8 Sport in der Hauptschule - Offizielles Organ des Deutschen Sportlehrerverbandes e.V. (DSLV) - Hofmann-Verlag

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8 Sport in der Hauptschule - Offizielles Organ des Deutschen Sportlehrerverbandes e.V. (DSLV) - Hofmann-Verlag
Das Fachmagazin für Sportlehrerinnen und Sportlehrer   Monatsschrift zur Wissenschaft und Praxis des Sports mit Lehrhilfen

                                                                                                              Offizielles Organ des Deutschen 
                                                                                                              Sportlehrerverbandes e.V. (DSLV)

                                       Hauptschule
                                       Sport in der
                                                                                                              57. Jahrgang
                                                                                                              August 2008
                                                                                                                                      8
8 Sport in der Hauptschule - Offizielles Organ des Deutschen Sportlehrerverbandes e.V. (DSLV) - Hofmann-Verlag
herausgegeben vom
            Deutschen Sportlehrer-                 Inhalt                                                             Jg. 57 (2008) 8
            verband e. V. (DSLV)
vereinigt mit

KÖRPERERZIEHUNG
Herausgegeben vom Hofmann-Verlag                   Brennpunkt              . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  241
Schriftleiter: Dr. Norbert Schulz                  Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  242
Redaktionskollegium:
Prof. Dr. W.-D. Brettschneider
Prof. Dr. Klaus Cachay
Dr. Elke Creutzburg
Prof. Dr. Ulrich Göhner
Prof. Dr. Albrecht Hummel                          Beiträge	Gabriele Sobiech
Prof. Dr. Michael Krüger
Dr. Ilka Seidel (Vertreterin des DSLV)             	Ethnisch-kulturelle Konflikte im Sport-
Herbert Stündl                                               unterricht der Hauptschule? . . . . . . . . . . . . . . . . .  244
Prof. Dr. Ulrike Ungerer-Röhrich
Dr. Bettina Wurzel
Helmut Zimmermann                                  	Norbert Fessler, Günter Stibbe, Elke Haberer
Schriftleiter der „Lehrhilfen“:                    	Besser Lernen durch Bewegung?
Heinz Lang
Neckarsulmer Str. 5, 71717 Beilstein                 Ergebnisse einer empirischen Studie
E-Mail: H-W.Lang@t-online.de                         in Hauptschulen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  250
Manuskripte für den Hauptteil an:
Dr. Norbert Schulz                                   Harald Lange, Silke Sinning
Marderweg 55, 50259 Pulheim
E-Mail: n.schulz@dshs-koeln.de                     	Zum Problem der Themenkonstitution im
Besprechungen und                                    ­Sportunterricht der Hauptschule. . . . . . . . . . . . .  256
Besprechungsexemplare an:
Dr. Norbert Schulz
Marderweg 55, 50259 Pulheim
Informationen, Termine an:                         Buchbesprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  261
Herbert Stündl
Im Senser 5, 35463 Fernwald                        Nachrichten und Berichte aus dem
Erscheinungsweise: Monatlich                       Deutschen Sportlehrerverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  264
(jeweils in der 2. Hälfte des Monats)
Bezugsbedingungen:                                 Zusammenfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  271
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Westfalen, Hessen und Berlin erhalten sport­
unterricht im Rahmen ihrer Mit­glied­schaft
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sen, falls nicht ausdrücklich anders vereinbart.
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                                                              Spiele ohne Konkurrenzgedanken . . . . . . . . . . .                                                    1
mög­­lich und müssen 3 Monate vor dem 31.
Dezember beim Verlag eintreffen.                                           Sabine Hafner
Die Post sendet Zeitschriften auch bei Vor­
liegen eines Nachsendeantrags nicht nach!                                  Turnen in der Hauptschule: kein Problem! . . .                                             7
Deshalb bei Umzug bitte Nachricht an den
Verlag mit alter und neuer Anschrift.                Winfried Abt
Vertrieb: siehe Verlag
Telefon (0 71 81) 402-127
                                                   	Spielorientierte Schulung koordinativer
Anzeigen: siehe Verlag                               ­Fähigkeiten im Sportunterricht der
Telefon (0 71 81) 402-138                             Hauptschule! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                  11
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Hofmann GmbH & Co. KG
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Tel. (0 71 81) 402-0, Fax (0 71 81) 402-111
E-Mail: info@hofmann-verlag.de                     Titelbild Gabriele Sobiech.
8 Sport in der Hauptschule - Offizielles Organ des Deutschen Sportlehrerverbandes e.V. (DSLV) - Hofmann-Verlag
Brennpunkt

The games must go on

Dieser Satz des IOC-Präsidenten Avery      ser Hinsicht traurige Beispiele gelie-     wenn man gewinnen möchte; das
Brundage ist berühmt geworden. Er          fert: Man denke nur an die Spiele von      man glücklich und stolz auf die eige-
sprach ihn bei der Trauerfeier für die     1936, als in Berlin glanzvolle Olym-       ne Leistung sein kann, ohne dem
Opfer des palästinensischen Terroran-      pische Spiele abgehalten wurden und        Konkurrenten seinen Erfolg zu nei-
schlags bei den Olympischen Spielen        sich das NS-Regime gleichzeitig daran      den; dass man Hass, Neid, Eifersucht
von München 1972. Wie man heute            machte, den Weltkrieg und die Ver-         und Gewalt nicht dadurch überwin-
sieht, hat er Recht behalten. Die Spiele   nichtung der Juden vorzubereiten.          det, dass man diese tiefen Gefühle
sind weitergegangen und sie müssen         Oder 1972, als wir nicht verhindern        leugnet oder verdrängt, sondern in-
auch weitergehen, weil die Welt ohne       konnten, dass das Friedensfest des         dem man sie zu beherrschen lernt.
sie ärmer wäre, und die Menschen           Weltsports zum Schauplatz eines ge-        Im olympischen Sport ist das möglich,
ohne sie ein Stück weniger Hoffnung        meinen Attentats werden konnte.            warum sollte es nicht auch im nor­
hätten – auch und gerade diejenigen,       Die Frage, was wäre gewesen wenn …         malen Leben gelingen können. Das
die nicht auf der Sonnenseite des Le-      stellen sich Historiker normalerwei-       ist die Vision, die die Menschen in al-
bens stehen, wie beispielsweise die        se nicht. Als Brennpunktautor darf         ler Welt bei Olympischen Spielen zu
meisten Menschen in China, wo gegen-       man sie jedoch stellen und auch zu         sehen bekommen. Diese Vision ver­
wärtig die Feier anlässlich der XXIX.      beantworten versuchen. Nach allem          stehen alle, weil sie in der globalen
Olympiade der Neuzeit stattfindet.         was man heute weiß, hätten sich die        Sprache des Körpers verbreitet wird.
Im Vorfeld der Spiele ist immer wie-       nationalsozialistischen Machthaber         Dazu braucht man weder die Inter-
der die Frage diskutiert worden, ob es     nicht davon abhalten lassen, ihre          pretationen von Philosophen noch
denn richtig wäre, Olympische Spiele       mörderische Politik weiter zu verfol-      die Legitimationsversuche von Sport-
in einem Land durchzuführen, in            gen, wenn die Spiele von 1936 boykot-      funktionären. Der Friedensnobelpreis­
dem die Menschenrechte mit Füßen           tiert oder abgesagt worden wären;          träger und große Sportler Sir Philip
getreten werden, Willkür und Korrup-       und Yassir Arafat, der Palästinenser-      Noel-Baker hat dies mit Blick auf die
tion herrschen und ganze Volksgrup-        führer und spätere Friedensnobel-          Spiele von 1936 so formuliert: „The
pen wie die der Tibeter unterdrückt        preisträger, hätte sich ein anderes Ziel   message was that the chosen competi-
werden. Aber es ist nicht das erste        auf der Welt gesucht, um Israel und        tors of all the nations were one great
Mal, dass Spiele unter solchen Um-         die Juden zu treffen, wenn die Sicher-     happy family, inspired by the same
ständen stattfinden; es ist vielmehr       heitsvorkehrungen in München 1972          ideal of sportsmanship, bound toge-
die Regel, weil die Welt eben nicht        so gewesen wären, dass sie ihren Na-       ther by ties of common interest and
friedlich, menschlich und gerecht ist.     men verdient hätten.                       friendship“.
Gerade wir Deutschen haben in die-         Die chinesische Führung hätte sich         Diese einfache, elementare Botschaft
                                           ebenfalls in ihrer Politik nicht beirren   des olympischen Sports ist heute mehr
                                           lassen, wenn die Spiele, wie dies im       denn je eine Hoffnung, auf die die
                                           Vorfeld immer wieder erwogen wur-          Menschen bauen. Sie wird auf der gan­
                                           de, boykottiert worden wären. Aber         zen Welt tagtäglich gelebt: in Clubs
                                           dann hätten die Menschen in China          und Vereinen, bei Wettkämpfen, Tur-
                                           und auch ihre Führer das große             nieren, Turn-, Spiel- und Sportfesten
                                           Schauspiel, das dort im Augenblick         auf allen Ebenen und Könnensstufen
                                           stattfindet, nicht zu sehen bekommen       … und nicht zuletzt auch im Schul-
                                           und damit auch seine Botschaft nicht       sport und sogar bei den Ferienfrei­
                                           erhalten: Dass es möglich ist, in Frie-    zeiten und -programmen, die jetzt in
                                           den miteinander Sport zu treiben,          den Sommerferien überall stattfin-
                                           ohne dass Unterschiede von Rasse,          den. Die Menschen in der Welt von
                                           Religion, Herkunft, Politik oder Welt-     heute, und besonders die jungen,
                                           anschauung dabei eine Rolle spielten;      brauchen und möchten guten, fairen,
                                           dass jeder die Regeln einhalten muss,      olympischen Sport.
                                           auch die Mächtigen; dass man sich
                                           gegenseitig respektieren muss, wenn
                                           das Spiel gelingen soll; dass man sich
                                           friedlich streiten und messen kann;
Michael Krüger                             dass man sich anstrengen muss,

sportunterricht, Schorndorf, 57 (2008), Heft 8                                                                          241
8 Sport in der Hauptschule - Offizielles Organ des Deutschen Sportlehrerverbandes e.V. (DSLV) - Hofmann-Verlag
Informationen

