaftlicher oder forstlicher Art) zu errei-
chen. In diesen Fällen ist klar zu definieren, auf        Diese Probleme sollten durch geeignete recht-
welches Niveau, in welchem Zeitraum und mit            liche Regelungen einerseits, welche auch durch-
welchen Methoden die Reduktion zu bewerkstel-          gesetzt werden, andererseits durch geeignete,
ligen ist, um eine nicht nachhaltige Exploitation zu   entsprechend strenge Zugangskriterien zur Jäger-
verhindern. Jagdzeiten und Abschusspläne dienen        prüfung beherrschbar sein. Letzteres wurde und
dem Ziel, eine solche Übernutzung zu verhindern.       wird hierzulande leider schon zu lange vernach-
                                                       lässigt.
  Volkswirtschaftlich gesehen bereitet Jagd kaum
gesellschaftliche Kosten, sie generiert stattdes-        Problematischer sind gruppendynamische Phä-
sen Einnahmen aus Steuern und schafft Ersparnis        nomene, oftmals ausgelöst durch bestimmte äu-
durch kostenlose positive „externe Effekte“ in an-     ßere Rahmenbedingungen. Ein Problem entsteht
deren Sektoren (insbes. Land- und Forstwirtschaft,     dann, wenn diese zu einer partiellen emotionalen
Naturschutz, Verkehr etc.).                            Verrohung größerer Teile einer Gruppe, also etwa
                                                       bestimmter Teile der Jägerschaft, führen.
   Die ökologische Dimension jagdlicher Nachhal-
tigkeit findet sich in der Sicherung und Erhaltung           4. Risiken für die Nachhaltigkeit:
von Lebensräumen, der Verpflichtung zur Erhal-               einige Beispiele
tung von artenreichen und gesunden (an ihre
Umwelt angepassten) Wildbeständen in ihren Le- 4.1. Forderung der Reduktion von
bensräumen wieder. Nicht umsonst stellt nachhal- Paarhuferbeständen
tige Nutzung auch international wohl die bedeu-
tendste Säule des Artenschutzes dar.                  Von verschiedenen Lobbygruppen wird regel-
                                                      mäßig seit Jahrzehnten eine deutliche Redukti-
   Die soziokulturelle Nachhaltigkeit schließlich um- on bestimmter Schalenwildarten gefordert. Dies
fasst die Verpflichtung zur Waidgerechtigkeit ein- geschieht im Wesentlichen aus ökonomischen,
schließlich der Beachtung ethischer Grundsätze, ins- möglicherweise aber auch aus anderen – teils in-
besondere hinsichtlich des Tierschutzes. Hier spielt teressenegoistisch-partikulären – Beweggründen
auch das Jagdhundewesen eine nicht unerhebliche heraus.
Rolle. Auch das jagdliche Brauchtum ist Bestandteil
der soziokulturellen Nachhaltigkeit der Jagd.           Ein geradezu lehrbuchhaftes Beispiel für die
                                                      Verfolgung sachfremder Ziele ist das Auftreten
   Wir sehen, dass das Thema „Tierschutz“ bzw. der Afrikanischen Schweinepest in einigen Staa-
„Tierwohl“ ein ganz entscheidender und histo- ten der EU und die reflexhaft folgende und ste-
risch sehr alter Bestandteil nachhaltiger Jagd, ge- tig wiederholte Forderung nach einer intensiven
nauer gesagt, der sozio-kulturellen Nachhaltigkeit Schwarzwildbejagung, ja –bekämpfung. Land-
der Jagd darstellt.                                   wirtschaftliche Interessengruppen und – durch
                                                      diese offenbar beeinflusst- Behörden und Politik
        3. Konflikte zwischen Naturschutz, – befürworten eine weitgehende Aufgabe der
        jagdlichem Handeln und                        Nachhaltigkeits- einschließlich fundamentaler
        Anforderungen des Tierwohls                   Tierschutzkriterien bei der Schwarzwildbejagung.
                                                      Dies geschieht entgegen besserem Wissen, denn
Konflikte zwischen Jagd und Tierschutz treten der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest
trotz Verpflichtung der Jäger auf den Grundsatz ist weitestgehend unabhängig von der lokalen
der Waidgerechtigkeit immer wieder auf. Sie kön- Schwarzwilddichte. Hat ein Ausbruch stattge-
nen (a) individuell oder (b) gruppendynamisch be- funden, besteht das Risiko, dass sich als Folge
dingt sein.                                           der vorangegangenen intensiven und großflächi-

                                                               3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 21
Prof. Dr. Dr. Sven Herzog

 Abb. 2: Weil Menschen
 natürliche Anpassungs-
 vorgänge der Wildtiere
    verhindern, ist eine
 artgerechte Winterfüt-
   terung ein wichtiges
Managementinstrument.

