Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 7/8 Juli-August 2021 - Hessen postkolonial - GEW Hessen

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Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 7/8 Juli-August 2021 - Hessen postkolonial - GEW Hessen
Zeitschrift der      Hessen
                        für Erziehung, Bildung, Forschung

                       74. Jahr Heft 7/8 Juli-August 2021
                                             zum Inhaltsverzeichnis

                                    TITELTHEMA:
                                     Hessen postkolonial
Wikiolo CC BY-SA 3.0
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 7/8 Juli-August 2021 - Hessen postkolonial - GEW Hessen
IN DIESER HLZ                                                                                                                                     HLZ 7–8/2021         2

                                                                                                                              Zeitschrift der GEW Hessen
                                                                                                                              für Erziehung, Bildung, Forschung
                     HLZ-Titelbild:                                                                                           ISSN 0935-0489

                     Spuren der deutschen                                                                    I    M       P      R     E      S     S     U       M

                     Kolonialgeschichte                                                                      Herausgeber:
                                                                                                             Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
                                                                                                             Landesverband Hessen
                                                                                                             Zimmerweg 12
                    Initiativen zur Umbenennung von Stra-           Während nach Wißmann benannte            60325 Frankfurt/Main
                    ßen, deren Namen in Verbindung mit          Straßen in Bochum, Hannover, Stuttgart       Telefon (0 69) 971 2930
                    der deutschen Kolonialgeschichte ste-       und Berlin inzwischen umbenannt wur-         Fax (0 69) 97 12 93 93
                                                                                                             E-Mail: info@gew-hessen.de
                    hen, gibt es in vielen Städten. In Mün-     den, schwelt die Diskussion um die Stra-     Homepage: www.gew-hessen.de
                    chen entschied man sich für erläuternde     ßennamen im „Afrikaviertel“ in Kassel
                    Hinweistafeln, die die „Kolonialgeschich-   seit vielen Jahren. Neben der Wißmann-       Verantwortlicher Redakteur:
                                                                                                             Harald Freiling
                    te offenlegen“ (HLZ-Titelbild). Auch in     straße gibt es im Stadtteil Forstfeld auch   Klingenberger Str. 13
                    Kassel ist eine Straße nach Hermann von     eine Lüderitzstraße, eine Togostraße, ei-    60599 Frankfurt am Main
                    Wißmann benannt, eine der üblichen Er-      nen Togoplatz und die Windhukstraße.         Telefon (0 69) 636269
                    klärungstafeln würdigt ihn als den „ers-        Eine Gruppe, die unter der Bezeich-      E-Mail: freiling.hlz@t-online.de
                    ten Leiter einer Expedition durch Äqua-     nung „Gelebter Widerstand Nordhessen“        Mitarbeit:
                    torialafrika von West nach Ost“. Von        aktiv ist, überklebte vor einem Jahr die     Christoph Baumann (Bildung), Tobias Cepok (Hoch-
                                                                                                             schule), Holger Giebel, Angela Scheffels (Mitbestim-
                    seiner Verantwortung für die Nieder-        Straßenschilder mit den Namen afrika-        mung), Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette
                    schlagung des Widerstands der Wahe-         nischer Freiheitskämpfer.                    Loycke (Recht), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung),
                    he in Tansania und von seiner Tätigkeit         Die Wißmannstraße trug dann kurz-        Karola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik
                    als Gouverneur in Deutsch-Ostafrika ist     zeitig den Namen von Nikodemus Ka-           und Gewerkschaften), Simone Claar (Hochschule)
                    keine Rede. Die aus deutschen Offizieren    vikunua, einem Anführer der Herero in        Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert †
                    und afrikanischen Söldnern zusammen-        Deutsch-Südwestafrika, der 1896 auf Be-      Titelthema:
                    gestellte „Wissmann-Truppe“ war die         fehl des Kommandeurs der deutschen           Tobias Cepok, Dr. Johanna Leinius, Dr. Christine Löw,
                    erste deutsche Kolonialtruppe, die einen    Schutztruppen Theodor Leutwein exeku-        Sheila Ragunathan und Sahra Rausch
                    Landkrieg in Afrika führte.                 tiert wurde. (Foto: privat)                  Illustrationen:
                                                                                                             Thomas Plaßmann (S. 25, 27), Ruth Ullenboom (S. 4)
                      Tarifrunde beginnt am 1. September            HLZ: Hochschulpolitik in Hessen          Fotos, soweit nicht angegeben:
                    Am 1. September beginnt die Tarifrunde      Das Hessische Ministerium für Wis-           Wikiolo CC BY-SA 3.0 (Titelbild), GEW (S. 12)
                    für die Lehrkräfte und sozialpädagogi-      senschaft und Kunst legte jetzt den          Verlag:
                    schen Fachkräfte an Schulen und Hoch-       lange angekündigten Entwurf zur No-          Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH
                                                                                                             Niederstedter Weg 5
                    schulen und alle anderen Beschäftig-        vellierung des Hessischen Hochschul-         61348 Bad Homburg
                    ten des Landes. Das Ergebnis bestimmt       gesetzes vor. Auf Seite 8 dieser HLZ
                                                                                                             Anzeigenverwaltung:
                    auch über die Besoldung für die Be-         stellt Dr. Simone Claar vom Referat          Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH
                    amtinnen und Beamten. Die Tarifrunde        Hochschule und Forschung im GEW-             Peter Vollrath-Kühne
                    2021 steht nicht nur unter dem Vorzei-      Landesvorstand die wesentlichen              Postfach 19 44
                                                                                                             61289 Bad Homburg
                    chen der Pandemie: Erstmals seit dem        Eckpunkte und die Positionen und             Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21
                    Austritt Hessens aus der Tarifgemein-       Erwartungen der GEW vor. Auf Sei-            E-Mail: mlverlag@wsth.de
                    schaft der Länder wird über den Tarif-      te 10 findet man die Ergebnisse einer        Erfüllungsort und Gerichtsstand:
                    vertrag Hessen vor dem Tarifvertrag         Umfrage an hessischen Hochschulen            Bad Homburg
                    der Länder verhandelt. Mehr darüber         zu den Auswirkungen der Pandemie             Bezugspreis:
                    in dieser HLZ auf den Seiten 5 und 7.       auf die vielen befristet Beschäftigten.      Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein-
                                                                                                             schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten
                     Rubriken                                    Einzelbeiträge
   Aus dem Inhalt

                                                                                                             sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag
                                                                                                             enthalten.
                     4   Spot(t)light                             6 Corona-Blog: Was sagt die GEW?
                                                                                                             Zuschriften:
                     5   Meldungen                                7 Die Tarif- und Besoldungsrunde           Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder
                     9   Aus der Personalratsarbeit                 2021 beginnt in Hessen                   wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver-
                    37   Jubilarinnen und Jubilare                8 Entwurf zur Novellierung des Hes-        öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen
                                                                                                             vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen
                                                                    sischen Hochschulgesetzes
                     Titelthema: Postkoloniale Perspektiven                                                  nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion
                                                                 10 Befristung an Hochschulen                übereinstimmen.
                    12 Vorwort des Redaktionsteams               24 Wie weiter im neuen Schuljahr?
                    14 KIDSemPOWERment:                          26 LSV: Wie weiter nach Corona?             Redaktionsschluss:
                       Im Gespräch mit Adiam Zerisenai           28 Kinder  und  Jugendliche in der Krise    Jeweils am 5. des Vormonats
                    16 Postkoloniale Interventionen in           30 Die Ausbildung der Lehrkräfte:
                       Kassel, Gießen und Frankfurt                 Werkstattgespräch der GEW Hessen         Nachdruck:
                    18 Bildungsstätte Anne Frank:                32 Gruppe InklusionsBeobachtung:            Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti-
                       Im Gespräch mit Deborah Krieg                Wahlprüfsteine zur Kommunalwahl          gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei-
                                                                                                             genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher
                    20 Rassismus in Schulbüchern                 34 Plädoyer für das analoge Lernen          Genehmigung der Redaktion und des Verlages.
                    21 Schwarze Eltern: Ein offenes Wort         36 Was die Digitalisierung hemmt
                    22 Endlich anerkannt? Der Völkermord                                                     Druck:
                                                                                                             Druck- und Verlagshaus Thiele & Schwarz GmbH
                       an Ovaherero, Nama und Damara             40 lea-Fortbildungsprogramm                 Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 7/8 Juli-August 2021 - Hessen postkolonial - GEW Hessen
3     HLZ 7–8/2021   zum Inhaltsverzeichnis                                                                     KOMMENTAR