Zusammengestellt von Herbert Stündl, Im Senser 5, 35463 Fernwald

Termin                                     Kontakt: Dr. Claudia Fleischle-Braun,           Sportentwicklungsbericht
9. 10.–10. 10. 2008                        Kastanienweg 8, 70597 Stuttgart, Tel.           Der Sportentwicklungsbericht 2005/
9. Symposium der dvs-Kommission            07 11 / 7 65 48 97, E-Mail: claudia.fleischle   2006 wurde zur Jahreswende 2007/
Leichtathletik                             @arcor.de                                       2008 mit der Veröffentlichung des rund
„Differenzielles Lernen – Vom Nach-                                                        700-seitigen Gesamtberichts, einer
wuchs- zum Leistungstraining in der        Sportspielsymposium                             mehrsprachigen Kurzfassung, einer
Leichtathletik“                            Das 6. Sportspielsymposium der dvs-             Veröffentlichungsreihe in der DOSB-
Tagungsort: Mainz                          Kommissionen Sportspiele – Fußball –            Presse und einer komprimierten Dar-
Veranstalter: dvs-Kommission Leicht­       Tennis mit dem Motto „Sportspielkul-            stellung ausgewählter Fakten und Ana-
athletik                                   turen erfolgreich gestalten“ findet vom         lysen abgeschlossen. im Vordergrund
Kontakt: Hendrik Beckmann, Johan­nes-      30. 9. bis 2. 10. 2008 auf em Campus der        dieses – ersten – Sportentwicklungsbe-
Gutenberg-Universität Mainz, Institut      Universität Konstanz statt.                     richts stand insbesondere die Aktuali-
für Sportwissenschaft, Albert-Schweit-     Sechs Hauptvorträge von renommier-              sierung, Verbesserung und Harmonisie-
zer-Str. 22, 55099 Mainz, E-Mail: move.    ten Referenten (unter anderem Stelian           rung von Argumentations- und Legiti-
brain@uni-mainz.de                         Moculescu und Stefan König) und über            mationswissen und von Analysen zum
                                           50 Arbeitskreisbeiträge stehen zur Aus-         gesellschaftlich relevanten Leistungs-
Tanzpädagogik                              wahl. Eine Podiumsdiskussion im ehr-            spektrum des Sports.
Die tanzpädagogische Aus- und Weiter-      würdigen „Konstanzer Konzil“ sowie              Der Sportentwicklungsbericht 2005/
bildungslandschaft ist äußerst viel-       eine exklusive Bootstour auf dem Bo-            2006 sowie der Bundesbericht 2007/
schichtig: Aufgrund der Vielfalt des       densee bieten Gelegenheit zum di-               2008 sind als Download ver­fügbar:
tanzkulturellen Feldes gibt es in          rekten Meinungsaustausch.                       www.dosb.de/fileadmin/fm-dosb/
Deutschland ein breites Angebot an         Anmeldung online unter www.sport                arbeitsfelder/wiss-ges/Dateien/Siegel_
Qualifizierungen, das institutionell so-   spielsymposium.de oder Alexander                Bundesbericht_SEB07_08.pdf
wohl von Hochschulen, Akademien            Weng, Telefon 0 75 31 / 88 35 29, alex
und Berufsfachschulen als auch von         ander.weng@uni-konstanz.de                      Turnhallen-Planer
Verbänden und Vereinen getragen wird.                                                      Die Sportstudentin Stefanie Fischer hat
Dabei gelten unterschiedliche Anforde-     Schul-Fitnesstests                              zur besseren und schnelleren Vorberei-
rungen, die Ausbildungskonzepte sind       Die Sportministerkonferenz und die              tung von Sportunterrichtsstunden ei-
in ihren Umfängen, Lehrplänen, Curri-      KMK schlagen die Einführung eines               nen 3D-Hallenplaner entwickelt. Mit
cula und Abschlüssen sehr unterschied-                                                     diesem Planer kann man Sportstunden
                                           einheitlichen Fitnesstests für die deut-
lich und es besteht wenig Durchlässig-                                                     (in Word) vorbereiten und den Geräte-
                                           schen Schulen vor. Ziel dieses Vor-
keit, Vergleichbarkeit und Kompatibili-                                                    aufbau sowie die Halleneinteilung
                                           schlages ist es, perspektivisch statistisch
tät zwischen den verschiedenen Ausbil-
                                           verlässliche Daten über die Fitness von         durch einen ausgedruckten Plan er-
dungsgängen.
                                           kindern und Jugendlichen in Deutsch-            leichtern.
In den letzten Jahren zeichnen sich, be-
                                           land zu bekommen. Um zu erfahren, in-           Der Hallenplaner ist kostenlos. Als Ge-
dingt durch den „Bologna-Express“ so-
                                           wieweit derzeit sportmotorische Tests           genleistung sind Anregungen und Ver-
wie durch Initiativen, die durch den
                                           an Schulen Anwendung finden, wurde              besserungsvorschläge      willkommen:
Tanzplan Deutschland e. V. gefördert
                                           ein Fragebogen entwickelt. Die Teil­            www.stefanie-a-fischer.de
werden, strukturelle und inhaltliche
Veränderungen und Reformen ab, vor         nahme an der Befragung erfolgt ano-
                                           nym. Es werden lediglich Angaben er-            Integration durch Sport
allem auch der Beginn einer stärkeren
organisatorischen Vernetzung.              hoben zum Geschlecht, Lebensalter,              Das Programm „Integration durch
Die Gesellschaft für Tanzforschung e. V.   zum Dienstalter, zur Schulform, an der          Sport“ ist ein bundesweit durchgeführ-
(GTF) und die Akademie Remscheid           Sie unterrichten, und ob Sie an einer           tes Projekt des Deutschen Olympischen
planen vom 12. bis 14. 9. 2008 eine in-    Uni oder PH das Fach Sport studiert ha-         Sportbundes und seiner Mitgliedsorga-
tensive „Klausurtagung“, um diesen         ben. Diese Daten sind für eine differen-        nisationen. Unterstützt wird das Pro-
Entwicklungsprozess und neue Mög-          zierte Betrachtung notwendig. Die Teil-         gramm vom Bundesministerium des
lichkeiten des Austausches zwischen        nahme an der Untersuchung ist freiwil-          Innern und dem Bundesamt für Migra-
den verschiedenen Ausbildungsträgern       lig. Bestimmungen des Datenschutzes             tion und Flüchtlinge und richtet sich an
zu reflektieren und innovative Lehr-       werden beachtet. Der Online-Fragebo-            Menschen mit Migrationshintergrund.
Lern-Modelle sowie exemplarische Aus-      gen ist ­ unter folgender URL zu finden:        Weitere Informationen zum Programm
bildungsmodule in ihrem Theorie-Pra-       http://www.sportpaedagogik-sb.de/               „Integration durch Sport“ unter www.
xis-Bezug zu diskutieren.                  umfrage/                                        integration-durch-sport.de

242                                                                            sportunterricht, Schorndorf, 57 (2008), Heft 8
8 Sport in der Hauptschule - Offizielles Organ des Deutschen Sportlehrerverbandes e.V. (DSLV) - Hofmann-Verlag
Zu diesem Heft