                           gen Schwarzwildbejagung die Streifgebiete der          Schließlich kommt es auch von Seiten des Na-
                           Schwarzwildrotten vergrößert haben und so eine turschutzes – oftmals in Unkenntnis biologischer
                           lokale Bekämpfung eines Ausbruches deutlich er- Sachverhalte – zu Forderungen, welche nachhal-
                           schwert wird.                                       tiges jagdliches Handeln konterkarieren. Das Fest-
                                                                               halten an überkommenen Ideologien verstellt den
                              Dass hohe Schwarzwildbestände in der Land- Blick auf Fakten. So wird z. B. Winterfütterung oft
                           wirtschaft ökonomische Schäden verursachen, als „unnatürlich“ abgelehnt, Wildtiere sollen ver-
                           ist eine Tatsache. Könnte es daher sein, dass we- hungern, das sei „natürlich“.
                           niger die Sorge um die Ausbreitung der afrikani-
                           schen Schweinepest, sondern diese – im Übrigen         Falschverstandener Artenschutz liegt zahlrei-
                           durch die Industrialisierung der Landwirtschaft chen Regelungen, z.B. in Managementplänen für
                           im Wesentlichen mitverursachten – Wildschäden große Prädatoren, zugrunde. Ein schwerverletz-
                           der eigentliche Grund für die politischen Forde- tes nach Naturschutzrecht geschütztes Tier darf
                           rungen sind?                                        nicht getötet werden, vielmehr soll man seinem
                                                                               Leiden tatenlos zusehen. Auch der Umgang mit
                              Eine recht ähnliche Situation finden wir derzeit Neozoen, insbesondere Ausrottungsgebote für
                           bei der Bejagung der Wildwiederkäuer in Forstbe- vom Menschen eingeschleppte Tiere sind aus Tier-
                           trieben. Auch hier erkennen wir das Phänomen, schutzsicht hochproblematisch und stehen im Ge-
                           dass zunehmend jagdliche Nachhaltigkeits- und gensatz zu soziokulturell nachhaltigem Handeln.
                           Tierschutzaspekte verlassen werden, ohne dass
                           die immer wieder geforderte Reduktion des Wil- 4.2 Jagd zur Nachtzeit
                           des erreicht oder gar Fraßeinwirkungen im Wald
                           dadurch verringert würden. Im Gegenteil: intel- An einem derzeit viel diskutierten Beispiel, näm-
                           ligente und auf waldbauliche Ziele abgestimmte lich der Jagd zur Nachtzeit, sollen drei dieser vier
                           Bejagungsstrategien werden ignoriert, während Aspekte einmal dargestellt werden:
                           einer unreflektierten, flächenhaften Reduktion
                           des Wildes das Wort geredet wird. Hier fällt es        Gemäß Bundesjagdgesetz besteht ein Nacht-
                           zunehmend schwer, hinter dieser Strategie nicht jagdverbot auf wiederkäuendes Schalenwild. Der
                           auch sachfremde Motive zu vermuten.                 ursprüngliche Grund für dieses Nachtjagdverbot

           Seite 22 I Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.
Tierschutz im Lichte jagdlicher Nachhaltigkeit