            Postkoloniale Analysen
    In Zeiten einer globalisierten und digital vernetzten          fügbaren, wenn auch nicht immer bewussten, Privi-
    Welt, in der Individuen und zivilgesellschaftliche Be-         legien und Ressourcen machtkritisch zu reflektieren.
    wegungen aus allen Teilen der Welt (wenn auch un-                 Wissen ist vielfältig und vielschichtig und entsteht
    ter unterschiedlichen Bedingungen) in kürzester Zeit           nie aus einer „neutralen“ Position oder Norm her-
    Informationen generieren und abrufen und sich mit-             aus, sondern ist immer verwoben mit eigenen biogra-
    einander vernetzen und austauschen können, ver-                fischen Erfahrungen, Prägungen und Motivationen.
    ändern sich auch Diskurse zu sozialer Gerechtig-                  Die Beiträge in dieser HLZ möchten dazu anregen,
    keit und Praxen des Eintretens für global verbriefte           postkoloniale Perspektiven für machtkritische Analy-
    Menschenrechte.                                                sen der Gegenwart vor allem auch in den Bildungs-
       Aktuelle Debatten wie die zur globalen Impfge-              institutionen anzuwenden. Dafür ist es wichtig, die
    rechtigkeit im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie                  Wirkweisen von Kolonialismus, Rassismus und Se-
    oder über die Ursachen von Migration aus dem Glo-              xismus und anderen Formen von Ungleichverhältnis-
    balen Süden lassen sich nicht führen, ohne macht-              sen gerade in ihren Überschneidungen anzuerkennen.
    kritische postkoloniale und intersektionale Analy-             Als zentrale, wirkmächtige gesellschaftliche Dimen-
    sen einzubeziehen. Postkolonialismus fokussiert und            sionen strukturieren sie alle gesellschaftlichen Berei-
    analysiert die Kontinuitäten kolonialrassistischer             che und beeinflussen damit auch die Bildungsarbeit.
    Denkweisen, Praxen, Institutionen und Strukturen                  Mit der Anerkennung kolonialrassistischer Verbre-
    und analysiert deren Hineinwirken bis in die Gegen-            chen und Genozide durch ehemalige Kolonialmäch-
    wart. Die mangelnde bzw. Nicht-Anerkennung kolo-               te und mit den Diskursen rund um die Rückführung
    nialrassistischer Verbrechen und Genozide steht in             von im Kolonialismus geraubten Artefakten, Objek-
    einem engen Zusammenhang mit der aktuellen struk-              ten, Gütern und Ressourcen und um Reparationen
    turellen Benachteiligung von migrantischen, Schwar-            für im Zuge der Maafa begangene Verbrechen gegen
    zen und Indigenen Menschen sowie People of Color               die Menschlichkeit an Menschen afrikanischer Her-
    in Ländern des Globalen Nordens: auf dem Arbeits-              kunft und ihren Nachfahren steht Bildungsarbeit vor
    und Wohnungsmarkt, in Kultur, Medien, Politik und              neuen Herausforderungen: Wenn Ungleichverhältnis-
    Wissenschaft.                                                  se und Diskriminierungsmuster erlernt wurden und
       Postkoloniale Perspektiven machen es möglich, in-           werden, können sie mittels Bildungs- und Bewusst-
    dividuelle und kollektive Erfahrungen von Benachtei-           werdungsprozessen auch verlernt werden. Mit einem
    ligung, Ausbeutung und Unterdrückung kritisch zu               Bewusstsein für intersektionale Verknüpfungen und
    hinterfragen und im Sinne einer pluralen, sozial ge-           postkoloniale Kontinuitäten entstehen so Impulse für
    rechten und inklusiven Gesellschaft und eines soli-            eine sozial gerechtere und solidarischere Gesellschaft.
    darischen Miteinanders zu transformieren.
       Postkoloniale Ansätze gehen davon aus, dass die
    in der sogenannten Moderne etablierten eurozen-
    trischen Wahrnehmungsmuster bis heute wirken
    und untrennbar mit kolonialer Dominanz verbunden
    sind. Die im Rahmen des Kolonialismus etablierten
    Macht-, Besitz- und Ungleichverhältnisse bedingen
    bis heute globale Machtasymmetrien und wirken
    nicht nur materiell, sondern auch symbolisch und
    zwar in den Selbstwahrnehmungen von ehemals Ko-
    lonisierten und Kolonisierenden sowie ihrer Nachfah-
    ren. Auch nach dem formalen Ende der Kolonialära
    prägen sie Muster des Denkens, Handelns, Fühlens
    und Kommunizierens. Zu postkolonialen Analysen                                                    Jamila Adamou
    gehört es auch, die eigene Positionierung und die ver-

                                        Foto: Anouchka Olszewski
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 7/8 Juli-August 2021 - Hessen postkolonial - GEW Hessen
SPOT(T)LIGHT                                                                                    zum Inhaltsverzeichnis      HLZ 7–8/2021      4

Nostalgie beim Sommerfest
                                                                                                      Disziplinprobleme gab es für ihn
                                                                                                  nicht. „Was? Sie haben Schwierigkei-
                                                                                                  ten mit Ihrem Deutschunterricht in der
                                                                                                  9. Stunde? Sogar im Baströckchen wür-
      Das jährliche Sommerfest lockt Dutzende      Anscheinend hatte sie zu wild gestiku-         de ich ordentlichen Unterricht machen,
      Pensionisten aus ihren Altersresidenzen.     liert? Fürderhin versteckte sie ihre Hän-      egal zu welcher Zeit!“ Die Geschichte,
      Heute wird die langjährige Schulleite-       de hinter dem Rücken. Und wundert sich         dass er eine politisch verdächtige Kol-
      rin verabschiedet. Einigen stehen Tränen     noch heute über Frauen, die damals un-         legin (Trotzkistin und Feministin!) im
      in den Augen, als ihr Loblied erschallt:     bedingt mit „Fräulein“ angeredet wer-          Dienstzimmer eingesperrt habe, damit
      stets ausgeglichen, nie schlecht gelaunt,    den wollten.                                   sie in Ruhe das Grundgesetz studieren
      auch unter großer Belastung freundlich           Regina, eine energische Frau, hatte        könne, glaubt allerdings die gesamte
      und fair, in jeder Lehrkraft das Positive    nach langer Familienphase ihr Studium          Runde nicht.
      gesehen und herausgekitzelt, selbst bei      beendet. Mitte 40 war sie, als sie die An-         „Und dann kam die große Wende.
      Kandidaten, die innerlich schon längst       stalt als Neulehrerin betrat. Ein Kollege,     Die Zeit der Lückentexte und Ankreuz-
      gekündigt hatten. Die Schulleiterin ver-     dessen zauberhafter Charme berüchtigt          blätter. Die Zeit der Duzerei mit den
      schwindet hinter Blumensträußen und          war, merkte an: „Wir hatten uns alle auf       ,Kids‘. Es gab noch genug Planstellen
      Geschenkpaketen. Sektgläser klirren, ein     eine neue Kollegin gefreut – und dann          und wir haben uns in den Seminaren
      paar Taschentücher wischen verstoh-          kamen Sie!“                                    zum Teil unmöglich und arrogant auf-
      len in Gesichtern rum. Der jugendliche           Einige Silberrücken erinnern sich          geführt. Und geraucht wie die Schlote.
      Nachfolger (52) wird es schwer haben.        noch gut an den Vorgänger der verab-           Die Gardinen im Lehrerzimmer waren
          Am Seniorentisch werden Erinne-          schiedeten Schulleiterin. „Der zählte uns      steif vor Dreck.“ – „Und Kollegin Sor-
      rungen an alte Zeiten ausgetauscht, die      das Papier für Vervielfältigungen genau        ge und Kollege Brand bestanden wäh-
      von den 68ern grausam beendet wur-           ab. 35 Blatt für die Klasse und vier Blatt     rend der gemeinsamen Klassenfahrt
      den. Lehrerinnen sollten zum Unterricht      für Fehldrucke. Und jedes Mal hat er ge-       auf einem gemeinsamen Zimmer. Da-
      in Röcken erscheinen. Das war ein un-        nau kontrolliert, was wir vervielfältigen      bei waren beide anderweitig gebunden.
      ausgesprochenes Gesetz. Kurze Kleid-         wollten. Brecht-Gedichte konnte er über-       Das hat die Schüler schockiert. Genau
      chen mit Stöckelschuhen erschienen al-       haupt nicht leiden, aber die standen nun       wie die, die im Sportbereich in der Du-
      lemal seriöser als Jeans und Sandalen.       mal im Lehrplan. ,Aber Sie machen mir          sche ein äußerst engagiertes gemisch-
      Nur Fußoperierte durften so was tragen.      hier keine kommunistische Propaganda!‘,        tes Lehrerdoppel entdeckten.“
      Auch unbekleidet gab es Ärger. Den be-       hat er befohlen.“                                  Sandra, eine ehemalige Schülerin,
      kam ein Sportlehrer, weil er mit seinen          Mehrfach hat er die Schülerzeitung         setzt sich zu den alten Kämpen. Sie
      Schülern in der Sauna war.                   verboten. Einmal ging es darin um freie        hat gerade ihr Referendariat in einem
          Die ehemalige Französisch-Chefin er-     Liebe. „Wir sind doch hier kein Eros-          „gutbürgerlichen Bezirk“ beendet. Im
      zählt von ihrem Ausbilder, der ihr streng    Center!“, empörte er sich. Die verbote-        Hauptseminar wurden sie belehrt, dass
      riet, auf das Spiel ihrer Hände zu achten.   ne Schülerzeitung fand ein paar Straßen        kurze Hosen, Sandalen und Tattoos im
      Sie sah ihn ratlos an. „Sie haben schließ-   weiter reißenden Absatz und war sofort         Schuldienst dieses Bezirks unerwünscht
      lich auch junge Männer im Unterricht!“       ausverkauft.                                   seien. Ihr Versuch, mit Kolleginnen zu-
                                                                                                  sammenzuarbeiten, scheiterte kläglich.
                                                                                                  Sie fragte, was die anderen in Deutsch
                                                                                                  als Lektüre auswählten, und erhielt als
                                                                                                  Antwort: „Das geht Sie gar nichts an!“
                                                                                                  Der Schulleiter besuchte kein einzi-
                                                                                                  ges Mal ihren Unterricht, gab ihr aber
                                                                                                  trotzdem eine Zwei – wobei ihr eine
                                                                                                  Eins lieber gewesen wäre. Niemand im
                                                                                                  Kollegium hatte Zeit, sie zu betreuen.
                                                                                                  Examen in Corona-Zeiten hieß: Rein
                                                                                                  theoretische Lehrproben ohne Schü-
                                                                                                  ler. Glücklicherweise kann Sandra es
                                                                                                  sich aussuchen, wo sie arbeiten will.
                                                                                                  Den Ausbildungsbezirk und ihre dorti-
                                                                                                  ge Schule verlässt sie ohne großes Be-
                                                                                                  dauern.
                                                                                                      Die alte Religionslehrerin („Ich bin
                                                                                                  Studienrätin!“) murmelt lethargisch:
                                                                                                  „Tempora mutantur, nos et mutamur
                                                                                                  in illis.“ Die Zeiten ändern sich und wir
                                                                                                  uns mit ihnen. Oder so ähnlich.
                                                                                                      Und noch etwas: In diesem Spot(t)­
                                                                                                  light stimmt eigentlich alles. Ich habe
                                                                                                  es nur nett sortiert und die Akteure
                                                                                                  umgetauft.
                                                                                                                         Gabriele Frydrych
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 7/8 Juli-August 2021 - Hessen postkolonial - GEW Hessen
5     HLZ 7–8/2021   zum Inhaltsverzeichnis                                                                               MELDUNGEN