Sport in der Hauptschule

Gabriele Sobiech, Stefan König

Die Hauptschule ist in letzter Zeit       sich, sportliche Aktivitäten ins Zent­   In diesem Sinne thematisiert der
vielfach ins Kreuzfeuer der Kritik        rum der Betrachtung zu stellen. Un-      Beitrag von Sobiech die seit Beginn
geraten, da sich im hierarchisch-ge-       tersuchungen über sportliche Ak­ti­     der 70er Jahre des letzten Jahrhun-
ordneten dreigliedrigen Schulsys-         vitäten gelangen übereinstimmend         derts vorrangig an die Hauptschule
tem die ehemals bildungstheoreti­         zu folgendem Ergebnis: Je aktiver        delegierte Akkulturationsproblema-
schen Erwartungen nicht erfüllt ha-       Jugendliche ihrem Sport nachgehen,       tik von Migrantenkindern und -ju-
ben. Im Gegenteil, mittlerweile gilt      desto positiver nehmen sie sich          gendlichen und die daraus resultie-
die Hauptschule als „Restschule“,         wahr und zwar unabhängig von Ge-         renden Konflikte für den Sportun-
ihr Besuch erfolgt einzig aufgrund        schlecht, Alter und Bildungsniveau       terricht. Fessler, Stibbe und Haberer
des Scheiterns an den Leistungsvo­        (vgl. Brettschneider, 2003). In ande-    berichten über die Bedeutung von
raussetzungen höherer Bildungsni-         ren Worten: Mit dem vorliegenden         Bewegung für Lernen und Konzent-
veaus. Darüber hinaus ist festzuhal-      Themenheft werden, vorsichtig for-       ration und Lange und Sinning zei-
ten, dass Hauptschulen, obwohl sie         muliert, Chancen, „Ich-stärkende Res­   gen am Beispiel der Vermittlung
vor allem durch die Zunahme hete-         sourcen“ über sportliche Aktivitäten     von Volleyball Möglichkeiten auf, pä­
rogener Lernvoraussetzungen ihrer         zu entwickeln, in Augenschein ge-        dagogisch anspruchsvolle und tech-
Schülerschaft als besonders belastet      nommen, die die Jugendlichen in          nologisch begründete Ziele und
gelten, oftmals unzureichend räum-        ihrer Lebensführung unterstützen         ausgewählte Inhalte zu thematisie-
lich, materiell und auch personell        können. Hierbei ist zusätzlich zu        ren. Auch die Beiträge von Lotter-
ausgestattet sind, d. h. es muss so-      berücksichtigen, dass Hauptschul-        moser, Hafner und Abt in den Lehr-
gar eher noch mit einer Verschlech-       jugendliche in Sportvereinen unter-      hilfen zeigen, wie der Sportunter-
terung der Lernbedingungen sozial         repräsentiert sind und aufgrund          richt der Hauptschule durch ausge-
benachteiligter Kinder und Jugend-        fehlender finanzieller Mittel kaum       wählte Themen bereichert werden
licher gerechnet werden. Haupt-           Zugang zu Trendsportarten und            kann, in dem Kooperation und
schuljugendliche sind im Durch-           kommerziellen Anbietern finden,          Selbstständigkeit zum Ziel von Be-
schnitt älter als die Jugendlichen        also in weitaus geringerem Maße an       wegung, Spiel und Sport werden.
höherer Bildungsniveaus, kommen           der Bewegungs-, Spiel- und Sport-        Zu guter Letzt halten wir es doch für
häufig aus belasteten familiären Ver­     kultur partizipieren können. Nicht       erwähnenswert, dass alle genannten
hältnissen und sind vom Armutsrisi-       nur, dass ihnen dadurch geringere        Autoren Dozentinnen und Dozenten
ko deutlich höher betroffen. Die Er-      Möglichkeiten zur Verfügung ste-         an den Pädagogischen Hochschulen
fahrung, im Bildungssystem geschei­       hen ihre Freizeit zu gestalten, sie      Baden-Württembergs sind.
tert zu sein, und die abnehmen-           ­haben dadurch auch geringere            Literatur
den Kompensationsmöglichkeiten             Chancen, Sport als Ort der Darstel-
                                                                                   Brettschneider, W.-D. (2003). Jugend, Ju-
im Schulkontext (vgl. Solga & Wag-         lung für die eigene körperliche At-       gendliche und ihre Lebenssituation. In
ner, 2004, S. 97 ff.) radikalisieren       traktivität und als Mittel der Aner-      W. Schmidt, I. Hartmann-Tews & W. D.
die Probleme, denen Hauptschul­            kennung zu nutzen.                        Brettschneider (Hrsg.), Erster deutscher
angehörige in ihrem Übergang zum           Mit diesem Heft soll, da fachdidak-       Kinder- und Jugendsportbericht (S. 43–
Erwachsenenleben gegenüberste-             tische Veröffentlichungen mit Be-         61). Schorndorf: Hofmann.
hen.                                       zug zur Hauptschule weitgehend          Fend, H. (1997). Der Umgang mit Schule
                                                                                     in der Adoleszenz. Bern u. a.: Huber.
Der Schulsport ist hier sicher nur         fehlen (vgl. Frohn, 2007, S. 21), die
                                                                                   Frohn, J. (2007). Mädchen und Sport
ein kleiner Ausschnitt aus der Le-         Diskussion um spezifische Inhalte         an der Hauptschule. Sportsozialisation
benswelt dieser Jugendlichen und           und Ziele des Sports mit sozial be-       und Schulsport von Mädchen mit nied-
zudem wenig erforscht. Wenn man            nachteiligten Jugendlichen ange-          rigem Bildungsniveau. Baltmannswei-
sich aber die Tatsache vor Augen           regt werden. Dies muss vor allem          ler: Schnei­der Verlag Hohengehren.
führt, dass insbesondere die Ent-          auch deshalb als ein zentrales Anlie-   Solga, H. & Wagner, S. J. (2004). Die Bil-
wicklung des Selbstkonzeptes bei           gen in den Fokus rücken, da der           dungsexpansion und ihre Konsequen­
                                                                                     zen für das soziale Kapital in der Haupt-
Hauptschulangehörigen deutlich ne­         Sportunterricht häufig die einzige        schule. In S. Engler & B. Krais. Das kul­
gativer verläuft als bei den Angehö-       Lerngelegenheit darstellt, bei der        turelle Kapital und die Macht der Klas-
rigen anderer weiterführender Schu­        ein Zugang zu Bewegung, Spiel und         senstrukturen (S. 97–114). Weinheim,
len (vgl. Fend, 1997, S. 253), lohnt es    Sport entwickelt werden kann.             München: Juventa.

sportunterricht, Schorndorf, 57 (2008), Heft 8                                                                          243
8 Sport in der Hauptschule - Offizielles Organ des Deutschen Sportlehrerverbandes e.V. (DSLV) - Hofmann-Verlag
Ethnisch-kulturelle Konflikte im Sportunterricht
der Hauptschule?
Analysen und pädagogische Interventionen