ist dabei vermutlich weniger der Tierschutzgedan-    Lichtquellen oder von aktiven Nachtsichtgeräten
ke, sondern vor allem die eingeschränkte Mög-        und ist daher gesetzlich untersagt.
lichkeit, nach bestimmten Kriterien zum Zwecke
des Wahlabschusses anzusprechen. So erklärt sich       Interessant ist dabei, dass in Berichten alter Jä-
unter anderem, warum dieses Verbot nicht für das     ger immer wieder auch die Nutzung eines Ziel-
Schwarzwild gilt.                                    fernrohres als nicht waidgerecht erwähnt wird.
                                                     Die Begründung für diese Sachverhalte ist schon
  Letztlich handelt es sich dabei um Artenschut-     komplizierter: aus Gründen des Tierschutzes kann
züberlegungen, etwa die Verhinderung von             man nämlich argumentieren, dass Nachtjagd ei-
Übernutzung durch Schaffung einer bestimmten         nerseits grundsätzlich abzulehnen ist, dass man
Sozialstruktur in der Population. Inwieweit diese    aber andererseits, sobald sie aus welchen Grün-
Vorstellungen heute noch gültig sind, steht auf      den auch immer durchgeführt wird (ggf. werden
einem anderen Blatt und soll hier nicht diskutiert   muss), sich aller Möglichkeiten der Technik bedie-
werden.                                              nen sollte (einschl. Nachtsichttechnik), um nicht
                                                     nur ein sauberes Ansprechen, sondern auch einen
   Die Nachtjagd galt bzw. gilt daher aus eben die-  präzisen Schuss zu ermöglichen.
sem Grunde als nicht waidgerecht. Ob sie damit
gleichzeitig ein jagdlich unethisches Handeln ein- 4.3 Jagd im Frühsommer und Hochwinter
schließt, sei zunächst einmal dahingestellt.
                                                     Derzeit treten verschiedene Initiativen an die Öf-
   Da nun die „Interessen der Landeskultur“ sehr fentlichkeit, welche eine Ausdehnung der Jagd-
hoch bewertet werden, können die Bundesländer zeiten auf wildbiologisch kritische Zeiträume (Jagd
aus diesem Grunde auch Ausnahmen zulassen.           auf Wildwiederkäuer im Frühjahr und Frühsom-
                                                     mer sowie im Spätwinter, ganzjährige Bejagung
   Dies führte dazu, dass in vielen Bundesländern des Schwarzwildes) fordern.
heute die Nachtjagd auf Rotwild oder auf Kahlwild
de facto zulässig ist. Nachtjagd wäre in diesem        Nachhaltige und tierschutzgerechte Bejagung
Falle also waidgerecht unter der Voraussetzung, bedeutet letztlich auch artgerechte Bejagung.
dass sie tatsächlich der Wahrung der Interessen Insbesondere aus wildbiologischen und wildöko-
der Landeskultur dient und damit auch einen Teil logischen Erwägungen heraus gibt es klare Emp-
waidgerechten Handelns darstellt.                    fehlungen. So wird einerseits von einer Bejagung
                                                     im Spätwinter (nach Ende Dezember) ebenso wie
   Doch damit nicht genug der Widersprüche: von einer Bejagung im Frühjahr und Frühsommer
Heute mehren sich die Stimmen aus Wissen- dringend abgeraten.
schaft und Praxis, dass vor allem aus Gründen
des Tierschutzes, um nämlich einen „zeitlichen         Ersteres ist deshalb wichtig, um wiederkäuen-
Ruhraumes“ in der übernutzten Kulturlandschaft den Schalenwildarten den Eintritt in die Phase der
(Stressvermeidung beim Wild) zu schaffen, die winterlichen Stoffwechselreduktion zu ermögli-
Nachtjagd abzulehnen ist. Somit wäre die Nacht- chen. Dadurch würde die Aktivität ebenso wie der
jagd als jagdlich unethisch abzulehnen und folg- Äsungsbedarf deutlich gesenkt und so Schäden
lich auch nicht waidgerecht.                         an der Waldvegetation vermieden. Neben jagdli-
                                                     chen Störungen können allerdings auch Störun-
   Ein weiteres Argument betrifft ebenfalls den gen durch Freizeitnutzung der Landschaft diese
Tierschutz: Schwierigkeiten beim Ansprechen und physiologische Anpassung verhindern.
Schießen in der Nacht bergen die Gefahr, dass in
der Nacht mehr führende Tiere erlegt werden und        Eine Bejagung im Frühjahr und Frühsommer gilt
dass schlechtere Schüsse angebracht werden.          als problematisch, da hier ein extrem hoher Äs-
                                                     ungsbedarf herrscht und jagdliche Störungen dazu
   Dieses Beispiel zeigt, dass eine klare hierarchi- führen, dass das Wild nicht lange genug auf Offen-
sche Abstufung jagdlicher Werte bisher fehlt und flächen äsen kann, sondern einen Großteil dieses
wohl auch nicht immer einfach herzuleiten, aber erheblichen Nahrungsbedarfes in Dickungen und
im Grunde erforderlich ist.                          auf Verjüngungsflächen im Wald decken muss.