    		OloV: Fördermittel noch                        Frankfurt: Schulreinigung                   Tarif- und Besoldungsrunde
      nicht in trockenen Tüchern                     nach Großrazzia behindert                   beginnt am 1. September
    Die EU-Förderperiode ist noch in Pla-      Im Rahmen einer Großrazzia im Rhein-        Die Verhandlungen der Gewerkschaf-
    nung, die Abstimmung mit der EU-           Main-Gebiet hatten Zoll und Steuer-         ten des öffentlichen Dienstes mit der
    Kommission über die Mittel aus dem         fahndung Ende April einen Schwarzar-        hessischen Landesregierung über einen
    Europäischen Sozialfonds für die An-       beitsring zerschlagen. Die GEW Hessen       neuen Tarifvertrag für die Beschäftig-
    gebote und Vorhaben zur „Optimierung       hat in Erfahrung gebracht, dass es sich     ten des Landes beginnen am 1. Septem-
    der lokalen Vermittlungsarbeit im Über-    dabei um die Firma APEG Gebäude-            ber. In der Folge entscheidet der Tarif-
    gang Schule - Beruf“ (OloV) ist noch im    Service GmbH handelt und dass die           vertrag auch über die Besoldung der
    Gange. Fest steht jedoch, dass die För-    Schulreinigung in Frankfurt betrof-         hessischen Beamtinnen und Beamten.
    derquote um 20 Prozent auf 40 Pro-         fen gewesen ist. Die GEW war durch          Erstmals finden die Verhandlungen in
    zent abgesenkt werden wird. Geplant        Berichte aus den Schulen über aktu-         Hessen vor der bundesweiten Tarifrun-
    ist, dass jede Region 24.000 Euro pau-     elle Probleme bei der Reinigung auf         de der Gewerkschaften mit den Bundes-
    schal für Sach- und Personalkosten er-     das Problem aufmerksam geworden.            ländern der TDL statt. Über die damit
    hält.                                      Die Firma hatte ausschließlich Aufträ-      verbundenen Probleme und den engen
        Die 28 „OloV-Regionen“ entspre-        ge der Stadt Frankfurt im Bereich der       Zeitraum für die Mobilisierung infor-
    chen den hessischen Landkreisen und        Reinigungsbranche erfüllt, dabei wur-       mieren wir auf Seite 7 in dieser HLZ
    kreisfreien Städten sowie den zwei         den mehr als 50 Schulen im Stadtge-         und unter www.gew-hessen.de.
    Sonderstatusstädten Fulda und Ha-          biet gereinigt. Wie die GEW-Vorsitzen-
    nau. Land und Schulträger müssen           de Birgit Koch mitteilte, verweigerte das         Landeselternbeirat wählt
    also zukünftig einen höheren Finan-        zuständige städtische Dezernat für Bau            einen neuen Vorstand
    zierungsanteil übernehmen, wenn OloV       und Immobilien alle Auskünfte, wie
    im gegenwärtigen Umfang fortgeführt        und von wem die betroffenen Schulen         Bei seiner konstituierenden Sitzung
    werden soll. Noch ist nicht klar, ob sie   jetzt gereinigt werden und wie die er-      wählte der 23. Landeselternbeirat ei-
    die fehlenden Mittel vollumfänglich zu-    forderlichen Ersatzaufträge vergeben        nen neuen Vorstand. Als Vorsitzender
    schießen werden. Die Kofinanzierungs-      werden. Aus Sicht der GEW belegt der        wurde Volkmar Heitmann aus Friedberg
    mittel des Landes werden bisher über-      Fall eindrücklich, dass die Reinigung       gewählt. Stellvertreter wurden Thorsten
    wiegend vom Kultusministerium für die      von Schulen durch öffentlich Beschäf-       Sprenger aus Weinbach und Ingo Ra-
    OloV-Stellen in seinem Bereich, zum        tigte erfolgen sollte, „die hierfür aus-    dermacher aus Bickenbach. Heitmann
    Beispiel für die Stunden für die Ko-       reichend Zeit haben und vernünftig be-      nannte die Digitalisierung der Schu-
    ordinatoren an den Schulen, erbracht.      zahlt werden“.                              len, die damit verbundenen Lehr- und
                                                   Die Folgen der Privatisierung öf-       Lernkonzepte, die Bildungsgerechtigkeit
                                               fentlicher Dienstleistungen und die For-    und den dauerhaften Infektionsschutz
          IGS Nordend in Frankfurt:            derung nach einer Rückführung in die        als Schwerpunktthemen des neuen Lan-
          Energiesparmeister in Hessen         kommunale und staatliche Verantwor-         deselternbeirats. Außerdem wolle man
                                               tung sind Schwerpunktthema der HLZ          die Zusammenarbeit mit den Kreis- und
    Der Titel „Energiesparmeister 2021“ für
                                               9-10/2021.                                  Stadtelternbeiräten verstärken.
    das beste Klimaschutzprojekt in Hessen
    geht an die IGS Nordend in Frankfurt.
    Die Gesamtschule hat die Jury mit ihren
    Energieeinsparungen in Höhe von 60               Ralf Becker aus Rüsselsheim jetzt im GEW-Hauptvorstand
    Tonnen C02 im Jahr überzeugen kön-
                                               Kollege Ralf Becker aus Rüsselsheim         nenbildung, für die Position im GEW-
    nen. Nicht vermeidbare Emissionen
                                               wurde beim Gewerkschaftstag der GEW         Hauptvorstand zu kandidieren. Als sei-
    gleicht die Schule zudem mit Baum-
                                               mit 80,2 Prozent der abgegebenen De-        ne Schwerpunkte nannte Ralf Becker
    pflanzungen in Costa Rica aus. Schü-
                                               legiertenstimmen in den GEW-Haupt-          die Umsetzung der Inklusion in der be-
    lerinnen und Schüler führen Pfand-
                                               vorstand gewählt. Als Nachfolger von        ruflichen Bildung und in der Weiterbil-
    flaschen-Sammelaktionen durch und
                                               Ansgar Klinger, der nicht mehr kan-         dung, das Grundrecht auf Ausbildung,
    halten Vorträge zur Plastikvermeidung
                                               didiert hatte, leitet er zukünftig den      die Stärkung der politischen Bildung in
    in Kitas und Schulen.
                                               Organisationsbereich Berufliche Bil-        Berufs- und Weiterbildung und die Di-
                                               dung und Weiterbildung. Der 60-jäh-         gitalisierung.
          lea-Reisen in die Provence:          rige Berufsschullehrer war viele Jahre         Weitere Berichte zum Gewerk-
          Resistance und Emigration            im Teamvorstand der Landesfachgruppe        schaftstag findet man in der Bundeszei-
                                               Berufsbildende Schulen der GEW Hes-         tung EuW, der diese HLZ beigelegt ist.
    In den Herbstferien führen zwei lea-       sen, Mitglied im Kreisvorstand der GEW
    Seminare in der Provence auf die Spu-      Groß-Gerau, DGB-Vorsitzender in Rüs-
    ren der Judenverfolgung und des Wi-        selsheim und im Hauptpersonalrat der
    derstands im besetzten Frankreich und      Lehrerinnen und Lehrer.
    deutscher Autorinnen und Autoren, die          Als Motivation für seine Kandida-
    seit 1933 nach Frankreich ins Exil gin-    tur nannte Ralf Becker die einstimmi-
    gen. Termine und weitere Infos auf Sei-    ge Aufforderung durch die drei Bun-
    te 37 in dieser HLZ und unter www.lea-     desfachgruppen Gewerbliche Schulen,
    bildung.de > Reisen.                       Kaufmännische Schulen und Erwachse-
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 7/8 Juli-August 2021 - Hessen postkolonial - GEW Hessen
CORONA-PANDEMIE                                                                               zum Inhaltsverzeichnis     HLZ 7–8/2021      6