Gabriele Sobiech

 Inzwischen beträgt der Anteil von                                                    von Einwanderern sind also gerade
 Menschen mit Migrationshintergrund          1 E
                                                thnisch-kulturelle                   nicht als ein Produkt der Herkunfts­
 in Deutschland 19% der Gesamtbe­              Differenzen und                        kultur zu interpretieren, sondern als
 völkerung (vgl. Statistisches Bundes­                                                Resultat der Auseinandersetzung mit
 amt, 2006). Entsprechend gibt es auch         ­Konfliktkonstellationen               den vorgefundenen Lebensbedin­
an Schulen immer mehr Kinder und                                                      gungen (2).
 Jugendliche, die einen Migrations­
hintergrund aufweisen. Dass mit der         Im Folgenden beziehe ich mich auf         Dass der Sport bei interkulturellen
 kulturellen Pluralisierung an Schulen      die Konflikttheorie der Desintegrati­     Begegnungen von den dargestellten
 ein nicht zu unterschätzendes Kon­         onstheorie (vgl. Anhut, 2005), die da­    sozialen Konflikten verschont bliebe
 fliktpotenzial verbunden ist, hat spä­     von ausgeht, dass soziale und gesell­     bzw. im Gegenteil zur interkulturellen
 testens die Offenlegung der Verhält­       schaftliche Desintegration für das        Verständigung führe, ist inzwischen
 nisse an der Berliner Rütli-Schule ge­     Entstehen spezifischer Konflikte, z. B.   vielfach widerlegt worden (vgl. Alke­
 zeigt.                                     mit ethnisch Anderen, verantwortlich      meyer & Bröskamp, 1996; Klein, 2006,
 In diesem Beitrag soll auf der Grund­      ist. Desintegration resultiert aus man­   S. 66). Auf der Ebene des Spitzen­
 lage einer qualitativen Untersuchung       gelnder Teilhabe, z. B. an materiellen    sports wird der westliche Sport als do­
 genauer betrachtet werden, inwie-         und kulturellen Gütern, und an feh­       minante eurozentrische und erfolgs­
 fern ethnisch-kulturelle Differenzen       lenden Zugängen zu den Arbeits-,          orientierte körperliche Praxis entlarvt
 auch im Sportunterricht der Haupt­        Wohnungs- und Konsummärkten (1).           (vgl. Gebauer, 1996, S. 81; Thiele, 1999,
 schule zu Konflikten führen. Theore­      In der Regel sind es die Vertreter der     S. 31). Nationale Zugehörigkeit wird
 tische Grundlage dazu bildet die           Aufnahmegesellschaft, die entspre­        in diesen Kontexten quasi ethnisch in­
­Konflikttheorie der Desintegrations­       chende Macht- und Herrschaftsmittel       terpretiert, da die Athleten typische
 theorie (1), die davon ausgeht, dass       einsetzen, um Migranten an landes­        Merkmale ihrer Ethnie exemplarisch
 ethnische Differenzierungen als ein        übliche Regeln und Normen zu assi­        zeigen sollen. Interkulturelle Verstän­
 Prozess sozialer Grenzziehung zu ver­      milieren, was häufig mit Konflikten       digung bleibt, z. B. bei den Olym­
 stehen sind, dessen Struktur und Dy­      um die Gültigkeit von Normen und           pischen Spielen, illusorisch, da das
 namik durch rechtliche, politische         Werten, mit Regelkonflikten, verbun­      ,Eigene‘ als richtig gesetzt wird und
 und ökonomische Strukturen der             den ist (vgl. Giesen, 1993). Zu den       das „Fremde zum Störfaktor“ generiert
 Aufnahmegesellschaft bestimmt wird.        Machtmitteln gehören z. B., um die        (Thiele, 1999, S. 31). Ist bei internatio­
 Ethnische Differenzierung ist also ge­    ­eigenen Interessen um einen knap­         nalen Wettkämpfen zumindest la­
 rade nicht mit der Herkunftskultur         per gewordenen Verteilungsspiel­          tentes Konfliktpotenzial durch Status­
 der Migran­ten in Zusammenhang zu          raum durchzusetzen, die „Abwertung        ungleichheiten unter den Sportak­
bringen.                                    und Abwehr ethnisch Anderer“ (An­         tiven zu vermuten, zeigen Untersu­
Wer genauer die Konfliktakteure und         hut, 2005, S. 381), die dann als kultu­   chungen mit Blick auf den Wett-
auf welche Ursachen Konflikte im            relle Differenzen im öffentlichen Dis­    kampf­betrieb des Amateursports,
Sport-  als auch im Schwimmunter­           kurs in Erscheinung treten. Dabei gel­    dass Konflikte offen ausgetragen wer­
 richt zurückzuführen sind, zeigt Kapi­     ten als unumstößliche Symbole eth­        den, wenn Einwanderer und Einhei­
 tel 2 auf. Die Konfliktkonstellationen     nischer Zugehörigkeit körperliche         mische zum Fußball spielen auf dem
 werden vornehmlich an einer Haupt­         Merkmale wie Hautfarbe, Haar-  und        Platz aufeinander treffen (vgl. Kothy,
 schule, einer Brennpunktschule in          Barttracht, Körperbau, Aussehen,          1998). Der Sport wird bei intereth­
 Freiburg, aufgezeigt und analysiert.       Kleidung und Ernährung, ferner Spra­      nischen Freizeitkontakten als äußerst
 Welche Schlussfolgerungen daraus zu        che und Religion. Erleben, Denken         bedeutsamer Bereich eingeschätzt,
 ziehen und welche pädagogischen           und Verhalten der Migranten, so die        was allerdings kaum für Mädchen und
Interventionen notwendig sind, vor          aus dieser Logik resultierende Konse­     Frauen mit Migrationshintergrund
 allem, dass Integration nur durch eine     quenz, seien durch sozialisatorische      gilt, da sie in nur sehr geringem Um­
 Kultur der Anerkennung zu erreichen        Einflüsse der Herkunftsfamilie festge­    fang in Sportvereinen und Fitness-Stu­
 ist, wird im letzten Abschnitt themati­    legt (vgl. Groe­nemeyer, 2006). Empi­     dios zu finden oder auch informell
 siert (3).                                 rische Studien (vgl. Hormel & Scherr,     kaum sportlich aktiv sind (vgl. Frohn,
                                           2004, S. 34) weisen jedoch im Gegen­       2007). Folgt man dem ersten Deut­
                                            satz zu diesen Vorstellungen darauf       schen Kinder-  und Jugendsportbe­
                                            hin, dass kulturelle Differenzen Be­      richt (vgl. Boos-Nünning & Karaka­
                                            standteil und Effekt von Prozessen        soglu, 2003), so betreiben im Alter
                                            der Segregation, Benachteiligung und      von 10 bis 11 Jahren 52% der Jungen
                                            Diskriminierung sind. Die Praktiken       und 21% der Mädchen mit Migrations­

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Ethnisch-kulturelle Konflikte im Sportunterricht der Hauptschule?

hintergrund (3) organisierten Sport.        terkulturelle Differenzen/interkultu­
                                                                                        Schulleitung ausgegebene Empfeh­
Hier zeigt sich, dass der Sportunter­       relle Konflikte und/oder soziale Kon­
                                                                                        lung existiert, nämlich dass alle Schü­
richt häufig die erste und manchmal         flikte virulent?
                                                                                        ler und Schülerinnen „gleich“ zu be­
die einzige auf Sport und Bewegung          Mit Hilfe Leitfaden (6) gestützter In­      handeln seien. Rücksichtnahmen, also
bezogene Lerngelegenheit für Mäd­           terviews sind Schülerinnen und Schü­        eigentlich eine erforderliche Ungleich­
chen mit Migrationshintergrund dar­         ler mit und ohne Migrationshinter­          behandlung, im Hinblick auf Regeln
stellt. Wie nun das regelmäßige Zu­         grund der Klassenstufen 8/9 zu ihrer        der Religionsausübung sind in das Er­
sammentreffen und gemeinsame                familiären Situation und sozialem           messen der einzelnen Lehrkräfte ge­
Sporttreiben in der Hauptschule für         Umfeld, zu ihren Einstellungen zu           stellt. So wird z. B. im Kochunterricht
einheimische und ein­ge­wanderte            Sport und Bewegung, zu Erfahrungen          berücksichtigt, dass Muslime kein
Mädchen und Jungen tatsächlich aus­         mit Schule und Sportunterricht, zu ih­      Schweinefleisch essen dürfen oder im
sieht, ob dies mit Konflikten verbun­       rem Körper-  und Selbstbild befragt         Schwimmunterricht werden Muslime
den ist und was Konfliktanlässe sein        worden. Insgesamt haben wir (7) 64          im Fastenmonat Ramadan freigestellt.
können, war die Fragestellung der           Interviews an drei Freiburger Haupt­        Damit ist die Schule als „belastete &
hier vorliegenden Studie.                   schulen, also etwas mehr als 20 an je­      passive Schule“ (vgl. PISA, 2003, S. 35)
                                            der Schule durchgeführt. Auf ähnliche       einzuordnen, da Aktivitäten wie in­
                                            Weise sind die in diesen Jahrgangs­         haltliche und fachliche Kooperation
  2 D
     arstellung der                        stufen eingesetzten Sportlehrer und         des Lehrerkollegiums, der Einsatz von
                                            Sportlehrerinnen und die Klassenleh­        Evaluationsverfahren, die Integration
    ­Ergebnisse der                         rer und Klassenlehrerinnen befragt          von Eltern in schulische Aktivitäten
    vorliegenden Studie:                    worden. Die Verschriftlichung der In­       nicht zum Schulprogramm gehören,
                                            terviews wurde in Auftrag gegeben.          also nicht strukturell verankert sind.
    Analyse von Konflikten                  Auf dieser Basis sollen vorrangige          Handlungsspielräume zur aktiven Be­
                                            Konfliktkonstellationen im Sport­           arbeitung von Belastung können da­
 Folgt man der Erkenntnis, dass Indivi­     unterricht vorgestellt werden.              durch in nur sehr eingeschränkter
 duen nicht durch ihre kulturelle Her­                                                  Form genutzt werden.
 kunft determiniert sind, Kultur viel­
                                             ur Situation der untersuchten
                                            Z
 mehr als dynamischer Prozess zu ver­
 stehen ist, müssen auch Forschungs­        Hauptschule                                 Konflikte im Sportunterricht
 konzeptionen darauf Bezug nehmen.          Im Folgenden werden die Probleme,
Hormel und Scherr (2004, S. 36) be­                                                     Wer sind nun die Konfliktakteure im
                                            die zu Konflikten führen können,            Sportunterricht und auf welchen Ebe­
 schreiben einen Paradigmenwechsel          exemplarisch an hauptsächlich einer
 innerhalb der interkulturellen Päda­                                                   nen werden Konflikte virulent?
                                            Schule aufgezeigt, deren Einzugsge­
 gogik, der als Abschied von der „eth­      biete mehrheitlich von Migranten be­        Die Analyse zeigt, dass auf der Ebene
 nischen Perspektive“ (4) bezeichnet        wohnt sind, was Heckmann als Kolo­          der Schülerinnen und Schüler Inter-
 werden kann. Dies damit verbun-           niebildung (vgl. Treibel, 1998, S. 192)     Gruppen-Konflikte nicht auf der Ebe­
­dene Neuorientierung für die For­          bezeichnet hat. Dies meint die freiwil­     ne der interethnischen, sondern viel­
 schung stellt eine differenzierte Ausei­   lige Positionierung in einem bestimm­       mehr auf der Ebene der geschlechts­
nandersetzung mit Einstellungen und         ten geografischen Raum, in dem              heterogenen Sportkontakte und da­
Erfahrungen bis hin zu Lebensent­           hauptsächlich intraethnische Bezie­         mit auf der institutionell-strukturellen
 würfen von Migranten ins Zent­rum.         hungen aufgenommen und gepflegt             Ebene zu finden sind. Die 8. Klasse
 D. h. relevant werden Forschungskon­       werden. Wenn man sich allerdings die        hat auf Betreiben der Sportlehrerin
 zepte, die mit Mitteln der Feldfor­        Wohnraumknappheit im Zentrum                Sportunterricht im Klassenverband,
 schung und rekonstruktiven Sozial­         Freiburgs und die damit verbundenen         weil in ihrer Wahrnehmung
 forschung darauf ausgerichtet sind,        hohen Mieten vor Augen führt, kann
 die situations-  und kontextspezifi­       man die Verdrängung in Randbezirke,
 schen biografischen Erfahrungen von                                                      „[…] es plötzlich ganz andere
                                            die durch den typisch sozialen Woh­           Mädchen waren, als die Jungen
 Migranten differenziert zu beschrei­       nungsbau, also durch ein Bauen in die
 ben. Die hier vorliegende Studie greift                                                  dabei waren. Die waren plötzlich
                                            Höhe, und auch durch ein nicht gera­          schnell und haben sich mehr ge­
 diese Intention insofern auf, als Wahr­    de attraktives Umfeld gekennzeichnet
 nehmungen, Deutungen, die subjek­                                                        traut. Dann haben wir das (den
                                            sind, nicht wirklich als „freiwillig“ be­     Sportunterricht G. S.) im nächs­
 tive Sicht von Schülerinnen und Schü­      schreiben. Die dort ansässige Haupt­
 lern mit Migrationshintergrund, aber                                                     ten Jahr gemeinsam gemacht.“
                                            schule hat den Status einer Brenn­
 auch die Deutungen der Lehrkräfte,         punktschule, der Anteil der Schüle­
 die ja einen nicht zu unterschät­          rinnen und Schüler nicht deutscher          Dies stellt sich allerdings in der Wahr­
 zenden Einfluss auf die Selbstwahr­        Herkunft beträgt 35%. Nach Aussage          nehmung der Mädchen mit und ohne
 nehmung und damit Selbstethnisie­          eines Lehrers waren an der Schule im        Migrationshintergrund völlig anders
 rung der Migranten haben, wesent­          letzten Schuljahr „36 Nationen“ vertre­     dar. Auf die Frage „Was gefällt dir am
 licher Teil der Studie (5) sind.           ten. Die befragten Lehrerinnen und          Sportunterricht gar nicht und warum
                                            Lehrer geben an, dass ihnen im Falle        nicht?“ kamen folgende Antworten:
Die grundlegende Forschungsfrage
lautet präziser: In welchen Situati­        von Prob­lemen mit der Schülerschaft
onen und auf welche Weise werden            die volle Unterstützung des Kollegi­          „Fußball, da kriegt man immer
im Sportunterricht nach Wahrneh­            ums und auch der Schulleitung zuteil          die Bälle an den Kopf. Die Jungs
mung von Schülerinnen und Schü­             wird. Besondere Regularien bezüglich          schießen auch so fest. Das mag
lern mit und ohne Migrationshinter­         der Schülerinnen und Schüler mit              ich auch nicht“ (Mädchen mit
grund und den dort eingesetzten             Migrationshintergrund         existieren      Migrationshintergrund [M. m. M.]).
(Sport-)Lehrerinnen und Lehrern in­         nicht. Lediglich eine von Seiten der