  Ebenfalls als nicht waidgerecht gilt der (aktive) Aus Tierschutzsicht stellt vor allem die verse-
Einsatz oder die (passive) Nutzung künstlicher hentliche Erlegung führender Muttertiere ein

                                                             3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 23
Prof. Dr. Dr. Sven Herzog

                                                                                Reh-, Rot- oder Schwarzwild. Demenstprechend
                                                                                müssen dann z.B. die Hunde oder die Größe des
                                                                                Treibens gewählt werden. Auf Rot- und Schwar-
                                                                                zwildjagden ist zu hinterfragen, welches Wild (Ba-
                                                                                chen? Alttiere? Rehwild?) freizugeben ist. Auch
                                                                                hinsichtlich der Auswahl der Schützen werden
                                                                                nach wie vor Fehler gemacht. Mangelnde persön-
                                                                                liche Disziplin ist dabei noch problematischer als
                                                                                mangelnde Schießfertigkeit; letztere kann durch
                                                                                Zurückhaltung ausgeglichen werden. Und die
                                                                                Praxis zeigt, dass diejenigen, die regelmäßig im
                                                                                Schießkino enorme Berge leerer Patronenhülsen
                                                                                produzieren, keineswegs immer die richtigen Jä-
                                                                                ger für diese Jagdmethode sind.

                                                                                   Das Problem der fehlenden Meldung (vermeint-
 Abb. 3: Das Vorhalten                                                          licher) Fehlschüsse oder gar krankgeschossenen
   einer hinreichenden      Problem der Frühjahrs- und Frühsommerbeja- Wildes durch die Schützen und die falsche Orga-
Zahl Nachsuchegespan-       gung dar. Für das Schwarzwild ist der ganzjäh- nisation von Nachsuchen stellen ein weiteres Pro-
 ne ist Pflicht bei jeder   rige Verzicht auf Schonzeiten das falsche Signal. blem dieser Jagdmethode dar.
    Drück-Stöber-Jagd.      Auch wenn der gesetzliche Muttertierschutz noch
                            greift, so würde eine klar definierte Schonzeit für    Schließlich ist zu hinterfragen, wo genau die
                            Bachen eine gewisse Rechtssicherheit zumindest Grenze zwischen einer misslungenen Drück-Stö-
                            während eines Teils des Jahres bedeuten.            ber-Jagd und einer (verbotenen) Hetzjagd liegt.
                                                                                Diese kann nicht alleine in der Intention des Jagd-
                            4.4 Probleme einzelner Jagdmethoden                 leiters gesucht werden. Vielmehr ist hier auf die
                                                                                tatsächliche Art und Weise der Durchführung ab-
                            Aus Tierschutzsicht sind es vor allem die sog. „Be- zustellen. So ist die Frage zu stellen, welche Hun-
                            wegungsjagden“, ein etwas unglücklich geratener de (Größe?, Ausbildung?) eingesetzt werden, ob
                            Begriff für Treib-, Drück- und Drück-Stöber-Jag-
                            den, welche nicht selten Probleme bereiten.

                               Während Drückjagden i.e.S., also das Beun-
                            ruhigen durch wenige Treiber im allgemeinen
                            problemlos sind, stehen heute zunehmend die
                            Drück-Stöber-Jagden, bei denen zusätzlich Hun-
                            de eingesetzt werden, in der öffentlichen Kritik.
                            So gab es 2019 in Luxemburg eine Initiative, der-
                            artige Jagden generell zu verbieten. Auch wenn
                            diese vorerst nicht erfolgreich war, werden ähn-
                            liche Forderungen auch in Zukunft immer wieder
                            auftauchen.

                              Die Probleme der Drück-Stöber-Jagden liegen
                            nicht in der Jagdmethode an und für sich, son-
                            dern vor allem in der fehlerhaften Planung und
                            Durchführung. Eigene Untersuchungen und Er-
                            fahrungen zeigen, dass die große Mehrzahl dieser
                            Jagden grobe handwerkliche Fehler in der Durch-
                            führung aufweist, darunter auch solche, die zu
                            eklatanten Tierschutzproblemen führen.

                              Das Spektrum der Probleme beginnt mit der
                            Planung. Drück-Stöber-Jagden sollten spezifisch     Abb. 4 und 5: Wenn die Strecke einer Drück-Stöber-Jagd so
                            auf eine Wildart ausgerichtet werden, etwa auf      aussieht, ist einiges schiefgelaufen.

            Seite 24 I Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.
Tierschutz im Lichte jagdlicher Nachhaltigkeit

das Wild mehrere Schützenketten passieren muss,
um zu entkommen und anderes mehr.