                 Corona-Blog: Was sagt die GEW?
                         Impfungen, Lerndefizite und sinkende Inzidenzen
     Dieser Blog informiert über Aktivitäten      werden. Die GEW weist auf die Frei-           Das Forschungsteam um Frank Muß-
     der GEW Hessen in der Zeit von Mit-          willigkeit der Impfung und die Verant-        mann betrachtete auch die Arbeitsbe-
     te Mai bis zur Fertigstellung dieser HLZ     wortung der Eltern hin und empfiehlt          lastung der Lehrkräfte, die vor allem
     Mitte Juni. Aktivitäten der Kreis- und Be-   deshalb, dass Schülerinnen und Schü-          den Distanzunterricht (90 %) und den
     zirksverbände, der Personalräte und ande-    ler mit Zustimmung und in Begleitung          Wechselunterricht (66 %) als Quellen
     rer Gremien der GEW sind hier nicht er-      der Sorgeberechtigten in den Impfzen-         von Mehrarbeit nennen: „Die Dynamik
     fasst. Alle Statements im Wortlaut unter     tren oder in Arztpraxen geimpft wer-          der Corona-Pandemie und die Digitali-
     www.gew-hessen.de.
                                                  den. Die Wahrnehmung eines Impfan-            sierung verstärken die angespannte Ar-
                                                  gebots sei Sache der Eltern und dürfe         beitssituation an den Schulen und die
     Mittwoch, 12. Mai                            nicht in die Mitverantwortung oder or-        ohnehin schon bekannten hohen Belas-
                                                  ganisatorische Zuständigkeit der Schu-        tungen und Entgrenzungserfahrungen
     Angesichts sinkender Inzidenzen fal-
                                                  le verlagert werden.                          der Lehrkräfte.“
     len immer mehr hessische Städte und
     Landkreise aus der „Bundesnotbremse“
     heraus. Für Regionen, in denen die In-       Mittwoch, 19. Mai                             Mittwoch, 2. Juni
     zidenz an mindestens fünf Werktagen          Kultusminister Lorz stellt das Landes-        Kultusminister Lorz bestätigt, dass das
     unter 100 liegt, gilt deshalb der neue       förderprogramm „Löwenstark“ vor, mit          Versprechen, mit den Impfungen von
     Zwei-Stufen-Plan der Landesregierung.        dem Lerndefizite ausgeglichen werden          Schülern und Schülerinnen ab zwölf
     In der Stufe 1 kehren zunächst die Jahr-     sollen. Die GEW hält das Programm für         Jahren in einer eigenen Impfaktion in
     gangsstufen 1 bis 6 und alle Abschluss-      „unterdimensioniert“ und spricht von          den drei Wochen vor den Sommerfe-
     klassen in den täglichen Präsenzunter-       einer „falschen Schwerpunktsetzung“.          rien zu beginnen, nicht gehalten wer-
     richt zurück, ab Jahrgangsstufe 7 und        Weitere Informationen zu den Plänen           den kann. Zur Begründung verweist er
     in den beruflichen Vollzeitschulformen       der Landesregierung und den Forde-            auf die Mitteilung der Bundesregierung,
     bleibt es beim Wechselunterricht. Bleibt     rungen der GEW findet man in dieser           dass es keine zusätzlichen Impfdosen
     die Region weitere 14 Tage unter 100         HLZ auf den Seite 24 und 25.                  geben werde, und auf die Zurückhal-
     oder liegt die Inzidenz an fünf Tagen                                                      tung der Ständigen Impfkommission,
     unter 50 kehren in der Stufe 2 auch                                                        „die noch keine Empfehlung zur Imp-
     die Klassen ab Jahrgangsstufe 7 in den
                                                  Dienstag, 1. Juni
                                                                                                fung von Kindern und Jugendlichen ab
     täglichen Präsenzunterricht zurück. In       Der GEW-Hauptvorstand stellt in               zwölf Jahren ausgesprochen hat“.
     jeder Phase besteht nach wie vor eine        Frankfurt die Ergebnisse der reprä-
     Testpflicht zweimal pro Woche für alle.      sentativen Studie „Digitalisierung im         Donnerstag, 10. Juni
                                                  Schulsystem“ vor. Studienleiter Frank
     Montag, 17. Mai                              Mußmann von der Kooperationsstel-             Nachdem alle Städte und Kreise die
                                                  le der Universität Göttingen ist vie-         Stufe 2 erreicht haben, werden erstmals
     Kultusminister Lorz kündigt in einem         len GEW-Mitgliedern als Verantwort-           seit Monaten wieder alle Schülerinnen
     Schreiben an die hessischen Eltern an,       licher für die Studien zur Arbeitszeit        und Schüler im eingeschränkten Regel-
     dass die Landesregierung noch vor den        und Arbeitsbelastung von Lehrerinnen          betrieb unterrichtet. Die GEW hält an
     Sommerferien damit beginnen möch-            und Lehrern unter anderem in Nieder-          ihrer Forderung fest, die Schulen durch
     te, Schülerinnen und Schülern ab 12          sachsen und in Frankfurt bekannt. Die         eine bessere Belüftung und den zügi-
     Jahren ein Impfangebot zu unterbrei-         Studie zur Digitalisierung dokumen-           gen Ausbau der digitalen Kommunika-
     ten, „damit diese im Idealfall bis zum
                                                  tiert die weiter bestehenden Mängel bei       tionswege auf einen erneuten Anstieg
     Start des neuen Schuljahrs mindestens
                                                  der Ausstattung, aber auch den Schub          der Infektionen besser vorzubereiten.
     einmal geimpft sind“. Voraussetzung
                                                  durch die Pandemie. So arbeiten nur
     sei, dass für mindestens einen Impfstoff
                                                  70 % der Lehrkräfte an Schulen, an de-        Mittwoch, 16. Juni
     eine Zulassung ab 12 Jahren vorliegt
                                                  nen es WLAN für Unterrichtszwecke
     und „Planungssicherheit in Bezug auf                                                       Die erste Hitzewelle des Sommers
     die zusätzliche Impfstoffbereitstellung      gibt. 58 % der Lehrkräfte nutzen re-
                                                  gelmäßig Lernmanagementsysteme,               macht das Tragen von Masken im Un-
     durch den Bund besteht“. Die Impfun-
                                                  vor der Pandemie waren dies lediglich         terricht und in den Pausen für Kinder
     gen sollen „grundsätzlich in den Impf-
                                                  36 %. Nur 18 % der Lehrkräfte verfügen        und Erwachsene zur Qual. Die GEW hält
     zentren selbst stattfinden“, allerdings
                                                  über ein dienstliches digitales Endgerät.     es trotzdem für falsch, die Entscheidung
     könnten diese auch „mobile Teams
                                                  Auch ein Jahr nach der Pandemie „grei-        an die einzelne Schule zu delegieren,
     in den Schulen einsetzen“. Nach der
                                                  fen 95 % der Lehrkräfte zur Selbsthilfe       und fordert eine einheitliche Regelung.
     Aufhebung der Priorisierung könnten
     auch Impftermine für Schülerinnen und        und setzen ihre privaten elektronischen
                                                  Geräte wie Handy, Computer oder Tab-            Alle weiteren Informationen:
     Schüler bei den Kinder- und Jugend-
     ärzten sowie den Hausärzten vereinbart       let häufiger als vor der Pandemie ein“.             www.gew-hessen. de
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 7/8 Juli-August 2021 - Hessen postkolonial - GEW Hessen
7      HLZ 7–8/2021   zum Inhaltsverzeichnis                                                              TARIF UND BESOLDUNG

