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HAMBURG M AC H T FÜR HAMBURGER LEHRKRÄFTE UND ELTERNRÄTE SCHULE 2-3/2020 32. JAHRGANG SONDERAUSGABE CORONA LERNEN UND ARBEITEN IN DER PANDEMIE
CORONA FOTO LUTZ HAMBACH Statue des Namensgebers am Goethe-Gymnasium HERAUSGEBER: Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) Prof. Dr. Josef Keuffer, Direktor des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung Felix-Dahn-Straße 3, 20357 Hamburg / josef.keuffer@li-hamburg.de REDAKTIONSLEITUNG THEMA: Ingrid Herzberg, Ruben Herzberg / redaktionsleitung.hms@hamburg.de REDAKTION: Dr. Andrea Albers, Dr. Martina Diedrich, Prof. Dr. Dagmar Killus, Beate Proll REDAKTIONSLEITUNG BSB-INFO: IMPRESSUM Svenja Brandt, BSB / svenja.brandt@bsb.hamburg.de Andreas Kuschnereit, BSB / andreas.kuschnereit@bsb.hamburg.de REDAKTION: Petra Stessun / petra.stessun@bsb.hamburg.de LAYOUT Andrea Lühr, Carsten Thun DRUCK Max Siemen KG Hamburg ILLUSTRATION TITEL Pia Brüntrup 32. JAHRGANG / AUFLAGE: 13.000 ISSN 0935-9850
EDITORIAL Insbesondere danke ich den Leitungen der Redaktionen für den Thementeil (Ingrid und Ruben Herzberg) und für BSB- Info (Andreas Kuschnereit und Svenja Brandt) für die zu- packende Art, mit der sie gemeinsam das Sonderheft „Co- rona“ und somit die Doppelausgabe 2-3/2020 von HmS ermöglicht haben. Genau wie in den Schulen haben auch PROF. DR. JOSEF KEUFFER hier Kreativität, Unkonventionalität und das Bewusstsein über die Reichweite der notwendigen schulischen Anpas- sungen zum Gelingen beigetragen. Die Artikel dieser Doppelausgabe gehen von der grundle- genden Störungserfahrung im Alltag der Schulen aus. Die Autorinnen und Autoren zeigen die Lösungswege auf, die sie trotz der erheblichen Einschränkungen für alle genutzt haben, um das schulische Leben und Lernen so weit wie möglich aufrecht zu erhalten. Die Beiträge zeigen ein Stim- Liebe Leserin, mungsbild und sind zugleich erste Reflexionen auf diese lieber Leser, Ausnahmesituation. Es ist erstaunlich, wie vielfältig die Schulen auf die Situation reagiert haben und wie sie mit die erste Ausgabe von HmS in diesem Jahr widmete sich den Herausforderungen umgegangen sind. Der Kontakt dem Reisen, dem Schüleraustausch und der internationa- der Lehrenden untereinander wurde neu organisiert, die len Bildungskooperation. Seit dem Lockdown im Frühjahr Beteiligung der Eltern wurde digital geregelt und ihre je 2020 hat sich die Lage grundlegend gewandelt. Weltweit individuelle Lage so weit wie möglich berücksichtigt. El- mussten die Folgen von Corona bedacht und Anpassungen tern haben – vermutlich stärker als sonst – im Rahmen für viele Bereiche vorgenommen werden. Schulische Reise- ihrer Möglichkeiten die Lernprozesse ihrer Kinder beglei- tätigkeit ist seit dieser Zeit nicht mehr möglich. Der Fern- tet. Über die differenzierte Lage in den Elternhäusern be- unterricht und die Vielfalt digitaler Formate bestimmten richten mehrere Autorinnen und Autoren. Schulleitungen für viele Wochen das schulische Leben. Auch die Heraus- weisen auf die Bedeutung der Kommunikation in der Kri- gabe von HmS wurde durch die Folgen der Corona-Krise sensituation hin. Mehrere Beiträge nehmen dieses Thema erheblich beeinträchtigt. So konnte die Ausgabe 2/2020 auf und zeigen die entscheidende Bedeutung einer gut mo- mit Beiträgen zum Thema „Gesundheit“ nicht in der ge- derierten Kommunikation zwischen allen Akteuren auf. planten Weise vor den Sommerferien erscheinen und die geplante Ausgabe 3/2020 zum Thema „Spielen“ musste Die Beiträge dieser Ausgabe von HmS zeigen die Chancen, auf die Ausgabe 4/2020 verschoben werden. die die webbasierten Tools nicht nur in der Krise, sondern vermutlich auch für die Zeit danach bieten. Dies gilt für in- Stattdessen finden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, in der dividuelle Rückmeldungen an die Schülerinnen und Schüler, aktuellen Doppelausgabe von HmS Beiträge aus den Schu- für die weltweite Vernetzung im digitalen Klassenraum, für len zur Corona-Krise. Dies gilt sowohl für den Thementeil die Aufbereitung aktueller Daten aus dem Netz sowie für als auch für BSB-Info. Lehrkräfte, Schulleitungen, Eltern den Einsatz von Lernplattformen. und eine Schülerin sind der Bitte der Redaktion gefolgt und haben Beiträge eingereicht. Ich bedanke mich bei al- len Autorinnen und Autoren für die aktuellen Beiträge. 3
Lerngelegenheiten. Wenn die Grundschule Sterntalerstraße einen Bildungsaustausch für Kinder mit sonderpädagogi- scher Förderung koordiniert und Städte in Polen besucht, dann entstehen intensive und folgenreiche Begegnungen. Die Gastfreundschaft bereichert das Schulleben. Der ge- genseitige Besuch bringt Lieder und Filme aus Danzig nach Hamburg und im Gegenzug Bilder und Spiele aus Billstedt Fernunterricht und auch Hybridunterricht gab es auch Liebe Leserin, schon vor Corona, jetzt wurden sie fürPROF. alle Schulen DR. JOSEFplötzlich KEUFFER nach Kreisau/Krzyżowa. lieber Leser, Realität. Dabei musste auf die Wahrnehmung der Sorgen Internationale Erfahrungen stärken Toleranz und Weltof- fenheit. Der Wechsel der Rollen von Gast und Gastgeber von Lernenden, Lehrenden und Eltern zugleich Rücksicht Wir werden in den kommenden Ausgaben im BSB-Info kon- Reisen bildet und „die beste Bildung findet ein gescheiter ist für viele Teilnehmer an den Reisen eine tiefgreifende Er- genommen werden. Obwohl die Breitbandverkabelung und tinuierlich über die Erfahrungen in der Grundschule Appel- Mensch auf Reisen“ (Goethe). Internationale Bildungsko- fahrung. Das gilt auch für die Lehrkräfte. Der Transfer der die Ausstattung mit digitalen Endgeräten in Hamburg ver- hoff, der Stadtteilschule Stellingen und dem Gymnasium operationen und Schüleraustausch gibt es seit vielen Jah- Auslandserfahrungen in die Schule hinein ergibt sich nicht gleichsweise gut war, waren die Schulen insgesamt noch Allee berichten. Die Schulporträts sollen dazu beitragen, ren und sie haben positive Auswirkungen auf das Schulle- von selbst, auch er will geplant sein. Dagmar Killus weist im nicht so weit vorangekommen, wie es im März 2020 ange- die Weiterentwicklung für das Lernen in Pandemiezeiten in ben und das Lernen von Schülerinnen und Schülern. Hinzu Basisartikel auf die Bedeutsamkeit von Reiseaktivitäten für sichts des Lockdown erforderlich gewesen wäre. Die Schu- den Blick zu nehmen. kommt, dass das Reisen auch bei großen Entfernungen die Schulentwicklung hin. So kann der Schüleraustausch als len haben ihre bereits vorhandenen Möglichkeiten so weit heute leichter zu bewältigen ist. Soweit der positive Be- ein strategisches Element für die Schulentwicklung genutzt wie möglich ausgereizt und sehr viel über digitale Tools Redaktion und Herausgeber von HmS wünschen Ihnen, fund, der in den Beiträgen aus den Schulen deutlich