  Andere Jagdmethoden, etwa die Fangjagd, ber-
gen ebenfalls Risiken für das Tierwohl.

  So werden zunehmend Totfangfallen verboten.
Es stellt sich aber die Frage, ob Lebendfallen im
Vergleich zu korrekt arbeitenden und gestellten
Totfangfallen nicht größere Tierschutzprobleme
(Angst, Verletzungen) bergen.

4.5 Fütterung und nicht erfolgte Fütterung
in der Notzeit

Während wir beim Niederwild das Thema Fütte-
rung (noch) vergleichsweise sachbasiert diskutie-                                                         Abb. 6: Tourismus und
ren, geraten wir bei der Debatte um Fütterung        sche Anpassungen im Sinne einer Drosselung des       Wintersport sind neben
des Schalenwildes sehr schnell in ein hochemoti-     Energiestoffwechsels auf. Diese funktionieren al-    der Jagd selbst wichtige
onales Fahrwasser, welches sich Außenstehenden       lerdings nur, wenn die Tiere weitestgehende Ruhe     tierschutzrelevante
als eine unselige Melange aus Neid, Ideologie und    genießen, z.B. in kaum oder unbesiedelten Regio-     Faktoren.
Gewinnstreben darstellt.                             nen wie wir sie heute allenfalls noch in Nordame-
                                                     rika oder Nord- bzw. Osteuropa finden. In unserer
   Die Frage, warum wir überhaupt Schalenwild dicht besiedelten Zivilisationslandschaft erlebt ein
füttern, und ob und ggf. wann Fütterung wich- Stück Schalenwild täglich eine Vielzahl von Stö-
tig oder gar notwendig ist, wird bis heute immer rungen, etwa durch Jagd und Forstwirtschaft, vor
wieder diskutiert.                                   allem aber durch die in Deutschland außerordent-
                                                     lich liberal geregelte Freizeitnutzung der Natur.
   Der Begriff „notwendig“ sagt es bereits: meist
meinen wir, wenn wir von Wildfütterung spre-            Diese Störungen führen dazu, dass die natürli-
chen, die Notzeitfütterung. Daneben kennen wir chen Anpassungsvorgänge (Stoffwechselregulati-
aber weitere, davon klar zu unterscheidende An- on) nicht wirken. Die Reserven der Tiere, die unter
lässe für Futtergaben.                               natürlichen Bedingungen bis zum Frühjahr ausrei-
                                                     chen, werden vorzeitig aufgebraucht.
   Notzeitfütterung ist ein Managementinstru-
ment, welches dem Wild helfen soll, eine defi-          Wenn dann nicht hinreichend Nahrung in Wald
nierte, typischerweise durch den Menschen verur- oder Feld verfügbar ist, ist eine Notzeitfütterung
sachte, Notsituation zu überstehen.                  erforderlich. Eine ausschließliche Dichtereduktion
                                                     des Wildes, wie sie aus unterschiedlichen Vorstel-
   Es gibt durchaus unterschiedliche Notzeitsituati- lungen heraus immer wieder gerne propagiert
onen für Wildtiere, man denke etwa an die Situ- wird (nicht selten auch nur, um Futterkosten zu
ation unmittelbar nach der Ernte großer landwirt- sparen), reicht hier nicht aus, da es sich typischer-
schaftlicher Schläge.                                weise um ein qualitatives, nicht um ein quantita-
                                                     tives Problem handelt: ein einzelnes Tier, das am
   Meist wird der Begriff allerdings synonym mit Verhungern ist, kann deutlich größere Schäden im
demjenigen der Winterfütterung verwendet, stellt Wald verursachen, als ein sachgerecht überwin-
doch der Winter in unseren Breiten oftmals (nicht terter Bestand.
immer) eine typische Notzeit für die Schalenwild-
arten dar. Dieser nahrungsarmen Zeit wird durch         Eine Alternative wären etwa hinreichend große,
unterschiedliche Anpassungsmechanismen be- echte Wildruhezonen, wie sie in den vergange-
gegnet, der bekannteste ist das Anlegen von Fett- nen Jahren teilweise in Graubünden eingerichtet
reserven im Sommer und Herbst.                       wurden. Solche Ruhezonen existieren derzeit in
                                                     Deutschland leider nirgends. Unter unserem ex-
   Wildwiederkäuer weisen darüber hinaus weite- trem liberalen Waldbetretungsrecht werden sie
re, morphologisch-anatomische und physiologi- auch kaum eingerichtet werden können. Solche

                                                             3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 25
Prof. Dr. Dr. Sven Herzog

   Abb. 7: Das Vorlegen
naturnaher Äsungsmög-
  lichkeit (hier Spiegel-
    rinde bei Kiefer für
 das Rotwild) hilft, den
 Winter zu überstehen.