                                      Die Zeit wird knapp
                  Die Tarif- und Besoldungsrunde 2021 beginnt in Hessen
    Am 30. September 2021 endet die Lauf-       Gewerkschaften mit der TdL erst Ende         stellation bewertet werden. Dem stehen
    zeit des Tarifvertrags der Länder für die   November in Potsdam möglicherweise           aber innerhalb der gewerkschaftlichen
    Gehälter der Beschäftigten im Landes-       final verhandeln. Diese Zeitleiste stellt    Tarifgemeinschaft Bedenken hinsicht-
    dienst. Gerade haben die Gewerkschaf-       nicht nur die GEW vor eine große Her-        lich der Mobilisierung gegenüber, für
    ten für den öffentlichen Dienst im Mai      ausforderung, da der Zeitraum, in dem        die nur noch wenige Wochen zur Verfü-
    2021 die Diskussion über ihre Forde-        Arbeitskampfaktionen möglich sind,           gung stehen. Zudem besteht die Gefahr,
    rungen eröffnet und schon gibt es Be-       sehr begrenzt ist. Wegen der Laufzeit        dass sich die hessische Tarifentwick-
    merkenswertes aus Hessen zu berich-         der aktuellen Entgelttabellen kann frü-      lung in Zukunft noch stärker von der in
    ten: Die Gewerkschaft ver.di, der die       hestens ab 1. Oktober gestreikt werden,      allen anderen Bundesländern abspaltet.
    Verhandlungsführung mit dem hessi-          und die Herbstferien beginnen bereits
    schen Innenministerium obliegt, hat ei-     am 11. Oktober. Auch im Hochschulbe-         Lehrkräfteentgeltordnung
    nen Terminplan abgesprochen, der bei        reich sind Warnstreiks kaum umsetzbar,       Die diesjährige Hessen-vorne-Varian-
    den anderen Gewerkschaften des öf-          da an vielen hessischen Hochschulen          te hat auch Auswirkungen auf die seit
    fentlichen Diensts in Hessen, auch bei      die „Semesterferien“ erst Mitte Okto-        Ende letzten Jahres laufenden Verhand-
    der GEW, für arge Missstimmung ge-          ber enden. Das erschwert die ohnehin         lungen über eine tarifliche Eingruppie-
    sorgt hat.                                  wegen der Pandemie komplizierte Lage.        rung der hessischen Lehrkräfte (Lehr-
                                                                                             kräfte-Entgeltordnung). Beide Seiten
    Hessen vorn: Keine gute Idee!                                                            hatten vereinbart, diese Verhandlun-
    Nach diesem Terminplan steht fest: Die                                                   gen vor der Tarifrunde 2021 im Herbst
    hessische Tarifrunde wird in diesem Jahr                                                 abschließen zu wollen. Dabei sind die
    zeitlich vor der Tarifrunde mit der Ta-                                                  Beteiligten allerdings von einer hessi-
    rifgemeinschaft deutscher Länder (TdL)                                                   schen Tarifrunde ausgegangen, die zeit-
    stattfinden, in der alle anderen Bun-                                                    lich der TdL-Runde nachgelagert ist.
    desländer zu einem Arbeitgeberverband                                                    Jetzt fehlen fünf bis sechs Wochen, um
    zusammengeschlossen sind. Bisher war                                                     über die Eingruppierungsniveaus für
    das immer umgekehrt: Seit 2008, als der                                                  hessische Lehrkräfte zu streiten.
    erste Tarifvertrag Hessen (TVH) nur für                                                      Deshalb ist es derzeit noch unge-
    hessische Landesbedienstete vereinbart                                                   wiss, ob eine solche Einigung für die
    wurde, ging die TdL im Tarifgeschäft                                                     Eingruppierung der Lehrkräfte ange-
    voran und Hessen, das 2004 aus der          Innerhalb der Tarifgemeinschaft der          sichts der noch weit voneinander ab-
    TDL ausgetreten war, folgte. Dies war       Gewerkschaften des öffentlichen Diens-       weichenden Verhandlungspositionen in
    durchaus im Interesse der Beschäftig-       tes in Hessen, zu der neben der GEW          einzelnen Bereichen tatsächlich noch
    ten in Hessen, weil der hessische Lan-      und ver.di die Gewerkschaft der Poli-        vor der Tarifrunde 2021 möglich sein
    desdienst von einem sehr hohen Anteil       zei, die IG BAU und die dbb tarifunion       wird, bei der ja vor allem die Entwick-
    von Beamten und Beamtinnen geprägt          gehören, sorgte die Terminierung der         lung des Entgelts im Mittelpunkt steht.
    ist. Streikerfolge lassen sich aber vor     hessischen Tarifrunde für Verärgerung,           Trotz dieser schwierigen Situation
    allem in den Ländern erzielen, die re-      denn ver.di hatte die neuartige Rolle        versuchen wir mit aller Kraft, hier doch
    lativ viele Arbeitnehmerinnen und Ar-       Hessens als Bezirk für einen „Pilotab-       noch zu einer Einigung zu kommen, die
    beitnehmer beschäftigen. Die bisheri-       schluss“ mit den anderen Gewerkschaf-        Verbesserungen für viele Beschäftigten-
    ge Reihenfolge gewährleistete politisch,    ten nur unzureichend kommuniziert.           gruppen enthält.
    dass Hessens Arbeitnehmerinnen und          Aus Sicht der GEW sind die Argumen-              Die Tarifkommission der GEW Hes-
    Arbeitnehmer nicht abgehängt wurden.        te für einen frühen Start in Wiesbaden       sen wird in der ersten Julihälfte über
    Das TdL-Tarifergebnis wurde im Großen       nur bedingt überzeugend. Zum einen           die Forderungen zur Tarifrunde ent-
    und Ganzen nachvollzogen, 2017 und          möchte ver.di dem befürchteten allge-        scheiden. Der bundesweite Forderungs-
    2019 gab es mit dem LandesTicket Hes-       meinen Kassensturz nach der Bundes-          beschluss und die inhaltliche Abstim-
    sen und der stufengleichen Höhergrup-       tagswahl Ende September zuvorkom-            mung mit den anderen Gewerkschaften
    pierung sogar noch Extras.                  men. Ein früher Tarifabschluss, so das       folgen dann in der letzten Woche der
        Die erste Verhandlungsrunde für den     Kalkül, könnte den erwarteten Veren-         Sommerferien.
    TVH findet am 1. September statt, also      gungen des finanzpolitischen Spiel-
                                                                                             Rüdiger Bröhling,
    am Mittwoch der ersten Unterrichtswo-       raumes in Folge der Pandemie zuvor-
                                                                                             Tarifreferent der GEW Hessen
    che nach den Sommerferien und da-           kommen. Auch mag eine erfolgreiche
    mit fünf Wochen vor der TdL. Die vor-       Vorab-Tarifrunde mit einem Bundes-             Alle weiteren Informationen:
    aussichtlich letzte Verhandlungsrunde       land, das mutmaßlich finanzpolitisch               www.gew-hessen. de
    ist für den 14. und 15. Oktober 2021        besser aufgestellt zu sein scheint als an-
    in Dietzenbach angesetzt, während die       dere Bundesländer, als günstigere Kon-          Stichwort Tarifrunde 2021
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 7/8 Juli-August 2021 - Hessen postkolonial - GEW Hessen
HOCHSCHULEN                                                                                  zum Inhaltsverzeichnis      HLZ 7–8/2021      8