bestä- werden. In digitalen Zeiten gehören die Kooperationen über ermöglicht. Die Stabsstelle Digitalisierung und das Referat dass Sie den Zumutungen der Corona-Krise weiter trot- tigt wird. Apps, Messenger, Mails, skype oder Face Time ebenfalls zu Medienpädagogik des Landesinstituts haben die Lehrkräf- zen und dass Sie das schulische Lernen für alle Schüle- Die Schwierigkeiten des Reisens in einer globalisierten und einer Kooperation mit den ausländischen Partnern hinzu. te in mehreren Newslettern und vielen Online-Seminaren rinnen und Schüler mit Hilfe der digitalen Formate auch vernetzten Welt gehören zum Thema hinzu und sind eben- über ihre Möglichkeiten informiert. in den kommenden Monaten aufrechterhalten können. Die falls bildend: Verständigungsschwierigkeiten, kulturelle Das Gymnasium Blankenese hat in einer Evaluation der aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, wie Unterschiede, landesspezifische Ferien, Feiertags- und Es- Oberstufenprojekte festgestellt, dass Schülerreisen zur Nicht allen Kindern und Jugendlichen standen WLAN und bedeutsam die Schulen nicht nur für Lernende, Lehrende sensregelungen. Erst jüngst mussten einige lange geplante Überwindung von Vorurteilen und Ängsten sowie zur In- digitale Endgeräte zur Verfügung, nicht alle Eltern konn- und Eltern, sondern für die gesamte Gesellschaft sind. Es Reisen Hamburger Schülerinnen und Schüler nach China tensivierung der Gruppendynamik beigetragen haben. Ein ten ihre Kinder beim Lernen wirksam unterstützen. Hier wäre eine sehr wünschenswerte Nebenfolge der Pandemie, aufgrund des Corona-Virus abgesagt werden. Auch dieses Zuwachs im fachlichen Lernen war ebenfalls nachweisbar. zeigte sich, dass politisch nachgesteuert werden muss. wenn sich das positive Bild auf Schule und ihr Personal Thema bietet hinreichend Anlass für das Unterrichtsge- Reisen bildet, das belegen die Beiträge dieser Ausgabe von Die im August 2020 getroffenen Vereinbarungen zwischen langfristig in allen Köpfen festsetzen könnte. spräch. Die weltweiten Auswirkungen von Krankheiten (z.B. HmS. Deshalb wünsche ich Ihnen und Ihren Schülerinnen der Bundeskanzlerin und den Schulministern eröffnen hier Sars, EHEC, Corona-Virus) schaffen Planungsunsicherhei- und Schülern gute Erfahrungen mit internationalen Bil- neue Wege in der Ausstattung für das schulische Lernen. ten, die als Risikofaktoren beim Thema Reisen immer mit dungskooperationen und Schüleraustausch! Alle Schüler sollen vergleichbare Lernvoraussetzungen in Bleiben Sie gesund! bedacht sein sollen. der technischen Ausstattung erhalten, alle Lehrkräfte mit Mit besten Grüßen Prüffragen bei Schülerreisen beziehen sich auf akzeptable Mit besten Grüßen digitalen Endgeräten ausgestattet werden. Die sozial sehr Vertretungsregelungen für die Lehrkräfte, auf den hohen unterschiedlichen Rahmenbedingungen sollen somit den Planungsaufwand und die gelegentlich herausfordernde Lernprozess der Schülerinnen und Schüler zukünftig deut- Elternarbeit. Schülerinnen und Schüler diskutieren über lich weniger beeinflussen, als das derzeit noch der Fall ist. den ökologischen Fußabdruck und weisen mit der Bewe- Didaktisch begründete Konzepte zur Medienpädagogik gung „Fridays for Future“ zum Beispiel auf klimaschäd- Hamburg, im Februar 2020 können dabei helfen, den Umgang mit Medien zu erleich- Hamburg, im August 2020 liche Folgen des Fliegens hin („Flugscham“). Die Prüfung tern und medienkritisches Bewusstsein entwickeln. Wei- der Klima-Folgen bei anstehenden Reisen kann Teil der Vor- terhin gilt hier: Pädagogik vor Technik. bereitung von Schülerreisen sein. Und dennoch sollte auf Die Themen der nächsten Hefte: Flugreisen nicht verzichtet werden: Wenn sich Schülerinnen Die Krise war und ist schlicht eine Zumutung für alle. Es und Schüler in der vielfältigen kulturellen Zusammenset- 2/2020 Schulisches Gesundheitsmanagement / ist das Ziel und die Aufgabe von HmS, die Spannweite der zung in den weiterführenden Schulen dafür entscheiden, Resilienz und Achtsamkeit schulischen Konzepte, Erfahrungen und Gelingensbedin- dass sie nach Israel fliegen, dann können die Erlebnisse Die Themen der gungen zu veröffentlichen, damit andere Schulen davon 3/2020 Spiele in nächsten Hefte: Lehr- und Lernsettings eine enorme Bedeutung für das Lernen entwickeln. Ohne lernen können. Es ist hingegen nicht die Aufgabe von HmS, 4/2020 Datengestützte Schulentwicklung die Flüge ist diese Reise bei einem akzeptablen Zeitaufwand 4/2020 Spielen in Lehr- und Lernsettings die Vielfalt der Problemlagen der einzelnen Schulen in der nicht durchführbar. Und der Ertrag beim Aufbau von Ge- 1/2021 Sexuelle Diversität als Herausforderung von Schule Corona-Krise aufzuzeigen. Dies kann und sollte an anderer 2021 Datengestützte Schulentwicklung schichtsbewusstsein kann lebenslang wirken. Die Beispiele Gerne nehmen wir von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, Stelle geschehen. HmS wird aber den Weg von drei Schu- Sexuelle Diversität als Herausforderung aus den Schulen sind beeindruckend und das spricht dafür, Anregungen und Angebote für Beiträge entgegen. Wenden len im Umgang mit der Corona-Krise weiter verfolgen. von Schule dass dieser internationale Schüleraustausch auch zukünftig Sie sich bitte an redaktionsleitung.hms@hamburg.de ermöglicht wird. Generationenwechsel Ganztag 3 Gesundheit Gerne nehmen wir von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, Anregungen und Angebote für Beiträge entgegen. Wenden Sie sich bitte an redaktionsleitung.hms@hamburg.de 4
I N H A LT THEMA BSB INFORMATION Moderation Ingrid und Ruben Herzberg Moderation Svenja Brandt und Andreas Kuschnereit 4 EDITORIAL Prof. Dr. Josef Keuffer Erfahrungen aus den Kollegien Schulen fahren wieder hoch 6 JITSI IST KEIN KUSCHELTIER 39 „WIR SIND EIN HOHER STABILITÄTSFAKTOR“ Konsequenz aus den Monaten des Lockdowns: Grundschule Appelhoff in Steilshoop Didaktische Anstöße mitnehmen! 42 KRISE ALS CHANCE 9 MEHR LERNFÖRDERLICHE RÜCKMELDUNGEN Stadtteilschule Stellingen Erfahrungen aus dem Fernunterricht 45 SCHULE UNTER DEM BRENNGLAS 15 „ENDLICH EINMAL IN RUHE LERNEN“ Gymnasium Allee in Altona Was uns der Fernunterricht über Binnendifferen- zierung nach oben verriet 48 „WIE KANN ICH ALLE SCHÜLERINNEN UND Perspektiven von Schulleitung SCHÜLER ERREICHEN?“ Vorbereitungsdienst und Lockdown – 17 INFORMATIONS- UND KOMMUNIKATIONS- ein kurzer Einblick STRUKTUREN (WIEDER) AUFBAUEN Gelungene Kooperation ohne persönliche 50 BERUFLICHE BILDUNG IN ZEITEN VON CORONA Begegnung Ausbildung und Corona – Brücken bauen ins Berufsleben 20 ZWISCHENBERICHT NACH SECHS WOCHEN SCHULSCHLIESSUNG 53 DIGITAL MACHT SCHULE Eine Nahaufnahme Ein Projekt zur Schulentwicklung im digitalen Wandel 23 NEU IM AMT – UND DANN KAM CORONA ... Wie geht lernen auf Distanz? 56 WEICHENSTELLUNG IN ZEITEN VON CORONA Wie das Mentoring-Programm der ZEIT-Stiftung 25 SKIZZEN ZUR CORONA-ZEIT smit den neuen Herausforderungen umgeht Ein Tagebuch in Bildern 59 „MUSIK WIRKT IN DIE GESELLSCHAFT“ 28 „DIGITALE RESSOURCEN MIT PÄDAGOGISCHEM Jugendmusikschule Hamburg AUGENMASS FÜR DIE ZUKUNFT NUTZEN“ HmS-Gespräch 62 ZUFRIEDENHEIT DER LERNENDEN MIT DEM FERNUNTERRICHT ABHÄNGIG VON FÜRSORGE Aus Elternperspektive DER LEHRPERSON Ergebnisse aus der Hamburger „Befragung Lernen 31 GEMEINSAM DURCH DIE PANDEMIE – in Zukunft“ Herausforderung als Chance 64 PERSONALIEN 32 KURZ-STATEMENTS VON ELTERN Schule Klein Flottbeker Weg Eine Schülerperspektive 34 JUHU – SCHULFREI? ACH NEE … Eine Schülerin reflektiert nach zwei Wochen unter Corona-Bedingungen den Einstieg in den Fernunterricht Aus einem Regionalen Bildungs- und Beratungszentrum 36 „DIE WAHRNEHMUNG AUF SCHULE IST JETZT EINE ANDERE“ Altona: Wie die ReBBZ-Standorte die Corona-Krise rockten 5