sportunterricht, Schorndorf, 57 (2008), Heft 8                                                                            245
Ethnisch-kulturelle Konflikte im Sportunterricht der Hauptschule?

                                          durchsetzen: Die sagen dann, „ich bin     Bezogen auch auf den Sportunterricht
  „Ich weiß nicht, die Jungs spielen      Moslem und kann jetzt nicht, weil Ra­     an den anderen beiden Hauptschulen
  ja meistens Fußball und dann            madan ist“. Lässt man diese Schüler       ergeben sich Konflikte für Mädchen
  schauen wir zu. […] Da bin ich          selbst zu Wort kommen, so beklagen        mit türkischem und arabi­schem Mig­
  nur ab und zu mal hingegangen            sie, dass sehr viel Fußball gespielt     rationshintergrund auf der intra-per­
  (zum Sportunterricht G. S.), wenn       wird und dass sie gerne mehr              sonalen Ebene, bei denen die Nor­
  du gerade mal Lust hattest nach-        ­Abwechslung hätten. Auf die Frage,       menanforderungen der infrastruktu­
  mittags. Die Jungs haben immer           was sie gerne am Sportunterricht än­     rellen Bedingungen des Sportunter­
  Fußball gespielt, da saß man nur         dern würden, kamen folgende Ant­         richts mit religiösen Grundüberzeu­-
  auf der Fensterbank und hast de­         worten:                                  gungen konfligieren. Ausdruck hierfür
  nen zugeguckt oder warst in der                                                   sind die internalisierten Scham-  und
  Kabine drin, hast mit den ande­                                                   Peinlichkeitsschwellen, die das Wohl­
  ren geredet“ (Mädchen ohne Mig­           „Ich finde es nicht gut, wenn alle      befinden beeinträchtigen können. Ex­
  rationshintergrund     [M. o. M.]).       nur hinter einem Ball her rennen“       plizit diese Mädchen lehnen das Du­
                                            (Junge mit Migrationshintergrund        schen (8) nach dem Sportunterricht
                                            [J. m. M.]).                            aus Gründen der Körperscham ab.
Obwohl der Sportunterricht an den
anderen beiden Hauptschulen nach            „Vielleicht mehr Abwechslung, wir       Die Mädchen befürchten zudem, dass
Geschlechtern getrennt durchgeführt         machen meist nur Fußball, Völker­       die Jungen in die Umkleidekabine
wird, sind auch die Mädchen dort mit        ball oder Basketball“ (J. m. M.).       kommen könnten. Sie wünschen sich
den praktizierten Inhalten unzufrie­                                                Einzelkabinen, da sie das Umziehen
den. So beklagen sich einige über den       „Für mich ist halt Fußball in Ord­      auch vor den anderen Mädchen (9)
eintönigen Unterricht und dass sie          nung, klar, aber bei anderen sieht      als unangenehm empfinden. Zudem
die Inhalte nicht mitbestimmen dür­         es halt anders aus“ (J. m. M.).         lehnen sie die sportliche Betätigung
fen. Einige Mädchen geben zudem                                                     außerhalb der Sporthalle, die vor Bli­
an, dass sie die Mannschaftsbildung       Weiterhin sind auch einige Jungen         cken schützen kann, ab.
durch das Wählen der leistungsstärks­     mit der Mannschaftsbildung unzu­
ten Schülerinnen als konflikthaft erle­   frieden. Diese Jungen finden es un­
ben:                                                                                Konflikte im Schwimmunterricht
                                          gerecht, wenn durch das Wählen der
                                          leistungsstärksten Schüler Mannschaf­     Der beschriebene Inter-Gruppen-Kon­
  „Ja, manchmal ist es unfair, wer        ten gebildet werden. Dabei kommt es       flikt zwischen Lehrkräften und Schü­
  wen wählt. Manchmal bleiben             zum Teil auch zu offenen Konflikten,      ler und Schülerinnen im geschlechts­
  auch Außenseiter, die man nicht         zum Streit. Einige empfinden die Tat­     heterogenen Unterricht der Sporthal­
  in der Gruppe haben möchte“             sache belastend, dass immer diesel­       le eskaliert im Schwimmunterricht,
  (M. m. M.).                             ben Mitschüler als letzte gewählt wer­    wenn sowohl Mäd­chen als auch Jun­
                                          den. Insgesamt nehmen jedoch mehr         gen an diesem teilnehmen sollen. Die
                                          Jungen [N = 32] als Mädchen, näm­         Lehrerin sieht ihre Idee letztlich durch
Dies sind sicherlich Gründe, warum        lich 81,5%, am Sportunterricht teil.      die Verweige­rungshaltung der Mäd­
lediglich 62,5% aller befragten Mäd­                                                chen als gescheitert an: „[Das] Schwim­
chen [N = 32] am Sportunterricht teil­    Der Sportlehrer hat im Unterricht die
                                          Interessensgegensätze der Schülerin­      men mit Jungs und Mädchen […] ging
nehmen. Die mangelnde Teilnahme                                                     […] total in die Hose. Das haben die
führt zu einem manifesten Inter-Grup­     nen und Schüler auch aufgrund der
pen-Konflikt zwischen den Sportlehr­      mangelnden Teilnahme einiger sicher
kräften auf der einen Seite und den       wahrgenommen. Bei der Interpretati­
Schülerinnen und Schülern auf der         on dieser Gegensätze legt er jedoch
anderen Seite. Aus Sicht der Sportleh­    ein kulturelles Deutungsmuster an
rerin der hier vorgestellten Schule       „die nehmen es natürlich gern an und
„wollen [die Mädchen] einfach nicht       sagen, ich bin Moslem“ und verengt                             Dr. Gabriele
mehr […] sich bewegen“ und greifen        damit das darin liegende Konfliktpo­                           Sobiech, 
auf ihre „Periode“ zurück, „die man in    tenzial allein auf eine ethnisch-kultu­                        Profes­sorin für
die Länge ziehen kann“. Auch der          relle Perspektive.                                             Sport­soziologie
Sportlehrer glaubt, dass „welche […]      Die Sportlehrerin sieht aufgrund der                           und Sportpäda­
einfach vielleicht im Sport nicht viel    Zusammenführung von Mädchen                                    gogik an der
machen wollen oder nicht sportlich        und Jungen im Sportunterricht la­                              Pädagogischen
                                                                                                         Hochschule
sind oder dem Sport keine Bedeu­          tente Konfliktsituationen für Schüle­
                                                                                                         Freiburg
tung beimessen“. In weiteren Äuße­        rinnen muslimischen Glaubens. Zu
rungen des Sportlehrers wird deut­        einem offenen Konflikt kommt es           Anschrift:
lich, dass seiner Meinung nach musli­     nicht, da die Schülerinnen ihre ver­      Pädagogische Hochschule Freiburg
mische Schüler mittels ihrer Reli-       hüllende Kleidung an-  und ihr Kopf­      Kunzenweg 21, 79117 Freiburg
gion ihr generelles Sportdesinteresse     tuch aufbehalten dürfen.                  sobiech@ph-freiburg.de