                            Ruhezonen erfordern zumindest während der            4.6. Kirrung
                            Wintermonate ein absolutes Betretungsverbot für
                            jeden, ob Jäger, Förster oder Waldbesucher und       Eine von der Winter- oder Notzeitfütterung
                            gleichzeitig entsprechend drastische Sanktionen      grundsätzlich zu unterscheidende Form der Fut-
                            bei Zuwiderhandlung. Diese Konstellation ist bei     tergabe an Wildtiere stellt die Kirrung dar. Sie
                            uns nicht einmal in den Nationalparken gegeben.      dient a priori weder dem Tierschutz noch der
                                                                                 unmittelbaren Schadensvermeidung, sondern
                              Weiterhin weist gerade das Rotwild noch eine       soll das Wild anlocken, damit es leichter erlegt
                            Besonderheit auf: unter natürlichen Bedingungen      werden kann. Damit gehört die Kirrung sicher
                            wandert es zwischen Sommereinständen (oft im         zu den umstrittensten Formen der Futtergabe an
                            Mittel- oder Hochgebirge) und Wintereinständen.      Wildtiere. Von den einen wird sie als unfair und
                            Dabei wandern die Tiere einzeln bzw. in kleinen      unethisch verteufelt, von den anderen als unum-
                            Sozialverbänden, sodass diese Bewegungen nicht       gänglich angesehen, um eine bestimmte Jahres-
                            so eindrucksvoll verlaufen, wie wir es etwa von      strecke, etwa beim Schwarzwild, zu erreichen.
                            Huftieren in afrikanischen Savannenlandschaften      An dieser Stelle sei auf eine vertiefende Diskussi-
                            kennen.                                              on der Fragen jagdlicher Ethik verzichtet. Große
                                                                                 Probleme der Kirrung liegen allerdings einerseits
                              Winterlebensräume des Rotwildes lagen früher       beim Tierschutz, andererseits in der Provokation
                            in den Niederungen, typischerweise in den aus-       von Schäden. Ersteres deshalb, da die Kirrung
                            gedehnten Auwäldern entlang der Flüsse. Diese        typischerweise auch mit dem Ende der Jagdzeit
                            Flächen fehlen den Tieren heute völlig, sind meist   endet. So besteht das Risiko, dass das Wild an
                            schon seit vielen Jahrhunderten zu Siedlungs- oder   geringe, aber regelmäßige Futtergaben gewöhnt
                            Agrarflächen umgewandelt und damit endgültig         wird, welche dann abrupt und zum ökologisch
                            verloren. Demzufolge muss das Rotwild heute          ungünstigsten Zeitpunkt im Winter enden. Kir-
                            meist in seinen Sommereinständen (oft identisch      rung im Wald provoziert darüber hinaus nicht
                            mit den Rotwildgebieten) überwintern, was meist      selten hohe Schäden, wenn sie das Wild gera-
                            nur durch den Einsatz dezentraler Fütterungen        de in jene Flächen lockt, aus denen es – etwa
                            oder von Wintergattern ohne größere Schäden im       im Rahmen von Schwerpunktjagdkonzepten –
                            Wald funktioniert.                                   durch Jagddruck vergrämt werden soll.

            Seite 26 I Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.
Tierschutz im Lichte jagdlicher Nachhaltigkeit