ZOOMEN FOTO PHOTO BY MAJOR TOM AGENCY ON UNSPLASH FACE „Nein, wir treffen unsere Klasse nachher bei Jitsi!“ 6
CORONA SKYPEN TIMEN Ich hab‘ nachher ViKo!“ ERFAHRUNGEN AUS DEN KOLLEGIEN I Jitsi ist kein Kuscheltier KONSEQUENZ AUS DEN MONATEN DES LOCKDOWNS: DIDAKTISCHE ANSTÖSSE MITNEHMEN! FOTO PRIVAT „Ich hab‘ nachher ViKo!“, „Zoomt ihr schon oder skypt ihr Stefanie Maur-Weiss noch?“, „Nein, wir treffen unsere Klasse nachher bei Jitsi!“ ist Lehrerin und Sozialpädagogin Mit lässiger Nonchalance fliegen bislang nie gehörte Be- an der Stadtteilschule Flottbek griffe und Anglizismen unter den Kolleginnen und Kollegen im Lehrerzimmer hin und her. In der Stadtteilschule Flottbek hat sich der Wortschatz nach den ersten Wochen in Corona-Zeiten deutlich erwei- im Hinblick auf eine sinnvolle Didaktik. Dass Unterrichts- tert. Mit schönster Selbstverständlichkeit etablieren sich material als Datei vorliegt, bedeutet noch lange nicht, Wortschöpfungen wie „zoomen“, „skypen“ und „facetimen“ dass es auch im Online-Unterricht funktioniert. Jeder er- quer durch alle Altersgruppen und Fachbereiche im Kolle- findet zwangsläufig und unter enormem Zeitdruck für sich gium. Allein die Vielfalt der technischen „Bindemittel“, die das Rad neu, weil kaum eine gemeinsame, funktionierende zum Kontakthalten mit Schülerinnen und Schülern, Eltern und erprobte digitale Basis in den Schulen vorhanden ist. und auch den Kolleginnen und Kollegen und untereinan- Die Bandbreite an Plattformen, auf die nun Material ein- der genutzt werden, ist Ausdruck der Kreativität und der gestellt wird, ist riesig. Jeder Fachlehrkraft muss sich auf Bereitschaft, sich schlagartig auf völlig neue Bedingungen unterschiedlichste Zugangsmodalitäten einstellen, auch einzulassen, damit Schule auch unter bisher unvorstellba- der Rücklauf der Materialien von Schülerseite ist anfäng- ren Voraussetzungen stattfinden kann. lich kaum praktikabel umzusetzen. Dazu kommt, dass die Materialien und Arbeitsblätter zusätzlich für die Schülerin- Der Sprung ins kalte Wasser – und ein Hoch auf das Im- nen und Schüler, denen zu Hause kein Computer oder Dru- provisationsvermögen: Digital lehren und lernen ohne cker zur Verfügung steht, als Kopien per Postversand oder vorherige Digitalisierung … durch Abholung zugänglich gemacht werden müssen. Das Ein Kollege beschreibt die Ausgangssituation nach der Schulsekretariat der Stadtteilschule Flottbek ähnelte dem- Schulschließung so: Die meisten Materialien liegen nicht entsprechend zeitweise dem Versand-Center eines großen digital vor und müssen mühsam aufbereitet werden, auch Logistik-Unternehmens! 7
Die Rahmenbedingungen für die Umstellung auf Fernunter- richt quasi über Nacht waren dementsprechend denkbar schwierig. Austausch äußern. Dies ist ein wichtiger positiver Neben- Viele Lehrkräfte sorgen sich zudem um den Aspekt Chan- aspekt von Corona: Die Elternarbeit hat sich intensiviert, cenungleichheit und um Bildungsgerechtigkeit: Einige El- die Kontakte sind engmaschig und von gegenseitiger An- tern haben weder das Wissen noch die Ausstattung zu erkennung gekennzeichnet. Das wollen und werden wir auf Hause, um mit digitalen Angeboten umzugehen. Für viele jeden Fall in die „Zeit nach Corona“ mitnehmen! Kinder wurde seitens der Lehrkräfte beispielsweise erst mal eine eigene E-Mail-Adresse eingerichtet, um sie im ersten Viele Schülerinnen und Schüler sind über sich selbst hin- Schritt darüber verlässlich erreichen zu können. Es gibt ausgewachsen und haben gelernt, in hohem Maße selbst- große Unterschiede in der Schülerschaft: Die einen sind mit verantwortlich und eigenständig zu lernen. Eine Schüler- den neuesten MacBooks ausgestattet, die anderen müssen stimme: „Ich war ganz schön erstaunt, was ich zu Hause den kompletten Fernunterricht über ein Smartphone be- alles geschafft habe!“ Auch das ist eine positive Entwick- wältigen, oftmals mit schlechter WLAN-Versorgung oder lung durch die Corona-Einschränkungen! Die Kinder und unzureichendem Datenvolumen. Für Kinder mit hohem För- Jugendlichen haben technische und kommunikative Fähig- derbedarf war die digitale Lernform oftmals ungeeignet, keiten erlangt, die für das spätere Berufsleben von Vorteil hier hat die Stadtteilschule Flottbek – unter hohen Sicher- sind: telefonieren, Rückmeldung geben, E-Mails schreiben, heitsvorkehrungen und mit viel personellem Engagement Dateien erstellen, bearbeiten und Dateianhänge hochladen, – Möglichkeiten für persönliche, direkte und individuelle in Videokonferenzen souverän agieren – all diese neuen Lernbegleitung auch während der Schulschließung geschaf- Kompetenzen wollen wir in Flottbek gemeinsam mit den fen. Die Sonder- und Sozialpädagoginnen und -pädagogen Kindern auch in Zukunft erhalten und weiterentwickeln. haben solche Kinder und deren Eltern besonders intensiv unterstützt und begleitet. Wir nehmen also durchaus gute Anstöße aus der Zeit der Schulschließung mit. Für die Schulbehörde war diese Zeit Arbeit ohne Ende? Ja – aber es hat sich gelohnt. spürbar auch eine besondere Herausforderung. Das schuli- Die Lehrkräfte nutzen ihre privaten Endgeräte zu Hause sche Internetportal eduPort bereitete uns wiederholt große für schulische Zwecke, in Datenschutzfragen weitgehend Probleme, es lief (und läuft) unzuverlässig und war oftmals alleingelassen, ohne zeitliche Ressourcen für ausgereifte eher Belastung als Hilfsmittel in der Kommunikation. Zeit- medienpädagogische Konzepte. Nebenher wird regelmä- weise erfuhren die Schulen relevante Informationen zuerst ßig mit allen Lernenden telefoniert, Material differenziert aus der Presse statt aus der Behörde direkt, der Informa- aufgearbeitet, individuelle Hilfestellung bei den Aufgaben tionsfluss lief teilweise stockend – was sicherlich aber auch gegeben und die Eltern werden auf dem Laufenden ge- dieser, für