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Ethnisch-kulturelle Konflikte im Sportunterricht der Hauptschule?

Mädchen dann verweigert, wenn die
Jungs dabei sind, im Bikini oder so auf­
zutreten.“
An dieser Stelle zeigt sich, dass es
nicht nur Mädchen muslimischen
Glaubens sind, die die Teilnahme ver­
weigern. Vielmehr widersetzen sich
alle Mädchen dem Schwimmunter­
richt mit Jungen. Es ist hier also eher
die Geschlechts- und nicht die ethni­
sche Zugehörigkeit, die im geschlechts­
heterogenen Schwimmunterricht zu
Konflikten führt. Dies kann auch
den geschlechtshomogenen Unter­
richt betreffen:

  „[…] wenn man mal sieht, dass im
  Schwimmunterricht, wie bei mir
  heute morgen, von 15 Neunkläss­
  lerinnen nur drei mit geschwom­
  men haben. Alle anderen saßen.“

Einer der Gründe liegt auf der Hand:
Scham und Beschämung aufgrund              will er diejenigen, die „Probleme“ ma­   schiedenen Maßnahmen den Mäd­
eines vermeintlichen Scheiterns mit        chen, am liebsten aus der Schule aus­    chen die Teilnahme ermöglichen will,
dem westlichen Körperideal (10).           schließen.                               könnte im Sinne von Bender-Skyman­
Dies kann sogar dazu führen, dass                                                   ski (2002, S. 159) als „schonender Aus­
Mädchen sich auch für den Sportun­                                                  gleich der Interessen aller“ verstan­
terricht in der Sporthalle gar nicht         „(…) Aber wenn es halt welche          den werden:
erst umziehen, also in Jeans und T-          [Probleme (G. S.)] gibt, dann muss
Shirt in der Sporthalle erscheinen           man entweder sagen, gut, warum
oder aber auch die sportliche Aktivi­        willst du dein Kind hier in Deutsch­     „[…] ich [hatte] damals wirklich
tät ganz verweigern (vgl. Wehner,            land beschulen lassen, dann gehe         kleine muslimische Schülerinnen
2005, S. 32 f.).                             doch bitte nach Saudi-Arabien und        […], die so gern schwimmen woll­
                                             lass es da beschulen, du hast doch       ten. Dann habe ich es erlaubt,
Die alleinige Sicht auf muslimische          die Möglichkeit.“                        dass sie in ihren normalen Klei­
Mädchen, die aus religiösen Gründen                                                   dern schwimmen oder Ersatz­
den Schwimmunterricht verweigern,                                                     kleider dabei haben. Das haben
und damit der Glaube an die Bedeu­         Dass Exklusion tatsächlich eine Opti­      wir etwa ein halbes Jahr durchge­
tung kultureller Differenzen als Pro­      on für den Lehrer ist, wird auch an        zogen, dann hat uns der Bade­
blem-  und Konfliktursache zwischen        folgender Aussage deutlich:                meister erwischt. […] die Kinder
Einheimischen und Migranten muss                                                      waren todunglücklich. Und da
in diesem Kon-text als „Diskriminie­         „Sollen die sich eine eigene Schu­       habe ich Frau […] gefragt und
rungsressource“ (Lutz, 1988, zit. n.         le in Weingarten [Stadtteil von          dann durfte ich Ganzkörperanzü­
Scherr, 2001, S. 353) interpretiert wer­     Freiburg] basteln und die auch           ge anschaffen“.
den. Dies zeigt eindrücklich die Deu­        von ihrer eigenen Lehrerschaft
tung der Situation durch den Klassen­        unterrichten lassen, dann hätten
lehrer. Nach seiner Aussage stellen                                                 Allerdings erwartet die Sportlehrerin
                                             wir viele Probleme nicht mehr.“        auch außerhalb des Schwimmunter­
streng erzogene Moslemmädchen ein
besonderes Problem dar. „Die Jungen                                                 richts, dass die Schülerinnen sich mit
sind überhaupt kein Problem. Das           Der Lehrer wird zum Konfliktakteur       ihrem äußeren Erscheinungsbild kon­
Problem sind die Mädchen.“ Diese           und Repräsentanten der Institution       form zu Normen und Werten des Is­
verweigern nämlich teilweise den           Schule, der Mittel und Wege besitzen     lam verhalten. Andernfalls sieht sie
Schwimmunterricht. Ein weiteres            will, die anderen Konfliktakteure, die   die Glaubwürdigkeit ihres Handelns
Prob­lem, das der Lehrer anspricht,        Schülerinnen und Schüler mit Migra­      in Frage gestellt, was unter Umstän­
bezieht sich auf muslimische Schüle­       tionshintergrund, auch durch ver­        den zu weiteren Konflikten führen
rinnen bei Klassenfahrten und Aus­         hängte Sanktionen zur Assimilation       kann.
flügen, die „grundsätzlich nicht“ teil­    zu zwingen.
nehmen dürfen. Hierbei handelt es          Die Ausführungen sollen nicht ab­          „Wobei es schon manchmal für
sich vornehmlich um einen Regelkon­        sprechen, dass es Eltern geben kann,       mich auch [so ist], ich komme
flikt, da es um Verletzungen des von       die ihren Töchtern aus religiösen (11)     dann schon an meine Grenzen,
ihm und der Institution Schule vertre­     Gründen die Teilnahme am Schwimm­          wenn ich die Mädchen im Som­
tenen Regelrahmens geht, insbeson­         unterricht generell verbieten, da der      mer mit […] wellenden Brüsten
dere des Prinzips der Gleichheit al-      Islam für Mädchen und Frauen ein           und kurzen Röcken herumspa­
ler Schüler vor diesen Regeln. Wenn        Verhüllungsgebot vorsieht. Wie die         zieren sehe und der Schwimm­
das Gleichheitsprinzip nach dem Ver­       Sportlehrerin diesen Konflikt zu re­       unterricht wird dann aus religi-
ständnis des Lehrers verletzt wird,        gulieren versucht, in dem sie mit ver­

sportunterricht, Schorndorf, 57 (2008), Heft 8                                                                        247
Ethnisch-kulturelle Konflikte im Sportunterricht der Hauptschule?