4.7. Bleifreie Munition                             Damit sind derartige Handlungen allerdings nicht
                                                  zwangsläufig unethisch; hinsichtlich ihrer ethischen
Die Forderung nach bleifreier Munition begründet Rechtfertigung werfen sie allerdings ganz spezielle
sich im Wesentlichen durch Argumente aus Sicht Fragen auf. Sie sollten aber auch in der Begrifflich-
des Verbraucherschutzes, ggf. auch des Tierschut- keit deutlich von der Jagd unterschieden werden.
zes (Greifvögel). Artenschutzargumente greifen
hier allerdings nicht, da beispielsweise Seeadler   Entscheidend ist allerdings die Minimierung von
in den vergangenen Jahren gerade dort in ihrer Tierleid, d. h. die Vermeidung von Stress, Angst
Abundanz zugenommen haben, wo intensiv (und und Schmerzen. Dies sollte zumindest gleichran-
mit bleihaltiger Munition) gejagt wurde. Mögli- gig etwa mit Sicherheitsaspekten gesehen werden
cherweise ist die bessere Nahrungsversorgung im und dementsprechend zunehmend in die fachli-
Winter (z. B. durch Aufbrüche) dafür mitverant- che Praxis der Jagd einfließen.
wortlich.
                                                    Wie wir bereits aus dieser kurzen Übersicht er-
   Solange jedoch keine hinsichtlich der Tötungs- kennen, sind Waidgerechtigkeit und jagdliche
wirkung (und zwar in der Hand des Durchschnitts- Nachhaltigkeit im Sinne soziokultureller Nachhal-
jägers) eindeutigen Ergebnisse für bleifreie Mu- tigkeit wesentliche Garanten des Tierwohls im
nition vorliegen, muss weiter nach technischen jagdlichen Kontext. Diese Konzepte sollten zu-
Lösungen zur Minimierung toxischer Bestandteile künftig (einschließlich freiwilliger Zertifizierungs-
gesucht werden. Ein allgemeiner Verzicht auf be- systeme) intensiv weiterentwickelt werden, sodass
währte bleihaltige Geschosstypen wäre aus Tier- sie den auf sie zukommenden Aufgaben gewach-
schutzsicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher sen sind.
kontraproduktiv.

      5. Fazit                                      Adresse:
                                                    Prof. Dr. forest. Dr. med. Sven Herzog
Warmblütige Wirbeltiere stehen uns Menschen         Dozentur für Wildökologie u. Jagdwirtschaft,
evolotionsbiologisch und damit auch emotional       TU Dresden
sehr nahe, sodass wir ihnen gegenüber auch Ver-     Piennerstr. 8
antwortlichkeit für ihr individuelles Wohlergehen   01737 Tharandt
empfinden, vom Prinzip her durchaus vergleichbar    Tel.: 035203 / 3831232
mit den Empfindungen im zwischenmenschlichen        E-Mail: herzog@forst.tu-dresden.de
Bereich.

  Das Tierschutzrecht, aber auch Bestimmungen
im Jagdrecht, regeln in Deutschland diese Inter-
aktion und geben ein Mindestmaß an Normen
vor. Wesentliche Grundlage ist hierbei die dem
Humanismus entstammende Vorstellung, dass
das Töten von Tieren eines wichtigen Grundes
bedarf und dass Tieren Schmerzen und Leiden
nur in einem absolut unvermeidbaren Ausmaß
zugefügt werden dürfen. Diese Regeln sind tra-
ditionell im Begriff der Waidgerechtigkeit subsu-
miert, welche ihrerseits einen wesentlicher Teil
jagdlicher (soziokultureller) Nachhaltigkeit dar-
stellt.

  Zur nachhaltigen Jagd gehört das Töten von Tie-
ren, um diese zu nutzen. Einen Fuchs oder den
gestreiften Frischling zu erlegen, um ihn zu ver-
graben oder Kormorane zu töten und in Tierkör-
perbeseitigungsanstalten zu entsorgen ist in die-
sem Sinne keine (nachhaltige) Jagd, sondern steht
eher der Schädlingsbekämpfung nahe.

                                                            3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 27
Seite 28 I Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V.
Diagnostik von Wildkrankheiten –
                                                                                                                          ein wichtiger Beitrag zum Tierschutz