                                                                                             Frist ist Frust
                    Was bringt die Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes?
     Wenige Tage vor Redaktionsschluss der      zentur“ vor, die sich vor allem auf die        nen und das Wissenschaftszeitvertrags-
     HLZ legte Wissenschaftsministerin An-      Lehre konzentriert. Hier erwartet die          gesetz im Besonderen mit den Lehr-,
     gela Dorn (Bündnis 90/Die Grünen) den      GEW eine genaue Beschreibung der               Forschungs- und Arbeitsbedingungen
     lange erwarteten Entwurf zur Novellie-     Aufgaben. Eine reine Entfristung reicht        machen und gleichzeitig, warum wir
     rung des Hessischen Hochschulgesetzes      nicht aus, denn gute Arbeitsbedingun-          als wissenschaftliche Mitarbeiter:innen
     (HHG) vor. Eine ausführliche Übersicht     gen spiegeln sich auch in der Machbar-         diese Arbeit so gerne machen. Die De-
     über die Themen, die die schwarz-grüne     keit des Lehrdeputats in der vorgegebe-        batten auf Twitter zeigen, dass die Pro-
     Koalition aufgreifen will, und die Stel-   nen Arbeitszeit wieder.                        blematik der Befristung sehr tiefgrei-
     lungnahmen der GEW findet man auf          • Die Idee, an Hochschulen für an-             fend ist und Menschen auf keinen Fall
     der Homepage der GEW Hessen (www.          gewandte Wissenschaften (HAW) eine             das reale Leben dazwischenkommen
     gew-hessen.de > Bildung > Hochschu-        „Tandem-Professur“ zu ermöglichen,             sollte, denn dann können die unge-
     le und Forschung).                         gibt neue Karriereperspektiven und ist         schriebenen Leistungskriterien für eine
         Unser erstes besonderes Augenmerk      sicher ein Instrument, um unterreprä-          Professur nicht erreicht werden.
     galt der Frage, ob und wie die Landes-     sentierten Gruppen eine Möglichkeit zu             Aus GEW-Sicht soll spätestens das
     regierung die Forderung nach besseren      einer HAW-Professur zu eröffnen. Auch          Ende einer Promotion mit dem Ende
     Arbeitsbedingungen und nach der Ent-       hier muss schon bei den Beratungen             der Befristung einhergehen, damit
     fristung befristeter Arbeitsverträge an-   über den Gesetzentwurf diskutiert wer-         Wissenschaftler:innen nicht auch in
     geht. Beim ersten Blick in den Entwurf     den, wie die Idee in der realen Praxis         der zweiten Qualifikationsphase immer
     keimt eine gewisse Hoffnung auf, dass      an den HAW umgesetzt werden kann.              weiter befristet beschäftigt sein müs-
     die Landesregierung die vielen Aktio-          Schon beim ersten Lesen des Gesetz-        sen. In Drittmittelprojekten ist eine Be-
     nen wahrgenommen hat und dem Be-           entwurfs wird aber auch deutlich, dass         fristung sogar unendlich möglich, auch
     fristungsunwesen auch mit gesetzlichen     das Korsett eines Qualifikationssystems        wenn in der Praxis die Hochschulen
     Regelungen entgegentreten will:            letztlich nicht durchbrochen wird: Dass        manchmal wegen möglicher Kettenver-
     • Nach einer zusätzlichen dreijähri-       Befristung in den Hochschulen weiter           träge Rückzieher machen.
     gen Bewährungsphase mit abschlie-         gewollt ist, zeigt allein die Verwendung
     ßender Evaluation sollen promovierte       des Begriffs „Nachwuchs“.                      Befristung verhindert Innovation
     Wissenschaftler:innen unbefristet als                                                     Auch die Umfrage der Initiative darm-
     Angestellte oder Beamt:innen beschäf-      Twitter: # Ich bin Hanna                       stadt unbefristet, die wir in dieser HLZ
     tigt werden können. Die GEW kritisiert,    Damit bleibt auch die hessische Wis-           auf Seite 10f. dokumentieren, macht
     dass schon bisher prekär Beschäftigte      senschaftspolitik in der Logik der Bay-        in drastischer Form deutlich, dass Be-
     mit dieser Regelung durch eine weitere     reuther Erklärung von Hochschulkanz­           fristung keineswegs zu mehr Inno-
     Bewährungsphase weiter unter Druck         ler:innen, die die Hochschulen als ein         vation führt: Dauerstress und massi-
     gesetzt werden.                            Qualifizierungssystem sehen, in dem            ve Überstunden führen im Gegensatz
     • Weiter sieht der Gesetzentwurf eine      Qualifizierung nur in einem zeitlich be-       dazu, dass Menschen weniger produktiv
     neue Personalkategorie „Hochschuldo-       fristeten Arbeitsvertrag stattfinden darf.     sind, in der Wissenschaft genauso wie
                                                Auch ein vom Bundesministerium für             in allen anderen Bereichen. Um Krea-
                                                Bildung und Forschung veröffentlich-           tivität zu fördern, müssen sich die Ar-
                                                tes Video zum Wissenschaftszeitver-            beitsbedingungen ändern. Die Frage ist
                                                tragsgesetz (WissZeitVG), das mittler-         nur, ob das mit dem bestehenden Wiss-
                                                weile wieder gelöscht wurde, sorgte für        ZeitVG überhaupt möglich ist. Auch der
                                                Empörung. Um den Arbeitsplatz Hoch-            Entwurf zur Änderung des Hessischen
                                                schule kennenzulernen und durch Fle-           Hochschulgesetzes ist nicht der große
                                                xibilität für neue Impulse und Innova-         Wurf zur Veränderung des Hochschul-
                                                tionen zu sorgen, müssten die Verträge         systems und das Befristungsunwesen
                                                jüngerer Wissenschaftler:innen befristet       wird so kaum zu Fall gebracht wer-
                                                sein. Das Ganze passt sich wunderbar           den können. Die Bemühungen sind er-
                                                in die voranschreitende Neoliberalisie-        kennbar, aber es wird nicht ohne andere
                                                rung der Hochschule und in die schein-         bundesgesetzliche Rahmenbedingun-
                                                bare Unabwendbarkeit der vorliegenden          gen gehen, damit wir auch für Hanna
                                                Bedingungen und Möglichkeiten ein.             bessere Arbeitsbedingungen erreichen.
                                                    Die Wissenschaftsgemeinschaft re-
                                                agierte auf das Video mit dem Hash-                                  Dr. Simone Claar
                                                tag #IchbinHanna. Über 11.000 Tweets           Simone Claar leitet im Team mit Wolfgang
                                                dokumentierten in wenigen Tagen, was           Richter-Girard das Referat Hochschule und
                                                das Wissenschaftssystem im Allgemei-           Forschung im GEW-Landesvorstand.
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 7/8 Juli-August 2021 - Hessen postkolonial - GEW Hessen
9      HLZ 7–8/2021   zum Inhaltsverzeichnis                                                 AUS DER PERSONALRATSARBEIT