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  ösen Gründen verboten. Da habe              3 P
                                                 ädagogische Inter­                  rogenität und Gleichwertigkeit aller
  ich manchmal meine Probleme.                                                        Kinder und Jugendlichen anzuerken­
  Dann denke ich auch, es ist oft               ventionen: ­Integration               nen, scheinen folgende Grundsätze
  ein Verkriechen hinter der Reli­              durch eine Kultur der                 und Perspektiven, auch im Sportun­
  gion“.                                        Anerkennung                           terricht, unentbehrlich (vgl. Prengel,
                                                                                      2006):
Was die Lehrerin nicht einbezieht, ist,                                               – Jedes Kind soll, unabhängig von
dass einige Mädchen durch das Über­         Ob ethnisch-kulturelle Konflikte zwi­     Herkunft und Leistungsfähigkeit, als
nehmen von Werten aus der Einwan­           schen Lehrkräften und Schülerinnen        Person mit eigener Würde anerkannt
derungsgesellschaft, in der sie ja in       und Schülern mit Migrationshinter­        und als gleich wertvoll betrachtet wer­
der Regel aufgewachsen sind, und            grund entstehen, ist stark abhängig       den.
                                            von der Auffassung, was unter Kultur      – Bei der Anerkennung der einzel­
den Werten der muslimischen Religi­
                                            zu verstehen ist. Wird das prozess­       nen Person mit ihrem individuellen
on, die die Eltern vertreten, in intra-     hafte kultureller Deutungsmuster er­
personale Konflikte geraten. So hätte                                                 Lernprofil sind die individuelle Bio­
                                            kannt oder wird Kultur als determi­       grafie und Lernausgangslage, die in­
z. B. ein befragtes Mädchen [M. m. M.]      nistisches Prägemodell interpretiert?
gerne „mehr Privatleben“ für sich.                                                    dividuellen Lernwege, bisherigen Er­
                                            Letzteres ist sicher ein Grund dafür,     folge und Leistungsgrenzen zu be­
Stattdessen muss sie viel im Haushalt       dass immer noch, wie die aktuelle
helfen, was sie als ungerecht empfin­                                                 rücksichtigen.
                                            PISA-Studie (2007) gezeigt hat, soziale
det, da sie dies als einzige der vier Ge­   Unterschiede in Begabungsunterschie­      – Weitere Anerkennungsprinzipien
schwister tun muss. Vor allem wenn          de transformiert werden. Erst die Ein­    sind zum einen die Perspektive der
Verwandte zu Besuch kommen, muss            sicht in die Relativität eigener kultu­   fairen Konkurrenz: Wettkämpfe soll­
sie auf das Tragen von Miniröcken           reller Deutungsmuster, die Reflexion      ten möglichst nach gemeinsam fest­
                                            des eigenen Geworden-Seins, sowie         gelegten Regeln stattfinden und fair
verzichten und den Körper bedeckt
                                            die Einsicht, dass heterogene Deu­        ausgetragen werden; zum zweiten die
halten. Des Weiteren darf sie trotz des                                               Perspektive der Anerkennung von
religiösen Verbots heterosexueller          tungsmuster und Lebensstile auch zur
                                            eigenen Kultur gehören, kann den          Stärken und Schwächen durch Leis­
Kontakte vor der Ehe zwar eine Be­                                                    tungsvergleiche mit einer Lehrplan­
ziehung zu einem Jungen aus dem             Blick für strukturelle Chancenun­
                                            gleichheiten aufgrund unterschiedli­      norm: Wenn Kindern diese manch­
gleichen Herkunftsland ihrer Eltern                                                   mal auch schmerzliche Anerkennung
eingehen. Dieses Gebot führt aller­         cher Lebensbedingungen öffnen. Dem­
                                            nach gilt es zum einen, genauere          der eigenen Grenzen und Schwächen
dings zu Heimlichkeiten ihren Eltern                                                  zugemutet wird, dürfen Lehrkräfte
gegenüber, da sie sich in der Vergan­       Kenntnisse über Diversitäten und
                                            Disparitäten als Folge ungleicher Le­     niemals die grundlegende humane
genheit auch in Jungen anderer Her­                                                   Achtung in Frage stellen. Die Devise
                                            benschancen zu erwerben. Mittel für
kunft verliebt hat. Wie zerreißend das      Fortbildungen dürfen demnach nicht        lautet, den betroffenen Schüler bzw.
Leben zwischen zwei unterschied­            „eingefroren“, vielmehr müssen sie        Schülerinnen taktvoll zur Seite zu ste­
lichen Norm- und Werthaltungen und          ausgebaut werden. Für den Aufbau          hen, sie aber niemals zu diskriminie­
der Zuschreibung kultureller Diffe­         von Erziehungskompetenzen im All­         ren.
renz sowohl des Herkunftslandes als         gemeinen und „kultureller Kompe­          Heterogenität als Bereicherung und
auch der Aufnah­megesellschaft sein         tenz“ im Besonderen müssen sich           prinzipielle Chance für Entwicklung
kann, zeigt die Analyse lebensge­           Lehrkräfte in einem sich ständig än­      zu betrachten, ist Voraussetzung und
schichtlicher Erfahrungen von Migran­       dernden Beruf selbst als dauerhaft        Ziel einer Kultur der Anerkennung,
tinnen und Migranten (vgl. Koller,          Lernende verstehen und hierzu die         die kulturelle Differenzen weder zu­
2002, S. 92 f.)                             bestmögliche Unterstützung erhalten.      schreiben noch verleugnen muss.
Festzuhalten bleibt, dass Konflikte         Die Niederlande und die Schweiz las­
unter Schülerinnen und Schülern im          sen sich Fort- und Weiterbildung drei­    Anmerkungen
Sportunterricht auf der Inter-Grup­         mal soviel kosten wie die BRD. Schu­      (1) Neben Ethnie bilden auch Klasse und
pen-Ebene eher durch die Ge­                len mit schwierigen Ausgangslagen         Geschlecht zentrale Kategorien, die Lebens­
                                            benötigen deutlich mehr personelle        chancen einschränken und/oder zur Se­
schlechts- als durch die ethnische Zu­
                                            und materielle Ressourcen, wenn In­       gregation/Exklusion aus bestimmten Fel­
gehörigkeit bestimmt sind. Bezieht          tegration ernst genommen und Teil         dern, wie z. B. dem Sport, führen können
man mit ein, dass sowohl Mädchen            des Schulprogramms werden soll            (vgl. Sobiech, 2007, S. 117 ff.).
als auch Jungen Freundschaften mit          (vgl. Lüke, 2007, S. 9).                  (2) Eine der geläufigsten Erklärungen eth­
gleichaltrigen Migranten pflegen, ent­                                                nisch-kultureller Konflikte stellt aber im­
stehen Konflikte auf der personalen         Auf der anderen Seite ist, um kultu­
                                            relle Zuschreibungen und Verallge­        mer noch die Reduktion vielfältiger Fak­
Ebene eher aus Interessensgegensät­                                                   toren allein auf eine ethnische Perspektive
                                            meinerungen zu vermeiden und ei­
zen (z. B. Streit um leistungsstarke                                                  dar. „Im Alltag werden Konflikte sichtbar
                                            nen „schonenden Ausgleich der Inte­
Mannschaften etc.) oder aus sozialen        ressen“ herbeizuführen, eine Ausein­
                                                                                      als […] Ethnisierung sozialer Problemla­
Gründen, z. B. wenn jüngere oder                                                      gen, indem z. B. Ausländer bzw. Minder­
                                            andersetzung mit lieb gewordenen          heiten für die Ursache von Arbeitslosig­
schwächere Mitschüler gehänselt, ge­        Gewohnheiten und Gewissheiten un­
mobbt oder sogar geschlagen werden                                                    keit oder einen Rückgang von Sozialtrans­
                                            umgänglich. Konstruktive Konfliktlö­      fers verantwortlich gemacht werden (Ver­
(vgl. Sobiech, 2007, S. 127). Ethnisch-     sungen in ethnisch-kulturellen Kon­       teilungskonflikt), [oder] in Forderungen
kulturelle Konflikte innerhalb der          fliktkonstellationen setzen ein Einbe­    nach einem Zuzugstopp für ausländische
Schülerschaft tauchen weder in den          ziehen aller am Konflikt Beteiligten,     Mitbürger (Rangordnungskonflikt […]) aus
Aussagen der befragten Schülerinnen         z. B. auch der Migranten-Eltern, das      Angst vor Überfremdung und dem Verlust
und Schüler noch in denen der be­           Zuhören und Ernstnehmen von even­         kultureller Dominanz […]“ (Anhut, 2005, S.
fragten Lehrkräfte auf.                     tuell abweichenden, gegenüber eige­       396).

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Ethnisch-kulturelle Konflikte im Sportunterricht der Hauptschule?