                                                                                                                          Dr. Matthias Müller

                                                                                                         Einleitung

                                                                                                   Beim Wildtier können wie beim Haus- und               untersucht, da neben akuten Krankheitsverläufen
                                                                                                   Nutztier zahlreiche Krankheiten auftreten und         auch milde oder subklinische Verläufe zu erwarten
                                                                                                   Schäden, Leiden und Schmerzen verursachen.            sind. Sämtliche auf ASP und KSP in den vergange-
                                                                                                   Außerdem beherbergen Wildtiere mitunter Krank-        nen Jahren am LGL untersuchten Wildschweinpro-
                                                                                                   heitserreger, die auf den Menschen übertragbar        ben erbrachten ausschließlich negative Ergebnisse.
                                                                                                   sind (Zoonosen) oder solche, die bei Nutztieren
                                                                                                   schwerwiegende Erkrankungen mit Folgen für              Der Erreger der Aujeszkyschen Krankheit ist in
                                                                                                   Tiergesundheit und Tierhaltung hervorrufen kön-       der deutschen Wildschweinepopulation seit vielen
                                                                                                   nen (anzeigepflichtige Tierseuchen). Die Diagnos-     Jahren vorhanden und kann über den Kontakt mit
                                                                                                   tik von Wildkrankheiten ist somit aus der Sicht des   infizierten Tieren auf Hausschweine, Rinder und
                                                                                                   Tierschutzes und der Tiergesundheit von großer        Hunde übertragen werden. Für die Diagnostik der
                                                                                                   Bedeutung. Aus diesem Grund werden in Bayern          AK werden Blutproben gesund erlegter Wildschwei-
                                                                                                   Wildtiere am Bayerischen Landesamt für Gesund-        ne untersucht. In den letzten Jahren wurden in ca.
                                                                                                   heit und Lebensmittelsicherheit (LGL) verstärkt       10-12 % der Blutproben Antikörper gegen das AK-
                                                                                                   in sogenannten Monitoring-Programmen unter-           Virus festgestellt, wobei die regionale Verteilung in-
                                                                                                   sucht, von denen einige näher dargestellt werden      nerhalb Bayerns sehr unterschiedlich ist. Das Risiko
                                                                                                   sollen. Der Fokus der Monitoring-Untersuchungen       der Übertragung auf Hunde ist nach wie vor hoch.
                                                                                                   liegt dabei auf der Diagnostik von Zoonose- und       Dies zeigt der Fall eines Jagdhundes aus Unterfran-
                                                                                                   Tierseuchenerregern.                                  ken, der zwei Tage nach dem Kampf mit einer an-
                                                                                                                                                         geschossenen Wildsau heftigen Juckreiz, Speicheln
                                                                                                         Schwarzwild-Monitoring                          und Krämpfe entwickelt hat und euthanasiert wer-
ALLE ABB.: DR. MATTHIAS MÜLLER / BAYERISCHES LANDESAMT FÜR GESUNDHEIT UND LEBENSMITTELSICHERHEIT

                                                                                                                                                         den musste. Die Sektion am LGL erbrachte eine
                                                                                                   Das Schwarzwild-Monitoring umfasst die Dia-           nicht-eitrige Gehirn- und Rückenmarkentzündung;
                                                                                                   gnostik der Klassischen (Europäischen) Schweine-      molekularbiologisch wurde ein AK-spezifisches
                                                                                                   pest (KSP), der Afrikanischen Schweinepest (ASP)      Herpesvirus nachgewiesen. Die Tiere infizieren sich
                                                                                                   und der Aujeszkyschen Krankheit (AK).                 über die Aufnahme von ungenügend erhitztem er-
                                                                                                                                                         regerhaltigem Fleisch und Organen sowie den Kon-
                                                                                                     Während die Klassische Schweinepest zum             takt mit Wildschweinen, die das Virus beherbergen
                                                                                                   letzten Mal 2006 in Deutschland aufgetreten ist,      und unter Stresssituationen ausscheiden.
                                                                                                   gab es hierzulande bislang noch keinen Fall von
                                                                                                   Afrikanischer Schweinepest. Nachdem die Er-                  Brucellose-Monitoring
                                                                                                   krankung in 2019/2020 innerhalb der EU zahl-
                                                                                                   reiche Länder wie Belgien, Serbien, Slowenien,
                                                                                                   Rumänien, Ungarn und das Baltikum erfasst hat
                                                                                                   und sich zuletzt mehrere Ausbrüche unweit der
                                                                                                   deutschen Grenze in Polen ereignet haben, ist das
                                                                                                   Ausbreitungsrisiko der ASP nach Deutschland wei-
                                                                                                   ter gestiegen. Für die Diagnostik der ASP werden                                                               Abb. 1: Hoden, Wild-
                                                                                                   überwiegend Tupferproben krank erlegter oder tot                                                               schwein, Brucellose
                                                                                                   aufgefundener Wildschweine untersucht, da davon                                                                (Brucella suis): eitrige
                                                                                                   auszugehen ist, dass die Erkrankung beim ersten                                                                und mit Gewebsunter-
                                                                                                   Auftreten deutliche klinische Erscheinungen her-                                                               gang einhergehende
                                                                                                   vorruft. Demgegenüber werden für die Diagnostik                                                                Hodenentzündung
                                                                                                   der KSP Blutproben gesund erlegter Wildschweine                                                                (Orchitis)

                                                                                                                                                                  3. Symposium Jagd und Tierschutz I Seite 29
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