           Peter Zeichner als HPRLL-                    Hauptpersonalrat: Beratungen zur Digitalisierung
           Vorsitzender bestätigt
                                                  Die Umsetzung des Digitalpakts ist             Dieses Bild wird auch durch die Re-
    In seiner konstituierenden Sitzung            weiter eines der Hauptthemen des           cherchen des Hessischen Rundfunks
    wählte der Hauptpersonalrat der Leh-          HPRLL. Kurz vor Redaktionsschluss          bestätigt, wonach von den 500 Milli-
    rerinnen und Lehrer (HPRLL) Peter             der HLZ verkündete der Hessische Be-       onen Euro aus dem DigitalPakt Schule
    Zeichner erneut zum Vorsitzenden so-          auftragte für Datenschutz und Infor-       des Bundes Anfang Juni in Hessen nur
    wie Christina Nickel und Ralf Becker zu       matonsfreiheit (HBDI) eine weitere         15 Prozent abgerufen bzw. bewilligt
    stellvertretenden Vorsitzenden. Auch          Übergangsfrist für die Nutzung von         wurden. Ein Sprecher des HKM teilte
    die HLZ schließt sich den Glückwün-           Videosystemen und Schulclouds, die         mit, es mangele wegen Corona vieler-
    schen an. Nach der Wahl von Ralf Be-          die Anforderungen der Europäischen         orts an Zeit und Personal.
    cker in den GEW-Hauptvorstand wird            Datenschutzverordnung nicht erfüllen,          Bei Fragen zur Zwei-Wege-Au-
    in Kürze eine Neuwahl auf der Tages-          bis zum 31.1.2022. Damit gab er dem        thentifizierung, für die ein weiteres
    ordnung stehen (HZ S. 5).                     Druck des Hessischen Kultusministeri-      digitales Endgerät benötigt wird, ver-
        Peter Zeichner dankte bei dieser Ge-      ums (HKM) nach, das seine Zusage of-       weist das HKM an das entsprechen-
    legenheit noch einmal allen Mitglie-          fensichtlich nicht einhalten kann, bis     de Service-Portal. Der HPRLL forder-
    dern des Hauptwahlvorstands, der 15           zum Beginn des neuen Schuljahrs ste-       te das HKM auf, dessen Informationen
    Gesamtwahlvorstände und der Wahl-             he im Schulportal ein funktionsfähiges     über eine alternative Authentifizierung
    vorstände in den Schulen, die gemein-         und datenschutzkonformes Videokon-         ohne zweites Endgerät allen Beschäf-
    sam dazu beigetragen haben, dass die          ferenzsystem zur Verfügung.                tigten zur Verfügung zu stellen. Es
    Wahlen trotz der Verschiebung, der da-            Die Beteiligung des HPRLL bei der      könne nicht sein, so der HPRLL-Vor-
    mit verbundenen Mehrarbeit und der            Ausweitung des Hessischen Schulpor-        sitzende Peter Zeichner, dass jetzt „alle
    Schließung vieler Schulen mit einer be-       tals war bei Redaktionsschluss die-        Lehrkräfte bei der Hotline anrufen“.
    achtlichen Wahlbeteiligung von über 70        ser HLZ Mitte Juni noch nicht abge-
    Prozent abgeschlossen werden konnten.         schlossen. Aufgrund der notwendigen        Fragwürdige Leihverträge
                                                  Prüfung des gesamten Schulportals          Noch komplizierter wird die Materie,
                                                  durch den HBDI ist schon jetzt abseh-      weil inzwischen gar nicht mehr von
                                                  bar, dass die Beteiligungsverfahren vor    „dienstlichen Endgeräten“ die Rede
           Schule: Dienstbefreiung zur            den Sommerferien nicht mehr abge-          ist. Auch der Musterleihvertrag spricht
           Betreuung von Kindern                  schlossen werden können.                   nur noch von einem „Leihgerät für
    In einem Schreiben an den HPRLL                                                          dienstliche Zwecke“, das „vorrangig
    bestätigte das HKM die weitere Gül-           Dienstliche Mailadressen                   zur Durchführung des Unterrichts“ zur
                                                  Weiterhin offen ist die Verbindlichkeit    Verfügung gestellt wird: „Dazu zählen
    tigkeit der Regelungen für eine Ar-
                                                  der Nutzung dienstlicher E-Mail-Ad-        insbesondere die Vor- und Nachberei-
    beits- bzw. Dienstbefreiung der Be-
                                                  ressen durch Lehrkräfte und sozialpä-      tung des Unterrichts in der Schule, zu
    schäftigten in den Schulen für den
                                                  dagogische Fachkräfte im Schuldienst.      Hause oder einem anderen Lernort so-
    Fall der Schließung von Schulen und
                                                  Die Ankündigung des HKM, dass bis          wie die Erteilung des digitalen Distanz-
    Betreuungseinrichtungen. Das HKM
                                                  zum Beginn des neuen Schuljahres alle      unterrichts.“ Echte „dienstliche Endge-
    weist darauf hin, dass die Regelungen
                                                  Lehrkräfte einen Laptop oder ein Tablet    räte“, die in die digitale Infrastruktur
    in der hessischen Landesverwaltung
                                                  zur dienstlichen Nutzung bekommen,         der Behörde eingebunden sind, sol-
    „großzügiger“ sind als die erweiterte
                                                  auf der die Mailadresse genutzt werden     len – so die vage Auskunft des HKM –
    Neuregelung der „Kinderkrankentage“.
                                                  kann, hat mit der Realität wenig zu tun.   erst zu einem späteren Zeitpunkt bereit
    Dies liege daran, „dass hessischen Be-
                                                                                             gestellt werden. Der Musterleihver-
    diensteten zur Betreuung ihrer Kinder
    Dienstbefreiung ‚im erforderlichen Um-
                                                  Dienstgeräte für den Unterricht            trag, den das HKM den Schulträgern
                                                  Eine Umfrage unter allen 15 Gesamt-        zur freien Verwendung zur Verfügung
    fang‘ gewährt werden kann, also letzt-
                                                  personalräten ergab Anfang Juni ein        gestellt hat, wurde vom HKM inzwi-
    lich ganz ohne eine Begrenzung nach
                                                  sehr buntes Bild: Einige Schulträger       schen zurückgezogen und soll durch
    Tagen“. Weiter heißt es:
                                                  waren zu diesem Zeitpunkt noch im-         eine noch auszuarbeitende Rahmen-
    „Wenn Lehrkräfte eine Betreuungs- bzw.
                                                  mer mit der Sichtung der Anträge be-       nutzungsvereinbarung ersetzen wer-
    Pflegesituation vortragen können, die sie
                                                  fasst, während bei anderen die Ge-         den, an der der HPRLL beteiligt wer-
    an einer Arbeitsleistung in Präsenz hin-
    dert, können sie im erforderlichen Umfang     räte bereits in Depots lagern, um im       den soll. Zurückgezogen wurde auch
    Dienstbefreiung erhalten. In der Folge ent-   Lauf der nächsten Wochen bespielt und      das Muster für den Verzicht auf ein
    steht dann auch keinerlei Verdienstaus-       konfiguriert zu werden. Nur ganz we-       dienstliches Endgerät. Kolleginnen
    fall.“                                        nige Lehrkräfte haben bereits ein Gerät    und Kollegen, die weiter ein privates
    Der HPRLL machte einmal mehr deut-            erhalten und zerbrechen sich den Kopf      mobiles Endgerät nutzen wollen, soll-
    lich, dass der weite Ermessensspielraum       über die Klauseln des „Überlassungs-       ten hier weitreichende Zusicherungen
    der Schulleitungen in der Praxis zur          vertrags“. Der HPRLL geht deshalb wei-     bezüglich des Datenschutzes, der Ver-
    Ungleichbehandlung innerhalb eines            ter davon aus, dass die Einrichtung ei-    schlüsselung von Daten und des Zu-
    Kollegiums und zwischen den Schulen           ner dienstlichen Mailadresse erst dann     gangs zum häuslichen Arbeitsplatz ab-
    führen kann.                                  verpflichtend sein kann, wenn die Be-      geben. Ob das HKM auf eine solche
    • Alle weiteren Informationen findet          schäftigten auch ein Gerät zur dienst-     Mustererklärung ganz verzichtet oder
    man unter www.gew-hessen.de > The-            lichen Nutzung und nicht nur für Un-       eine Überarbeitung nachreicht, war bei
    men > FAQ Corona Schule                       terrichtszwecke bekommen haben.            Redaktionsschluss noch nicht bekannt.
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 7/8 Juli-August 2021 - Hessen postkolonial - GEW Hessen
ARBEITSBEDINGUNGEN AN HOCHSCHULEN                                                                                                                            zum Inhaltsverzeichnis      HLZ 7–8/2021      10

               Umfrage an hessischen Hochschulen
          Befristet Beschäftigte sind von der Pandemie besonders betroffen
     Die Belastung der Beschäftigten an                                                          verlängern. Reinhard hält dies jedoch                         im Wissenschaftszeitvertragsgesetz von
     Hessens Hochschulen ist im Zuge der                                                         für unzureichend:                                             2016 nicht verbessert haben. Das gilt für
     Corona-Pandemie deutlich gestiegen.                                                         „Es gibt keinen verbindlichen Anspruch,                       wissenschaftliche Beschäftigte, aber auch
     Das dokumentiert eine Befragung von                                                         Verlängerungen müssen einzeln beantragt                       für die wissenschaftsunterstützenden und
     mehr als 3.000 Hochschulmitarbeiterin-                                                      und begründet werden. Wir fordern, dass                       technisch-administrativen Bereiche. Die
     nen und -mitarbeitern, die die Gewerk-                                                      allen befristet Beschäftigten eine Verlän-                    Verdichtung von Arbeit durch das immer
     schaften ver.di und GEW gemeinsam                                                           gerung ihrer Verträge angeboten wird. Das                     mehr wettbewerbsorientierte Hochschul-
                                                                                                 ist doch wohl das Mindeste.“                                  system hat schon vor der Corona-Pande-
     mit der Initiative darmstadt unbefristet
                                                                                                 Die Soziologin Ricarda Kramer verwies                         mie viele an ihre Grenzen gebracht und
     Mitte Mai vorgestellt haben. So geben                                                                                                                     auch dazu geführt, dass den Hochschulen
     60 Prozent der Befragten an, ihr Ar-                                                        darauf, dass Beschäftigte mit befriste-
                                                                                                                                                               gute und kluge Köpfe verloren gingen.“
     beitsstress habe seit Beginn der Pande-                                                     ten Verträgen auch unabhängig von der
     mie zugenommen. Für 72 % der Wis-                                                           aktuellen Situation unter großem Druck
     senschaftlichen Mitarbeiterinnen und                                                        stehen. So geben 80 Prozent von ih-                                      Let‘s organize!
     Mitarbeiter stieg der Aufwand für Ar-                                                       nen an, sich sehr häufig oder oft Sor-
     beiten in der akademischen Selbstver-                                                       gen um die eigene berufliche Zukunft                          Die Umfrage verdeutlicht, dass die Be-
     waltung und für administrativ Tätig-                                                        zu machen. Von diesen Befragten füh-                          fristung das Dauerthema an den Hoch-
     keiten.                                                                                     len sich wiederum 80 Prozent davon                            schulen ist. Durch Corona sind viele Be-
         Mit der Corona-Pandemie habe sich                                                       (eher) stark belastet:                                        schäftigte an ihre persönlichen Grenzen
     die Belastung an den Hochschulen noch                                                       „Die permanente Unsicherheit bedeutet                         gelangt. Mittlerweile befinden wir uns
     einmal deutlich erhöht, sagte der Phy-                                                      einen enormen psychischen Druck, der                          im dritten digitalen Semester. Die Ar-
     siker Johannes Reinhard von darmstadt                                                       potenziell krank macht. Wir brauchen                          beitsbelastung hat sich nicht verringert,
     unbefristet. Das gelte insbesondere für                                                     an den Hochschulen und Universitäten                          sondern man sieht den Kolleginnen und
     befristet Beschäftigte:                                                                     dringend mehr unbefristete Stellen. Das                       Kollegen an, dass ihre Ressourcen ver-
                                                                                                 ist sowohl im Interesse der Betroffenen                       braucht sind. Zu oft wird auch davon
     „Befristet Beschäftigte sind in allen Berei-                                                als auch im Sinne guter Lehre und For-                        ausgegangen, dass es ein Leichtes sei,
     chen stärker betroffen. Sie arbeiten häu-                                                   schung. Wenn die Bearbeitung von Dau-                         im Homeoffice zu arbeiten und paral-
     figer abends und an Wochenenden, kom-                                                       eraufgaben ständig wechselt, ist das auch                     lel Kinder zu beschulen und zu betreu-
     men öfter krank zur Arbeit und klagen                                                       für die Studierenden und die administra-                      en oder Angehörige zu pflegen.
     stärker darüber, ständig erreichbar sein                                                    tiven Abläufe schädlich.“                                         Wir müssen uns weiter organisie-
     zu müssen.“
                                                                                                                                                               ren! In den letzten vier Jahren hat sich
     Eine große Mehrheit von 84 Prozent                                                                                                                        viel verändert und es gibt – nicht nur
     der Befragten geht davon aus, dass sich                                                        Was heißt das für die GEW?
                                                                                                                                                               in Hessen – deutlich mehr Zusammen-
     Forschungsvorhaben und Qualifikati-                                                         Die GEW Hessen kündigte nach der                              schlüsse von Beschäftigten an Hoch-
     onsarbeiten infolge der Pandemie ver-                                                       Vorstellung der Umfrage an, dass sie                          schulen. UniKassel Unbefristet hat seit
     zögern. Die Bundesregierung hat durch                                                       gemeinsam mit den „unbefristet“-Ini-                          2017 viel dafür getan, das Thema Be-
     eine Änderung des Wissenschaftszeit-                                                        tiativen an den hessischen Hochschu-                          fristung über Kassel hinaus bekannt zu
     vertragsgesetzes die Möglichkeit ge-                                                        len den Druck für mehr unbefristete                           machen. Das ist gut! Aber wir müssen
     schaffen, befristete Verträge wegen der                                                     Verträge erhöhen will:                                        den Druck gerade jetzt weiter erhöhen:
     Pandemie um zwölf Monate über den                                                           „Die Umfrage zeigt, dass sich die Ar-                         Im Herbst finden die Tarifverhandlun-
     bisherigen Höchstrahmen hinaus zu                                                           beitsbedingungen trotz der Änderungen                         gen für die Beschäftigten des Landes
                                                                                                                                                               statt (HLZ S.7) und auch bei den Bera-
                                                                                                                                                               tungen zur Novellierung des Hessischen
          FAZIT                                                                                                                                                Hochschulgesetzes (HLZ S. 8) wollen
                                                                                                  Die Ergebnisse zeigen:
                                                                                                  ➢ Befristete Beschäftigung bedeutet eine starke
                                                                                                                                                               wir das Thema nach vorne bringen.
                                                                                                     Verunsicherung und Belastung                                  Wir wollen erreichen, dass es nicht
                                                                                                  ➢ Dies hat sich im Zuge der Pandemie nochmals                nur neue Personalkategorien gibt, son-
                                                                                                     verschärft. Die Belastungen in Lehre und
                                                                                                     Administration sind gestiegen, die Forschung              dern auch rechtliche Verbindlichkei-
                                                                                                     wurde erschwert                                           ten für die Reduzierung der Befristung.
                                                                                                  Deshalb fordern wir:
                                                                                                                                                                   Wir freuen uns, wenn auch DU da-
                                                                                                  ➢ Allen befristet Beschäftigten muss wegen den               bei bist, gemeinsam für bessere Ar-
                                                                                                     besonderen Belastungen in der Pandemie eine               beitsbedingungen zu kämpfen: Let’s
                                                                                                     Vertragsverlängerung von mindestens zwölf
                                                                                                     Monaten angeboten werden                                  organize!
            Hier zu sehen sind die Ein-Wort-Antworten auf die Frage, wie die Teilnehmenden die
            Befristungspraxis an Hochschulen im Allgemeinen beurteilen. Je Häufiger die
                                                                                                  ➢ Deutliche Ausweitung unbefristeter
                                                                                                     Arbeitsverhältnisse
                                                                                                                                                               Dr. Simone Claar
                                                                                                                                                               Referat Hochschule und Forschung im
            Antwort, desto größer das Wort
            Quelle: eigene Auswertungen