(3) Inzwischen wird bundesweit ein An­         nahmegesellschaft ihre Religiosität reakti­       und Perspektiven. Journal für politische
teil von 22,2% Schülerinnen und Schülern       vieren und praktizieren. Dies könnte auch         Bildung, 8 (2), 32–44.
aus Familien mit Migrationshintergrund         auf die hier vorgestellte Gruppe der Mi­        Klein, M.-L. (2006). Konzepte sozialer Inte­
konstatiert. Baden-Württemberg liegt, sor­     granten zutreffen, da sich die soziale Situ­      gration und ihre Anwendung in der
tiert nach dem Gesamtanteil der Jugend­        ation der Familien als besonders prekär           Sportforschung. In D. Blecking & P.
lichen mit Migrationshintergrund, mit          darstellt: hohe Arbeitslosenquote, wenig          Gieß-Stüber (Hrsg.), Sport bewegt Euro-
31,6% an 3. Stelle im Ländervergleich hin­     Einkommen, kleine Wohnungen für große             pa. Beiträge zur interkulturellen Ver-
ter Bremen und Hamburg (vgl. PISA, 2003,       Familien, kein attraktives Wohnumfeld             ständigung (S. 65–77). Baltmannsweiler:
S. 33).                                        (vgl. Sobiech, 2007, S. 125 f.). Es kann sich     Schneider.
(4) Dies meint genauer, dass an die Stelle     also hierbei um einen verdeckten Vertei­        Koller, H.-Ch. (2002). Bildung und kultu­
kulturalisierender und ethnischer Stereo­      lungskonflikt handeln.                            relle Differenz. Zur Erforschung biogra­
type die Analyse sozialer Benachteiligung                                                        phischer Bildungsprozesse von Migran­
auf den Arbeits- und Wohnmärkten sowie                                                           tInnen. In M. Kraul & W. Marotzki (Hrsg.),
im Bildungssystem tritt (ebd.).                                                                  Biographische Arbeit (S. 93–116). Opla­
(5) Das Projekt ist von der Pädagogischen                                                        den: Leske + Budrich.
Hochschule Freiburg im Zeitraum vom SS         Literatur                                       Kothy, J. (1998). Konfliktdimensionen in­
2005 bis SS 2006 auf Forschungsebene II                                                          terethnischer Kontakte im Fußball-Sport.
mit einem kleinen finanziellen Beitrag ge­     Alkemeyer, T. & Bröskamp, B. (1996). Ein­
                                                 leitung – Fremdheit und Rassismus im            In M.-L. Klein & J. Kothy (Hrsg.), Eth-
fördert worden.                                                                                  nisch-kulturelle Konflikte im Sport (S.
(6) Der Leitfaden bedeutete für alle Inter­      Sport. In dies. (Hrsg.), Fremdheit und
                                                 Rassismus im Sport (S. 7–40). Tagung            59–73). Tagung der dvs-Sektion Sportso­
viewerinnen und Interviewer innerhalb                                                            ziologie vom 19.-21. 3. 1997 in Willeba­
des Projekts einen verbindlichen Kanon           der dvs-Sektion Sportphilosophie vom
                                                 9.-10. 9. 1994 in Berlin. Sankt Augustin:       dessen. Hamburg: Czwalina.
an Fragen.                                                                                     Lüke, S. (2007). „Ungenutzte Jahre“. Bil­
(7) Wenn ich von „wir“ spreche, meine ich        Academia.
                                                                                                 dungsforscher Rolff fordert mehr Unter­
ausgewählte studentische und wiss. Hilfs­      Anhut, R. (2005). Die Konflikttheorie der
                                                                                                 stützung für Pädagogen. Frankfurter
kräfte, die ich, vor allem aufgrund ihrer in     Desintegrationstheorie. In Th. Bonacker
                                                                                                 Rundschau. Wissen & Bildung, 63. Jg.,
Seminaren zu dieser Themenstellung er­           (Hrsg.), Sozialwissenschaftliche Konflik-
                                                                                                 Nr. 287. 10.12. 2007, S. 9.
worbenen Kenntnisse in das Forschungs­           theorien. Eine Einführung (S. 381–407).
                                                 (3. Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag.             PISA 2003: Ergebnisse des zweiten Län­
projekt einbezogen habe. Im Zeitraum                                                             dervergleichs. Zusammenfassung. Hrsg.
der Projektdurchführung wurden regel­          Bender-Szymanski, D. (2002). Interkultu­          PISA-Konsortium Deutschland. http://
mäßige Treffen anberaumt zum Austausch           relle Kompetenz bei Lehrerinnen und             pisa.ipn-uni-kiel.de/Ergebnisse_PISA_
über die Situation an der jeweiligen Schu­       Lehrern aus der Sicht der empirischen           2003.pdf
le, zur Bearbeitung von fachlichen Fragen        Bildungsforschung (S. 153–182). In G.
                                                                                               Prengel, A. (20063). Pädagogik der Vielfalt:
im Zusammenhang mit der Durchführung             Auernheimer (Hrsg.), Interkulturelle
                                                                                                 Verschiedenheit und Gleichberechtigung
der Interviews – anhand von Beispielen           Kompetenz und pädagogische Professio-
                                                                                                 in interkultureller, feministischer und
wurden Interviewschulungen durchge­              nalität. Opladen: Leske + Budrich.
                                                                                                 integrativer Pädagogik. Wiesbaden: VS
führt – und zu Problemen und Befindlich­       Boos-Nünning, U. & Karakasoglu, Y. (2003).        Verlag.
keiten mit der Schul- und Interviewsituati­      Kinder und Jugendliche mit Migrations­
on. Einige aus dieser Gruppe haben an­                                                         Scherr, A. (2001). Interkulturelle Bildung
                                                 hintergrund und Sport. In W. Schmidt, I.        als Befähigung zu einem reflexiven Um­
schließend ihre Ergebnisse in Examensar­         Hartmann-Tews & W.-D. Brettschneider
beiten aufgearbeitet.                                                                            gang mit kulturellen Einbettungen. Neue
                                                 (Hrsg.), Erster Deutscher Kinder und Ju-        Praxis, 31 (4), 347–357.
(8) Was das Duschen anbetrifft, muss al­         gendsportbericht (S. 275–296). Schorn­
lerdings ergänzt werden, dass ausnahms­                                                        Sobiech, G. (2007). Soziale Ungleichheiten
                                                 dorf: Hofmann.
los alle der Befragten angeben, nach dem                                                         in der Schule – Zur Professionalisierung
                                               Frohn, J. (2007). Mädchen und Sport               des pädagogischen Handelns. In N.
Sportunterricht nicht zu duschen, entwe­         an der Hauptschule. Sportsozialisation
der weil sie die Duschen als „dreckig und                                                        Fessler & G. Stibbe (Hrsg.), Standardi-
                                                 und Schulsport von Mädchen mit nied-            sierung Profilierung Professionalisie-
ekelhaft“ ablehnen oder weil aufgrund            rigem Bildungsniveau. Baltmannswei­
der Vorgabe, pünktlich im nachfolgenden                                                          rung. Herausforderungen für den Schul-
                                                 ler: Schneider.                                 sport (S. 117–139). Baltmannsweiler:
Unterricht zu erscheinen, die Zeit fehle.
                                               Gebauer, G. (1996). Der Körper als Sym­           Schneider.
(9) Dass die Schamgrenze auch bei gleich­
                                                 bol für Ethnizität. In T. Alkemeyer & B.      Statistisches Bundesamt (Hrsg.). (2006).
geschlechtlichem Umgang bei manchen
                                                 Bröskamp (Hrsg.), Fremdheit und Ras-            Leben in Deutschland. Haushalte, Fami­
türkischen Mädchen, aber auch bei Mäd­
                                                 sismus im Sport (S. 81–85). Tagung der          lien und Gesundheit – Ergebnisse des
chen, die aus dem südlichen Mittelmeer­
                                                 dvs-Sektion Sportphilosophie vom 9.–            Mikrozensus 2005. http://www.destatis.
raum zugewandert sind, ausgeprägter ist
                                                 10. 9. 1994 in Berlin. Sankt Augustin:          de/presse/deutsch/pk/2006/mikrozen­
als im Durchschnitt bei deutschen Mäd­
                                                 Academia.                                       sus_2005i.pdf
chen, bestätigen auch Boos-Nünning und
Karakasoglu (2003, S. 287 f.).                 Giesen, B. (1993). Die Konflikttheorie. In G.   Thiele, J. (1999). Bewegungskulturen im
(10) So geben 71,8% der befragten Mäd­           Endruweit (Hrsg.), Moderne Theorien der         Widerstreit – ein Beitrag zur Begren­
chen und 56,2% der befragten Jungen an,          Soziologie (S. 87–134). Stuttgart: Ferdi­       zung des Verstehens. In R. Erdmann
mit ihrem Körper nicht zufrieden zu sein.        nand Enke Verlag.                               (Hrsg.), Interkulturelle Bewegungserzie-
Während Mädchen eher abnehmen und              Groenemeyer, A. (2003). Kulturelle Diffe­         hung (S. 22–41). Sankt Augustin: Acade­
dünner sein wollen, haben die Jungen             renz, ethnische Identität und die Ethni­        mia.
den Muskel-  und Kraftaufbau zum Ziel            sierung von Alltagskonflikten. Ein Über­      Treibel, A. (1998). Migration in moder-nen
(vgl. Sobiech, 2007, S. 130).                    blick sozialwissenschaftlicher Themati­         Gesellschaften. Soziale Folgen von Ein-
(11) Allerdings ist hier anzumerken, dass        sierungen. In A. Groenemeyer & J. Man­          wanderung, Gastarbeit und Flucht.
bereits 1988 Bukow und Llaryora (vgl.            sel (Hrsg.), Die Ethnisierung von               Weinheim, München: Juventa.
Treibel, 1998, S. 202 f.) beschrieben haben,     Alltagskonflikten (S. 11–45). Opladen:        Wehner, G. (2005). Wenn Mädchen sich
dass viele türkische Familien, die sich in       Leske + Budrich.                                verweigern. Sport für Hauptschüle­
der Türkei religiös indifferent verhielten,    Hormel, U. &. Scherr, A. (2004). Interkultu­      rinnen als Wahlpflichtkurs. Sportpäda-
unter schwierigen Bedingungen der Auf­           relle Pädagogik – Standortbestimmung            gogik, 29 (2), 32–33.

sportunterricht, Schorndorf, 57 (2008), Heft 8                                                                                       249
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