alle neuen und noch nie dagewesenen, Situation halten. Diese verschiedenen Kanäle über Wochen und Mo- geschuldet war. nate hinweg gleichbleibend zuverlässig „zu bespielen“, ist enorm zeitaufwendig und arbeitsintensiv, die Abgrenzung Improvisationstalent war gestern! zwischen Privatleben und Arbeitszeit gestaltet sich oftmals Wir wünschen uns jetzt zeitliche und finanzielle Ressourcen problematisch. Viele Kolleginnen und Kollegen waren für für die nötige Digitalisierung, damit wir das neu entwickelte ihre Schülerinnen und Schüler und für die Eltern quasi rund Potenzial bei Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern glei- um die Uhr erreichbar, um größtmögliche Unterstützung chermaßen ausbauen und weiterentwickeln können. Dann geben zu können. hatte Corona doch sein Gutes … Aber wir hatten in Flottbek starke Partner an unserer Seite: die Eltern und natürlich unsere Schülerinnen und Schüler. Viele Eltern haben im Fernunterricht Großartiges geleis- tet und ihre Kinder – oftmals trotz Mehrfachbelastung mit eigenem Homeoffice – intensiv unterstützt, gefordert und Kontakt: bei der Stange gehalten. Und uns als Lehrkräfte haben fast stefanie.maur-weiss@stsflott.hamburg.de ausschließlich lobende Elternstimmen erreicht, die sich sehr positiv über die intensive Zusammenarbeit und den engen 8
CORONA ERFAHRUNGEN AUS DEN KOLLEGIEN II Mehr lernförderliche Rückmeldungen ERFAHRUNGEN AUS DEM FERNUNTERRICHT Meine Arbeitshypothese zur Beantwortung dieser Frage er- Dr. Tobias Schlegelmilch gibt sich aus den Erfahrungen der letzten Wochen: unterrichtet Mathematik und Der verstärkte Einsatz digitaler Infrastruktur im Fernunter- Physik am GanztagsGymnasium richt hat dabei geholfen, eine direktere Rückmeldekultur FOTO PRIVAT Klosterschule und koordiniert zu entwickeln. Besserer Einblick in den Arbeitsprozess der dort die Arbeit der naturwissen- Lernenden ermöglicht frühzeitige und lernwirksame Rück- schaftlichen Fachbereiche. meldungen, die den Lernenden eine Struktur in der Entwick- lung des selbständigen Lernens geben und die gleichzeitig einen persönlichen Dialog bilden, in dem eine neue Arbeits- beziehung entstehen kann. In dieser Arbeitsbeziehung wer- den Lernende und Lehrende als Personen spürbar und die Beziehungsebene wird gestärkt – anders als im direkten Austausch im Präsenzunterricht, aber durchaus intensiv Eine wichtige Grundvoraussetzung für das Lernen in der und individuell. Schule sind gute pädagogische Beziehungen. Durch sie wird oft die Motivation und das Vertrauen geschaffen, Als Mathematik- und Physiklehrer sowie als Klassenlehrer um sich auch selbständig mit neuen Aufgaben ausein- einer 8. Klasse an einem Hamburger Gymnasium habe ich anderzusetzen und die Verunsicherung auszuhalten, die schon in der Vergangenheit unterschiedliche digitale Werk- manchmal mit dem Lernen einhergeht. Durch den plötz- zeuge eingesetzt, beispielsweise das Schreiben in Blogs oder lich einsetzenden Fernunterricht ist in dieser Hinsicht ein Wikis, digital gestützte Übungsplattformen, Erarbeitungs- Problem entstanden: Die auf persönlicher Begegnung ba- phasen mit Erklärvideos oder auch Gamification-Elemente. sierenden Anteile pädagogischer Beziehungen sind stark Schon vor Einsetzen des Fernunterrichts hatte ich geplant, eingeschränkt, gleichzeitig spielt selbständiges Lernen ein weiteres Werkzeug zu erproben: Digitale online-Portfo- eine viel größere Rolle. lios eines amerikanischen Anbieters. Als der Unterricht auf Fernunterricht umgestellt wurde, konnte ich diese Portfolios Selbständiges Lernen braucht viele Voraussetzungen: Lern- meinen Lerngruppen direkt zur Verfügung stellen und damit material und Methodenkompetenz, sprachliche und kogni- ein einfaches Unterrichtsskript starten: Erarbeiten von In- tive Fertigkeiten und nicht zuletzt Selbstvertrauen und den halten mit Erklärvideos, üben auf digitalen Plattformen, an- Mut, sich mit seinen Lernergebnissen der Lerngruppe und wenden und reflektieren mit offeneren Aufgaben, die über den Lehrenden zu stellen. Mit Beginn des Fernunterrichts die online-Portfolios für mich zugänglich sind. Die meisten im Frühjahr 2020 waren viele Lehrende und Lernende mit Lernenden haben dabei mit Stift und Papier gearbeitet und dem altbekannten Paradoxon des selbständigen Lernens dann ein Foto hinterlegt. Dadurch war die technische Hürde konfrontiert: Was kann ich als Lehrkraft tun, um meine zur Verwendung des online-Portfolios relativ niedrig: Alle Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen, selbstän- meine Schülerinnen und Schüler hatten ein Smartphone diger zu lernen? Und das Ganze aus der Ferne, über Telefon mit Fotofunktion und die Möglichkeit, einzelne Fotos über oder digitale Medien – mit stark eingeschränktem persön- die Portfolio-App zu verschicken. Natürlich sind in diesem lichem Austausch? Unterrichtsskript wichtige diskursive Elemente nicht abge- bildet, aber als Einstieg in den Fernunterricht hat es sich als brauchbar erwiesen. In meinem Klassenkollegium haben 9
Unterricht zu quadratischen Funktionen im Hamburger LMS Formative Assessment bezeichnet einen Ansatz, bei dem die Lernenden schon während des Lernprozesses Rück- meldungen der Lehrperson erhalten. Die Rückmeldungen sich auch andere Lehrkräfte diesem Vorgehen angeschlos- sind dabei lernförderlich formuliert, an einer individuellen sen, so dass die Lernenden alle ihre Ergebnisse in dem digi- Bezugsnorm orientiert und im besten Fall kriteriengeleitet. talen Portfolio hinterlegen konnten. Ich habe die Ergebnisse Sie bewerten nicht das Ergebnis in der Rückschau, sondern dann wöchentlich gesammelt an die Fachlehrkräfte verteilt. regen zur Vertiefung des Lernprozesses an. Durch den Ein- Als Klassenlehrer hatte ich dadurch einen interessanten satz von Formative Assessment kann es Schülerinnen und Einblick in die Arbeit meiner Schülerinnen und Schüler, ins- Schülern ermöglicht werden, strukturierter mit offenen besondere konnte ich Stärken erkennen, die im Mathema- Aufgaben zu arbeiten und ihre Kompetenzen in Hinblick auf tikunterricht sonst nicht so deutlich zum Tragen kommen. selbständiges Lernen zu erweitern. Durch den Fächerquerschnitt haben sich auch Differenzie- rungsansätze ergeben: So konnte ich mit einzelnen Schü- Dialogisches Lernen ist ein Ansatz aus der Deutsch- und Ma- lerinnen und Schülern Arbeitsschwerpunkte in bestimmten thematikdidaktik. Ausgehend von einer Kernidee ermöglicht Fächern vereinbaren, wenn dort ein besonderes Interesse eine Aufgabe oder ein Auftrag eine individuelle Auseinander- oder aber noch eine Lücke aufgetreten war. setzung der Lernenden mit dem Lerninhalt. Die Lehrperson liest die Ergebnisse, nimmt sie wertschätzend zur Kenntnis Unterrichtswerkzeuge … und ordnet sie für sich vor dem Hintergrund der fachlichen Auch in meinen eigenen Fächern hat sich eine interessan- Erwartungen ein. Die Lernenden erhalten Rückmeldungen te Bereicherung ergeben: Im Vergleich zu den Abläufen im zur Tiefe ihrer Auseinandersetzung, es sind aber explizit herkömmlichen Präsenzunterricht habe ich durch die Ver- auch eigene (Um-)Wege erlaubt. Der nächste Auftrag ba- wendung der digitalen Portfolios viel mehr Lernergebnisse siert auf den Ergebnissen der Schülerinnen und Schüler. Es gelesen und konnte gleich darauf reagieren. Dadurch ist es entsteht eine Art verlangsamter, schriftlicher Dialog, der die naheliegend, auf Unterrichtswerkzeuge zurückzugreifen, persönliche Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsinhalt die auf einer dialog-ähnlichen Struktur basieren: Formative fördert. Dadurch kann eine bessere Passung von Lehren und Assessment, Dialogischer Unterricht und Elemente agiler Lernen sowie eine höhere Motivation erreicht werden. Weiter Didaktik. vertieft wird der Ansatz durch den Einsatz von Lerntagebü- 10