                                                                                                                                                19.05.2021     GEW-Landesvorstand
                                                                                                                   Unterstützt von:
11     HLZ 7–8/2021   zum Inhaltsverzeichnis                                                                                                                    LANDESPOLITIK

                                                                                                                                                                                       Kassel,
                                                                                                                                                                                       15.1.2020

               darmstadt unbefristet: Die Umfrageergebnisse im Detail
     An der Umfrage von darmstadt unbe-         • Sowohl bei befristet als auch bei un-                              schung hat sich der Arbeitsaufwand
     fristet, GEW und ver.di, die in der Zeit   befristet Beschäftigten hat sich die Ver-                            hingegen nur für 32 % der wissen-
     vom 30. Oktober 2020 bis zum 22. Ja-       einbarkeit der Arbeit mit Ruhe- und                                  schaftlichen Mitarbeiterinnen und Mit-
     nuar 2021 durchgeführt wurde, haben        Erholungszeiten seit der Pandemie für                                arbeiter seit der Pandemie erhöht, bei
     sich 3.148 Beschäftigte an hessischen      die überwiegende Mehrheit stark oder                                 23 % ist er sogar gesunken.
     Hochschulen beteiligt. Hier die wich-      leicht verschlechtert. Dies trifft auf                               • Jede zweite Frau (48 %) registriert
     tigsten Ergebnisse:                        40 % der unbefristet und 57 % der be-                                oder erwartet deutliche Verzögerungen
     • Etwa zwei Drittel (über 66 %) der        fristet Beschäftigten zu. Alle machen                                in ihren Publikationen, bei Männern
     befristet Beschäftigten an hessischen      seit der Beginn der Pandemie mehr                                    liegt der Anteil bei 37 %. Etwa 84 %
     Hochschulen machen sich sehr häu-          Überstunden.                                                         aller Befragten gehen davon aus, dass
     fig oder oft Sorgen um ihre berufli-       • Die Care-Arbeit ist seit der Pande-                                sich ihr Qualifikationsziel aufgrund der
     che Zukunft. Über 80 % der unbefristet     mie für befristet und unbefristet Be-                                Pandemie verzögern kann oder wird.
     Beschäftigten machen sich selten bzw.      schäftigte unabhängig vom Geschlecht                                 • Seit der Pandemie gab es eine Ver-
     nie Sorgen um ihre berufliche Zukunft.     stark angestiegen.                                                   schiebung der Arbeit hin zu adminis-
     • 88 % der Befragten identifizieren        • In der Lehre ist der Arbeitsaufwand                                trativen Tätigkeiten und Lehrtätigkei-
     sich in (sehr) hohem Maß mit ihrer ei-     seit der Pandemie bei 77 % der wis-                                  ten und weg von der Forschung. Für
     genen Arbeit. Diese Kombination aus        senschaftlichen Mitarbeiterinnen und                                 60 % der Befragten hat sich die Stress-
     hoher Identifikation mit der eigenen       Mitarbeiter deutlich oder leicht ange-                               situation seit der Pandemie stark oder
     Arbeit und befristeter Beschäftigung       stiegen. Im administrativ-technischen                                leicht verschlechtert. Auch die Bezie-
     begünstigt die Selbstausbeutung.           Bereich ist der Arbeitsaufwand seit der                              hungen zu Kolleginnen, Kollegen und
     • Zwei Drittel (68 %) der befristet Be-    Pandemie bei etwas über 72 % deut-                                   Studierenden haben sich seit der Pan-
     schäftigten an hessischen Hochschu-        lich oder leicht angestiegen. In der For-                            demie verschlechtert.
     len haben in den vergangenen zwölf
     Monaten mindestens einen Tag krank
     gearbeitet, 18 % an mehr als zehn Ta-          BEFRISTUNGSPRAXIS AN HESSISCHEN HOCHSCHULEN
     gen. Bei den unbefristet Beschäftigten         Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen                               Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen (aus Haushaltsmitteln)
     haben dagegen 40 % nie krank gear-                                                               2019                                                               2019
     beitet, 12,5 % an mehr als zehn Tagen.         unbefristet                                      1.047             unbefristet                                        806
     • Sowohl befristet als auch unbefristet        befristet                                        8.847             befristet                                        4.217
     Beschäftigte an hessischen Hochschu-           Gesamt                                           9.894             Gesamt                                           5.023
     len waren vor Beginn der Pandemie zu           Befristet in %                                   89, 42            Befristet in %                                   83,95
     rund 20 % (eher) stark durch die Ar-           Administrativ-technische Mitarbeiter:innen                        Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen (aus Drittmitteln)
     beitszeitbedingungen belastet. Seit der                                                          2019                                                               2019
     Pandemie hat sich die Belastung durch          unbefristet                                      9.776             unbefristet                                         241
     die allgemeinen Arbeitszeitbedingun-           befristet                                        2.281             befristet                                        4.630
     gen bei unbefristet Beschäftigten um           Gesamt                                          12.257             Gesamt                                           4.872

     16 % und bei befristet Beschäftigten so-       Befristet in %                                   18,61             Befristet in %                                   95,05

     gar um 21 % erhöht.                                                                  Quelle: Statistisches Landesamt Hessen 2020
                                                                                                                                                                          19.05.2021
                                                                                                                                          Unterstützt von:
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