CORONA Physik-Fernunterricht über seesaw chern, in denen die Lernenden ihren Lernprozess reflektieren. Agile Methoden übertragen Elemente aus Projektorganisa- tions-Methoden, die in der Software-Entwicklung verbrei- tet sind, in die Schule. Kurze Rückmeldezyklen erlauben es, Aufgaben vermieden, Schülerinnen und Schüler gewinnen schneller auf Änderungen der Anforderungen oder Gege- an Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserfahrungen benheiten zu reagieren. Im schulischen Kontext heißt das, und sie erweitern ihre Kompetenzen zum selbständigen sowohl bei der Auswahl des Lerngegenstands als auch bei Lernen. Gleichzeitig entsteht durch den schriftlichen Dia- dem Beschreiten des Lernwegs schnell und gemeinsam auf log eine sehr persönliche Arbeitsbeziehung. Nicht zuletzt Schwierigkeiten, Widerstände oder besondere Vertiefungs- macht mir das Lesen der Arbeitsergebnisse einfach Spaß, möglichkeiten reagieren zu können. Lernende werden Mit- wenn das Ziel nicht „Korrektur“ ist, sondern der Blick auf gestalter des gemeinsamen Prozesses. Gelungenes und die kreative Suche nach Anknüpfungs- (Links zu den hier genannten Methoden finden sich am Artikel- punkten für nächste Schritte. ende) Durch zwei Ereignisse haben sich im Verlauf der Fernunter- richtszeit nochmals deutliche Änderungen ergeben: Zum … und ihr Einsatz im Fernunterricht einen ist die digitale Portfolioplattform eine proprietäre Diese drei Unterrichtswerkzeuge sind für sich genommen Lösung, die im bis dahin eingesetzten Umfang nicht mehr keineswegs typisch für Fernunterrichts-Situationen oder kostenfrei zur Verfügung gestanden hätte, zum anderen er- auf digitale Infrastruktur angewiesen. Selbstverständlich gab sich die Möglichkeit, als Schule in die Pilotphase des ist es möglich, regelmäßig Hefte einzusammeln und zu le- Moodle-basierten „Learning Management Systems“ (LMS) sen – allerdings ist die Hürde hierfür nach meiner Erfahrung der Hamburger Schulbehörde einzusteigen. höher als beim Einsatz von digitalen Kommunikationswe- gen. Es hat sich gezeigt, dass die zusätzliche Transparenz, Erfahrungen mit der Moodle-basierten LMS-Lernplattform die durch den digitalen Austausch von Lernprodukten ent- Durch den Umzug auf diese Plattform sind auf vielen Ebe- steht, Unterrichtsansätze mit hohen Rückmeldeanteilen nen neue Möglichkeiten entstanden: Im LMS lassen sich fördert und in besonderer Weise ermöglicht. Durch schnel- deutlich ausgefeiltere Lernaktivitäten und Aufgabenformate les, individuelles und prozessbezogenes Feedback werden erstellen, die auch umfassende Bewertungsmöglichkeiten demotivierende Fehlschläge beim Einsatz von offeneren vorsehen. Es lassen sich nicht nur Videos einbetten oder 11
interaktive Lerninhalte erstellen, man kann auch Aufgaben zur gegenseitigen Beurteilung durch die Lerngruppe stellen, zusammen Wikis oder Glossare anlegen, in thematischen Weitere Problemfelder Chats oder Foren diskutieren, verzweigte Lernpfade vorbe- Es gibt noch weitere Problemfelder, die teilweise durch Mo- reiten oder Inhalte freischalten, wenn bestimmte Bedingun- difikation der Abläufe entschärft werden können: So ist die gen erfüllt sind. Die Möglichkeiten sind groß, allerdings ist Kooperation der Lernenden untereinander erstmal nicht im auch die Einarbeitung schwieriger, sowohl auf Seiten der Zentrum. Einzelarbeit ist die vorherrschende Sozialform, es Lehrperson als auch auf Seiten der Lernenden, die – in die- gibt eher wenig Ansätze für Gruppen- oder Partnerarbeit. ser frühen Pilotphase – noch mit sperrigerer Benutzerfüh- Weiterhin fehlen im Fernunterricht verschiedene informel- rung konfrontiert sind, die sich eher an erwachsene Lerner le Faktoren, die für das Lernen in der Schule wichtig sind: richtet. Gleichzeitig hat das Etablieren der Lernplattform an Die (scheinbar) themenfremden Gespräche untereinander, der Schule Ressourcen gebunden. Das hat den anfänglich die vielfältigen Einflüsse durch andere Menschen und das intensiveren Rückmeldeprozess beeinträchtigt. soziale Setting des Lernens in der Schule. Weiterhin gibt es eine technische Anfangshürde: Smartphone und Inter- Aus verschiedenen Gründen habe ich mich dazu entschie- net sind eine wichtige Voraussetzung – wobei es natür- den, den dialogischen Rückmeldeprozess in einer Lerngrup- lich schon ausreichend sein kann, wenn ein Großteil einer pe aufrechtzuerhalten und in einer anderen einzuschränken. Lerngruppe hinreichende Ressourcen und Kompetenzen Das zeigt sich auch deutlich beim Feedback zum Lernen in zum selbständigen Umgang mit digitalen Werkzeugen mit- der Fernunterrichtszeit: Während in der weiter intensiv be- bringt. Für den Fernunterricht ist die Bandbreite des vor- treuten Lerngruppe über 60 % der Schülerinnen und Schüler handenen Internetanschlusses zum Teil beim Einsatz von der Aussage „Ich habe im Fernunterricht mehr Rückmeldun- Lernvideos ein Problem, das aber bei häufigeren Videokon- gen zu meinen Aufgaben bekommen als im regulären Un- ferenzen sehr verschärft wird. Aus meiner Perspektive kön- terricht“ ganz oder überwiegend zugestimmt haben, sind nen Videokonferenzen eine wichtige Ergänzung sein, wenn das in der anderen Lerngruppe nur noch 30 %. Der Aussage sich aus der gemeinsamen Arbeit Diskussionsbedarf ergibt, „Die Rückmeldungen zu meinen Aufgaben haben mir beim beispielsweise bei der Vereinbarung von Definitionen, Ein- Lernen geholfen“ stimmen in der dialogisch betreuten Lern- ordnung von Zusammenhängen oder auch bei der gemein- gruppe fast 80 % der Lernenden ganz oder überwiegend zu, samen Planung der nächsten Schritte. Das Hamburger LMS gegenüber wiederum 30 % in der anderen Klasse. Das zeigt stellt hier mit einem Webinar-Modul eine hervorragende mir einerseits, dass die schnellen Rückmeldezyklen und die Möglichkeit zur Verfügung, die aber natürlich entsprechen- intensive Betreuung wirksam werden können und von den de Bandbreite erfordert. Schülerinnen und Schülern registriert werden, andererseits muss ich mir eingestehen, dass ich bei knappem Zeitbudget Weiterhin bleibt unbedingt zu beachten, dass trotz des Be- nicht bei mehreren Lerngruppen in gleicher Intensität Rück- mühens der Lehrperson um lernförderliche Rückmeldun- meldung geben kann. gen, niedrige technische Einstiegshürden und allgemeine Unterstützung das selbständige Lernen für Schülerinnen Erkennbare Zunahme der Arbeitsbelastung und Schüler unterschiedlich anspruchsvoll ist, je nach so- Damit ist ein Problem sichtbar, das beim Unterrichten mit zioökonomischem Hintergrund und Unterstützungsmög- direkten schriftlichen Rückmeldungen wahrscheinlich öfter lichkeiten durch Eltern oder andere Bezugspersonen. Feh- auftritt: Es kann passieren, dass sich eine Dynamik ergibt, lende Unterstützung kommt stärker zum Tragen. Hierauf die die Arbeitsbelastung stark erhöht. Auch wenn die Zeit sollte ein besonderes Augenmerk liegen: Verschärft mein gut investiert scheint, da inhaltlich und methodisch intensiv Unterrichtsangebot die Unterschiede in den häuslichen und differenziert gelernt werden kann und vielfältige Kom- Lernvoraussetzungen oder kann ich durch Einsatz von Auf- petenzen aufgebaut werden, empfiehlt sich eine bewusste merksamkeit und Ressourcen die Teilnahmechancen aus- Steuerung durch gezielten, punktuellen Einsatz dieser Un- gleichen? terrichtsmodelle in einzelnen Lerngruppen und Unterrichts- vorhaben. Meiner Ansicht nach zeigt der Einsatz rückmeldeintensiver Unterrichtskonzepte mit Hilfe einer Open Source-Lösung als Lernplattform hier in eine richtige Richtung. Lernwe- ge werden sichtbar, lernförderliches Feedback ermöglicht. 12
CORONA Lernende und Lehrende geben mehr von ihrer Persönlichkeit in den gegenseitigen Austausch. Über den schriftlichen Dialog wird Vertrauen aufgebaut – einerseits in das Bemü- hen, in die Kreativität und in die Gedanken der Lernenden, der in herkömmlicher Weise organisiert ist. Besonders freue andererseits in die Lehrperson und in ihre Rolle als lern- ich mich, wenn Aspekte des Dialogischen Unterrichtens, die begleitende Expertin/als lernbegleitender Experte. Es er- ich zu Beginn meines beruflichen Werdegangs zu schätzen geben sich Individualisierungsansätze und neue Beratungs- gelernt habe, durch die Erfahrung des Fernunterrichts wie- möglichkeiten bei auftretenden Schwierigkeiten oder für der stärker in den Fokus rücken. Von den unterschiedlichen persönliche Schwerpunktsetzungen, und zwar durch die Anteilen des Lehrerberufs gehört die wertschätzende Aus- gesteigerte Transparenz und den gegenseitigen Austausch einandersetzung mit den Gedanken der Schülerinnen und auch über Fächergrenzen hinweg. Die Zusammenarbeit Schüler zu meinen Highlights. zwischen Lehrkräften wird gestärkt, wenn gemeinsam Un- terrichtsangebote entwickelt und Material ausgetauscht wird. Dies bedeutet nicht nur eine Arbeitserleichterung, die wiederum mehr Rückmeldung an Lernende ermöglicht, son- dern beinhaltet auch einen Aspekt von Qualitätssicherung. In dieser Hinsicht wäre es auch interessant, für wichtige Elemente aus den Bildungsplänen im LMS erprobte Bau- steine zur Verfügung zu stellen. Wie geht es weiter? Zum Weiterlesen: Für die nächsten Monate ist es mir wichtig, die positiven Aspekte aus den Fernunterrichts-Erfahrungen weiter zu a Digitale Werkzeuge kultivieren und gleichzeitig Unterricht so zu planen, dass • https://digitallearninglab.de/ er im Notfall leicht wieder in Fernunterrichtssituationen • https://digitalmachtschule.de/?page_id=12 übersetzbar ist. Natürlich werden weiter automatisierte • https://lms.lernen.hamburg/login/index.php Übungsplattformen und Kursmaterialien eine Rolle spielen, • https://docs.moodle.org/39/de/Hauptseite aber mein Hauptaugenmerk liegt auf dem Hamburger LMS. Ein Schwerpunkt wird sein, gemeinsam mit den Lernenden a Formative Assessment agile Methoden bei der gemeinsamen Planung von Unter- • https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/ richtsvorhaben einzusetzen. Weiterhin möchte ich immer werkstatt/255718/formative-assessment-bewerten- wieder Unterrichtsvorhaben durchführen, die didaktische um-des-lernens-willen Elemente des Dialogischen Unterrichtens enthalten – als nächstes in der Lerngruppe, die am Ende der Fernunter- a Dialogisches Lernen richtsphase weniger Rückmeldungen bekommen hat. Zu- • https://www.lerndialoge.ch/herzlichwillkommen.html sätzlich werde ich bei offeneren Aufgaben die technischen • https://www.foermig.uni-hamburg.de/bildungssprache/ Möglichkeiten der Arbeit mit Lernplattformen nutzen, um lehr-lernmethoden/dialogisches-lernen.html im Sinne von Formative Assessment frühzeitig prozessbe- zogene Rückmeldungen zu geben. Ich bin gespannt darauf, a Agile Didaktik mich von den kreativen Ideen meiner Kolleginnen und Kol- • https://www.agiledidaktik.ch/start.html legen aus dem Fernunterricht inspirieren zu lassen: tägliche • https://www.borisgloger.com/ueber-uns/csr/ Bilderrätsel, Foren-Diskussionen zu Unterrichtsthemen, scrum-4-schools/ Fake-News-Datenbanken und vieles andere. Das gewach- sene Vertrauen in die Kompetenz meiner Schülerinnen und Schüler beim selbständigen Lernen gibt neue Freiheiten, die Kontakt: ich gerne auch dann nutzen möchte, wenn die Schule wie- tobias.schlegelmilch@kls.hamburg.de 13
14 FOTO ADOBE STOCK / SONDEM
CORONA ERFAHRUNGEN AUS DEN KOLLEGIEN III „Endlich einmal in Ruhe lernen“ WAS UNS DER FERNUNTERRICHT ÜBER BINNENDIFFERENZIERUNG NACH OBEN VERRIET – EINE EINZEL-BEOBACHTUNG FOTO DAVID KAPPENBERG Fabian Wehner gezogen würde. Natürlich: „Auf den Lehrer kommt es an!“ ist Lehrer für Deutsch, Religion und Die Frage ist aber immer wieder: Wie können wir Lehrerinnen Geschichte am Gymnasium und Lehrer auch ganz unterschiedliche einzelne Schülerper- Blankenese, seit Schuljahresbeginn sönlichkeiten erfolgreich bilden, und in diesem Fall eben eine übernimmt er die Didaktische sehr leistungsstarke? Koordination Die frappierende Antwort müsste doch hier lauten: Endlich einmal in Ruhe lassen! Das ist natürlich nicht ganz richtig, schon gar nicht für alle, auch nicht für alle leistungsstarken Schülerinnen und Schüler. In einem bestimmten Sinne viel- leicht aber doch, jedenfalls könnten die Antworten skizzen- Die „Corona“-Krise hat in der Bildungsarbeit viel ans Licht haft deutlich machen, worauf es bei einer Binnendifferenzie- gefördert, was in der schulischen Alltagshektik oft unbe- rung nach oben ankommt. achtet untertage bleibt. Natürlich hatte mein Schüler in der Zeit des Fernunterrichts Mir hat vor allem eine Äußerung eines meiner besten Schüler von seinen Lehrkräften umfangreiche und mindestens leicht im Deutschunterricht der Oberstufe zu denken gegeben. überfordernde Aufgaben erhalten. Trotzdem aber konnte In der ersten Präsenz-Stunde nach einem Resümee des er „in Ruhe“ für sich Verantwortung übernehmen, dadurch Fernunterrichts gefragt, antwortete er: „Ich konnte endlich seine Selbstwirksamkeit erleben und seine Zeit „effektiver einmal in Ruhe lernen.“ Ich bat ihn, dies zu erläutern: „Ich nutzen“. Dass er auf effiziente Zeitnutzung verweist, könn- mochte es, dass man sich die Zeit freier und selbständiger te bedeuten, dass dies nach seinem Eindruck im Unterricht einteilen konnte. So habe ich ein Gefühl von Selbstverant- nicht immer der Fall ist, was nicht unbedingt auf fehlerhaftes wortung bekommen und konnte die Zeit für mich auch ef- Zeitmanagement oder umständliche Progression durch die fektiver nutzen.“ Lehrkraft hinweisen muss. Es kann auch schlicht sein, dass die Bildung dieses Schülers aufgrund der großen Heteroge- Das ist aufschlussreich, nicht weil hier etwas umstürzend nität des Leistungsvermögens seiner Mitschülerinnen und Generalisierbares gesagt worden wäre, auch nicht, weil da- Mitschüler im Präsenzunterricht ineffizienter erfolgen muss, mit das Grundgesetz erfolgreicher Bildungsarbeit in Zweifel es sei denn man lässt ihm Ruhe und Zeit, für sich selbst 15
Verantwortung zu übernehmen. Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit von hoher Lerneffizienz begleitet wird. Trotzdem gelingt es oft nicht gut genug, Verantwortung, auch große, bewusst in Schü- lerhände zu legen. Ein hohes Maß Selbstverantwortung bei der Bewältigung einer Herausforderung und genug Zeit und Raum dafür sind aber nur zwei Ingredienzien erfolgreicher Binnendifferenzierung nach oben. Denn drittens bedarf es Es braucht dabei eine Lehrkraft, die sich nicht nur den dabei einer höchst aktiv handelnden Lehrkraft, die nicht bloß schwächeren Schülerinnen und Schülern bewusst zuwendet, durch Zurückhaltung glänzt, sondern die Lernenden vor eine sondern auch den besonders leistungsstarken, die während angemessen große Herausforderung stellt. des Fernunterrichts, aber auch im Präsenzunterricht, quasi als „Selbstläufer“ betrachtet werden, weil die Aufmerksam- Mitunter erliegen wir modernen Pädagoginnen und Pädago- keit der Lehrkräfte gerade in sehr heterogenen Lerngruppen gen der Versuchung des billigen Lobs, das im Ergebnis eher den weniger Begabten, den „Lauteren“, teilweise sogar den demotiviert als anspornt. Eine präzisere Rückmeldung und „Störern und Störerinnen“ gilt! das Einräumen eines größeren Zeitfensters würden womög- lich auch leistungsstarken Schülerinnen und Schülern stärke- Unsere schulische Arbeit mit den leiseren und leistungsstar- re Anreize bieten, den je individuellen Weg weiter zu gehen ken Schülerinnen und Schülern kann von den Erfahrungen und das bereits Erreichte zu steigern. während des Fernunterrichts und dem Feedback der Ler- nenden nur profitieren: Gerade, wenn wir Lehrkräfte nicht Dies könnten also die Kennzeichen erfolgreicher Förderung schnell zufrieden sind, aber so viel Zutrauen und Zuspruch sehr begabter Lernender sein: zu geben in der Lage sind, dass alle Lernenden ihre Selbst- • Eine Lehrkraft, die das große Talent ihrer Lernenden er- wirksamkeit in Ruhe entdecken können. Auch diejenigen, kennt und ihnen eine entsprechend schwere, anspruchs- die uns sonst oft den Eindruck vermitteln, dass sie wenig volle, komplexe Aufgabe gibt, die die Chancen einer freien Förderung brauchen, mehr in den binnendifferenzierenden Zeiteinteilung bietet, und somit die Selbstwirksamkeitser- Fokus zu nehmen, ihren Lernradius deutlich zu erweitern fahrung der Lernenden steigert und ihnen das Zutrauen entgegenzubringen, das ein solches • Eine Aufgabe, die am Ende nicht von „allen“ bewältigt wer- „Loslassen“ voraussetzt, wäre eine gute Erfahrung, die uns den muss; sie darf herausgehoben sein und kreativ. Wenn der Fernunterricht geschenkt hat. Lernen wir daraus. Die sie anspruchsvollen Kriterien genügt, werden damit alle Beschränkung auf die Kernfächer Deutsch, Mathematik und anderen Standards mit bedient. Gerade im Fernunterricht Englisch wäre hier eher kontraproduktiv. Gerade die fächer- darf sie sich unterscheiden von dem, was als normativer verbindenden Elemente zu betonen, die traditionellen Fach- Lernstoff in der gesamten Lerngruppe gesichert wird. grenzen zu überwinden, bietet motivierende Lern-Chancen, die wir verstärkt nutzen sollten. (Zum Umgang mit „jungen Talenten“ sei auf die interessanten Ausführungen von Michael Köhlmeier und Konrad Liessmann verwiesen, die dem Schüler-Lehrer-Verhältnis am Beispiel des Nibelungen-Stoffes nachspürten: Vgl. Köhlmeier/Liessmann: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist, Adam? Mythologisch- philosophische Verführungen, München 2016). Kontakt: Fabian.Wehner@gymbla.hamburg.de 16
CORONA Perspektiven von Schulleitung I Informations- und Kommunikations- strukturen (wieder) aufbauen GELUNGENE KOOPERATION OHNE PERSÖNLICHE BEGEGNUNG des Kollegiums erfolgte hauptsächlich durch Besprechun- FOTO PRIVAT Paul Richter gen vor Ort, per E-Mail oder über ein Mitteilungsbuch im ist Schulleiter an der Schule Lehrerzimmer. Gespräche mit Eltern fanden in den gängigen Klein Flottbeker Weg Formaten (Lernentwicklungsgespräche, Elternabende usw.) als Präsenzveranstaltungen statt. Elterninformationen wur- den außerdem oft schriftlich per „Ranzenpost“, per E-Mail und über die Schulwebseite kommuniziert. Nahezu all diese Kommunikationskanäle wurden durch die coronabedingte Aussetzung des Präsenzschulbetriebs beeinträchtigt oder An der Schule Klein Flottbeker Weg, einer drei- bis vierzü- gänzlich unterbrochen. Gleichzeitig war es jedoch gerade gigen Grundschule im Stadtteil Othmarschen, stellte ins- in der emotional belastenden Corona-Zeit wichtig, den Zu- besondere der Aufbau von verlässlichen Informations- und sammenhalt in der Schulgemeinschaft durch verlässliche Kommunikationsstrukturen eine drängende Entwicklungs- Informations- und Kommunikationsstrukturen aufrecht zu aufgabe dar. Die Erfahrungen, die dabei gemacht wurden, erhalten. werden in diesem Beitrag beschrieben. Vorderstes Ziel war es daher, schnell einen persönlichen Die Corona-Pandemie hat den Alltag an allen Schulen auf Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern herzustellen. den Kopf gestellt. Für Schulen in Hamburg brachte die Co- Dazu wählten die Lehrkräfte zunächst ganz unterschiedli- rona-Zeit Herausforderungen mit sich, denen durch die che Wege. Neben der Kommunikation per Telefon und per Bewältigung zahlreicher Entwicklungsaufgaben Rechnung E-Mail wurden auch Postkarten geschrieben, Sprachnach- getragen wurde - vom Aufbau neuer Informations- und richten versandt oder Hausbesuche mit Gesprächen über Kommunikationsstrukturen über die Organisation und Ge- den Gartenzaun durchgeführt. Die Schulleitung verschickte staltung des Fern- und Präsenzunterrichts bis hin zur Un- über einen eigens eingerichteten YouTube-Kanal regelmäßig terstützung von Familien. Die Gewichtung und die Möglich- Videobotschaften an alle Schülerinnen und Schüler (siehe keiten zur Bewerkstelligung dieser Entwicklungsaufgaben Abbildung 1). Bei dieser Vielzahl unterschiedlicher Kommu- unterschieden sich je nach Schulform und standortspezifi- nikationskanäle drohten die Schülerinnen und Schüler je- schen Voraussetzungen. doch, schnell den Überblick zu verlieren. Ausgangsposition Somit entstand bereits nach kurzer Zeit das allgemeine Be- Vor Beginn der Corona-Pandemie kommunizierten die Lehr- dürfnis nach einer Plattform, auf der verschiedene Kommu- kräfte der Schule Klein Flottbeker Weg – wie an vielen ande- nikationskanäle gebündelt und übersichtlich zusammenlau- ren Schulen auch - mit ihren Schülerinnen und Schülern vor- fen. Darüber hinaus musste eine derartige Plattform auch wiegend im direkten Austausch während des Unterrichts. von Grundschülerinnen und Grundschülern intuitiv bedien- Der Kommunikations- und Informationsaustausch innerhalb bar sein. So wurde in allen Klassenstufen von der Vorschule 17
1. YouTube-Kanal der Schulleitung der Schule Klein Flottbeker Weg 2. Corona-Info-Padlet für Eltern der Schule Klein Flottbeker Weg bis Klasse 4 die Plattform Padlet eingeführt. Unterrichtsma- terialien und –medien, sowie Text-, Sprach und Videonach- richten konnten nun zentral für nahezu alle Schülerinnen Mit Kolleginnen und Kollegen im Austausch bleiben und Schüler und deren Eltern digital bereitgestellt werden. Auch die Kommunikation der Lehrkräfte mit der Schulleitung Zudem konnten die Schülerinnen und Schüler über die Platt- verlagerte sich größtenteils ins Netz. So wurden gemeinsa- form direkt mit ihren Lehrkräften und untereinander kom- me Absprachen etwa mithilfe von Cloud-Speicher-Syste- munizieren. Nicht allen Kindern war es von Anfang an mög- men und Online-Office-Programmen zum kollaborativen lich, regelmäßig auf das Padlet ihrer Klasse zuzugreifen. Für Arbeiten vorbereitet und anschließend in Videokonferenzen diese Kinder wurden individuelle Lösungen gefunden - von besprochen. Informationen wurden per E-Mail und z.T. in der Ausleihe mobiler Endgeräte über regelmäßige Telefona- Videonachrichten oder -tutorials (siehe Abbildung 2) über- te mit Lehrkräften bis zur Abholung der Schulaufgaben in mittelt. Da alle Lehrkräfte Padlet zur Kommunikation mit der Schule. 18
CORONA Phase 3: Bedürfnisse und Erwartungen wahrnehmen – Entwicklungen erklären ihren Schülerinnen und Schülern nutzten, wurde die Platt- Nun waren sämtliche Informationen für Eltern transparent form nun auch verstärkt zum Austausch innerhalb des und übersichtlich aufbereitet. Dies wiederum führte in Teilen Kollegiums eingesetzt. Fachlehrkräfte fertigten z.B. eigene der Elternschaft zu Rückfragen, weiteren Klärungsbedarfen Padlets für ihre Fächer an und stellten sie zur Verfügung, und dem nachvollziehbaren Wunsch, neben der bloßen In- damit andere Kolleginnen und Kollegen sie zur Inspiration formation auch wieder mehr gehört zu werden. In der Folge ihres Fern- und Präsenzunterrichts nutzen oder direkt in richteten die Schulleitung und der Elternrat einen gemein- ihren Padlets weiterverlinken konnten. Außerdem wurde die samen Appell an alle Lehrkräfte und Elternvertreterinnen Plattform im Zuge der Wiederaufnahme des Präsenz-Schul- und –vertreter, den regelmäßigen Dialog beizubehalten bzw. betriebs als Werkzeug zur kollaborativen Sammlung von wiederaufzunehmen. Ziel war es, sich gegenseitig Rück- Ideen, Fragen, Bedenken und Anregungen genutzt. meldungen zum Fernunterricht zu geben und sich über Er- Der Vorteil dieses Formats liegt auf der Hand: Alle Kolle- wartungen und Bedürfnisse sowie über Möglichkeiten und ginnen konnten sich zeit- und ortsunabhängig an dem Aus- Grenzen der Umsetzung auszutauschen. tausch beteiligen, was insbesondere Kolleginnen mit eige- nen Kindern entgegenkam. Fazit und Ausblick Die coronabedingten Veränderungen im Schulbetrieb ha- Eltern informieren und den Dialog suchen ben an der Schule Klein Flottbeker Weg einen Wandel der Bei dem Aufbau neuer Kommunikationsstrukturen zwischen Informations- und Kommunikationsstrukturen bewirkt. Es Schule und Elternhaus lassen sich drei Entwicklungsphasen ist davon auszugehen, dass Nachrichten mit reinem Infor- mit jeweils verschiedenen Zielsetzungen unterscheiden. mationsgehalt weiterhin überwiegend digital per E-Mail, über Onlineplattformen oder in Cloud-Systemen kommu- Phase 1: Informationen übermitteln niziert werden. Auch zum Austausch von Materialien oder Zu Beginn der Pandemie ging es hauptsächlich darum, der zur Vorbereitung und zur Durchführung von Fragerunden, Elternschaft alle relevanten Informationen zum veränderten Themen- und Ideensammlungen oder Diskussionen können Schulbetrieb zugänglich zu machen. Dies gestaltete sich Onlineplattformen künftig ein hilfreiches Werkzeug bleiben. zunächst schwierig, da die gewohnten Kommunikations- Denkbar ist außerdem, dass Team-Besprechungen je nach wege entweder extrem unzuverlässig (E-Mail-Funktion von Bedarf per Video oder als Präsenzsitzung durchgeführt EduPort) oder gänzlich unterbrochen waren („Ranzenpost“, werden. Präsenz-Termine). Informationen gelangten anfänglich so- mit nur über die Mailinglisten der Elternvertreterinnen und Bei allen Chancen und Möglichkeiten, die digitale Informati- –vertreter an die gesamte Elternschaft. ons- und Kommunikationsmedien bieten, wurde in der Coro- Phase 2: Informationen strukturieren – den Überblick na-Zeit jedoch eines sehr deutlich: wahren Kein digitales Medium erfüllt das menschliche Bedürfnis Nachdem die schulischen Eltern-E-Mail-Verteiler wieder- nach sozialer Nähe in gleichem Maße, wie die reale persön- hergestellt waren, zeichnete sich bald ein Folgeproblem liche Begegnung in der Schule. Dies zeigten die freudestrah- ab. Aufgrund der hohen Informationsdichte, die das dyna- lenden Kindergesichter am Tag der Wiederaufnahme des mische Entwicklungsgeschehen mit sich brachte, drohten Präsenzschulbetriebs. die Eltern, den Überblick über die getroffenen organisato- rischen Maßnahmen und die gültigen Regelungen und Ver- fahrensweisen zu verlieren. Folglich wurden zur besseren Übersicht sämtliche Elternbriefe der Schulleitung auf einem Corona-Info-Padlet chronologisch zum Download bereitge- stellt. Im weiteren Verlauf wurde dieses Info-Padlet zusätz- lich zu den Elternbriefen sukzessive um weitere relevante Informationen im Zusammenhang mit den coronabedingten Kontakt: Veränderungen im Schulalltag ergänzt (siehe Abbildung 2). Paul.Richter@bsb.hamburg.de 19
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